Fine 2|2012 – Getränkekongress 2012

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E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Michael Klonovsky im Speisewagen des ICE

Champagner für Millionen: Moët&Chandon Revival: Berliner Bar-Kultur

Im Trend: Bier-Editionen Zu jedem Anlass: Sekt Sprudelnd oder still: Wasser mit Geschichte Stuart Pigott über die Erfolgsgeschichte des deutschen Weins

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Die Deutschen unter den besten Weinen der Welt

„Große Weine – Große Kunst“ Die Prädikatsweingüter zu Gast in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin

100 Winzer | 200 Weine | 1000 Gemälde Weingenuss, in Kombination mit den Genüssen der Kunstwerke, den außergewöhnlichen Musikinterpretationen sowie dem Weintheater, steht im Mittelpunkt der Veranstaltung

Gemäldegalerie am Kulturforum | Matthäikirchplatz | 10785 Berlin Montag, 3. September 2012 | 18–22 Uhr Eintritt 35 Euro im VVK | 45 Euro AK (sofern Restkarten vorhanden) Informationen zum Programm und Ticket-Vorverkauf unter www.vdp.de Copyright: Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie; Einrichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Alle Fotos: Jörg P. Anders; Alle Etiketten: VDP. Die Prädikatsweingüter


E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion Carola Hauck Art Direction Guido Bittner

Verehrte Leserin, lieber Leser,

Mitarbeiter dieser Ausgabe Michael Freitag, Bernd Fritz, Christian Göldenboog, Rolf Hosfeld, Michael Klonovsky, Stuart Pigott, Anne Zielke

trinke, wem Getränk gegeben – nein, so hat es der Dichter natürlich nicht gesagt. Aber wenn wir hier ein Preislied singen dürfen, dann soll unser Gesang dem Ruhm der deutschen Getränkeindustrie gelten! Denn sie gibt jedem, was er will und braucht: Wasser und Wein, Bier und Brause, Apfelsaft und Apfelbrand, Whisky, Wodka, Rumverschnitt, Eierund Kaffee­likör – was Zunge, Gaumen und Herz begehren mögen, in konkurrenzloser Vielfalt. Vom 27. bis zum 29. August treffen sich nun Produzenten, Vertreter des Handels, der Gastro­nomie, der Hotellerie und der Medien zu ihrem Kongress, einem Gipfeltreffen, das in Fachgesprächen und hoch­karätig besetzten Diskussionsrunden eine Standort­bestimmung dieser unverzicht­baren B ­ ranche versuchen wird. Motto: Innovate or die – Lass dir was einfallen oder geh unter! Zu den innovationsfreudigsten Sparten zählt seit einigen Jahren der deutsche Weinbau, inspiriert und vorangetrieben vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), in dem die Elite des deutschen Weins versammelt ist. Ein Verband, der nicht nur das Beste im Wein repräsentiert, sondern auch ein wahrer Kulturträger genannt zu werden verdient. Denn was wir und wie wir trinken, ist immer auch (nicht nur in Bezug auf Wein) ein Ausdruck ­unserer ererbten wie unserer entwickelten Kultur, hat mit Herkunft und Brauchtum, mit Tradition, Kultivation und immer neu geforderter Kreativität, also mit Innovation zu tun. Darum ist es eine glückhafte Wahl, dass der erste Deutsche Kulturpreis der Getränkewirtschaft zum Auftakt des Kongresses dem VDP verliehen wird. Gestiftet hat die eigentlich längst fällige Auszeichnung der Wiesbadener Tre Torri Verlag, der sich nicht nur seit langem in seinen vielfältigen Publikationen dem guten Essen und dem genussreichen Trinken verschrieben hat, sondern auch Fine Das Weinmagazin herausgibt. Prinz zu Salm-Salm, Ehrenpräsident des VDP, wird den Preis entgegennehmen. Die ­Laudatio wird eine prominente Persönlichkeit halten, die der Öffentlichkeit nicht nur als kennerischer Weinfreund überhaupt, sondern auch als bekennender Förderer der heimischen Kreszenzen vertraut ist: Bundesaußenminister a.D. Joschka Fischer wird mit ­seiner Ruhmrede auf den VDP dem Deutschen Kulturpreis der Getränkewirtschaft verdiente Resonanz und Nachdruck geben. Wir heben unsere Gläser auf den Preisträger: Trinke also, wem Getränk gegeben!

Fotografen Kilian Bishop, Guido Bittner, Johannes Grau, Alex Habermehl, Christof Herdt, Maria Jauregui Ponte, Marc Volk Editorial-Fotos: Johannes Grau und Pekka Nuikki Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel Anzeigen Ann-Kathrin Grauel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Prinovis Ltd. & Co. KG  ·  Nürnberg Fine Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin viermal im Jahr

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt.

Ralf Frenzel Thomas Schröder Herausgeber Chefredakteur

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Wein-Wandel und Wein-Wunder in Deutschland Eine Bestandsaufnahme

Champagner für Millionen Moët & Chandon Impérial

Berliner Barkultur

Ein sommerlicher Gang um die Häuser

Die Emanzipation des Biers Spezialeditionen für die feine Tafel

Überschäumende Laune Sekt macht jedes Fest erst schön

Was lange gärt Über Weinwerbung

Wasser mit Geschichte Acqua Panna und S. Pellegrino

»Beim Weißen bin ich Patriot« Michael Klonovsky im Speisewagen des ICE

Das Saug-Phänomen Ein Deutungsversuch

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Wa n d e l u n d W u n d e r : B e g e i s t e Eine Bestandsaufnahme von Stuart Pigott

Fotos: Johannes Grau, Guido Bittner, Christof Herdt, Maria Jauregui Ponte

Es ist einfach unglaublich, was mit dem deutschen Wein in den letzten Jahren geschehen ist. Das ist keine leere Floskel, sondern meine ganz persönliche Beobachtung und deshalb ernst gemeint. Gute deutsche Weine hat es immer gegeben, aber als ich Anfang der 1980er Jahre begann, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, waren die Highlights fast ausschließlich süße Riesling-Weine aus Traditionshäusern. Zahlreich waren sie nicht: eine Handvoll von der Mosel und vom Rhein. Noch viel rarer waren gelungene trockene Weine. Sie erreichten kaum je den Markt, so gering waren die Mengen. Deutsche Rotweine, die dem internationalen Vergleich standhielten, gab es schlichtweg überhaupt nicht. Dieses ­traurige Bild hat sich im Lauf einer einzigen Generation zum Positiven gewandelt.

Vom unaufhaltsamen Aufstieg heimischer Winzer Der Prophet gilt wieder was im eigenen Land

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as wurde auch international wahrgenommen und gefeiert, vor allem seit der einflussreiche amerikanische Kritiker Robert Parker die deutschen Weine des Jahrgangs 2001 mit enorm hohen Bewertungen bedachte. Seither wird der neue deutsche Wein, ob trocken oder süß, ob rot oder weiß, überall auf dem Globus von den Meinungs­ machern, den Journalisten, Sommeliers, Gastronomen und Händlern, mit Begeisterung aufgenommen. Er wird nicht nur mit Lob überschüttet, sondern (mit w ­ enigen Aus­nahmen) auch für sein sehr gutes Preis-Leistungs-­ Verhältnis gerühmt. In manchen Exportmärkten hat sich das schon in ­tollen Verkaufszahlen niedergeschlagen, in einigen Ländern, vor allem in den BRICS-Staaten, entwickelt sich erst jetzt Begeisterung, und ein großer Durst nach deutschem Wein. Ein Beispiel: Gerade ist China Exportmarkt Nummer Eins für Schloss Johannisberg im Rheingau geworden. Dieses legendäre Weingut ist zweifelsohne der große Vorreiter für deutschen Wein auf dem chinesischen Markt. Und wenn die Finanzkrise den Weinhandel mit Nordamerika, weltweit noch immer Trendsetter in Sachen Wein, nicht so stark beeinträchtigt hätte, wäre der globale Erfolg des deutschen Weins gar noch größer. Man braucht eigentlich nur nach Berlin, Frankfurt, Köln oder Hamburg zu reisen, um den Siegeszug des deutschen Weins im eigenen Land zu erleben (damit habe ich den traditionell genussfreundlichen Südwesten der R ­ epublik bewusst ausgelassen). In diesen Großstädten hat er nicht nur eine hohe Akzeptanz erlangt –er ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit, ein eher seltenes Phänomen für bundesrepublikanische Verhältnisse. Ein Lokal, das heute keine dieser Weine – auch offen – ausschenkt, hat einen Trend verschlafen oder verfolgt ein spezielles Konzept. In der gehobenen Gastronomie stellt Deutschland tendenziell mehr glasweise angebotene Weine als andere Länder, und es gibt hoch angesehene Szenelokale und Sternetempel, in denen der deutsche Wein eindeutig vorn steht.

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Dagegen mag man einwenden, dieser Siegeszug finde nur in der großstädtischen Gastronomie statt, während sich im Supermarkt- und Discounterregal herzlich wenig geändert habe und nach wie vor Billig-Italien und BilligFrankreich vorherrschten. Manchmal wird auch behauptet, ein solcher Aufschwung könne nie für ein größeres ­deutsches Weinbaugebiet als Ganzes gelten, sondern immer nur für eine mehr oder weniger große Gruppe ambitionierter Spitzenerzeuger. Indes bestreitet kein Fachmann, dass sich Rheinhessen, Deutschlands größtes Weinbau­gebiet mit weit über sechsundzwanzigtausend Hektar Rebfläche, in punkto Image in den letzten zehn Jahren regelrecht neu erfunden hat. Oft erzählt die Statistik eine ganz andere Story als die allgemeine Wahrnehmung glauben will, aber in diesem Fall untermauert sie das Ganze. Zieht man den Wein­verkauf im Lebensmittel-Einzelhandel, inklusive D ­ iscounter, heran, dann stellt man fest, dass der Durchschnittspreis

für rheinhessische Weine im ersten Halbjahr 2006 noch bei 1,58 Euro lag und nur 11,5 Prozent dieser Weine für zwei oder mehr Euro je Flasche verkauft wurden. Drei Jahre s­ päter, also im ersten Halbjahr 2009, lag der Durchschnittspreis schon bei 1,92 Euro, eine Steigerung von mehr als zwanzig Prozent, während 21,8 Prozent für mehr als zwei Euro verkauft wurden, ein Zuwachs von fast neunzig Prozent in nur drei Jahren. Und der Aufstieg setzte sich rasant fort. 2011 lag der Durchschnittspreis bei 2,81 Euro; das entspricht achtundsiebzig Prozent in fünf Jahren! Das ist eine Wende im Markt, wie sie nur ganz selten geschieht. Hinter diesem Erfolg steht sicherlich auch die vorbildliche Gebietsweinwerbung Rheinhessens, die seit ­vielen ­Jahren sehr konsequent die Jungwinzer und ihre innovativen, vorwiegend trockenen Weine herausstellt. Und zweifel­los ist auch der imagebildende Effekt der neuen rheinhessischen Spitzenbetriebe stark zu spüren. Die Erfahrung, dass Spitzenerzeuger als Zugpferde für die Masse der Winzer in einem Gebiet fungieren, geht auf Bordeaux zurück, wo sie paradoxerweise nicht mehr gilt. Grund ist die Abkoppelung des Zugpferds vom Wagen: in Bordeaux der enorme Preisanstieg der Premiers Grands Crus Classés und anderer Spitzenweine in den drei­stelligen (und gelegentlich vierstelligen) Bereich. So wurden aus diesen Gewächsen so etwas wie flüssige Luxusgüter, die nur noch für eine sehr reiche Oberschicht bezahlbar sind. Der typische Deutsche, so glaube ich beobachtet zu haben, will ein Auto, so gut und groß wie das des Nachbarn, nicht aber den Luxusschlitten eines schwerreichen Promis, weil der ihm schlichtweg unerreichbar erscheint. So verhält es sich auch bei seiner Einstellung zum Wein. Dagegen ist die neue Spitzenklasse des trockenen deutschen Weins, die Großen Gewächse der VDP-Weingüter, des Elite-Verbands der deutschen Winzer, noch durchaus


e r u n g f ü r d e n d e u t s c h e n We i n Schloss Johannisberg, Rheingau

bezahlbar. Zum Beispiel kosten das begehrte Kirchspiel vom Weingut Groebe oder die Aulerde vom Weingut ­Wittmann, beide Westhofen/Rheinhessen, um die 25 Euro pro Flasche. Die Preisspitze für die Großen Gewächse liegt bei etwa 80 Euro für das Kirchenstück vom weltberühmten Weingut Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim/Pfalz. Das ist nicht billig, aber für einen guten Teil der Mittelschicht sind dies zumindest denkbare Festtagsweine. Entsprechend hat sich die Nachfrage entwickelt: Die Jahresproduktion der Großen Gewächse ist innerhalb eines Jahrzehnts von siebenhundertdreißigtausend auf eine Million Flaschen pro Jahr gewachsen. Damit sind bereits einige wichtige Trends der ­letzten Jahrzehnte beim deutschen Wein angedeutet. Er hat sich in mehrfacher Weise verjüngt. Parallel zu den Jung­winzern ist eine neue Konsumenten-Generation unterwegs (auch im Nachtleben), die den Wein als Teil der Pop-Kultur begreift. Das Zusammentreffen gut ausgebildeter, k­ reativer Jungwinzer mit einem für Innovationen offenen P ­ ublikum ermöglichte die Verwandlung von Weinen, die mega-out waren, in solche, die richtig in sind. Ein Parade­beispiel dafür ist die Scheurebe, eine aromatische Neu­züchtung. In ihrer alten Erscheinungsform wurde sie meist zu einer ­billigen, süßen Spätlese, die überwiegend von einem älteren ­Publikum gekauft wurde. Während der trockenen Welle der achtziger und neunziger Jahre war das Image der Scheurebe ganz unten. Dann kam die neue deutsche Scheurebe, die an den Erfolg der Traubensorte Sauvignon Blanc anknüpfte. Auch wenn an der Loire seit Generationen Sancerre aus der Sauvignon-­Blanc-­Traube erzeugt wird, ist es erst in Neuseeland gelungen, coole Weine aus dieser Sorte zu machen, mit grünlich-exotischem Duft und saftigem, säure­betontem Geschmack. Bis zur Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Sauvignon Blancs aus Neuseeland ganz selten weniger als fünf Euro gekostet. Schnell gab es Nachahmer in zahlreichen Ländern (auch mit Produkten unter 2,99 Euro). Inzwischen wird Sauvignon Blanc auch in Deutschland angebaut und ist ein Renner. Die Nachfrage ist so groß, dass die Rebfläche innerhalb von zehn Jahren von nahe Null auf sechshundertfünfzig Hektar gewachsen ist – Tendenz weiter steigend. Und das bei Preisen, die oft um zehn Euro und darüber liegen. Im Vergleich zum Sauvignon Blanc ist die Scheurebe dezenter im Duft und oft harmonischer, vor allem weniger säurebetont und fast immer deutlich ­günstiger. Der Preisunterschied ist auch durch die wesentlich größere Rebfläche von eintausendsechshundertzwanzig Hektar zu erklären. Ihr Geschmacksprofil macht die neue deutsche Scheurebe zu einem optimalen Partywein, der längst in manchen angesagten Clubs Einzug gehalten hat. Dieser Trend erreicht die meisten Supermarkt-Regale noch nicht. Aber in den Weinabteilungen gut sortierter Kaufhäuser ist die Scheurebe bereits angekommen.

Eine weitere Innovation ist Deutschlands Antwort auf den italienischen Prosecco Frizzante, die hierzulande Secco heißt. Davon gibt es zahlreiche Varianten aus fast allen erdenklichen Traubensorten. Oft stammen die b ­ esten Beispiele aus verkannten Trauben – wie der »Prickelnd« vom Winzerhof Stahl in Franken, der vorwiegend aus der Bacchus-­Traube (ein weitere aromatische Neuzüchtung) entsteht. Der vielleicht erstaunlichste Erfolg in diesem Bereich ist die Marke »Fritz Müller«, eine Gemeinschaftsproduktion des Jungwinzers Jürgen ­Hofmann aus Appenheim/Rheinhessen und des Münchener Wein­ händlers Guido Walter. Anfang 2010 kam der frucht­ betonte ­trockene Perlwein aus der Allerweltstraube Müller-­ Thurgau auf den Markt und war schnell vergriffen. Seitdem ist der Regalpreis von 5,99 auf 6,49 Euro geklettert. Und zugleich fand eine Brand Extension statt. Neben einem Rosé, vorwiegend aus der Portugieser-Traube (zum ­gleichen Preis), gibt es auch einen richtigen Schaumwein in einem kremigeren Stil (auch aus Müller-Thurgau) für 9,99 Euro. Warum Müller-Thurgau und Portugieser aus Rhein­hessen als Grundweine? Ganz einfach, weil kaum ein ­Winzer diese Traubensorten in den letzten zwanzig ­Jahren neu gepflanzt hat und es sich daher fast ausschließlich um alte Reben ­handelt. Günstige Grundweine aus alten Reben, die gute Qualität liefern: Das ist natürlich keine schlechte Basis für ein neues Produkt! Einen wahren ­Fundus an Anbietern hat Jürgen Hofmann praktisch vor der Haustür. Das rasante Wachstum der Marke auf etwa hundertzwanzigtausend ­Flaschen pro Jahr spricht Bände für Hofmanns Können und Walters Marktgespür. Beim Rotwein sind die Innovationen noch grund­ legender, da die Winzer hier quasi bei Null anfingen. Die ersten neuen deutschen Rotweine waren Spätburgunder, heute mit elftausenddreihundertdreißig Hektar die meistgepflanzte Rotwein-Traubensorte Deutschlands, und damit

die drittgrößte Fläche der Welt nach ihrer französischen ­ eimat und den Vereinigten Staaten (wo sie Pinot Noir H genannt wird). Diese Weine sind moderat in der Farbtiefe, eher sanft, mit leichtem bis mittelgewichtigem ­Körper. Sie leben von ihrer Duftigkeit und Seidigkeit. Im besten Fall können sie den burgundischen Spitzenweinen der gleichen Traubensorte Paroli bieten. Allerdings bei Preisen weit unter dem dortigen Niveau – für burgundische GrandCru-Weine, die höchste Stufe der Klassifizierung, ist die Euro-Dreistelligkeit bereits üblich. Inzwischen schlägt sich Deutschland im Endverbraucher-Preissegment zwischen fünf bis zehn Euro mit Spätburgunder-Rotwein ziemlich wacker, einer Preisklasse, in der Frankreich kaum Produkte zu bieten hat. »Cool Climate Reds« nennt man dieseWeine in der englischsprachigen Weinwelt, eine positive Beschreibung, die zugleich auch »nicht so kräftig wie die Spitzen-Rotweine aus Frankreich oder Italien« bedeutet. Denn als die Klimaerwärmung weltweit spürbar wurde, kamen ganz andere Rotweine auf den Markt. Sie waren tieffarbig und kräftig bis schwer. Ein Spezialist für diesen neuen Rotwein-­ Typus ist Markus Schneider vom Weingut Schneider in Ellerstadt/Pfalz, dessen »Black Print« und »Ursprung« sehr schnell zu erfolgreichen und gut distribuierten M ­ arken wurden. Letztes Jahr hat er seinen ersten Rotwein aus der Traubensorte Syrah erzeugt, die traditionell im RhôneTal verortet wird. Mit seiner Kraft und Üppigkeit ähnelt Schneiders Syrah einem deutlich höherpreisigen Gewächs aus Übersee, wo diese Traube oft Shiraz genannt wird. Die Palette der deutschen Rotweine wird also immer breiter, und was noch geringe Marktbedeutung hat wie Syrah (nur zweiunddreißig Hektar Rebfläche in Deutschland), wird innerhalb weniger Jahre kräftig hinzugewinnen. Manche Facetten des deutschen Wein-Wunders waren hingegen viel weniger spektakulär. Als trockene F I N E   |   EIN M AGAZ IN FÜR WEIN UND G ENUSS

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Stuart Pigott: Wein-Wandel und Wein-Wunder deutsche Weißweine Anfang der achtziger Jahre in Mode kamen, wurde der gute alte Ruländer – meist ein süß­ licher, ­schwerer Wein – nicht nur in Grauburgunder umgetauft, sondern geradezu verwandelt. Heute sind die Weißweine dieser Traubensorte oft mittelgewichtig, ­trocken und sehr gefragt. Rund viertausendsiebenhundert H ­ ektar sind damit bepflanzt. Die eng verwandte Traubensorte Weiß­burgunder war damals eine Seltenheit außerhalb Süd-Badens und der Süd-Pfalz. Aber sie eignet sich so gut für trockene ­Weißweine von leichtem bis mittlerem

Körper und sanfter Säure, dass die Fläche stetig wuchs und die Sorte sich in allen deutschen Anbaugebieten ausbreitete. In Rhein­hessen, um wieder das größte deutsche Weinanbaugebiet als Beispiel anzuführen, hat sie sich von einhundertsiebenund­dreißig Hektar im Jahr 1989 innerhalb von zwanzig Jahren auf neunhundertdreizehn Hektar ausgedehnt, also durchschnittlich mehr als 28 Prozent pro Jahr! Heute sind in ganz Deutschland etwa viertausendeinhundert ­Hektar mit Weißburgunder bepflanzt. Und das, obwohl die Traubensorte schon im französisch­stämmigen

Chardonnay einen starken Konkurrenten im Nacken hat, dessen Fläche von Null auf dreizehnhundert Hektar gewachsen ist. All dies vollzog sich fast ganz ohne große Schlagzeilen. Denn diese Weine schmecken einem breiten Publikum, und so fand eine eher schleichende Revolution auf dem Inlandsmarkt statt. Den neuen deutschen Weinen gelingt es immer besser, auf Anhieb gerade junge Leute für sich zu gewinnen. Und das ist dann doch gelegentlich die eine oder andere Schlagzeile wert.

Die neue Leichtigkeit des Weins Statussymbol mit Kultcharakter

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er hat noch nicht davon gehört, dass Wein »in« und »cool« und, in Maßen genossen, auch »gesund« ist? Das hat mit der neuen gesellschaftlichen Akzeptanz des Weins und der schwindenden bürgerlichen Angst vor ihm zu tun. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Fundamente der sich rasant entwickelnden neuen Wein-Konsumkultur in Deutschland wie auch der westlichen Welt. Übrigens: Auch in Asien, in der ehe­maligen Sowjetunion, in Brasilien und anderen aufstrebenden ­Staaten entsteht eine neue Weinkultur, aber die ist ganz anders als die hiesige, nicht zuletzt, weil sie sich nicht von belastenden Traditionen befreien muss. Der neue Weindurst des Westens führt zu einem neuen Weinwissensdurst, den nicht zuletzt auch Fine befriedigt. Das alte Weinwissen war eine Einbahnstraße, die über kurz oder lang immer nach Bordeaux führte. Vor allem zu jenen mythischen Orten des edlen Weins, zu dem nur eingeweihte Männer Zugang haben. Diese Art des Wein­ wissens, das gern auch in einschlägigen Restaurants ein wenig snobis­tisch und wichtigtuerisch zelebriert wurde, führte dazu, breite Schichten der Gesellschaft in Bezug auf Wein einzuschüchtern und auszuschließen. Hugh ­Johnson, der berühmte britische Weinautor, propagierte dagegen schon früh eine Haltung, die beides war, sowohl elitär als auch demokratisch, und lud seine Leser ein, an seinem ­Wissen wie an seinem Vergnügen teilzuhaben. Dagegen gleicht das neue Weinwissen eher einer Landkarte mit Straßen, die in sehr viele Richtungen führen – und einige, aber beileibe nicht alle, auch ins Bordelais. Das zeugt vom Wandel innerhalb unserer Gesellschaft wie der Weinwelt selbst. Anfangs waren manche Märkte für die neuen Weine aus den Überseeländern deutlich offener als Deutschland. Aber die heutige Omnipräsenz von Weinen aus Chile, Süd­afrika und Neuseeland in jedem Supermarkt­regal und vielen Sterne­tempeln bezeugen: Deutschland hat bei der Globali­ sierung des Weingeschmacks rasant aufgeholt. Inzwischen drängen Weine aus exotischen Ländern wie Israel, ­Brasilien und Thailand auf den deutschen Markt. Damit wird das Image des Weins noch bunter und spannender – hier funktioniert Multi-Kulti bestens. Natürlich spielt die gestiegene Weinqualität eine bedeutende Rolle, doch hat der Wandel nicht zuletzt auch mit den Gefühlen und mit dem Selbstbewusstsein einer neuen Generation meist junger Weintrinker zu tun. Sie sind die Trendsetter, an denen sich die Älteren orientieren. Das neue Image des Weins drückt das Lebensgefühl

einer Jugend aus, die schon alles mindestens einmal ausprobiert und ihren Weg gefunden hat, die kreativ eigene Ziele verfolgt und definitiv weder einem Einheitstrott verfallen noch die Stirn in grüblerische Falten legen will. Mit anderen Worten: Wer jung, hip, kreativ und erfolgreich ist (oder sich so fühlen will – und wer will das nicht?), trinkt Wein, schlechthin das Getränk gesellschaftlicher Distinktion im 21. Jahrhundert. Ein Beispiel: Sean Parker, 32, ist einer der erfolgreichsten New-Economy-Unternehmer der Welt und eine Schlüsselfigur des 21. Jahrhunderts. Er war es, der Mark Zuckerberg den Rat gab, »a million dollars isn’t cool. You know what’s cool? A billion dollars!« Dass ­Parkers Facebook-­Anteile inzwischen zwei Milliarden Dollar wert sind, unterstreicht die Bedeutung dieser berühmten Anekdote, eine Szene des Films »The Social Network«, der auch Sean Parker berühmt machte. Kürzlich gab er der Londoner Financial Times ein großes Interview, in dem er einen kurzen Vortrag über die piemontesische Nebbiolo-Traube und die Vielfalt der aus ihr gewonnenen Weine hielt. Nicht nur, dass Parker wirklich etwas davon versteht und ihm das Thema Wein offenbar wichtig ist. Er sprach auch offen darüber. Ein Wirtschaftsboss der alten Schule hätte so etwas nie von sich gegeben, womöglich hätte er davon auch nichts gewusst! Solche öffentlichen Positionierungen, die verführerische Kombination aus leichtem Zugang zum Wein mit Protagonisten der New Economy sowie Celebrity Endorse­ ment der Pop-Musikbranche sind zweifellos prägend für das Weinimage unserer Zeit. Guter und vor allem guter deutscher Wein hat in den letzten Jahren ganz neue Schauplätze erobert. Seit er beispielsweise im Bundespräsidialamt, in Kanzleramt und Reichstag wie in den diplomatischen Vertretungen Deutschlands prominent vertreten ist, hat er eine Selbstverständlichkeit gewonnen, die noch vor zwanzig ­Jahren unvorstellbar war. Damals hat die Politik von diesem Thema keine Notiz genommen. Und wenn doch, dann waren es einzelne Politiker, die unabhängig von der Parteizugehörigkeit zur so genannten Toskana-Fraktion gezählt wurden, den Erzeugnissen des eigenen Landes aber eher gleich­gültig gegenüberstanden. Dagegen waren die Grünen-Politiker Joschka Fischer und Renate Künast, der FDP-Mann Rainer Brüderle und auch Bundeskanzler Helmut Kohl die ersten, die sich eindeutig zum deutschen Wein bekannten – auch sie zählen zu den Wegbereitern des aktuellen Trends. Und würden vielleicht dem Reichskanzler Bismarck zustimmen, der den deutschen Wein für den besten Botschafter hielt.

Guten Weinen begegnet man immer häufiger auch dort, wo Weinqualität und Weinauswahl bislang eher peinlich waren, etwa in der Bahn und im Flieger. Air Berlin hat gewiss mit seiner mutigen und qualitätsbewussten Einkaufspolitik manchen Konkurrenten wachgerüttelt. Auch hier haben die neuen deutschen Weine wegen ihres guten Preis-Leistungsverhältnisses gepunktet. Das langjährige Problem zu geringer Mengen, die eine Listung ausschlossen, ist durch Umstrukturierungen in vielen Weinbau­ gebieten (durch die Expansion erfolgreicher Weingüter und kleinerer Winzergenossenschaften) inzwischen weitgehend gelöst. Doch nicht nur der Preis bestimmt die gestiegene Nachfrage. Nicht zuletzt ist die Qualität für die neuen Konsumenten entscheidend, die nicht nur bereit sind, mehr Geld für Wein auszugeben als frühere Generationen, ­sondern auch kritischer und selbstbewusster. Sie ­lehnen Weine nicht ab, weil sie etwa fehlerhaft wären (was wegen der ­modernen kellerwirtschaftlichen Technik immer s­ eltener vorkommt), sondern weil sie ihnen nicht schmecken. »Sie trauen ihrer Zunge« – wie ich in meiner ­TV-Serie »Weinwunder Deutschland« für den Bayerischen Rundfunk oft festgestellt habe. Natürlich hat der Weinmarkt viele Aspekte, und daher ist das Image des Weins nicht einheitlich. Wenn siebzehn Prozent der erwachsenen Deutschen siebenundsechzig P ­ rozent des Weinkonsums tragen, dann gibt es natürlich auch eine Kehrseite: Siebenunddreißig Prozent haben nach wie vor keiner­lei Interesse für Wein und ­bleiben bei Bier, ­Wasser, Cola und anderem. Weiteren neunund­zwanzig ­Prozent ist es ziemlich egal, welchen Wein sie ­trinken. Darunter vor allem ­Teenies, für die nur der Alkohol­gehalt ­wichtig ist, und andere, die beharrlich zu Pinot Grigio, ­Chianti oder ­Lambrusco vom Discounter für 1,49 Euro greifen – das erklärt auch, warum hier­zulande der Durchschnitts­preis für italienischen Wein nach wie vor so ­niedrig ist. Manche wollen einfach nicht zur neuen coolen Welt des Weins gehören, aus welchen Gründen auch immer (und sie sind zahlreich). Aber wer heute etwas auf sich hält, wer kultiviert ist oder kultiviert erscheinen will, wer ein Yuppie ist oder zur New Economie gehört, kommt um das Thema Wein als Genussmittel und Statussymbol nicht herum. Wein schmeckt nicht nur gut und ist bekömm­ licher als harte Drinks und Cocktails, er bereitet vielmehr Freude und sendet wichtige Signale ins soziale und wirtschaftliche Umfeld.

abfüllen – nach dem Motto »ein Cent Gewinn pro Flasche ist auch ein Gewinn«. Doch das ist keinesfalls die ganze Wahrheit. Auch bei den Weinen aus dem Supermarkt- oder Discounter-Regal hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, und viele ­dieser Veränderungen zielen in eine ganz andere Richtung. Wobei sich nicht die Frage stellt, ob, sondern wie weit und wie schnell der Markt dieser neuen Strömung folgt. Ein entscheidender Anlass für diesen Richtungs­ wechsel hat zunächst gar nichts direkt mit Wein zu tun. Als im Jahr 2001 die ersten Fälle von Rinderwahn oder

BSE in Deutschland entdeckt wurden, war plötzlich das beliebte Supermarktprodukt Rinderhack verdächtig. Es war kein Zufall, dass sich in den folgenden Jahren die Ökosupermärkte ausbreiteten, denn der Skandal sorgte vor allem beim Bildungsbürgertum für einen tief sitzenden Schock. Weitere Lebensmittelskandale folgten, und den ­Menschen wurde schnell bewusst, wohin Geiz und Gier führen k­ önnen. Seither wird intensiver über Essen und Trinken nachgedacht. Für Wein waren die Ökomärkte wichtig, denn deren Einkäufer setzen andere Prioritäten als normale Super-

Chancen und Risiken Wein im Supermarkt

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ngeblich will der Wein-Kunde im Supermarkt oder beim Discounter einfach nur so billig wie möglich einkaufen und hat bei seiner Kaufentscheidung nichts a­ nderes als den Preis im Kopf –unabhängig von geographischer Herkunft, Lage oder Traubensorte. Dieser Konsumentenhaltung entspricht eine So-billig-wie-möglich-Einkaufspolitik der Supermärkte und Discounter, was wiederum knallharte Preisverhandlungen mit den sie beliefernden Großkellereien bedeutet. Diese müssen ihrerseits Fassweine so billig wie möglich von den Winzern beziehen und dann so kosteneffizient wie möglich verschneiden und

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Stuart Pigott: Wein-Wandel und Wein-Wunder märkte und Discounter. Das lag natürlich auch an der Bereitschaft ihrer Kunden, mehr für »gute« und »gesunde« Produkte zu bezahlen. Zuvor waren Öko-Lebensmittel ­selten außerhalb von Reformhäusern, Bio- oder Hofläden zu bekommen. An diesen Stätten alternativer Lebens- und Denkformen wirkten die Normalbürger der Mittelschicht zunächst ziemlich deplaziert. Doch dann kamen die h ­ ellen, Zuversicht ausstrahlenden Öko-Supermärkten und w ­ urden von der breiten Masse der verunsicherten mittleren Käufer­ schicht bevorzugt angesteuert. Hinzu kam die bescheidene und deshalb sympathische Größe der Öko-Ketten, ihre meist regionale Ausbreitung – Stichwort: klein, aber fein – und ihre Konzentration auf regionale Produkte – Stichwort: Heimatgefühl. All das schuf neues Vertrauen bei den Verbrauchern – und Nachahmer bei den großen Handelsketten. Unter den konven­ tionellen Supermärkten setzt Edeka mit Abstand am erfolgreichsten auf diese Karte, wobei die Umsetzung stark von den lokalen Geschäftsführern abhängig ist und demzufolge von Laden zu Laden schwankt. Die Ökosupermärkte haben einen Teil der Früchte vom großen Aufschwung des Ökoweinbaus in Deutschland geerntet. 1980 gab es gerade mal fünf zertifizierte ökologische Weinbaubetriebe mit achtunddreißig Hektar in Rheinland-Pfalz; 2008 waren es schon dreihundertsiebzehn Betriebe mit dreitausendzweihunderteinunddreißig Hektar. Das ist natürlich ein gigantisches Wachstum – von einer winzigkleinen Basis aus. Heute werden mehr als fünf Prozent der deutschen Weinberge ökologisch bewirtschaftet, deutlich mehr als im aktuellen EU-Durchschnitt von etwa zweieinhalb Prozent. Und die Tendenz ist überall ­weiter steigend. Qualitativ jedoch wird der Ökoweinbau kaum weiter steigen können, weil die Qualität von Öko­weinen in allen Preisklassen jenseits von 2,99 Euro pro Flasche weitgehend ausgereizt ist. Daher konnten die Ökosupermärkte problemlos ihre Weinregale mit attraktiven Produkten füllen, was zwanzig Jahre früher gar nicht möglich gewesen wäre! Ähnlich war es mit vielen anderen Lebensmitteln aus ökologischer Erzeugung. Längst haben die Größen des Lebensmitteleinzelhandels mit eigenen Ökoprodukten und auch -weinen nachgezogen. Aber: Reaktion ist nicht Aktion. Noch wichtiger als diese »Einbürgerung« des Ökoweins aber war, wie die Ökosupermärkte gezeigt haben, dass nachhaltige Konzepte wirtschaftlich funktionieren ­können, wenn sie den richtigen Nerv treffen. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis bedeutende Markt-­ Innovationen folgten. Der nächste wichtige Schritt war 2007 die Gründung des Vitis-Projekts von Spitzenwinzer Franz Keller aus Oberbergen/Baden. Sein Ziel: Gute Qualität für alle, nicht nur Spitzenprodukte für eine Elite – auch und gerade beim Wein.

Weiß, Rot, Rosé: Edition Fritz Keller, exklusiv für Aldi Süd

Inzwischen verkauft Aldi pro Jahr mehr als eine ­Million Flaschen der Edition Fritz Keller. Dazu hat Keller rund siebenhundert Winzer mit mehr als dreihundert Hektar Rebfläche unter Vertrag genommen. Moderne EDV und GPS-Koordinaten helfen ihm dabei, den Überblick zu behalten und die notwendige Qualitätskontrolle im Weinberg durchzuführen. Die Preise reichten bisher von 4,99 bis 9,99 Euro, was eine ziemliche Leistung bei diesem ­Volumen ist. Dieser Erfolg wurde nicht durch Zugabe von Süße oder andere legale kellerwirtschaftliche Tricks erkauft; es h ­ andelt sich um sehr klare, richtig trockene Weine. Ebenso wie die modernen Etiketten aus der Bauhaus-Zeit gehört diese geschmackliche Konsequenz zum authentischen Profil der Produkte. Das Geschäftsmodell war revolutionär. Inzwischen gibt es zahlreiche Wein-Projekte für deutsche Supermärkte und Discounter, für die sich begabte Winzer wie Christian Steitz von Weingut Steitz in SteinBockenheim/Rheinhessen und Michael Beck vom gleichnamigen Weingut in Stadecken-Elsheim engagiert haben.

Ihr trockener Grauburgunder »Steitz & Beck« verkauft sich bei Rewe zweihunderttausend Mal pro Jahr für 4,99 Euro. Kein Wunder: Wie bei der Edition Fritz Keller ist die Qualität überzeugend und die Aufmachung ein gelungenes Stück modernen Designs. Offensichtlich gibt es eine nicht unerhebliche Konsumentenschicht, die genau das sucht und begeistert genug davon ist, um den Kauf zu wieder­holen. Das ist nur folgerichtig, denn dieses Produkt schlägt ­reihenweise italienische Pinot Grigios in der Preisklasse zwischen fünf und zehn Euro. Das einzige Problem für Steitz und Beck ist ein logistisches. Sie arbeiten ebenfalls mit Vertragswinzern und gemieteten Kellern. Deshalb wird es für sie eine ziemliche Herausforderung sein, diese Menge bei gleicher Qualität zu steigern. Da haben es große Erzeugergemeinschaften wie die Gebietswinzergemeinschaft Franken (GWF) aus ­Kitzingen ­leichter, um das Qualitäts-Management in den Griff zu bekommen. Seit Michael Schweinberger von der Paulaner-­ Brauerei als Geschäftsführer hierher wechselte, ist dies

Gut, schön, modern: Edel und fachgerecht präsentieren sich mittlerweile deutsche und internationale Weine in anspruchsvollen Kaufhäusern.

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Stuart Pigott: Wein-Wandel und Wein-Wunder Nicht in allen Kaufhäusern und Supermärkten sind die Weinabteilungen so herausragend sortiert wie in der Galeria Kaufhof, aber der Trend geht auch bei den Discountern in Richtung Qualität und Vielfalt.

gelungen. »Die Menge ist nicht das Problem,« erklärt er. »Wir haben zum Beispiel einen Mitarbeiter, der sich ausschließlich um die Weine der Marke „die jungen frank’n« kümmert.“ Hiervon werden etwa sechshundertfünfzig­ tausend Flaschen pro Jahr für 2,99 bis 3,49 Euro in ­diversen Supermärkten verkauft, was keine schlechte Leistung ist, wenn man bedenkt, dass die Hauptsorte dieses Weins trockener Müller-Thurgau ist! Seine fruchtbetonte, spritzige Art ist typisch für neue Marken in diesem Preisbereich. Weil die GWF etwa dreiundzwanzig Prozent der gesamten Rebfläche Frankens bewirtschaftet, hat ihr erfolg­reicher Rückzug aus dem Preisbereich unter 1,99 Euro eine direkte Auswirkung auf das Image der gesamten Region. Dagegen kämpfen manche berühmten Gebiete in Frankreich und Italien mit dem Image, teuer und alt­modisch zu sein. Vielleicht springen nur wenige langjährige Liebhaber des kleinen Bordeaux oder des b ­ illigen C ­ hianti ab. Aber die Kundschaft vergreist, weil kaum Junge hinzukommen. Alle Versuche, die Standard-Rotweine des B ­ ordelais cool zu machen, darunter manch peinlicher Marketing-­Gag wie After-Work-Dessous-Modeschauen, sind gescheitert. Ganz anders bei den deutschen Weinen, die tendenziell gut bis hervorragend bei der neuen Konsumenten-­Generation ankommen, wobei sich manche Anbaugebiete viel besser nach vorn bewegen als andere. Und noch etwas kommt hinzu: Die neue KonsumentenGeneration pflegt einen wesentlich entspannteren Umgang 8

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mit dem für Deutsche stets heiklen Kapitel National­ stolz. Auch das kommt dem deutschen Wein eindeutig zugute. Nach wie vor spielen aber auch Urlaubserlebnisse eine ­zentrale Rolle für den Weinkonsum. Noch vor einer Generation resultierte daraus nur für Frankreich, Italien und Spanien ein bedeutender Markteffekt. Inzwischen aber haben Urlaubserfahrungen auch eine Wirkung auf den Konsum von Weinen der Neuen Welt. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass die Überseeländer so viel Boden am deutschen Weinmarkt gewinnen würden? Damals sah es ganz danach aus, als ob sie mittelfristig nur eine kleine Nische besetzen könnten. Der deutsche Markt nimmt heutzutage etwa dreizehn Prozent der weltweiten Weinexporte auf, die insgesamt seit dem Jahr 2000 um sage und schreibe fünfundsechzig Prozent gewachsen sind. Wir erleben eine neue Phase der Globalisierung des Weins! Sicherlich sind bei den großen und kleinen Gewinnern auch allgemeine ökonomische und währungspolitische Faktoren im Spiel, so die Stärke des australischen ­Dollars, der Importe bremst, wohingegen Südafrika mit s­ einer eher schwachen Währung gut dasteht. Erfolgreich sind vor allem Weine wie der Cimarosa Chenin Blanc, ein trockener Weißwein aus Südafrika, der bei Lidl für 1,99 Euro zu haben ist. Es handelt sich um einen sauberen, frucht­ betonten Weißwein mit einem Hauch von Exotik, der gut zum Markennamen und zur Herkunft passt. Ein austauschbares Produkt, gewiss, aber gekonnt gemacht. Dieser Preis bildet ein unteres Limit für die Kombination aus beständiger Qualität und Wirtschaftlichkeit. Es setzt eine industrielle Weinherstellung voraus, also die weitgehend mechanisierte Bewirtschaftung der Weinberge sowie hochtechnisierte Kellereien, weil Arbeitsstunden nach wie vor der teuerste Kostenfaktor sind. Das ­günstige Klima, ausreichend Wasser und die Niedriglöhne in Süd­afrika spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei diesem Regalpreis. Trotzdem wird eine schmale, aber immer noch interessante Gewinnspanne für jedes Glied in der Erzeuger­kette bis zum Supermarkt oder Discounter gewährleistet. Natürlich hat der Regalplatz, den der Wein einnimmt, und die Häufigkeit, mit der er sich dreht, auch mit den typisch deutschen Bedürfnissen nach Produkten in dieser Preiskategorie zu tun. Und damit sind wir wieder an einem heiklen Punkt: Was passiert, wenn der Käufer von dem vor knapp einem Jahr erschienenen »Ripe with Abuse«-Bericht (»Reif durch Missbrauch«) von Human Rights Watch zum Thema Obst- und Weinbau in Südafrika hört? Vielleicht sind es nur wenige schwarze Schafe in der südafrikanischen Wein­industrie, die die gesetzlichen Pflichten gegenüber ihren Mitarbeitern verletzen. Immerhin hat das staatliche Weinhandelsmonopol von Schweden von seinen südafrikanischen Lieferanten eine Garantie verlangt, dass hinter allen gelieferten Waren menschenwürdige Produktions­ bedingungen stecken. Wenn Südafrika und eine ganze Reihe anderer Weinbauländer, die mit Niedriglöhnen arbeiten, diese Hausaufgaben nicht machen, könnte dies ebenso viel Aufsehen erregen wie seinerzeit der BSE-­ Skandal und mit ähnlich weitreichenden Folgen. Der Durchschnittspreis für eine verkaufte Flasche Wein ist in Deutschland trotz eines leichten Anstiegs nach wie vor sehr niedrig, vor allem, wenn man die enorme Kaufkraft hierzulande betrachtet. Die allgemeine Weinbegeisterung steigt zwar, hält sich aber immer noch innerhalb ­klarer Grenzen: So könnte vorsichtig das positive Fazit ­lauten. Aber in den Regalen deutscher Supermärkte und Discounter lauert auch die dunkle Seite dieses Themas: der Tetrapak für 0,99 Euro pro Liter. Dieses Produkt ist das Ergebnis der weltweiten Überproduktion von Wein, die 2011 sagenhafte 2,1 Milliarden Liter betrug. Der Tetrapak-Wein für 0,99 Euro ist der qualitativ geringste Wein, der von der Kundschaft im deutschen Supermarkt und Discounter akzeptiert wird. Er ist typischerweise sauber, aber dünn und völlig belanglos. Der Wein, der nicht mal als solcher zu verkaufen ist, steht auch im Supermarkt und beim Discounter, meist in der Nähe des Tetrapaks: Es ist billiger Wodka, der oft aus Wein-Über­ produktion destilliert wird, weil die Weine, die es nicht mal in die Pappschachtel schaffen, für Wodka-Hersteller immer noch billiger sind als Kartoffeln oder Weizen! Auch so kann »Wein« im 21. Jahrhundert aussehen und schmecken.  >


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Champagner für

Millionen

Mit ihrem Moët Impérial bindet die Maison Moët & Chandon hohe Qualität an fast unfassbare Menge

Text: Christian Göldenboog Fotos: Marc Volk

Moët Impérial, zuvor Brut Impérial, ist der meistgetrunkene Champagner, und dies seit mehr als zweihundertfünfzig Jahren: Schon 1746 verschickte der umtriebige Firmengründer Claude Moët fünfzigtausend Flaschen. Ein Rekord. In seinem Klassiker »­Champagner« behauptet Gert von Paczensky, dass irgendwo in der Welt alles in allem in jeder Minute fünfundvierzig Flaschen Moët & ­Chandon entkorkt werden – legt man die verkauften ­Flaschen des Jahres 1986 zu Grunde. Es waren gut vierund­zwanzig Millionen. Inzwischen gibt es überall Moët Impérial, nur auf dem Mond noch nicht. »Unser Brut passt in viele Kulturen hinein, auch zu vielen unterschiedlichen Gerichten«, behauptet Benoît ­Gouez, seit 2005 Chef de Cave von Champagne Moët & ­Chandon in Epernay. Sichtlich selbstbewusst gibt sich der smarte ­Önologe ob des globalen Stils ­seines Weines: »Generell denke ich, dass das Image des ­Champagners ein inter­nationales ist. Und dies lässt sich nicht unbedingt über viele a­ ndere Weine sagen.«

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Moë B

enoît Gouez kam 1998 zu Moët, nachdem ihm der damalige Kellermeister Dominique Foulon signalisiert hatte, dass er sein Team mit jungen Talenten auffrischen wollte; vorher studierte Gouez an der Universität Montpellier, arbeitete in Neuseeland, Kalifornien und Australien sowie als Berater in Südfrankreich. Um auf seine künftigen Aufgaben entsprechend vorbereitet zu sein, begleitete er bis 2005 den Dom-PérignonChef­önologen Richard Geoffroy eng bei dessen Arbeit. Gouez ist eloquent, elegant, fachkundig, mit seinen langen ­Haaren kommt er wie ein Michel Polnareff der französischen Önologie daher; kurzum, er ist ein Aushängeschild für das Selbstbewusstsein seiner Firma. Dies weiß er auch. Schließlich gehört Moët & Chandon zum Luxuskonzern Louis ­Vuitton Moët Hennessy (LVMH), Umsatzerlöse im Jahr 2008 von 17,2 Milliarden Euro, und stellt, im Vergleich mit ­anderen Häusern, in vielem die Spitze des Champagners dar. ­Gerne auch wenn es um Zahlen geht: Moët & Chandon ist nicht nur führend hinsichtlich der Anzahl der produzierten ­Flaschen, verzeichnet also den höchsten Umsatz, sondern kann auch bei der Ausarbeitung seiner Cuvées auf den

Eleganz, Reife, gehaltvolle Frische: Der feinperlige Impérial ist ein edler Champagner für alle und für alle Gelegenheiten.

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größten Weinbergbesitz aller Champagnerhäuser zurückgreifen. Dies auch deshalb, weil die LVHM-­Strategie in den letzten Jahren sehr clever und fruchtbar für Moët war: Sowohl die Häuser Lanson und Pommery, die einst zur Firmen­gruppe gehörten, wurden verkauft – aber nur der Name der Marke samt Gebäuden und den kellertechnischen Einrichtungen. Die Wein­gärten – allein bei ­Pommery ging es um drei­hundert Hektar bester Crus – verblieben bei Moët & Chandon. Stets geht es in der Champagne auch um den Besitz der Rebflächen; im Durchschnitt gehören den großen Handelshäusern nur zehn P ­ rozent der vierund­ dreißig­tausend Hektar; jedes Haus muss also die sehr teuren Trauben kiloweise von den Winzern hinzukaufen. Außerdem verkörpert Moët & Chandon Tradition: Gegründet wurde die Firma 1743 von Claude Moët, einem Weinhändler aus Cumières bei Epernay. Dessen dynamischer Enkel Jean-Rémy Moët – er übernahm 1792 die Geschicke der Firma – machte die Marke richtig berühmt. Der russische Zar Alexander I. besuchte Jean-Rémys Kellereien ebenso wie Napoleon und der französische König Charles X. Talleyrand sagte zu Jean-Rémy Moët: »Mein geehrter Herr, Sie sind der Unsterblichkeit sicher, und ich sage voraus, dass dank dieser Hülle und ihres Inhalts Ihr Name weit länger erstrahlen wird als der meine.« Seit 1832 heißt die Firma Moët & Chandon; in diesem Jahr überließ Jean-Rémy den Familienbesitz Sohn ­Victor und Schwieger­ sohn Pierre-Gabriel Chandon, dem Mann ­seiner ­Tochter Adélaïde. Wer Benoît Gouez beim Durchschreiten der repräsentativen Räume der Maison in der Avenue de Champagne in ­Epernay begleitet, verspürt auf jedem Schritt den historischen ­Esprit der französischen ­Bourgeoisie. Hier ist das Mobiliar aus einer Zeit, als Champagner noch ­kluge Liebes­pärchen beim ­Schreiben von ­Briefen inspirierte. Ernüchternd dagegen ist die Atmosphäre einen Häuserblock weiter; hier dominiert das Grau des E ­ pernayer Alltags. Hohe Mauern begleiten eine Seitenstraße, eine Schranke führt zu einem unscheinbaren Parkplatz, kaum vorstellbar, dass sich hier die Moët-Cuverie mit ihren Millionen Litern Wein befindet. Eigentlich ist das Gebäude inzwischen viel zu klein geworden; dicht an dicht stehen die Tanks – und überhaupt: Moët sei das erste Champagner-Haus g­ ewesen, dass INOX-Tanks angeschafft hat, also Tanks aus rost­ freiem Edelstahl. Stets habe sich Moët weiterentwickelt, es gebe sowohl A ­ uthentizität als auch Kontinuität, sagt G ­ ouez. Wir sitzen in einem kleinen weißgetünchten Raum, dem ­kargen Ort, an dem das Önologenteam – insgesamt sind es elf Frauen und Männer – seine h ­ arte sensorische Arbeit vollbringt. Vor uns stehen Gläser, in denen der imperiale Moët auf Inspektion und Deutung wartet. Die Bemerkung, dass zuerst einmal die geringe D ­ osage auffallend sei, kommentiert der Önologe mit einem Lächeln. Während die


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Impe Standard­cuvées diverser Häuser wie Ruinart, Laurent-­ Perrier oder Billecart-­Salmon in der letzten Zeit durch ihren doch eher dosagehaltigen Abgang aufgefallen sind, präsentiert sich dieser Moët Impérial klar. Früher sei die Dosage recht hoch gewesen, gesteht G ­ ouez ein, jetzt ist sie mit neun Gramm pro Liter eher niedrig; unter den großen Marken sei Impérial somit einer der am geringsten dosierten: »Dies ist eine Entwicklung der letzten Jahre, zurückzuführen auch auf die Qualität der Grundweine der jeweils aktuellen Ernte sowie auf die der Reserve­weine.« Sodann benennt Gouez drei entscheidende Merkmale, für die sein Moët Impérial steht: Keine Oxidation, kein Eichen­ geschmack, sondern Erhalt der Frucht; im Gaumen sollen Eleganz und Reife dominieren in Verbindung mit Noten von Brioche und Croissant; untermauert werden muss diese Generosität im Mund durch eine gehaltvolle Frische. Stets ist die Säure ein wichtiges Mittel, um das Gleichgewicht des Champagners zu erhalten.

Klasse und Masse auf dem Sitz der Maison Moët & Chandon in Epernay: Der MercedesOldtimer wartet im Hof vor der Orangerie auf besondere Gäste; in den endlosen Kreidekellern warten unzählige Flaschen auf ihre Genießer.

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Wer einen internationalen Geschmack präsentieren will, muss jährlich viele Flaschen herstellen. Die Frage nach dem wahren Ausmaß wird eher ausweichend kommentiert. Marc Brevot, ein Önologe aus dem Moët-Team, der sich vorrangig um die State-of-the-Art-Labor­einrichtungen des H ­ auses kümmert, ist zu uns in den weißen Raum gekommen und gibt zu bedenken, dass es zwischen Qualität und Quantität eine Verbindung nicht notwendigerweise gebe. Alles sei eine Frage des Investments, ergänzt ­Gouez, man habe in den letzten Jahren viel Geld in die Hände genommen, um beispielsweise neue Presszentren mitten in den Weinbergen zu errichten. Außerdem sei man sehr v­ orsichtig mit dem Nennen von Z ­ ahlen geworden, nachdem vor allem in der französischen Presse behauptet wurde, dass ein Champagnerhändler, der Millionen Flaschen jährlich produziert, nur Massenware abliefern könne. Die Bemerkung, dass Spekulationen um die wahren Flaschenmengen stets auch die ­Publicity anheizen, begegnet Brevot mit den Worten:

»Unser Besitz erstreckt sich auf mehr als zwölfhundert ­Hektar Rebfläche. Diese decken ein Viertel unseres Verbrauchs. Jetzt können Sie sich selber ausrechnen, über welche Mengen wir hier reden.« Um ihre Ziele zu erreichen, werden jährlich drei Assemblages ausgearbeitet und auch s­ eparat abgefüllt, im Januar, im Februar und dann im April. Permanent wird degustiert, insgesamt ­stehen sieben­hundert Stillweine zur Auswahl. Um ­diese auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, wird mit der Technik der so genannten Vor­assemblage gearbeitet. Alles in allem ­werden die sieben­hundert Grundweine auf d ­ reißig bis fünfzig Tanks reduziert, je nach Rebsorte und den d ­ iversen Qualitäts­stufen wie etwa Premier Crus oder Grand Crus. Auf die Frage, ob er nach drei Jahren zweiter Gärung geschmackliche Unterschiede feststellen könne, antwortet Benoît ­Gouez mit einem entschiedenen Nein: »Ist der Champagner auf dem Markt, sollten Unterschiede nicht zu schmecken sein.« Freilich, nach Verweisen auf die geschulte Zunge der Experten, lenkt Gouez ein und gibt zu bedenken, dass in der Tat ab und zu geringfügige Details zu geschmacklichen Unterschieden führen. Aber letztlich sei es die große Herausforderung, einen konsistenten Champagner herzustellen. Dafür halte man sich auch nicht an Rezepte. Jedes Jahr versuchen die Önologen aufs Neue, die Essenz des aktuellen Jahrgangs herauszuarbeiten und dies bei der Arbeit mit den Reserveweinen zu berücksichtigen. Gewöhnlich kommen in die erste Assemblage dreißig Prozent oder mehr Reserveweine, in die zweite Abfüllung fünfundzwanzig Prozent und in die letzte nur noch zwanzig Prozent, da die Grundweine ja dann schon fast sechs Monate alt sind. Wir verlassen den weißen Raum und gehen hinaus in die Cuverie. Dicht an dicht stehen hier tausend Tanks, ein stilles Spektakel, das mehr über Champagner aussagt als alle Marketingbroschüren. Wir gehen zu einem extrem großen B ­ ehälter, Fassungs­vermögen sechstausend Hekto­ liter. »Wenn wir eine Assemblage machen und siebzehn mal sechshunderttausend Liter ver­mählen«, sagt G ­ ouez, »dann haben wir hunderttausend Hekto­liter Grundwein oder über dreizehn Millionen Flaschen Champagner.« Und dann fügt er hinzu: »Und diese dreizehn Millionen Flaschen sind im Geschmack hundertprozentig gleich. Da gibt es nichts zu diskutieren.« >


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BERLINER

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Hauptstädtisch: Capital Beach

BARKULTUR Von Sonnenuntergang bis Morgendämmerung:

Ein sommerlicher Gang um die Häuser

Text: ROLF HOSFELD Fotos: GUIDO BITTNER

Verborgen: Ku’damm Beach

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Klassisch: Bar am Lützowplatz

Der grüne eiserne Steg über die Spree, den man auf dem Weg zum Bundeskanzleramt passieren muss, wird etwas verlegen Gustav-Heinemann-Brücke genannt. Man befindet sich im Ödland zwischen Hauptbahnhof und Regierungs­viertel, und eigentlich ist hier nichts los. Weite leere Flächen, dem Genie städtebaulicher Konzeptlosigkeit entsprungen, laden kaum zum entspannten Vergnügen ein. Man will sie eher schnell hinter sich lassen.

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och Berlin kann ausgesprochen einfallsreich sein, wenn es um schöne Nischen in der Tristesse geht. Zum Beispiel der Capital Beach, eine der vielen Berliner Strandbars, die seit Jahren in Mode sind. Den hastigen ­Passanten auf dem Steg überfallen sofort eskapistische Sehnsüchte, wenn er unter sich so etwas wie Urlaubs­ treiben wahrnimmt. Am Strand der Spree reiht sich Liege­ stuhl an Liegestuhl. Da nehmen wir doch kurz entschlossen

einen Sundowner, zum Beispiel einen Planter’s Punch, Ron Varadero und Myers’s Rum versetzt mit diversen Früchtchen, und schauen uns entspannt das Treiben an. Der Drink hebt die Stimmung, vor allem in der Abendsonne, und er erfrischt zudem. Nichts Besonderes, aber etwas Angenehmes, doch die Attraktionen sind hier ohnehin mehr optischer und atmosphärischer Art. Der ­unfertige Bahnhofsvorplatz verschwindet aus dem Blick, vorbei z ­ iehen bunt belebte Ausflugsdampfer, der eine oder andere schöne Mensch auf der Promenade erfreut die Sinne. So kann es nett sein und der Abend anbrechen.

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an könnte auch an einem ganz anderen Ort beginnen. Zum Beispiel am Ku’damm Beach am Halensee im Grune­wald. Auch das ist eine Strandbar, etwas versteckt am Rand einer Endmoräne in diesem Villenviertel gelegen. Mit Sandstrand und echtem Schilfgras am Ufer,

mitten in der Stadt, von der man in dieser Oase nichts mehr wahrnimmt. Die Flasche Moët & Chandon gibt es für 100 bis 190 Euro, die Flasche Bombay Gin kostet 125 Euro, für gesellige Runden, die sich gern auf der kleinen Seebrücke versammeln mit Blick auf den gegenüberliegenden traditionsreichen Nudistenstrand. Die jazzige Hinter­ grund­musik ist unaufdringlich und zeigt unterkühlten Stil, der zur Gegend passt. Auch hier kann ein entspannter Sundowner angenehm sein, wenn man keine Extra­ vaganzen erwartet. An frischer Luft und mit dem Geruch des Wassers in der Nase einfach ein kühler, ­minziger Mojito und dazu ein launiger Smalltalk mit einem der aufgeweckten Barkeeper, um sich auf den Abend einzustimmen – warum nicht?

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en könnte man dann am Lützowplatz richtig beginnen lassen. Der Kabarettist Wolfgang Neuss trommelte

Stilvoll: Victoria Bar 18

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Kreativ: Saphire Bar

hier in nun schon historischen Tagen seiner Fangemeinde spitze Bösartigkeiten ins Ohr. Heute gibt es zeitgenössische Kunst, und zwar vom Feinsten. Vor allem aber seit mehr als zwanzig Jahren die klassische Cocktailbar ­Berlins schlechthin, die von dem Berliner Architekten Jürgen Sawade konzipierte Bar am Lützowplatz. Zwei Mal wurde sie zur besten Bar Deutschlands gewählt, und sie hat tatsächlich ihre diversen Superlative. Einen sechzehn Meter langen Tresen beispielsweise, an dem man sich schnell wie die menschliche Requiste in einem Bild von Edward ­Hopper vorkommen kann, und die womöglich größte Champagnerauswahl der Welt. Die umfangreiche und edel aufgemachte Getränkekarte liest sich wie ein Who’s Who der Spirituosen. Schottische Whiskys aus Islay und den Highlands wie in einem Spezialitätenladen, ausgesuchte südamerikanische Drinks in Fülle. Alles ist sehr klassisch und auf angenehme Weise unaufgeregt. Empfangen wird

man von unaffektierten Kellnern, selbstbewusst, als wollten sie sagen: »Wir ­wissen, dass wir eine gute Bar sind«. Wir wissen es auch und b ­ leiben eine Weile, besonders gern dienstags abends, wenn im Hintergrund fach­kundig aufgelegte coole Jazznummern die Stimmung aufheitern. Ein ausgesuchter alter Malt, natürlich pur, will da am ­besten passen, um sich unter den S ­ chönen und ­Reichen aus B ­ erlins Westen so richtig metropolitan zu fühlen.

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twas individueller geht es in der Victoria Bar zu, die sich fast um die Ecke, aber doch in kulturell ganz anderem Hoheitsgebiet befindet. Auch wenn Theodor ­Fontane einst hier lebte, hatte die Potsdamer Straße lange Zeit keinen guten Ruf. Doch dann kam, etwas insular, das Varieté Wintergarten, nebenan zogen Galerien ein, und daneben eben die Victoria Bar. Barchefin Beate Hindermann und Barkeeper Stefan Weber haben hier im Stil der

siebziger Jahre mit leichtem Anklang von Art Deco, mit dunklen Holzpaneelen und schattigen Bildern von Martin Kippenberger eine stilvolle Wohnstube für den Kiez ins Leben gerufen. Man sitzt intim in Gruppen und Kreisen, darunter gelegentlich auch ein fernsehbekanntes Gesicht, aber das soll und will nicht auffallen. Es darf geraucht werden, und das trägt zur entspannten Unterhaltung in gedämpfter, warmer Atmosphäre erheblich bei. Die perfekt gekleideten, agilen und kommunikativen Kellner sind Teil einer Wellness-Inszenierung, die nie aufdringlich ist. Zweiundfünfzig Seiten hat die Getränkekarte, ein Großteil des Angebots ist hinter dem Tresen wie auf einer Bühne aufgebaut und effektvoll ausgeleuchtet. Man kann ­wählen und wäre kaum falsch beraten, wenn man sich beispielsweise für einen Smoker’s Delight aus Single Malt, MozartBlack-Chocolate-Likör und Aromatic Bitter entschiede. Selbstdarstellung ist hier ein Fremdwort – sehr angenehm.

Nobel: Bebel Bar

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Umschwärmt: Newton Bar

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icht immer ist das in jenen Vierteln des Ostens der Fall, in denen oft der freigelassene Hedonismus tobt, und das seit nunmehr fast zwanzig Jahren. Uns hat es ­allerdings in die etwas abgelegene F ­ riedrichshainer Saphire Bar verschlagen, vor allem deshalb, weil sie als Geheimtipp für kreativste Mixturen gehandelt wird. Hier kann man Cocktails mit so augenfälligen Namen wie »Muster­knaben« oder »Böse Mädchen« und biologische ­Organic Drinks mit Kräutern und Gewürzen mischen ­lassen. Was die Einrichtung betrifft – viel Holz, helle Polster­möbel und indirekte Beleuchtung – mag man sich ­fühlen wie in einem frühen 007-Ambiente. Die Cocktails sind in der Tat beeindruckend, aber doch mehr originell als die feine Zunge wirklich überzeugend; die ­Kellner sind offenbar Aushilfskräfte. Und das Publikum? Eher akademischer Mittel­stand, auch solcher, der es erst noch ­werden möchte.

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chließlich wollen wir aber doch in urbane ­Welten eintauchen und sehen uns deshalb bald in der ­noblen Bebel Bar des Hotel de Rome in Berlins friderizianischer Mitte wieder. Hier ist alles seiden, nicht halb­seiden. Etwas anderes ist in Sir Rocco Fortes elegantem Hotel mit b ­ arocken Traditionen auch nicht zu erwarten. Leise haucht eine asiatische Jazzsängerin ihre Synkopen ins ­Mikrofon, während wir die schöne, braun getönte Lounge im Art-Deco-Stil betreten. Alles ist bis ins Detail durchinszeniert, und besonders aus dem separaten Velvet Room hat man durch die hohen Rundfenster aus dem 18. Jahrhundert einen wunderbaren Blick auf den Bebelplatz und die nachts angestrahlte Humboldt-Universität mit ihren Säulenportalen. Da will gern eine gehobene Stimmung aufkommen, und sie wird noch gesteigert, wenn Barchef Massimo Destefanis seine phantasievollen Cocktails ­serviert, gern mit frischen Kräutern und ausgesuchtem

italienischen Edelgemüse. Hier herrscht eine geradezu runde Atmosphäre für gehobenen Smalltalk und charmante Komplimente, die lange auch von den Gästen der nahen Staatsoper geschätzt wurde, bevor sie wegen dringender Renovierungsarbeiten für einige Zeit s­ chließen musste. Schade, aber glücklicherweise ist die Bar trotzdem ein offenes Haus geblieben, in dem sich nicht nur Hotelgäste der Bequemlichkeit halber versammeln.

D

a geht es in der Newton Bar am Gendarmenmarkt deutlich lauter zu, als wollte sie den Gästen aus Schwaben und Hongkong, aus Dresden und San ­Francisco zurufen: »Hier ist Berlin!« Man trägt Businesslook, entspannt sich in schweren roten Ledersesseln beim Anblick von Helmut Newtons Big Nudes an der Wand oder zieht sich in die Habanos Smokers Lounge im Obergeschoss zurück. Die Newton Bar ist ein echter und bei schönem

Global: Würgeengel 20

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Klitzeklein: Rum Trader

Wetter ausgesprochen lebendiger Treffpunkt in Berlins historischer Mitte. Dann nämlich wird der Tresen bis auf den Bürgersteig ausgefahren und von Menschentrauben umschwärmt, bis in die frühen Morgenstunden, wenn die Taxis beginnen, sich in der Seitenstraße aufzureihen. ­Natürlich gibt es Champagner, aber ansonsten ist das Angebot eher gehobener Standard. Doch die Newton Bar besucht man ohnehin eher, um zu sehen und gesehen zu werden.

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otenziert wird das Aufkommen von Menschen­trauben noch, wenn man sich zu nachtschlafender Zeit an den Kreuzberger Oranienplatz begibt. Nicht erst seit Bazon Brock hier sein Institut für theoretische Kunst, Universal­ poesie und Prognostik eröffnet hat und die American Democrats im Gasthaus Max & Moritz tagen, hat sich rund um den Platz ein neuer Aufschwung bemerkbar

gemacht. Die Nacht gehört der globalisierten Jugend, und die Umgangssprache ist amerikanisches Englisch. Palermo könnte kaum lauter sein. Und nicht voller. In den Würgeengel in der Dresdner Straße können wir uns noch gerade so hineinzwängen. Bodenständiges, Quitte & Korn, lassen wir uns gern servieren und träumen dabei von Luis ­Buñuels Film »El ángel exterminador«, in dem es eine Abendgesellschaft einfach nicht schafft, rechtzeitig aufzubrechen. Besser hätte man eine Bar in dieser Gegend nicht nennen können. Das trifft auch auf die benachbarte Bar Luzia zu, in die wir wegen chronischer Überfüllung erst gar nicht eingelassen werden.

S

o ganz unanstrengend ist das alles nicht. Letztlich aber war der Ausflug nach Kreuzberg mehr eine ethno­logische Studie als ein wahres Vergnügen. D ­ eshalb ­gönnen wir uns zu früher Morgenstunde gern noch einen

Ab­sacker in einem Refugium des kultivierten Konservatismus. Es liegt am Wilmersdorfer Fasanenplatz, wo Touristen s­ elten anzutreffen sind, und da, umgeben von alten Linden und Ahornbäumen, ist es sehr schön. Besonders im Rum Trader, einer kleinen Bar mit gerade einmal einem Dutzend Plätzen, die ihre Anziehungskraft nicht verloren hat, auch wenn sie schon etwas in die Jahre gekommen ist. Das liegt an Gregor Scholl, dem Inhaber. Er ist die Bar, er ist ihre Inszenierung und ihr wichtigstes Programm. Wie wohl tut die formvollendete Begrüßung mit der Anrede »Meine Herren!«, wie wohl die elaborierte und distinguierte Einweisung in die Preziosen seines umfangreichen Nischenangebots geistiger Getränke. Man scheint hier völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Und das war es, was uns am Ende noch fehlte. Schließlich legt Scholl kommentarlos eine Streicherversion des Deutschlandlieds auf. Man versteht. Gleich wird geschlossen. >

Überfüllt: Luzia Bar

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E

r hat schon einen besonderen Nachbarn, der Braumeister Marc Rauschmann zu Frankfurt. Sein kleines Reich auf dem Sachsen­häuser Berg, die Internationale Brau-Manufacturen GmbH, liegt in Rufweite eines Wahrzeichens sowohl des deutschen Brauwesens als auch der großen Stadt am Main. Es ist der HenningerTurm, das fast einhundertzwanzig Meter hohe ehemalige Gersten­silo der verschwundenen gleichnamigen Brauerei, das in Bälde, seinem Status als geschütztem Industriedenkmal zum Trotz, einem Wohn­ silo weichen wird.

Der Anstoß kam von ganz oben, will heißen der Unternehmens­ spitze der Radeberger Gruppe: Albert Christmann, im April 2009 zum ­Sprecher der Geschäftsführung gekürt, bewies Mut zu wahrhaft neuen Bierwegen und gab Rauschmann carte blanche. Mit ins BrauBoot stiegen renommierte Marketing-Experten, wie der Schweizer Unternehmensberater Luca Marighetti und die Wiesbadener ­Agentur CPA, die die flüssige Idee in die Kommunikationskanäle der Markenführung leiteten und ihr im Kreativverbund mit der Agentur Flächenbrand das werbliche Gesicht verliehen.

Doch während der ausgediente Turm mitsamt einem weiteren Nachbarn, der Großbrauerei Binding, für den hergebrachten Begriff des Bieres als preiswertes und gutes Volksgetränk stehen, streben Rauschmann und seine Crew nach Höherem, höher als alle Silo­türme zusammen: nach einem Wertewandel, der nichts geringeres zum Ziel hat als »die verdiente Gleichberechtigung von Bier und Wein an der feinen Tafel«.

Die erste Kollektion von Werken der Braukunst, die diesen Anspruch erfüllen, haben die Revolutionäre vom Sachsenhäuser Berg im Jahr 2010 vorgelegt. Inzwischen dokumentieren unter dem Label ­Braufactum mehr als dreißig Bier-Kreationen kulinarische Standards, die von Brau-Visionären der großen Biernationen gesetzt wurden, gepaart mit einer stilistischen und sensorischen Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Gefunden haben Marc Rauschmann und seine Gefährten, Thorsten Schreiber (Logistik) und Ute Londrigan (Marketing), die Elixiere des Malzes und Hopfens nicht im Internet, sondern auf einer Reise rund um den Globus. Drei lange Monate spürte das passionierte Trio in ­Belgien und Italien, in England und Schottland, in Japan und den Vereinigten Staaten der Schlüsselfrage nach: Was passiert im Ausland? Die Antwort lautet, in erfrischender hessischer Schlichtheit: allerhand.

Feinste Weyermann-Gerste der Sorte Caraaroma

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DIE EMANZIPATION DES BIERS VOM FLÜSSIGEN BROT ZUM EDLEN SCHAUMGEBRÄU Text: Bernd Fritz Fotos: Kilian Bishop, Alex Habermehl

Da wird beispielsweise der Hopfen mit dem Malz nicht immer allein gelassen, sondern, wie in der New Yorker Brooklyn Brewery, mit Honig, Orangenschalen und Kandiszucker verbraut. Oder, wie im Piemont, mit Gewürzen, deren Komposition das Geheimnis von Teo Musso ist, dem Brau-Magier der Birreria Baladin. Der Belgier Frank Boon lässt junges Bier mit frischen Himbeeren oder Sauerkirschen nach­vergären, im Birrificio Italiano am Comer See setzt man auf die aromatische Potenz der Schwarzen Johannisbeere.

Affinitäten zum Wein entdeckten die Braufactum-Scouts in der schottischen Grafschaft Clackmannanshire, wo die Harviestoun Brewery ihr Porter in gebrauchten Single-Malt-Fässern aromatisiert, die zuvor mindestens dreißig Jahre mit Whisky gefüllt waren. Versteht sich, dass jede Flasche dieser Kostbarkeit nummeriert und mit der ­Signatur des Braumeisters versehen ist. Die kalifornische Brauerei Firestone Walker setzt auf eichene Bourbon-Whiskey-Gebinde, in denen es das Stout auf Alkoholwerte bringt, die man von Spätlesen kennt, und Teo Musso treibt sein Dessertbier »Xyauyù« mit der Solera-Lagermethode, die von Sherry-Produzenten angewandt wird, auf stolze 14,5 Prozent.

Ein Wahrzeichen deutscher Braukultur: Der Henninger-Turm zu Frankfurt am Main hat seine Funktion als Malzsilo längst verloren. Im Schatten des Industrie­denkmals tüftelt Braumeister Marc Rauschmann neue köstliche Biere aus. F I N E   |   EIN M AGAZ IN FÜR WEIN UND G ENUSS

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Ein Meister kulinarischer Innovation: Marc Rauschmann, der promovierte Brau-Ingenieur, verkostet im BarriqueKeller seiner kleinen Manufaktur einen Fassabzug. Eine seiner Kreationen ist der so genannte Barley-Wine »Arrique«, ein besonders elegantes Edelbier mit hohem Alkoholgehalt und allein aus Hopfen und besonderen Gersten gewonnenen Noten von Trockenfrüchten und Getreide mit unterlegten zarten Bittertönen.

Den direkten Kontakt zum Wein stellt Frank Boon für sein ­belgisches Lambic-Bier mit Riesling-Fässern aus dem Rheingau her. Im Anschluss an das Fass-Lager wird der Stoff in Sektflaschen nachvergoren, was ihm wegen seines feinen Mousseux den Ehrennamen »Brüsseler Champagner« einbrachte. Und das Ale der englischen Brauerei Marstons wird gar mit einem genuin önologischen Verfahren behandelt, über das Wein­freunde sonst die Nase rümpfen: mit Eichenholzspänen (Chips), die hier zudem in Weinbrand getränkt wurden und dem Bier verblüffende Geschmacks- und Duftakkorde verleihen. Doch nicht nur Verfahren und Rezepturen interessierten die drei ­Deutschen. Auch die Ausstattung mit ihrer Vielfalt von Flaschen­ formen, Verschlüssen und Etiketten war eine Offenbarung, des­ gleichen die Präsentation am Markt: Die hochwertigen Brau-­ Kreationen waren in den Läden nicht wie sonst neben Limonade und Sprudel zu finden, sondern in der Weinabteilung, wenn nicht gar direkt im Weinfachhandel, den Enotecas und Winebars. Und in nicht wenigen Restaurants fanden sich Sommeliers, die Bier mit der gleichen Sachkenntnis und Engagiertheit empfehlen wie sonst die Gewächse auf der Weinkarte und den Stoff in Gläser füllen, die mit einem Bierseidel oder Pilskelch nichts mehr gemein haben.

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Feinste Weyermann-Gerste der Sorte Carafa Spezial

Die anfängliche Skepsis gegenüber den Besuchern aus dem Land des Reinheitsgebots wich bald kollegialer Achtung und begeisterter ­kreativer Zusammenarbeit. Die drei beeindruckten nicht nur durch fach­liche Kompetenz, sondern auch, wie Marc Rauschmann, mit einer Vita, die den Visionären und Berühmtheiten der Welt­brau­kultur, allen voran Bierrevolutionär Garrett Oliver von der B ­ rooklyn ­Brewery, nicht fremd war. Der Frankfurter nämlich, diplomierter Ingenieur für Brauerei­wesen und promoviert über das Thema Ultra­filtration, ­hatte ebenfalls als so genannter Home Brewer begonnen, als noch jugendlicher Amateur im Keller des elterlichen Hauses im T ­ aunus. Angeregt durch eine Fernsehsendung zum Thema »Bier selbstgebraut« ­wurde zunächst Mutters Entsafter zweckentfremdet, mit seinem Temperatur­regler wie geschaffen für die Herstellung der Würze. Dann kam der Glasballon aus Vaters häuslicher Apfelweinkelterei zur Verwendung, ideal für die Gärung, und schließlich erfuhr der Gartenteich, dass er ganz vorzüglich zur Abkühlung des Ballons taugte. Alle ein, zwei Monate entstanden so zwanzig Liter »Rauschmann Bräu«, Stil Kellerbier, von dessen Qualität der heutige Braumeister zu berichten weiß, dass der Zuspruch aus dem Freundeskreis irgendwann die Verwendung von Großmutters kupfernem Waschkessel (achtzig Liter) erforderte. Seine vielfältigen Aufgaben als Geschäftsführer der jungen, im d ­ ritten Jahr stehenden Brau-Manufacturen GmbH lassen Marc Rauschmann wenig Zeit zum aktiven Brauen. Man verfüge auch noch nicht über eine eigene Brauerei – wobei er das Wort »noch« betont –, sondern verstehe sich eher als Intendanz, die innovatives Brauen fördere und fordere, die das kulinarische Potential dieses uralten Menschheits­ getränks auslote, seine Vielfalt und Qualität zu neuen Höhen zu ­führen versuche.

Doch selbstverständlich bringt er das deutsche Publikum nicht nur auf den Geschmack an den Bierschöpfungen aus fernen Landen, ­sondern verwirklicht mit Leidenschaft und Hingabe seine eigenen ­Ideen und Rezepturen. Genau zehn Braufactum-Kreationen sind ­bisher unter seiner Regie entstanden, in verschiedenen kleinen Brauereien in Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern, deren Braumeister er für seine BierRevolution gewinnen konnte. Auf Flaschen gezogen wird der Stoff in einer Sektkellerei in Rheinhessen, die sich mit einer neuen, hochmodernen Abfüllanlage und durch viel Enthusiasmus für die kleinen Braufactum-Chargen von maximal zweitausend Bouteillen und deren besonderen Formen qualifizierte. Rauschmanns »Braumeister-Biere«, wie er seine wie auch die importierten Kreationen gern nennt, beziehen ihr intensives Aroma rein aus Hopfen und Malz – auf Gewürzbeigaben, Früchte, Honig oder Zucker wird verzichtet. Was hier nach Trockenfrüchten, Kandis, ­Karamell schmeckt und nach Mango, Aprikosen, Ingwer duftet, stammt aus acht verschiedenen Malz- sowie Hopfensorten, die ebenso ungewöhnliche wie harmonische Akkorde bilden. So kommt die ZitrusIngwer­note des Apéritif-Biers Progusta von der amerikanischen Hopfen­sorte Citra, und der volle Karamellton des schweren, 13,7 Prozent Alkohol bergenden Dessert-Biers Matur verdankt sich nicht etwa beigemischtem Sirup, sondern bestimmten, im Korn karamellisierenden Spezialmalzen.

Ein Bier aus Champagner­ gläsern: Den ungewöhnlichen Auftakt setzt ein ­belgisches Lambic-­ Fruchtbier als A ­ péritif. ­Ungesüßt, mit echten ­Himbeeren nach­vergoren, ist es ein erfrischender, appetit­anregender Starter.

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Feinste Weyermann-Gerste der Sorte Sauermalz

Ein Merkmal neuer Gourmandise: Die große Küche verlangt nicht immer und überall mehr nach Wein. Ein kostbares Bier als Begleitung bietet neue Geschmackserlebnisse.

Für einen Teil dieses im Stil des englischen Barley Wine ­gebrauten Aus den Aficionados, die sich die Emanzipation des Bieres zum f­ einen Stoffs hat der Sachsenhäuser Bierintendant sich etwas Besonde- Tafelgetränk auf die Fahne geschrieben haben, ragen im Web der Blog res ausgedacht: Er lässt ihn drei Monate in Barriques aus amerikanilieblingsbier.de und das Bewertungsportal Bier-Index heraus. Von scher Eiche reifen, die in einem der vielen alten, den Sachsenhäuser den Praktikern verdienen Fritz Wülfing (Biersommelier) und Hans Berg aushöhlenden Brauereikeller lagern. Hier ist Marc Rauschmann ­Christian Bosch (Braumeister) besondere Erwähnung. Ersterer braut in seinem Element, hier zieht er Proben, riecht und schmeckt, hier unter dem Label Fritzale Gourmet-Biere nach Art des amerikanischen wird sinnhaft, wie er sein Unternehmen zunehmend empfindet: wie Craft Beer, letzterer leitet die Brauerei Propeller in Bad Laasphe und ein kleines Weingut. Fehlt nur noch, scherzt er, die Aufnahme in den zischte diesen Sommer mit seiner Kreation »Aufwind«, einem orangeVDP, den Verband deutscher Prädikatsweingüter. Immerhin ist man farbenen India Pale Ale, auf den Gunstgipfel der Bier-Index-Juroren. Partner des Verbands und bestreitet gemeinsame Veranstaltungen wie »Wein und Kunst« in Berlin oder ist bei den Großes-Gewächs-­ Der Weg des Bieres zur Gleichberechtigung mit dem Wein an der Präsentationen mit von der Partie. feinen Tafel, das wissen die Leute von der Brau-­Manufacturen GmbH, führt indessen letztlich über genau diese feine Tafel. Degustations­ Auch freut ihn, als einer der Vorreiter, dass sich der frischen deutmenüs, bei denen die Rolle des Rebensafts vom Gerstensaft übernommen wird, vereinen gut fünfzig Mal im Jahr neugierige schen Bierbewegung mehr und mehr Potenzen anschließen, die auch schon ihr eigenes Festival haben: das »Braukunst live«, auf dem sich ­Gourmets an den Tischen der Spitzengastronomie. Aus der komdiesen April in München die Szene erstmals zu einer lustvollen Großpletten ­Braufactum-­Kollektion wird dabei in Abstimmung mit dem degustation traf. Dort werden im Übrigen durchaus auch die Bemü- Koch für jeden Gang die passende Bierbegleitung ausgewählt. Nach hungen der Braubranchenriesen geschätzt, die sich der Bewegung dem Apéritif mit »Brüsseler Champagner«, etwa dem himbeerigen inzwischen mit zahlreichen Sondereditionen angeschlossen haben. ­Framboise, erlebt man, wie das mit Koriander gewürzte Wit-Bier Pars pro toto sei der Holsten AG mit ihrer »Duckstein Braumeister Isaac mit Scampi harmoniert. Danach lernen Gaumen und Nase, dass ­Edition Nº 2« zugeprostet. Eine ehrenvolle Erwähnung verdient im ein auf der Haut gebratenes Fischfilet bestens mit dem limonigen Übrigen auch die B ­ itburger Braugruppe für ihr »Köstritzer«, mit dem Bitterbier Progusta auskommt oder ein Angus-Rinderfilet mit den man seit Jahren Maßstäbe im Segment Schwarzbier setzt. Röstaromen des Dunkelweizens Vúdú. Und wenn es dann noch der Comté resp. der Gruyère mit einem kräuterigen Geuze-Bier zu tun bekommt und die Schokoladentrüffel mit der Espresso-Note des schwarzbraunen Ola-Dubh-Ales sensorische Hochzeit halten – dann ist Marc R ­ auschmanns Utopie von der kulinarischen Bier-Emanzipation ein schönes Stück weit in der Wirklichkeit angekommen. >

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Wenn aus gemeinsamen Momenten

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Sekt macht jedes Fest erst

schön Text: Michael Freitag  Fotos: Johannes Grau, Guido Bittner

Wie halten es die Deutschen mit dem Sekt? Die einen lassen die Korken knallen, wenn es einen Erfolg zu feiern gilt, die anderen reden über Geld. Hans Matthöfer, Bundesfinanz­minister unter Helmut Schmidt, sagte 1979 bei den Haushaltsberatungen im Bundestag: »Die Sektsteuer wurde eingeführt, um die Kriegsflotte von Kaiser Wilhelm zu finanzieren. Der Kaiser hat abgedankt, die Flotte ist abgesoffen, aber die Steuer bringt mir 420 Millionen Mark ein, und die gebe ich nicht her.«

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ie Sektsteuer – auf Amtsdeutsch heißt sie Schaumweinsteuer – ist ein schönes Beispiel dafür, dass Steuern, einmal eingeführt, kaum mehr abgeschafft werden. Seit 1902 gibt es sie, 50 Pfennige wurden ursprünglich auf jede Flasche draufgeschlagen – etwa ein Fünftel. 1933 wurde sie zwar abgeschafft, doch war das ein kurzes Glück: 1939 wurde sie wieder eingeführt, diesmal zur Finanzierung der U-Boot-­Flotte. Und ist geblieben. Zu D-Mark-Zeiten betrug sie 2 Mark pro Flasche, heute sind 1,02 Euro fällig. Das darf man genussfeindlich nennen. Ökonomen sprechen auch deshalb von einem überflüssigen Eingriff in den Markt, weil die Steuer sich mit einem fiesen kleinen Trick umgehen lässt. Schaumwein ist dadurch definiert, dass ein Kohlensäure-Überdruck von mindestens 3,5 Bar in der Flasche herrscht. Unter 3,5 Bar kein Schaumwein und ­keine Steuer. Das macht beispielsweise den großen Charme des Frizzante aus; Spötter sagen, seinen einzigen.

Kaiser Wilhelms Einfall war allerdings populär, denn Sekt – im Volksmund auch »Bonzenbrause« genannt – war Gegenstand des Sozial­ neids. Die Sektindustrie hat gelernt, damit zu leben. Sie war ja seit ihrer Ent­stehung eine Spielwiese für flexible und visionäre Unternehmer­ persönlich­keiten. War es auch der Benediktinermönch Dom ­Pérignon aus der Champagne, der Ende des 17. Jahrhunderts die traditionelle Flaschen­gärung vervollkommnet hat, so erlangte der Champagner im 19. Jahrhundert vor allem dank der rastlosen Aktivitäten deutscher Auswanderer wie Deutz, Krug, Bollinger, Heidsieck, Abele und Mumm, die ihr Glück in Reims und Umgebung suchten und fanden, seine Weltgeltung. Der schwäbische Kellermeister Anton von Müller erfand im H ­ ause Veuve Clicquot das Hand-Rüttelverfahren. Und Georg ­Christian von Kessler, zunächst Prokurist, später Teilhaber des berühmten Champagner-­Hauses Clicquot-Ponsardin, gründete 1826 in Esslingen am Neckar die erste deutsche Sektfabrik.

Märchenhaft: Für das HenkellsfeldSchloss in WiesbadenBiebrich, das 1909 zum Stammsitz der Sektkellerei Henkell wurde, war das Beste gerade gut genug.

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Geschichtsträchtig: Mit der Sektproduktion begann das 1794 gegründete Wein­ handels­haus Deinhard erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Stammhaus in der Koblenzer Innenstadt beherbergt heute ein Keller­museum.

Die deutsche Sektindustrie hat seitdem, in den knapp zweihundert Jahren ihrer Existenz, Großartiges geleistet. Das sieht man nicht nur im Stammhaus von Henkell und Co. in Wiesbaden-Biebrich. Größe, Ausstattung und Anspruch dieser von den Ortsansässigen Henkell-Schloss genannten Liegenschaft müssen sich hinter den Hauptquartieren der Grandes Maisons in Reims, Epernay und Aÿ nicht verstecken. Das gilt auch für den prächtigen Bau Schloss Wachenheim im gleichnamigen Ort an der Pfälzer Weinstraße. In Koblenz finden wir das DeinhardSchloss, in Freyburg an der Unstrut die ausladende Neo-RenaissanceBarock-Zentrale von Kloss & Förster, heute Rotkäppchen-Mumm, dem Marktführer in Deutschland. Ein kurzer Blick in die Regale des Lebensmitteleinzelhandels lehrt allerdings schnell, dass sich diese Herrlichkeit offenbar nicht eins zu eins auf die Produkte übertragen hat. Sekt ist vor allem billiger als ­Champagner, und sein Ruf als festliches Getränk noch der Eltern und Großeltern b ­ röckelt. Die junge Kundschaft treibt es scharenweise in die Umarmung des Secco, gern auch aus der Dose – der bis zu einer Änderung der einschlägigen EU-Verordnung im Jahr 2009 Prosecco genannt werden durfte, unabhängig von Herkunft und Qualität.

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Schaumwein ist ein Anlassgetränk, dessen physikalische Eigenschaft – das Sprudeln – und dessen Preis wichtiger sind als jede organoleptische Feinheit – das wissen Händler, Sommeliers und Restaurantbesitzer genau. Ein Indiz dafür ist, dass zwanzig Prozent der Schaum­wein­verkäufe im Dezember stattfinden. Auch sonst sind die Deutschen um ­Anlässe nicht verlegen. Knapp ein Viertel der jährlichen Produktion wird in Deutschland getrunken, 2011 waren es 445 Millionen 625 Tausend und 12 Flaschen; in aller Welt werden rund zwei Milliarden Flaschen produziert. Das statistische Bundesamt liefert die Zahlen, weil es das ­Volumen der Schaumweinsteuer untersucht. Zwischen inländischer und ausländischer Produktion braucht man dabei nicht zu unterscheiden. Schätzungen gehen aber davon aus, dass deutsche Produzenten achtzig P ­ rozent des Marktes unter sich ausmachen. Das klingt realistisch: Die C ­ hampagnerund Cava-Importe betrugen 13 Millionen respektive 41 Millionen Flaschen im Jahr 2011; Freixenet ist mit einem Markt­anteil von zehn ­Prozent der viertgrößte Spieler auf dem deutschen Markt. Der dritte große Batzen an Importware kommt aus Italien.


In Deutschland erreichte der Pro-Kopf-Verbrauch 1992, als der Wieder­vereinigungsrausch nahtlos in den Einheitskater überging, mit fünf Litern einen Höhepunkt. Damit war der Prozess der Umwandlung von »Bonzenbrause« zu einem zutiefst demokratischen Getränk abgeschlossen. Danach ging der Verbrauch ein wenig zurück. Seit ­sieben ­Jahren hält er sich konstant bei 3,7 Litern. Damit können die Produzenten sehr gut leben, zumal einige von ihnen an jeder Sorte Schaumwein verdienen, egal, woher er kommt. Der deutsche Marktführer Rotkäppchen-Mumm (verantwortlich für gut vierzig Prozent der Absatzmenge) hat, untypisch für erfolg­ reiche deutsche Firmen, nur einen geringen Auslandsanteil. Ganz anders Henkell. Die Wiesbadener, Nummer Zwei in Deutschland mit einem Marktanteil von zwanzig Prozent, nennen Champagnermarken ihr eigen (Alfred Gratien, Veuve Emille) und verdienen hervorragend mit ihrer boomenden Proseccomarke Mionetto, die sie seit 2009 besitzen. Unverändert erfolgreich sind sie mit Marken, die aus dem Bewusstsein der deutschen Schaumweintrinker nicht wegzudenken sind: Henkell ­trocken und Fürst Metternich. Darüber hinaus gehören Carstens SC, Rüttgers Club, Deinhard, Kupferberg, Lutter & Wegner, Menger-Krug dazu, um nur die bekannteren zu nennen.

Die Schloss Wachenheim AG, Nummer Drei in Deutschland mit ebenfalls rund zwanzig Prozent Marktanteil, entstand 1996, als die RehGruppe aus Trier, die mit Faber-Sekt stark geworden war, mit der angestammten Pfälzer Kellerei fusionierte. Heute besteht Schloss Wachenheim aus drei Teilkonzernen. Sie verkaufen jeweils in Frankreich, in Deutschland und in Mittel-/Osteuropa annähernd gleich viel – welchen Schaumwein auch immer. Crémant – so heißen französische Schaumweine, die nicht Champagner genannt werden dürfen, vor allem aus dem Elsass, dem Burgund und dem Anjou – fließt derzeit in besonders ­großen Strömen. In Frankreich verkauft der Reh-Tochterkonzern ­Compagnie Française des Grands Vins 78 Millionen Flaschen Schaumwein und ist damit Marktführer. Genauso gern setzt Reh allerdings ungarische, tschechische, ukrainische, italienische – und eben auch »­deutsche« Schaumweine mit Etiketten wie Faber, Feist, Schloss Wachenheim und ­Nymphenburg ab.

Imposant: Auf den Grundmauern eines ehemaligen Adelssitzes aus dem 14. Jahrhundert wurde Schloss Wachenheim in der Pfalz erbaut. In den 1880er Jahren wurde die Sektkellerei gegründet, die damals noch »Deutsche Schaumweinfabrik in Wachenheim« hieß.

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Mit »Flaschengärung« hingegen ist das so genannte Transvasier­ verfahren gemeint. Zwar findet die zweite Gärung, bei der die begehrten Bläschen entstehen, in einer speziellen Industrieflasche statt, doch wird der Inhalt anschließend in einen Tank umgefüllt (französisch trans­ vaser = umfüllen), wo er noch einige Zeit auf der Hefe verbleibt. Die restliche Hefe wird vor dem Abfüllen herausgefiltert. Die Kostenvorteile gegenüber der »traditionellen Flaschengärung« liegen auf der Hand: Kein aufwändiges Rütteln und Degorgieren und auch keine Verluste durch geplatzte Flaschen. Noch billiger ist nur das Tankgärverfahren, auch Méthode Charmat genannt.

Die Begriffsverwirrung, von der kaum ein Verbraucher etwas ahnt, findet sich auch bei den Gärverfahren: Wer »Flaschengärung« liest, wird vermutlich an die Champagnermethode denken, bei der Grundwein in der Flasche, in der sie auch über den Ladentisch geht, mit Fülldosage für die zweite Gärung versetzt wurde. Diese Annahme ist leider falsch. Die offizielle Bezeichnung heißt »traditionelle Flaschengärung«. Sie ist bei vielen Cavas, im italienischen Franciacorta und auch bei deutschen Winzersekten Standard.

Wem es egal ist, was da im Glas prickelt, trinkt (Pro)Secco oder ­ arken, die im Tank erzeugt wurden – das sind leider die meisten M im unteren Preissegment. Wer auf die »traditionelle Flaschen­gärung« schwört und bereit ist, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, ist beispiels­ weise mit den edlen Winzersekten von Raumland oder Kirsten gut bedient oder kann – aus den gut gemachten Kleinserien der großen Sektproduzenten – etwa eine F ­ lasche Adam Henkell, Edition Wachenheim 2 oder Rotkäppchen Weiß­burgunder köpfen.  >

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Fotos: Henkell, Freixenet

An diesem Punkt stoßen wir an eine, rechtlich betrachtet, paradoxe Besonderheit: Sekt gibt es gar nicht. Es handelt sich dabei nur um eine traditionelle, in Deutschland und Österreich übliche Bezeichnung für das, was laut EU-Verordnung Nr. 2332/92 »Qualitätsschaumwein« heißt. Er unterscheidet sich vom ordinären Schaumwein nur dadurch, dass er mehr als zehn Prozent Alkohol enthält – eine Bedingung, die leicht zu erfüllen ist. Der Begriff »Sekt« wurde durch ein Urteil des E ­ uropäischen Gerichtshofes vom 20. Februar 1975 praktisch abgeschafft: eine ausschließliche Anwendung auf deutsche oder österreichische Erzeug­nisse sei diskriminierend.


Das 1. Gipfel-Treffen von Getränkewirtschaft, GFGH, LEH, Gastronomie und Hotellerie!

n! e d l e m Jetzt anrencegroup.de/

Deutscher Getränkekongress 2012

nfe www.co ke12 getraen

27./28. August 2012 | InterContinental Hotel | Berlin

„Innovate or Die“ – Die Zukunft der Getränkebranche in Deutschland! Im Fokus: Erfolgreiche Getränkestrategien für GFGH, LEH, Gastronomie & Hotellerie – Wie kann die Branche wieder neue Orientierung finden?

Es referieren und diskutieren u.a.:

Frank Morgenstern, Für Sie, REWE Group

German Reichert, HANSA-HEEMANN

Matthias Heurich, Heurich GFGH

Günther Jauch, Weingut v. Othegraven

Dr. Wolfgang W. Pasewald, Nestlé Waters

Michael Huber, Brauerei C. & A. Veltins

Michael Hollmann, Deutsche Sinalco

Susanne Patz, Brau Holding

Michael Willkomm, Peter Mertes Weinkellerei

Mark de Witte, DACH & Nordics, Bacardi

Dirk Hinkel, Hassia Mineralquellen

Gunilla Hirschberger, Sausalitos Holding

Nicola Banniza Edle v. Bazan, Coca-Cola

Ernst F. Loosen, Weingut Dr. Loosen

Guido Egli, Mövenpick Gruppe

Alexandro Soukas, Mongo‘s

Höhepunkt des ersten Kongresstages:

1. Deutscher Kulturpreis der Getränkewirtschaft gestiftet durch den Tre Torri Verlag anschließend feierliches Get-Together in der GALERIA Kaufhof am Alexanderplatz

Laudator: Joschka Fischer, ehemaliger Vizekanzler und Außenminister

Sponsoren:

Veranstalter: The Conference Group GmbH in Zusammenarbeit mit Lebensmittel Zeitung, food service und AHGZ (Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung)


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WAS LANGE GÄRT Ja, es stimmt. Die Weinwerbung in Deutschland wird besser. Es gibt da nur noch – ein kleines Problem. Von Anne Zielke

ie Anzeigen waren ungewöhnlich, fast schon originell. Als Fotomotiv immer eine einprägsame Landschaft, ein ­Gebäude, eine Skyline. Und mittendrin eine gigantische Wein­flasche. Als Kirchturm, als Wolkenkratzer, als Statue auf dem Sockel von Liberty Island. Dazu jeweils ein Adjektiv, groß wie die ­Flasche: Ü ­ BERRAGEND. GRANDIOS. FABELHAFT. Den Absender verrieten ein paar Wörter am Schluss – »­Deutsche Weine – Weltklasse!«. Was war hier los? Diese Kampagne, im märchen­haften Fußballsommer 2006: Konnte so etwas tatsächlich vom Deutschen Weininstitut (DWI), dem Zentralverband der deutschen Weinwerbung kommen? Und warum war, als dann immerhin die Richtung stimmte, so schnell wieder Schluss?

Für die Weinwerbung war es ein Sprung. Man muss sich nur e ­ inmal daran erinnern, wie sie in den Jahren davor aussah. Da gab es eine Phase der Bizarrerie: »Portugieser? Und ich dachte immer, ­Portugieser kämen aus Lissabon!« Oder: »Unter Ruländer habe ich mir eigentlich immer einen großen Hund vorgestellt!« So wurde, im Ausland viel belacht, der deutsche Weinfreund zum ahnungs­ losen Trottel gemacht. Als Hohn und Häme darauf überhand ­nahmen, wurde die Kampagne schleunigst beendet. Da gab es die peinlichen Pannen: Als zum Beispiel der Schauspieler Heinz Hoenig für eine Anzeigenserie als (nicht wirklich) inspirierender Weingenießer fotografiert worden war – und sich herausstellte, dass er zur selben Zeit für eine Bierkampagne posierte. Und so immer fort. Am wohlsten, so schien es, fühlte sich das DIW immer wieder mit einer Werbung, die achtbare Menschen zeigte, betulich ein funkelndes Weinglas in Händen, eine Weintraube hängt ins Bild, die Sonne geht unter. Es drängte sich der Eindruck auf, dass hinter all dem eine Horde alter Männer stecken musste, für die es der Höhepunkt an Flippigkeit war, wenn einmal im Jahr die Weinkönigin bestellt wurde. Ein modernes Image sieht anders aus. Verantwortlich für das Marketing des deutschen Weins ist bislang das Deutsche Weininstitut. Es spricht für alle Winzer mit einer Stimme, es ist ein Dinosaurier auf öffentlich-rechtlichen Beinen. Und etwa so beliebt wie die GEZ, weil es seine Mittel auf ähnliche Weise beschafft: über Zwangsabgaben. Jeder Weinhersteller muss für das Gemeinschaftsmarketing einzahlen. Und genau das ist auch bis heute das Grundproblem: Dreizehn deutsche Regionen, die von ihrer Unterschiedlichkeit auch leben, und achtzigtausend Winzer – der ­Nenner, auf den sich alle einigen müssen, ist entsprechend klein. Er war oft: das Klischee. Vor allem im Ausland blieb eine Vorstellung haften: Deutscher Wein, das war die süße, billige Plörre aus braunen Flaschen. Die Krankheit könnte man nennen: das Liebfrauenmilch-Syndrom. Das ­Deutsche

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Weininstitut konnte lange Zeit kaum gegensteuern. Während sich die Winzer aber in den letzten fünfzehn Jahren auf die Stärken ihrer Weine besannen und weniger auf Massenware setzten, drifteten ­Qualität und Image mehr und mehr auseinander. Zu groß, zu behäbig, zu alt, zu zentralistisch – die Renegaten unter den Winzern und rebellische Kellereien fordern schon lange, das Ancien Régime der Weinwerbung zu zerschlagen. Sie wollen, dass bestimmte Regionen und Produkte in den Vordergrund rücken; sie wollen selbst bestimmen, wie geworben wird. Nur: ist eine Zersplitterung tatsächlich besser? War die Werbung vielleicht nicht einfach nur schlecht? Inzwischen ist etwas geschehen, was keiner erwartet hat. Die Weinwerbung hat sich neu erfunden, von unten; das Internet half. Eine Generation junger Winzer tauchte auf, für die der ganze Muff fast ein Glücksfall war – um so stärker spürte man ihre Frische und Kraft. Ihre Ideen waren Schnellboote, keine Tanker, sie entwickelten eigene Formen des Marketings. Weinblogger Dirk Würtz gehört dazu: seine treffenden Beobachtungen, sein Wühlen im Weinberg. Ein Hauch von Selbstironie, wenn ein Riesling den Namen Leckerberg bekam, das Etikett dazu dennoch Stil hatte. Oder: »Message in a Bottle« nennt sich gleich ein ganzer Kreis rheinhessischer Jungwinzer; das ­Programm heißt seit 2002 »Spitzenqualität im Glas und Spaß am Wein«. Die Weine treiben Kritikern Glückstränen in die Augen; das Auftreten der Gruppe, auch im Internet, unterstreicht die Eleganz der Produkte. So machen sie von sich reden – und spiegeln in ihrer ­Werbung sehr selbstbewusst, wie gut das ist, was sie herstellen. Das Deutsche Weininstitut begann, die Stimmung aufzugreifen. Die Kampagnen wurden besser. Auf einmal war etwa der Riesling präsent. Mit der Weinwerbung schien es auch im Großen endlich aufwärts zu gehen – da tauchte 2009 ein Urteil auf. Das Bundesverfassungs­ gericht entschied, dass die CMA, die Marketinggesellschaft der ­Bauern, die ähnlich wie das Weininstitut an seine Gelder kam, keine Zwangsabgaben einziehen darf und 120 Millionen Euro zurück­zahlen muss. Das war der Meteorit, der die Dinosaurier zum Taumeln brachte. Seitdem zittert das DWI. Es werden Rückstellungen gebildet, weil ­keiner weiß, ob nicht am Ende riesige Summen zurückgezahlt ­werden müssen, auch wenn der Fall hier etwas anders liegt als bei der CMA. Seither sind auch die Anzeigenkampagnen eingefroren, die ­großen zeitgemäßen, die die Qualitätsoffensive des deutschen Weins in die Welt hinaustragen sollen. Das ist schade. Stattdessen behilft man sich – wahrscheinlich, weil das billiger ist – im Inland mit Adver­ torials, redaktionell gestalteten Werbeseiten. Prompt erscheinen auf denen wieder die alten Lieblingsmotive: Weintrauben. Und Sonnen­ untergänge. >

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Italiens Wasser

Der Monte Gazzaro in den Apenninen ist nur eintausendeinhundertfünfundzwanzig Meter hoch. Wanderern macht er es dennoch nicht einfach. Auf siebenhundert Metern ist Schluss mit dem Auto, allenfalls ein Jeep mit einem guten, das heißt wagemutigen Fahrer schafft es noch ein bisschen höher. Denn hier im Mugello-Tal, dreißig Kilometer nördlich von F ­ lorenz, sind die Wege zerklüftet und rauh. Reicher Mischwald ist zu sehen, keine Zypressen- und Platanen-­Herrlichkeit, Toskana-­Klischees werden nicht bedient. Birkenwald, Kastanien, Buchen, Eichen, es sieht fast aus wie im Hoch­taunus, nur wilder.

Fast unberührte Natur: In der Schönheit und Ruhe der nördlichen Toskana liegt in einem großen Reservat bei dem Städtchen Scarperia das riesige Aquifer des stillen Wassers Acqua Panna, zu dessen Quelle eine gesicherte Tür den Zugang verwehrt.

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ie Natur ist auch im Hochsommer prall und fruchtbar grün – weil es genug Regen gibt. Gemsen, man ahnt es, fühlen sich hier wohl. Genauso wie Mufflons – wilde Schafe mit angriffslustig gebogenen ­Hörnern –, Hirsche, Rehe, Wildschweine, Füchse. Wo sich, selten genug, der Wald zurückzieht, um größeren Lichtungen Platz zu geben, leben Fasane, Rebhühner, Elstern – und was da sonst noch kreucht und fleucht – offenbar ganz ungestört. Denn das hier ist ein Naturreservat. Menschen, abgesehen von den wenigen, die an der Erhaltung der Natur arbeiten, sind hier nicht will­ kommen. Das Quellgebiet von Acqua Panna, dem toskanischen s­ tillen


für die Welt Acqua Panna begleitet still filigrane Weine, S. Pellegrino ist für Gewächse mit kräftiger Struktur wie geschaffen Text: Michael Freitag Fotos: Christof Herdt

Wasser für die Tische der feinen Gastronomie in aller Welt, soll unangetastet ­bleiben. Das führt zu einem leicht bizarren Eindruck. Die Gegend, davon gibt es hier reichlich, vermittelt den wenigen Besuchern das Gefühl, an einer Zeitreise teilzunehmen. Könnte es sein, dass sich die Landschaft des Monte Gazzaro seit 1564, als die Medici das Gebiet kauften, nicht verändert hat? Stefano Agostini, den wir in der Villa Panna auf fünfhundert­fünfzig Meter Höhe treffen, lacht darüber: »Nein, auch wenn es schön ist, wenn es auf Sie so wirkt. Aber wir haben dort oben unsere Brunnen nach allen Regeln der Kunst abgeteuft, eingefasst und anschließend eingezäunt.

Wir wollen das Wasser sauber in unsere Abfüllanlage befördern – und wir sind technisch ein bisschen weiter als in der Renaissance, zu den Glanzzeiten der Medici.« Der Präsident der Sanpellegrino S.p.A., zu der Acqua Panna gehört, erzählt mit spürbarer Begeisterung von s­ einem strategischen Konzept. Kernpunkt dabei ist, so wenig wie möglich in die Landschaft einzugreifen. Das wird ihm leicht gemacht, so wie seinen Vorgängern. Die ­wichtige Straßenverbindung zwischen Florenz und Bologna führt, viele Kilo­ meter entfernt, über den Futa-Pass. Bodenschätze außer Wasser? Fehlanzeige. Dazu das zerklüftete Gelände: Weit und breit war und ist für keine Industrie ein Grund erkennbar, sich hier anzusiedeln und die Unberührtheit der Landschaft zu gefährden. Als im 20. Jahrhundert das Naturschutzgebiet eingerichtet wurde, gab es überall nur Zustimmung, seit 2001 ist der dreizehnhundert Hektar große Besitz von Acqua ­Panna als Bio-Farm zertifiziert. Hier arbeiten alle im Schatten der Medici. Die berühmte Sippe stammte ursprünglich aus dem Mugello und war mit Textilhandel reich geworden, bevor ihre ebenso klugen wie rücksichtslosen Familienoberhäupter im 14. und 15. Jahrhundert in Florenz an die Macht kamen. Sommer­residenz der Medici war das Castello Cafaggiolo nahe Barberino di Mugello. In Panna, zehn Kilometer entfernt, fanden sie etwas sehr Wertvolles: Das Quellwasser war so frisch, dass man es in großen Korbflaschen ins Castello und nach Florenz transportieren ließ; besonders in der Stadt musste man vorsichtig sein, um dem im Zweifelsfall pestilenzialischen Brunnenwasser auszuweichen. Panna war allerdings nicht bequem und schon gar nicht chic genug, um dort zu wohnen. Es war nicht mehr und nicht weniger als ein s­ chönes Jagdrevier mit großem Wildbestand. Die Jagdaufseher brauchten eine bessere Jagdhütte; gewiss suchten auch die Jagdgesellschaften hier Unterschlupf. Aber die Damen der Medici hatten nie das Bedürfnis, hierher kommen zu müssen. Der Capanno wurde von späteren Besitzern zu einer Villa erweitert. Ansonsten stand in dieser schwer erreichbaren Gegend, für die sich niemand besonders interessierte, die Zeit still. Die Medici-­Familie starb in der Mitte des 18. Jahrhunderts aus. Industrielle Entwicklung fand andernorts statt. Ideale Bedingungen für ein natürliches Mineralwasser,

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Eher ungewohnter Genuss: Andreas Larsson, der schwedische Weltmeister der Sommeliers, findet im roten Salon der Villa Panna heraus, welcher Wein mit welchem Wasser harmoniert – still wie Acqua Panna oder sprudelnd wie S. Pellegrino.

das per defitionem so, wie es ist, ohne weiteren Eingriff abgefüllt ­werden muss. Im Gegensatz zum Leitungswasser, das gereinigt und aufbereitet werden darf, meistens auch behandelt werden muss.

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as Wasserreservoir, der so genannte Aquifer, von Acqua Panna liegt in einer dicken Kalksandsteinschicht, die unter einer durchschnittlich hundet Meter starken Felsschicht verborgen ist. Die schließt den S ­ peicher nicht hermetisch ab, denn Regenwasser kann ganz langsam einsickern. Ein plötzlicher Sturzregen ist kein Grund zur B ­ esorgnis, Schlamm gerät nicht ins Reservoir. Es dauert fünfzehn Jahre, bis ­Wasser aus der Kalksandsteinschicht wieder an die Oberfläche tritt und so, fast endlos gefiltert, sich denen anbietet, die sauberes Wasser s­ chätzen. Von der Familie des Marchese Torrigiani wurde 1860 das Wasser aus den Quellen von Panna zum ersten Mal kommerziell abgefüllt. Die Marke Acqua Panna war geboren. Für die umliegenden Ortschaften und Bauern­höfe war das angenehm: Niemals wurde so viel Wasser abgezapft, dass es irgend eine Ernte hätte bedrohen können, und Arbeit gab es auch noch für einige, die nicht, wie im Mugello üblich, auf Bauern­ höfen oder in den kleinen Messerschleifereien von Scarperia ihren Lebensunterhalt verdienten. 1957 dann wurde Acqua Panna von der Sanpellegrino S.p.A. übernommen: Als stilles Wasser eine ideale Ergänzung zu dem sprudelnden Wasser aus der Lombardei. Seit Ende der neunziger Jahre gehört ­Sanpellegrino zum Nestlé-Konzern. Acqua Panna ist nur schwach mineralisiert. Das lässt sich messen, in TDS (totally dissolved solids), Milligramm pro Liter; im Deutschen gibt es dafür den Begriff »Abdampfrückstand«, den niemand schön finden muss. Acqua Panna enthält 142 TDS, davon ein wenig Calcium, etwas

In ungetrübter Laune: Stefano Agostini, der Präsident von Sanpellegrino S.p.A. und Hausherr in der Villa Panna, legt im grünen Salon sein strategisches Konzept dar.

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Magnesium, noch weniger Salz und fast keine Säure. »Deshalb wirkt es im Mund weich«, erklärt der Schwede Andreas Larsson, Weltmeister der Sommeliers 2007, der für Acqua Panna Verkostungen mit Wasser und Wein organisiert. Präsident Agostini hatte schon vorgewarnt, dass »ein so zartes Wasser zerstört würde, wollte man es mit natürlicher Kohlensäure versetzen«. Im Zusammenspiel mit einem kräftigen, säure- und tanninreichen Chianti Classico geht es nicht nur unter, sondern wirkt zu dezent, fast ein wenig müde.

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anz anders S. Pellegrino aus der Lombardei. Unter den sprudeln­ den Mineralwässern liegt es im Mittelfeld, was die Mineralisierung angeht, aber im Vergleich mit seiner stillen Schwester aus der Toskana zeigt der Wert von 948 TDS, dass wir es nicht nur mit einem anderen Geschmacksbild zu tun haben, sondern auch mit einem anderen Mundgefühl. Der Wert für Natrium – das als salzig wahrgenommen wird – liegt fünfmal so hoch, und höhere Werte für Sulfat und Hydrogen­ carbonat bedeuten, dass S. Pellegrino als deutlich stärker säurebetont empfunden wird. Das alles bei einem mittleren Kohlensäuregehalt und vergleichsweise kleinen Bläschen. S. Pellegrino wird ausschließlich als Sprudel auf den Markt gebracht, und das hat einen guten Grund. Im 19. Jahrhundert, als sich die Gemeinde San Pellegrino mit den Wünschen ehrgeiziger Unter­ nehmer aus B ­ ergamo, der Pesenti-Palazzolo, konfrontiert sah, die die Quelle kommerziell entwickeln wollten, entspann sich ein Streit über die Wasser­ent­nahme­rechte. Der zog sich einige Jahrzehnte hin. 1842 musste die Gemeinde, die nach schweren Überschwemmungen vor dem Ruin stand, klein beigeben. Die Unternehmer durften das Wasser nach Gutdünken nutzen, unter der Bedingung, dass sie eine Zapfstelle


Um Grosse Weine zu verstehen, muss man trinken, trinken, trinken  ‌

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Fast ungenutzte Pracht: Das Casino Municipale von San Pellegrino Terme dient heute als Schauplatz von Kulturund Wirtschaftsevents; das Grand Hotel gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses Brembo, ist schon seit 1980 geschlossen.

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einrichteten, für alle Ortsansässigen zur freien Verfügung. Diesen Zapfhahn gibt es noch heute, die Einwohner füllen hier ihre Flaschen für den häuslichen Gebrauch. Das ist genau das Wasser, das in aller Welt verkauft wird – nur ohne Kohlensäure. Als Gegenleistung durften die Pesenti-Palazzolo darangehen, die Quelle als Basis für den Ausbau des Ortes zu einem feinen Thermalbad zu ­nehmen. Hier, im Tal des Flusses Brembo im lombardischen Alpenvorland, fünfundzwanzig Kilometer nordwestlich von Bergamo, keine neunzig Kilometer von Mailand entfernt, sollte so etwas wie das BadenBaden der Lombardei entstehen. Zuallererst musste der Name zum Kuren einladen, also nannte man ihn San Pellegrino Terme. Ein prächtiger »Kursaal« wurde gebaut und bereichert seitdem, wenn schon nicht seine Erbauer, so doch die italienische Sprache mit diesem Fremdwort. Für den weiteren Ausbau wurde in den Boomjahren nach der Gründung des italienischen Nationalstaats eigens eine Aktiengesellschaft gegründet, die Società Anonima delle Terme di San Pellegrino. Die ließ von 1905 an ein riesiges Grand Hotel errichten nebst umfangreichen Wandelhallen und Räumen für Scharen von D ­ oktoren und deren Kuranwendungen. Das klare Wasser zu trinken war a­ llemal gut, da konnte es nicht schaden, auch noch auf positive Wirkungen für den Verdauungstrakt hinzuweisen. Danach waren die Kurgäste gern bereit, sich an den Roulette-Tisch im Kursaal zu begeben. Derweil ­liefen die Geschäfte auch mit dem Wasser gut. Eine 1905 gebaute neue Abfüllanlage bewältigte damals staunenswerte fünfzigtausend F ­ laschen pro Tag; fast genauso viel schafft jede der sechs heutigen Abfüll-Linien – pro Stunde. Aber die guten Jahre währten nicht lang. Den ersten Weltkrieg hätte das kleine Kurbad vielleicht noch überleben können, aber als

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­ ussolini auch noch das Verbot des Glückspiels verfügte, war das M Schicksal von San Pellegrino Terme besiegelt. Seit den dreißiger J­ ahren ging es ­kontinuierlich bergab. Die Nachteile der Lage in einem ­kleinen, engen Tal, erreichbar nur über eine einzige gewundene Landstraße, wogen Anfang der siebziger Jahre so schwer, dass der Kursaal und die Wandel­halle geschlossen wurden. Die Doktoren waren schon vorher weggezogen. In den achtziger Jahren machte dann auch noch das Grand Hotel dicht.

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eitdem schläft das charmant altmodisch wirkende San Pellegrino Terme vor sich hin. Das vorläufig letzte Aufbäumen erlebte der einstige Kurort vor zehn Jahren. Damals sammelten einige Architekten und Immobilienunternehmer Geld von Investoren ein, um San Pellegrino Terme nach dem Vorbild von Eugénie-les-Bains im Südwesten Frankreichs wieder en vogue zu machen. Auch dieser kleine Kurort aus der Zeit des Deuxième Empire hatte im Winterschlaf gelegen, bis Michel Guérard kam und Gourmets aus aller Welt anzog. Aber die siebziger Jahre boten einmalige Chancen, ein zweiter Michel Guérard ist nicht in Sicht, und die Finanzkrise nach der Lehman-Pleite legte die Pläne aufs (wahrscheinlich ewige) Eis. Immerhin hatte Perrier in den achtziger Jahren begonnen, Anteile an der Wassergesellschaft zu erwerben. Perrier ist seit 1992 Teil des Nestlé-Konzerns, und seit 1999 gehört S. Pellegrino komplett zum Teilkonzern Nestlé Waters. Die riesige Abfüllfabrik ist größter Arbeitgeber weit und breit. Sie ist effizient und hygienisch. Das Wasser wird über kilometerlange Rohrleitungen aus rostfreiem Stahl aus dem Quellgebiet in den Bergen nordöstlich des Ortes geholt und fließt, metaphorisch gesprochen, von hier in die Wassergläser auf gut gedeckten Tischen.  >


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bin ich

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Michael Klonovsky sechseinhalb Stunden lang allein an einem Vierertisch im Speisewagen des ICE

Alles hängt vom richtigen Platz ab. Deshalb sollte man schon vor der Einfahrt des Zuges ­Position beziehen. Schließlich gibt es den Wagenstandsanzeiger. Und es darf nur der große

ICE-Speise­wagen sein, wo einen noch die Ahnung davon anfliegt, wie kommod Reisen einst gewesen sein muss. Bevor die Praktiker kamen und die Effizienten. Und die Designer. Im

Zug ausschließlich Speisewagen! Erspart die Kosten für die Erste Klasse, wo ohnehin immer irgendein Führungs­prolet sitzt und ins Handy plärrt. Und die Getränkeversorgung ist halb-

wegs gesichert. Kein Zweiertisch, ist unbequem, zu klein, und mit Gegenüber ganz schrecklich. Einen Vierer belegen. Sich ausbreiten: Bücher. Notizblock. iPod. Die ganze Musik des Abendlandes in der Tasche. Und sofort Wein bestellen. Immerhin ist es längst Nachmittag.

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er Wagen ist beglückend wenig gefüllt. Sechseinhalb Stunden Fahrt stehen an. Kein Termin mehr heute. Die Karte ist dünner geworden. Ob das Gerücht stimmt, dass sie nach und nach reduzieren, erst das Angebot, danach die Zahl der durchs Land rollenden Waggon­ restaurants? Dann werde ich überhaupt nicht mehr reisen. Nun, den Wein haben sie zumindest nicht reduziert, nach wie vor: drei Weiße, drei Rote. Nur das Sortiment ist geändert worden, ich kenne keinen davon. Erfahrungsgemäß kann man alles gut trinken, was sie im ICE anbieten. Viertelliterflaschen. Meistens Einheimisches. Beim Weißen bin ich Patriot. Beginnen wir mit Weißburgunder Matthias Keth, Rheinhessen, 2010, trocken. Unterwegs sein, Bach im Ohr, Rameau im Ohr, C ­ hopin im Ohr, einen Rebstoff vor sich, während die Landschaft vorüberhuscht – »Vorüber schnell und schneller tanzen / Durch Draht verknüpft zu einem Ganzen, / Die schwesterlich verwandten langen / Zahlreichen Telegrafenstangen« (Wilhelm Busch) –, so mag der Tag verstreichen. Die merkwürdige Beliebtheit von Flügen. Der Zeit­genosse reist nicht mehr gern, er kommt gern an. Dafür, dass es schnell geht, nimmt er in Kauf, beim Einchecken kujoniert zu werden und sich wie eine Sardine in Sitzreihen quetschen zu lassen, die von Jahr zu Jahr immer enger werden. Mittelplatz im Flieger: grauenhaft! Ein Freund hatte mal links und rechts je ein Model, und dann, bei einem Luftloch,

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das den Namen abwechslungshalber verdiente, schmiegten sich plötzlich zwei schutzsuchende Köpfe an seine Brust; das tät’ ich mir halbwegs gefallen lassen. Sofern die Story überhaupt stimmt. Aber in der Regel rammt sich irgendein Dicker in den Nachbarsitz und kämpft um die Armlehne. So einer wie der Servierer hier. Ein fröhlicher, laut­ starker Sachse. Dialekt, bemerkte Johannes Gross selig, kann niemals leise gesprochen werden. Heikler Job, Speisewagenkellner, dauernd die Gefahr, dass einem was vom Tablett auf die Gäste kippt. Neulich im Zug ein kleiner Junge mit seinem Vater, Junge stößt versehentlich seine Limo um, Vater schimpft, Kellner kommt, ein Südländer, wischt auf und und sagt: »Der Lokführer war schuld.« Spontaner Trinkgeldverdoppelungsbeschluss meinerseits.

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unc est bibendum! Also der Keth. Schwache Nase. Papaya? M ­ ango? Birne? Egal, rein damit. Solange es draußen hell ist, schmeckt Weißwein am besten. Frische Frucht, sortentypisch. Dezenter Bitterton. Rasch wird das bewährte Glücksgefühl vorstellig. Zurücklehnen, räkeln, rausschauen. Allmähliche Dämmerung. Welche Musik heute? Oder erst ein bisschen lesen? Stets mindestens fünf Bücher im Gepäck, die Stimmung auf einer Reise ist nicht kalkulierbar. Ein Band Proust ist immer dabei. De Maistre? Sebald? Nein, doch lieber Musik. Liszt, h-Moll-Sonate. Pogorelich, Hamelin, Gilels oder Demidenko? Anfangen mit Hamelin. Ist der Kälteste der vier. Passt zum Weißwein. Die Dichter besingen den Wein allerorten, bei den Komponisten muss man sehen, was zum Getränk passt. Sehr gut immer: Mahler, Trinklied vom Jammer der Erde. »Schon glänzt der Wein im goldnen Pokal.« Gesungen von Wunderlich, kein anderer packt dieses Stück. Ist aber eher was für Rotwein. Zu spektakulär und zu »tief« für einen Weißen. Ein frischer, aber komplexer Roter muss es sein. Haben sie hier nicht. Also Liszt – Mahler selbst trank wohl eher kaum. Obwohl sein Vater Schnapshändler war. Branntweinhändler, wie man damals s­ agte. Die merkwürdige Abstinenz der Juden. Alle israelischen Freunde ­halten sich stundenlang am spätestens zweiten Glas fest. Rauschabholdes Volk. Diaspora-Mentalität. Unter Fremden, die einem womöglich übel wollen, muss man klaren Kopf behalten. Dann gibt’s da noch gewisse


Trunkenheitsvorfälle im Alten Testament. Noahs und Lots folgen­ schwere Vollräusche. Immerhin kommt der Segen Noahs als ­direkte ­Folge seines Besoffengewesenseins auf Sem, weil der des bezechten Vaters B ­ löße deckte. »Gepriesen sei Jahwe, der Gott Sems, K ­ anaan (Cham) aber sei sein Knecht!« Genesis 9, 26. Lot wiederum, der Abrahams­neffe, ­pimpert im Suff mit seinen Töchtern. Weil die nach Sodoms Vertilgung g­ lauben, sie seien die letzten Menschen auf der Welt, und nicht aussterben ­wollen. Solche welthistorischen Peinlich­ keiten passieren also, wenn Juden saufen; also lassen sie’s. Ob Gott ­selber trinkt? Aus Langeweile? Und dann einen Kater hat und Un­glücke ­passieren lässt wie die Erfindung des Feminismus oder Kroos’ vergeigte Riesenchance gegen die Spanier im WM-Halbfinale? Nürnberg ist noch fern, aber es naht der Barth Riesling Classic, 2010, Rheingau. Ob ich etwas essen wolle? Ja, später. Typischer, solider Riesling. Die wählen anscheinend so aus, dass jeder Esel im Zweifels­fall die Rebsorte erkennt. Die Speisekarte. An manchen Gerichten ist ein ­Häkchen, bei Penne mit Pilz-Sahne-Sauce und Salat mit Käse­streifen etwa. Hier wird’s erklärt: »Bestandteile dieses Gerichtes be­inhalten ­keine Erzeugnisse, die aus oder mithilfe von Erzeugnissen hergestellt werden, die aus verendeten, geschlachteten oder aufgrund ihres Verzehrs zu Tode gekommenen Tieren gewonnen werden.« Bin ich schon besoffen? Aufgrund ihres Verzehrs zu Tode gekommene T ­ iere? Das mag zutreffen, wenn ein Krokodil oder ein Waran frisst. Und die ­anderen Speisen enthalten Verendetes? Wenn etwas verendet, dann wohl das Deutsch. Wo war ich gerade? Ah, Musik und Trunk. In der Oper denn doch öfter. Tosca, 2. Akt: Wein. Butterfly, 1. Akt: Whisky. Tabarro, 1. Akt: Wein. La Bohème, 1. Akt: Bordeaux. »Nein, nein, ich trink kein Wein«: Rosenkavalier, 3. Akt. Im zweiten Akt der Fledermaus sind am Ende alle dicht, der dritte handelt vom Kater. Bei Wagner nichts. Doch – die Blutsbrüderschaftstrinkerei in der Götterdämmerung. Der Wein in Hagens Trinkhorn. Champagner-Arie des Don Giovanni. Im Finale trinkt er dann »exzellenten Marzemino«. Trinkt heute kein Mensch mehr. Einem Freund hat die Frau, derweil er verreist war, die ganze Wohnung ausgeräumt. Das einzige, was er bei seiner Rückkehr vorfand, war eine Flasche Marzemino. Die Frau war Opernliebhaberin. Allmählich wird’s dunkel, Zeit für Rotwein. Schild an der Straße: »Hier war Deutschland geteilt«. Die alte Zonengrenze! Die »ehe­malige« DDR. Es gibt ja keine andere. Also bis jetzt noch nicht. Vielleicht wird’s ja wieder. Wenn man sich die deutsche Politik und das Personal so anschaut. Den Gabriel zum Beispiel. Und diese Linkspartei-Figuren. Die Wagenknecht als Diktatorin, na gut, das ginge hin. Außerdem liest sie Goethe. – Was für Plörre ich in diesem Land getrunken habe! Im Schnapslager, die Waggons aus Rumänien, aus denen der Wein troff

wie aus einer Kelter. Weil die Kisten in den Wagen lose rumstanden. Na gut, war ja kein Wein, hieß nur so. Man müsste diese Kommunisten noch nachträglich massakrieren dafür, was sie einem kulinarisch zugemutet haben.

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etzt August Kesseler, Spätburgunder Qualitätswein trocken. 2009. Keine Detailforschung mehr, einfach zügig wegschlürfen. Diese erkennungsdienstliche Behandlung von Wein! Diese Parker­punkte­ tabellen­mentalität! Wir Verfeinerten mit den schwachen Trieben. Fünf Pianisten mit demselben Stück hören ist ja auch nichts anderes. – Damals in Meißen, wann war das, 1996, bei Vincenz Richter, ehedem ein sogenanntes legendäres DDR-Weinlokal. Alles, was der Chef von vor 1989 aus dem Keller holte, war schon hinüber. Und der Zustand des Weinbergs, herrlich gelegen über Elbe und Albrechtsburg! Die armen Reben an Betonpfählen mit Draht, der Boden knochenhart und biologisch tot. Die Staatsgrenze quasi noch mal als Rebzeile. Rote B ­ arbaren! Hätten gleich Stacheldraht nehmen sollen. Heute machen sie dort guten Stoff, Spätburgunder vor allem. Apropos, ich bleibe beim Spätburgunder. Dornfelder muss nicht sein. Die Reise vor ein paar Jahren mit der kaputten Klimaanlage, mitten im Sommer von Zürich nach München. Prachtvolle Hitze d ­ raußen, stechen­der, notdurftsnaher Weißweindurst, und dann war der Speise­ wagen dicht, weil drinnen fünfzig oder mehr Grad herrschten. Hab’ mich trotzdem reingesetzt. Kühlschrank funktionierte, Kellnerin schaute immer mal wieder rein, ob ich noch lebe und brachte kopfschüttelnd neuen Wein. Flasche für Flasche. Das Zeug floss gleich ­wieder aus allen Poren raus, ungefähr wie ein Saunaaufguss. Großartige Fahrt! – Das ewige Denken an den Tod ab einer gewissen Promillegrenze. Im Moment größter Lebendigkeit wirst du plötzlich auch den Tod sehen. Also sprach Osho, alias Baghwan. Der hat auch nicht getrunken. Mein tiefer Widerwille gegen Abstinenzler. Jetzt guckt doch dieser Kerl am Nachbartisch auf dem Laptop Filme an, den Bildschirm genau in meine Richtung. Pferde, Ritter, Schwertkämpfe. Optische Umweltverschmutzung. Bildergestank, Bilderlärm. Der iPod im Ohr hilft gegen das Gerede der Mitreisenden, was hilft nun hiergegen? Ah, die Brille runter! Kurzsichtigkeit ist oft die Rettung. – Mensch, es ist doch Freitag, Bundesliga, das Abendspiel. Gleich mal nachschauen, wie es steht. Für irgendwas muss dieses blöde Handy ja gut sein. – Sieh an, der FC Große Klappe verliert. Hat sich mal wieder »selbst ­geschlagen«, wie seine Lautsprecher gerne tröten. Die würden sich gegen B ­ arcelona wohl auch nur selber schlagen. Egal, Dortmund ist jedenfalls wieder dran an den Bayern. BVB, olé! Jetzt aber Schluss mit dem Wein. Ab jetzt trink ich Bier!  >

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Das Saug-Phänomen Ein Deutungsversuch

Text: Bernd Fritz Foto: Guido Bittner

Jugend – sie ist aus dem Straßenbild einer modernen Großstadt nicht mehr weg­ zudenken. So wenig wie – um diesen in einer der legendären Redaktions­konferenzen des Satiremagazins Titanic gefallenen Kernsatz weiterzudenken – aus Schwimm­ bädern, Flughäfen, Bahnhöfen und, vor allem, aus den Nah- und Fernverkehrs­zügen. Dort sind Jugendliche nicht nur aus der Nähe sowie über einen l­ ängeren Zeitraum zu beobachten, sondern auch in aussagekräftiger Anzahl aufhältig.

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as Jungmenschentum differenziert sich dabei in zwei Gruppen aus: Die eine tippt ununterbrochen auf Smartphones herum, die andere trinkt zwischendurch aus kleinen Flaschen mit Saugverschluss. Über das T ­ ippen ist schon alles gesagt und geschrieben worden, über das ­Saugen blättert resp. scrollt man in der Publizistik vergebens. Zeit also für den Versuch einer Annäherung, unter Anwendung der beiden methodischen Grundfragen: Warum? Und was? Flaschen mit Saugverschluss – in den Getränke­regalen der Tank­ stellen und Supermärkte sind sie zwingend erforderlich. Doch w ­ arum saugt er, der zwar noch junge, aber in der Regel schon majorenne Mensch? Warum dreht er nicht am Schraubverschluss – wenn er schon kein Glas nimmt – und lässt das Nass zügig reinlaufen, rechts und links der Zunge, wie es uns vom alten Glas-Professor R ­ iedel überkommen ist? Will er zeigen, dass er keine vier mehr ist? Der Warn­hinweis auf den Etiketten spräche dafür: »Verschluss für Kinder unter 4 Jahren nicht geeignet. Kleinteile können verschluckt werden«. Apropos vier. Zur Jugend darf sich heute jeder zählen, dessen Lebens­ alter an der Zehnerstelle noch nicht die ­Ziffer vier stehen hat. Die »Trau keinem über dreißig«-Marke aus den späten Sechzigern hat längst ein Upgrade von gut einem Jahrzehnt erfahren – was die Erklärung des Saug-Phänomens indessen nicht einfacher macht. Ist die »­Generation Golf« in der oralen Phase hängengeblieben und zur »Generation Nucki« ­regrediert? Das Statistische Bundesamt immerhin berichtet von einer deutlich verlängerten Verweildauer junger Leute in Wohnung und Haushalt der Eltern (»Hotel Mama« nennt der Boulevard das Nest­hocker­ domizil), und die unbestreitbar nippelhafte Form der Saug­verschlüsse sagt ein Übriges aus.

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Bleibt die Frage, was da von früh bis spät genuckelt wird? Kühl jedenfalls ist das Nass nicht, auch die Kohlensäure fehlt samt, gottlob, jeglichem Alkohol. Aber es soll extrem gesund sein und verlangt den ­Saugern zudem ernährungswissenschaftliche Grundkenntnisse ab. Ohne solche würde man kaum zu »isotonischen Elektrolytgetränken« greifen, und auch ein »niedriger glykämischer Index« wäre kein Kauf­anreiz. Doch schon die Produktnamen verraten, um was es eigentlich geht: »­Powerade«, »Highspeed« und »­Active O2« sollen Power und Speed hochhalten, damit man bei den Smartphone-Aktivitäten nicht schlapp macht oder sich bei dem hustenden Rentner auf dem Sitzplatz gegenüber nicht ansteckt. Um das Immunsystem auf Vordermann zu ­bringen, genügt bereits der Blick auf die Zutaten- und Nährwert­angaben: »Vitamin B 6 und 12, Natriumcyclamat, A ­ cesulfam-K, Niacin, Folsäure, Magnesium­carbonat« und so weiter durch die organische und anorganische Chemie. Der Unterschied zur Muttermilch – was uns zu Nuckelfrage Eins führt – besteht lediglich darin, dass auf der stillenden Mutterbrust kein entsprechendes Etikett klebt: »Immunglobulin A, Lysozym, Lipase, Kupfer, Phosphor, Vitamin A, B, C, D, K« und so fort durchs Alphabet. Aber vielleicht tut man den jungen Leuten ja Unrecht. Alle Lust, sagt Nietzsche, will Ewigkeit, und das schließt die Nuckellust logischerweise mit ein. Und weder die P ­ flege der eigenen Gesundheit noch die Unlust auf eine eigene Wohnung sind wirklich zu beanstanden. Schließlich wird die Generation Nucki zehn Jahre länger arbeiten m ­ üssen, um ihre und der Eltern Renten zu erwirtschaften – da ist es nur recht und im ­doppelten Wortsinne billig, das Hotel Mama zehn Jahre länger zu ­belegen. Last but not least aber mag das folgende Geständnis zur ­Akzeptanz des Nuckelwesens und damit zur Verständigung zwischen Jung und Alt beitragen: Während er diesen Text verfasste, saugte der Autor je eine ­Flasche »Gatorade« und »Vitrex Sport« bis auf den letzten Tropfen aus.  >


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18 Monate gereift. Für den einen Moment.

Die Zeit scheint stillzustehen – bei einem Glas Cordon Negro. Denn in einem einzigen Schluck verdichten sich 150 Jahre Leidenschaft, mindestens 18 Monate Reifezeit und die Atmosphäre eines besonderen Abends. Solche Augenblicke lassen uns erkennen: Perfektion ist eine Frage der Zeit.


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