Fine Das Weinmagazin 4|2012-Leseprobe

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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E D ď?Ľ ď?ľ ď?´ ď?ł ď?Ł ď?¨ ď?Ź ď?Ą ď?Ž ď?¤ ¡ Ă– ď?ł ď?´ ď?Ľ ď?˛ ď?˛ ď?Ľ ď?Š ď?Ł ď?¨ ¡ S ď?Ł ď?¨ ď?ˇ ď?Ľ ď?Š ď?ş ¡ S ď?Ť ď?Ą ď?Ž ď?¤ ď?Š ď?Ž ď?Ą ď?ś ď?Š ď?Ľ ď?Ž ¡ G ď?˛ ď?Ż ď?ł ď?ł ď?˘ ď?˛ ď?Š ď?´ ď?Ą ď?Ž ď?Ž ď?Š ď?Ľ ď?Ž ¡ U S A ¡ A ď?ľ ď?ł ď?´ ď?˛ ď?Ą ď?Ź ď?Š ď?Ľ ď?Ž

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DA S WEI NMAGA ZIN

Stuart Pig ot t: G r o s s e G e w ä ch s e

Chile: Aurelio Monte s

Harald Martenstein: Selbstgespräch

Markgräflerland: Martin Wassmer

Na h e: Ihre Weine, ihr e G e s c hic hte

Piemont: Roberto Conterno

Champagne: Salon Le Me snil

L oire : Nic ol as Joly

Burgund: Domaine Jacques Prieur C

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Wie der Vater, so die söhne Unsere wahre stärke liegt in den genen Die Geschichte von Land Rover begann 1947. Seitdem hat sich vieles verändert – und alles weiterentwickelt. Vom Design unserer Fahrzeuge bis hin zum Leistungsvermögen, das heute wie damals eine Klasse für sich darstellt. Ein Land Rover ist und bleibt eben ein Land Rover. landrover.de

Verbrauchs- und Emissionswerte: Kraftstoffverbrauch in l/100 km: außerorts 9,9–7,0; innerorts 20,6–8,5; kombiniert 13,8–7,5;


– ge rover n a r r e u e der n m händle e r ih i e b uar 2013 ab 18. Jan

CO2-Emission in g/km: 322–196, CO2-Effizienzklasse: G, C, B. Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1268/EWG ermittelt.


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4/2012

Seite 30 Nicolas Joly, der Weinpionier von der Loire

Seite 54 Eine kurze Geschichte des Naheweins

Seite 108 Roberto Conterno, ein Erztraditionalist unter den Barolisti

Seite 116 Dom Pérignon und David Lynch

Seite 120 Annegret Reh-Gartner vom Mosel-Weingut Reichsgraf von Kesselstatt

Seite 130 Martin Waßmers Weine aus dem Markgräflerland


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I N H A LT Seite 42 Die Domaine Jacques Prieur in Meursault

Seite 80 Eugène-Aimé Salon, der Meister des Blanc de Blancs

Seite 98 Aurelio Montes, der Matador des chilenischen Weins

Seite 60 Große alte Rieslinge von der Nahe

Seite 16

Baron Eric de Rothschild, der Grandseigneur von Château Lafite-Rothschild

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FINE Editorial

Thomas Schröder

16

FINE Bordeaux

Château Lafite

30

FINE Loire

Nicolas Joly

42

FINE Burgund

Jacques Prieur

54

FINE Wein und Zeit

Eine kurze Geschichte des Naheweins

60

FINE Nahe

Riesling von der Nahe

68

FINE Die Pigott Kolumne

Große Gewächse

74

FINE Das Große Dutzend

Newton Vineyard

78

FINE Die schönen Dinge

Susanne Kaloff: Louis Vuitton Reisegepäck

80

FINE Champagne

Salon Le Mesnil

88

FINE Wein & Speisen

Jürgen Dollase im Restaurant Français

98

FINE Chile

Aurelio Montes

104

FINE Reiner Wein

Anne Zielke: Wo der Spaß aufhört

106

FINE Weinwissen

Das Rieslingfass

108

FINE Piemont

Roberto Conterno

116

FINE Lifestyle

Dom Pérignon und David Lynch

120

FINE Frauen im Wein

Annegret Reh-Gartner

128

FINE Das Bier danach

Bernd Fritz: »Das ist nicht mein Bier«

130

FINE Baden

Martin Waßmer

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FINE Selbstgespräch

Harald Martenstein

146

FINE Abgang

Ralf Frenzel

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Altes Geld und grosser Wein Von Christian Volbracht

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Fotos Rui Camilo

aron Eric Alain Robert David de Rothschild liebt den

Das Haus, das ist das auf einer AnhĂśhe gelegene Schloss bei

Erfolg, ganz eindeutig, aber fotografiert zu werden ist

Pauillac an der Gironde mit seinen drei alten, ganz unterschied-

ihm ein Graus. Wie um diese Abneigung zu beweisen,

lichen TĂźrmen, der steinernen Balustrade aus der Epoche Ludwigs

kommt der Zweiundsiebzigjährige mit zerzaustem Haar und

XIV. und den prächtigen Salons aus der Zeit Napoleons III. Der

gelockerter Krawatte zum Gespräch in den Roten Salon von

Hausherr, Bankier aus Paris und Leiter des wohl berĂźhmtesten

Château Lafite. Schauen Sie mich doch an, ich bin gerade erst

aller Weingßter, ist im Gespräch ganz und gar nicht zurßck-

angekommenÂŤ, sagt er und blickt nur kurz zum Fotografen: ÂťIch

haltend, sondern beredt und von gelassener Souveränität. Und

ziehe vor, dass er Fotos vom Haus macht, alles was er will, aber

er scherzt nur ein bisschen, wenn die Frage kommt, ob er sein

nicht von mir.ÂŤ

Geld lieber mit exquisitem Private Banking oder mit edlem Wein

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»On s’amuse«: Baron Eric de Rothschild vom Château Lafite-Rothschild in Pauillac ist der heiter-gelassene Souverän über zwei Welten

verdiene: »Ach, wissen Sie, wir tun beides nicht, um Geld zu ver-

Seidendamast bezogenen Wänden blickt die Gemäldegalerie

dienen, wir tun es, um uns zu amüsieren«, sagt er lächelnd. Und

der Familienporträts herab, dazwischen weiße Marmorstatuen,

ernster: »Nein, wir schauen nicht auf den Zähler, wir tun es aus

Fotos, Edles und Alltägliches oder Kurioses. Da entdeckt man

Leidenschaft. Was Spaß macht, ist, Erfolg zu haben bei den Ver-

das Foto von Queen Mum neben einem Zeitungsausschnitt über

handlungen, mit den Weinen und anerkannt zu werden.«

einen Wettbewerb im Rebenschnitt und davor ein dickes Gäste-

»On s’amuse« wird Rothschild noch öfter sagen, während wir

buch mit ganzseitiger chinesischer Dankadresse eines sicher-

auf roten Damastsesseln im Roten Salon sitzen, umrahmt von

lich bedeutenden Kunden. Im kleinen Nebenraum hängt hinter

den Zeugnissen einer zweihundertfünfzigjährigen Familien-

Glas ein konserviertes Tierskelett – wohl eine Fledermaus – mit

geschichte – »man amüsiert sich«. Von den mit rotem

einem Weinkorken in den knöchernen Klauen.

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Nur ein Gehil Monument des biodynamischen Weinbaus: In der weiten sanften Landschaft der Loire liegt auf einer Anhöhe inmitten der Rebgärten das weiße Haus, das Gut von Nicolas Joly.

Für Nicolas Joly, den Weinpionier von der Loire, ist Biodynamik weder Aberglaube noch illusorisches Weltbild, sondern gelebte Realität: Sein Clos de la Coulée de Serrant gibt ihm recht Von Caro Maurer MW Fotos Johannes Grau

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lfe der Natur

»Gehilfe der Natur und nicht Weinmacher« steht auf seiner

fällen, wer von seinem Wein gekostet hat. Der Coulée de Serrant

Visitenkarte. Poetischer und passender könnte sich Nicolas Joly

ist ein Geschöpf, das berührt und fasziniert, aber auch heraus-

kaum vorstellen, und anschaulicher ließe sich seine tiefgründige

fordert. Ein großer Wein, der nicht jedem auf den ersten Schluck

Leidenschaft für die Reben und den Wein auch kaum beschrei-

gefallen mag. Will er auch gar nicht. Denn er ist gnadenlos ehrlich

ben. Joly ist eine Legende des biodynamischen Weinbaus. Für die

und hochkomplex – wie der Mann, der nur der Natur assistierte,

einen Idol, für die anderen ein Spinner. Doch ein Urteil sollte erst

um ihn zu erschaffen.

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Selbstbewusst: Vor der schmucken Villa der Domaine zeigen sich Martin Prieur, der Enkel des Gründers, und Edouard Labruyère, der Manager des Weinguts. Durch die Pforte führt der Weg zur Grand-Cru-Lage Montrachet.

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Bewegte Vergangenheit, verheissungsvolle Zukunft Die Weine der Domaine Jacques Prieur in Meursault schliessen zu den Grössten der Bourgogne auf

Von Armin Diel Fotos Marc Volk

Ohne Zweifel zählt das Lagenpotential der Domaine Jacques Prieur zum allerfeinsten, was der burgundische Weinbau zu bieten hat. Dass eine solche Plattform lange nicht ausreichte, um eine Rolle in der Ersten Liga zu spielen, findet in den 1970er und 1980er Jahren vor allem im mangelnden Engagement der Besitzerfamilie seine Erklärung. Erst seitdem Investoren frisches Geld in das Weingut in Meursault pumpten, ging es Anfang der 1990er Jahre wieder langsam nach oben. Eine wichtige Rolle spielt seither die couragierte Oenologin Nadine Gublin, die 1997 von der Revue du Vin de France zur Weinmacherin des Jahres gewählt wurde.

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einer der Teilnehmer an der fröhlichen Hochzeitsgesellschaft, die am 24. Februar 1868 die Eheschließung des Weinhändlers Claude Duvergey und der Winzertochter Marie Taboureau in Bligny feierte, konnte ahnen, dass mit diesem Tag der Grundstein für die Domaine Jacques Prieur gelegt wurde. Die Jungvermählten mussten im Lauf der nächsten Jahre die schmerzliche Erkenntnis verarbeiten, dass ihre Ehe dauerhaft kinderlos bliebe. Dies bedeutete zugleich, dass die Linie der Duvergeys endgültig erlöschen würde. Also machte sich Marie Taboureau in ihrer eigenen Familie auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Ihr Bruder Eugène hatte vier

Kinder, jedoch empfahlen sich die drei Söhne kaum für die anstehende Aufgabe. So fiel die Wahl auf die zweitgeborene Tochter Hélène, der man in einem Pensionat eine angemessene Erziehung angedeihen ließ. Als sie zwanzig Jahre alt war, suchte man ihr den aus Beaune stammenden Handelsreisenden Henri Prieur zum Gatten aus, den sie am 26. September 1891 heiratete. Sechzehn Monate danach erblickte der kleine Jacques das Licht der Welt. Zurück zu Claude Duvergey, der nicht nur ein überaus tüchtiger Winzer und Weinhändler in Meursault war, sondern auch die Früchte seiner Arbeit genoss. Besonders liebte er es, sich von

seinem Chauffeur Antoine im offenen Renault zum Hotel Royal in Evian-les-Bains fahren zu lassen, wo er lange Jahre Stammgast war. Allerdings war Duvergey kein Bonvivant, der nur die Leichtigkeit des Seins genoss. Mit dem Erwerb erstklassiger Weinberge schuf er die Grundlage für den fantastischen Fundus an Spitzenlagen der heutigen Domaine Jacques Prieur: Im Jahr 1889 kaufte er sich im Clos de Vougeot ein, drei Jahre danach arrondierte er seinen Besitz im Montrachet auf eine Gesamtfläche von stattlichen fünftausendachthundertdreiundsechzig Quadratmetern. Im Jahr 1895 kamen Parzellen im Chambertin und im Musigny hinzu, die schon damals zu den

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Schneebedeckt liegt die Reblandschaft um Monforte d’Alba im winterlichen Licht. Das Piemont ist zu jeder Jahreszeit von eindrucksvoller Schönheit.

Kompromisslos traditionsbewusst: »Warum sollte ich etwas an unserem Stil ändern?«

Roberto Conterno vom Weingut Giacomo Conterno in Monforte d’Alba gilt als Erzkonservativer unter den Barolisti – und sein Erfolg gibt ihm Recht Von Rainer Schäfer Fotos Rui Camilo

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Von den Decken hängen lose Kabel, im Weingut Giacomo

könnte. Aber es ist Freitagabend, und auch im Piemont geht die

Conterno in Monforte d’Alba haben Handwerker angefangen

Woche zu Ende. Kein Handwerker tut jetzt noch einen Schlag.

zu renovieren. Draußen, im Hof des Weinguts, stehen Holz-

Erika Zanlorenzi, die im Büro nach dem Rechten sieht, weiß

fässer, zweimannhoch und über fünfzig Jahre alt. Auch der Keller

genau, was in Conterno vorgeht. »Er ist der größte Perfektionist,

wird umgebaut, die Fässer müssen ausgetauscht werden. Roberto

den man sich vorstellen kann«, sagt sie. Pedant mag sie ihren Chef

Conterno stürzt nach kurzer Begrüßung wieder davon, er ver-

nicht nennen, obwohl ihn das vielleicht noch besser charakteri-

sucht gar nicht erst zu verbergen, dass er leidet. Die Arbeiten

sierte. Aber es ist nicht nur die Verzögerung, die ihm so zusetzt.

haben sich verzögert, weil streikende Lastwagenfahrer die Auto-

In dem Maß, wie Conterno Ordnung und Sauberkeit liebt, verab-

bahnen blockieren. Conterno ist außer sich, er telefoniert und läuft

scheut er auch Chaos und Schmutz. Man kann sonst vom makel-

immer wieder in den Keller, als ob er dadurch etwas beschleunigen

losen Kellerboden essen, und jetzt diese Katastrophe. F I N E

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oberto Conterno hat sich dazu durchgerungen, das Weingut renovieren zu lassen, zum ersten Mal nach siebenundzwanzig Jahren. Veränderungen empfindet er als Irritationen. Er hatte versucht, die Bauarbeiten so lange wie möglich hinauszuzögern. Als er sich endlich hinsetzt, erkennt man, was der Umbau mit ihm angerichtet hat: Conterno, Jahrgang 1968, ein gut aussehender Mann, trägt heute dunkle Schatten unter den melancholisch blickenden Augen. Die Bartstoppeln scheuern am weißen Rollkragenpullover. Es ist kein Bart, den Männer aus Kalkül stehen lassen, um mit maskuliner Attitüde zu imponieren. Diese Stoppeln sind aus Verzweiflung stehen geblieben. Conterno ist als freundlicher Mann mit guten Manieren bekannt, aber in seiner Verfassung ist schon die erste Frage eine Zumutung für ihn. »Sie modernisieren das Weingut?« Conterno schaut gekränkt, seine Augenlider flattern. »Nein«, flüstert er, »ich modernisiere nicht, ich ersetze alte Teile durch neue.« Ein neuer,

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diplomatischerer Versuch: »Sie ersetzen die alten Fässer durch neue?« Ja, räumt er ein, aber nicht, weil die neuen moderner seien. »Ich hätte gern die alten behalten, aber die waren nicht mehr ganz dicht.« Modernisieren ist ein Reizwort für ihn. Den Wunsch, gemeinsam den verstaubten Keller zu besichtigen, lehnt er entschlossen ab. Nach wenigen Minuten beschließt Conterno, nur noch italienisch zu reden. Er spricht ein gepflegtes Englisch, aber wer ihm mit Modernisierung kommt, der hat mit Konsequenzen zu rechnen. Man muss ein wenig zurückblicken, um Roberto Conterno zu verstehen. Keine andere Winzerfamilie im Piemont hält so hartnäckig an Traditionen fest wie seine. Seit drei Generationen erzeugt die Azienda Vitivinicola Giacomo Conterno Barolo im Spitzensegment, der Monfortino Riserva ist ein Monument im piemontesischen Weinbau. Auch wenn es übertrieben erscheinen mag: Es gibt Enthusiasten, die


Unbeirrt von modischen Strömungen im Piemont geht Roberto Conterno seinen Weg. Für seinen Barolo vertraut er ganz und gar der Kraft der Tradition.

behaupten, dass Judas Jesus nicht verraten hätte, wäre beim letzten Abendmahl ein solcher Barolo ausgeschenkt worden. Es war Roberto Conternos Großvater Giacomo, der 1920 den ersten Monfortino abgefüllt hat, der erst vier Jahre später auf den Markt kam. Seiner Zeit war er damit weit voraus, bis dahin wurde ein Großteil der Weine im Fass verkauft. Conterno glaubte daran, dass Barolo zu den besten Weinen der Welt zählen könnte, ein Status, der bislang den Abfüllungen französischer Châteaux vorbehalten war.

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iacomo Conterno hat tatkräftig mitgeholfen, Barolo auf den Sockel der bedeutenden Weinregionen zu heben. Als Sohn einer italienischen Auswandererfamilie wurde er 1895 in Argentinien geboren. Als die Familie nach Italien zurückkehrte, ließ sie sich im Piemont nieder. Conterno zeigte bald, dass er über das Gespür begnadeter Winzer verfügt, die Bilder und Gerüche dieser Landschaft im Barolo einzufangen. »Sein Monfortino sollte wuchtig, aber elegant sein, über ausgewogene Tannine, einen angemessenen Alkoholgehalt und das gewisse Etwas verfügen, das ihm Langlebigkeit garantiert«, erklärt sein Enkel Roberto. Dafür ließ Conterno die Moste bis zu vierzig Tage auf der Maische gären,

der Ausbau in Holzfudern konnte sich bis zu zehn Jahre hinziehen und länger. Der Jahrgang 1970 wurde erst 1985 gefüllt, viele glaubten schon nicht mehr daran, dass er jemals auf die Flasche komme. Aber diese Baroli, in ihrer Jugend widerspenstig, verlieren auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer majestätischen Größe. Sie scheinen in Sphären der Zeitlosigkeit zu schweben. Dieses Barolo-Patent wurde im Hause Conterno als Vermächtnis, fast als Gebot, von Vater zu Sohn weitergegeben. Von Giacomo auf Giovanni, der es wiederum Roberto anvertraute. Während anderswo die Söhne gegen ihre Väter rebellierten, ging es hier nur darum, die Traditionen möglichst unangetastet zu bewahren. Dabei gab es durchaus Zerreißproben in der Familie, aber die Konflikte spielten sich zwischen den beiden Brüdern Giovanni und Aldo ab, die einige Jahre gemeinsam im Weingut ihres Vaters Giacomo arbeiteten. Aldo verließ es 1969, um seinen eigenen Betrieb aufzubauen. Zu unterschiedlich waren die Ansichten, wie ein großer Barolo zu schmecken habe. Dass Aldo Conterno zu den Modernisten unter den Barolo-Erzeugern übergelaufen ist, verlieh diesem Zwist zusätzliche Pikanterie. Denn Giovanni und nach ihm Roberto Conterno werden unter den Barolo-Ideologen zu den Erzkonservativen gerechnet. Aldo Conterno zählte zu

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In Los Angeles feierte Dom PĂŠrignon den amerikanischen Starregisseur David Lynch und dessen Kampagne fĂźr die neuen Vintage-Editionen mit einer Mega-Party Von ANGELIKA RICARD-WOLF ollywood ruft. Der amerikanische Kultregisseur David Lynch zeigt sein neuestes Opus. Lynch? Genau der, dieser Typ mit der wilden weiĂ&#x;en Stirntolle, der seit mehr als vierzig Jahren mit schrägen Avantgarde-Filmen Front gegen das Popkorn-Kino macht. Die Stars seines aktuellen Werks sind zwei Flaschen, die beiden limitierten Vintage-Editionen aus dem Haus Dom PĂŠrignon. Er hat den Jahrgangschampagner 2003 und dessen Kellergenossen in RosĂŠ aus dem Jahr 2000 fĂźr die neue Anzeigenkampagne in Szene gesetzt. Drehbuch, Regie und Premierenfeier â€“ alles made by Lynch. Das verspricht eine ÂťCrazy clown timeÂŤ (Video 2012). Nichts wie hin.

Signierstunde: David Lynch veredelt die GroĂ&#x;flaschen Dom PĂŠrignon mit seinem Autogramm.

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Preview in den Milk Studios. Wie ein riesiges StĂźck weiĂ&#x;er Blockschokolade liegen sie am North Cahuenga Boulevard in Los Angeles. Der

Fotos: Dom PĂŠrignon

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ÂťroteÂŤ Teppich davor ist kein ÂťBlue VelvetÂŤ (Spielfilm 1986). Er ist schwarz und fĂźhrt zum quadratischen Marmor-Innenhof mit seinem puristischen Wasserbecken. Noch ein paar Stufen hoch â€“ und schon ist man Teil der jĂźngsten Lynch-Inszenierung. Die ist groĂ&#x;es Kino. FlĂźssiger Stickstoff wabert durch ein Labyrinth dunkler Tunnel und Räume. Lichtblitze, Laserstrahlen und NeonrĂśhren erhellen schemenhaft die Kulisse. Kellner wie die rund fĂźnfhundert Gäste â€“ Dresscode (!) â€“ sind schwarz gewandet. Einzig die giftgrĂźne Handtasche der britischen Rocksängerin Kelly Osbourne fluoresziert wie ein GlĂźhwĂźrmchen in der Nacht. WĂźrden doch alle VIPs, von denen es hier wimmelt, ein Leuchtzeichen zwecks Ortung setzen! So bleiben sie im Dunkeln und delektieren sich diskret an reichlich Champagner.

Wie das Ăźberwiegend junge Partyvolk, das LAs Spitzenkoch JosĂŠ AndrĂŠs mit Häppchen aus dem Reagenzglanz verwĂśhnt. UnĂźbertroffen seine Molekularoliven, die saftig zerplatzen, wenn man sie genĂźsslich gegen den Gaumen drĂźckt. Aus den Nebelschwaden tauchen unvermittelt ein paar obskure Objekte auf, die erahnen lassen, welch chemische und pyrotechnische Experimente in der HexenkĂźche abgegangen sein mĂźssen, einem Studio auĂ&#x;erhalb von LA, in dem das Kampagnen-Shooting stattfand. Da schwebt das Flaschenetikett wie ein einsamer Schild auf StickstoffwĂślkchen Ăźber einem Bassin. Dort verschwimmt der Blick auf die Champagnerflasche durch die Luftbläschen, die im Aquarium davor aufsteigen. Und da rotierten auf einer Art Plattenteller Berge von Talmi, die unter Laserbeschuss fĂźr den Bruchteil einer Sekunde

hochkarätig aufblitzen. Die Wände reflektieren die Lichtexplosionen, denen Super-DJ Diplo mit hartem Elektro-Beat den Rhythmus gibt. Seit den frĂźhen Morgenstunden hat ein etwa dreiĂ&#x;ig Mann starker Einsatztrupp diese surrealen Show-Elemente installiert. ÂťDas ist er. Einfach wow!ÂŤ Richard Geoffroy, seit 1990 Chef de cave bei Dom PĂŠrignon, ist hin und weg ob des Flaschenzaubers, den David Lynch fĂźr und um seine feinen Bouteillen veranstaltet. Nach drei Kampagnen, die Karl Lagerfeld fotografierte â€“ edle Flaschen, flankiert von Top-Models wie Helena Christensen, Eva Herzigova und Claudia Schiffer â€“, brauchte die Marke nach Meinung des Kellermeisters Âťeine EnergiezufuhrÂŤ. Deshalb engagierte er Lynch, den er fĂźr einen Renaissancemenschen hält. Der, obwohl erklärter Womanizer, verzichtete

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Herr im Cast

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ellberg Martin Wassmer und der Mundweinberg des Markgrafen

Von Martin Wurzer-Berger Fotos Christof Herdt

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Ausnahmsweise sind alle einer Meinung, Naturschützer, Landschaftsschützer, Denkmalschützer, Umweltschützer – und auch der Winzer. Eine bemerkenswerte Allianz. Das Objekt der Einigkeit: Der Castellberg in Ballrechten-Dottingen. Die Steillage in der Mitte des Markgräflerlands hat eine lange und eindrucksvolle Geschichte.

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ie dem Schwarzwald vorgelagerten Weinberge zählen weingeografisch zum Markgräflerland. Klimatisch profitiert es von seiner besonderen Lage: Warme Luft vom Mittelmeer gelangt über das Rhônetal, den Bresse-Graben und die als Burgundische Pforte bezeichnete Senke zwischen Vogesen und Jura in die Rheinebene und beschert dieser Landschaft und auch dem Castellberg zwischen Bad Krozingen und Müllheim häufig die höchsten Temperaturen in Deutschland. Seine weinhistorische Bedeutung ist eng mit dem Gutedel verknüpft. 1784 bestimmte Markgraf Karl Friedrich von Baden den Castellberg als Versuchsweinberg für seine bevorzugte Traube. Als Chasselas (andernorts auch Fendant genannt) stammte sie vermutlich aus den Weinbergen um den Genfer See und wurde über Jahrhunderte zur Leitrebe des Markgräflerlands. In den Akten der markgräflichen Hofdomänenverwaltung in Müllheim ist der Castellberg als Karl Friedrichs »Mundweinberg« verzeichnet.

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Der Dottinger Castellberg, ein Kulturdenkmal erster Klasse, darf auch einer der schönsten historischen Terrassenweinberge genannt werden. Seine süd- und südwestlich ausgerichteten Hänge mit bis zu fünfundsechzig Prozent Neigung sind aufwändig terrassiert, gestützt von kunstvoll geschichteten Trockenmauern mit einer Oberfläche von mehr als viertausend Quadratmetern. Verbunden sind die Terrassen über steinerne Treppenanlagen. An solchen Weinbergen lässt sich das Weinkulturwissen früherer Zeiten studieren, und es »ist nicht abwegig, sie als Kathedralen unserer Kulturlandschaft zu bezeichnen, da sie Kulturtechnik, Baukunst und Natur untrennbar vereinen«, wie es Landespfleger Franz Höchtl einmal formulierte. Dabei war der Castellberg nach der Jahrtausendwende durch Nutzung und Witterungseinflüsse stark gezeichnet, Mauerabschnitte waren baufällig oder verstürzt, Treppen unpassierbar. Das Castellberg-Projekt wurde ins Leben gerufen, eine umfangreiche, mit öffentlichen Mitteln unterstützte und fachlich hervorragende Sanierung. Zwischen 2006 und 2009 wurden Mauerkronen erneuert, Versturzabschnitte als Trockenmauern rekonstruiert, ausgebauchte Stellen durch Injektionen und Hydraulikstempel in ihre Optimallage zurückversetzt, Treppenwangen stabilisiert und Stufen ersetzt. Der Castellberg ist heute ein repräsentables, weit ins Land leuchtendes Denkmal.


Winzer im Kulturdenkmal: Terrassen und Trockenmauern im Castellberg sind der Stolz von Martin Waßmer. Ihr Erhalt ist mit aufwändigster Arbeit verbunden.

Seine Exposition ist perfekt für die tägliche Erwärmung; die nächtens kühlen Winde von den Schwarzwaldhöhen verlängern durch die Temperaturdifferenz die Vegetationszeit und erhöhen die Fruchtigkeit der Weine. Die allgemein gute Belüftung reduziert den Krankheitsdruck. Seine Bodenstruktur aus Konglomeratgestein, Kalksteinverwitterung und vor allem Kalkmergel ist gerade für Burgundersorten ideal. Die Wasserversorgung ist knapp, für die alten Reben jedoch unproblematisch.

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rüher gab es zahlreiche Eigentümer im Castellberg, Genossenschaftswinzer zumeist, auch ein Weingut. Die beschwerliche Handarbeit in diesem für Maschinen fast unzugänglichen Weinberg war allerdings nicht leicht mit dem Ertrag in eine vernünftige Relation zu setzen. Jetzt steht hier Martin Waßmer. Er ist von der exorbitanten Qualität des Weinbergs felsenfest überzeugt und scheut weder Arbeit noch Mühe. Seit einigen Jahren ist er der stolze Besitzer fast des ganzen, etwa dreieinhalb Hektar großen terrassierten Teils des Castellbergs. Ein gewaltiger, auch finanzieller Kraftakt, der gut überlegt sein wollte. Aber nichts ist Martin Waßmer weniger als blauäugig. Er ist ein klar denkender Geschäftsmann. Ein Realist, kein Romantiker. Am heutigen Tag blickt er zwiegespalten auf seine Herzenslage. Betrübt kontrolliert er die gerade verheilten Verletzungen

an den Ruten der alten Rebstöcke. Ein früherer Eigentümer hatte ihm beim Verkaufsgespräch versichert: »Hier hat es noch nie gehagelt.« Doch am Abend des 29. August 2012 bildete sich im südlichen Markgräflerland eine für die Tages- und die Jahreszeit ungewöhnliche Hagelzelle. Und auch der Weg, den die Zelle nahm, war atypisch, denn der Hagel zieht in diesem Gebiet meist über dem Südschwarzwald ab. Es wurde ein schwarzer Mittwoch. Wachteleigroße Hagelkörner richteten vor allem in Bad Bellingen, Ballrechten und Dottingen großen Schaden an, Verluste bis zu fünfzig Prozent waren zu beklagen. Im Castellberg jedoch wurde die gesamte Jahresernte zerstört. Waßmer berichtet, dass die Holzreife schon fortgeschritten, an den Stöcken selbst deshalb ein nicht allzu großer Schaden entstanden sei; das lasse für das kommende Jahr hoffen. Doch in den alten Spätburgunderanlagen mussten zur Stockentlastung alle noch hängenden Trauben heruntergeschnitten werden. Ein schaurig-wildes Bild. Mitten im Sommer kahle Rebstöcke, fast ohne Blätter, ohne Trauben. Bis weit in den Oktober hinein bildeten sich neue hellgrüne Blättchen, ein fast noch unwirklicheres Szenarium. Noch immer arbeiten Wut und Enttäuschung in diesem ruhigen, beherrscht und leise auftretenden Mann. »Natürlich gilt Baden als hagelgefährdet, aber achtundzwanzig Jahre ist hier im Castellberg nichts passiert. Es ging immer um den Berg herum, es kam nie hier an.« Was es bedeutet, wenn ein

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KRUG



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