Filmpodium Programmheft Januar/Februar 2022 // program issue january/february 2022

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1. Januar – 15. Februar 2022

STUMMFILMFESTIVAL 2022 PAUL SCHRADER


Sympathie pour le diable (Ella) / Je suis Karl (Luna)

JANUAR 2022 ELLA RUMPF / LUNA WEDLER

Über 90 Prozent des Filmpodium-Programms

finden Sie nicht bei Netflix, sondern nur in diesem Kino.

Eigeninserat_Notflix_Juni_21.indd 1

16.11.21 17:01


01 Editorial

Zwischen Goodbye & Welcome Corinne Siegrist-Oboussier, die Leiterin des Filmpodiums, ist am 30. November nach 16 Jahren in Pension gegangen und hat ihr Amt abgegeben. Ihre Nachfolgerin Nicole Reinhard, die bisherige Direktorin des Stadtkino Basel und Kodirektorin des Bildrausch-Filmfests, hat ihre neue Stelle am 1. Dezember übernommen. Solche Abgänge und Neuanfänge sind nicht nahtlos zu bewerkstelligen, und so kam es faktisch zu einem kurzen Interregnum. Das heisst nun nicht, dass in Abwesenheit leitender Katzen die Mäuse getanzt hätten. Das treffendere Bild für das Filmpodium mit seinen langen Planungsfristen ist dasjenige eines schweren Tankers, der noch ein gutes Stück auf seinem Kurs weiterschippert, auch wenn die Kapitänin die Kajüte geräumt hat und ihre Nachfolgerin noch nicht am Ruder steht. So präsentieren wir denn in diesem Programm das vertraute Stummfilmfestival, das 2021 Covid-19-halber ausfallen musste und nun nachgeholt wird, mit einigen inhaltlichen Retuschen, einer grossen Vielfalt von musikalischen Gästen und erstmals konzentriert auf die Wochenenden, damit echte Festivalstimmung aufkommen kann. Die zweite Hauptreihe ist ebenfalls von langer Hand und gemeinsam mit dem Zurich Film Festival geplant: Paul Schrader, der am ZFF 2021 den Lifetime Achievement Award erhielt, wird mit einer Retrospektive gewürdigt, die er selbst verdankenswerterweise tatkräftig unterstützt hat. Seine oft beklemmenden Studien über toxische Männlichkeit und Vereinsamung, ländlichen Puritanismus und urbane Permissivität, welche die Wertekonflikte in den heute so zerrissenen Vereinigten Staaten seit Langem thematisieren, werden ergänzt mit einer Aufzeichnung des ZFF-Masters-Gesprächs, in dem Schrader über sein Schaffen Auskunft gab. Die dritte Hauptreihe ist einer weiteren langjährigen Kooperation zu verdanken: Das Museum Rietberg hat seiner Ausstellung über narrative Kunst in Japan eine zweite über das Erzählen im Manga folgen lassen. Wir zeigen eine Auswahl internationaler Verfilmungen von Mangas, aber Achtung: Die Palette ist sehr breit. Von putzigen Animes für die ganze Familie reicht das Spektrum bis zu rabiatesten Realfilmen, die nichts sind für kunstsinnige, zarte – ja selbst recht abgebrühte – Gemüter. Im Februar/März-Programm wird sich dann die Handschrift von Nicole Reinhard bemerkbar machen. Wir hoffen aber, dass Sie auch im abwechslungsreichen Angebot der kommenden sechs Wochen schon auf Ihre Rechnung kommen. Michel Bodmer Titelbild: The Single Standard von John S. Robertson


02 INHALT

Stummfilmfestival 2022

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Das Stummfilmfestival 2022 präsentiert Musketier-Action mit Douglas Fairbanks, einen Jugendkrimi mit Mary Pickford, einen surrealistischen Spuk von René Clair, ein sowjetisches Gefängnisdrama, ein selbstreflexives Kabinettstück von Buster Keaton, eine nautische Romanze mit Greta Garbo, gruselige Parabeln mit Conrad Veidt, einen Serienmörderkrimi von Alfred Hitchcock, einen ironisch gebeizten Historienschinken von Ernst Lubitsch, das Filmdebüt von Enrico Caruso und viele andere Entdeckungen sowie ein spezielles Slapstick-Programm für Familien. Die Vorführungen finden neu am Wochenende statt und werden fast ausnahmslos mit Live-Musik begleitet. Bild: The Lodger

Paul Schrader

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Der amerikanische Cineast Paul Schrader wurde am 17. Zurich Film Festival mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet. Im Filmpodium erzählte er beim Masters-Gespräch von seiner strenggläubigen calvinistischen Familie, seinem Ausbruch in die Sex-Drugs-&-Rock-’n’Roll-Unterwelt und seiner wechselhaften Karriere im Independentkino. Nun zeigen wir dieses Gespräch im Rahmen einer Retrospektive von Filmen, zu denen Schrader das Drehbuch geschrieben hat (Taxi Driver, Raging Bull), und solchen, die er (auch) inszeniert hat – von Blue Collar über American Gigolo und Mishima bis zu Light Sleeper, Affliction, First Reformed und The Card Counter. Mit dabei ist Schraders Inspirationsquelle: Bressons Pickpocket. Bild: Cat People


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Manga Movies

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Das Museum Rietberg hat sich neulich dem visuellen Erzählen in der japanischen Kunst gewidmet und diesen Fokus auf Mangas, die japanische Variante der Comics, ausgeweitet. Während im Westen Comics lange als trivialer Kinderkram verpönt waren, genossen Mangas in Japan den Zuspruch aller Alters- und Bildungsschichten. Sie dienten oft auch als Vorlagen für Verfilmungen, sei es als Anime oder als Realfilme, in Spielfilmlänge oder im Serienformat. Wir zeigen eine kleine Auswahl von Manga-Adaptionen für die Leinwand, von Klassikern wie Akira und Nausicaä aus dem Tal der Winde bis zu Zürcher Kinopremieren von In This Corner of the World und Ichi the Killer. Bild: Ghost in the Shell

The Story of Film: Episoden 11–13

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In den Episoden 11–13 seiner Serie erkundet Mark Cousins das Main­ stream-Kino der 1970er-Jahre und dessen Innovationen, das Weltkino der 1980er- und 1990er-Jahre sowie die letzten Tage des Zelluloids vor der Ankunft des Digitalfilms. Dazu sind Sholay, Wênd Kûuni, Der Pferdedieb, La haine und In the Mood for Love zu sehen.

Filmpodium für Kinder: The Piano Forest

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Ein berührender Anime über zwei Jungs aus verschiedenen Welten, die durch ihre Leidenschaft für die Musik zu Freunden fürs Leben werden. Bild: The Piano Forest



05

Stummfilmfestival 2022 Das Stummfilmfestival 2021 konnte wegen des Lockdowns aufgrund der zweiten Welle von Covid-19 nicht stattfinden. Auch wenn die Pandemie keineswegs vorbei ist, nehmen wir wieder einen Anlauf und präsentieren das allermeiste, was wir letzten Winter zeigen wollten – mit ein paar Neuerungen. Auch beim Stummfilmfestival 2022 ist es uns ein Anliegen, eine breite Palette sehenswerter Stummfilme zu zeigen. Mit dem Vorbehalt jedoch, dass möglichst wenig analoge Kopien rund um die Welt verschifft werden sollen, für den – dank der Covid-19-Impfung etwas weniger wahrscheinlichen – Fall, dass die Kinos erneut geschlossen werden und unsere Filme umsonst einen CO2-Fussabdruck hinterlassen. Das heisst, wir zeigen grossmehrheitlich restaurierte Fassungen in digitaler Form. Tatsächlich hat gerade die Corona-Pause dem Filmmuseum München gestattet, im Frühjahr 2021 einen der stärksten Filme des letztjährigen Programms zu restaurieren: Abram Rooms geradezu surreal anmutendes Werk Das Gespenst, das nicht wiederkehrt (1930; auch bekannt als Menschen-Arsenal). Nun können wir dieses Drama in einer längeren und weitaus schöneren Fassung vorführen. Wir wagen es auch wieder, ausländische Musikerinnen und Musiker einzuladen, neben zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz. Von diesen haben sich mehrere bereit erklärt, einzuspringen, falls CoronaMassnahmen jemandem die Einreise in die Schweiz verunmöglichen sollten. Neuartig ist die Terminierung: Um dem Festivalcharakter verstärkt Rechnung zu tragen, zeigen wir das Programm konzentriert an den Wochenenden zwischen dem 7. Januar und 13. Februar. An manchen Tagen wird mehr als eine Stummfilmvorführung stattfinden; so kann sich das Publikum Zeit nehmen und schwelgen, wie es sich für ein Festival gehört. Oft werden auch mehrere Musikerinnen und Musiker am selben Tag spielen, was Abwechslung gewährt und Vergleiche ermöglicht. Mauritz Stillers Song of the Scarlet Flower zeigen wir zweimal: einmal live begleitet von Gabriel Thibaudeau und einmal mit einer Tonspur, auf der die rekonstruierte, neu eingespielte orchestrale Originalmusik zu hören ist. Die Mary-Pickford-Komödie Little Annie Rooney wiederum darf gar nur mit einem neu komponierten Soundtrack gezeigt werden.

< >

Aussen grotesk, innen edel: The Man Who Laughs Scheinheilig und korrupt: Tartüff


06 Die drei zusätzlichen Titel im Programm sind von der vergnüglichen Sorte: Show People (1928), eine frühe selbstbespiegelnde Hollywood-Satire, hätte in einer von Corona versenkten King-Vidor-Retrospektive im Frühjahr 2020 laufen sollen; nun erhält der Film eine andere Bühne. Dass Schweden nicht nur Heimatfilme und Melodramen produzierte, zeigt die muntere Romantic Comedy Die sieben Töchter der Frau Gyurkovics (1926) von Ragnar HylténCavallius mit Willy Fritsch, einem Frauenschwarm aus dem koproduzie­ renden Deutschland. Und frisch vom Bologneser Festival Il Cinema Ritrovato 2021 kommt die restaurierte Version einer Dramödie, welche die Film­ geschichte beinahe vergessen hat: My Cousin (1918) von Edward José, der einzig erhaltene Film mit Enrico Caruso, zeigt den legendären Operntenor zwar stumm, aber schauspielerisch brillant in gleich mehreren Rollen. Hauptrolle für die Musik Neben unseren «Hauspianisten» André Desponds, Alexander Schiwow und Martin Christ und dem Zürcher Gespann Ephrem Lüchinger (Piano) und Neal Sugarman (Saxofon) – Letztere werden Georg Wilhelm Pabsts Abwege vertonen – sehen und hören Sie auch einige hiesige Musiker zum ersten Mal: Marco Santilli (Klarinette) und Gàbor Barta (Piano) begleiten Paul Lenis gruselige Victor-Hugo-Adaption The Man Who Laughs (1928). Nehrun Aliev (Perkussion, Klarinette, Akkordeon) bereichert mit André Desponds das inzwischen traditionelle Slapstick-Familienprogramm, das mit Max Davidson, Larry Semon und Charley Bowers geniale, aber zu wenig bekannte Komiker präsentiert. Ausserdem werden uns – soweit es die Reisebestimmungen erlauben – einige unserer gern gesehenen Gäste aus dem Ausland beehren: Maud Nelissen, Richard Siedhoff und Neil Brand treten solo am Piano auf, während Stephen Horne (Piano, Akkordeon, Flöte) gemeinsam mit der Harfenistin Elizabeth-Jane Baldry zwei Filme von René Clair und Ernst Lubitsch vertonen wird. Günter A. Buchwald (Piano, Violine) begleitet mit Frank Bockius (Perkussion) The Three Musketeers (1921) von Fred Niblo und zusätzlich mit Bruno Spoerri (Saxofon) Show People. Die Bandbreite musikalischer Freuden ist somit grösser denn je. Michel Bodmer


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Stummfilmfestival 2022 101 Min / tinted + toned / DCP / stumm, schwed Zw’titel/e //

MY COUSIN

REGIE Mauritz Stiller // DREHBUCH Mauritz ­Stiller, Harald B.

USA 1918

Harald, nach dem Roman «Laulu tulipunaisesta kukasta» von

Der ehrliche, ärmliche Bildhauer Tommasso stellt in seinem New Yorker Atelier kleine Gips­ figuren her. Er ist verliebt in Rosa, die ihm mitunter Modell steht, und erwähnt gerne stolz, dass Cesare Caroli, der grosse Tenor an der Metropo­ litan Opera, sein Cousin sei. Doch dann kreuzen sich die Wege der angeblichen Cousins in einem schicken Restaurant … Filmproduzent Jesse Lasky wollte vom Starruhm Carusos profitieren und verpflichtete diesen für zwei Filme, My Cousin und Splendid Romance (der letztere Film ist verschollen). Die Kritik lobte zu Recht Carusos Schauspielkunst: Er spielt faktisch mit Bravour drei Rollen – die beiden unterschiedlichen Cousins und dann noch die Rolle des Pagliaccio auf der Opernbühne –, erstaunlich natürlich und voller Selbstironie. (mb)

Armas Järnefelt // SCHNITT Tom Bret // MIT Lars Hanson

66 Min / sw / DCP / stumm, e Zw’titel // REGIE Edward José // DREHBUCH Margaret Turnbull // KAMERA Hal Young // MIT Enrico Caruso (Tommasso Longo/Cesare Caroli), Carolina

Johannes Linnankoski // KAMERA Ragnar Westfelt // MUSIK (Olof Koskela), Greta Almroth (Annikki), ­Lillebil Christensen (Elli), Louise Fahlman (Olofs Mutter), Axel Hultman (Olofs Vater), Edith Erastoff (Kyllikki), Hjalmar Peters (Kyllikkis Vater), John Ekman (Chef der Flösser). SO, 9. JAN. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: GABRIEL THIBAUDEAU, MONTRÉAL (PIANO)

GREATER LOVE HATH NO MAN GB 1913 In einem Goldgräberkaff in New Mexico steht die junge Florence ihren Mann. Jake verehrt sie, aber Florence verliebt sich in Harry, den neu zugezogenen Aufseher. Alice Guy-Blaché, die in den USA zur ersten bedeutenden Filmemacherin aufstieg, drehte diesen Dreiecks-Western in New Jersey.

White (Rosa Ventura), Joseph Ricciardi (Pietro Ventura), Henry Leone (Roberto Lombardi), William Bray (Ludovico), Salvatore Fucito (Pianist), Bruno Zirato (Sekretär).

THE BROKEN BUTTERFLY USA 1919

SA, 8. JAN. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: GABRIEL THIBAUDEAU, MONTRÉAL (PIANO)

SONG OF THE SCARLET FLOWER (Sången om den eldröda blomman) Schweden 1919 Olof, Holzfäller und Erbe eines Gutshofs, lässt die Nachbarstochter Annikki ausser Acht und verliebt sich in die Magd Elli. Sein Vater verbietet ihm diese unstandesgemässe Beziehung und bricht mit ihm, weil Olof seiner züchtigenden Gewalt trotzt. Also geht Olof unter die wandernden Holzfäller. Als er der stolzen Gutsherrentochter ­Kyllikki begegnet, verliebt er sich; sie aber will sich nicht einfach einem Vagabunden hingeben, sondern verlangt Beweise, dass es ihm ernst ist. «Vor dem lyrisch-epischen Hintergrund einer stimmungsvollen Naturszenerie spielen sich eine brillant verfilmte, aufregende Fahrt durch Stromschnellen und eine Reihe einfacher, konfliktgeladener Liebesszenen ab.» (Gösta Werner: Die Geschichte des schwedischen Films, Deutsches Filmmuseum 1988) Wir zeigen eine restaurierte Fassung des Films, einmal mit Live-Musik, einmal vertont mit der einzigen erhaltenen, neu arangierten Partitur eines schwedischen Stummfilms.

Marcene wächst bei ihrer lieblosen Tante Zabie in der Wildnis Kanadas auf. Darrell Thorne, ein europäischer Musiker auf der Suche nach Inspiration in der Natur, verliebt sich in Marcene und schreibt eine Symphonie über sie. Als er nach Europa zurückkehrt, um sein Werk aufzuführen und Ruhm zu ernten, traut sich Marcene nicht mitzugehen. Bald darauf bringt sie Darrells uneheliches Kind zur Welt, was ihr Schande einträgt. Maurice Tourneur war Grafiker und Künstler, bevor er zum Theater ging. Zum Film fand er 1911, und 1914 zog er in die USA, wo er in New Jersey eine eigene Produktionsfirma gründete. The Broken Butterfly zählt zu Tourneurs cineastisch ambitionierten Phase, bevor er nach Hollywood ging und sich mehr dem Unterhaltungskino zuwandte. (mb) GREATER LOVE HATH NO MAN 17 Min / tinted / DCP / stumm, e Zw’titel // REGIE A ­ lexander Butler, Alice Guy-Blaché // DREHBUCH Rowland Talbot // MIT Vinnie Burns (Florence), Romaine Fielding (Jake), Ed Brady (Cowboy / Mexikaner).

THE BROKEN BUTTERFLY 58 Min / tinted / DCP / stumm, e Zw’titel/d // REGIE Maurice Tourneur // DREHBUCH H. Tipton Steck, Charles E. W ­ hittaker, nach dem Roman «Marcene» von Penelope Knapp // K ­ AMERA René Guissart // MIT Lew Cody (Darrell Thorne), Pauline Sparke (Marcene Elliot), Mary Alden (Zabie Elliot).


> Song of the Scarlet Flower.

> The Three Musketeers.

> My Cousin.

> Forbidden Paradise.

> The Broken Butterfly.


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Stummfilmfestival 2022

SO, 23. JAN. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: MAUD NELISSEN, DOORN (PIANO)

THE THREE MUSKETEERS USA 1921 Der streitbare junge Gascogner D’Artagnan hofft in Paris sein Glück zu machen und rauft sich bald mit Athos, Porthos und Aramis, drei Musketieren im Dienste des Königs Ludwig XIII., zusammen. Sie nehmen ihn unter ihre Fittiche. Gemeinsam versuchen sie die Königin vor den Intrigen Kardinal Richelieus und Lady De Winters zu schützen. Produzent und Star Douglas Fairbanks, mit 38 für die Rolle des jungen Heisssporns eigentlich zu alt, ist akrobatisch aber in Topform. Abseits des lustvollen Fechtgetümmels lässt Regisseur Niblo etwas mehr Subtilität walten. (mb)

Existenz eines kühnen Detektivs hineinträumt. In einer unvergesslichen Sequenz drängt sich Buster (eigentlich neben dem Projektor schlafend) auf die Leinwand und in den Film hinein, den er gerade vorführt, nur um sich in lauter Gefahren und Zwangslagen wiederzufinden, als sich die Schauplätze durch rasche Montage ändern. Die Sequenz ist nicht nur ein Gag, sondern erfasst auch erstaunlich treffend die Interaktion zwischen der Filmrealität und der Fantasie des Publikums.» (Tom Milne, Time Out Film Guide) THE GOAT 23 Min / sw / DCP / stumm, e Zw’titel // DREHBUCH UND ­REGIE Buster Keaton, Malcolm St. Clair // KAMERA Elgin Lessley // MIT Buster Keaton (der Sündenbock), Joe Roberts (Polizeichef), Virginia Fox (seine Tochter), Malcolm St. Clair (Dead Shot Dan), Edward F. Cline (Polizist).

SHERLOCK JR. 45 Min / sw / DCP / stumm, e Zw’titel // REGIE Buster Keaton // DREHBUCH Clyde Bruckman, Jean Havez, Joseph A. Mitchell // KAMERA Elgin Lessley, Byron Houck // MIT Buster Keaton (Filmvorführer/Sherlock Jr.), Kathryn McGuire (Ruth, seine

107 Min / Farbe + sw / DCP / stumm, e Zw’titel // REGIE Fred

Verlobte), Joe Keaton (ihr Vater), Ward Crane (der Rivale), Jane

Niblo // DREHBUCH Edward Knoblock, Lotta Woods, Douglas

Connelly (die Mutter), Erwin Connelly (Gehilfe).

Fairbanks, nach dem Roman von Alexandre Dumas // ­KAMERA Arthur Edeson // SCHNITT Nellie Mason // MIT

SO, 30. JAN. | 18.00 UHR

Douglas Fairbanks (D’Artagnan), Adolphe Menjou (Ludwig

LIVE-BEGLEITUNG: MARTIN CHRIST, LIGERZ (PIANO)

XIII.), Mary MacLaren (Anna von Österreich), Nigel De Brulier (Kardinal Richelieu), Léon Bary (Athos), George Siegmann (Porthos), Eugene Pallette (Aramis), Marguerite De La Motte (Constance), Barbara La Marr (Lady De Winter). SO, 6. FEB. | 17.30 UHR LIVE-BEGLEITUNG: GÜNTER A. BUCHWALD, FREIBURG I. BR. (VIOLINE, PIANO), FRANK BOCKIUS, FREIBURG I. BR. (PERKUSSION)

THE GOAT USA 1921 Buster wird mit einem Sträfling verwechselt und trifft beim Glückswurf mit einem Hufeisen versehentlich einen Polizisten, der sich zu allem Überfluss auch als der Vater seiner Angebeteten entpuppt.

SHERLOCK JR. USA 1924 «Keatons dritter langer Film unter seiner vollen Kontrolle ist nicht nur eine unglaubliche technische Leistung, sondern auch eine fast pirandellohafte Studie über die Natur der filmischen Realität. Buster spielt einen Filmvorführer, der von einem eifersüchtigen Rivalen bei seinem Mädchen als Dieb verleumdet wird und sich in die

FORBIDDEN PARADISE USA 1924 Katharina, die Herrscherin eines fiktiven Kleinstaats, lacht sich den Offizier Alexei an, der mit ­ihrer Hofdame verlobt ist. Ihr Kanzler sieht diese x-te Liebelei gelassen, aber Alexei ist frustriert darüber, dass er für sie nicht mehr als ein Spielzeug ist, und wechselt die Fronten. «Indem er Pola Negri als Machtzentrum in dieser ahistorischen Welt besetzt, verkehrt Lubitsch die Formel, die seine erfolgreichsten europäischen Filme mit ihr geprägt hat (…): Sie ist nicht mehr die proletarische Aussenseiterin, die ero­ tische Macht über einen Adligen ausübt; sie ist nun die Herrscherin im Banne ihrer eigenen Gelüste, in diesem Fall nach dem feschen, naiven Leutnant Alexei.» (Dave Kehr, Katalog Le Giornate del cinema muto Pordenone 2018) Print courtesy The Museum of Modern Art, New York Restored by The Museum of Modern Art and The Film Foundation, with funding provided by the George Lucas Family Foundation. 69 Min / sw / DCP / stumm, e Zw’titel // REGIE Ernst Lubitsch // DREHBUCH Agnes Christine Johnston, Hanns Kräly, nach dem Stück von Melchior Lengyel, Lajos Biró // KAMERA Charles Van Enger // MIT Pola Negri (Katharina), Rod La Rocque (Haupt-


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Stummfilmfestival 2022 mann Alexei Czerny), Adolphe Menjou (Kanzler), Pauline Starke

105 Min / tinted / DCP / stumm, f Zw’titel/d // DREHBUCH, RE-

(Anna), Fred Malatesta (französischer Botschafter), Nick De

GIE, SCHNITT René Clair // KAMERA Jimmy Berliet, Louis

Ruiz (General), Carrie Daumery (Hofdame).

Chaix // MIT Albert Préjean (Deglan), Sandra Milovanoff (Yvonne Vincent), Paul Ollivier (Dr. Robini), Georges Vaultier

SO, 16. JAN. | 18.30 UHR

(Julien Boissel), Madeleine Rodrigue (Jacqueline), Maurice

LIVE-BEGLEITUNG: STEPHEN HORNE, LONDON (PIANO,

Schutz (Victor Vincent), José Davert (Gauthier).

FLÖTE, AKKORDEON), ELIZABETH-JANE BALDRY, LONDON (HARFE)

SA, 15. JAN. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: STEPHEN HORNE, LONDON (PIANO,

LITTLE ANNIE ROONEY

FLÖTE, AKKORDEON), ELIZABETH-JANE BALDRY, LONDON (HARFE)

USA 1925 Die kleine Annie Rooney treibt tagsüber Unfug mit ihren Kameraden und sorgt abends für ihren Vater, einen Polizisten, und ihren Bruder Tim. Als ihr Papa bei einer Schlägerei erschossen wird, fällt der Verdacht auf Tims zwielichtigen Freund Joe, für den Annie heimlich schwärmt. Mary Pickford, mit 32 Jahren als Star und Produzentin die mächtigste Frau von Hollywood, wollte eigentlich nicht mehr das Lockenköpfchen der Nation spielen. In Little Annie Rooney schlüpfte sie dennoch erneut in eine Kinderrolle, aber in einem grimmigeren Grossstadtambiente als üblich. Und neben jugendlichem Übermut darf sie hier immerhin auch Ernst und Pathos ausdrücken. (mb) Restored by the Mary Pickford Foundation Die Mary Pickford Foundation hat Little ­Annie Rooney 2015 von Andy Gladbach neu vertonen lassen. Der Film darf nur noch mit diesem Soundtrack vorgeführt werden.

TARTÜFF Deutschland 1925 Orgon lässt sich vom scheinbar heiligmässigen Tartüff zu lebensfeindlicher Frömmelei bekehren. Seine Gattin Elmire durchschaut Tartüff und beschliesst, den Heuchler zu entlarven. «Murnaus Stummfilm, dem die – ins Preussen Friedrichs II. verlegte – Molière’sche Gesellschafts- und Sittenkomödie von dem Heuchler und Schmarotzer Tartüff zugrunde liegt, die durch eine Rahmenhandlung ergänzt wurde und als Film im Film erscheint; sie unterstreicht die Botschaft, dass Heuchler überall sind, und ist stilistisch deutlich vom ‹Film› abgesetzt. Ausgezeichnet: Emil Jannings als Tartüff.» (Lexikon des int. Films) 65 Min / tinted / DCP / stumm, d Zw’titel // REGIE Friedrich ­Wilhelm Murnau // DREHBUCH Carl Mayer, nach Molière // KAMERA Karl Freund // MIT Emil Jannings (Herr Tartüff), ­Werner Krauss (Orgon), Lil Dagover (Elmire, seine Frau), Lucie Höflich

94 Min / tinted + toned / DCP / Stummfilm mit Musik, e Zw’titel

(Dorine), Hermann Picha (der alte Rat), Rosa Valetti (die Haus-

// REGIE William Beaudine // DREHBUCH Mary Pickford,

hälterin).

Hope Loring, Louis D. Lighton, Tom McNamara // KAMERA Hal Mohr, Charles Rosher // SCHNITT Harold McLernon // MIT Mary Pickford (Little Annie Rooney), William Haines (Joe

SA, 8. JAN. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)

Kelley), Walter James (Wachtmeister Rooney).

DER STUDENT VON PRAG LE FANTÔME DU MOULIN ROUGE Frankreich 1925 «René Clairs Geisterkomödie beginnt melodramatisch mit der Geschichte eines jungen Mannes, der vergeblich um die Tochter eines Politikers wirbt. Doch dann nimmt der Film eine fantastische Wendung, wenn es einem geheimnisvollen Doktor gelingt, die Seele des verzweifelten jungen Mannes aus seinem Körper zu befreien. Fortan macht er als unsichtbares Phantom Paris unsicher. Mit Doppelbelichtungen und fantasievollen Tricks gelingt es Clair, die surreal-dadaistischen Untertöne der Geschichte auszuspielen. Alles endet in einer rasanten Jagd durch die Strassen von Paris.» (Katalog Int. Stummfilmtage Bonn 2020)

Deutschland 1926 Der mittellose, frustrierte Student Balduin verkauft einem unheimlichen Wucherer sein Spiegelbild. Reichtum und sozialer Aufstieg machen Balduin aber nicht glücklich, denn er stellt fest, dass sein abgespaltetes Ich ein unheimliches Eigenleben führt. «Conrad Veidt und Werner Krauss, das Darstellerpaar aus Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari, spielen die Hauptrollen in Henrik Galeens aufwendiger Neufassung von Hanns ­ Heinz Ewers’ Erfolgsfilm Der Student von Prag (1913). Anders als der Originalfilm wurde das Remake nicht an Originalschauplätzen gedreht, sondern in Bauten des Filmarchitekten Hermann Warm. Diese setzte Kameramann Günther


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Stummfilmfestival 2022 Krampf stimmungsvoll in Bilder, die wiederum von Motiven der deutschen Romantik beeinflusst waren.» (Katalog Int. Stummfilmtage Bonn 2020) 133 Min / tinted / DCP / stumm, d Zw’titel // REGIE Henrik ­Galeen // DREHBUCH Henrik Galeen, Hanns Heinz Ewers, nach einer Story von Hanns Heinz Ewers // KAMERA Günther Krampf, Erich Nitzschmann // MIT Conrad Veidt (Balduin, ein Student), Werner Krauss (Scapinelli, ein Wucherer), Fritz

sind alle blond), treibt der Regisseur sein Spiel mit dem Zuschauer. Beklemmend, kalt und neblig – der erste Klassiker, den Hitchcock schuf und der es auf drei Remakes brachte. Dies ist übrigens der erste Film, in dem Hitchcock sich selbst kurz ins Bild brachte, und das entgegen seinem späteren Tick gleich zweimal – angeblich aus Mangel an Gagen für Statisten.» (Wenke Husmann, Die Zeit, 01/2005)

­Alberti (Reichsgraf von Schwarzenberg), Agnes Esterhazy (Margit, seine Tochter), Elizza La Porta (Lyduschka).

91 Min / tinted / DCP / stumm, e Zw’titel/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Elliot Stannard, Alfred Hitchcock,

SO, 6. FEB. | 20.45 UHR

nach dem Roman von Marie Belloc Lowndes // KAMERA

LIVE-BEGLEITUNG: RICHARD SIEDHOFF, WEIMAR (PIANO)

­Gaetano di Ventimiglia, Hal Young // SCHNITT Ivor Montagu // MIT Ivor Novello (der Mieter), Malcolm Keen (Joe Betts, der

DIE SIEBEN TÖCHTER DER FRAU GYURKOVICS (Flickorna Gyurkovics) Schweden/Deutschland 1926 «Eine höchst vergnügliche Verwechslungskomödie über einen Frauenhelden, der unter falscher Identität aufs Land zur Tante seines besten Freundes fährt, um dort mit einer ihrer Töchter ver­ heiratet zu werden. Doch es kommt natürlich alles ganz anders als erwartet.» (Katalog Int. ­ Stummfilmtage Bonn 2016) «Ein Komödienklassiker, dessen Handlung allerlei Haken schlägt, so schnell uns das schelmische Hauptdarstellerpaar Betty Balfour und Willy Fritsch zu führen vermag. Exzentrische Einfälle (das bekloppte lateinische Motto der Familie, die Gummizelle im Schloss, Balfours längere Nummer in Männerkleidern) haben unseren Genuss des zuckrigen Ganzen nur erhöht.» (Pamela Hutchinson, silentlondon.co.uk, 18.9.2017)

Detektiv), Miss June (Daisy Bunting), Marie Ault (Mrs. Bunting, die Vermieterin), Arthur Chesney (Mr. Bunting), Alma Reville (Frau, die Radio hört, ungenannt), Alfred Hitchcock (Mann auf Redaktion/Mann in der Menge bei Festnahme). SA, 12. FEB. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: ANDRÉ DESPONDS, ZÜRICH (PIANO)

ABWEGE Deutschland 1928

«Weil der vermögende Rechtsanwalt Thomas Beck über seiner Arbeit seine Frau Irene vernachlässigt, beginnt diese einen Flirt mit einem Kunstmaler. Die gemeinsame Flucht des Paares nach Wien kann Beck zwar verhindern, aber nun stürzt sich Irene erst recht ins Berliner Nachtleben. Ihr provokantes Techtelmechtel mit einem Boxer endet mit einem Vergewaltigungsversuch – und das Ehepaar vor dem Scheidungsrichter … Babylon Berlin im Original! G. W. Pabst, der grosse Realist 102 Min / sw / 35 mm / stumm, schwed. Zw’titel/d // REGIE des Weimarer Kinos, nimmt eine Ehekrise zum Ragnar Hyltén-Cavallius // DREHBUCH Ragnar Hyltén-­ Anlass für ein flirrendes Gesellschaftsporträt. Cavallius, Paul Merzbach, nach dem Roman von Ferenc HerEntfesselt wie Irene taucht die Kamera in einen czeg // KAMERA Carl Hoffmann // MUSIK Werner R. HeyStrudel aus Luxus und Laster. » (Jörg Schöning in: mann // SCHNITT Carl Hoffmann, Ragnar Hyltén-Cavallius // Katalog Berlinale 2018) MIT Willy Fritsch (Graf Horkay), Betty Balfour (Mizzi), AnnaLisa Ryding (Katinka), Lydia Potechina (Frau Gyurkovics), Ivan Hedqvist (Oberst von Radványi), Werner Fuetterer (Géza von Radványi), Karin Swanström (Gräfin Emilie Hohenstein).

Restaurierung: Filmmuseum München, 2017/18 98 Min / tinted / DCP / stumm, d Zw’titel // REGIE Georg ­Wilhelm Pabst // DREHBUCH Adolf Lantz, Ladislaus Vajda, Helen Gosewitsch, nach einem Entwurf von Franz Schulz //

SA, 5. FEB. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: RICHARD SIEDHOFF, WEIMAR (PIANO)

KAMERA Theodor Sparkuhl // SCHNITT Paul Falkenberg, Mark Sorkin, Georg Wilhelm Pabst // MIT Gustav Diessl (Thomas Beck), Brigitte Helm (Irene Beck), Hertha von ­

THE LODGER GB 1927 Im Londoner Nebel geht ein Frauenmörder um. Ein mysteriöser Untermieter wird als vermeint­ licher Täter verfolgt und fast gelyncht. «Während in The Lodger ein Serienmörder im nächtlichen London Frauen meuchelt (die Opfer

­Walther (Liane), Jack Trevor (Walter Frank), Fritz Odemar (Möller), Nico Turoff (Sam Taylor), Ilse Bachmann (Anita ­Haldern). SA, 29. JAN. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: EPHREM LÜCHINGER, ZÜRICH (PIANO), NEAL SUGARMAN, ZÜRICH (SAXOFON) EINFÜHRUNG: STEFAN DRÖSSLER (FILMMUSEUM MÜNCHEN)


> Die sieben Töchter der Frau Gyurkovics.

> Abwege.

> Der Student von Prag.

© Filmmuseum München

> Show People.

> Kosmische Reise.

> Das Gespenst, das nicht wiederkehrt.


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Stummfilmfestival 2022 110 Min / tinted / Digital HD / stumm, e Zw’titel // REGIE Paul

SHOW PEOPLE

Leni // DREHBUCH J. Grubb Alexander, Walter Anthony, May

USA 1928

McLean, Marion Ward, Charles E. Whittaker, nach dem Roman

«Die ehrgeizige Peggy Pepper lässt sich von ihrem Vater nach Hollywood kutschieren und ergattert dort eine Rolle in einem komischen Zwei­ akter. Die Preview wird ein so grosser Erfolg, dass sie die Niederungen der Komödie hinter sich lässt und fortan nur noch als ‹Patricia Pepoire› in ernsten Dramen auftritt – sehr zum Leid des Komö­ diendarstellers Billy Boone, der sie unterstützt und sich dabei in sie verliebt hat. Angeregt von der Karriere Gloria Swansons gibt King Vidors letzter Stummfilm einen einzigartigen Einblick in die frühe Filmindustrie. Show People ist eine Hommage an das Hollywood der angeklebten Schnurrbärte und gezielten Tortenwürfe – nostalgisch, aber auch authentisch. In Nebenrollen treten die alten Keystone Cops auf und auch John Gilbert, Douglas Fairbanks, Norma Talmadge und Charles Chaplin, der sich von Peggy ein Autogramm geben lässt.» (Jürg Schönig, Katalog Berlinale 2020)

­Edward L. Cahn // MIT Conrad Veidt (Gwynplaine / Lord

79 Min / sw / 35 mm / stumm, e Zw’titel // REGIE King Vidor // DREHBUCH Agnes Christine Johnston, Laurence Stallings, Wanda Tuchock // KAMERA John Arnold // SCHNITT Hugh Wynn // MIT Marion Davies (Peggy Pepper), William Haines (Billy Boone), Dell Henderson (Col. Pepper), Paul Ralli (André), und als sie selbst: Louella Parsons, Charles Chaplin, John Gil-

von Victor Hugo // KAMERA Gilbert Warrenton // SCHNITT ­Clancharlie), Mary Philbin (Dea), Julius Molnar (Gwynplaine als Kind), Olga Baclanova (Herzogin Josiana), Brandon Hurst (Barkilphedro), Cesare Gravina (Ursus), Stuart Holmes (Lord Dirry-Moir), Sam De Grasse (König James II.). FR, 14. JAN. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: MARCO SANTILLI, NIEDERHASLI (KLARINETTE, BASSKLARINETTE), GÀBOR BARTA, SOTTENS (PIANO)

THE SINGLE STANDARD USA 1929 Greta Garbo spielt die moderne, emanzipierte ­Arden, die für sich in der Liebe die gleichen Massstäbe beansprucht wie die Männer. The Single Standard wurde nachträglich mit Musik und Geräuschen vertont und in den USA als Garbos erster Tonfilm vermarktet, aber durch die Tonspur wurde das Bild beschnitten. Wir zeigen die Stummfilmfassung im Vollbildformat. 71 Min / sw / 35 mm / stumm, d Zw’titel // REGIE John S. ­Robertson // DREHBUCH Josephine Lovett, Marian Ainslee, nach dem Roman von Adela Rogers St. Johns // KAMERA

bert, Douglas Fairbanks, King Vidor.

­Oliver T. Marsh // SCHNITT Blanche Sewell // MIT Greta Garbo

SA, 5. FEB. | 20.45 UHR

Brown (Tommy Hewlett), Dorothy Sebastian (Mercedes), Lane

LIVE-BEGLEITUNG: GÜNTER A. BUCHWALD, FREIBURG

Chandler (Ding Stuart), Mahlon Hamilton (Mr. Glendenning).

(Arden Stuart), Nils Asther (Packy Cannon), Johnny Mack

I. BR. (VIOLINE, PIANO), FRANK BOCKIUS, FREIBURG I. BR. (PERKUSSION), BRUNO SPOERRI, ZÜRICH (SAXOFON)

SA, 22. JAN. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: MAUD NELISSEN, DOORN (PIANO)

THE MAN WHO LAUGHS USA 1928 Gwynplaine, Sohn eines in Ungnade gefallenen britischen Adligen, wird von Kriminellen mit einem Dauergrinsen entstellt. Er rettet ein kleines blindes Mädchen und wird mit ihr von einem Wanderschausteller aufgezogen. Verliebt in seine Pflegeschwester Dea, die seine Grimasse nicht sehen kann und ihn scheinbar nur deshalb duldet, gerät Gwynplaine als Erwachsener in Ränkespiele am englischen Hof. Wie der Glöckner Quasimodo diente Gwynplaine Victor Hugo als Folie für seine Kritik an der Unmenschlichkeit der Standesgesellschaft. Conrad Veidt trug für die Rolle eine schmerzhafte Prothese und konnte nur mit den Augen spielen, was er als Herausforderung begriff. (mb)

DAS GESPENST, DAS NICHT WIEDERKEHRT (Priwidenije, kotoroje ne woswraschtschajetsja) UdSSR 1930 Irgendwo in Südamerika. José Real sitzt im Gefängnis. Die Behörden betrachten ihn als gefährlichen Rebellenführer, der den Interessen der ­Ölindustrie im Land schaden kann. Von Gesetzes wegen steht José ein Tag Urlaub zu, aber noch nie ist ein Häftling von seinem Urlaub lebendig zurückgekehrt. Als der schicksalshafte Tag kommt, ist Josés Freude, seine Frau wiederzusehen, so gross wie seine Angst, sein Leben zu verlieren. Abram Room verfilmt eine Erzählung des kommunistischen französischen Autors Henri Barbusse. Auch wenn der Protagonist nominell wegen seiner revolutionären Aktivitäten einge-


> Egged On.

> Little Annie Rooney.

> Sherlock Jr..


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Stummfilmfestival 2022

EGGED ON

kerkert ist, herrscht der Eindruck vor, dass das repressive System, das hier angeklagt wird, auch das stalinistische sein könnte. (mb) Restaurierung: Filmmuseum München, 2017/18 106 Min / sw / DCP / stumm, russ Zw’titel/ d // REGIE A ­ bram Room // DREHBUCH Valentin Turkin, nach der Novelle «Le rendez-vous qui n’a pas eu lieu» von Henri Barbusse // ­KAMERA Dimitri Feldman // SCHNITT Anna Kulganek // MIT

USA 1926 Charley erfindet eine Maschine, die Eier unzerbrechlich macht. Beim Beschaffen von Eiern für seine Experimente gerät er jedoch in Stress. Charley Bowers (1877–1946) war Cartoonist, Pionier des Stopptrick-Animationsfilms und poetischer Stummfilmkomiker in einem.

Boris Ferdinandow (José Real), Olga Dschisnewa (Josés

THE BOY FRIEND

Frau), Maxim Strauch (Agent), Daniil Wedenskij (Gefängnis­

USA 1928

direktor), Leonid Jurenew (Oberaufseher). SA, 29. JAN. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: ALEXANDER SCHIWOW, ZÜRICH (PIANO); EINFÜHRUNG: STEFAN DRÖSSLER (FILMMUSEUM MÜNCHEN)

KOSMISCHE REISE

Max’ Tochter lernt im Schuhgeschäft einen feschen jungen Mann kennen und nimmt ihn bald mit nach Hause. Um eine vorschnelle Heirat zu verhindern, spielen Max und seine Frau verrückt. Der jüdische Komiker Max Davidson gibt hier den verzweifelnden Vater, Fay Holderness seine stramme Gattin.

(Kosmitscheski reis: Fantastitscheskaja nowella) UdSSR 1936 Im Jahre 1946 ist die UdSSR imstande, eine Rakete ins All zu schiessen. Der greise Wissenschaftler Sedych will die Reise selbst antreten, was sein besorgter Kollege Karin für Irrsinn hält. Doch mithilfe von Karins Assistentin Marina und dem jungen Andrjuscha fliegt Sedych mit dem Raumgleiter «Josef Stalin» dennoch zum Mond. 1936, als Kosmische Reise Premiere feierte, war die Stummfilmzeit auch in der UdSSR vorbei. Dieser bis dahin teuerste sowjetische Film, ­dessen Spezialeffekte mit Hollywood und Babelsberg Schritt halten konnten, verschwand leider bald in der Versenkung; die brillanten StopptrickSequenzen und andere Aspekte entsprachen nicht dem sozialistischen Realismus. (mb) 80 Min / sw / DCP / stumm, russ Zw’titel/d // REGIE Wassili Schurawljow, Wassili Gaponenko // DREHBUCH Alexander Filimonow, Konstantin Ziolkowski // KAMERA A ­ lexander Galperin, I. Schkarenkow // MIT Sergei Komarow (Professor Sedych), Wassili Kowrigin (Professor Karin), N ­ ikolai Feoktistow (Kapitän Viktor Orlow), Xenija Moskalenko (Marina). FR, 7. JAN. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)

SLAPSTICK-FAMILIENPROGRAMM Stummfilm ist nicht nur Slapstick, aber auch. In diesem Familien-Programm zeigen wir drei Filme mit Stars, die etwas in Vergessenheit geraten sind oder auf dem Weg zum grossen Erfolg waren – zum Beispiel Oliver Hardy. Die Zwischentitel werden live in Mundart eingesprochen (Zutritt ab 6 J.).

THE RENT COLLECTOR USA 1921 Larry lässt sich als Geldeintreiber anstellen. Die erste Familie, bei der er die ausstehende Miete einfordert, ist die des örtlichen Bandenchefs (Oliver Hardy). Larry kassiert mehr Prügel als Dollars. Larry Semon (1889–1928) war in den frühen 1920er-Jahren als Slapstick-Komiker fast so beliebt wie Chaplin und drehte mit Oliver Hardy, bevor Stan Laurel dessen Partner wurde. EGGED ON 23 Min / sw / Digital HD / stumm, e Zw’titel/d // DREHBUCH UND REGIE Charles R. Bowers, Harold L. Muller, Ted Sears // MIT Charles R. Bowers (= Charley Bowers). THE BOY FRIEND 20 Min / sw / Digital HD / stumm, e Zw’titel/d // DREHBUCH UND REGIE Fred L. Guiol, Leo McCarey // KAMERA Len Powers // MIT Max Davidson (Papa Davidson), Marion Byron (Marion Davidson), Fay Holderness (Mama Davidson). THE RENT COLLECTOR 29 Min / sw / DCP / stumm, e Zw’titel/d // DREHBUCH UND REGIE Larry Semon, Norman Taurog // MIT Larry Semon (Larry), Oliver Hardy (Hurricane Smith), Norma Nichols (Präsidentin des Wohltätigkeitsvereins). SA, 22. JAN. | 15.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: ANDRÉ DESPONDS, ZÜRICH (PIANO), NEHRUN ALIEV, WINTERTHUR (PERKUSSION, KLARINETTE, AKKORDEON)

Für die Unterstützung des Stummfilmfestivals danken wir:



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Paul Schrader Paul Schrader schrieb mit den Drehbüchern zu Martin Scorseses ­Werken Taxi Driver und Raging Bull Filmgeschichte. Auch seine eigenen Regiearbeiten wie American Gigolo und The Card Counter kreisen um ­einsame Antihelden auf der Suche nach Erlösung und sind mit religiösen Motiven durchwirkt, die auf die streng calvinistische Erziehung des Amerikaners verweisen. Als Kind wollte Paul Schrader einmal wissen, wie es denn in der Hölle sei. Seine Mutter nahm eine Stricknadel, stach ihm in den Daumen und antwortete: «So schmerzhaft ist es die ganze Zeit, wenn man in der Hölle schmort.» Die Schraders gehörten einer streng calvinistischen Freikirche an, und mit dem Nadelstich wollte die Mutter ihren Sohn vor dem Abgleiten in ein sündiges ­Leben bewahren. Unterhaltung war des Teufels, Film inexistent. Erst mit 17 Jahren war Schrader zum ersten Mal in einem Kino. Wenig später kehrte er, der am Calvin College in seiner Heimatstadt Grand Rapids Theologie studierte, seinem Milieu den Rücken und floh nach Kalifornien. Über den Gegensatz der beiden Welten – hier die Jugend im puritanischen Elternhaus im Midwest, dort das Eintauchen in den Sex-Drugs-&-Rock-’n’-Roll-Lifestyle der Hippies – drehte Schrader später den Spielfilm Hardcore (1979). Darin sucht ein Vater aus Grand Rapids in L.A. seine Tochter, die sich als Porno­starlet ­verdingt. Der Protagonist war Schraders eigenem Vater nachempfunden. In Los Angeles traf Schrader die einflussreiche Filmkritikerin Pauline Kael und diskutierte einen Abend lang mit ihr über die wenigen Filme, die er bis dato gesehen hatte. Am Ende war er so betrunken, dass er auf ihrem Sofa einschlief. Am nächsten Morgen bereitete ihm Kael ein Frühstück und sagte: «Du solltest nicht Pfarrer werden, sondern Filmkritiker.» Dank Kaels Empfehlung konnte Schrader für die tonangebenden Filmzeitschriften «Film Quarterly» und «Film Comment» schreiben. Besonders angetan hatten es ihm intellektuelle Autorenfilme mit religiösen Motiven, etwa von Carl Theodor Dreyer, Robert Bresson oder Yasujiro Ozu. Archetypische Antihelden Schrader war in den siebziger Jahren ein gequälter Mann, hin- und hergerissen zwischen den Prägungen seiner Herkunft und den Verlockungen der Gegenkultur. Um seine existenziellen Nöte zu therapieren, begann er, fiktionale Stoffe zu schreiben, etwa das Drehbuch zu Martin Scorseses Taxi Driver. Der < >

Unmögliche Liebe: Taxi Driver Heikle Freundschaft: The Walker


18 von Robert De Niro verkörperte Taxifahrer mit Vietnam-Vergangenheit war einerseits ein Wiedergänger des Diebs in Bressons Pickpocket, dem Film, der Schrader Lust gemacht hatte, selbst Regisseur zu werden. Andererseits war er ein Alter Ego des Regisseurs: «Ich war schwer depressiv und redete mit niemandem», erklärte Paul Schrader am letzten Zurich Film Festival, wo er für seine Karriere geehrt wurde. «Ich schrieb die Figur, um nicht zu werden wie sie.» Mit Travis Bickle schuf Schrader einen Archetyp, der auch in vielen ­seiner eigenen Filme vorkommen sollte: der einsame Antiheld, der zwar einen bürgerlichen Beruf ausübt, der ihm als Fassade dient, der aber immer mehr in Teufels Küche gerät und sich nach Erlösung sehnt. Protagonisten dieser «man in a room»-Filme, wie Schrader sie selbst nennt, sind der von Richard Gere verkörperte Callboy in American Gigolo (1980) oder der von Willem Dafoe gespielte Drogendealer in Light Sleeper (1992) ebenso wie Nick Noltes geplagter Sheriff in Affliction (1999), Ethan Hawkes Pastor in First Reformed (2018) oder Oscar Isaacs Pokerspieler in The Card Counter (2021). Dass dieser existenzialistische, in sich gekehrte Held in Schraders Spätwerk ein Comeback feiert, ist kein Zufall. Schrader hat sich nach Jahren der Glaubensabstinenz wieder einer Kirche angeschlossen und setzt sich erneut intensiv mit Fragen von Schuld und Sühne auseinander. Wie es dazu kam? «Mein Computer wurde nun mal so programmiert», erklärte er lachend nach der Award-Übergabe am ZFF, ehe er es dann mit Albert Camus etwas gehobener formulierte: «Ich glaube nicht, aber ich habe mich dazu entschieden zu glauben.» Frühe und späte Höhepunkte Auf dem Zenit seines Schaffens gelang Schrader ein Wurf, der bis heute nichts von seiner verstörenden Kraft eingebüsst hat: Cat People (1982). Mit diesem ersten Film nach einem fremden Drehbuch streifte er die Fesseln des Realismus ab und begab sich in das Reich der Mythen. Nastassja Kinski, mit der Schrader eine Affäre hatte, verkörpert eine Jungfrau, die durch sexuelles Verlangen in einen Leoparden verwandelt wird. Sie gerät an einen Zoodirektor, der Tiere mehr liebt als Menschen und die Katzenfrau durch seine Zuneigung zur Bestie macht. Es ist ein albtraumhafter Horrorfilm mit grandiosem, die Farbe Rot betonendem Set Design von Ferdinando Scarfiotti und einem sinistren New-Wave-Titelsong, den David Bowie in Montreux einspielte. Danach ging Paul Schrader nach Japan, um sein Opus magnum Mishima, ein Porträt des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima, in Angriff zu nehmen. In vier Kapiteln schildert Schrader den letzten Tag des Autors, der 1970 durch rituellen Suizid aus dem Leben schied. In Rückblenden werden Schlüsselstationen seines Lebens gezeigt sowie Auszüge aus drei seiner Romane. Ein ebenso komplizierter wie ambitionierter Film, der schwierig zu bewerkstelligen war. Zwar brachte Warner Bros. dank der Produzenten Steven


19 Spielberg und George Lucas die Hälfte des Budgets auf, doch Mishimas Witwe, die das literarische Erbe ihres Gatten verwaltete, zog ihre Einverständniserklärung zurück. Und rechtsradikale Nationalisten sprachen Drohungen gegen Schrader aus. Sie stiessen sich an der Darstellung von Mishimas Homophilie und daran, dass die Vita ihres Nationalhelden von einem Ausländer verfilmt wurde. Schliesslich war der Kunstfilm im Westen ein Flop und konnte in Japan nicht gezeigt werden. Schrader sagt, dieser Film sei sein «Einhorn», auf das er besonders stolz sei. Als Schrader in die USA zurückkehrte, war das klassische Studiosystem am Ende. Und die Art Autorenkino, wie er es machte, musste unabhängig produziert werden. Schrader hielt sich vor allem als Drehbuchautor über Wasser. Nach einer langen Phase der künstlerischen Mediokrität wurde seine Karriere vor drei Jahren mit dem von der Kritik gefeierten Psychodrama First Reformed neu lanciert. Es erzählt von einem Provinzpfarrer, der eigentlich seinen Schäfchen Trost spenden sollte, aber selbst den Boden unter den Füssen verliert, als ihn eine schwangere Frau bittet, ihrem suizidgefährdeten Ehemann beizustehen. Der Film ist ein Meisterwerk der Form, in dem die streng geometrische Bildkomposition das moralische Korsett betont, in dem der Antiheld steckt. Und wie in seinem jüngsten Werk The Card Counter vereint Schrader darin die Qualitäten seiner prägenden Lebensabschnitte: die philosophische Tiefe und die formale Disziplin, die von seiner religiösen Jugend herrühren, und die Charakterzeichnung eines rebellischen Antihelden, der seine Vorbilder in der cineastischen Gegenkultur von New Hollywood hat. Christian Jungen Christian Jungen ist promovierter Filmwissenschaftler und Artistic Director des ZFF.

ZFF MASTERS MIT PAUL SCHRADER

MI, 2. FEB. | 19 UHR

Am 17. Zurich Film Festival wurde Paul Schrader mit dem Lifetime Achievement Award geehrt. Am 2. Oktober sprach er im Filmpodium mit Fabienne Liptay (Professorin für Filmwissenschaft, USZ) eine Stunde lang über sein Werk. In Zusammenarbeit mit dem ZFF zeigen wir die Aufzeichnung dieses Gesprächs, gefolgt von einem Schrader-­ Überraschungsfilm, der in Zürich noch nie zu sehen war. ­Gespräch und Film in englischer Sprache. Eintritt frei.

© Getty Images / Thomas Niedermueller for ZFF


> Hardcore.

> Blue Collar.

> Pickpocket.

© 1979 Columbia Pictures Industries Inc All Rights Reserved

> The Yakuza.

> American Gigolo.


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Paul Schrader 112 Min / Farbe / 35 mm / E+Jap/e // REGIE Sydney Pollack //

PICKPOCKET

DREHBUCH Paul Schrader, Robert Towne, nach einer Idee

Frankreich 1959

von Leonard Schrader // KAMERA Okazaki Kozo // MUSIK

Michel glaubt, er könne sich über Gesetze hinwegsetzen, und betätigt sich wie im Rausch als Taschendieb. Er lässt sich weder von seiner Freundin noch von einem Kommissar davon abbringen. Nach und nach verfeinert er seine Methoden und wird vom Amateurdieb zum Profi. «Bresson zeigt uns in Pickpocket ohne jeglichen erzählerischen Kunstgriff den inneren Zwang, der den Dieb in das Maul des Löwen treibt, und die Macht der Liebe, die ihn befreit, trotz der Gitterstäbe seiner Zelle.» (Jean Cocteau, zit. viennale.at) Mitte zwanzig veröffentlichte Paul Schrader das Buch «Transcendental Style in Film», das sich vor allem mit Ozu, Bresson und Dreyer befasste. Schon zuvor hatte er mehrere Artikel über Pickpocket geschrieben, der ihm überhaupt erst die Möglichkeiten des Kinos offenbarte. Die Schlussszene von Bressons Meisterwerk hat Schrader in mehreren seiner eigenen Filme – von American Gigolo bis The Card Counter – zitiert.

Robert Mitchum (Harry Kilmer), Ken Takakura (Ken Tanaka),

76 Min / sw / DCP / F/e // DREHBUCH UND REGIE Robert Bresson // KAMERA Léonce-Henri Burel // MUSIK JeanBaptiste Lully // SCHNITT Raymond Lamy // MIT Martin LaSalle (Michel), Pierre Leymarie (Jacques), Marika Green (Jeanne, Michels Freundin), Jean Pélégri (Polizeiinspektor), Dolly Scal (Michels Mutter).

THE YAKUZA Japan/USA 1974 Ex-Privatdetektiv Harry Kilmer soll einem Freund helfen, dessen Tochter von der Yakuza, der japanischen Mafia, entführt worden ist. Kilmer wendet sich an Ken Tanaka, einen ehemaligen Yakuza, der ihm aus Kriegszeiten etwas schuldig ist. Das ungleiche und feindselige Paar taucht in Japans Unterwelt ein, und schon bald türmen sich die Leichen. «Drehbuchautor Paul Schraders Hommage an den japanischen Gangsterfilm, bei der die übliche Handlung erweitert wurde, um Platz zu machen für Mitchum samt amerikanischer Unterstützung, der hier die Leinwand mit Ken Takakura, dem Topstar solcher Filme, und ein paar reizvollen japanischen Schauplätzen teilt. Hinter einem wortlastigen Skript, den obligaten Wendungen und Doppelspielen und der sexuellen Enthaltsamkeit der beiden Protagonisten schält sich die vertraute und immer expliziter nostalgische Verherrlichung der ritterlichen Männerbeziehungen zahlloser amerikanischer Western heraus.» (Chris Petit, timeout.com)

Dave Grusin // SCHNITT Don Guidice, Thomas Stanford // MIT Brian Keith (George Tanner), Herbert Edelman (Oliver Wheat), Richard Jordan (Dusty), Keiko Kishi (Eiko Tanaka), Eiji Okada (Toshiro Tono).

TAXI DRIVER USA 1976 Die Geschichte des einsamen, kontaktgestörten Taxifahrers Travis Bickle, der sich in den Kopf setzt, eine minderjährige Prostituierte zu retten, wurde zum modernen Klassiker und begründete die legendäre Zusammenarbeit von Schrader mit Martin Scorsese. 1972 verlor Schrader seinen Job beim American Film Institute. «Ich war arbeitslos; ich war nicht mehr am AFI; ich steckte in Schulden. Ich stürzte in eine Periode echter Isolation und lebte mehr oder weniger in meinem Auto. Eine grimmige Zeit. Und aus dieser Isolation heraus entstand Taxi Driver. (…) Als ich das schrieb, war ich total in Waffen vernarrt, ich war sehr selbstmörderisch, ich trank sehr viel, ich war besessen von Pornografie, wie es ein einsamer Mensch ist, und all diese Elemente treten im Drehbuch deutlich zutage. Natürlich waren manche Dinge überzeichnet – der Rassismus der Figur, der Sexismus. Wie jede Art von Underdog reagiert Travis seine Wut an Schwächeren ab, nicht an Stärkeren.» (Schrader on Schrader & Other Writings, Faber and Faber 1990) 113 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Martin Scorsese // DREHBUCH Paul Schrader // KAMERA Michael Chapman // MUSIK Bernard Herrmann // SCHNITT Tom Rolf, Melvin ­Shapiro, Marcia Lucas // MIT Robert De Niro (Travis Bickle), Cybill Shepherd (Betsy), Jodie Foster (Iris Steensma), Peter Boyle (Wizard), Harvey Keitel («Sport» Matthew), Albert Brooks (Tom), Leonard Harris (Charles Palantine).

BLUE COLLAR USA 1978 Die Fliessbandarbeiter in der Detroiter Taxifabrik malochen, aber bei ihren Hungerlöhnen kommen sie auf keinen grünen Zweig, erst recht, wenn sie eine Familie ernähren müssen. Ihre unnützen Gewerkschaftsvertreter haben sie ähnlich auf dem Kieker wie ihre ausbeuterischen Vorgesetzten. Als Zeke sieht, wie viel Bares im Safe der Gewerkschaft liegt, beschliesst er mit seinen Freunden Jerry und Smokey, sich dieses Geld, das ja eigentlich ihnen gehöre, zu holen. Doch der Raubzug


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Paul Schrader läuft nicht wie geplant. Bald geraten die drei nicht nur zwischen alle Fronten; auch ihre Freundschaft droht zu zerbrechen. Schraders Regiedebüt ist eine bittere Satire, die in einem selten gezeigten Arbeitermilieu spielt, dieses in keiner Weise romantisiert und am Ende klassenkämpferische Töne anschlägt. (mb) 114 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Paul Schrader, Leonard Schrader, nach einer Idee von

Kundinnen brutal ermordet wird, gerät Julian unter Verdacht. Der selbstbewusste Stricher muss feststellen, wie schnell sein scheinbar solide gezimmertes Leben aus den Fugen gerät. Wie in Martin Scorseses Taxi Driver, zu dem er das Drehbuch geschrieben hat, geht es Schrader auch hier um moralische Werte in einer nur auf Materielles und Hedonismus ausgerichteten Gesellschaft. Dank der Rolle des Gigolos Julian Kay wurde Richard Gere zum Weltstar. (mb)

Sydney A. Glass // KAMERA Bobby Byrne // MUSIK Jack ­Nitzsche, Ry Cooder // SCHNITT Tom Rolf // MIT Richard

117 Min / Farbe / Digital HD / E/d // DREHBUCH UND REGIE

Pryor (Zeke), Harvey Keitel (Jerry), Yaphet Kotto (Smokey), Ed

Paul Schrader // KAMERA John Bailey // MUSIK Giorgio

Begley Jr. (Bobby Joe), Harry Belaver (Eddie Johnson),

­Moroder // SCHNITT Richard Halsey // MIT Richard Gere

George Memmoli (Jenkins), Lucy Saroyan (Arlene Bartowski).

­(Julian Kay), Lauren Hutton (Michelle Stratton), Bill Duke (Leon James), Nina von Pallandt (Anne), Hector Elizondo

HARDCORE USA 1979 Jake VanDorn, konservativer, calvinistischer Geschäftsmann im Mittleren Westen der USA, hat seine Tochter wohlbehütet erzogen. Als sie zu einer kirchlichen Zusammenkunft in Kalifor­ ­ nien fährt, verschwindet sie. VanDorn beauftragt einen Privatdetektiv, sie zu finden. Die Spur führt ins Hardcore-Porno-Milieu, und VanDorn unternimmt eine Höllenfahrt in die verruchte Unterwelt von San Francisco und L. A., um seine Tochter zu retten. Als Führerin dient ihm die halbwüchsige Prostituierte Niki. Schrader konfrontiert hier explizit die religiöse Welt, in der er aufgewachsen ist, mit der Gegenkultur, in die er sich flüchtete. «Es gibt eine Szene in Hardcore, in der der Mann (ein strenger Calvinist) und die Prostituierte (...) über Sex, Religion und Moral sprechen, und wir erschrecken beinahe über den Glauben und die einfache Poesie in ihren Worten.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 1.1.1979)

(Det. Sunday), Brian Davies (Charles Stratton).

RAGING BULL USA 1980 Martin Scorsese und Robert De Niro wollten einen Film über Aufstieg und Niedergang des Boxers Jake LaMotta machen, und Scorsese bat Schrader, Mardik Martins Drehbuch zu überarbeiten. «Mein Hauptbeitrag dazu war die Figur von Joey LaMotta. Jake mochte seinen Bruder nicht besonders, also kam er im ersten Entwurf nicht vor und es gab kein Drama. Ich recherchierte ein wenig, lernte Joe kennen und fand ihn viel interessanter. Da waren diese beiden jungen Boxer, die Fighting LaMottas, und der eine war irgendwie schüchtern, während der andere eine Menge sozialer Werkzeuge hatte, also gab Joey das Boxen auf und managte seinen Bruder. Das Einzige, was Jake gut konnte, war Prügel einstecken. (...) Joey war währenddessen als Manager unterwegs und kriegte alle Mädchen. Das Einspritzen dieser Geschwisterbeziehung in das Drehbuch machte den Film finanzierbar.» (Schrader on Schrader)

108 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE Paul Schrader // KAMERA Michael Chapman // MUSIK Jack

129 Min / Farbe + sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Martin Scorsese

­Nitzsche // SCHNITT Tom Rolf // MIT George C. Scott (Jake

// DREHBUCH Paul Schrader, Mardik Martin, nach dem Buch

VanDorn), Peter Boyle (Andy Mast), Season Hubley (Niki),

von Jake LaMotta, Joseph Carter, Peter Savage // KAMERA

Dick Sargent (Wes DeJong), Leonard Gaines (Ramada).

Michael Chapman // MUSIK Pietro Mascagni («Cavalleria rusticana») // SCHNITT Thelma Schoonmaker // MIT Robert

AMERICAN GIGOLO USA 1980 Julian Kay ist ein Luxus-Callboy für reifere Damen der besseren Gesellschaft von Los Angeles. Seine Zuhälterin Anne nimmt ihm seine Alleingänge übel, sein gelegentlicher Zuhälter Leon wirft ihm unnötige Skrupel vor, aber Julian ist beides schnuppe. In Michelle, der frustrierten Frau eines Senators, findet der gefühlskalte Berufslover am ehesten so etwas wie eine Geliebte. Als eine ­seiner

De Niro (Jake LaMotta), Joe Pesci (Joey LaMotta), Cathy ­Moriarty (Vickie LaMotta), Frank Vincent (Salvy), Nicholas ­Colasanto (Tommy Como), Theresa Saldana (Lenore).

CAT PEOPLE USA 1982 Die jungfräuliche Irena trifft in New Orleans ihren Bruder Paul wieder, einen «Katzenmenschen», der sich bei sexueller Erregung in einen Panther verwandelt und schon mehrere Frauen getötet


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Paul Schrader hat. Da Irena vom gleichen Fluch geschlagen ist, erscheint Inzest als die einzige Möglichkeit, ihr Verlangen unbeschadet auszuleben. «Die Schöne ist das Biest in Paul Schraders erotischer Aktualisierung des RKO-Horrorklassikers von 1942. Nastassja Kinski ist (...) eine tödliche Mischung von Sexkätzchen und Femme fatale: die Jungfrau, die im Bett Krallen (und noch mehr) entwickelt. Gefangen zwischen dem inzestuösen Begehren ihres Bruders und dem angeblich natürlicheren Verlangen ihres Freundes, werden ihr die zeitgenössischen Vorstellungen von psychisch-sexueller Befreiung ironischerweise genauso zum Gefängnis wie die Gitterstäbe, die auf sie warten.» (Paul Taylor, timeout.com) 118 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Alan Ormsby, Paul Schrader (ungenannt), nach einer Story von DeWitt Bodeen // KAMERA John Bailey // MUSIK David Bowie, Giorgio Moroder // SCHNITT Jacqueline Cambas, Jere Jiggoms, Ned Humphreys // MIT Nastassja Kinski (Irena Gallier), Malcolm McDowell (Paul Gallier), John Heard (Oliver Yates), Annette O’Toole (Alice Perrin), Ruby Dee (Frau), Ed Begley Jr. (Joe Creigh), Scott Paulin (Bill Searle).

MISHIMA: A LIFE IN FOUR CHAPTERS USA/Japan 1985 «Leben und Tod des grossen japanischen Schriftstellers Yukio Mishima, der sich in seinem Streben nach absoluter Schönheit in einen faschistoiden Ästhetizismus und einen Kult der Gewalt verstieg und schliesslich 1970 rituellen Selbstmord beging. Eindringliches und formal wie inhaltlich sehr vielschichtiges Künstlerporträt, in einer Collage aus biografischen und fiktiven Sequenzen montiert. Eine anspruchsvolle Meditation über die Probleme eines sich verselbstständigenden Strebens nach Schönheit und Vollendung.» (Filmpodium, März 1993) «Er hat eigentlich als Erster ein Problem formuliert, das Schriftsteller seit dem Aufkommen des Fernsehens plagt, nämlich dass Schriftsteller heutzutage viel mehr für ihre Auftritte in den Medien bekannt sind als für ihre Schriften. Mishima hat diesen Wandel früh begriffen, und er hat ihn nicht nur begriffen, er hat ihn bis zu seinem völlig logischen und grausigen Schluss durchgespielt.» (Schrader on Schrader) 120 Min / Farbe + sw / DCP / Jap+E/d // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Paul Schrader, Leonard Schrader, nach ­Romanen von Yukio Mishima // KAMERA John Bailey // MUSIK Philip Glass // SCHNITT Michael Chandler, Tomoyo Oshima // MIT Ken Ogata (Yukio Mishima), Masayuki Shionoya (Morita), Naoko Otani (Mutter), Go Riju (Mishima, 18 –19 Jahre

alt), Yasosuke Bando (Mizoguchi), Hisako Manda (­Mariko), Kenji Sawada (Osamu), Reisen Ri (Kiyomi).

Mishima gehört auch zur Sélection Lumière.

 am Mittwoch, 19. Januar, 18.00 Uhr: Einführung von Michel Bodmer

PATTY HEARST GB/USA 1988 «Das übergreifende Thema des Regisseurs Paul Schrader war während seiner gesamten Karriere (…) der Sinn des Lebens – oder besser gesagt, die von Leidenschaft erfüllten Ideale, die dem Leben einen Sinn geben. (...) Das von Patty Hearst ist natürlich der berühmte Fall der 19-jährigen Erbin, die 1974 von einer gewalttätigen politischen Gruppe angeblicher Revolutionäre, der Symbionese Liberation Army, entführt wurde, sich dieser anschloss, bei einem berüchtigten Banküberfall und anderen Verbrechen mitwirkte und schliesslich verhaftet wurde. Schrader zeigt – bestens unterstützt von seiner Hauptdarstellerin Natasha Richardson – etwas Überraschendes und Aussergewöhnliches: die Macht absurder Ideen und ungestümer Rhetorik, von der Vorstellungskraft Besitz zu ergreifen. (Dabei) bewahrt Schrader eine bemerkenswerte Sympathie sowohl für Hearst als auch für diejenigen, die sie aus ihrem Leben rissen und sie – wenn auch nur in ihrem Handeln – zu einer der ihren machten.» (Richard Brody, The New Yorker, 7.6.2011) 108 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Nicholas Kazan, Marek Johnson, nach dem Buch «Every Secret Thing» von Patricia Hearst, Alvin Moscow // KAMERA Bojan Bazelli // MUSIK Scott Johnson // SCHNITT Michael R. Miller // MIT Natasha Richardson (Patricia Hearst), William Forsythe (Teko), Ving Rhames (Cinque), Frances Fisher (Yolanda), Jodi Long (Wendy Yoshimura).

THE COMFORT OF STRANGERS USA/Italien 1989 «Schraders Verfilmung des Romans von Ian McEwan, deren opulente Bilder einen Kern von fauliger Boshaftigkeit verbergen, bewegt sich auf einem seltsamen, verstörenden Terrain zwischen Studiofilm und Thriller. Colin und Mary verbringen quasi ihre zweiten Flitterwochen in Venedig und versuchen vorsichtig, die Risse in ihrer ermüdeten Beziehung zu kitten. Eine scheinbar zufällige Begegnung mit dem aristokratischen Robert verwirrt sie, denn seine augenfällige Gastfreundschaft verträgt sich nicht mit seinen ungewöhn-


> Auto Focus.

> Patty Hearst.

© 2002 Columbia Pictures Industries, Inc All Rights Reserved

> Raging Bull.

> Affliction.

> Mishima.


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Paul Schrader lich offenen Fragen und Geständnissen. Doch der charmante Geschichtenerzähler weckt auch das, was von den gegenseitigen sexuellen Gefühlen des Paares übrig geblieben ist, und wie gebannt kehren sie in den Palazzo zurück, den er mit seiner unterwürfigen Frau teilt, ohne zu ahnen, welche Gefahren dort lauern ... Der Film wirkt, wiewohl mit kühler Diskretion inszeniert, (...) sinnlich und schockierend.» (Geoff Andrew, timeout.com)

ob ein tödlicher Jagdunfall nicht doch ein Verbrechen war, und sorgt damit in seinem Kaff für Unruhe. Bevor er jedoch mit seinen Ermittlungen ans Ziel kommt, stirbt Wades Mutter, und nun muss er sich mit seinem Vater Glen, der seine Kindheit zur Hölle machte, herumschlagen. «Nick Nolte und James Coburn sind grossartig in diesem Film, der wie eine Abbitte oder Wiedergutmachung für misshandelnde Männer wirkt.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 8.2.1999)

107 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Harold Pinter, nach dem Roman von Ian McEwan

110 Min / Farbe / Digital HD / E // REGIE Paul Schrader //

// KAMERA Dante Spinotti // MUSIK Angelo Badalamenti //

DREHBUCH Paul Schrader, nach dem Roman von Russell

SCHNITT Bill Pankow // MIT Christopher Walken (Robert),

Banks // KAMERA Paul Sarossy // MUSIK Michael Brook //

Rupert Everett (Colin Mayhew), Natasha Richardson (Mary

SCHNITT Jay Rabinowitz // MIT Nick Nolte (Wade White-

Kenway), Helen Mirren (Caroline), Manfredi Aliquo (Haus-

house), James Coburn (Glen Whitehouse), Sissy Spacek

meister), David Ford (Kellner), Daniel Franco (Kellner).

­(Margie Fogg), Willem Dafoe (Rolfe Whitehouse), Mary Beth Hurt (Lillian Horner), Jim True-Frost (Jack Hewitt).

LIGHT SLEEPER USA 1992

AUTO FOCUS USA 2002

«Dreizehn Jahre später (nach American Gigolo, Anm. d. Red.) ist wieder ein smarter junger Mann unterwegs, der einer ähnlichen Tätigkeit nachgeht wie Julian Kay: die Einsamen und Verlorenen zu bedienen – nur diesmal nicht mit seiner körperlichen Sinnlichkeit, sondern mit der Modedroge Kokain. Die Zeiten haben sich geändert, das urbane Umfeld lädt nicht mehr zum sinnbetörenden Flanieren über Glitzerboulevards, durch Champagnerbars und andere Luxusräumlichkeiten ein, sondern ist eine einzige Müllhalde geworden. (…) Mit seinem verlorenen Helden John LeTour zelebriert Schrader gewissermassen das Endstadium seines saloppen Gigolos. Von den körperlichen Liebesdiensten ist er zu den chemischen übergewechselt, wieder hat er eine energische Frau als Chefin, wieder treibt es ihn ratlos von Treff zu Treff, doch diesmal ahnend, dass sein Leben sinnlos geworden ist, weil er – wie einst Schrader über seinen Gigolo sprach – ‹nur geben, aber nicht empfangen kann›.» (Wolfram Knorr, Filmpodium, März 1993) 103 Min / Farbe / Digital HD / E/d // DREHBUCH UND REGIE Paul Schrader // KAMERA Edward Lachman // MUSIK Michael

Hogan’s Heroes hiess in den sechziger Jahren eine seltsame US-Sitcom, die in einem Gefangenenlager der Nazis spielte. Nach der Absetzung der Serie 1971 geriet ihr sympathischer Star Bob Crane auf Abwege. Seine Karriere kam nie wieder in Gang, zwei Ehen gingen in Brüche, und unter dem Einfluss eines Videopioniers namens John Carpenter (nicht der Filmemacher) schlitterte der zunehmend sexsüchtige Crane ins Pornogeschäft, was ihm schliesslich zum Verhängnis wurde. «Schrader führt hier nicht einfach die bigott verklemmte Gesellschaft, die überforderte Kirche, die scheinheilige Medienwelt vor. (...) Das tragende Element in Auto Focus ist in diesem Sinne die komplizierte Beziehung zwischen dem Star Crane und dem Techniker Carpenter. Diese Freundschaft, die länger und besser als Cranes Ehen hält, ist so komplex, dass man noch tagelang darüber nachgrübeln kann, wer hier von wem abhängig war, wer wen bewunderte, wer einen schlechten Einfluss auf den anderen hatte, wer wen ausnützte und hinterging.» (Michael Haberlander, artechock.de)

Been // SCHNITT Kristina Boden // MIT Willem Dafoe (John ­LeTour), Susan Sarandon (Ann), Dana Delany (Marianne Jost),

105 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE Paul Schrader //

David Clennon (Robert), Mary Beth Hurt (Teresa Aranow),

DREHBUCH Michael Gerbosi, nach dem Buch «The Murder of

­Victor Garber (Tis Brüg), Jane Adams (Randi Jost).

Bob Crane» von Robert Graysmith // KAMERA Jeffrey Greeley, Fred Murphy // MUSIK Angelo Badalamenti // SCHNITT

AFFLICTION USA/Kanada/Japan 1997 In Schraders Verfilmung von Russell Banks’ Roman versucht der kaum dienst- oder lebenstaugliche Sheriff Wade Whitehouse herauszufinden,

Kristina Boden // MIT Greg Kinnear (Bob Crane), Willem ­Dafoe (John Carpenter ), Rita Wilson (Anne Crane), Maria Bello (Patricia Olson/Patricia Crane), Ron Leibman (Lenny).


> The Canyons.

> The Card Counter.

> First Reformed.


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Paul Schrader

THE WALKER

FIRST REFORMED

USA/GB/Isle of Man 2007

USA/GB/Australien 2017

Der homosexuelle Carter Page III umgibt sich mit reichen Frauen und einflussreichen Freunden in Washington. Als einer seiner Bekannten ermordet wird, mit dem seine Freundin Lynn eine Affäre hatte, hilft er ihr, dies zu vertuschen. Dadurch gerät seine Welt ins Wanken. «The Walker ist ein Krimi, aber das eigentliche Rätsel ist nicht Robbies Tod – es ist Carters Leben. Wie er selbst sich dessen allmählich bewusst wird, spielt Woody Harrelson wunderbar, unterstützt von einer All-Star-Besetzung. (…) Dies ist ein scharfsinniger politischer Thriller, der auch etwas über das Wesen der menschlichen ­Erfahrung zu sagen hat. Ein echtes filmisches Juwel, getarnt als Strassstein.» (Jennie Kermode, eyeforfilm.co.uk, 31.7.2007)

Die «First Reformed»-Kirchgemeinde im New Yorker Städtchen Snowbridge schwindet; Pfarrer Toller predigt vor leeren Rängen. Toller, dessen Sohn im Irak gefallen und dessen Ehe gescheitert ist, steckt in einer Krise. Mary, ein Mitglied seiner Gemeinde, ist schwanger, aber ihr Mann will das Kind nicht in eine Welt am Rande des Umweltkollapses kommen lassen. Mary bittet den an sich selbst zweifelnden Pfarrer um Hilfe. «Nicht nur in der Beschreibung des mentalen Zustands der Hauptperson, sondern auch in der formalen Konzeption des Films geht Schrader ins Extrem. Der ganze Film besteht aus starren, unbewegten Einstellungen, so als wolle die Inszenierung die Eindrücke, Entwicklungen und Verschiedenheiten festnageln und den Zuschauer zwingen, genau hinzusehen, um hinter den Standbildern die existenziellen Fragen zu entdecken, welche die Protagonisten umtreiben.» (Franz Everschor, filmdienst.de)

108 Min / Farbe / Digital HD / E/d // DREHBUCH UND REGIE Paul Schrader // KAMERA Chris Seager // MUSIK Anne Dudley // SCHNITT Julian Rodd // MIT Woody Harrelson (Carter Page III), Kristin Scott Thomas (Lynn Lockner), Lauren Bacall (Natalie Van Miter), Ned Beatty (Jack Delorean), Moritz Bleibtreu (Emek Yoglu), Mary Beth Hurt (Chrissie Morgan), Lily Tomlin (Abigail Delorean), Willem Dafoe (Larry Lockner).

113 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE Paul Schrader // KAMERA Alexander Dynan // MUSIK Brian ­Williams // SCHNITT Benjamin Rodriguez Jr. // MIT Ethan Hawke (Rev. Ernst Toller), Amanda Seyfried (Mary Mensana),

THE CANYONS

Cedric the Entertainer (Rev. Joel Jeffers), Victoria Hill ­(Esther), Philip Ettinger (Michael Mensana).

USA 2013 Das Herrensöhnchen Christian will einen Slash­ er-Film produzieren, und Ryan, der Freund seiner Assistentin Gina, soll die Hauptrolle spielen. Christian ahnt nicht, dass seine Freundin Tara einst mit Ryan liiert war und nun, da sie sich wieder begegnen, ihre alte Leidenschaft auflodert. Trotz der offenen Beziehung, die er mit Tara lebt, ist Christian ebenso herrsch- wie eifersüchtig. Als er Taras Untreue erkennt, sinnt er auf Rache. In Bret Easton Ellis hat Paul Schrader einen Drehbuchautor gefunden, der ähnlich wie er über die Exzesse toxischer Männlichkeit und die Soziopathie der herrschenden Klasse geschrieben hat. Schraders billiges, aber schickes Sittengemälde der heutigen Filmszene in L. A. (mb) 99 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Bret Easton Ellis // KAMERA John DeFazio // MUSIK Brendan Canning // SCHNITT Tim Silano // MIT Lindsay Lohan (Tara), James Deen (Christian), Nolan Gerard Funk (Ryan), Amanda Brooks (Gina), Tenille Houston (Cynthia).

THE CARD COUNTER GB/China/USA 2021 Ein professioneller Kartenspieler, der sich William Tell nennt, vegetiert in der Neonwelt von Amerikas Spielhöllen vor sich hin, zählt die Karten am Blackjack-Tisch und gewinnt gerade genug, um durchzukommen, aber nicht aus den ­Casinos verbannt zu werden. Der junge Cirk, dessen Vater mit Tell im Irak war und sich nach seinem Dienst das Leben nahm, will diesen Selbstmord rächen, an dem Mann, der damals der Vorgesetzte der beiden Soldaten war. Auf diesen Gordo hat es auch Tell abgesehen, und er nimmt Cirk unter seine Fittiche. Oscar Isaac brilliert als typischer SchraderHeld, der durch sein Dasein driftet, bis eine Wende seinem Leben einen neuen Sinn verleiht. (mb) 111 Min / Farbe / DCP / E // REGIE Paul Schrader // DREHBUCH Paul Schrader // KAMERA Alexander Dynan, Giancarlo Vulcano // MUSIK Robert Levon Been // SCHNITT Benjamin Rodriguez Jr. // MIT Oscar Isaac (William Tell), Tiffany Haddish (La Linda), Tye Sheridan (Cirk), Willem Dafoe (Gordo), Alexander Babara (Mr. USA), Bobby C. King (Slippery Joe), Ekaterina Baker (Sara), Bryan Truong (Minnesota).



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Manga Movies Noch bis Ende Januar widmet das Museum Rietberg dem Manga, seinen Erzählformen und -möglichkeiten eine Ausstellung. Wir nehmen den Ball auf und stellen eine kleine Auswahl von Manga-Adaptionen für die Leinwand zusammen, von Klassikern wie Akira und Nausicaä aus dem Tal der Winde bis zu Zürcher Kinopremieren von In This Corner of the World und Ichi the Killer. Das Kino ist voll davon: Sequels, Prequels, Remakes, Reboots und Adaptionen erfolgreicher Romane, Games und Comics und sogar wahre Geschichten werden immer wieder neu erzählt und aufgelegt. Was schon einmal funktioniert hat, tuts hoffentlich wieder. In diese Denkart gehört natürlich auch der grösste Teil der Manga-Adaptionen fürs Kino. Nur dass hier das Hin-undher-Adaptieren gewissermassen schon fast automatisch dazugehört. Schon viele Jahrzehnte bevor Hollywood das Marvel Cinematic Universe startete, waren Japans erfolgreichste Kulturexporte, die Mangas und der Film, zu unzertrennlichen Geschwistern geworden. Kaum ist ein Manga, meist eine Manga-Serie, erfolgreich, wird diese Geschichte auch gleich als Anime-Serie fürs Fernsehen und neuerdings natürlich für Streamingdienste produziert. Bei international wachsendem Interesse kann es sein, dass auch ein Anime fürs Kino folgt. Und darauf wird dann noch eine Realverfilmung nachgereicht. Nicht zuletzt auch deshalb, weil dank heutiger CGI quasi fotorealistische Animation möglich ist; so bildet zum Beispiel Rupert Sanders’ Ghost in the Shell-Remake einzelne Einstellungen der Anime-Vorlage fast bildgenau nach. Und schon seit Jahren droht uns eine Realfilm-Variante des Anime-Klassikers Akira, der im Übrigen von seinem Manga-Schöpfer Katsuhiro Otomo selbst adaptiert wurde. Dabei muss es nicht immer laut krachend und knallbunt computeranimiert zu- und hergehen. Gute Geschichten können auch leise Töne anschlagen und durchaus an – zumindest für uns – unerwarteter Stelle Anklang finden. So hat auch ein Arthouse-Regisseur wie Hirokazu Kore-eda mit Unsere kleine Schwester ein Manga umgesetzt und sich zu eigen gemacht. Mangas für alle Mangas sind schon lange beliebt und erfolgreich, bei Alt und Jung und nicht nur in Japan, sondern weltweit. Da überrascht es, dass es bisher neben den er-

< >

Er weiss, wo der Hammer hängt: Oldboy Sie ahnt nichts von ihrer Künstlichkeit: Metropolis


30 wartbaren Hollywood-Versionen nur wenige nicht-japanische Adaptionen gibt. Park Chan-wooks Oldboy aber schafft es durchaus, aus der Vorlage eine südkoreanische Geschichte zu machen, und Sam Garbarski «übersetzt» mit Quartier lointain einen Manga von Jiro Taniguchi und macht einen typischen französischen Film daraus. Letztgenannter Titel findet sich leider nicht in unserer Reihe. Und damit möchten wir für einmal, statt darüber zu schreiben, was Sie bei uns sehen können – dazu finden Sie auf den folgenden Seiten und online weitere Informationen –, das Programm quasi damit erweitern, was auch noch wunderbar hineingepasst hätte. Sogar auf zentrale Klassiker mussten wir hier leider verzichten. Deshalb schliessen wir mit einer Liste weiterer Titel, die wir, gäbe es keine quantitativen Grenzen und verleihrechtlichen Einschränkungen, ebenfalls gerne gezeigt hätten: Okami – Das Schwert der Rache (Kenji Misumi, 1972). Ein Ronin-Klassiker. Der erste Film einer sechsteiligen Kinoserie, auch bekannt als Lone Wolf & Cub. Manga: Kazuo Koike, Goseki Kojima. Lady Snowblood (Toshiya Fujita, 1973). Dem Racheengel-Klassiker, der Tarantino zu Kill Bill inspirierte, folgte noch ein Sequel. Manga: Kazuo Koike, Kazuo Kamimura. Only Yesterday (Isao Takahata, 1991). Takahata erweiterte die Manga-Erlebnisse der zehnjährigen Taeko um eine Rahmenhandlung, in der Taeko als junge Frau ihren Weg findet. Manga: Hotaru Okamoto, Yuko Tone. Crying Freeman (Christophe Gans, 1995). Ein französischer Regisseur realisiert sein englischsprachiges Spielfilmdebüt à la John Woo. Natürlich eine moderne Ronin-Geschichte. Manga: Kazuo Koike, Ryoichi Ikegami. Stimme des Herzens (Yoshifumi Kondo, 1995). Aoi Hiiragi realisierte das im Anime erwähnte fiktive Buch über den «Katzenbaron», das wiederum als Das Königreich der Katzen (Hiroyuki Morita, 2002) adaptiert wurde. Manga: Aoi Hiiragi. Death Note (Shusuke Kaneko, 2006). Thriller über ein Notizbuch, das tötet, und die Frage, wie Macht ­korrumpiert. Nicht zu verwechseln mit der amerikanischen Netflix-Version. Manga: Tsugumi Oba, Takeshi Obata.


31 Tekkon Kinkreet (Michael Arias, 2006). Arias war der erste nicht-japanische Regisseur einer grossen Anime-Produktion. Manga: Taiyo Matsumoto. Quartier lointain (Sam Garbarski, 2010). Eine komplette transkulturelle Adaption von Japan nach Frankreich. Manga: Jiro Taniguchi. Der Mohnblumenberg (Goro Miyazaki, 2011). Japanische Nachkriegsgeschichte, zu welcher der Papa des Regisseurs, Hayao Miyazaki, das Drehbuch beisteuerte. Manga: Tetsuro Sayama, Chizuru Takahashi. Rurouni Kenshin (Keishi Ohtomo, 2012). Noch eine Ronin-Geschichte, inzwischen zu einer fünfteiligen Kinosaga angewachsen. Manga: Nobuhiro Watsuki. Blade of the Immortal (Takashi Miike, 2017). Und noch ein Ronin. Diesmal einer, der gerne sterben möchte, aber nicht kann. Miike garantiert für viel Blut und Humor. Manga: Hiroaki Samura. Alita: Battle Angel (Robert Rodriguez, 2019). Ein postapokalyptischer Cyperpunk-Actionfilm und ein langjähriges Wunschprojekt von James Cameron. Allerdings viel braver als die Vorlage. Manga: Yukito Kishiro. Zu finden z.B. in der Zürcher Videothek Les Videos. Auf Wunsch können dort auch DVDs oder Blu-rays zum Kauf bestellt werden. Infos: lesvideos.ch

Museum Rietberg: Flow. Erzählen im Manga. Noch bis und mit 30. Januar. Infos: rietberg.ch. Und noch eine Manga-Adaption für die ganze Familie: The Piano Forest, siehe Seite 44.

Primo Mazzoni


> Nausicaä aus dem Tal der Winde.

> Akira.

> Meine Nachbarn die Yamadas.


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Manga Movies

NAUSICAÄ AUS DEM TAL DER WINDE

MEINE NACHBARN DIE YAMADAS

(Kaze no tani no Naushika) Japan 1984

(Hôhokekyo tonari no Yamada-kun) Japan 1999

Nach einem apokalyptischen Krieg breitet sich ein giftiger Pilzwald aus. Die Menschen leben in Angst. Einzig Nausicaä, Prinzessin des Reiches Pejite, versucht, angezogen von der Schönheit der giftigen Welt, eine Lösung zu finden. Aber dann unterwerfen die Tolmekianer ihr Tal und wollen die Gewächse niederbrennen. Bereits in Miyazakis erster Umsetzung eines eigenen Mangas ist alles angelegt, was sein Werk ausmacht: kein simples Gut-Böse-Schema, sondern komplexe Figuren und Konstellationen, Koexistenz versus Vernichtung und natürlich fantastische Fluggeräte. (pm) «Die Darstellung des vergifteten Waldes im Besonderen ist von überirdischer Schönheit. Sobald man die halluzinogene Fremdheit der Farben und Formen akzeptiert, findet sich Wachstum und Leben überall.» (IFC Center, New York, Nov./ Dez.2012)

«Die Yamadas sind eine Familie, wie sie gewöhnlicher kaum sein könnte. Papa Takashi hat einen langweiligen Bürojob, Mama Matsuko kümmert sich um den Haushalt, manchmal zumindest, Sohn Noboru und Tochter Nonoko sind mit der Schule beschäftigt. Und dann wäre da noch Oma Shige, die ebenfalls im Haus lebt und regelmässig etwas an den anderen Familienmitgliedern auszusetzen hat.» (Oliver Armknecht, film-rezensionen.de, 19.5.2016) Visuell nimmt Takahata mit seinen stilisierten Wasserfarben-Bildern sein Abschlusswerk Die Legende der Prinzessin Kaguya vorweg. Getreu dem Ursprung in einer Manga-Serie wird hier keine fortlaufende Geschichte erzählt, auch gibt es keine Rahmenhandlung. Die einzelnen, humorvollen Episoden aus dem Alltag der Familie Yamada sind manchmal einige Minuten, ein andermal nur wenige Sekunden lang. (pm)

117 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Hayao ­Miyazaki // DREHBUCH Hayao Miyazaki, nach seinem Manga //

103 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Isao Takahata //

­KAMERA Koji Shiragami, Yukitomo Shudo, Yasuhiro Shimizu,

DREHBUCH Isao Takahata, nach dem Manga von H ­ isaichi Ishii

Mamoru Sugiura // MUSIK Joe Hisaishi // SCHNITT Tomoko

// KAMERA Atsushi Okui // MUSIK Akiko Yano // SCHNITT

Kida, Naoki Kaneko, Soji Sakai // MIT DEN STIMMEN

Takeshi Seyama // MIT DEN STIMMEN VON Yukiji Asaoka

VON Sumi Shimamoto (Nausicaä), Goro Naya (Yupa), Kohei

(Matsuko), Hayato Isobata (Noboru), Naomi Uno ­(Nonoko),

Miyauchi (Goru), Ichiro Nagai (Mito), Hisako Kyoda (Obaba).

Masako Araki (Shige), Touru Masuoka (Takashi).

AKIRA

ICHI THE KILLER (Koroshiya 1)

Japan 1988

Japan 2001

1988 zerstörte eine gigantische Explosion Tokio, 2019 erschüttern Gewalt und Chaos das wieder aufgebaute Neo-Tokio: In den Strassen gibt es Proteste und Tumulte, Motorradgangs bekriegen sich bis aufs Blut. Die beiden Jugendlichen Kaneda und Tetsuo gehören einer dieser Gangs an. Auf einer Fahrt durch die Nacht kollidiert Tetsuo mit einem seltsam greisenhaften Jungen und entwickelt daraufhin übernatürliche Fähigkeiten.
 Katsuhiro Otomos Akira ist die Verfilmung seiner Manga-Serie, die ab 1982 erschien und zeigte, wie man sich in Japan die Postapokalypse vorstellte. Das Werk markiert einen Meilenstein sowohl in der Geschichte der Mangas wie des Animes.

Als der Boss einer Yakuza-Bande mit einem Haufen Geld verschwindet, macht sich dessen rechte Hand Kakihara auf die Suche nach dem Verbleib. Dabei schreckt er nicht vor übelsten Folterungen zurück. Gleichzeitig werden die Bandenmitglieder einer nach dem anderen von einem mysteriösen Ichi regelrecht dahingemetzelt. Fasziniert kann Kakihara es kaum erwarten, dem Killer zu begegnen. (pm) «Man kann bei Miike selten umhin zu fragen: Hat der Film Spass an der Gewalt, verleitet er den Betrachter selbst zur Lust daran? Die Antwort lautet hier: eher nein. Natürlich ist die Darstellung der extremen Gewalt, der angerichteten Blutbäder mitunter komisch, aber dies vor allem in den Momenten, in denen sich aller Realismus verflüchtigt, das Comicmoment überwiegt. Die Figuren aber, die hier töten und Gewalt ausüben, taugen gar nicht zur Identifikation, beides, das Töten wie die Gewalt, ist mit widerwärtigen Motivationen kurzgeschlossen, ist dem Betrachter, der zusehen muss, (...) eine Qual (das spricht freilich gerade für, nicht gegen den Film).» (Ekkehard Knörer, jump-cut.de)

124 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Katsuhiro Otomo // DREHBUCH Katsuhiro Otomo, Izo Hashimoto, nach dem Manga von Katsuhiro Otomo // KAMERA Katsuji Misawa // MUSIK Shoji Yamashiro // SCHNITT Takeshi Seyama // MIT DEN STIMMEN VON Nozomu Sasaki (Tetsuo), Mitsuo Iwata (Kaneda), Taro Ishida (Oberst Shikishima), Mizuho Suzuki (Doktor Onishi), Mami Koyama (Kei), Masaaki Okura (Yamagata), Tessho Genda (Ryu), Hiroshi Otake (Nezu), Yuriko Fuchizaki (Kaori).


> Ichi the Killer.

> Speed Racer.

> Unsere kleine Schwester.


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Manga Movies Wir zeigen den Film in der von Miike autorisierten restaurierten, ungekürzten Fassung. Hinweis: Dieser Film enthält explizite Szenen starker Gewalt, Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen Frauen, Folter und Verstümmelung. 129 Min / Farbe / DCP / Jap/e // REGIE Takashi Miike // DREHBUCH Sakichi Sato, nach der Manga-Serie von Hideo Yamamoto // KAMERA Hideo Yamamoto // MUSIK Karera Musication, ­Seiichi Yamamoto // SCHNITT Yasushi Shimamura // MIT Tadanobu Asano (Kakihara), Nao Omori (Ichi), Shinya Tsukamoto (Jijii, Ichis Betreuer), Paulyn Sun (Karen), Sabu aka Hiroyuki Tanaka (Kaneko), Susumu Terajima (Suzuki), Shun Sugata ­ ­(Takayama), Suzuki Matsuo (Jiro & Saburo, die Zwillinge).

METROPOLIS (ROBOTIC ANGEL) (Metoroporisu) Japan 2001

nung wieder freigelassen. Rat- und ahnungslos beginnt er eine Beziehung mit einer Angestellten einer Sushi-Bar. Telefonisch bekommt er von seinem Peiniger das Angebot, dass dieser sich selbst umbringe, falls Oh Dae-su rausfinde, warum er entführt worden sei. Andernfalls komme die Frau dran. Ein gnadenloser, durchgeknallt-schwarzhumoriger und blutrünstiger Rachefeldzug beginnt. (pm) Dieser Film geht an die Nieren, er zeigt die gequälte Kreatur und enthält unterschwellig sogar Anspielungen auf die koreanische Politik mit ihren schweren Lasten der Vergangenheit. Eine beachtliche Leistung und ein wohlverdienter JuryPreis in Cannes 2004.» (Trevor Johnston, Time Out Film Guide) 120 Min / Farbe / DCP / Kor/d // REGIE Park Chan-wook // DREHBUCH Park Chan-wook, Im Joon-hyeong, Hwang Joyoon, nach dem Manga «Old Boy» von Nobuaki Minegishi, G ­ aron Tsuchiya // KAMERA Chung Chung-hoon // MUSIK Jo Yeongwook // SCHNITT Kim Sang-beom // MIT Choi Min-sik (Oh

Der Detektiv Shunsaku Ban reist mit seinem Neffen Kenichi nach Metropolis, um den gesuchten Dr. Laughton zu schnappen. Dieser arbeitet im Auftrag von Duke Red an einem Roboter-Mädchen, Tima, mit dessen Hilfe er die Weltherrschaft erlangen will. Nichtsahnend und verzaubert von dem Mädchen, flüchtet Kenichi mit Tima vor Duke Reds Ziehsohn, der wenig davon angetan ist, dass eine Maschine statt seiner das Erbe antreten soll. (pm) «Als Osamu Tezuka eine Aufnahme aus Fritz Langs Metropolis sah, (…) entschied sich der Schöpfer von ‹Astro Boy›, seine eigene Fassung zu schreiben – wohlgemerkt, ohne je den Film gesehen zu haben. Dass der Film von 1927 und der gleichnamige Manga von 1949 nicht viel gemeinsam haben würden, war daher klar, und auch die Anime-Version von 2001 geht ihre ganz eigenen Wege.» (Oliver Armknecht, film-rezensionen.de, 6.2.2015) 108 Min / Farbe / DCP / Jap/d // REGIE Rintaro // DREHBUCH Katsuhiro Otomo, nach dem Manga von Osamu Tezuka // KAMERA Hitoshi Yamaguchi // MUSIK Toshiyuki Honda // SCHNITT Koji Busaka, Ineko Suzuki // MIT DEN STIMMEN VON Yuka Imoto (Tima), Kei Kobayashi (Kenichi), Koki Okada (Rock), Taro Ishida (Duke Red), Kosei Tomita (Hige-Oyaji), Norio Wakamoto (Pero), Junpei Takiguchi (Dr. Laughton),

­Dae-su), Yu Ji-tae (Lee Woon-jin), Kang Hye-jeong (Mi-do), Ji Dae-han (No Joo-hwan), Oh Dal-su (Park Ceol-woong), Kim Byeong-ok (Mr. Han), Lee Seung-shin (Yoo Hyung-ja), Yoon Jinseo (Lee Soo-ah).

SPEED RACER USA/Deutschland/Australien 2008 Pops Racer baut die besten Boliden und Mom backt die besten Pfannkuchen. Der Sohnemann des Familienrennstalls, Speed, ist der aufsteigende Star unter den Autorennfahrern. Als ihn der immens reiche Royalton abwerben will, lehnt Speed ab und bekommt mächtigen Ärger mit dem Geschäftsmann und seinen Handlagern, die die Rennen für saftige Profite manipulieren. Gemeinsam mit dem mysteriösen Rennfahrer Racer X versucht die Familie, den üblen Machenschaften ein Ende zu bereiten. Es kommt zum Showdown bei der jährlichen Querfeldein-Rallye, die einst Speeds legendären Bruder und Vorbild Rex das Leben kostete. Die Handlung ist so simpel wie vorhersehbar. Aber die Umsetzung von Mangaund Anime-Elementen auf der Leinwand und die knallbunten und rasanten Rennfahrten sind schlicht grandioses Kino. (pm)

Takeshi Aono (Ponkotz), Masaru Ikeda (Präsident Boon). 129 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Geschwister Wachow-

OLDBOY (Oldeuboi) Südkorea 2003

ski // DREHBUCH Geschwister Wachowski, nach der Mangaund Anime-Serie «Mach Go Go Go» von Tatsuo Yoshida // ­KAMERA David Tattersall // MUSIK Michael Giacchino // SCHNITT Zach Staenberg, Roger Barton // MIT Emile Hirsch (Speed Racer), Christina Ricci (Trixie), John Goodman (Pops

Der betrunkene Geschäftsmann Oh Dae-su wird von einem Unbekannten entführt, 15 Jahre gefangen gehalten und ohne Begründung und Vorwar-

Racer), Susan Sarandon (Mom Racer), Matthew Fox (Racer X), Roger Allam (E.P. Arnold Royalton), Benno Fürmann (Inspektor Detektor), Jung «Rain» Ji-hoon (Taejo Togokhan).


> Ghost in the Shell.

> In This Corner of the World.

> A Silent Voice.


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Manga Movies

UNSERE KLEINE SCHWESTER

IN THIS CORNER OF THE WORLD

(Umimachi Diary) Japan 2015

(Kono sekai no katasumi ni) Japan 2016

Drei Schwestern leben zusammen in ihrem Haus, auf sich allein gestellt. Vor Jahren hat der Vater die Familie für eine andere Frau verlassen und die Mutter zog an einen anderen Ort. Bei der Beerdigung des Vaters lernen die drei Schwestern ihre Halbschwester kennen und laden sie ein, zu ihnen zu ziehen. «Der Regisseur fragte sich beim Lesen [des Mangas], warum die drei Schwestern ihre Stiefschwester nicht tyrannisieren. (...) Irgendwann meinte er, den Grund zu kennen. Hauptheldin des Mangas ist nicht die kleine Schwester, auch nicht alle vier Schwestern zusammen. Sondern die Zeit. (…) Bei genauerem Hinsehen aber ist es (...) die Mahlzeit. Wann wurde in einem Film zuletzt so viel, so ununterbrochen gegessen wie hier?» (Kerstin Decker, Tagesspiegel, 17.12.2015)

Die 1930er- und 40er-Jahre in Eba, einem Ort nahe Hiroshima. Das Mädchen (und später die junge Frau) Suzu ist eine Tagträumerin. Sie zeichnet gerne – ihre Art von Tagebuch. Der Film schreitet chronologisch fort, Datumseinblendungen strukturieren den Verlauf. Der erste Teil des Films reiht mal ernste, mal fröhliche Alltagsepisoden, vermischt mit Weisheiten, Einsichten und Kochrezepten aneinander. Doch unausweichlich nähert sich der 6. August 1945. (pm) «In meisterlicher Weise übersetzt der Film die Manga-Vorlage in bewegt-bewegende Bilder voller impressionistischer Poesie, ohne dadurch das Grauen des Krieges je zu beschönigen.»(Jörg Gerle, filmdienst.de)

128 Min / Farbe / DCP / Jap/d // REGIE UND SCHNITT Hiro-

// KAMERA Yuya Kumazawa // MUSIK Kotringo // SCHNITT

129 Min / Farbe / DCP / Jap/d // REGIE Sunao Katabuchi // DREHBUCH Chie Uratani, nach dem Manga von Fumiyo Kono

kazu Kore-eda // DREHBUCH Hirokazu Kore-eda, nach dem

Kashiko Kimura // MIT DEN STIMMEN VON Non (Suzu Urano),

Manga von Akimi Yoshida // KAMERA Mikiya Takimoto //

Yoshima Hosoya (Shusaku Hojo), San Hojo (Mayumi Shintani),

­MUSIK Yoko Kanno // MIT Haruka Ayase (Sachi Koda), M ­ asami

Entaro Hojo (Shigeru Ushiyama), Minori Omi (Keiko Kuro-

Nagasama (Yoshino Koda), Kaho (Chika Koda), Suzu Hirose

mura), Natsuki Inaba (Harumi Kuromura), Daisuke Ono

(Suzu Asano), Ryo Kase (Sakashita), Kirin Kiki (Fumiyo Kuku-

(Tetsu Mizuhara).

chi), Lily Franky (Sen’ichi Fukuda), Jun Fubuku (Sachiko ­Ninomiya), Shin’ichi Tsutsumi (Kazuya Shiina).

A SILENT VOICE (Koe no Katachi) Japan 2016 «Ein Schüler schiesst mit seinen Mobbing-Attacken gegen ein gehörloses Mädchen übers Ziel hinaus und wird selbst zum gemiedenen Aussenseiter. Erst als es fast zu spät ist, sucht er Kontakt zu der Mitschülerin. Das formal eher schlichte, erzählerisch aber umso ambitioniertere Anime zeichnet virtuos den japanischen Schulalltag nach, der von latenter Gewalt und der Angst vor Gesichtsverlust geprägt ist, wobei die Flucht in den Selbstmord fast zwangsläufig scheint. Eindrucksvoll genau beobachtet der Film, wie soziale Gewalt funktioniert und kanalisiert wird.» (Lexikon des int. Films) 130 Min / Farbe / DCP / Jap/d // REGIE Naoko Yamada // DREHBUCH Reiko Yoshida, nach dem Manga von Yoshitoki Oima // KAMERA Kazuya Takao // MUSIK Kensuke Ushio // SCHNITT Kengo Shigemura // MIT DEN STIMMEN VON Miyu

GHOST IN THE SHELL (3D) USA/Indien/Hongkong/China/Kanada 2017 «Major ist Teil einer geheimen Elitetruppe der Regierung, die mit der Eliminierung von Hackern betraut ist; in einer Welt, in der beinahe alle Menschen bereits teilweise maschinell sublimiert und digital verbunden sind, ist diese Aufgabe von entsprechend grosser Bedeutung. Auf der Suche nach dem mysteriösen Superhacker Kuze beginnt Major langsam auch ihre eigene hybride Natur infrage zu stellen. (…) Ghost in the Shell setzt visuell beeindruckende neue Impulse im Science-Fiction-Genre. (...) Ebenso gelungen sind die zentralen Actionsequenzen, die sich teilweise Bild für Bild ans animierte Original halten.» (Tim Lindemann, epd-film, 30.3.2017) 107 Min / Farbe / DCP 3D / E // REGIE Rupert Sanders // DREHBUCH Jamie Moss, William Wheeler, Ehren Kruger, nach dem Naga von Shirow Masamune // KAMERA Jess Hall // MUSIK Clint Mansell, Lorne Balfe // SCHNITT Billy Rich, Neil Smith // MIT Scarlett Johansson (Major), Pilou Asbæk

Irino (Shoya Ishida als Teenager), Mayu Matsuoka (Shoya

(Batou), Takeshi Kitano (Aramaki), Juliette Binoche (Dr.

Ishida als Kind), Saori Hayami (Shoko Nishimiya), Aoi Yuki

­Ouelet), Michael Pitt (Kuze), Anamaria Marinca (Dr. Dahlin).

(Yuzuru Nishimiya), Kensho Ono (Tomohiro Nagatsuka), Yuki Kaneko (Naoka Ueno), Yui Ishikawa (Miyoko Sahara), Megumi Han (Miki Kawai), Toshiyuki Toyonaga (Satoshi Mashiba).


38 The Story of Film: An Odyssey

Episoden 11–13 (1970–1998) Der nordirische Dokumentarfilmer und Autor Mark Cousins beschäf­tigt sich seit dreissig Jahren mit den unterschiedlichsten Aspekten des Kinos. In The Story of Film: An Odyssey (2011) erzählt er in 17 ein­stündigen Episoden die Filmgeschichte nach, den Kern bilden dabei kommentierte Filmausschnitte und Interviews mit Filmgrössen und Stars. Mit präzisen Beobachtungen und umfangreichen Analysen schafft es Mark Cousins, unseren Blick auf die 125-jährige Filmgeschichte zu schärfen. Im aktuellen Programm zeigen wir die Episoden 11–13: Cousins untersucht das Mainstream-Kino der 70er-Jahre, das Kino der 80er- und der 90er-Jahre. Zu jeder (unabhängig funktionierenden) Episode zeigen wir jeweils eine Auswahl der vorgestellten Filme.

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 11 – THE ARRIVAL OF MULTIPLEXES AND ASIAN MAINSTREAM

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 13 – NEW BOUNDARIES: WORLD CINEMA

GB 2011

GB 2011

Cousins widmet sich der Entwicklung des Mainstream-Kinos in den 70er-Jahren und untersucht, inwiefern diese Filme innovativ waren. Er befasst sich mit den Mainstream-Filmen aus Hongkong, mit den Bollywood-Filmen in Indien (wie Sholay), mit den Filmen im Nahen Osten und schliesslich mit den Blockbustern, die das Filmschaffen in den USA veränderten (etwa Jaws, The Exorcist und Star Wars).

Das Hauptaugenmerk liegt auf dem internationalen Film der 90er-Jahre, den letzten Tagen des Zelluloids vor der Ankunft des Digitalfilms. Zunächst widmet sich Cousins dem asiatischen Kino, dann stellt er Filmemacher aus Iran, China, Taiwan, Japan, Dänemark, Frankreich, Belgien, Polen, Russland und Österreich vor. je 60 Min / Farbe + sw / Digital HD / E/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Mark Cousins // SCHNITT Timo Langer.

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 12 – FIGHT THE POWER: PROTEST IN FILM

Die Episoden 11–13 von The Story of Film werden sowohl

GB 2011

­einzeln als auch im Doppelpack gezeigt (siehe Programm­ übersicht oder www.filmpodium.ch)

Cousins richtet seinen Blick auf das Kino der 80er-Jahre und untersucht, wie Filmschaffende ihr Medium nutzten, um den Mächtigen ihre Sichtweisen zu vermitteln. Im Zentrum stehen Filme aus China, der Sowjetunion und Polen, aus Burkina Faso und Mali; ausserdem Filme von David Lynch, Spike Lee, John Sayles und Maggie Renzi und «Protest-Filme» aus Frankreich, Spanien, England, Schottland, Wales und Kanada.


The Story of Film

SHOLAY Indien 1975 Nachdem der Bandit Gabbar Singh aus Rache mit seiner Bande fast die gesamte Familie von Ex-Polizist Thakur umgebracht hat, sinnt dieser seinerseits auf Vergeltung. Er verspricht den beiden Kleingaunern Jai und Veeru viel Geld, wenn sie Singh lebend zu ihm bringen. Die beiden willigen ein – nicht zuletzt, weil es in Thakurs Dorf zwei ­attraktive junge Damen gibt. Sholay, einer der grössten Klassiker und ­kommerziell erfolgreichsten Filme des indischen Kinos, hat Generationen von Filmschaffenden massgeblich geprägt. «Die indische Filmindustrie wuchs in den 1960er-Jahren in einem solchen Tempo, dass sie bis 1971 mit 433 Filmen die grösste der Welt war. Amitabh Bachchan – dessen Leinwand-Persona Elemente von Sean Connery und Robert De Niro in sich vereinte – wurde ihr grösster Star. Bachchan, 1942 geboren, wurde in seinen frühen Dreissigern zur nationalen Obsession Indiens und stärkte die Hindi-Filmindustrie in Bombay. Der Vergleich mit westlichen Schauspielern lässt zwar den Grad seines Ruhms ermessen, nicht aber die Komplexität seiner Männlichkeit. Er porträtierte oft einen

aufgewühlten Rebellen aus der Arbeiterklasse, der sich für ein Verbrechen rächt, das an ihm oder seiner Familie begangen wurde. Doch weil es sich um indisches Mainstream-Kino handelt, tanzte Bachchan auch. Seine Kunst, dabei Zurückhaltung mit Anmut zu verbinden, war einflussreich und hat (...) die Art, wie sich Inder in den Strassen, auf Hochzeiten und bei Prozessionen bewegen, mitgeprägt. Im Klassiker Sholay (...) spielt er einen von zwei Banditen, die angeheuert wurden, um die Ermordung der Familie eines Ex-Polizisten zu rächen. Der Film hat ebenso viele Ideen vom amerikanischen Western übernommen wie Leones A Fistful of Dollars. Durch seine visuelle Pracht, seine Rückblendenstruktur und seine Kabinettstücke wirkt Sholay womöglich sogar noch opernhafter als Leones Film.» (Mark Cousins: The Story of Film, Pavilion 2020) 204 Min / Farbe / Digital HD / Hindi/d // REGIE Ramesh Sippy // DREHBUCH Javed Akhtar, Salim Khan // KAMERA Dwarka Divecha // MUSIK Rahul Dev Burman // SCHNITT M. S. Shinde // MIT Dharmendra (Veeru), Amitabh Bachchan (Jai), Amjad Khan (Gabbar Singh), Sanjeev Kumar (Thakur), Hema Malini (Basanti), Jaya Bhaduri (Radha), Avtar Kishan Hangal (Imaam Saheb).

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The Story of Film

WÊND KÛUNI Burkina Faso/Frankreich 1982 Als ein Händler einen stummen Jungen im Busch findet, nimmt er ihn mit zum nächsten Dorf und übergibt ihn dem Weber Tinga, der ihn bei sich aufnimmt. Der Junge wird Wênd Kûuni, «Geschenk Gottes», genannt und bekommt die Aufgabe, die Schafe zu hüten und Tingas Stoffe auf dem Markt zu verkaufen. Der Junge findet seine Sprache erst dann wieder, als er Zeuge eines tragischen Ereignisses wird. Gaston Kaborés Wênd Kûuni, einer der ersten langen Spielfilme aus Burkina Faso, ist ein Klassiker des afrikanischen Kinos. «Wênd Kûuni thematisiert wie viele afrikanische Filme der 80er-Jahre die vorkoloniale Zeit und verwendet eine komplexe Zeitstruktur. (...) Der Film war ein ebenso vielversprechendes Debüt wie Forugh Farrochzads The House Is Black im Iran zwanzig Jahre zuvor. (...) Die Geschichte handelt von einem stummen Kind, das von seiner leiblichen Familie vertrieben und von einem ganzen Dorf adoptiert wird, und thematisiert den Wert der vorkolonialen Solidarität. Der Junge, von einem Laienschauspieler gespielt, wird aus seinem stummen Zustand aufgerüttelt, als er die an

einem Baum aufgehängte Leiche eines Mannes aus dem Dorf findet. Nach und nach erzählt er von den Ereignissen, die sein Trauma bewirkt haben. Was damals viele Filmemacher beeindruckte und den Film sehr einflussreich machte, war die Art, wie Kaboré mithilfe von Rückblenden und Geschichten in Geschichten die Frage stellte: ‹Was ist aus unserem Gedächtnis gelöscht worden?›, wobei er das Format eines traditionellen Märchens verwendete und auf spezifische zeithistorische Bezüge verzichtete.» (Mark Cousins: The Story of Film, Pavilion 2020) 75 Min / Farbe / 35 mm / Moore/d // DREHBUCH UND REGIE ­Gaston Kaboré // KAMERA Issaka Thiombiano, Sékou Ouedraogo // MUSIK René B. Guirma // SCHNITT Andrée Davanture, S. Boubakar Koné // MIT Serge Yanogo (Wênd Kûuni), Rosine Yanogo (Pognèré), Joseph Nikiema (Tinga), Colette Kaboré (Lale).


The Story of Film

DER PFERDEDIEB (Dao ma tse) China 1986 Der Nomade Norbu lebt mit Frau und Kind als Hirte. Er gehört einer ethnischen Minderheit an, und ab und zu zwingen ihn die schwierigen Umstände, sich als Pferdedieb zu betätigen, um seine Familie durchzubringen. Als er sich einmal an den Schätzen eines Tempels vergreift, wird er verbannt. Im Exil wird die Familie von Schicksalsschlägen erschüttert und Norbu muss eine folgenschwere Entscheidung treffen. Tian Zhuangzhuangs Der Pferdedieb erschafft mit sorgfältig orchestrierten Klängen und Bildern eine ganze Welt, wurde von der internationalen Kritik enthusiastisch gefeiert und gilt als Schlüsselwerk der Fünften Generation chinesischer Filmemacher. «Die sogenannte Fünfte Generation, die 1982 ihren Abschluss machte, ist die bedeutendste, die je eine Filmhochschule verlassen hat. Sie haben einige der besten Filme der 80er-Jahre gedreht. Tians Film Der Pferdedieb trotzte offen dem Regime, indem er sich auf ein sehr unmaoistisches Thema konzentrierte. Wir sind bei einer traditionellen Totenfeier. Der junge Sohn eines Pferde-

diebs ist gestorben. Tian filmt buddhistische Mönche in subtiler Zeitlupe und diese Geier, die den Leichnam verspeisen; für Abendländer eine grausige Vorstellung, aber für den Pferdedieb und seine Familie eine heilige Himmelsbestattung. Tian interessierte sich für die mystischen Traditionen seiner Figuren, Themen, die unter Mao verboten waren – die Themen von Sergej Paradschanow in der Ukraine. Nachdem die Geier den Körper verzehrt haben, nehmen sie seinen Geist mit in den Himmel. Tians Film sah auch anders aus. (...) Martin Scorsese nannte Der Pferdedieb den besten Film des Jahrzehnts.» (Mark Cousins, in: The Story of Film: An Odyssey, Ep. 12) 100 Min / Farbe / 35 mm / Tibet/d/f // REGIE Tian Zhuang­ zhuang // DREHBUCH Zhang Rui // KAMERA Hou Yong // ­MUSIK Qu Xiaosong // SCHNITT Li Jingzhong // MIT Tseshang Rinzin (Norbu), Dan Jiji (Norbus Frau), Jayang Jamco (Tashi, der Sohn), Gaoba (Nowre), Daiba (Grossmutter), Drashi (Grossvater).

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The Story of Film

LA HAINE Frankreich 1995 Das Leben von Vinz, Hubert und Saïd, drei arbeitslosen Jugendlichen aus den Pariser Banlieues, ist von Gewalt, Drogen und Polizei-Schikanen geprägt. Nach einer Krawallnacht herrscht der Ausnahmezustand. Abdel, ein Junge aus dem Viertel, wird während einer Polizeikontrolle brutal zusammengeschlagen und liegt im Koma. Vinz findet die Dienstwaffe eines Polizisten – und schon bald überstürzen sich die Ereignisse. Ein grimmiges und packendes Sozialdrama über das Leben: La haine ist ein Meilenstein des französischen Kinos der 90er-Jahre. «Französische Regisseure wie Claire Denis, Matthieu Kassovitz, Gaspar Noé, Bruno Dumont und zudem die Brüder Dardenne wandten sich der Arbeiterklasse und den Entrechteten zu, um eine wuchtige, innovative Reaktion auf das Hochglanzkino der 80er-Jahre zu schaffen. La haine von Schauspieler Kassovitz (...) – Ausgangspunkt des Films war die Erschiessung des 17-jährigen Zairers Makomé M’Bowolé in Polizeigewahrsam im Jahr 1993 – nahm eine Vorreiterrolle ein. Kassovitz erzählt die Geschichte eines Tages im Leben dreier Jugendlicher; einer ist

Jude, einer Beur (islamisch) und einer Schwarzafrikaner. Sie kommen aus den heruntergekommenen Pariser Vorortssiedlungen, begehen Bagatelldelikte, und einer ihrer Freunde wurde kürzlich von der rassistischen Polizei angegriffen. Kassovitz wurde damals mit Quentin Tarantino verglichen, aber sein Film war viel stärker in der gesellschaftlichen Wirklichkeit verankert.» (Mark Cousins: The Story of Film, Pavilion 2020) 96 Min / sw / 35 mm / F/d // BUCH UND REGIE Mathieu Kassovitz // KAMERA Pierre Aïm, Georges Diane // MUSIK ­Assassin // SCHNITT Mathieu Kassovitz, Scott Stevenson // MIT Vincent Cassel (Vinz), Hubert Koundé (Hubert), Saïd Taghmaoui (Saïd), Karim Belkhadra (Samir), François Levantal (Astérix), Marc Duret (Insp. «Notre Dame»), Édouard Montoute (Darty), Abdel Ahmed Ghili (Abdel), Héloïse Rauth (Sarah), Rywka Wajsbrot (Vinz’ Grossmutter).


The Story of Film

IN THE MOOD FOR LOVE Hongkong/Frankreich 2000 Hongkong, Anfang der 60er-Jahre: Journalist Chow bezieht mit seiner Ehefrau eine neue Wohnung in einem Haus der Shanghai-Community. Er trifft auf Li-zhen, eine wunderschöne, elegante junge Frau, die ebenfalls mit ihrem Mann gerade erst eingezogen ist. Während ihre Ehepartner fast nie zu Hause sind, begegnen Chow und Su sich von nun an fast täglich, und allmählich entsteht aus den zufälligen Begegnungen eine Zuneigung und tiefe Verbundenheit. Als sie schliesslich herausfinden, dass ihre Ehepartner eine Affäre miteinander haben, entwickeln auch sie Gefühle füreinander. In the Mood for Love ist ein formvollendeter Film über Sehnsucht, Einsamkeit und Vergänglichkeit, der 2000 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. «Dieser exquisite Film bringt die nächtliche Zelluloid-Vision von Wongs Team auf den Punkt. Die Zeit ist verlangsamt. Eine Frau schlängelt sich an einem Mann vorbei. Er blickt auf. Wir sind in Hongkong im Jahr 1962. Musik im 3/4-Takt. Plötzlich regnet es wie in einem Film. Dampf und Regen. Wir spüren die schwüle Hitze. Der Mann und die Frau sind beide unglücklich verheiratet. Ein-

sam. Mit gesenkten Köpfen. Sie sind ‹in the mood for love›, auf Liebe eingestellt. Wie in den Filmen von Rainer Werner Fassbinder und Terrence ­Davies: Die Hoffnung ist ausgezogen, darum hat sich die Verzückung in Bild und Ton verlagert. Maggie Cheung und Wongs Team hatten eine der auffallendsten Personas des Weltkinos geschaffen.» (Mark Cousins, in: The Story of Film: An Odyssey, Ep. 13) 98 Min / Farbe / 35 mm / Chin/d/f // DREHBUCH UND REGIE Wong ­Kar-wai // KAMERA Christopher Doyle, Pin Bing Lee // MUSIK Michael Galasso, Shigero ­Umebayashi, Nat King Cole // SCHNITT William Chang // MIT Maggie Cheung (Su Li-zhen), Tony Leung (Chow Mo-Wan), Rebecca Pan (Mrs. Suen), Lai Chen (Mr. Ho), Ping-Lam Siu (Ah Ping), Tung Cho «Joe» Cheung (Mann, der in der Wohnung von Mr. Koo lebt).

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44 Filmpodium für Kinder

the piano forest Zwei Jungs aus verschiedenen Welten werden durch ihre Leidenschaft für die Musik zu Freunden fürs Leben.

In der neuen Schule haben Shuheis Mitschüler nicht viel für den Klavier spielenden Jungen aus reichem Haus übrig – er wird schikaniert und soll zur Mutprobe in der Nacht mitten im Wald auf einem geheimnisvollen Flügel spielen. Der Einzige, der diesem Instrument aber Töne entlocken kann, ist Kai, ein Wildfang aus einfachen Verhältnissen, mit dem sich Shuhei bald anfreundet. Kai ist ein aussergewöhnlich begabtes Naturtalent und hat noch nie eine Klavierstunde besucht. Beide wollen sie an einem Klavierwettbewerb teilnehmen und stellen damit ihre Freundschaft auf die Probe. (th)

THE PIANO FOREST (Piano no mori) / Japan 2007 97 Min / Farbe / Digital HD / D / ab 6 // REGIE Masayuki Kojima // DREHBUCH Ryuta Hourai, Makoto Isshiki, nach der Mangaserie «Piano no mori» von Makoto Isshiki // MUSIK Keisuke Shinohara, Wladimir Dawidowitsch Aschkenasi // SCHNITT Yoshihiro Kasahara // MIT DEN DEUTSCHEN STIMMEN VON Christian Zeiger (Shuhei), Lukas Schust (Kai).

Altersfreigabe: Zutritt ab 6 Jahren, empfohlen ab 8 (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen). Kinderfilm-Workshop Im Anschluss an die beiden Vorstellungen vom 15. Januar und 5. Februar bietet die Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann einen Film-Workshop an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Film­sprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Nicole Reinhard (nr), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Flurina Gutmann SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: AV Visionen, Berlin; Bonner Sommerkino; Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin; Capelight Pictures, Ahrensfelde; Cineteca di Bologna; Emperor Motion Pictures, Hongkong; Filmcoopi, Zürich; Filmmuseum München; Fondation Jérôme Seydoux-Pathé, Paris; Frenetic Films, Zürich; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Koch Media, Planegg; Leonine Distribution, München; Lobster Films, Paris; The Mary Pickford Foundation, Santa Monica; MK2, Paris; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden; Museum of Modern Art, New York; NH Studioz, Mumbai; Österreichisches Filmmuseum, Wien; Park Circus, Glasgow; Praesens-Film, Zürich; Pueblo Film, Zürich; Resurgence Media, Studio City; Studiocanal, Berlin; Svenska Filminstitutet, Stockholm; trigon-film, Ennetbaden; Universal Pictures International, Zürich; Warner Bros. Entertainment Switzerland GmbH, Zürich. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daniel Däuber // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 5000 ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU Georges Franju

Tilda Swinton

Vater des modernen Horrorfilms, Held der

Der Vorname reicht, um das Bild dieser

Nouvelle Vague und Mitgründer der Ciné-

zeitlosen Schauspielerin zu beschwören,

mathèque française: Georges Franju (1912–

die wie keine andere gezeigt hat, wie fluid

1987) steht für ein singuläres Werk von

die Grenzen der Geschlechtlichkeit und so-

atemberaubender Schönheit und Intensität

gar des Menschseins sind: Noch bevor sie

– heute wie damals absolut modern und

1992 in Sally Potters Orlando als Mann/Frau

doch aus der Zeit gefallen. Inspiriert von

durch die Geschichte wandelte, hatte sie in

Surrealismus und Expressionismus schuf

Peter Wollens Friendship’s Death (1987) eine

Franju mit Les yeux sans visage (1960) einen

Ausserirdische verkörpert. Als grosszügige

abgründig-­poetischen Horrorklassiker, der

und schöpferische Muse von Derek Jarman,

zahllose Regisseur:innen beeinflusste. Sei­-

Jim Jarmusch, Wes Anderson und Joanna

ne Dokumentarfilme verbinden Poesie und

Hogg hat sie deren Werk nachhaltig ge-

harte Realität zu beissender Gesellschafts-

prägt. Daneben hat sie auch Fantasy- und

kritik. Unser Programm schlägt eine Brü-

Comic-Filme gedreht sowie als Autorin und

cke von den Anfängen des Kinos bis heute:

Produzentin viele cineastische Experimente

von Feuillade über Franju zu A ­ lmodóvar.

über­haupt erst ermöglicht.


«Die Geschichte einer einzigartigen Freundschaft voller Hoffnung und Entschlossenheit.» VI S ION S D U RÉE L

AB AR JAN U 2022 NO IM KI

A L I E L A R A B I · Ä GY P T E N

Fürs Home Cinema empfehlen wir filmingo.ch oder unseren DVD-Shop auf trigon-film.org


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