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Lichtbild In seinem Atelier im ehemaligen Stadel des Anwesens in Laas stäubt Jörg Hofer feinstes Marmorpulver über eines seiner Werke, das so zu einer dreidimensionalen Kunstlandschaft wächst

HOHE

KUNST

Die Werke des Südtiroler Künstlers Jörg Hofer haben mit romantischer Tiroler Bergmalerei wenig zu tun. Ruheraum In Hofers Familiengarten, der gut versteckt zwischen Steinmauern Wohnhaus und Atelier miteinander verbindet, gedeihen im Sommer Glyzinen, Nüsse, Wein und Marillen

Trotzdem spielen Ursprünglichkeit und Nähe zur Natur eine zentrale Rolle in Leben und Werk des renommierten Malers, der in seinem Geburtsort, der Gemeinde Laas im Vinschgau, wohnt und arbeitet TEXT GUNDA SIEBKE FOTOS FRANK BAUER

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» I N M E I N E M AT E L I E R F Ü H L E ICH MICH WIE IN EINEM KLOSTER. DER RAUM GIBT M I R K RA F T« JÖRG HOFER

Leuchtkraft Pigmente in intensivem Ultramarinblau, Umbra, Orangeocker und Signalrot strahlen im Atelier um die Wette. Um das arsenhaltige Schweinfurter Grün („Giftgrün“) beschaffen zu können, erwarb Jörg Hofer extra einen Giftpass 104 S C H Ö N E R W O H N E N S P E Z I A L

Kunstreich Ruhe, Licht und viel Platz! Für Jörg Hofer ist sein 300 Quadratmeter großes und fast fünf Meter hohes Atelier ein sakraler Raum. „Früher wurde in dem ehemaligen Stadel hart gearbeitet, aber auch gefeiert. Im Winter war es bitterkalt, aber es war ein wichtiger Ort für die Gemeinschaft“


1 Die hellblauen Clubsessel, die in seinem Atelier stehen, bekam Jörg Hofer vom Besitzer des Göflaner Marmorwerks geschenkt 2 Umgeben von Sonnenblumen, Chry­ santhemen und Lilien ernten Hofer und Ehefrau Dagmar Grasser Obst und Gemüse 3 Hofers Werke haben relief­ artige Oberflächen, die angefasst werden sollen 4 Nachmittagssonne bescheint den überdachten Hof, von dem marmorne Stufen ins Atelier führen 5 Frische Tomaten, Zucchini, Bohnen, Marillen und Minze wachsen im Garten der Hofers 6 In der Gerbergasse, gegenüber dem Atelier, ließ der Maler seine sogenannte Kapelle errichten

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ie schwere metallene Tür öffnet sich, Jörg Hofer winkt seine Gäste ins Atelier: „Herein“! Mit flotten Schritten geht er voran, streicht im Vorbeigehen über seine Bilder, erzählt, wie er mit 21 Jahren von Laas nach Wien floh, um Malerei zu studieren. Dabei sollte er eigentlich Metzger werden. So hatten es seine Eltern für ihn vor­ gesehen. „Wien war Großstadt, da war die Welt! Laas war damals viel zu eng für mich.“ Inzwischen ist es das nicht mehr, im Gegenteil. Jörg Hofer ist zurückgekehrt und hat gemeinsam mit Ehefrau Dagmar Grasser im Haus seiner Schwiegereltern Quartier bezogen. Das Anwesen liegt im Ortskern zwischen Hauptstraße und Gerbergasse. Noch heute befindet sich die Metzgerei ganz in der Nähe des großzügig geschnittenen Vorderhauses, in dem die Familie residiert. Vom Balkon aus schaut man über den Garten in die Berge. Weithin sichtbar sind der schneebedeckte Gipfel des Chevedale, der Laaser Ferner, die Lifispitze und der Weißwasserbruch. Zur Gerbergasse hin, im ehemaligen Stadel, wo früher Kühe, Pferde und Schweine standen, befindet sich Hofers großes Atelier, in dem er täglich arbeitet. Seine abstrakten Bilder entstehen in traditioneller Freskotechnik. Dafür vermengt der Maler Marmorsand mit natürlichen Farbpigmen­ ten und Ei-Tempera. Sein Thema ist die Natur. Er geht gern auf Reisen und oft in die Berge, ist am liebsten weit oben, oberhalb der Baum­ grenze, unterwegs. Er sagt, er brauche die Weitsicht, im Wald möge er nicht gern wandern. „Zum Arbeiten brauche ich Geist und Stimmung eines Ortes. Dann kann ich alles auf die Leinwand bringen; die Ferne, die Freiheit; bis das Bild vibriert.“ Seine Malerei solle wirken, nicht dekorativ sein. „Es darf nie zu schön werden“, sagt Hofer entschlossen. „Ich will kein Alpentarzan sein!“ Seine in eigenwilligen Farben strah­ lenden Werke, die in XL-Formaten an den Atelierwänden lehnen und hängen, sind es dennoch: schön. Jedes ist vom Maler auf der Rückseite signiert: „Jörg Hofer. O.T. “. Oder „Jörg Hofer. Gelber Acker“. Es ist Mittagszeit in Laas, die Sonne scheint auf den Rasen vor den Atelierfenstern. Im überdachten Hof türmt sich ab Spätsommer das Brennholz für den bevorstehenden Winter. 20 Kubikmeter werden in der kalten Jahreszeit verfeuert. Gelagert werden die Scheite auf Kopf­ steinpflaster, das aus Dresden stammt. Alles andere Baumaterial, das Hofer brauchte, um den alten Stadel in ein Atelier umzubauen, fand er in seiner Heimat, in der Gegend rund um Laas: die Steine, mit denen er Wände und Gartenmauern sanieren ließ, ebenso wie die steinerne Wasserrinne, die der Maler in Bozen entdeckte. Fünf marmorne Stu­ fen, die hoch ins Studio führen, dienten früher als Altarstufen. Nur an wenigen Stellen zeigen sich moderne bauliche Eingriffe, die Hofer gemeinsam mit einem guten Freund der Familie, dem Architekten Werner Tscholl, entwickelte. So verlassen die großformatigen Bilder das Atelier durch ein hohes dreigeteiltes Tor aus wetterfestem Baustahl.

Grünzeug Er fühle sich mit der Natur verbunden, sagt Hofer. „Ich muss alles anfassen!“ Rosmarin und Lorbeer erntet der Maler im eigenen Garten

Verzinkte Außenleuchten, ein schlichter Handlauf aus Flachstahl und die Tür aus Streckmetall, die zum ehemaligen Getreidespeicher führt, sind solche Details, die den ursprünglichen Charakter des Gebäudes nie dominieren, sondern fein ergänzen. Auch das Tor zur Gerbergasse besteht aus Stahl. Hofer nennt es „meinen Fluchtweg“, denn direkt dahinter befindet sich seine „Kapelle“. Der kleine Neubau, ebenfalls von Werner Tscholl entworfen, ist ein leerer Raum. Er dient dem Maler als Fortsetzung des Ateliers, „ein Zwischenraum, in den ich mich täglich zurückziehe, um zu meditieren“. Der ungewöhnliche Bau hat im Dorf zwar zunächst für Skepsis gesorgt, ist aber inzwischen akzeptiert als „die Kapelle vom Hofer“ und sogar Ziel von Architekturtouristen. Auch der Garten der Hofers ist ein Zwischenraum. Er verbindet das vordere Wohnhaus mit dem dahinter liegenden Atelier. Jeden Mor­ gen durchquert ihn der Künstler auf dem Weg zur Arbeit, und an war­ men Sommertagen verbringt er gemeinsam mit seiner Frau die Mittagszeit unter der weinumrankten Pergola; ein stiller Ort, fernab des brummenden Autolärms der Hauptstraße. Gegessen wird dann nur eine Kleinigkeit, meist irgendetwas Frisches aus dem Garten. Zwischen mannshohen Natursteinmauern gelegen, fangen sich die Sonnenstrah­ len in den Beeten und lassen dort saftige Tomaten, Gurken und Basili­ kum, Himbeeren, Minze und Marillen gedeihen, die zu Almkäse und luftgetrocknetem Speck auf den Tisch kommen. Kirsch- und Walnuss­ baum stehen in einiger Entfernung einträchtig nebeneinander auf dem Rasen und spenden Hofer auf seiner gestreiften Liege Schatten. Nach kurzer Pause erhebt sich der Maler wieder und entfernt sich langsam Richtung Atelier. Fast ist man versucht, ihm hinterherzurufen: „Es darf nie zu schön werden. Weder das nächste Bild noch der Garten!“ ❖ S C H Ö N E R W O H N E N S P E Z I A L 107


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