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Glitzer, knirsch, schau: ein Steinbock!

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en wirklich unschlagbaren Grund, Winterwandern auszuprobieren, gleich mal vorneweg: So wunderschön und vollkommen kann man diese Jahreszeit sonst wohl nicht erleben. Wir, eine vierköpfige Truppe aus der Glamour-Redaktion, waren für diese Geschichte alle zum ersten Mal Schneeschuhwandern, um es auszuprobieren und schöne Fotos fürs Heft zu machen ( ja, es gibt wirklich schlimmere Jobs). Und wir waren uns alle einig:

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unberührten Schneedecke: Nur Rehe und Vögel haben vor uns ihre Spuren hinterlassen. Es ging durch Wälder, auf Holzbrücken überquerten wir kleine Gebirgsbäche, erklommen Steilhänge quer

Wintersport? Muss ja nicht immer Abfahrt und Après-Ski-Wahnsinn sein. Es geht auch easy: Mit Schneeschuhen durch unberührte Natur stapfen. Hier sind 5 Gründe, warum wir im Winter wandern wollen

Illustrationen: Gettyimages (2)

Fotos: Fabian Zapatka

Die Glamour-Wandergruppe testet Schneeschuhe im Südtiroler Vinschgau. Urteil: bester Wintersport ever

Weil man Perfektion nicht unterschätzen sollte

„Unser neuer Lieblings­wintersport – voll gut!“ Erkundet haben wir den Nationalpark Stilfserjoch in Südtirol: Landschaften, die jede 70s-Alpen-Postkarte in puncto perfekt-kitschige Winterinszenierung übertreffen. Nicht zuletzt wegen der

nach oben. Florian, unser Wander-Guide, zeigte uns Steinböcke, die auf einem Hang über der Baumgrenze rumtollten. Und alle so: „Geht’s noch perfekter?“ Ging. Als dann noch ein riesiger Bartgeier über uns kreiste.

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2. Wichtig: Proviant, um sich bei einem Winterpicknick in unberührter Natur zu stärken

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Weil man keinen Kurs machen muss Manfred Scheuermann, zuständig für naturverträglichen Wintersport beim Deutschen Alpenverein (DAV), klärt auf. Kann wirklich jeder Schneeschuhwandern? Im Grunde: ja. Man braucht keine Vorkenntnisse, nur bei der Tourenwahl sollte man die eigene Fitness bedenken und sich nicht überschätzen. Fürs erste Mal empfehle ich Wanderungen von bis zu drei Stunden. Und im Hochgebirge sollten Anfänger – unbedingt! – nur mit einem erfahrenen Bergführer unterwegs sein. Welche Ausrüstung ist nötig? Schneeschuhe und Stöcke kann man sich mittlerweile überall leihen. Wichtig sind: wasserdichte Wanderschuhe, an die man die Schneeschuhe schnallt, darüber Gamaschen, sodass kein Schnee in die Schuhe kommt. Außerdem Funktionskleidung in Schichten, Sonnenschutz. Und: Proviant im Rucksack, um sich bei einem Winterpicknick in unberührter Natur zu stärken.

Illustration: Gettyimages

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Weil es viele großartige Touren gibt – auch für Anfänger

DIE SCHÖNSTEN GEBIETE FÜR SCHNEESCHUHNOVIZEN NATIONALPARK STILFSERJOCH, SÜDTIROL Im Martelltal, wo auch die Fotos für diese Geschichte entstanden sind, hat man 360-Grad-Gebirgspanorama und intakte Natur dank Nationalparkregeln. Skigebiete sieht und hört man nicht! Wir waren mit Bergführer Florian Perkmann unterwegs – sehr empfehlenswert. Touren bei ihm bucht man über die Gästeinformation Latsch-Martelltal (info@latsch.it). NATIONALPARK BERCHTESGADEN, OBERBAYERN Das schönste Gebiet in Deutschland, hier sieht Bayern aus wie Kanada – und am Königssee könnte man meinen, man wäre an einem norwegischen Fjord. Vor allem ab Ramsau gibt es viele Wanderungen, die sich bestens für Anfänger eignen. Touren kann man z. B. hier buchen: bergschule-­ watzmann.de. NATURPARK NAGELFLUHKETTE, ALLGÄU Weiter westlich, an der Schnittstelle zwischen Allgäu und dem Bregenzerwald, liegt ein weiteres HighlightGebiet mit eher

voralpenländischen Hügeln, viel Wald und tollen Ausblicken. Als Tourguide empfiehlt sich Helga Rädler ­(kulturinbewegung.at). OBERNBERGERTAL, TIROL Ein wunderschön abwechslungsreiches Tal fernab vom Skitrubel. Die einfachste und schönste Route beinhaltet auch eine Umrundung des Obernbergersees – eines kleinen Bergsees auf 1590 Metern, der im Winter zur perfekten Wonderland-Kulisse wird. Diese Tour ist auch ohne Guide möglich – vorausgesetzt, man informiert sich vorher gründlich vor Ort (obernberg-brenner. tirol.gv.at). HOCH-YBRIG, KANTON SCHWYZ Ein Schweizer Skigebiet, das auch gute Bedingungen für SchneeschuhNeulinge bietet. Vor allem die Tour „Furggelen“ ist relativ easy, landschaftlich aber sehr reizvoll – man steigt durch eine Moorlandschaft ab. Außerdem dort: eine fünf Kilometer lange Schlitten bahn. Yay! Bei einer geführten Wanderung der Schweizer Ski- und Snowboardschule Ybrig gibt es anschließend Fondue in einer Hütte (sss-ybrig.ch).

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Eine Hütte ganz für uns allein? Da lacht das stressgeplagte Stadtkind

Weil Schneeschuhwandern voll „eco“ ist

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Weil: Ruhe!

Win-win-Wandern: ist ökologisch korrekt und killt Kalorien (bis zu 1000 pro Stunde)

Redaktion: Georg Wittmann; Illustration: Gettyimages

ie ökologischen Vorzüge von Schneeschuhwandern gegenüber Pistensport sind enorm. Und in Zeiten von Klimaerwärmung (und weil diese ja auch gern wieder infrage gestellt wird, „really, Mr. Trump?“) sollte man sich schon ein, zwei Gedanken dazu machen: Man muss keine Bergwälder roden, Hänge platt walzen, keine Lifte bauen/betreiben und Pisten auch nicht – apropos Erwärmung – künstlich beschneien. Stattdessen erklimmen wir Berge mit der eigenen Körperkraft, beanspruchen alle Muskeln und verbrennen je nach Strecke bis zu 1000 Kalorien pro Stunde. Damit wir die Natur mit vollkommen reinem Gewissen erkunden können, gibt Manfred Scheuermann vom DAV aber etwas zu beachten: „Bitte unbedingt an die vorgegebenen Routen halten. Sonst kann es sein, dass man in die eng begrenzten Überwinterungsgebiete von Wildtieren eindringt. Selbst wenn man die Tiere nicht sieht, kann es zu Fluchtreaktionen kommen. Im schlimmsten Fall verhungern die Tiere dann.“ Das Motto also: Auf dem Pfad der Öko-Tugend bleiben – und kein Reh für Instagram jagen.

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ie konnte es eigentlich so weit kommen, dass Menschen, die im Winter in die Berge fahren, nur noch Halligalli wollen? Ach so gestresst sind wir doch alle – und dann Après-Ski statt AfterWork-Party? Liftschlange statt Supermarkt-Gedrängel? Hä? Eben. Beim Schneeschuhwandern hingegen feiert man die Landschaft, kann sich entweder unterhalten oder auch einfach mal den Mund halten. Dann sind die einzigen Geräusche das Knir-

schen des Schnees – und vielleicht noch ein Ast, der in der Ferne knackt, unter seiner Schneelast bricht und dessen Puder-Fracht glitzernd nach unten rieselt. Aber nicht nur draußen gibt’s Ruhe, sondern auch auf den viel weniger frequentierten Hütten abseits der Skigebiete. Die Glamour-Wandergruppe war unter der Woche unterwegs, deshalb hatten wir die bezaubernde Lyfi-Alm (lyfialm.it) mitten im Nationalpark Stilfserjoch ganz für uns allein. Denn – ganz ehrlich – Bettenlager? Nicht so unser Ding. Die Chancen auf Hütten-Isolation erhöht man also so: Wochenenden meiden, auf keinen Fall rund um Weihnachten, eher Mitte/Ende Februar (dann ist die Sonne auch schon wieder stärker: hello, nice tan!) – und vor allem persönlich anfragen, wann wenig los ist. Die Wandergruppe beschloss am Abreisetag dann einstimmig: Genug der Ruhe! Runter wollten wir rasant auf dem Schlitten. Mit einem Stopp – für eine Après-Schneeballschlacht.

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