Stahlbau 2017 01 free sample copy

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86. Jahrgang Januar 2017 ISSN 0038-9145 A 6449

Stahlbau

–  Die Butterfly Bridge in Kopenhagen –  Restnutzungsdauer geschweißter Altstahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung –  Ermüdungsverhalten von X-Knoten quadratischer Hohlprofile –  Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald –  Bemessungskennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen –  Windbeanspruchung von Hochspannungs-Freileitungsseilen –  Sicherheitsaspekte bei Hochspannungsstahlgittermasten –  Containerverbindung der neuen indischen Antarktis-Station –  Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“ –  Industrie und Stahlbau 4.0 – ein paar Gedanken!


Faszination Brücken Baukunst. Technik. Geschichte. Brücken üben eine besondere Faszination aus. Aber nicht alle in gleicher Weise und in gleichem Maße. Warum gelten manche Brücken als Werke der Baukunst und andere nicht? Was macht einen gelungenen Brückenentwurf aus? Richard J. Dietrich, Architekt und renommierter Brückenbauer, setzt sich in diesem Buch mit diesen Fragen auseinander. Anhand von historischem Material nähert er sich zunächst der Frage nach dem Wesen der Brückenbaukunst Schritt für Schritt an. Bedeutende Baumeister der Vergangenheit und ihre Werke werden anhand zeitgenössischer Illustrationen präsentiert und analysiert, wodurch nicht nur ein eindrucksvoller Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Brückenbaukunst gegeben wird, sondern zugleich Leitlinien und Prinzipien für die Gestaltung heutiger Brückenbauwerke abgeleitet werden. Dieses Buch ist für jeden Brückenbauer, für Studenten und auch für interessierte Laien eine Quelle des Wissens und der Inspiration. Richard J. Dietrich Faszination Brücken Baukunst. Technik. Geschichte. 3., wesentlich überarb. u. erw. Auflage 2016. ca. 272 S. ca. € 59,-* Subskriptionspreis bis 31.12.16: € 49,-* ISBN: 978-3-433-03180-3 Auch als erhältlich

Weitere Buchempfehlungen: Berechnung und Bemessung von Betonbrücken Schrägkabelbrücken Faszination Tunnelbau

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Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG

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Inhalt

Feuerverzinkte Fassade der Folkwang-Hochschule auf dem Zollverein-Gelände – Auf dem zum UNESCO-Welterbe gehörenden Zollverein-Gelände entsteht derzeit unweit des SANAA-Gebäudes ein Neubau der Folkwang-Hochschule in Essen für den Fachbereich Gestaltung. Das von MGF Architekten, Stuttgart entworfene Gebäude besteht aus unterschiedlich großen Kuben mit eingeschnittenen Höfen und Atrien. Die Fassade aus feuerverzinkten Blechen und verglasten Bereichen orientiert sich in ihrer Bündigkeit an der Zeche Zollverein. Mit ihrer silbernen Oberfläche hebt sich die feuerverzinkte Fassade von den historischen Backstein-Bauten der Zeche ab. Die Planung der feuerverzinkten Fassade erfolgte durch Rache Engineering, Aachen. Ab dem Wintersemester 2017 wird der Lehrbetrieb starten. (Foto: Institut Feuerverzinken)

Stahlbau 1

Editorial

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Bernhard Hauke, Volker Hüller Eine neue Stahlbau-Richtlinie zur schnellen Bemessung von Stahlkonstruktionen

Fachthemen

2 Jochen Schuster, Steffen Wagner, Steffen Keitel Restnutzungsdauer von geschweißten Altstahl­konstruktionen unter zyklischer ­Beanspruchung 86. Jahrgang Januar 2017, Heft 1 ISSN 0038-9145 (print) ISSN 1437-1049 (online)

13 Ömer Bucak, Imke Engelhardt, Heinrich Ehard, Slobodan Rodic Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus ­quadratischen Hohlprofilen 27 Frank Heyder, Andreas Hohberg, Christian Lettner Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald 36 Matthias Kraus, Silvio Mämpel Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von ­Kranbahnträgern 45 Dominik Stengel, Milad Mehdianpour Windbeanspruchung von Hochspannungs-Freileitungsseilen in Naturmessungen, Zeitbereichssimulation und Norm 54 Matthias Mix Sicherheitsaspekte beim Stabilitätsnachweis von Hochspannungsstahlgittermasten 65 Benjamin Brunn, Andreas Nitschke, Christian Bederke Die Containerverbindung für die neue indische Antarktis-Forschungsstation 73 Eberhard Möller Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“

Peer-reviewed journal Stahlbau ist ab Jahrgang 2007 bei Thomson Reuters Web of Knowledge (ISI Web of Science) akkreditiert Impact-Faktor 2015: 0,225

Berichte

78 Karl Morgen, Jan Lüdders Die Butterfly Bridge in Kopenhagen 84 Peter Zeman Industrie und Stahlbau 4.0 – ein paar Gedanken! 87 Roland Bärtschi Stahlbau – Quo vadis? Rubriken

http://wileyonlinelibrary.com/journal/stab

12 Aktuell (s. a. S. 83, 93) 89 Aus der Forschung (s. a. S. 95) 90 Rezensionen 95 Firmen und Verbände 96 Termine Stellenmarkt

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Produkte & Objekte

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Farbaluminium lässt Pariser Milchstraße erstrahlen Südöstlich von Paris in Lieusaint, im Herzen des Carré ­Sénart, entstand mit dem Théâtre-Sénart ein neues Zentrum für Kultur. Das Bauprojekt beherbergt zwei Veranstaltungssäle und bietet mit etwa 60 verschiedenen Schauspielen pro Saison über 150 Stunden kulturelle Unterhaltung. Auf einer Gesamtfläche von ca. 10.600 m2 und mit einer Gebäudehöhe von bis zu 29 m ragt das neue kulturelle Wahrzeichen des Carré Sénart in den Himmel Frankreichs. Mit einer Investition in Höhe von 42,3 Mio € ist es den Architekten Chaix & Morel et Associés gelungen, ein Gebäude zu schaffen, welches Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Design vereint. Die unverwechselbar markante Gebäudesilhouette und das beeindruckende Interieur ziehen nicht nur Kulturbegeisterte an. In den Sälen mit 1.550 Sitz- und 1.126 Stehplätzen dominieren warme Rottöne kombiniert mit individuell gemaserten Holzverkleidungen. Das schafft eine lebendige Oberflächenstruktur und verleiht dem Theater-Interieur einen unverkennbaren Charme.

Energiesparendes, umweltfreundliches Konzept Dem Théâtre-Sénart liegt ein energiesparendes, umweltfreund­ liches Konzept zugrunde: Durch spezielle Beleuchtungs- und Belüftungssysteme kann es auch an heißen und dunklen Tagen auf zusätzliche kühlende Klimatisierung bzw. Lichtquellen verzichten. Die technischen Anlagen und Belüftungssysteme wurden hinter einer Aluminiumfassade verborgen, die durch seine markanten und fließenden Formen überzeugt. Dabei bilden perforierte und geprägte Aluminiumpaneele, im Rastermaß von 1.500 mm × 1.500 mm, die vorgehängte Fassade. Perforationen in den Größen 100 mm × 100 mm und 50 mm × 50 mm und quadratische Stanzungen (50 mm × 50 mm) erzeugen eine scheinbar willkürliche Musterung der Platten. Man erkennt acht verschiedene Designvariationen in der Fassadenlochung, wobei Größe und Position der Perforation so ausgelegt sind, dass sie im Zusammenspiel die Stabilität der Aluminiumplatten verstärken. Die AlMg3-Legierung der Fassadentafeln aus Novelis ff2® Farbaluminium ermöglicht trotz Perforation größere Spannweiten als handelsübliche Vollaluminiumtafeln auf Basis einer AlMg1-Legierung. Die 2 mm starke Gebäudehülle aus bandbeschichtetem ff2® im Farbton Sunrise Silver erstrahlt bei Tag und Nacht. Eine in die Fassade integrierte LED-Beleuchtung sorgt für ein Lichterschauspiel bei Nacht – wie die Milchstraße leuchtet das futuristische Gebäude.

Ausgezeichnete Fassade Die Fassadentafeln mit der hochwertigen Oberflächenbeschichtung (mit einem PVdF-Anteil von 80 %) haben sich weltweit bei

Bild 1.  Das neue kulturelle Wahrzeichen des Carré Sénart, das Théâtre-Sénart, ragt auf einer Gesamtfläche von ca. 10.600 m2 und mit einer Gebäudehöhe von bis zu 29 m in den Himmel Frankreichs.

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Bild 2.  Die scheinbar willkürliche Musterung wird durch Perforationen in den Größen 100 mm × 100 mm und 50 mm × 50 mm und quadratische Stanzungen (50 mm × 50 mm) erzeugt.

Bild 3.  Impressionen aus dem lichtdurchfluteten Inneren des Théâtre-Sénart (Fotos: AACMA/11h45)

vielen Bauprojekten bewährt und bestechen durch Witterungsbeständigkeit auch in extremen Klimazonen. Trotz der offenen Schnittkanten, die beim Stanzen entstehen, kommt es zu keinerlei Korrosionsproblemen. Die Farbbeständigkeit des Fassadenmaterials trägt entscheidend dazu bei, dass die Brillanz des Gebäudes und seine Strahlkraft viele Jahre überdauern. Im Oktober 2016 wurde die architektonische Meisterleistung bei den „Trophées Eiffel 2016“, einer nationalen Preisverleihung für herausragende französische Architektur, mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Das Théâtre-Sénart in Paris hat Modellcharakter für moderne Architektur und wird sicher zum Wahrzeichen des Pariser ­Viertels.

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Eine ressourcenschonende und nachhaltige Bauweise gewinnt in der Architektur zunehmend an Bedeutung – Das “Green ­Building” vereint diesen Gedanken in ­einem Gebäude und erfüllt die Ressourceneffizienz z. B. in den Bereichen Energie, Wasser und Material. Um die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zu messen, zählt die US-Amerikanische LEED-Zer­ tifizierung ­(Leadership in Energy and Environmental Design) weltweit zu den anerkannten Bewertungsmaßstäben. Anhand von Kriterien wie Wassereffizienz, Design, Materialien und Ressourcen wird der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes

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Ästhetische Oberflächen mit höchster Lebensdauer Neben der Nachhaltigkeit ist das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes ein weiterer wichtiger Aspekt in der Architektur. Mit der Deco-Reihe verfügt Outokumpu über ein großes Sortiment an mustergewalzten und geschliffenen Produkten, die Gebäudehüllen ein individuelles Aussehen verleihen. Die Materialien stehen in unterschiedlichen Stahlgüten zur Verfügung, sodass auch unter schwie-

Brückenbau

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Nachhaltigkeit als wichtiger Aspekt im Bauwesen

Das räumliche Stabwerksprogramm

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Bekannte Bauwerke wie das One World Trade Center in New York oder das Ping An International Finance Center im chine­sischen Shenzhen wurden mit Edelstahlwerkstoffen von Outokumpu verwirklicht. In Deutschland zählt das neue Berliner Stadtschloss zu den derzeit bekanntesten Architekturprojekten, in die Edelstahl von Outokumpu einfließt.

betrachtet. Die Werkstoffe des Herstellers unterstützen Architekten und Bauinge­ nieure dabei, eine positive Zertifizierung zu erhalten, denn die Verwendung von Edelstahl im Gebäudebau kann das LEED-­Rating in vielen Bereichen positiv beeinflussen. So ist das Material besonders langlebig und kann nach einer ­Sanierung voll r­ ecycelt werden. Outokumpu-Edelstahl wird zudem bereits aus 87 % recycelten Materialien hergestellt. Das Unternehmen nutzt als bisher einziger Edelstahlhersteller die Umweltproduktdeklaration EPD (Environmental Product Declaration) für sein Portfolio. Sie enthält Informationen über den Umwelteinfluss der Produktion und gibt das potenzielle Ende der Nutzungsdauer von Edelstahl an. Materialien des Stahlspezialisten sind zudem nach der Umweltrichtlinie DIN EN ISO 14025 sowie der DIN EN 15804 zur Nachhaltigkeit von Bauwerken zertifiziert. Damit tragen diese Werkstoffe entscheidend zu einer nachhaltigen Bauweise moderner Architekturprojekte bei.

Verbindungen

Design und Ästhetik spielen in der ­Architektur eine entscheidende Rolle. Nicht weniger wichtig ist aber auch, dass Gebäude Witterungen effektiv standhalten und auch nach vielen Jahren ihren anfänglichen Charme ausstrahlen. Outokumpu unterstützt seit vielen Jahren Architekturprojekte mit anspruchsvollen Edelstahlmaterialien und technischem Support, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden.

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Edelstahl in der Architektur: Nahhaltig, langlebig und ästhetisch

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Aktuelle Informationen...

Bild 1.  Nachhaltiges Bauen gewinnt in der Architektur zunehmend an Bedeutung. Die Werkstoffe von Outokumpu können entscheidend dazu beitragen, dieses Ziel zu verwirklichen.

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Bild 2.  Edelstahl, vor einem Jahrhundert entwickelt, ist das ideale Material, um haltbare Lösungen für anspruchsvolle Architekturprojekte zu verwirklichen. Er ist zu 100 % recycelbar, korrosionsbeständig, wartungsfrei und langlebig.

rigen klimatischen Bedingungen die Langlebigkeit der Fassade mit geringstem Wartungsaufwand garantiert werden kann. Besonders beliebt sind in der Fassadengestaltung Materialien aus der Deco Linen Serie des Herstellers. Die Leinenstruktur sorgt für weichen Glanz und eine homogene Gesamterscheinung. Um bei großen Außenfassaden extreme Lichtreflektionen der Sonne zu vermeiden, hat das Unternehmen seine Deco ­Linen Oberflächenreihe um drei weitere Versionen ergänzt. Deco Linen Star, Linen Matt und Linen Supermatt erhalten

Bild 3.  Outokumpu unterstützt seit vielen Jahren Architekturprojekte mit anspruchsvollen Edelstahlmaterialien und technischem Support, damit sie auch noch nach vielen Jahren ihren anfänglichen Charme ausstrahlen. (Fotos: Outukumpu)

eine spezielle Bearbeitung, sodass Sonnenlicht an der Ober­ fläche diffus reflektiert und gerichtete Reflektionen verhindert werden. Gleichzeitig enthält Deco Linen Star eine besondere Subtextur, die dem Material dennoch einen glitzernden Effekt sowie ein einheitliches Erscheinungsbild gibt. Deco Linen Matt bzw. Supermatt hingegen besitzen zwar ebenfalls eine lebendige und schimmernde Optik, reduzieren die Lichtreflektion jedoch noch einmal deutlich. Die Materialien sind das Ergebnis langjähriger Erfahrung und modernster Technologien in der Ober­ flächenbehandlung von Edelstahl.

Forschung und Entwicklung für Architektur in heraus­fordernden Klimazonen

Das flüssige Futterblech!

Zeit- und kostenoptimierter Spaltausgleich zwischen druckbelasteten Metallelementen, Brückenlagern, Kopfplatten und Schleusentoren ■ 100% form- und kraftschlüssig ■ Keine mechanische Bearbeitung notwendig ■ Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung ■ Korrosionsbeständig ■ Vielseitig einsetzbar ■ Extrem druckfest ■ Seewasserfest

Heißes Meeresklima wie an der Küste der arabischen Halbinsel stellt Fassaden durch hohen Salzgehalt der Luft, starke Temperaturschwankungen, kaum Niederschlag und starke sand- und staubhaltige Winde vor große Herausforderungen. Mit kontinuierlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten unterstützt das Unternehmen Bauingenieure und Architekten bei der Auswahl der richtigen Materialien – selbst in dermaßen schwierigen Klimazonen. So wurde zum Beispiel bei Außenbewitterungstests des schwedischen Avesta Research Centers (ARC) von ­Outokumpu Duplex-Edelstahl im Vergleich zu austenitischen und ferritischen Sorten in offenem und geschlossenem Zustand in Dubai auf Beständigkeit geprüft. Die Ergebnisse der Tests zeigten deutlich, dass Duplexstähle wie etwa Outokumpu Forta DX 2205 (EN 1.4462) hier deutliche Vorteile aufweisen. Denn in solch anspruchsvollen Umgebungen können Duplex-Werkstoffe ihre Stärken voll ausspielen – hohe Festigkeitswerte und damit auch gute Verschleißbeständigkeit sowie ein PREN-Wert (Pitting Resistance Equivalent Number) von ≥ 35 bieten eine ausreichende Korrosionsbeständigkeit. Mit seiner Material­ expertise unterstützt Outokumpu seine Kunden dabei, die richtige Auswahl von Stahlsorte und Oberfläche zu treffen, um auch in schwierigen Klimazonen durch niedrigen Instandhaltungsaufwand langfristig Kosten einzusparen.

www.outokumpu.com

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1


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Gebäudehüllen zwischen 1898 und 2005 im Technik- und Optik-Check

Bild 1.  Special Feuerverzinkte Fassaden im Langzeit-Test

Seit einigen Jahren wird ­feuerverzinkter Stahl zunehmend zur Fassadengestaltung verwendet. Das Einsatzspektrum reicht von Industriebauten, über Schulen und Büros bis hin zu luxuriösen Wohnhäusern und Museumsbauten. Architekten und Bauherren, die sich für eine feuerverzinkte Gebäudehülle entscheiden, stellt sich nicht selten die Frage, wie diese nach Jahren aussieht und ob es im Zeitverlauf einer Erneuerung und Überarbeitung bedarf.

Das Institut Feuerverzinken hat feuerverzinkte Fassaden der Jahre 1898 bis 2005 unter technischen und optischen Gesichtspunkten überprüft. Untersucht wurden Blech-, Gitterrost-, Streckmetall- und Lamellenfassaden. Die Ergebnisse sind im Special „Feuerverzinkte Fassaden im Langzeit-Test“ dargestellt. Die Untersuchungen zeigen auch an Hand von Vorher-NachherVergleichen, dass feuerverzinkte Fassaden nicht nur im technischen Sinne dauerhaft sind, sondern auch aus ästhetischer Sicht.

Bild 2.  Patinierte Feuerverzinkte Fassade eines Ikea-Marktes (Fotos: Institut Feuerverzinken)

Das optische Erscheinungsbild einer feuerverzinkten Fassade verändert sich mit den Jahren, da feuerverzinkte Oberflächen als Folge der Bewitterung eine schützende Patina ausbilden. Glänzende Zinkoberflächen werden beispielsweise im Zeitverlauf matter. Der natürliche Patinierungsprozess feuerverzinkter Oberflächen wird generell sehr positiv angenommen. Nicht wenige Architekten und Bauherren sind sogar der Meinung, dass feuerverzinkte Oberflächen mit Patina noch schöner werden. Das Special Feuerverzinkte Fassaden im Langzeit-Test ist ­downloadbar unter www.feuerverzinken.com/fassaden sowie als Printversion bestellbar beim Institut Feuerverzinken GmbH, Postfach 140451, 40074 Düsseldorf, Fon: 0211/6907650, Fax: 0211/690765-28. www.feuerverzinken.com

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Stahlverbundbau

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Stahlgewölbe für Citybanan Herzstück des Neubauprojekts „Citybanan“ ist der 6 km lange Eisenbahntunnel unter der Stockholmer Innenstadt. Als wichtiger Knotenpunkt im öffentlichen Nahverkehr entsteht im Rahmen des Großprojekts auch der unterirdische Bahnhof Odenplan, der künftig das zweitgrößte Passagieraufkommen aller schwedischen U-Bahnhöfe bewältigen wird. Die 700 m lange Felskaverne wird über eingleisige Tunnel nördlich und südlich an die zweigleisigen Streckentunnel angeschlossen. Die Station Odenplan liegt zudem unterhalb eines bereits bestehenden U-Bahnhofs. Die aufwändigen Stahlkonstruktionen, die den Bahnhof überspannen, stammen von Freyler Stahlbau. Neben dem Engineering übernahm der Stahlbauspezialist auch die Fertigung, Lieferung und Montage des Stahlgewölbes sowie der SMP-Konstruktion des Zugangsbereichs.

Bild 3.  Der Tunnel war nur einseitig zugänglich: Nur über diese Seite konnten Bauteile und Geräte hinein und hinaus transportiert werden.

Infrastrukturprojekt für Stockholm Im Januar 2009 wurde mit dem Bau der Citybahn in Stockholm begonnen, die Fertigstellung ist für 2017 geplant, die Kosten liegen bei ca. 2,2 Mrd. €. Finanziert wird das Projekt durch den Staat, die Stadt Stockholm und den Landtag der Provinz Stockholm. Die Aus-brucharbeiten der Tunnel, Kavernen und Querschläge erfolgen im Sprengvortrieb in den Stockholmer Granit. Die Station Odenplan entsteht unter dem Stadtteil Vasastaden. Sie erhält einen Mittelbahnsteig mit zwei Gleisen, eine spätere Erweiterung auf zwei Bahnsteige und vier Gleise ist möglich.

Bild 1.  Im Kenzinger Werk hat Freyler jedes einzelne Teil der insgesamt 740 t Stahl für Gewölbe und SMP-Konstruktion vorgefertigt und auf die Reise nach Stockholm ­geschickt.

Bild 4.  Jeder Bogenträger hat eine Spannweite von 23 m und ein Einzelgewicht von 6 t. Die gesamte Bogenkonstruktion erstreckt sich über eine Läge von 180 m.

420 t schweres Gewölbe aus Stahl Die Plattform und den Gleisbereich im U-Bahnhof überspannt ein riesiges Stahlgewölbe von Freyler Stahlbau, das oberhalb der Bahn-steige den Abschluss zum Gestein hin bildet. Etwa 420 t Stahl wurden allein dort verarbeitet. Die Bogenträger des Gewölbes sind seitlich in bauseitigen Betonfundamenten fixiert, ihr Abstand beträgt jeweils 9,6 m. Darunter hat Freyler die Fachwerke montiert, in denen später die Installationen verlaufen. Die Bogenträger haben jeweils Spannweiten von 23 m und ein Einzelgewicht von 6 t. Die gesamte Bogenkonstruktion erstreckt sich über eine Läge von 180 m.

3-dimensionale Vermessung der Baustelle

Bild 2.  Nach der Fertigstellung schließt die 700 m lange Felskaverne über eingleisige Tunnel nördlich und südlich an die zweigleisigen Streckentunnel an.

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Für präzise Passgenauigkeit der Konstruktion in die Fundamente hat Freyler Stahlbau zunächst einen detaillierten Kon­ struktionsplan erarbeitet mit den entsprechenden Anschlusspunkten. Obendrein war Freyler erneut vor Ort, nachdem die gesamten Fundamente und Balken mit den Anschlussteilen betoniert waren. Hierbei wurden die ca. 900 Anschlusspunkte im Baufeld nochmals exakt 3-dimensional ausgemessen. Auf dieser


Stahlverbundbau

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Grundlage ließen sich die Bautoleranzen noch in die Fertigung der Stahlkonstruktion im Freyler-Werk einarbeiten. Bei Abweichungen zu den Soll-Maßen wurde dies im Stahlbau korrigiert, sodass die Konstruktion schließlich perfekt passte.

Stahlbau made in Germany Sämtliche Stahlteile wurden in der Freyler Produktionsstätte im süddeutschen Kenzingen vorgefertigt. Die Feuerverzinkung der Bauteile erfolgte durch die Stuttgarter Firma Wiegel. Dank vorausschauender Planung entsprachen die Einzelteile in ihren ­Maßen einer Größe, die auf normale beplante LKWs passte, so konnten auch die Transportkosten minimiert werden. Insgesamt wurden ca. 40 LKWs auf dem Weg nach Schweden geschickt.

Logistik bei Tunnelprojekt Eine Herausforderung bei dem Projekt war die Logistik. Sämt­ liche Bauteile und Geräte konnten nur von einer Seite in den Tunnel hinein und hinaus transportiert werden, es gab keinen Durchgangsweg – und mit jedem Transport wurde wiederum der Bauablauf gestört. Ebenfalls eher ungewöhnlich für den Stahlbau war das Heben der schweren Stahlteile: In der Regel hebt ein Kran die Bauteile von oben ein. Hier hat Freyler mit hydraulischen Hubgeräten gearbeitet, die die Teile nach oben drückten. Anschließend wurden die Bauteile von den Monteuren vor Ort verschraubt.

SMP-Konstruktion aus Stahl Neben der Bogenkonstruktion in der Kaverne hat Freyler Stahlbau auch das Stahl-Tragwerk für den SMP-Bereich geplant, gefertigt und montiert: Die SMP (Södra Mellanplanet) ist der südliche Zugangsbereich zu den Plattformen, welche die Fahrgäste via Rolltreppen und Lifte von den darüber liegenden Bahnhöfen erreichen. Für eine 2.800 m2 große Zwischendecke hat Freyler

Bild 5.  Außergewöhnlich war auch das Heben der schweren Stahlteile: Normalerweise hebt ein Kran die Bauteile von oben ein. Auf der Baustelle in Stockholm hat Freyler mit hydraulischen Hubgeräten gearbeitet, die die Teile nach oben drückten. (Fotos: Freyler)

dort nochmals 160 t Stahl verbaut, einschließlich der Fachwerke für die Installationen.

Bautafel Citybanan Bauherr: Staat Schweden, Stadt Stockholm, Landtag der ­Provinz Stockholm Gesamtkosten: ca. 16,8 Milliarden SEK (ca. 2,2 Mrd. EUR) Bauzeit: 2009–2017 Planung und Bau Station Odenplan und Vasatunnel: ­Bilfinger Construction Stahlkonstruktion Planung, Ausführung und Montage: ­Freyler Stahlbau GmbH www.freyler.de

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Stahlkonstruktion für außergewöhnliche Lagerhalle am Seehafen Kiel Kurze sechs Monate Bauzeit für 68.500 m3 umbauten Raum, und das trotz großer Herausforderungen in puncto Konstruktion, Geometrie und Baugrund – diese Leistung krönte das Bauprojekt einer in Kiel einzigartigen Lagerhalle, dem „Schuppen 8“. Bauherr und Auftraggeber war der Seehafen Kiel (Port of Kiel), der das Gebäude am Ostuferhafen zu ­einem fixen Termin schlüsselfertig benötigte, damit ein neuer Kunde verschifftes Papiergut rechtzeitig dort einlagern konnte. Den ausführenden Hallenbaupartnern – der Kieler Bauunternehmung Heinrich Karstens und Atlas Ward, einem der weltweit führenden Stahlhallenhersteller – bescherte der Auftrag kurz vor Weihnachten 2015 einige Knacknüsse. In kürzester Zeit sollte die Halle in geometrisch recht ungewöhnlicher Kubatur entstehen, weil das Gebäude in eine von Gleisanlagen begrenzte, segelförmige Freifläche einzupassen war. Dort herrschten schwierige Gründungs-und Bodenverhältnisse, u. a. stieg das unebene Gelände auf der 8.000 m2 großen Hallengrundfläche um über einen Meter an. Durch ihre bewährte Zusammenarbeit konnten die Partner das öffentlich ausgeschriebene Projekt erfolgreich umsetzen.

Bild 1.  Schuppen 8 am Kieler Seehafen erhielt eine ungewöhnliche Form, weil die Halle in eine von Gleisanlagen begrenzte Freifläche einzupassen war.

Bauzeit und Kosten gespart

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Alle Bauteile des 220 t schweren Stahlaufbaus erhielten einen besonderen Korrosionsschutz gegen die salzhaltige Luft am Seehafen. Vorgabe des Bauherrn war außerdem, dass die Stahlkon­ struktion einen späteren Rückbau der seeabgewandten Wand ohne großen Aufwand ermöglichen soll. Dies sollte eine Zufahrt auch über die Rückseite erlauben, wenn es aufgrund veränderter Lagerplanung künftig nötig werden sollte. Gelöst wurde dies durch Ausbildung eines Kragdaches, an dem nur die Pendelstützen abzumontieren sind. Das Hallendachsystem selbst wurde

aus 40-mm-Trapezblech gefertigt, das Wandsystem aus 35-mmTrapezblech. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Die bauliche und terminliche Umsetzung klappte sehr gut“, resümiert Jan Conrad, Abteilung Technik des Port of Kiel. Das Lob gilt einer Team­ arbeit, an der auch das Kieler Ingenieurteam Trebes und das BWS Betonwerk Schwerin Anteil hatten. Für Jan Karstens, Geschäftsführer des Generalunternehmers Heinrich Karstens, ist das Projekt ein weiterer Beleg für das bereichernde Partnerkonzept mit Atlas Ward: „Wir erstellen zusammen einige Hallen pro Jahr, aber einen solch besonderen Bau im Stahl-Beton-Mix ­haben wir, zumal in der Größenordnung, noch nicht gemacht.“

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Besonderer Korrosionsschutz gegen salzhaltige Luft

Bild 2.  Atlas Ward lieferte die komplexe Stahlkonstruktion, die auf den Betonstützen der Lagerhalle ruht. Schuppen 8 am Seehafen Kiel wurde in nur sechs Monaten aufgebaut. (Fotos: Atlas Ward)

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Errichtet wurde eine Stahlkonstruktion, die auf hoch aufragenden Stahlbetonstützen ruht und die Halle an ihrem niedrigsten Punkt auf 8,20 m Höhe bringt. Die über 30 Stützen wurden per Caisson-Gründung tief im Boden versenkt, wodurch relativ wenig Erdaushub anfiel. Bauzeit und Kosten sparte auch die Vorfertigung der Stützen, zudem erfüllt deren Ausführung mit Beton Brandschutzbestimmungen und widersteht möglichen Anpralllasten infolge von Ladeverkehr in der Halle. Der Stahlaufbau von Atlas Ward beeindruckt nicht nur mit 123 m Länge, 84 m maximaler Breite und einem Rahmen aus 1,5 m hohen Stahlprofilen. Er musste konstruktiv und umsetzungstechnisch auch an die unterschiedlich langen Stützen und die komplexe Hallengeometrie präzise angepasst werden, damit die Verbindung von Stahl- und Betonkonstruktion einwandfrei klappt. Dabei galt es die an den Stützenköpfen einwirkenden Kräfte zu minimieren, um das tragende Fundament zu entlasten und dessen Konstruktion möglichst schlank ausführen zu können.

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Erweiterte Anwendungen mit ATIS Cableskin® – dem Langzeitkorrosions­ schutz für Seile ATIS Cableskin® ist ein Korrosionsschutzverfahren, bei dem Butylkautschukbänder zweilagig auf die Seiloberfläche aufgebracht werden. Infolge der Eigenschaft des Materials, kalt zu verschweißen, entsteht eine robuste und gegen Sauerstoff und Wasserdampf praktisch undurchlässige Umhüllung des Seiles. Im Frühjahr 2016 wurde die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-30.11-41 für ATIS Cableskin® vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) verlängert und dabei um einige interessante Anwendungen erweitert.

UV-Schutz Funktion Dieses Langzeitkorrosionsschutzverfahren wird jetzt auch gezielt als UV-Schutz für stehende Seile verwendet. Das betrifft insbesondere Seile mit Kunststoffverrohrung. Die äußere Schicht der Wicklung, die Decklage, ist auf ihrer Außenseite mit einer äußerst UV-beständigen PE-Trägerfolie ausgestattet, die die vorhandene Kunststoffverrohrung sicher und dauerhaft vor ­Alterung durch UV-Einwirkung schützt. In Tests nach DIN EN ISO 11341, in denen eine ATIS Cableskin® Probe gleich zwei Mal hintereinander erfolgreich und ohne Beanstandungen den geforderten Belastungen standhielt, wurde die zuverlässige Schutzwirkung des Systems nachgewiesen. Weiterhin zeigten spektraldensitometrische Untersuchungen an der 2012 aufgebrachten roten Wicklung der Talbrücke Obere Argen auf der A96 keinerlei sichtbare Veränderungen des normalerweise besonders sensiblen roten Farbtons. Zwei weitere große Ausführungen an Brücken in Texas (USA) mit insgesamt 14.000 m2 gewickelter PE-Seiloberfläche wurden bereits erfolgreich realisiert. Eine weitere umfangreiche Anwendung wird aktuell an den Seilen der Carlos Fernández Casado Brücke in Spanien ausgeführt.

Bild 1.  Mit ATIS Cableskin® gewickeltes Seil, Veterans Memorial Bridge, Texas USA

Verstärkung von PE-Verrohrungen Im Rahmen dieses spanischen Projektes wird ATIS Cableskin® erstmalig als verstärkende Wicklung angewendet. Die Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH wurde beauftragt, die stark geschädigte und vorbelastete Verrohrung der mit Einpressmörtel ausinjizierten Parallellitzenseile nachhaltig zu sanieren. Dazu gehört neben umfangreichen robotergestützten PE Schweiß­arbeiten auch die Herstellung eines wirksamen Langzeitkorro­sionsschutzes und eines zusätzlichen UV-Schutzes mit ATIS Cableskin®. Eine Besonderheit ist dabei die erstmalige Verstärkung der Wicklung für Radialspannungen mit Kohlefasersträngen. Diese werden unmittelbar vor der Applikation der Butylkautschukbänder mit dem gleichen Wickelroboter direkt auf die zu verstärkende PE Oberfläche appliziert und dann überwickelt. Durch diese Maßnahme können z. B. durch zu hohe Injizier­ drücke vorgeschädigte PE Verrohrungen erheblich verstärkt und somit die Lebensdauer der Brückenseile deutlich erhöht werden. In umfangreichen Belastungsversuchen in den firmeneigenen Versuchseinrichtungen wurde diese Wirkungsweise erfolgreich nachgewiesen.

Aktive und passive Luftentfeuchtungssysteme Weiterhin wurde das Verfahren im Rahmen der Zulassungsverlängerung beim DIBt um die Kombinierbarkeit mit passiven und aktiven Luftentfeuchtungssystemen erweitert. An einer Hängebrücke in Norwegen kam diese Lösung bereits erfolgreich zum Einsatz. Sie ist auf dem internationalen Markt gefragt und bereits etabliert und wird auch national, insbesondere bei der

Bild 2.  Wicklung kombiniert mit Kohlefaser

Sanierung von Bestandsbauwerken, vermehrt an Bedeutung gewinnen.

Weitere Schutzwirkungen Das Korrosionsschutzverfahren ATIS Cableskin® ist jetzt auch für vollverschlossene Seile, bei denen nach dem Einbau Seilverfüllmittel auf der freien Länge austritt, durch das DIBt zugelassen. Die hohe Reißfestigkeit der Wicklung, die auf der Verwendung von in den Butylkautschuk eingearbeiteten PE-Folien beruht, garantiert einen hohen Widerstand gegen den Austritt von Seilverfüllmittel.

Eigenschaften des Langzeitkorrosionsschutzes ATIS Cableskin® Neben UV-Schutz und Verstärkung von Kunststoffverrohrungen, neben Luftentfeuchtung und Verhinderung von Austreten von Seilverfüllmittel, ist ATIS Cableskin® ein äußerst effektiver

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

A11


Aktuell

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Connect Fittings hält Ausschau nach EPC-Partnern in Deutschland Indien gilt als Aufsteiger in Sachen Stahlproduktion. Laut ­einer Untersuchung der World Steel Association stieg das Land in 2015 zum drittgrößten Stahlerzeuger weltweit auf. Seit dem Jahr 2010 spielt Connect Fittings mit Hauptsitz in Allahabad in Nordindien und einer Niederlassung in New Delhi in der Riege der Fittings-Komplettanbieter eine große Rolle.

Bild 3.  Applikation von ATIS Cableskin® mittels Seilroboter

(Fotos: Alpintechnik)

Langzeitschutz gegen Korrosion bei tragenden Seilen, der sich durch viele Eigenschaften und Vorteile auszeichnet. Damit steht mit dem Verfahren ATIS Cableskin® ein ganzheitliches System zur Verfügung, das sowohl der geforderten Lebensdauer von Seilbauwerken von mindestens 100 Jahren als auch umweltschutzrelevanten und gesundheitlichen Aspekten gerecht wird.

Technische Eigenschaften: –  robustes mehrlagiges System aus beständigen Materialen mit ca. 2,6 mm Schichtdicke –  sehr gute Haftung und Verzahnung mit der Seiloberfläche –  hohes elastisches Verhalten, durch das alle Temperaturund Lastbewegungen aufgenommen werden. –  kein Abplatzen oder Reißen bei Relativverschiebungen der Seildrähte oder bei einem evtl. Austritt von Seilverfüll­ mittel –  zugelassen für die Korrosivitätsklassen C5 I und C5 M –  nachweisbare Lebensdauer von über 60 Jahren Vorteile bei der Anwendung: –  schnelle, preisgünstige und VOC-freie Applikation der ­Butylkautschukbänder –  Applikation in hohem Maß unabhängig von klimatischen Bedingungen –  keine Gerüste und Einhausungen erforderlich und damit geringste Verkehrsbeschränkungen –  keine aufwändige Vorbereitung der Seiloberfläche wie Strahlen oder Sweepen und damit keine Entsorgung ­umweltschädlicher Stoffe –  Überwickelbarkeit vorhandener Beschichtungen –  Herstellung von Kontrollstellen zur Langzeitüberwachung –  sehr gute Prüfbarkeit der Seile, auch mit dem MI-Ver­ fahren

www.alpintechnik.de

A12 Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Das Unternehmen ist auf die Herstellung von Spezialwerkstoffen (DIN Standard) aus Karbon und rostfreiem Stahl für den Rohrleitungsbau spezialisiert, die insbesondere in der Öl- und Gasindustrie sowie bei Raffinerien, Kraftwerken, Chemie- und Industrieanlagen sowie Abwasserreinigungssystemen zum Einsatz kommen. Vom indischen Ministerium für neue und erneuerbare Energien wurde Connect Fittings kürzlich auch als Vertriebspartner für die Etablierung von kleinen Solarkraftwerken zugelassen. Connect Fittings hat Sales Offices an neun Stand­ orten weltweit. In Europa ist Deutschland der wichtigste Markt für das Unternehmen, der mit dem Ausbau neuer EPC-Partner ausgebaut werden soll. „Connect Fittings ist in Europa seit 2011 aktiv. Seitdem ist die Anfrage nach unseren Dienstleistungen auf dem europäischen Markt signifikant angestiegen”, so Pradeep Tandon, CEO von Connect Fittings. Der 47-jährige Manager startete im Jahr 2010 mit seinem Unternehmen in Allahabad in Nordindien und einer Niederlassung in New Delhi. Als Vorbild nennt er Erne Fittings aus Österreich, wo er etwa vier Jahre für die Supply-Chain Abteilung im Mittleren Osten tätig war. „Ich war total beeindruckt von den Qualitätsstandards der Anlagen, den Produkten und den Büros. Das motivierte mich, ähnliche Produkte in Indien herzustellen. So startete ich mit Connect Fittings vor sechs Jahren”, erzählt Tandon weiter. Mittlerweile hat der Unternehmer ca. 30 Mitarbeiter und eine Exportquote von 98 %. In Europa hat Connect Fittings Vertretungsverträge mit Osmetall Steel ­Solutions aus Deutschland sowie Pannon Ventil aus Ungarn. „Deutschland stellt für uns einen der wichtigsten Märkte dar. Unser Ziel ist es, Projekte in der Öl- und Gasindustrie, Raffinerien, Chemie- und Industrieanlagen, Wasser- aufbereitungs- und Düngemittelanlagen sowie Schiffswerften zu unterstützen. Deshalb suchen wir jetzt gezielt nach geeigneten EPC-Partnern“, so Tandon. Auch im Bereich erneuerbare Energien sei Deutschland ein wichtiger Partner. Erst vor kurzem wurde Connect Fittings vom indischen Ministerium für neue und erneuerbare Energien als offizieller Channel-Partner für den Vertrieb kleiner Solarkraftwerke zugelassen. Dies könne ein weiterer Anknüpfungspunkt für eine Zusammenarbeit sein. Das Unternehmen hat sich im internationalen Markt mit seinen bewährten Qualitätsstandards bei Einschweißfittings aus Stahlwerkstoffen (Rohrbogen, T-Stücke, Reduzierungen, Kappen) etabliert. Hohe technologische Kompetenzen in Sachen Heiß- und Kaltverformung, Wärmebehandlung und finaler Qualitätskontrolle sowie die Erarbeitung von individuellen Lösungen gehören zur Kernkompetenz des Unternehmens. Die Vorteile für Deutschland liegen klar auf der Hand: Die Produkte werden gemäß DIN-Standard hergestellt und sind bereits im europäischen Markt bekannt. Mit dem Ursprungszeugnis Form A werden Zollbegünstigungen bei der Wareneinfuhr gewährleistet. Neben einem Top Preis-Leistungsverhältnis wird auf pünktliche Lieferprozesse viel Wert gelegt. Darüber hinaus wird der Ersatz von Produkten kostenlos angeboten. Interessierte Unternehmen und potenzielle EPC-Auftragnehmer können sich direkt an Herrn Pradeep Tandon unter ceo@connectfittings.com oder +91-98 184 865 98 melden. www.connectfittings.com.


Anbieterverzeichnis

Produkte & Dienstleistungen Absaugtechnik

Befestigungsmittel

n Ankerplatten

Befestigungssysteme

n Anker M-CONSTRUCT M-CONSTRUCT TEKA Absaug- und Entsorgungstechnologie GmbH Industriestr. 13 D-46342 Velen Tel. (0 28 63) 9 28 20 Fax. (0 28 63) 9 28 272 E-Mail: info@teka.eu Internet: www.teka.eu

Ankersysteme

M-FIXINGS Beton Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Industriestraße 23 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 Fax (0 52 25) 87 99-382 E-Mail: info@modersohn.de Internet: www.modersohn.eu MOSO® Mauerwerksabfangungen Konsolanker bis 25 kN Gerüstverankerungen MOSO® MBA-CE Ankerschienen mit eigener Berechnungssoftware MOSO® Constructor MOSO® Fertigteilbefestigungen Fassadenplattenanker bis 70 kN

Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Industriestraße 23 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 Fax (0 52 25) 87 99-201 E-Mail: info@modersohn.de Internet: www.modersohn.eu MOSO® MBA-CE Ankerschienen mit eigener Berechnungssoftware MOSO® Constructor Anker- und Anschweißplatten Kantenschutzprofile und Verkleidungen Denkmal- und Altbausanierungsbefestigungen Spezialbefestigungen für Tunnel und Brücken n Dübelsysteme und Normteile aus Edelstahl Rostfrei Gewindehülsen, Muffen, Spannmuffen, Zugverankerungen, Gewindestangen

n Ankerhülsen

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Dübel

M-FIXINGS Mauerwerk + Beton Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Industriestraße 23 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 Fax (0 52 25) 87 99-97 E-Mail: info@modersohn.de Internet: www.modersohn.eu MOSO® Mauerwerksabfangungen Konsolanker bis 25 kN MOSO® Fertigteilbefestigungen Fassadenplattenanker bis 70 kN MOSO® Lochband Mauerwerksbewehrung Luftschichtanker Gerüstverankerungen MOSO® MBA-CE Ankerschienen mit eigener Berechnungssoftware MOSO® Constructor

Bleche/Blech bearbeitung

M-CONSTRUCT Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Industriestraße 23 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 Fax (0 52 25) 87 99-201 E-Mail: info@modersohn.de Internet: www.modersohn.eu Normteile aus Edelstahl Rostfrei Dübelsysteme aus Edelstahl Rostfrei Schrauben, Muttern, U-Scheiben, Gewindestangen bis Länge 3 m, Doppelenden bis Länge 14 m, Vernadelung, Zuganker

M-STAINLESS Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Auf der Freiheit 31 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 Fax (0 52 25) 87 99-37 E-Mail: info@modersohn.de Internet: www.modersohn.eu Laserzuschnitte Wasserstrahlzuschnitte Scherenzuschnitte Sägezuschnitte Abkantprofile WIG-Schweißen MAG-Schweißen E-Hand-Schweißen Bolzenschweißen Beizen und Passivieren Glasperlen- und Korundstrahlen Körperschleifen

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Bolzenschweißtechnik Brandschutzpaneele

AS Schöler + Bolte GmbH Flurstraße 25 58285 Gevelsberg Fon +49(0) 2332/55106-0 Fax +49(0) 2332/55106-11 info@as-schoeler-bolte.com www.as-schoeler-bolte.com

Fachliteratur

Paroc GmbH Heidenkampsweg 51 20097 Hamburg Tel. (0 40) 88 30 76-0 Fax (0 40) 88 30 76-199 E-Mail: info@paroc.de Internet: www.paroc.de

Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG Rotherstraße 21 D-10245 Berlin Tel. +49 (0)30 47031 200 Fax +49 (0)30 47031 270 E-Mail: info@ernst-und-sohn.de Internet: www.ernst-und-sohn.de

Brückenbau

Gebäudedämmung

Köster & Co. GmbH Postfach 1364 D-58242 Ennepetal Telefon (0 23 33) 83 06-0 Telefax (0 23 33) 83 06 38 E-Mail: info@koeco.net Internet: www.koeco.net

Nelson Bolzenschweiß-Technik GmbH & Co. KG Flurstraße 7–19 D-58285 Gevelsberg Tel. (0 23 32) 6 61-0 Fax (0 23 32) 6 61-1 65 E-Mail: info@nelson-europe.de Internet: www.nelson-europe.de

mageba gmbh Im Rinschenrott 3a 37079 Göttingen Tel.: 0551 38904-0 Fax: 0551 38904-100 e-mail: germany@mageba.ch Internet: www.mageba.ch • Neubau, Sanierung und Montage von – Bauwerkslagern – Fahrbahnübergängen

Paroc GmbH Heidenkampsweg 51 20097 Hamburg Tel. (0 40) 88 30 76-0 Fax (0 40) 88 30 76-199 E-Mail: info@paroc.de Internet: www.paroc.de

Ingenieurleistungen

• Dienstleistungen – Komplexe Sanierung von Brücken- und Ingenieur­ bauwerken – Engineering Leistungen für Dehnfugen und Bauwerkslager – Bauwerksüberwachung

INGENIEURBÜRO LIPA Herr Peter Lipa Tel.: 02305/27276 Fax: 02305/42463 •  Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung •  Typenstatik Ihnen fehlt die Zeit, wir bearbeiten dies für Sie.

• Erdbebenschutz

Kantprofile

M-STAINLESS Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Auf der Freiheit 31 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 Fax (0 52 25) 87 99-37 E-Mail: info@modersohn.de Internet: www.modersohn.eu Abkantprofile Biegeprofile Schweißprofile Gekantete Rohrprofile Bolzenschweißen

Kopfbolzendübel

AS Schöler + Bolte GmbH Flurstraße 25 58285 Gevelsberg Fon +49(0) 2332/55106-0 Fax +49(0) 2332/55106-11 info@as-schoeler-bolte.com www.as-schoeler-bolte.com

• Schwingungsisolation

Brandschutz n Brandschutzbeschichtungen

Rudolf Hensel GmbH Lack- und Farbenfabrik Brandschutz-Beschichtungen für Stahl, Holz, Beton, Kabel, Fugen und Abschottungen Tel. +49 (0)40 / 72 10 62-10 www.rudolf-hensel.de

Köster & Co. GmbH Postfach 1364 D-58242 Ennepetal Telefon (0 23 33) 83 06-0 Telefax (0 23 33) 83 06 38 E-Mail: info@koeco.net Internet: www.koeco.net

Dach und Wand

Nelson Bolzenschweiß-Technik GmbH & Co. KG Flurstraße 7–19 D-58285 Gevelsberg Tel. (0 23 32) 6 61-0 Fax (0 23 32) 6 61-1 65 E-Mail: info@nelson-europe.de Internet: www.nelson-europe.de

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KTL-Beschichtung

Schwingungstilger

Stahlbau

Technische Isolierung

Oberflächentechnik kOrrOsiOnsschutz BOT Oberflächentechnik GmbH GERB Robert-Galler-Str. 1 Kopfleiste BOT Stahlbau Anbieterverzecihnis 15.05.14 2014 12:30 v001.indd 1 Schwingungsisolierungen GmbH & Co. KG D-95326 Kulmbach Berlin/Essen Tel. +49 9221 69037-0 Fax +49 9221 69037-23 Schwingungstilger für Brücken, info@bot.eu Gebäude, Gebäudeteile, www.bot.eu Tribünen, Schornsteine Tel. Berlin (030) 4191-0 Tel. Essen (0201) 266 04-0 E-Mail: info@gerb.com www.gerb.com

Pulverbeschichtung Oberflächentechnik kOrrOsiOnsschutz

BOT Oberflächentechnik GmbH

Software für das Bauwesen

Haslinger Stahlbau GmbH Rüdesheimer Straße 7 80686 München Tel.: +49 89 54726979-0 Fax: +49 89 54726979-9 office@haslinger-stahlbau.de www.haslinger-stahlbau.de

Verbundbau Statiksoftware für Tragwerksplanung & FEM

Robert-Galler-Str. 1 Kopfleiste BOT Stahlbau Anbieterverzecihnis 15.05.14 2014 12:30 v001.indd 1 D-95326 Kulmbach Tel. +49 9221 69037-0 Fax +49 9221 69037-23 info@bot.eu www.bot.eu

ENVIRAL® Oberflächenveredelung GmbH Standort Deutschland Altdorfer Weg 6 D-14823 Niemegk Tel. +49 3 38 43/6 42-0 0800 368 47 25 Fax +49 3 38 43/6 42-24 E-Mail: info@enviral.de Internet: www.enviral.de Standort Österreich Viktor-Kaplan-Allee 3 A-7023 Pöttelsdorf Tel. +43 26 26/5 00-74 0800 400150 Fax +43 26 26/5 00-74 74 E-Mail: info@enviral.at Internet: www.enviral.at Großteil- und Serienpulverbeschichtung Druck- und Schleuderstrahlen bis 13,0 m × 2,5 m × 3,6 m; bis 3000 kg bis 17,5 m × 1,0 m × 2,0 m; bis 4400 kg

Gutsch & Exner Software GmbH Rudolf-Wissell-Straße 18–20 D-37079 Göttingen Tel. 0551 76717 Fax 0551 7703329 E-Mail: steeloffice@gutsch.de Internet: www.gutsch.de

Paroc GmbH Heidenkampsweg 51 20097 Hamburg Tel. (0 40) 88 30 76-0 Fax (0 40) 88 30 76-199 E-Mail: info@paroc.de Internet: www.paroc.de

Dlubal Software GmbH Am Zellweg 2 93464 Tiefenbach Tel. (09673) 9203-0 Fax (0 96 73) 92 03-51 E-Mail: info@dlubal.com Internet: www.dlubal.de

Strahlen

n Software für den Verbundbau

Kretz Software GmbH Europaallee 14 67657 Kaiserslautern Tel. 0631 550999-11 Fax 0631 550999-20 info@kretz.de www.kretz.de

Zuganker

M-CONSTRUCT

Oberflächentechnik kOrrOsiOnsschutz

mb AEC Software GmbH Europaallee 14 67657 Kaiserslautern Tel. 0631 550999-11 Fax 0631 550999-20 info@mbaec.de www.mbaec.de

Spaltausgleich

DIAMANT Metallplastic GmbH Hontzlarstraße 12 D-41238 Mönchengladbach Fon: +49 (0) 2166 9836-0 Fax: +49 (0) 2166 83025 E-Mail: info@diamant-polymer.de

Wilhelm Modersohn GmbH & Co. KG Industriestraße 23 32139 Spenge Tel. (0 52 25) 87 99-0 BOT Oberflächentechnik GmbH Fax (0 52 25) 87 99-201 Robert-Galler-Str. 1 Kopfleiste BOT Stahlbau Anbieterverzecihnis 15.05.14 2014 12:30 v001.indd 1 E-Mail: info@modersohn.de D-95326 Kulmbach Internet: www.modersohn.eu Tel. +49 9221 69037-0 Fax +49 9221 69037-23 Denkmal- und Altbausanierungsinfo@bot.eu befestigungen www.bot.eu Spezialbefestigungen für Tunnel und Brücken Gewindehülsen, Muffen, Spannmuffen, Zugverankerungen, Gewindestangen

ENVIRAL® Oberflächenveredelung GmbH mit Standorten in: Deutschland: www.enviral.de Österreich: www.enviral.at

· ·

siehe Eintrag „Pulverbeschichtung“

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1138106_pf


Editorial DOI: 10.1002/stab.201710452

Eine neue Stahlbau-Richtlinie zur schnellen Bemessung von Stahlkonstruktionen

Bernhard Hauke

Volker Hüller

Der Eurocode 3 ist das Ergebnis von vielen Jahren erfolgreicher gemein­ samer europäischer Stahlbau-Forschung und der dazugehörigen Normen­ entwicklung. Die meisten Stahlbauspezialisten schätzen die Möglichkei­ ten und fortgeschrittenen Bemessungskonzepte, die der Eurocode 3 den Tragwerksplanern zur Verfügung stellt. Und trotzdem: Viele Tragwerks­ planer sind nicht im Stahlbau spezialisiert und zögern deshalb mit Stahl zu planen, weil ihnen der Eurocode 3 zu komplex erscheint. Der Einfach­ heit halber planen viele Statiker mit anderen Baustoffen, statt den oft ­eigentlich besser geeigneten Stahl zu verwenden. Dem wollen wir etwas entgegensetzen. Die Ingenieurkammer Bau NRW, die Vereinigung der Prüfingenieure NRW und bauforumstahl als Dachverband der Stahlbaubranche in Deutschland planen, den Euro­ code 3 mit einer neuen Stahlbau-Richtlinie für die vereinfachte Bemes­ sung üblicher Stahlbaukonstruktionen zu ergänzen. Die Richtlinie zielt auf den allgemeinen Hochbau wie Industrie- und Gewerbehallen mit Kranbahnen oder Geschossbauten. Nach einer Ausschreibung im gesam­ ten deutschsprachigen Raum wurden die Stahlbauprofessoren und Inge­ nieurbüroinhaber Professor Markus Feldmann von der RWTH Aachen und Professor Jörg Laumann von der FH Aachen gemeinsam beauftragt. Die Stahlbau-Richtlinie soll den Eurocode 3 nicht ersetzen oder ihm gar widersprechen. Vielmehr ist sie als praktische Vereinfachung inner­ halb des Geltungsbereiches und der Konzepte des Eurocodes gedacht. Als Bearbeitungsschwerpunkte wurden in zahlreichen Vorgesprächen mit praktisch tätigen Ingenieuren der beteiligten Organisationen folgende Themen festgelegt: vereinfachte Lastkombinationen im Stile der alten ­ DIN 18800, unkomplizierte Stabilitätsbemessung mit weniger Parametern und ohne unnötige Auswahlmöglichkeiten bei den Methoden, einfache Ermüdungsbemessung für Kranbahnen sowie Hinweise zur sicheren Kon­ struktion und Bemessung von Anschlüssen. Die Richtlinie soll möglichst alle für den Tragwerksplaner nötigen Informationen strukturiert enthalten und auf Querverweise verzichten. So sollen komplexe Formeln – auf der sicheren Seite liegend – vereinfacht und mit Tabellen oder Nomogram­ men ausgewertet werden können. Im Rahmen von ordentlich beschriebe­ nen Anwendungsgrenzen soll damit der Zurückhaltung vieler Tragwerks­ planer bei der Anwendung von Stahl entgegen gewirkt und eine schnelle, sichere Stahlbaubemessung ermöglicht werden. Mit ersten Ergebnissen rechnen wir Ende des Jahres. Der Vollstän­ digkeit halber sei erwähnt, dass die Initiative „Praxis Regeln Bau“ zur Weiterentwicklung des Eurocodes selbstverständlich auch einbezogen ist. Stahlbau ist viel zu gut, um die Anwendung unnötig kompliziert zu ­machen.

Dr. Bernhard Hauke Dipl.-Ing. Volker Hüller © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Fachthemen Jochen Schuster Steffen Wagner Steffen Keitel

DOI: 10.1002/stab.201710448

Restnutzungsdauer von geschweißten Altstahl­ konstruktionen unter zyklischer Beanspruchung Die Wirtschaftlichkeit von Stahlbauten hängt insbesondere von der zuverlässigen Bestimmung der erreichbaren Dauerhaftigkeit von der Herstellung über die gesamte Nutzungszeit bis zum Ende der Lebensdauer ab. Insbesondere stellt sich im Rahmen von Sanierungs- und Reparaturvorhaben häufig die Frage nach der Schweißeignung von Stahl- und Eisenwerkstoffen, deren Erzeugung vor Mitte des 20. Jahrhunderts liegt und in vielen Fällen bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht. Im Rahmen eines öffentlich geförderten Forschungsvorhabens sollte daher geklärt werden, wie sich die Restnutzungsdauer von reparaturgeschweißten Altstahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung verändert. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass bei vorhandener und auch eingeschränkter Schweißeignung eines Altstahles, die Restnutzungsdauer einer Konstruktion durch eine ordnungsgemäße schweißtechnische Verarbeitung nicht signifikant verändert wird, so lange diese frei von Kerben ist. Useful lifetime of welded historic steel constructions under ­fatigue loading. The economy of steel constructions depends in particular on the reliable determination of the attainable persistence over the entire period by making up to the end of life. In the context of renovation and repair projects, the weldability of steel and iron materials, which were made before the middle of the 20th century and in many cases also in the 19th century, has often to be clarified. In the context of a publicly-funded research project, it should be examined how to change the remaining utilization time of the repair welded old steel structures under cyclic loading. The results allow for the conclusion that for an old steel with a proper and also limited weldability, the remaining useful life of a construction is not significantly changed by a proper weldment, as long as it is free of notches.

terschiedlichen Verfahren hergestellten Stähle gegenüber bis zu diesem Zeitpunkt zur Anwendung gekommenen Werkstoffen, wie Steine oder Holz, schnell durch. Konnten mit Stahl bisher unerreichte Spannweiten bei höchster Tragfähigkeit und gleichzeitig filigranem Aussehen sowie einem unschlagbaren Preis-Leistungsverhältnis realisiert werden. Ein prägnantes Beispiel für eine stählerne Brückenkonstruktion ist die Eisenbahnhochbrücke von Rendsburg über den damaligen Kaiser-Wilhelm-Kanal (jetzt NordOstsee-Kanal), dem seinerseits größten Stahlbauwerk Europas (Bild 1). Aber auch Hallenbauten, zu denen neben Fabrikgebäuden vorrangig Bahnhofshallen zählten, rufen auch gegenwärtig noch uneingeschränkte Bewunderung des Betrachters hervor. So ist der Hauptbahnhof zu Leipzig nach wie vor der größte Kopfbahnhof Europas. Er wurde im Jahre 1915 fertiggestellt und verfügte ursprünglich über 26 Bahnsteige sowie eine Querhalle von 276 m Länge (Bild 2).

1 Einführung Mit Beginn der industriellen Revolution vor ca. 150 Jahren wurden immer mehr Bauten aus Eisen- und Stahlwerkstoffen errichtet. Kam zunächst bevorzugt Gusseisen zur Anwendung, erfolgte mit der sprunghaften Entwicklung immer produktiverer Stahlerzeugungstechnologien ab Mitte des 19. Jahrhunderts die zunehmende Verwendung von Stahl. Ohne die in dieser Zeit gemachten bahnbrechenden Erfindungen zur Herstellung nahezu beliebig großer Mengen an vergießungsfähigem Stahl wäre es niemals zu dem seit dieser Zeit anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum und technologischen Fortschritt gekommen. Insbesondere bei Verkehrs- und Hallenbauten setzten sich die nach un-

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Bild 1.  Stützpfeiler der Rendsburger Eisenbahnbrücke (Foto: J. Schuster) Fig. 1.  Piers of the railway bridge near Rendsburg

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 86 (2017), Heft 1


J. Schuster/S. Wagner/S. Keitel · Restnutzungsdauer von geschweißten Altstahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung

Konstruktionen aus Altstählen, die im reparaturgeschweißten Zustand vorliegen, als sehr problematisch einzuschätzen. So ist eine Reihe von Fällen bekannt, wo in der Vergangenheit Brückenkonstruktionen in ihrer Tragfähigkeit abgemindert bzw. auch komplett verschrottet werden mussten, da keine gesicherten Informationen über die zyklische Restnutzungsdauer (oft auch als Restlebensdauer bezeichnet) im Bereich herzustellender Reparaturschweißverbindungen vorlagen und auch gegenwärtig noch nicht vorliegen.

2  Bewertung der Restnutzungsdauer von Altstahl­ konstruktionen

Bild 2.  Stählerne Hallenkonstruktion des Hauptbahnhofs zu Leipzig (Foto: J. Schuster) Fig. 2.  Design of the steel construction of Leipzig’s main railway station

Kam während der Errichtung der oben genannten Bauten die Schweißtechnik noch nicht oder in nur unbedeutendem Maße zur Anwendung, bietet sie heute hervorragende Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Fertigung in vielen Bereichen der metallverarbeitenden Industrie. Um diese jedoch in einem breiten Spektrum ausnutzen zu können, müssen die Zusammenhänge zwischen der Schweißtechnologie und dem Werkstoffverhalten sowie die Auswirkungen des Schweißens auf die Gebrauchseigenschaften eines Produktes oder Bauwerkes bekannt sein und grundsätzlich beachtet werden. So hängt die Wirtschaftlichkeit von Stahlbauten insbesondere von der zuverlässigen Bestimmung der erreichbaren Dauerhaftigkeit über die gesamte Nutzungszeit ab. Insbesondere stellt sich im Rahmen von Sanierungs- und Reparaturvorhaben häufig die Frage nach der Schweißeignung von Stahl- und Eisenwerkstoffen, deren Erzeugung vor Mitte des 20. Jahrhunderts liegt und in vielen Fällen bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht. In der Bundesrepublik Deutschland sind rund 4 000 von 8 000 Eisenbahnbrücken älter als 80 Jahre. Von den etwa 4 000 bestehenden Straßenbrücken weisen ca. 2 000 ein Alter von über 80 Jahren auf [1]. So sind bis zum Jahr 2030 allein für die Erhaltung bestehender Verkehrswege (Schiene, Straße und Wasserstraße) 141,6 Mrd. Euro im aktuellen Bundesverkehrswegeplan vorgesehen [2]. Das sind nahezu 70 % der für Erhaltung und Aus- bzw. Neubau vorgesehen Mittel. Ein Großteil davon wird in die Instandsetzung bzw. Ertüchtigung von stählernen Brücken-, Überquerungs-, Schleusen- und Wehranlagen investiert. Im Rahmen von Sanierungsarbeiten an Altstahlkonstruktionen sind jedoch in der Vielzahl der Fälle auch Reparaturschweißarbeiten erforderlich. Die damit verbundene zwangsweise Wärmebehandlung der wärmebeeinflussten Zonen des Grundwerkstoffs wirkt sich, wie eigene Erfahrungen zeigen, z. T. signifikant auf die Festigkeitsund insbesondere die Zähigkeitseigenschaften des Altstahls aus. Damit entspricht der betroffene Grundwerkstoff in diesen Bereichen in keiner Weise mehr dem thermisch unbeeinflussten „Originalaltstahl“. Aus diesem Grund sind Abschätzungen der Restnutzungsdauer von

Für die Bewertung der Tragsicherheit von bestehenden E isenbahnbrücken existiert in der Bundesrepublik ­ Deutschland ein ausführliches Richtlinienwerk der Deutschen Bahn AG [3]. Dieses erlaubt bei Einhaltung eines definierten Vorgehensschemas eine relativ sicherere Abschätzung der Tragsicherheit (statisch bzw. vorwiegend ruhend beansprucht) und der Restlebensdauer (zyklisch bzw. sich ständig wiederholend beansprucht) einer schwingend beanspruchten Konstruktion. So wird auf Grundlage der genannten Richtlinie die Tragsicherheit bestehender Bauwerke, unabhängig von ihrer Bauweise in einer oder mehreren der nachfolgenden Bewertungsstufen beschrieben: Stufe 1: Abschätzung der Tragsicherheit (ingenieurmäßige Betrachtung) Stufe 2: überschlägige Ermittlung der Tragsicherheit (Vergleichsrechnung) Stufe 3: genaue Ermittlung der Tragsicherheit (Teilsicherheitskonzept) Stufe 4: messwertgestützte Ermittlung der Tragsicherheit Beträgt das Alter der Brückenkonstruktion mehr als 60 Jahre, ist neben dem Tragsicherheitsnachweis zusätzlich ein Ermüdungsfestigkeitsnachweis zu führen. Bei diesem handelt es sich in der Regel um einen Restnutzungsdauernachweis auf der Basis des Wöhlerlinienkonzeptes (Betriebsfestigkeitsnachweis). In diesem Zusammenhang ermittelt sich der ermüdungsrelevante Belastbarkeitswert βD,UIC nach der Beziehung: βD,UIC =

zul∆σ Be,κ

Φ ⋅ max ∆σ UIC

mit zul∆σBe,κ

zulässige Spannungsdoppelamplitude beim Betriebsfestigkeitsnachweis in Abhängigkeit von Material, Kerbfall und Spannungsverhältnis max∆σUIC maximale Spannungsdifferenz bei Lastbild UIC 71 (ohne Verteilung der Einzelheiten des Lastbildes) Φ Schwingfaktor nach DS 804 Bei βUIC > 1 gilt die Konstruktion als standsicher. Ist dagegen βUIC < 1 sind weitergehende Untersuchungen zur Restnutzungsdauer erforderlich. Für die zulässigen Spannungsdoppelamplituden zul∆σBe,κ werden für ungeschweißte Verbindungen in der Richtlinie werkstoffspezifische Vor­ gaben gemacht [3].

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3


J. Schuster/S. Wagner/S. Keitel · Restnutzungsdauer von geschweißten Altstahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung

Die Restnutzungsdauer R einer bestehenden Eisenbahnbrücke ermittelt sich dann gemäß der nachfolgenden Gleichung: R=

1 – D Verg 0,01 + DZuk

– A ≤ 50 Jahre

mit DVerg Wert für den fiktiven Schaden der Vergangenheit bis zum Jahr 1996 DZuk jährlich akkumulierter Schaden in der Zukunft A Differenz aus dem konkreten Jahr der Berechnung und dem Jahr 1996 Das oben vorgestellte Konzept (für Eisenbahnbrücken) gilt für die in der betreffenden Richtlinie erfassten Grundwerkstoffe im ungeschweißten Zustand [3]. Sollen jedoch an einer Altstahlkonstruktion bei vorliegender und auch nachgewiesener Schweißeignung [4] schweißtechnisch Reparaturen vorgenommen werden, fehlen die erforderlichen

Kennwerte, welche den Einfluss der komplexen schweißtechnischen Wärmebehandlung auf die statischen und zyklischen Eigenschaften beschreiben. Aus diesem Grund schränkt die Richtlinie RIL 805 der DB AG, Modul 0401, das Ausführen von Schweißarbeiten weiterhin ein: „An tragenden Bauteilen von Bauwerken, die vor 1930 erstellt wurden, darf nicht geschweißt werden. Dies gilt auch für Montageschweißungen, die später wieder entfernt werden. An tragenden Bauteilen von Bauwerken, die nach 1930 erstellt wurden, darf nur geschweißt werden, wenn die Zulässigkeit aufgrund des verwendeten Materials eindeutig aus den Unterlagen hervorgeht oder durch Materialuntersuchungen belegt wird.“

3  Historische und gegenwärtig gebräuchliche Stahlerzeugungsverfahren sowie die Bewertung der Schweißeignung damit erzeugter Werkstoffe Viele Stähle, deren Erzeugung vor Mitte des 20. Jahrhunderts liegt, wurden ursprünglich nicht unter Beachtung

Bild 3.  Übersicht über historische und aktuelle Herdofenverfahren Fig. 3.  Overview of the historical and current furnace steel making processes

Bild 4.  Übersicht über historische und aktuelle Konverterverfahren Fig. 4.  Overview of the historical and current converter steel making processes

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J. Schuster/S. Wagner/S. Keitel · Restnutzungsdauer von geschweißten Altstahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung

Bild 5.  Frysche Kraftwirkungsfiguren im Makroschliff, geätzt nach Adler (Foto: SLV Halle GmbH) Fig. 5. “FRYs force figures” in macrosection, etchant acc. to ADLER

Bild 7.  Makrogefüge eines unberuhigt vergossenen Stahls (Foto: SLV Halle GmbH) Fig. 7.  Macro structure of an unkilled steel

Bild 6. Frysche Kraftwirkungsfiguren im Makroschliff, geätzt nach Adler (Foto: SLV Halle GmbH) Fig. 6.  “FRYs force figures” in macrosection, etchant acc. to ADLER

Bild 8.  Durch angeschmolzene Seigerungszone entstandene Schlauchpore (Foto: SLV Halle GmbH) Fig. 8.  Hose pore due to molten segregation zone

ihrer Eignung zum Schweißen hergestellt. Oft fehlen auch bei Altstahlbauwerken genaue Angaben zur Werkstoffspezifikation, die neben der chemischen Zusammensetzung ebenfalls Informationen über die mechanisch-technologischen Eigenschaften und das Erzeugungsverfahren umfassen. Bei Kenntnis des Erzeugungsverfahrens können eine Reihe von Schlussfolgerungen abgeleitet werden, mit deren Hilfe sich die Sicherheit der Bewertung der Schweißeignung verbessern lässt. Aus diesem Grund sind in den Bildern 3 und 4 wichtige historische und aktuelle Stahlherstellungsverfahren sowie die Bewertung der Schweißeignung der jeweils damit erzeugten Stähle dargestellt [4]. Wie zu erkennen ist, sollte die schweißtechnische Verarbeitung von so genannten „Schweiß- bzw. Puddelstählen“ [5] aufgrund ihres sehr hohen inneren Schlackengehaltes grundsätzlich abgelehnt werden. Bei durch Windfrischen hergestellten Stählen, also bei den Bessemer- und Thomasstählen ist die Schweißeignung problematisch und sollte bei fortgeschrittener Alterung infolge ihres in der Regel hohen Stickstoffgehaltes ebenfalls nicht erfolgen. Werden solche

Werkstoffe dennoch mittels Schmelzschweißen gefügt, besteht eine hohe Gefahr der Versprödung und damit der Entstehung von Alterungsrissen, einer speziellen Art von Kaltrissen. Die dafür verantwortlichen Eisennitride können gut mit verschiedenen Makroätzmitteln nachgewiesen werden (Bilder 5 und 6). Bei allen anderen, mit den in den Bildern 3 und 4 aufgeführten Stahlerzeugungsverfahren produzierten Werkstoffen ist die Schweißeignung zum einen sortenabhängig (abhängig von der chemischen Zusammensetzung, dem Anlieferungszustand) und wird ebenfalls stark von der Vergießungsart (unberuhigt, beruhigt) beeinflusst. So wurden bis Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts nahezu alle Baustähle unberuhigt vergossen. Diese zeichnen sich infolge der Baddynamik während ihrer Erstarrung bei Kokillenguss einerseits durch eine sehr reine Randschicht (die so genannte Speckschicht) und andererseits durch einen stark verunreinigten Kern aus (Bilder 7 und 8). Wird dieser beim Schweißen an- bzw. aufgeschmolzen, können u. a. Poren im Schweißgut die Folge

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J. Schuster/S. Wagner/S. Keitel · Restnutzungsdauer von geschweißten Altstahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung

sein (Bild 8), was die Schweißeignung dieser Werkstoffe sehr stark einschränkt.

4  Experimentelle Untersuchungen zur Bewertung der Rest­ nutzungsdauer eines „reparaturgeschweißten“ Altstahls 4.1  Ergebnisse der Schweißeignungsprüfung Als Versuchswerkstoffe standen verschiedene Stähle zur Verfügung, die historischen Bauwerken entnommen wurden. Dazu zählte u. a. ein nachweislich im Jahr 1948 produzierter und aus einer havarierten Schleusenkette ausgebauter Altstahl (Bild 9). Anhand seiner chemischen Zusammensetzung wurde dieser mit großer Wahrscheinlichkeit mittels Windfrischen hergestellt. So betrug sein mittlerer Stickstoffgehalt 0,014 % bei einem gleichzeitig hohen Gehalt an Phosphor (0,078 %). Die Ergebnisse der durchgeführten analytischen und mechanisch-technologischen Werkstoffprüfungen erlaubten seine Zuordnung zur Sorte St 50.11 [6]. Aufgrund eines ausreichend hohen Siliziumgehaltes (0,27 %) sowie der fehlenden „Speckschicht“ (Bild 11) kann davon ausgegangen werden, dass er beruhigt vergossen wurde. Seine Schweißeignung wurde als bedingt eingeschätzt ([7], [8]). Eine weitere Werkstoffprobe stammte aus einer alten Hallenkrananlage, deren Herstellung auf das Jahr 1952 zurückgeführt werden konnte (Bild 10). Entsprechend ihrer chemischen Analyse handelte es sich dabei um einen unberuhigt vergossenen Stahl, da in ihm nur sehr geringe Gehalte an Silizium und Aluminium nachweisbar waren (jeweils nur 0,009 %). Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch einen metallographischen Makroschliff, welcher klar erkennbare „Speckschichten“ auf der Probenober- und Unterseite aufwies (Bild 12). Bezüglich seiner Festigkeits- und Dehnungseigenschaften erlaubten die durchgeführten Werkstoffprüfungen auch hier eine Zuordnung zur historischen Stahlsorte St 50.11 [6]. Bezüglich seiner Gehalte an Schwefel (0,035), Phosphor (0,039 %) und Stickstoff (0,0123 %) zeichnete sich dieser Werkstoff ebenfalls durch eine bedingte Schweißeignung aus ([7], [9]). Weitere Werkstoffproben, die in die Bewertung der Dauerschwingfestigkeit im ungeschweißten und geschweißten Zustand eingingen, stammten aus Konstruktionen aus dem Kalisalzbergbau, der Berliner Untergrundbahn („Kellerbahn“) sowie verschiedenen Wohn- und Industriegebäuden (um das Jahr 1900).

4.2  Dauerschwingmodellversuche an den Grundwerkstoffen und „reparaturgeschweißten“ Proben Die Untersuchung des Ermüdungsverhaltens von thermisch unbeeinflussten (Originalzustand) und „reparaturgeschweißten“, also thermisch veränderten, Modellproben erfolgte mittels Dauerschwingversuchen. Dabei wurden zugprobenartige Prüfkörper entnommen. Tabelle 1 zeigt in diesem Zusammenhang die Vorgehensweise bei der Fertigungsfolge zur Herstellung der „reparaturgeschweißten“ Proben am Beispiel der Schleusenkette. Alle Schweißverbindungen erfassten bei einem Öffnungswinkel von 60° den vollen Werkstoffquerschnitt und wurden im Stumpfstoß mit einer Stabelektrode der Sorte E 38 2 RB 12 nach EN ISO 2560-A [10] unter Anwendung des Lichtbogenhandschweißens ausgeführt. Vergleichbar zu „realen“ Re-

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Bild 9.  Nach einer Havarie ausgebaute Schleusenkette aus dem Jahr 1948 (Foto: M. Fuchs) Fig. 9.  After a disaster removed lock chain from the year 1948

Bild 10.  Teil des Längsträgers einer Hallenkrananlage aus dem Jahr 1952 (Foto: R. Hepp) Fig. 10.  Part of the longidutinal steel beams of a hall crane system from the year 1952

paraturschweißverbindungen an Altstahlkonstruktionen wurde die Oberfläche der einzelnen Proben nur leicht beschliffen, d. h. es wurde einerseits eine metallisch blanke Oberfläche hergestellt, ohne andererseits noch vorhandene Korrosionsnarben zu entfernen und damit eine Querschnittsverminderung zu provozieren. Im konkreten Fall der Schleusenkette lag für die dem unbeeinflussten Grundwerkstoff entnommenen Proben der Abknickpunkt der Wöhlerlinien bei einer Oberspannung σo,N=2 ∙ 106 = 294 N/mm2 (Pü = 50 %) und zwei Millionen Lastwechseln. Die Proben erwiesen sich bei einer Oberspannung σoD = 273 N/mm2 (Pü = 50 %) als dauer­ schwingfest (Bild 13). Bei den geschweißten Proben ergab sich dagegen ein Abknickpunkt bei 2,5 Millionen Lastwechseln. Zum besseren Vergleich wurde die charakteristische Oberspannung jedoch ebenfalls bei zwei Millionen Lastwechseln und einer Oberspannung von σo,N=2 ∙ 106 = 210 N/mm2 (Pü = 50 %) betrachtet. Wie aus Bild 14 zu ent-


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Bild 11.  Makroaufnahme des Altstahls der Schleusenkette mit ausgeprägten Fryschen Kraftwirkungsfiguren, geätzt mit Adler (Foto: SLV Halle GmbH) Fig. 11.  Macro structure of the steel from the lock chain with well developed “FRYs force figures”, etchant acc. to ADLER

Bild 12.  Makroaufnahme des Altstahls der Krananlage mit erkennbarer „Speckschicht“ an den Probenrändern, geätzt mit Adler (Foto: SLV Halle GmbH) Fig. 12.  Macro structure of the steel from the hall crane ­systeme with well developed “Layer of Fat”, etchant acc. to ADLER

Tabelle 1.  Schematische Darstellung der Fertigungsfolge für die Herstellung der „reparaturgeschweißten“ Proben für die ­Dauerschwingversuche [7] Table 1.  Schematic representation of the production sequence for the manufacturing of the “repair-welded” samples for the SN-tests [8] abgebildeter Fertigungsschritt

Beschreibung des Fertigungsschrittes

1

Mittelstückentnahme aus dem jeweiligen Altstahlsegment

2

Lichtbogenhandschweißen eines Testcoupons unter Vorspannung von jeweils zwei ­Mittelstücken quer zur Walzrichtung

3

Entnahme der jeweils benötigten Probenanzahl aus einem Testcoupon (Probenanzahl abhängig von der Größe des jeweiligen Testcoupons)

nehmen ist, gelten diese Proben bei einer Oberspannung von σoD = 192 N/mm2 als dauerfest. Die Gegenüberstellung beider Schaubilder lässt zunächst erkennen, dass die Werte der Wöhlerlinie der geschweißten Proben (Bild 14), wie angenommen, unterhalb der des Grundwerkstoffs (Bild 13) liegen. Werden in diesem Zusammenhang die in den Dauerschwingproben entstandenen Risslagen miteinander ver­ glichen, fällt auf, dass bei den ungeschweißten Grund­ werkstoffproben die Ermüdungsrisse in der Mehrzahl der Fälle an durch Rostnarben hervorgerufenen Kerben auf der Grundwerkstoffoberfläche ihren Ausgang nahmen (Bild 15a). Dem gegenüber wurden bei den „reparaturgeschweißten“ und beschliffenen Proben die entstandenen Ermüdungsrisse an Kerben (Schleifriefen, Schlackeneinschlüsse) in der Decklage und/oder Wurzel des Schweißgutes initiiert (Bild 15b). Weitere charakteristische Kerb­ lagen waren die Naht- und Lagenübergänge bei den un­ beschliffenen (Bild 15c) sowie der Wurzelspalt bei den

kehlnahtgeschweißten Proben (Bild 15d). Hinweise auf eine Rissentstehung in der durch das Schweißen wärme­ behandelten und damit thermisch veränderten Wärme­ einflusszone lieferten die Ergebnisse der Dauerschwingversuche jedoch in keinem einzigen Fall. Werden die Ergebnisse der Dauerschwingfestigkeitsuntersuchungen von durch Einebnen (Beschleifen) der Nahtüberhöhung in ihrer Kerbempfindlichkeit verringerter „reparaturgeschweißter“ Proben mit den Resultaten von Wöhlerlinienversuchen verglichen, die am unbeeinflussten Grundwerkstoff gewonnen wurden, ergaben sich die in den Bildern 16 und 17 beispielhaft dargestellten Kurvenverläufe. Wie zu erkennen ist, zeigt die bei der schweißtechnischen Verarbeitung stattgefundene Wärmebehandlung beim Fehlen von für Schweißverbindungen charakteristische Kerben (z. B. Wurzel- und Nahtüberhöhung) nahezu keinerlei Wirkung auf die Dauerschwingfestigkeit und damit die „Lebens- bzw. Restnutzungsdauer“ der betroffenen Proben.

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Bild 13.  Wöhlerlinie – Grundwerkstoff (Schleusenkette) Fig. 13.  SN curve – base material (lock chain)

Bild 14.  Wöhlerlinie – geschweißte Proben, nicht eingeebnet (Schleusenkette) Fig. 14.  SN curve – welded samples (lock chain)

5  Diskussion der Versuchsergebnisse Im Allgemeinen ist bei durch Dauerschwingversuche ermittelten Wöhlerkurven deren Neigung (m) Ausdruck für die Kerbwirkung des untersuchten Details. Hierbei steht eine steile Neigung für eine hohe Kerbwirkung. In diesem Zusammenhang weisen Grundwerkstoffe in den meisten Fällen eine wesentlich geringere Kerbwirkung als ge-

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schweißte Proben auf. Bei den untersuchten Werkstoff­ zuständen (ungeschweißt, geschweißt) stellte sich jedoch eine nahezu identische Neigung ein (mGW = 7,5; mSG = 7,9). Somit kann geschlussfolgert werden, dass ­zwischen den untersuchten Werkstoffzuständen (ungeschweißt, geschweißt) keine signifikanten Unterschiede bestehen und damit im konkreten Fall das „Reparaturschweißen“ zu keiner die Restnutzungsdauer nachteiligen


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Bild 15.  Typische Risslagen bei den im Dauerschwingversuch geprüften Proben: a) Grundwerkstoff und Auftragschweißgut beschliffen; b) Stumpfstoß, beschliffen; c) Stumpfstoß, unbeschliffen; d) Kehlnaht, Kreuzstoß unbeschliffen (Fotos: SLV Halle GmbH) Fig. 15.  Typical crack locations in the samples testet in the SN-tests: a) base material and weld deposit, grinded; b) butt weld, grinded; c) butt weld, not grinded; d) fillet weld, cross sample, not grinded

Bild 16.  Wöhlerlinie – Grundwerkstoff (Hallenkrananlage) Fig. 16.  SN curve – base material (hall crane)

Beeinflussung bei schwingender Beanspruchung geführt hat. In Tabelle 2 wurden beispielhaft die aus EN 1993-1-9 [11] und EN 13 001-3-1 [12] für den Grundwerkstoff und

die „reparaturgeschweißten“ Proben abgeleiteten Kerbfälle bzw. Kerbklassen (FAT-Klassen) ins gegenseitige Verhältnis gesetzt, um diese mit der Schwingbreite bei zwei Millionen Lastwechseln der untersuchten Proben vergleichen zu

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Bild 17.  Wöhlerlinie – geschweißte Proben, eingeebnet (Hallenkrananlage) Fig. 17.  SN curve – welded samples (hall crane) Tabelle 2.  Schwingfestigkeiten der untersuchten Altstähle ([7], [9]) Table 2.  Comparison of the “FAT classes” with the characteristic fatique resistance of the examined historic steels Lage

konstruktives Detail

Kerbfall, Kerbklasse in N/mm2 nach

Schwingbreite Dσ bei 2 Mio. Schwingspielen

EN 1993-1-9

EN 13 001-3-1

R = 0,1

R = 0,5

Grundwerkstoff gewalztes Blech

160

180

307

258

1,0

1,0

Auftragsraupe WEZ, beschliffen

160

180

311

271

Stumpfstoß Bewertungsgruppe B, nicht beschliffen

90

125

130

109

0,8

1,0

Stumpfstoß Bewertungsgruppe B, beschliffen

112

125

190

160

Kehlnaht, Kreuzpr. Bewertungsgruppe B, nicht beschliffen

36

71

77

65

können (vgl. Bilder 13 und 14). Zu beachten ist, dass die Angaben für die Kerbfälle bzw. -klassen für Neuwerkstoffe gelten und nicht explizit für Altstähle aufgestellt wurden. Dieser Vergleich verdeutlicht, dass für die untersuchten Altstähle nachträglich weitgehend kerbfrei beschliffene

10

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~ 1,0

~ 0,7

„Reparaturschweißungen“ offensichtlich keinen Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit Werkstoffe bei Raumtemperatur hatten. Diese Aussage ist deshalb interessant, da entsprechend den durchgeführten metallographischen und mechanisch-technologischen Untersuchungen die Stähle


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Bild 18.  Empfehlung zu Bewertung der Restnutzungsdauer (←: Untersuchungsabbruch; ↓: Untersuchung fortsetzen; → Übergang zur Restnutzungsdauerbewertung, wenn Schweißeignung vorhanden) Fig. 18.  Recommendation for the assessment of the rest utilization time (←: termination of the investigation; → transition to the recommendation for the assessment of the rest utilization time, if weldibility is available)

nur als bedingt schweißgeeignet eingestuft werden konnten ([7], [8], [9]). Auch die diesbezüglichen Ergebnisse der Kerbschlagbiegeversuche bei Raumtemperatur und –20 °C ergaben eine deutlich stattgefundene Alterung. So erfüllte keiner der untersuchten Werkstoffe die aktuelle Mindestgrenze der Kerbschlagarbeit von 27 J. Oft lagen die Kerbschlagarbeitswerte sogar unter 10 J. Auch das Vorhandensein von Fryschen Kraftwirkungsfiguren in zahlreichen Makroschliffen bestätigt diesen Sachverhalt (vgl. Bild 11). Dabei handelt es sich um Anreicherungen von sich im Lebenszyklus der betroffenen Stähle gebildeten Eisennitriden im Werkstoffgefüge.

fahren hergestellten Altstählen und unterschiedlichen Kerbfällen (FAT-Klassen) verifiziert wird. Über die Ergebnisse dieser Arbeiten wird zu gegebener Zeit berichtet.

6  Zusammenfassung der Versuchsergebnisse

Danksagung

Zur Bestimmung der Beeinflussung der Restnutzungsdauer bedingt schweißgeeigneter und „reparaturgeschweißter“ Altstähle wurden vergleichende Dauerschwingversuche durchgeführt. Bei nahezu allen Proben gingen die entstandenen Anrisse entweder von noch vorhandenen Rostnarben (Tiefe bis zu 1 mm) auf der Grundwerkstoffoberfläche bzw. von Kerben im Bereich der Schweißgutdecklage bzw. -wurzel aus (vgl. Bild 15). Schädigungen, die durch die thermischen Veränderungen in der Wärmeeinflusszone hervorgerufen wurden, waren nicht nachweisbar. Die vorliegenden Untersuchungen lassen somit die Schlussfolgerung zu, dass bei vorhandener und auch eingeschränkter Schweißeignung eines Altstahles, die Restnutzungsdauer durch eine ordnungsgemäße schweißtechnische Verarbeitung nicht signifikant verändert wird, so lange diese frei von scharfen Kerben ist. Einschränkend muss festgestellt werden, dass diese Schlussfolgerung durch weitere Untersuchungen an mit verschiedenen Ver-

Die Autoren bedanken sich bei den nachfolgenden Institutionen und Unternehmen für die aktive Unterstützung der Untersuchungen: Wasser- und Schifffahrtsamt Schweinfurt, Bauhof Würzburg, K+S Kali GmbH, Kassel, lavis ­engineering gmbh Halle, Schachtbau Nordhausen GmbH und Butzkies Stahlbau GmbH, Krempe. Das Forschungsvorhaben wurde durch das Bundes­ ministerium für Wirtschaft und Technologie, Projektträger EuroNorm GmbH, unter dem Kennzeichen MF120072 gefördert.

7  Empfehlung zur Vorgehensweise zur Bewertung der Restnutzungsdauer Ausgehend von den im Beitrag dargestellten Untersuchungsergebnissen wird die in Bild 18 zusammengefasste Vorgehensweise (Entscheidungsschema) zur Bewertung der Restnutzungsdauer reparaturgeschweißter Altstahlkonstruktionen empfohlen.

Literatur [1]  Geißler, K., Graße, W., Brandes, K.: Bewertung bestehender Stahlbrücken. Stahlbaukalender 2006. Berlin: Ernst & Sohn, S. 485–548. [2] Projektgruppe Bundesverkehrswegeplanung: Bundesverkehrswegeplan 2030. Berlin: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016.

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[3]  Deutsche Bahn AG: Richtlinie „Tragsicherheit bestehender Eisenbahnbrücken“ Modulreihe 805, Ausgabe: 2008-11. [4]  Schuster, J., Schulze, E., Grutke, W., Buneß, K.: Altstähle und ihre Eignung zum Schmelzschweißen. DVS Jahrbuch Schweißtechnik 2002, Düsseldorf: DVS-Verlag GmbH 2001. [5]  Schuster, J.: Von Puddings, Paddelbooten und altem Eisen. Der Praktiker, Düsseldorf, 62 (2010) 4, S. 168–170. [6]  Küntscher, W., Kilger, H., Biegler, H.: Technische Baustähle – Eigenschaften, Behandlung, Verwendung, Prüfung. Halle (Saale): Wilhelm Knapp Verlag 1958. [7] Merkblatt E-7-3-05/D: Sanierung Historischer Stahl- und Gusskonstruktionen nach WTA I: Schweißen von Altstahl. Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. [8]  Baule, N.: Einfluss des Reparaturschweißens auf vorwiegend ruhende und zyklische Beanspruchbarkeit von Konstruktionen und Bauteilkomponenten aus Altstählen. Halle: Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt GmbH, 2013, Leipzig: Hochschule für Technik Wirtschaft und Kultur Leipzig, 2013. [9]  Gajda, C.: Beurteilung des Einflusses einer schweißtech­ nischen Verarbeitung auf die Restlebensdauer von sogenannten Altstählen bei ausgewiesener Schweißeignung. Halle:

Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt GmbH, 2014, Köthen: Hochschule Anhalt, 2014. [10]  EN ISO 2560: Schweißzusätze: Umhüllte Stabelektroden zum Lichtbogenhandschweißen von unlegierten Stählen und Feinkornstählen – Einteilung. Ausgabe: 2006-03. [11]  DIN EN 1993-1-9: Eurocode 3 – Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-9: Ermüdung. Ausgabe: 2010-02. [12]  DIN EN 13001-3-1: Krane – Konstruktion allgemein – Teil 3-1: Grenzzustände und Sicherheitsnachweis von Stahltragwerken.

Autoren dieses Beitrages: Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Schuster, schuster@slv-halle.de, Dipl.-Ing. Steffen Wagner, wagner@slv-halle.de, Prof. D.-Ing. Steffen Keitel, gf@slv-halle.de Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Halle GmbH, Köthener Straße 33a, 06118 Halle (Saale)

Aktuell Special Engineering Award 2016 an SEH Engineering GmbH Der europäische Stahlbauverband (ECCS) hat bei der Verleihung des ­Europäischen Brückenbaupreises 2016 den Spezialpreis für Engineering an die Botlekbrücke verliehen. Damit ging der Preis an ein internationales Team, das aus den österreichischen Ingenieuren der VCE aus Wien, den Maschinenbauingenieuren der Waagner Biro (Wien), den Ingenieuren der SEH Engineering GmbH aus Hannover, dem Auftraggeber a-lanes und dem Architekten Paul Wintermans (Niederlande) bestand. Die Botlekbrücke im Hafen von Rotterdam ist die weltweit größte DoppelHub-Brücke und wurde von 2013 bis 2015 durch die SEH Engineering GmbH aus Hannover gebaut. Sie ist das Kernstück einer Autobahnverlängerung der A15 und führt über die Alte Maas eine Autobahn mit zwei Richtungsfahrbahnen, eine Eisenbahnlinie mit zwei Gleisen sowie einen Fuß- und Radweg. Die Stahlkonstruktion jeder der Brücken besteht aus drei parallelen Fachwerkscheiben, die in Längsrichtung 92,00 m und in Querrichtung 47,45 m betragen. Die Brücke hat die Fähigkeit, innerhalb von 109 s ihre Höhenlage um ca.

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Gesamtansicht der Botlekbrücke (Foto: seh.eiffage)

42 m zu verändern und dabei ein Gesamtgewicht von 5 000 t zu bewegen. Dies erfolgt bei einer kontinuierlichen Geschwindigkeit von 43 cm/s. Für die SEH Engineering GmbH ist die Auszeichnung eine Bestätigung ihrer seit Jahren praktizierten Orientierung auf Projekte und Aufträge mit hoher Komplexität und höchsten Ingenieurleistungen. An der Botlekbrücke hat die SEH die Basisplanung weiterentwickelt und Lösungen entwickelt, die wesentlichen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit und die Bewältigung der Anforderungen aus den permanenten Hub- und Absenkvorgängen haben.

Für die Botlekbrücke waren unterschiedliche Ingenieurdisziplinen wie der Stahlbrückenbau, der Maschinenbau, die Lagertechnologie unter großem Zeitdruck zusammenzuführen. Es gelang „nebenher“ ein neues Schweißverfahren für die Herstellung der Botlek-Brückenfahrbahn zu entwickeln und zu patentieren. Das kluge Gestalten der Brückenkonstruktion, die Herstellung und Integration der hochkomplexen Maschinenbauund Steuerungselemente wurde in einer Rekordzeit von drei Jahren umgesetzt. Die Brücke wurde planmäßig im Sommer 2015 in Betrieb genommen.


Fachthemen Ömer Bucak Imke Engelhardt Heinrich Ehard Slobodan Rodic

DOI: 10.1002/stab.201710444

Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus ­quadratischen Hohlprofilen Im Jahr 1984 wurden die ersten ausgearbeiteten Vorschläge zur Kerbfalleinteilung geschweißter X-Knoten aus Rechteckhohlprofilen (RHP) von Mang und Bucak ([8], [9]) dem Normengremium der DIN EN 1993-1-9 [1] vorgelegt. Diese Normvorschläge basierten auf umfangreichen versuchstechnischen Untersuchungen und berücksichtigten die Ermüdungsfestigkeit geschweißter X‑Knoten in Abhängigkeit der vorhandenen Breiten- (b/bo) und Wanddickenverhältnisse (to/t). Da zu diesem Zeitpunkt der Umfang der Eurocode 3-Regelungen nicht vergrößert werden sollte, wurden die ausgearbeiteten Normvorschläge nicht aufgenommen. In der aktuellen Fassung der DIN EN 1993-1-9 [1], dem IIW-Dokument [2] sowie der FKM-Richtlinie [4] sind zur Kerbfalleinteilung geschweißter X-Knoten aus RHP keine Vorgaben nach dem Nennspannungskonzept enthalten. Die Kranbaunorm DIN EN 13001-3-1 [3] macht zu dieser Thematik zwar Vorgaben, diese sind allerdings äußerst konservativ gehalten. Der CIDECT Design Guide Nr. 8 [12] enthält für die Bemessung geschweißter Hohlprofilkonstruktionen in Form von T- bzw. X-Knoten nach dem Nennspannungskonzept keine Angaben. In [12] sind allerdings ausführliche Angaben in Form von Bemessungsformeln und -diagrammen zur Ermittlung der Spannungen (SCF) und Dehnungen (SNCF) sowie Bemessungs-Wöhlerlinien für geschweißte Rundund Rechteckhohlprofilkonstruktionen nach dem Strukturspannungskonzept enthalten. Auf ausdrücklichen Wunsch industrieller Forschungspartner wurden in den vergangenen Jahren im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau der Hochschule München in direkter Zusammenarbeit mit der Labor für Stahl- und Leichtmetallbau GmbH, Kissing, im Rahmen eines AIF- Forschungsprogramms [13] weiterführende Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus RHP durchgeführt, auf deren Basis eine Überprüfung sowie Erweiterung des damaligen Normungsvorschlags von Bucak und Mang ([8], [9]) erfolgte. Hierbei wurde neben der Berücksichtigung weiterer geometrischer Parameter (speziell Wanddickenverhältnis to/t ≥ 2,0) auch die Anwendbarkeit der vorgeschlagenen Kerbfall­ einteilungen ([8], [9]) bei einer Verwendung moderner Stahlrohrgüten und aktueller, prozesssicherer Schweißverfahren überprüft und ggf. angepasst. Im folgenden Beitrag werden hierzu neu ausgearbeitete Normungsvorschläge auf Basis aktueller und umfangreicher versuchstechnischer Untersuchungen vorgestellt. Fatigue behaviour of X-joints made of rectangular hollow sections. In 1984 Mang and Bucak ([8], [9]) presented their first detailed proposal for FAT-classes for welded X-sections made of rectangular hollow sections (RHS) to the committee of regulations for the DIN EN 1993-1-9 [1]. The proposal was based on ex-

perimental investigations of welded X-joints of RHS with different width (b/bo) and thickness (to/t) ratios, but were not accepted because the scope of the Eurocode 3 regulation should not be enlarged at that time. There are no FAT-classes for welded X-sections made of RHS in the current version of DIN EN 1993-1-9 [1], the IIW document [2] and the FKM guideline [4] for a nominal stress approach. There are specifications in the crane construction code DIN EN 130013-1 [3] but they are very conservative. CIDECT Design Guide No. 8 [12] also does not contain information referring this issue based on the nominal stress concept, but it gives detailed specifications like assessment formulas and graphs for the determination of the stresses (SCF) and strains (SCNF) for welded rectangular and hollow sections on the base of the structural stress concept. At the university of applied sciences Munich and the Labor für Stahl und Leichtmetallbau GmbH, Kissing, further investigations in the research project [13] were executed upon request of several industrial partners with focus on the fatigue behaviour of welded X-sections made of RHS. Based on the results, a verification and extension of the code proposal of Mang and Bucak ([8], [9]) has been prepared. The main focus of this new investigation was the fatigue behaviour of bigger thickness ratios (to/t ≥ 2,0) as well as actual tube grades and welding procedures with high process reliability. This article summarizes the results and the new code proposal.

1 Allgemeines Geschweißte, X-förmige Knotenpunkte aus Rechteckhohlprofilen werden beim Anschluss vieler Konstruktionen aus dem schweren Stahlbau, dem Kranbau, dem Landmaschinenbau, dem allgemeinen Maschinenbau und dem Anlagebau eingesetzt. Dabei wird der Detailpunkt „X-Knoten“ oftmals herangezogen, um komplexe Konstruktionen aus den genannten Bereichen hinsichtlich deren Lebensdauer zu beurteilen, da hier die einzelnen Konstruktionsdetails mit ihren einwirkenden Beanspruchungen aus der Globalstruktur herausgelöst und so auf diesen einfachen Detailpunkt zurückgeführt werden können. Bei der Bemessung derartiger Rechteckhohlprofilverbindungen haben die geometrischen Verhältnisse von Gurtrohr und Strebe eine ganz entscheidende Rolle auf die Ermüdungstragfähigkeit (Bild 1). Als hier relevante geometrische Parameter können das Breitenverhältnis β, das Wanddickenverhältnis τ sowie die Gurtschlankheit γ genannt werden.

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

Bild 1.  Konstruktionsdetails und geometrische Parameter Fig. 1.  Construction details and geometrical parameters

Bild 2.  Relevante geometrische Parameter (links) sowie Extrapolationspfade für die Strukturspannungsermittlung (rechts) [12] Fig. 2.  Relevant geometrical parameters (left) and extrapolation path for the hot spot stress calculation (right) [12]

2  Geschweißte Hohlprofile – Spannungsverteilung und ­Bemessung Bei geschweißten Hohlprofilkonstruktionen (sowohl Rund- als auch Rechteckhohlprofile) kommt es im Verschneidungsbereich der Rohre zu lokalen Spannungsüberhöhungen. Diese Spannungsüberhöhungen sind jedoch über den Verschneidungsbereich nicht gleichförmig, da die Steifigkeit entlang der Schnittlinien der Profilquerschnitte – Gurtrohr und Strebe – nicht gleichförmig ist. Es kommt somit zu einer unterschiedlich großen, lokalen Spannungserhöhung, die bei der Bemessung des Anschlusses berücksichtigt werden muss. Hinsichtlich der Größe dieser bemessungsrelevanten Spannungsspitzen spielen die geometrischen Parameter der Hohlprofile (β, τ und γ, s. Bild 1) eine entscheidende Rolle.

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Die Bemessung geschweißter Hohlprofilverbindungen erfolgt im Bauwesen üblicherweise in Form einer der folgenden beiden Methoden: Nennspannungsmethode: Die Nennspannungsmethode beruht auf der Auswertung von Versuchsergebnissen durch statistische Methoden. Es werden hierbei Konstruktionsdetails verschiedener Anschlusstypen und geometrischen Verhältnissen (β, γ, τ nach Bildern 1 und 2) Kerbfälle zugeordnet. Der Kerbfall entspricht hier dem Ermüdungswiderstand des Konstruktionsdetails, die Spannungsermittlung erfolgt mittels elastischer Tragwerksberechnung auf Grundlage der nominalen Spannung Δσnenn. Für die Nennspannung werden in Abhängigkeit des Kerbdetails gewisse Anwendungsgrenzen (Breitenverhältnisse, Blechdickenverhältnisse, max.


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Bild 3.  Ermüdungsfestigkeitskurven KHP-Anschlüsse (gültig für t = 4 bis 50 mm) und RHP-Anschlüsse (gültig für t = 4 bis 16 mm) für die Strukturspannungsmethode [12] Fig. 3.  Fatigue stress curves for CHS joints (t = 4 to 50 mm) and RHS joints (t = 4 to 16 mm) according to the hot spot stress method [12]

Schweißnahtdicken) angegeben, die den versuchstechnisch untersuchten Parameterbreich abstecken. Strukturspannungsmethode: Bei der Strukturspannungsmethode wird die Lebensdauer eines Anschlusses nicht auf die Nenn- sondern auf die Strukturspannung bezogen. Die Strukturspannung Δσhss berücksichtigt neben der ungleichförmigen Spannungsverteilung entlang der Schnittkontur auch die Beanspru-

chung, jedoch keine Einflüsse aus der Fertigung (also keine Schweißnahtform oder Nahtradien). Die Ermittlung der Strukturspannung Δσhss erfolgt durch Multiplikation der Nennspannung mit zughörigen SCF-Faktoren (Spannungskonzentrationsfaktoren). Die Bemessung erfolgt durch Gegenüberstellung der auftretenden Strukturspannung und der Strukturspannungs-Wöhlerlinie (s. Bild 3). Die SCFFaktoren wurden auf Basis von Dehnungsmessungen bzw. FE-Berechnungen durch Extrapolation von definierten Punkten vor dem Schweißnahtfuß bzw. der bruchkritischen Stelle ermittelt (s. hierzu Bild 2, rechts) und stehen als Bemessungsdiagramme bzw. numerische Formeln zur Verfügung. Detailliertere Information zum Strukturspannungskonzept können [12] entnommen werden. Es ist eine weitere Bemessungsmethode auf Basis des Kerbspannungskonzepts vorhanden. Diese wird im Bauwesen allerdings üblicherweise nicht eingesetzt, da sie mit einem hohen Rechen- und Modellierungsaufwand (FE) verbunden ist.

3  Normative Regelung In der aktuell gültigen Bemessungsnorm für ermüdungsbeanspruchte Stahlkonstruktionen (DIN EN 1993-Teil 1.9 [1]) sind keine expliziten Vorgaben zur Kerbfalleinteilung für X-Knoten aus Rechteckhohlprofilen (RHP) enthalten. In der gültigen Bemessungsnorm für Kranbauten (DIN EN 13001-Teil 3.1 [3]) hingegen sind Vorgaben zur der Kerbfalleinteilung geschweißter X-Knoten aus Rechteckhohlprofilen sowohl für eine axiale Beanspruchung (Kerbdetail 8, Bild 4) als auch Biegung in der Ebene (IPB, Kerbdetail 25, Bild 5) bzw. aus der Ebene heraus (OPB, Kerbdetail 25, Bild 5) vorhanden. Dabei sind die jeweiligen Anwendungsgrenzen zu beachten (vgl. Bilder 4 und 5). Weiterhin ist zu beachten, dass in DIN EN 13001-3-1 [3]

Bild 4.  FAT Klassifizierung nach DIN EN 13001-Teil 3.1 – Axialbeanspruchte X-Knoten mit Anwendungsgrenzen Fig. 4.  FAT classification in accordance with DIN EN 13001-3-1, axial loaded X-joints with limits of applicability

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Bild 5.  FAT Klassifizierung nach DIN EN 13001-Teil 3.1 – Biegebeanspruchte X-Knoten (IPB/OPB) mit Anwendungsgrenzen Fig. 5.  FAT classification in accordance with DIN EN 13001-3-1, bending loaded X-joints with limits of applicability

zur Beschreibung des Wanddickenverhältnisses τ = to/ti, in EN 1993-1-9 [1] grundsätzlich der Kehrwert τ = ti/t0 verwendet wird. Bei Betrachtung der Regelungen nach [3] kann festgestellt werden, dass die vorgenommenen Kerbfalleinteilungen für ermüdungsbeanspruchte RHP T- bzw. X-Knoten aufgrund des großen Parameterbereichs, der abgedeckt wird, sehr grob und damit auch sehr konservativ sind! In der CIDECT-Monographie Nr. 8 [12] sind ebenso Angaben zum Nachweis geschweißter Rechteckhohlprofile enthalten – allerdings nach der Strukturspannungsmethode. Diese Vorgaben sind aus Sicht der Autoren teilweise jedoch auch zu konservativ gehalten, sodass die Vorteile die sich durch Verwendung geschweißter Rechteckhohlprofile ergeben, nicht richtig herausgestellt werden können.

4  Vorhandener Bemessungsentwurf für axialbeanspruchte X-Knoten Im Jahre 1984 wurde von Mang und Bucak ([8], [9]) ein erster Vorschlag zur Bemessung von axialbeanspruchten X-Knoten unter Ermüdungsbelastung nach dem Nennspannungskonzept ausgearbeitet. Dieser Vorschlag beruht auf den bis dato durchgeführten versuchstechnischen Untersuchungen und gibt die Ermüdungsfestigkeiten in Abhängigkeit der vorliegenden Breiten- bzw. Dickenverhältnisse an (Bild 6). Der o. g. Normvorschlag beruht auf 42 Ermüdungsversuchsserien. Die Probekörper hierfür wurden mit dem Verfahren E-Hand (111) geschweißt. In Bild 7 sind die zugehörigen Versuchsserien mit ihren vorhandenen Breitenund Wanddickenverhältnissen für den Parameterbereich 0,6 ≤ b/bo < 1 und to/t > 1,5 dargestellt. Tabelle 1 zeigt die einzelne statistische Auswertung der für den Parameterbereich 0,6 ≤ b/bo < 1 und to/t > 1,5 des „alten“ Normvorschlags (vg. Bild 6) zugrunde liegenden Versuchsserien für eine feste Neigung m = 5 als Pü = 97,5 %-Werte, bei einer Aussagewahrscheinlichkeit von 75 %. Diese Tabelle dient als Vergleich für die neu durchgeführten versuchstechnischen Untersuchungen in Abschnitt 5. Für den Parameterbereich b/bo= 1 und to/t ≥ 1,0 liegen nur relativ wenige „alte“ Versuchsergebnisse (lt. [11]) vor. Die zu diesem Parameterbereich zugehörige „alte

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Bild 6.  Vorschlag Mang/Bucak zur Bestimmung der k-Faktoren für die Bemessung der X-Knoten aus Rechteck-Hohlprofilen [8], [9] Fig. 6.  Proposal of Bucak/Mang for determination of k-factors for dimensioning of RHS X-joints [8], [9]

Versuchsbasis“ wurde daher im Rahmen dieses Artikels nicht berücksichtigt. Für die in Tabelle 1 farblich gekennzeichneten Serien I/115, I/116 und I/129 existieren neue Versuchsdaten mit identischen Querschnittsabmessungen (vgl. Tabelle 4). Bei Betrachtung des „alten“ Normvorschlages (vgl. Bild 6) wird deutlich, dass speziell für Wanddickenverhältnisse to/t ≥2,0 nur sehr grobe und weitläufige Bemessungsempfehlungen vorliegen und einer Erweiterung bedürfen. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass die vorliegenden Versuchsergebnisse aus den 1980er Jahren stammen, also relativ alt sind. Durch die neuen Stahlrohrgüten und speziell auch prozesssicheren Schweißverfahren wird erwartet, dass nach heutigem Stand der Technik hergestellte X‑Knoten aus RHP höhere Ermüdungstragfähigkeiten aufweisen. Im Rahmen dieses Artikels soll die Vorgehensweise und Versuchsmatrix dargestellt werden, auf deren Basis eine Erweiterung und Anpassung dieses in Bild 6 dargestellten Bemessungsvorschlags vorgenommen wird. Dabei werden die folgenden Ziele verfolgt: 1) Erweiterung des bestehenden Normvorschlags axialbeanspruchter X-Knoten, speziell für große Wanddickenverhältnisse to/t ≥ 2,0


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Bild 7.  Wöhlerlinie für X-Knoten aus mit to/t > 1,5 (jetzt t/to < 0,67) und 0,6 ≤ b/b0 ≤ 1,0 nach [9] Fig. 7.  S/N curve for RHS X-joints with to/t > 1,5 (now t/to < 0,67) and 0,6 ≤ b/b0 ≤ 1,0 [9] Tabelle 1.  Zugrunde liegende Versuchsbasis für Normvorschlag von Bucak und Mang [8], [9] – neu statistisch ausgewertet Table 1.  Underlining experimental basis for standard recommendation of Bucak/Mang [8], [9] – with new statistic evaluation Abmessungen

Serie

bi/bo

to/ti

Anzahl Versuche

Versuche Pü = 97,5% M = 5,0

Gurtstab

Füllstab

urspr. Bezeichnung

100×100×10

80×80×4,0

I/115

X20S13

0,8

2,5

5

25 MPa

100×100×8,0

80×80×4,0

I/116

X20S14

0,8

2,0

10

32 MPa

100×100×6,3

100×100×4,0

I/117

S20S15

0,8

1,58

7

30 MPa

100×100×8

60×60×4,0

I/129

X20S49

0,6

2,0

10

32 MPa

100×100×6,3

60×60×4,0

I/131

X20S27

0,6

1,58

4

27 MPa

100×100×6,3

90×90×3,0

I/133

X20S30

0,9

2,1

10

31 MPa

100×100×8,0

90×90×4,0

I/134

X20S50

0,9

2,0

7

25 MPa

160×160×8,0

100×100×4,0

I/136

X20S31

0,63

2,0

5

24 MPa

160×160×10,0

100×100×4,0

I/137

X20S32

0,63

2,5

5

30 MPa

100×100×6,3

90×90×4

I/140

X20S35

0,9

1,58

5

29 MPa

140×140×9,0

100×100×4,0

I/141

X20S36

0,71

2,25

5

33 MPa

200×200×8,0

100×100×4,0

I/135*

X20S51*

0,5

2,0

4

14 MPa

* zusätzliche Serie zur Berücksichtigung kleiner Breitenverhältnisse aus [11]

2) Überprüfung der vorhandenen Regelungen für axialbeanspruchte X-Knoten und ggf. Höherstufung der bestehenden Kerbfalleinteilungen aufgrund aktueller Versuchsergebnisse 3) Ausarbeitung eines Normvorschlages für axialbeanspruchte RHP-X-Knoten unter Ermüdungsbeanspruchung auf Grundlage des Vorschlags von Bucak und Mang ([8], [9])

4) Ausarbeitung eines ersten Vorschlags für biegebeanspruchte RHP-X-Knoten

5  Weiterführende, versuchstechnische Untersuchungen Aus vorab genannten Gründen wurden von der Hochschule München in direkter Zusammenarbeit mit der Labor für Stahl- und Leichtmetallbau GmbH umfangreiche

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Tabelle 2.  Versuchsplan der T- und X-Knoten aus Rechteckteckhohlprofilen unter Axialbeanspruchung [13] Table 2.  Test planning RHS T- and X-joints, axial loading [13] Abmessungen Gurtstab

Füllstab

100×100×10,0

60×60×4,0

Serie

bi/bo

to/ti

4.1

0,60

2,50

100×100×10,0

80×80×4,0

4.2

0,80

2,50

100×100×10,0

100×100×4,0

4.3

1,00

2,50

100×100×7,1

60×60×4,0

4.4

0,60

1,78

100×100×8,0

60×60×40

4.5

0,60

2,0

100×100×8,0

80×80×4,0

4.6

0,80

2,00

100×100×10,0

100×100×10,0

4.7

1,00

1,00

100×100×8,0

100×100×4,0

4.8

1,00

2,00

100×100×4,0

60×60×4,0

4.9

0,60

1,00

100×100×4,0

80×80×4,0

4.10

0,80

1,00

Anmerkung

Variation der Schweißnahtausführung (Kehlnähte/Stumpfnähte) sowie der Art der Hohlprofilherstellung (RHP nach EN 10210 bzw. EN 10219)

Variation der Schweißnahtausführung (Kehlnähte/Stumpfnähte)

Entspricht Geometrien alter Versuche aus den 90er Jahren [11], Serie zu Vergleichszwecken mit aufgenommen

Tabelle 3.  Versuchsplan der T- und X-Knoten aus Rechteckteckhohlprofilen unter Biegebeanspruchung (IPB/OPB) [13] Table 3.  Test planning RHS T- and X-joints, bending load (IPB/OPB) [13] Belas­ tungs‑Art

IPB

Abmessungen

Abmessungen

bi/bo

to/ti

60×60×4

2.10

0,60

1,00

100×100×8

60×60×4

2.11

0,60

2,00

100×100×10

60×60×4

2.12

0,60

2,50

2,00

100×100×4

100×100×4

2.13

1,00

1,00

0,60

2,50

100×100×8

100×100×4

2.14

1,00

2,00

2.6

1,00

1,00

2.7

0,80

1,60

bi/bo

to/ti

80×80×4

2.1

0,80

100×100×10

80×80×4

2.2

100×100×8

100×100×4

100×100×8

Gurtstab

Füllstab

2,00

100×100×4

0,80

2,50

2.3

1,00

2,00

60×60×4

2.4

0,60

100×100×10

60×60×40

2.5

100×100×10

100×100×10

100×100×8

80×80×5

Füllstab

100×100×8

versuchstechnische Untersuchungen an RHP-X-Knoten unter Ermüdungsbeanspruchung im Rahmen des AIFForschungsprogramms „KRASP“ [13] durchgeführt. In diesem Projekt kamen Rechteckhohlprofile mit Kantenlängen bis zu 100 mm und Profildicken bis 10 mm zum Einsatz. Alle Proben wurden aus dem Baustahl S355 hergestellt, der Anschlusswinkel zwischen Gurt und Strebe betrug immer 90°. Die Proben wurden mit dem Schweißverfahren MAG (135) und einem auf den Grundwerkstoff abgestimmten Schweißzusatzwerkstoff (zumeist G42) ausgeführt. Der untersuchte Parameterbereich betrug 1,0 < to/ti <<< 2,5 und 0,6 ≤ bi/b0 ≤ 1,0 bei Gurtrohrwanddicken von ≤ 10 mm.

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Belas­ tungs‑Art

Serie

Serie

Gurtstab

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OPB

Tabelle 2 zeigt hierzu die zugehörige Versuchsmatrix für X-Knoten unter Axialbelastung. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde auch der Einfluss der konstruktiven Ausführung der Schweißnaht (Stumpfnaht/Kehlnaht, Serien 4.2 bzw. 4.6) sowie der Einfluss aus der Herstellungsart der Hohlprofile (warm-/kaltgefertigt) stichprobenartig mit untersucht. Tabelle 3 zeigt die entsprechende Versuchsmatrix für Proben unter Biegebeanspruchung.

5.1 Versuchsdurchführung Die versuchstechnischen Untersuchungen wurden an den folgenden Maschinen durchgeführt: –– Schenck Pulsator, Maximallast 600 kN –– Schenck Pulsator, Maximallast 63 kN –– Sincotec Pulsator, Maximallast 600 kN Alle Versuche wurden im Zugschwellbereich mit einem Spannungsschwingbreitenverhältnis von R = 0,1 durchge-


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Bild 8.  Biegeversuche (IPB) im 63-kN- (links unten) bzw. 600-kN-Schenck Pulsator (links oben), Zugprobe im 600-kN-Sincotec Pulsator (rechts) Fig. 8.  Bending tests (IPB) with 63-kN- (left bottom) respectively 600-kN-Schenck-fatigue testing machine (left top), tensile specimen in the 600-kN-Sincotec-fatigue testing machine (right)

Bild 9.  Maßgebende Stellen zu Ermittlung der strukturellen Spannung nach [12] (links) sowie Probe mit b/bo = 0,8 (Mitte) bzw. b/bo = 1,0 (rechts) nach dem Versuch mit gekennzeichnetem Rissausgang Fig. 9.  Relevant places for determination of hot spot stresses appropriate to [12] (left), specimen with b/bo = 0,8 (middle) respectivele b/bo = 1,0 (right) after the test with marked crack initiation

führt. Die Versuchsdurchführung erfolgte kraftgesteuert, die Abschaltkriterien wurden über Weg- und Frequenzmessungen definiert. Entsprechende Verformungszunahmen bzw. Frequenzabfälle im Falle einer Schädigung im Querschnitt können messtechnisch erfasst werden, somit kann die entsprechende Lastwechselzahl aufgezeichnet und die zugehörige Schädigung bestimmt werden. Die zugehörige Versuchsauswertung erfolgte sowohl für den technischen Anriss (definiert als Verformungszunahme der Zugprobe mit Ds = 0,1 mm bzw. der Biegeprobe mit Ds = 0,2 mm) als auch für das Versuchsende „Durchriss“ (definiert in der

Regel als Verformungszunahme der Zugprobe mit Ds = 0,5 mm bzw. der Biegeprobe Ds = 1,0 mm). In den folgenden Ausführungen ist das Kriterium Versuchsende – Durchriss dargestellt und statistisch ausgewertet.

5.2  Versuchsergebnisse und Bemessungsvorschlag – RHP unter axialer Zugbeanspruchung 5.2.1 Versagenserscheinungen Alle Risse traten erwartungsgemäß in den Ecken zwischen Gurtrohr und Strebe (Linie C nach Bild 9) auf. Dies deckt

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Tabelle 4.  Versuchsergebnisse RHP unter axialer Zugschwellbeanspruchung Table 4.  Test results RHS, axial fatigue tensile load Abmessungen Serie

bi/bo

to/ti

Gurtstab

Füllstab

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

100×100×10

60×60×4,0

4.1

0,60

2,50

100×100×10

80×80×4,0

4.2

0,80

2,50

Anmerkung

(6)

Anzahl der ­Versuche

zul. Ds für m = 5,0 Faktor in MPa

Neuer Be­ Faktor messungs­ vorschlag 2 (9)/(11)

EN 13001

Versuche Pü=97,5%

(9)/(8)

(7)

(8)

(9)

(10)

(11)

(12)

9

12,5

43

3,4

38

1,13

56

2,1

52

2,0

48

1,08

Kehlnähte, DIN EN 10219

3

Kehlnähte, DIN EN 10210

7

Stumpfnähte

4

58

2,2

gemeinsame ­Auswertung

14

54

2,1

26,3

100×100×10 100×100×4,0

4.3

1,00

2,50

8

40,0

53

1,3

51

1,06

100×100×7,1

60×60×4,0

4.4

0,60

1,80

4

11,0

39

3,5

33

1,18

100×100×8,0

60×60×40

4.5

0,60

2,00

9

12,5

37

3,2

33

1,12

50

1,8

52

2,0

43

1,12

50

1,9

100×100×8,0

80×80×4,0

4.6

0,80

2,00

Kehlnähte

4

Stumpfnähte

7

gemeinsame ­Auswertung

11

26,3

100×100×10 100×100×10

4.7

1,00

1,00

6

32,0

48

1,5

41

1,17

100×100×8,0 100×100×4,0

4.8

1,00

2,00

6

40,0

52

1,2

46

1,15

100×100×4,0

60×60×4,0

4.9

0,60

1,00

4

6,0

8

1,4

8

1,0

100×100×4,0

80×80×4,0

4.10

0,80

1,00

4

19,0

21

1,1

20

1,04

sich auch sehr gut mit den Angaben nach CIDECT [12]. Laut [12] treten hier die größten Spannungskonzentrationsfaktoren (SCF) auf.

5.2.2  Aktuelle Versuchsergebnisse Die Ergebnisse der versuchstechnischen Untersuchungen an X-Knoten unter Axialbelastung sind ausführlich in Tabelle 4 nach statistischer Auswertung, für eine Aussagewahrscheinlichkeit von 75 % als Pü = 97,5 %-Werte mit einer festen Neigung m = 5 dargestellt. Hierbei wird ein direkter Vergleich mit den bestehenden normativen Vorgaben aus EN 13001-3-1 (Spalte 8,10) sowie dem ausgearbeiteten Normvorschlag 2 (Spalte 11, vgl. Abschnitt 5.2.3) gegeben. Für die in Tabelle 4 farblich gekennzeichneten Versuchsserien 4.2, 4.5 und 4.6 existieren alte Versuchsdaten mit identischen Abmessungen (vgl. Tabelle 1). Die versuchstechnischen Untersuchungen zeigten folgende grundlegenden Ergebnisse: 1) Alle in Tabelle 4 dargestellten Versuchsserien zeigen eine, vgl. mit den Kerbfalleinteilungen gemäß EN 13001-3-1 [3], erhöhte Ermüdungsfestigkeit. Diese variiert in Abhängigkeit der geometrischen Verhältnisse bei den hier untersuchten Probekörpern der X-Knoten zwischen 10 % und 240 %. Wie vorab bereits beschrieben, stellen die Vorgaben aus EN 13001-3-1 [3] aus Sicht der

20

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Autoren einen sehr groben und konservativen Normvorschlag dar. 2) In den Prüfserien 4.2 und 4.6 wurde zusätzlich der Einfluss aus dem Herstellungsprozess der Rohre (warm [5]/kalt gefertigt [6]) und der Schweißnahtausführung (Kehlnaht/HV-Naht) untersucht. Es zeigt sich hier, dass keine Unterschiede in der Ermüdungsfestigkeit eines geschweißten X-Knotens aus Rechteckhohlprofilen für die hier untersuchten geometrischen Verhältnisse in Abhängigkeit der Herstellungsart der Rohre (warm [5]/kalt gefertigt [6]) sowie hinsichtlich der Nahtausführung (Kehlnaht/Stumpfnaht) vorhanden sind. Die Bilder 10 und 11 zeigen die entsprechenden Wöhlerdiagramme der Prüfserien 4.2 und 4.6 mit Kennzeichnung der unterschiedlichen Probekörper sowie mit Darstellung der Kerbfalleinteilung nach [3] bzw. nach dem neuen Bemessungsvorschlag 2 gemäß Abschnitt 5.2.3. 3) Ein Vergleich von alten Versuchsergebnissen aus den 1980er Jahren (vgl. Tabelle 1) und den im Rahmen des Forschungsprojektes [13] durchgeführten Ermüdungsversuchen mit identischen Abmessungen zeigt deutlich, dass die neu hergestellten Proben deutlich höhere Ermüdungstragfähigkeiten aufweisen. Die Gründe hierfür liegen aus Sicht der Autoren an den neueren und besseren Stahlgüten sowie den prozesssichereren Schweiß-


Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

Bild 10.  Versuchsserie 4.2 – Einfluss aus der Rohrherstellungsart (kalt bzw. warm gefertigt) und der Schweißnahtausbildung (Kehlnaht/HV-Naht) Fig. 10.  Test series 4.2 – Influence of the tube manucfacturing (cold/hot formed) and execution of the welding seam (fillet weld/butt weld)

Bild 11.  Versuchsserie 4.6 – Einfluss aus der Rohrherstellungsart (kalt bzw. warm gefertigt) und der Schweißnahtausbildung (Kehlnaht/HV-Naht) Fig. 11.  Test series 4.6 – Influence of the tube manucfacturing (cold/hot formed) and execution of the welding seam (fillet weld/butt weld)

verfahren. Prüfserien gleicher geometrischer Abmessungen sind hierbei in Tabelle 1 in gleicher Farbe markiert. Exemplarisch zeigt Bild 12 einen derartigen Vergleich im Wöhlerdiagramm.

5.2.3 Normvorschläge Auf Basis der durchgeführten versuchstechnischen Untersuchungen wurden zwei Normvorschläge für axialbean-

spruchte X-Knoten aus Rechteckhohlprofilen auf Grundlage des Nennspannungskonzepts ausgearbeitet: –– Normvorschlag 1: vereinfachter Nachweis Kerbfallklasse 40, m = 5,0 Voraussetzung für die Anwendung von Normvor­ schlag 1: bi/bo ≥ 0,8 und to/ti ≥ 2,0 oder bi/bo = 1,0 und to/ti ≥ 1,0 Gurtbreite bo ≤ 100 mm und Gurtwanddicke to ≤ 10 mm/Nahtdicke a = t

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

Bild 12.  Vergleich „alte Versuchsserie“ I/116 und neue Versuchsserie „Serie 4.6“ gleicher geometrischer Abmessungen Fig. 12.  Comparison „old test serie“ I/116 and new one „series 4.6“ with identical geometric dimensions

Bild 13.  Ergebnisse der Serie 4; RHP X-Knoten unter axialer Zugbelastung: Vereinfachter Normvorschlag 1 Fig. 13.  Results of series 4, Axial loaded RHS X-joints – Simplified standard recommendation 1

Normvorschlag 1 ist gültig für den oben angegebenen Parameterbereich und berücksichtigt insbesondere die positiven Versuchsergebnisse für größere Breiten- und Wanddickenverhältnisse (Bild 13). Somit stellt dieser Normvorschlag 1 einen auf der sicheren Seite liegenden Auszug des parametrischen Normvorschlags 2 dar. –– Normvorschlag 2: modifizierter Normvorschlag nach geometrischen Parametern Voraussetzung für die Anwendung von Normvor­ schlag 2: Gurtbreite bo ≤ 100 mm und Gurtwanddicke to ≤ 10 mm/Nahtdicke a = t

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Normvorschlag 2 baut auf dem Vorschlag von Bucak und Mang ([8], [9], vgl. Bild 6) auf, bei dem von einem Grundkerbfall 51 ausgegangen wurde, der in Abhängigkeit der geometrischen Verhältnisse (Wanddickenverhältnis/ Breitenverhältnis) durch einen Multiplikator k reduziert wird und erweitert diesen Vorschlag insbesondere auf größere Dickenverhältnisse. Weiterhin erfolgt auch eine Anhebung der im alten Normvorschlag angegebenen Kerbfälle aufgrund neuer Versuchsdaten. Bild 14 zeigt den ausgearbeiteten Normvorschlag, mit Angabe der z­ ugrunde liegenden Versuchsbasis. Falls alte Versuchsserien für den Normvorschlag unberücksichtigt bleiben, so ist dies in den Anmerkungen 1 bis 4 zu Bild 14 erläutert.


Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

Voraussetzungen für die Anwendung von Normvorschlag 2: bo ≤ 100 mm, to ≤ 10 mm, a = t

Bild 14.  Normvorschlag 2 für axialbeanspruchte Rechteckhohlprofilknoten Fig. 14.  Standard recommendation 2 for axial loaded RHS X-joints

Tabelle 4 zeigt einen Vergleich der hier untersuchten Prüfserien hinsichtlich der Kerbfalleinteilung nach neuem Normvorschlag 2 (Bild 14), DIN EN 13001-3-1 [3] sowie den jeweiligen Bemessungswerten der Versuchsergebnisse. Dabei liegt der neu ausgearbeiteten Normvorschlag 2 (und ebenso Normvorschlag 1) für alle untersuchten Serien auf der sicheren Seite und ermöglicht insbesondere für kleine Breiten- (bi/bo = 0,6 bis 0,8) und große Dickenverhältnisse (to/t > 2,0) eine deutliche Erhöhung der zulässigen Ermüdungsfestigkeit und somit der wirtschaftlichen Anwendung axialbelasteter RHP bei gleichzeitig sicherer Bemessung. Eine Anhebung der im alten Normvorschlag von Bucak und Mang ([8], [9]) angegebenen Kerbfälle wurde im neuen Normvorschlag nur dann vorgenommen, wenn entweder identische, neue Probekörperabmessungen (identische Querschnitte) oder aber kritischere Parameterbereiche geprüft wurden und diese höhere Ermüdungsfestigkeiten aufwiesen (s. hierzu auch Anmerkungen 1 bis 4 zu Bild 14). Dieser Normvorschlag 2 ist aus Sicht der Autoren eine gute und solide Grundlage für die Bemessung axialbeanspruchter X-Knoten, soll aber durch weiterführende Ermüdungsversuche ähnlicher Geometrien noch bestätigt und auch für größere und dickere Gurtrohre (bo> 100 mm, to> 10 mm) nachgewiesen werden. Ebenso besteht für die Parameterbereiche mit kleineren Breiten- und Wanddickenverhältnissen noch weiterführender Forschungsbedarf.

5.3  Versuchsergebnisse – Biegebeanspruchung IPB/OPB Für RHP unter Biegebeanspruchung gibt es aktuell relativ wenige Versuchsergebnisse, auf deren Basis eine wirtschaftliche aber gleichzeitig sichere Bemessung nach dem Nennspannungskonzept durchgeführt werden kann. Die aktuell in der EN 13001-3-1 [3] vorhandenen Regelungen, die lediglich zwei Kerbfallklassen für alle Parameterkombinationen angeben, kann aus Sicht der Autoren kein adäquates Vorgehen darstellen. Grundsätzlich schränkt [3] die Anwendbarkeit der angegebenen Kerbfallklassen 45 und 40 dahingehend ein, dass durch die beiden Voraussetzungen bo/to < 25 und bo ≤ b + 3r nur sehr dickwandige Gurtrohre und relative große Breitenverhältnisse (b/bo) von diesen Kerbfallklassen abgedeckt werden. Es besteht aus Sicht der Autoren eine große Notwendigkeit, dem Anwender hier eine vernünftige Bemessungsregel an die Hand zu geben. Im Rahmen dieses Artikels soll hierzu ein erster Schritt gemacht werden.

5.3.1 Versagenserscheinungen Bei allen durchgeführten Ermüdungsversuchen traten die Risse vergleichbar mit den Proben unter axialer Zugschwellbeanspruchung, erwartungsgemäß in den Ecken zwischen Gurtrohr und Strebe (Linie C nach Bild 9) auf.

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

Tabelle 5.  Versuchsergebnisse RHP unter Biegebeanspruchung (IPB) Tablev5.  Test results bending load (IPB) – RHS Abmessungen Serie

bi/bo

to/ti

Anzahl Versuche

zul. ∆σ für m = 5,0 in MPa

Faktor

neuer Bemes­ Faktor sungsvorschlag 2 (9)/(11)

EN 13001

Versuche Pü=97,5 %

(9)/(8)

(7)

(8)

(9)

(10)

(11)

(12)

2,00

5

45

68

1,5

56

1,2

0,80

2,50

5

45

67

1,5

61

1,1

2.3

1,00

2,00

6

45

68

1,5

61

1,1

60×60×4

2.4

0,60

2,00

7

45

68

1,5

56

1,2

100×100×10

60×60×4

2.5

0,60

2,50

5

45

81

1,8

61

1,3

100×100×10

100×100×10

2.6

1,00

1,00

4

45

56

1,2

56

1,0

100×100×8

80×80×5

2.7

0,80

1,60

4

45

67

1,5

51

1,3

Gurtstab

Füllstab

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

100×100×8

80×80×4

2.1

0,80

100×100×10

80×80×4

2.2

100×100×8

100×100×4

100×100×8

Tabelle 6.  Versuchsergebnisse RHP unter Biegebeanspruchung (OPB) Table 6.  Test results bending load (OPB) – RHS Abmessungen Serie

bi/bo

to/ti

Anzahl Versuche

zul. ∆σ für m = 5,0 in MPa

Faktor

neuer Bemes­ Faktor sungsvorschlag 2 (9)/(11)

EN 13001

Versuche Pü=97,5 %

(9)/(8)

(7)

(8)

(9)

(10)

(11)

(12)

1,00

7

30

0,60

2,00

5

45

64

1,4

56

1,1

2.12

0,60

2,50

4

45

62

1,4

61

1,1

100×100×4

2.13

1,00

1,00

8

45

88

2,0

56

1,6

100×100×4

2.14

1,00

2,00

8

45

86

1,9

61

1,4

Gurtstab

Füllstab

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

100×100×4

60×60×4

2.10*

0,60

100×100×8

60×60×4

2.11

100×100×10

60×60×4

100×100×4 100×100×8

* Serie 2.10 aufgrund des Parameterbereichs von Normvorschlag 1 und 2 nicht abgedeckt

5.3.2 Versuchsergebnisse Die Ergebnisse der versuchstechnischen Untersuchungen an X-Knoten unter Biegebeanspruchung sind ausführlich in den Tabellen 5 und 6 nach statistischer Auswertung, für eine Aussagewahrscheinlichkeit von 75 % als Pü = 97,5%-Werte mit einer festen Neigung m = 5 dargestellt. Hierbei wird ein direkter Vergleich mit den bestehenden normativen Vorgaben aus EN 13001-3-1 (Spalte 8, 10) sowie dem ausgearbeiteten Normvorschlag 2 (Spalte 11, vgl. Abschnitt 5.3.3) gegeben. Alle in Tabellen 5 und 6 dargestellten Versuchsserien zeigen eine, vgl. mit den Kerbfalleinteilungen gemäß EN 13001-3-1 [3], deutlich erhöhte Ermüdungsfestigkeit. Diese variieren in Abhängigkeit der geometrischen Verhältnisse bei den hier untersuchten Probekörpern der X-Knoten zwischen 10 % und 100 %.

5.3.3 Normvorschläge Auf Basis der bisher wenigen, durchgeführten versuchstechnischen Untersuchungen wurden zwei Normvorschläge für biegebeanspruchte X-Knoten aus Rechteckhohlprofilen ausgearbeitet:

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

–– Normvorschlag 1/vereinfachter Nachweis: Kerbfallklasse 50, m = 5,0 Voraussetzung für die Anwendung von Normvorschlag 1: b/bo ≥ 0,8 und to/t ≥ 1,6 oder b/bo ≥ 0,6 und to/t ≥ 2,0 oder b/bo = 1,0 und to/t ≥ 1,0 Gurtrohrbreite bo ≤ 100 mm und Gurtwanddicke to ≤ 10 mm Schweißnahtdicke a = t Die Wöhlerlinie (Bild 15) zeigt eine gemeinsame Auswertung aller Versuchsserien, die die o. g. Anwendungsgrenzen erfüllen. Die Serie 2.10 (lila Quadrate) wurde hier zur Verdeutlichung ebenso mit eingetragen, liegt jedoch nicht innerhalb der gültigen Parameterbereiche. –– Normvorschlag 2: Bemessung nach geometrischen ­Parametern Voraussetzung für die Anwendung von Normvorschlag 2: Gurtbreite bo≤ 100 mm und Gurtwanddicke to ≤ 10 mm/ Nahtdicke a = t Beim Normvorschlag 2 wird wie bei den axialbeanspruchten RHP X-Knoten von einem Grundkerbfall 51 ausgegangen, der in Abhängigkeit der geometrischen Verhältnisse (Wand-


Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

Bild 15.  Normvorschlag 1 – Biegebeanspruchte Rechteckhohlprofil X-Knoten – Vereinfachter Nachweis Fig. 15.  Standard recommendation 1 for bending loaded RHS X-joints – simplified proof

Bild 16.  Normvorschlag 2 – Biegebeanspruchte Rechteckhohlprofil X-Knoten – nach geometrischen Parametern Fig. 16.  Standard recommendation 2 for bending loaded RHS X-joints – with geometrical parameters

dickenverhältnis/Breitenverhältnis) im hier angegebenen Parameterbereich durch einen Multiplikator k erhöht wird. Tabellen 5 und 6 zeigen einen Vergleich der hier untersuchten Prüfserien hinsichtlich der Kerbfalleinteilung nach neuem Normvorschlag 2 (Bild 16), DIN EN 130013-1 [3] sowie den jeweiligen Bemessungswerten der Versuchsergebnisse. Dabei liegt der neu ausgearbeiteten Normvorschlag 2 (und ebenso Normvorschlag 1) für alle untersuchten und in den Anwendungsvoraussetzungen enthaltenen Serien auf der sicheren Seite und ermöglicht eine deutliche Erhöhung der zulässigen Ermüdungsfestigkeit und somit der wirtschaftlichen biegebeanspruchter RHP bei gleichzeitig sicherer Bemessung. Die hier durchgeführten Ermüdungsversuche unter Biegebeanspruchung sind als erster Schritt hin zu einer wirtschaftlichen und gleichzeitig sichern Bemessung von RHP zu sehen. Im Vergleich mit den aktuellen, normativen Vorgaben laut [3] haben die bisherigen, wenigen versuchstechnischen Untersuchungen die vorhandenen Tragreserven unter Ermüdungsbeanspruchung aufgezeigt. Aufgrund

der geringen Versuchsanzahl wurden beide Bemessungsvorschläge (1 und 2) hier jedoch verhältnismäßig konservativ ausgearbeitet. Die hier vorgestellten Versuchsserien müssen durch vergleichbare Parameterkombinationen bestätigt und der Anwendungsbereich durch veränderte Parameterkombinationen b/bo und to/t noch erweitert werden.

6 Zusammenfassung Hinsichtlich der Bemessung ermüdungsbeanspruchter X‑Knoten aus Rechteckhohlprofilen sind in der aktuellen Bemessungsnorm DIN EN 1993-1-9 [1] keine Vorgaben für den Anwender nach dem Nennspannungskonzept enthalten. Die aktuelle Kranbaunorm DIN EN 13001-3-1 [3] gibt zwar sowohl für eine axiale Beanspruchung, als auch für Biegebeanspruchung in der Ebene (in plane bending – IPB) bzw. aus der Ebene heraus (out of plane bending – OPB) Vorgaben zu Kerbfalleinteilung, diese sind allerdings äußerst konservativ gehalten und somit eher kontraproduktiv hinsichtlich der Anwendung geschweißter Recht-

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Ö. Bucak/I. Engelhardt/H. Ehard/S. Rodic · Zum Ermüdungsverhalten von X-Knoten aus quadratischen Hohlprofilen

eckhohlprofilknoten. In der CIDECT-Monographie Nr. 8 [12] sind Angaben zum Nachweis geschweißter Rechteckhohlprofile enthalten, allerdings nur nach der Strukturspannungsmethode. Im Rahmen eines öffentlich geförderten Forschungsprojekts [13] wurden im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau der Hochschule München in direkter Zusammenarbeit mit der Labor für Stahl und Leichtmetallbau GmbH (Kissing) umfangreiche versuchstechnische Untersuchungen zur Kerbfalleinteilung ermüdungsbeanspruchter X‑Knoten aus Rechteckhohlprofilen durchgeführt, die einerseits die Anwendungsgrenzen für den Einsatz geschweißter X-Knoten aus RHP erweitern sollen, andererseits aber auch durch die Erhöhung der vorhandenen Kerbfälle eine wirtschaftlichere aber gleichzeitig sicherer Kerbfalleinteilung auf Grundlage umfangreicher versuchstechnischer Untersuchungen ermöglichen sollen. Das Hauptaugenmerk wurde hier auf größere Wanddickenverhältnisse (to/ti ≥ 2,0) gelegt. Es wurden sowohl für eine Axialbeanspruchung (s. Bilder 13 und 14), als auch für eine Biegebeanspruchung (IPB und OPB, s. Bilder 15 und 16) jeweils zwei Normungsvorschläge auf Basis des Nennspannungskonzepts ausgearbeitet. Diese Normvorschläge sind, speziell für Biegebeanspruchung, durch weiterführende Parameterkombinationen zu bestätigen und zu erweitern. Zur Verifizierung dieser vielversprechenden Ergebnisse werden weitere versuchstechnische und ebenso numerische Untersuchungen folgen. Im Hinblick auf die Vorgaben zu den Spannungskonzentrationsfaktoren werden messtechnische und numerische Ergebnisse derzeit ausgewertet, da im Hinblick auf die Bemessung das Strukturspannungskonzept eine sinnvolle Methode zur Nachweisführung von nicht katalogisierten Kerbfällen darstellt. Es wird empfohlen, speziell im Bereich der biegebeanspruchten RHP-Anschlüsse weitere versuchstechnische Untersuchungen mit variierenden Wanddickenbereichen und geometrischen Verhältnissen zur Untermauerung und Erweiterung der hier erstellten Normempfehlungen durchzuführen. Anmerkung für die Schweißnahtausführung: Wie grundsätzlich bereits bekannt und im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen nochmals bestätigt tritt das Versagen von X-Knoten unter Axial- bzw. Biegebeanspruchung in aller Regel ausgehend vom Schweißnahtübergang im Bereich der Radien der Streben auf. Bei der Ausführung der Schweißarbeiten muss daher darauf geachtet werden, dass im Bereich dieser Radien keine Schweißnaht-Ansatzstellen vorhanden sind. Die Ansatzstellen sind somit in die Bereiche der Strebenstege zu legen!

Danksagung Die in diesem Beitrag aufgeführten Versuche wurden mit finanzieller Förderung durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e. V. (AiF-Nr. 17065X10) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt. Die Versuchsdurchführung erfolgte an der Hochschule München sowie an der Labor für Stahl- und Leichtmetallbau GmbH in Kissing (Aninstitut der Hochschule München).

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Dank gilt allen beteiligten Firmen und Partnern, der Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V. (FOSTA) sowie allen Teilnehmern des Arbeitskreises. Insbesondere den Stahllieferanten (Vallourec & Mannesmann Tubes) sowie den stahlverarbeitenden Betrieben (Maurer Söhne, Eiffel Deutschland, STS Stahltechnik) sei hier gedankt. Literatur [1]  DIN EN 1993: Teil 1.9 – 2010 Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1.9: Ermüdung, Deutsche Fassung EN 1993-1-9-2005+ AC 2009. [2]  Hobbacher, A.: Recommendations for fatigue design of welded joints and component. IIW document XIII-1965-03/ XV-1127-03 und XIII-1823-07/XIII-2151r4-0/XV-1254r4-07, Dezember 2008. [3]  DIN EN 13001-3-1:2012-09: Krane, Konstruktion allgemein – Teil 3-1: Grenzzustände und Sicherheitsnachweis von Stahltragwerken; Deutsche Fassung EN 13001-3-1/2012. [4]  FKM-Richtlinie: Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile aus Stahl, Eisenguss und Aluminium-Werkstoffen. 5., erw. Aufl. 2003. Frankfurt/M.: VDMA-Verlag 2003. [5]  DIN EN 10210-1: 2006-07: Warmgewalzte Hohlprofile für den Stahlbau aus unlegierten Baustählen und aus Feinkornbaustählen – Teil 1: Technische Lieferbedingungen. [6]  DIN EN 10219-1: 2006-7: Kaltgefertigte Hohlprofile für den Stahlbau aus unlegierten Baustählen und aus Feinkornbaustählen – Teil 1: Technische Lieferbedingungen. [7]  Bucak, Ö., Engelhard, I., Lorenz, J. Buschner, J., Ehard, H.: Maßstabseffekt im Stahlbau. Ermüdungsverhalten unterschiedlicher Kerbdetails im Hinblick auf Schweißnahtnachbehandlungsverfahren und Reparaturmaßnahmen unter Berücksichtigung des Maßstabseffektes. Abschlussbericht zum AIFForschungsprogramm 1706x08, FOSTA P801. [8]  Mang, F., Bucak, Ö.: Fatigue Behavior of welded tubular joints – Design Proposal and Background Information welding of tubular structures. Boston 1984. [9]  Mang, F., Bucak, Ö.: Hohlprofilkonstruktionen – Stahlbauhandbuch. Kapitel 17, Teil 1 a, Köln: Stahlbau-Verlag 1993. [10]  Bucak, Ö.: Ermüdung von Hohlprofilknoten. Dissertation Universität Karlsruhe, 1990. [11]  Mang, F., Bucak, O., Klingler, J.: Wöhlerlinienkatalog für Hohlprofile. Studiengesellschaft für Anwendungstechnik von Eisen und Stahl e.V., Karlsruhe 1987. [12]  Zhao, X.-L., Herion, S., Puthli, R. S. et al: DIDECT Design Guide Nr. 8 Geschweißte Anschlüsse von runden und rechteckigen Hohlprofilen unter Ermüdungsbelastung. TÜV Verlag Rheinland Köln, 2002. [13]  Bucak, Ö., Engelhardt, I., Lorenz, J., Fischl, A., Ehard, H., Rodic, S.: Kranspezifische Kerbfälle (KRASP), Vergleich EC3Teil 1-9 mit EN 13001-3-1, Abschlussbericht, 17065X10, vom 28.05.2014.

Autoren dieses Beitrages: Prof. Dr. -Ing Ömer Bucak, bucak@laborsl.de, Dipl.- Ing. Slobodan Rodic M.Eng., rodic@laborsl.de, Labor für Stahl- und Leichtmetallbau GmbH, Bahnhofstraße 141, 86438 Kissing Prof. Dr.-Ing Imke Engelhardt (geb. Weich), i.engelhardt@hm.edu, Dipl.-Ing. Heinrich Ehard M.Eng., ehard@laborsl.de, Hochschule München, Labor für Stahl- und Leichtmetallbau, Karlstraße 6, 80333 München


Fachthemen Frank Heyder Andreas Hohberg Christian Lettner

DOI: 10.1002/stab.201710443

Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald Moderne Stahlbautechnologie im Stahlwasserbau – Teil 2: Bauliche Umsetzung Das Sperrwerk Greifswald an der Mündung des Ryck in den Greifswalder Bodden bildet den Kern des Sturmflutschutzes für Greifswald. Durch einen Hauptverschluss als Drehsegment und zwei Nebenverschlüsse als Schiebetore können 60 m Fluss und Uferbereich zwischen den angrenzenden Deichen im Sturmflutfall verschlossen werden. Der Hauptverschluss wurde als Drehsegment konzipiert, um den Schifffahrtsweg so wenig wie möglich einzuschränken. In Ruheposition liegt das Drehsegment in einer Mulde in der Bodenplatte unterhalb des Flussgrundes. Bei Sturmflutwarnung wird das Drehsegment über zwei Hydraulikzylinder um 90° in die Staustellung gedreht. Die Nebenverschlüsse sichern die Promenadenbereiche links und rechts vom Ryck. Sie wurden als Schiebetore ausgebildet, die normalerweise in Kammern im benachbarten Deich stehen und bei Sturmflutwarnung über Elektromotoren ausgefahren werden. Haupt- und Nebenverschlüsse wurden als geschweißte räumliche Schalentragwerke ausgebildet und mit FEM-Software als jeweils ein Bauteil bemessen. Die besondere Herausforderung dieses Bauvorhabens war das Zusammenwirken von Wasser- und Spezialtiefbau, Betonbau, Stahlbau, Maschinenbau und Elektrotechnik. Der Teil 1 beschreibt die Planung und statische Berechnung und ist im Heft 12/2016 erschienen. Gates and drives of the Greifswald flood barrier – Contemporary steel construction for hydraulic gates. Part 2: Construction process. The Greifswald flood barrier at the river Ryck at Baltic Sea is the essential part of flood barrier activities ensuring the safety of the city of Greifswald in case of wind-induces flooding. The main gate is a segment gate in the river, spanning 21 m, accompanied by two 19 m spanning secondary gates formed by sliding doors covering the waterfronts. The segment gate in the rivers ensures minimum interruption of the navigation. In normal position, the segment rests in a recess of the foundation slab. In case of a flood warning, huge hydraulic rams turn the segment into the 90° close position. The sliding doors allow its storage in adjacent chambers, fully covered by the embankments and roll into its close position driven by electric engines. Both main segment gate and secondary sliding gates are spatial welded steel constructions designed as one unit by finite element software. The most challenging part of the project turned out to be the coordination of knowledge and specialists in water construction, special heavy construction, concrete technology, mechanical and electrical engineering.

5  Statische Berechnungen und Konstruktion der Schiebetore Die Schiebetore sind die Verschlüsse der am Ufer befindlichen Promenaden. Zusammen mit dem Drehsegment verschließen sie bei einer Sturmflut Fluss und Ufer bis zum angrenzen Deich (Bild 13). Wie das Drehsegment sind sie als verschweißte Schalentragwerke ausgebildet. Die Stahlkonstruktion der Tore besteht seeseitig aus einer geraden Stauwand, die rückwärtig global mit horizontal und vertikal verlaufenden Schotten sowie lokal mit Beulsteifen ausgesteift ist. An der Rückseite der Schiebetore sind zusätzlich an den horizontal verlaufenden Schottblechen Gurte zur Aufnahme der Zugkräfte angeordnet, so dass sich für die wesentlichen Einwirkungen liegende Träger ergeben. Angetrieben werden die Tore von jeweils zwei Motoren, die jeweils eine Leistung von 0,55 kW über geschweißte Eisenbahnräder auf die im Fangedamm integrierten Schienen bringen. Die Motoren sind auf geschweißten Kastenprofilen montiert, welche die Antriebsschwingen bilden und ebenfalls das vertikale Heben und Senken der Tore über zwei zusätzlich dafür vorgesehene Spindelhubmotoren für den Verfahrprozess ermöglichen. Wie am Drehsegment sind alle Bauteile aus Stahl S355M gefertigt und mit Prozess 135 (MAG) geschweißt.

Bild 13.  Luftbild, Hauptöffnung schon befahrbar, Nebenöffnungen und Betriebsgebäude noch im Bau Fig. 13.  Birds view, main opening already in use, promenades and operational building still under construction

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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F. Heyder/A. Hohberg/C. Lettner · Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald

5.1  Entwurfs- und Genehmigungsstatik Die Entwurfs- und Genehmigungsstatik der Schiebetore war mit dem Programm RSTAB als ebenes mehrfach gelagertes Stabwerk modelliert und bemessen worden. Hierbei wurden aus der Stauwand und den Horizontalschotten vier miteinander verbundene Hauptträger gebildet. Als statisches Modell wurde ein Trägerrost gewählt. Ursprünglich nur mit zwei Rädern und einer Schiene pro Tor geplant, wurde im Zuge der Ausführungsplanung zur Erhöhung der Betriebssicherheit eine Zweischienenlösung mit zwei echten Radsätzen, also vier Rädern, vorgesehen.

5.2  Statik zur Ausführungsplanung Auch bei den Schiebetoren war es für die 2009 zu erarbeitende Ausführungsplanung notwendig, die Statik an die aktuell geltenden Normen anzupassen und die Nachweise zu Dichtungen, Reibungskräften, Verformungen und Antrieben zu ergänzen. Die Schiebetore wurden hierfür als dreidimensionales Modell mit dem FEM-Programm Strand7 (Straus7) erstellt und die erforderlichen Nachweise nach DIN 19704-1 und DIN 18800-1..3 geführt. Die realitätsnahe Modellierung ermöglichte auch hier eine Optimierung der Blechdicken und eine sichere Bewertung des Beulverhaltens. Untersucht wurden zwei Modelle, Schiebetor geschlossen und abgesenkt unter Wasserlast sowie Schiebetor im rollenden Zustand unter Windlast. Im geschlossenen Zustand werden die aus Hochwasser resultierenden Horizontalkräfte auf beiden Seiten über die vertikalen Edelstahlanschläge auf den Massivbau linienförmig übertragen, während im rollenden Zustand das Tor dem Wind ausgesetzt ist und an drei Punkten, den beiden Radsätzen und einem Stützrollenpaar oben, gelagert ist. Der Schwerpunkt der statischen Berechnungen der Schiebetore lag in der Ermittlung der Verformungen, der Überprüfung der Führungs- und Leiteinrichtungen sowie in der Bestimmung der Reibungs- und Antriebskräfte.

5.3 Einwirkungen Leiteinwirkung bei geschlossenem Schiebetor ist der Wasserdruck. Weitere Einwirkungen sind Eisdruck, Fahrzeuganprall sowie Schwellbelastung aus Wellenschlag für den Ermüdungsnachweis. Für die Nachweisführung des Schiebetores im rollenden Zustand wurde die Einwirkung aus Wind angesetzt. Da bei Sturmfluten neben dem hohen Wasserstand immer auch mit hohen Windstärken zu rechnen ist, wurden auch für das ja eigentlich sehr kurzzeitige Verfahren der Schiebetore die maximalen Windlasten nach DIN 1055 für den Standort angesetzt.

5.4  Das Schiebetor im FEM Die linear-elastischen Ergebnisse aus der Berechnung der finiten Elemente wurden für die erforderlichen Spannungsnachweise in beiden Modellen verwendet, wobei grundsätzlich immer elastisch-elastisch gerechnet wurde. Die erforderlichen Ermüdungsnachweise wurden gemäß

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Bild 14.  Schiebetor als FEM-Modell Fig. 14.  Sliding gate as FE model

EN 1993 für eine Bauwerksnutzungsdauer von 70 Jahren für die gegebenen Kerbgruppen 100, 112 und 71 geführt. Die Beulnachweise wurden, wie bereits im Teil 1, Abschnitt 3.5 beim Drehsegment beschrieben, nach DIN 18800-3 unter Rückgriff auf die per FEM ermittelten Verzweigungslastfaktoren geführt. Als wesentlich und konstruktionsbestimmend haben sich bei den Schiebetoren die Gebrauchstauglichkeitsnachweise für die Torverformungen gezeigt (Bild 14). Hier wurden erhebliche Verwindungen des Tores unter Wind beim Schließen festgestellt, was zu Problemen beim Einfahren des Tores in die Dichtungen führen könnte. Deshalb wurden an den Pfeilern trichterförmige Führungsbleche und an den Toren Führungsrollen befestigt. Die Führungstrichter erfassen die Führungsrollen auch bei stärkerer Verwindung des Tores und richten das Tor auf die Tornischen aus, bevor die Tore in die Dichtungen einfahren – analog zum Kopplungsstutzen bei Raumschiffen.

5.5 Antriebsschwinge Die Antriebsschwinge trägt die Radsätze und sichert die Absenkbarkeit der Schiebetore. Sie ist als geschweißter Hohlkasten konstruiert und einseitig am Verschlusskörper mit einem Gleitlager gelagert. Der an jeder Schwinge angebrachte Spindelhubmotor kann das Tor für den Verfahrprozess anheben und für die Staustellung absenken. Durch das Absenken stellt sich das Tor auf die unterseitig am Tor befestigte Sohldichtung. Der Sohldichtungsanschlag darunter ist ein im Pflaster eingelassenes Edelstahlblech. Als Spindelhubantriebe kamen Motoren der Firma Pfaff silberblau Typ SHE 25 mit einer Trapezgewindespindel und Elektromotoren mit einer Leistung von je 1,5 kW zum Einsatz. Die Antriebsschwinge wurde mit den am FEM-Modell ermittelten Auflagerkräften sowohl auf Querkraft und Biegung als auch auf Torsion bemessen.

5.6 Antrieb Um die Betriebssicherheit des Sperrwerkes zu erhöhen, wird jedes Schiebetor durch zwei Motoren angetrieben, die


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im Falle des Ausfalls eines Motors in der Lage sind, das Schiebetor notfalls allein anzutreiben. Zur Anwendung kamen zwei Kegelradgetriebemotoren von SEW Eurodrive. Die Motoren sind auf dafür vorgesehenen nachspannbaren Plattformen auf den Antriebsschwingen zusammen mit dem Radsatz montiert. Maßgebend für die Bemessung der Motorleistung waren diverse Reibungsfaktoren, die beim Verfahrprozess zu überwinden sind. Dazu gehören u. a. Vorspannung der seitlichen senkrechten Notenprofildichtungen, Spurkranzreibung aus Windlast, Reibung der Führungsrollen sowie Reibung bei anstoßendem Stahlanschlag in den Seitendichtungsanschlägen bei Einfahren in die Schiebetornischen. In gewisser Hinsicht sind die Schiebetore etwas behäbige Elektrolokomotiven mit sehr geringer Spurweite, aber sie laufen immerhin auf der bewährten „echten“ Schiene S49.

5.7 Steuerung Jedes Schiebetor verfügt über eine lokale SPS (speicherprogrammierbare Steuerung) und ist über ein Ringbussystem in die zentrale Steuerung des Sperrwerks eingebunden. Jedes Tor ist im Normalfall aus dem Steuerstand des Sperrwerkes fernbedienbar. Außerdem kann jedes Schiebetor über elektrische Handbedieneinheiten, die an den Schiebetoren selbst vorgesehen sind, autonom bedient werden.

6  Statische Berechnungen und Konstruktion der Revisionsverschlüsse Bei kleineren Wehren und Schleusen werden zur Trockenlegung der Kammern Dammbalken eingesetzt. Dammbalken sind im einfachsten Falle Holzbalken, die waagerecht in vorhandene Nischen eingeschoben werden und damit das Trockenlegen eines Wasserbauwerks erlauben. Die Revisionsverschlüsse am Sperrwerk sind praktisch auch Dammbalken – nur viel größer. Mit einer Stützweite von 21 m und einer Aufstauhöhe bis zu 7 m kommen nur Stahlkonstruktionen in Frage. Die große Stauhöhe ergibt sich aus der Verwendbarkeit der Revisionsverschlüsse als seeseitiger Notverschluss – für diesen Einsatzfall werden zehn Revisionsverschlüsse bis zur Höhe 3,05 m NHN seeseitig angeordnet (s. dazu auch Bild 23). Die Revisionsverschlüsse werden in vorbereitete Nischen in den Pfeilern eingeschoben. Jeder Revisionsverschluss hat eine untenliegende Flachdichtung und seitliche Notenprofildichtungen. Für das saubere Anlegen an die Dichtungen sorgen gefederte Rollen. Es kommen insgesamt zwölf baugleiche Elemente sowie ein Zangenbalken zum Einheben der einzelnen Elemente zum Einsatz. Jedes Revisionsverschlusselement ist als offenes Hohlkastenprofil ausgebildet, damit es im Wasser auch untergeht und nicht schwimmt. Es besteht aus einer 20 mm dicken Stauwand, dem horizontalen Hauptträger, End- und Zwischenschotten, Steifen, Dichtungen, gefederten Laufrollen, Führungen und einer Ausklinksicherung. Die Revisionsverschlüsse werden in einer im Deich integrierten Kammer gelagert und mittels Mobilkran im Bedarfsfall eingesetzt. Auch hier wurden alle Bauteile aus Stahl S355M hergestellt und anschließend mit einem Korrosionsschutzsystem versehen.

6.1  Entwurfs- und Genehmigungsstatik In der Entwurfs- und Genehmigungsstatik waren die Notverschlüsse noch mit einer Höhe von 1,75 m konzipiert und mit dem Programm RSTAB als ebener Balken bemessen worden. So waren als Notverschluss nur fünf Elemente erforderlich. Die Verschlüsse waren als Hohlkasten mit angeschlossener Stauwand konzipiert, um die erforderliche Stabilität des sehr langen und hoch belasteten Bauteils zu erzielen.

6.2  Statik zur Ausführungsplanung Bei Beginn der Ausführungsplanung war schnell klar, dass das Einzelgewicht eines Balkens derart groß war, dass das Einsetzen nur mit einem speziellem Kran gelingen würde. Hier bat der Auftraggeber um Alternativen. Durch die Reduzierung der Bauhöhe konnten die zu hebenden Massen aus Revisionsverschluss und Zangenbalken auf 15 t reduziert werden, die mit einem gut verfügbaren Kran der Klasse Liebherr LTM 1200-5.1 oder Terex AC 200 eingehoben werden können. Mit der Reduzierung der Höhe eines Revisionsverschlusselementes von 1,75 m auf 0,87 m wurden die Bauteile komplett neu bemessen. Wieder kam das allgemeine FEM-Programm Strand7 (Straus7) zum Einsatz. Durch die Berechnung am realitätsnahen dreidimensionalen Schalenmodell konnte eine einfache und wirkungsvolle Optimierung der Blechdicken und Massen vorgenommen werden (Bild 15).

6.3 Einwirkungen Die in der Genehmigungsstatik vorgegebenen Einwirkungen umfassen Eigengewicht, Wasserdruck, Eisdruck, Schiffsstoß und Ermüdung. Es waren zwei Bemessungssituationen zu untersuchen – eingebaute Revisionsverschluss­ elemente und Revisionsverschluss hängend am Zangenbalken. Beim Schiffsstoß zeigte sich, dass ein Einzelbalken schnell mit den hohen Lasten überfordert wäre. Deshalb wurde die Konstruktion so geändert, dass sich jeder Balken horizontal in den über ihm angeordneten Balken einhängen kann. Der Schiffsstoß wird also immer von min-

Bild 15.  Revisionsverschlüsse als FEM-Modell Fig. 15.  Bulkhead as FE model

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destens zwei Balken abgetragen. Der oberste Balken ist zwar allein wirkend, aber bereits über der Wasserlinie.

6.4 Zangenbalken Der Zangenbalken ist ein traversenartiges Hebezeug, speziell konzipiert, um die Revisionsverschlusselemente auch unter Wasser ohne Taucher aufnehmen und absetzen zu können. Die Revisionsverschlüsse sind hierfür an jeweils zwei Zwischenschotten mit Öffnungen versehen, in die zwei Haken des Zangenbalkens einklinken können. Der Zangenbalken stellt sich im Wesentlichen als ein Hauptträger mit an den Endschotten montierten Führungen dar und ist mit einer Aufhängung für einen Mobilkran sowie einem Betätigungsmechanismus zum Ausklinken der Revisionsverschlüsse versehen. Er wurde ebenfalls mit FEM modelliert und für die Last aus den nassen Revisionsverschlusselementen bemessen.

7 Dichtungen Dichtungen spielen naturgemäß bei Verschlüssen im Stahlwasserbau eine besondere Rolle. Dazu werden relativ harte Elastomere mit besonderen Formen eingesetzt. Üblich sind SBR, CR und EPDM mit der Shore A-Härte von etwa 70. Die Dichtungen am Sperrwerk wurden überwiegend aus EPDM, aber auch aus CR gefertigt. PTFE-beschichtete Dichtungen kamen nicht zum Einsatz. Das Drehsegment hat eine Sohl- und eine Seitendichtung. Die Sohldichtung schließt in Staustellung den Spalt zwischen der Stauwand des Drehsegmentes und dem Sperrwerkskörper. Sie wurde als seeseitig hinterspülte omegaförmige Dichtung ausgebildet. Diese Omega-Form ist so elastisch, dass sie, unterstützt durch die seeseitige Hinterspülung, trotz Durchbiegung des Drehsegmentes unter Wasserdruck immer noch am Dichtungsanschlag fest anliegt. Nachdem die ursprünglich vorgesehene GUMBA Omega 350 nicht mehr verfügbar war, wurde ein OS-400-100 von Fa. Trelleborg eingesetzt. Die Seitendichtungen des Drehsegmentes sollen eine seitliche Umströmung des Drehsegmentes verhindern und schließen den Spalt zwischen Drehsegment bzw. Seitenscheibe und dem Seitenscheibendichtungsanschlag. Sie sind als Notenprofil ausgeführt. Auch die Notenprofile sind hinterspült, d. h. sie werden vom seeseitigen Wasserdruck an die Dichtungsanschläge gedrückt. Die im Vereisungsbereich liegenden Seitenscheibendichtungen können elektrisch beheizt werden. Die Heizung befindet sich in den Dichtungsanschlägen auf der Pfeilerseite. Die Schiebetore haben eine Sohldichtung als Blockbzw. Flachdichtung, welche vom Eigengewicht des Schiebetors auf den unten liegenden Dichtungsanschlag ­gedrückt wird. Die Seitendichtungen sind hinterspülte ­Notenprofile. Die Revisionsverschlüsse haben als Sohldichtung ebenfalls eine Block- bzw. Flachdichtung, als Seitendichtungen Notenprofile. Die Dichtungsanschläge des Drehsegmentes sind aus schwarzem Stahl mit Korrosionsschutzbeschichtung – wegen der Gefahr von Kontaktkorrosion war leider kein Edelstahl rostfrei möglich. Die Seiten- und Sohldichtungsanschläge der Revisionsverschlüsse und der Schiebetore sind aus Edelstahl rostfrei, da diese Verschlüsse nur kurzzeitig in den Anschlägen stehen und zudem einfach revisionierbar sind.

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8 Korrosionsschutz Edelstahl rostfrei war lange Zeit so teuer, dass der klassische Stahlwasserbau immer schwarzen Stahl verwendet hat, der mit aufwendigen Korrosionsschutzanstrichen beschichtet wird. Wenn Edelstahl rostfrei für Schrauben und Lager neben schwarzem Stahl eingesetzt wurde, dann verursachte er erhebliche Schäden am schwarzen Stahl durch Kontaktkorrosion, so dass Edelstahl rostfrei im Stahlwasserbau geradezu verpönt ist. Inzwischen sind die Edelstahlpreise gefallen und neue Stahlsorten wie z. B. 1.4362 versprechen hohen Korrosivitätswiderstand bei hoher Festigkeit und guter Verarbeitbarkeit, so dass man zumindest bei kleinen Verschlüssen bereits an Konstruktionen vollständig aus Edelstahl rostfrei denken kann. Wenn gar kein schwarzer Stahl mehr da ist, besteht demnach kein Kontaktkorrosionsproblem, und die aufwendigen Beschichtungen entfallen vollständig. Für die großen Stahlmengen der Verschlüsse am Sperrwerk Greifswald kam das jedoch noch nicht in Frage – sie wurden alle aus schwarzem Stahl gefertigt. Entsprechend hoch ist – besondere beim Drehsegment und den Seitenscheiben, die immer im Wasser stehen – der Anspruch an den Korrosionsschutz. Bei diesen Teilen wurde gemäß BAW-Liste II Im 2/3 folgendes Anstrichsystem ausgeführt: Oberflächenvorbereitung Sa 2 ½; Grundbeschichtung EP/Zinkstaub SicaCor R 50 mm, Deckbeschichtung EP SicaCor SW 500; Gesamtschichtdicke 1000 mm. Die Beschichtung wird airless gespritzt und erfordert viel Erfahrung bei der ausführenden Firma und eine aufwendige Qualitätskontrolle durch die Bauüberwachung. Für die im Werk hergestellten Beschichtungen der großen Bauteile wurden die hohen Qualitätsziele auch erreicht. Nachbeschichtungen auf der Baustelle stellten sich dagegen als Problemstellen dar. Insbesondere die Nachbeschichtungen der Schraubenköpfe an den Dichtungsklemmleisten zeigten bereits nach kurzer Zeit Rost und müssen erneuert werden. Hier zeigt sich, dass in den Flächen der Korrosionsschutz durch Beschichten gut funktioniert, die Tücke aber im Detail und in den Ecken liegt und genau dort der überwiegende Kontroll- und Nachbeschichtungsaufwand in der Zukunft liegen wird.

9  Fertigung, Montage und Fertigungsüberwachung Die Fertigung und Montage der Verschlüsse wurde durch die Fa. Herrmann GmbH Maschinenbau Technologie aus Weiden ausgeführt, als deren Nachauftragnehmer u. a. die Fa. Heinrich Rönner (Bremen, Fertigung Drehsegment, Seitenscheiben und Revisionsverschlüsse in Boizenburg), die Fa. ZS Zylinderservice (Xanten, Fertigung Hydraulikzylinder und technische Leitung hydraulische Antriebe) und Willmann Hydraulik (Vechta, Montage Hydraulikanlage) tätig waren. Die gesamte Elektroanlage und die Steuerung wurden durch die Fa. ISA aus Weiden erstellt. Die Fertigungsüberwachung für das gesamte Sperrwerk einschließlich Stahlwasserbau erfolgte durch die ARGE Greifswald HPI-hpl-Ingenieure mit Unterstützung u. a. durch die SLV Berlin-Brandenburg (Schweißtechnik) und das Ingenieurbüro Dr. Schippke und Partner (Hannover) für die Hydraulik.


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9.1  Verschlusskörper, Stützarme und Seitenscheiben Das Drehsegment, die Seitenscheiben und die Revisionsverschlüsse wurden durch die Fa. Heinrich Rönner in deren Fertigungsstätte in Boizenburg/Elbe hergestellt (Bild 16). Für die dünnwandigen Hohlkörper mit vielen Ähnlichkeiten zum Stahlschiffbau war Fa. Rönner räumlich und personell bestens aufgestellt. Der Transport der bis zu 100 t schweren fertigen Teile (Drehsegment) war von Boizenburg auf dem Wasserweg möglich. Das Schweißen der nur 12 bis 20 mm dünnen Bleche aus S355M war problemlos, und auch das Schließen der Hohlkörper des Drehsegmentes gelang ohne verlorenen Schweißer. In der Planung war das Schließen des Hohlkörpers noch durch zahlreiche Dreiblechnähte von oben vorgesehen. Fa. Rönner arbeitete sich aber von innen durch und schloss die unvermeidlichen Mannlöcher in den Schottblechen durch Kehlnähte. Auch der Korrosionsschutz der großen Bauteile wurde in Boizenburg aufgetragen. Die Stützarme wurden im Stammwerk der Hermann GmbH in Weiden gefertigt. Hier stellten die Blechdicken bis zu 50 mm und die Geometrie die Schweißer vor höhere Herausforderungen, die aber zu vollster Zufriedenheit der Bauüberwacher gemeistert wurden. Bei den Stützarmen kam es darauf an, den Kraftübergang von zwei Hohlprofilen in das Torsionsrohr konstruktiv zu gestalten. Wie auch bei Hohlprofilfachwerken [3] üblich, wurden die oberen und unteren Bleche der Stützarme, die am Torsionsrohr in die Flanschplatten des Torsionsrohres übergehen, für die volle Axialkraft dimensioniert, so dass die Stegbleche der Stützarme, die am Torsionsrohr senkrecht auf den Rohrmantel treffen und dort keine Axialkraft übertragen können, nur aussteifende Aufgaben haben und somit deutlich dünner ausfallen. Die Seitenscheiben wiederum waren einfach zu fertigen, aber schwer zu heben, weil sie mit 12 m Durchmesser sehr weiche Konstrukte sind. Hier hat die Hermann GmbH individuelle Traversen als Hebehilfsmittel entworfen und gebaut, mit denen dann Transport und Einbau vorgenommen wurde. Die Schiebetore wurden von der Herrmann GmbH in der Fertigungsstätte Niederlamitz hergestellt

Bild 16. Drehsegment in der Fertigung Fig. 16. Segment gate in production

und per Schwerlasttransport auf der Straße nach Greifswald transportiert.

9.2 Lager Die Grundkonstruktion der Wandlager aus Stahl sowie die Torsionsrohre wurden von der Hermann GmbH in Weiden gefertigt, wobei die dort vorhandene Erfahrung mit großen Dreh- und Fräsbauteilen genutzt werden konnte. Die ebenso präzise hergestellten Gleitlagereinsätze kamen von Federal Mogul Deva aus Stadtallendorf. Die Auslegung und Fertigung großer Gleitlager mit eingebetteten Festschmierstoffdepots erfordert ein über Jahrzehnte gewachsenes Fachwissen zu Lagerwerkstoffen und Tribologie, so dass die Lagerkonstruktion idealerweise bereits in der Ausführungsplanung mit potentiellen Herstellern abgestimmt werden sollte. Fa. Deva konnte z. B. mit der nur von ihnen lieferbaren Kupfer-Aluminium-Legierung deva glide dg 03 einen Lagerwerkstoff beisteuern, der eine besonders hohe Festigkeit hat und somit für die großen Kräfte im großen Wandlager des Sperrwerkes sehr gut geeignet war. Durch die eingebetteten Festschmierstoffdepots, die aus Graphit und Stabilisatoren bestehen, kann für das Sperrwerk praktisch eine lebenslange Wartungsfreiheit der Lager erreicht werden. Die harten Gegenflächen aus aufgeschweißtem 1.4462 auf den Torsionsrohren wurden mit bewundernswerter Geduld des Schweißers in Weiden hergestellt (Bild 17). Die hier erforderliche Härte von 240 HB wurde durch das rasche Abkühlen des Schweißgutes erreicht, verursacht durch die große Bauteilmasse und die gute Wärmeleitfähigkeit des Torsionsrohres.

9.3  Antriebe, Verriegelung und Feinjustierung Die Antriebsscheiben, die Festlager der Hauptzylinder und die Verriegelungsböcke mit den kardanischen Bolzenführungen und den oben beschriebenen speziellen Verriegelungsbohrungen wurden in Weiden hergestellt. Für die Montage der Lager wurde die Drehachse der Torsionsrohe als Bezugssystem gewählt und von dort schrittweise das kleine Wandlager, Torsionsrohr mit Antriebscheibe, großes Wandlager und Verriegelungsbock montiert und feinjustiert. Der Verriegelungsbock wurde mit Futterblechen und

Bild 17.  Auftragsschweißung am Torsionsrohr Fig. 17.  Built-up welding at bearing shaft

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9.5 Steuerung

Bild 18.  Montage und Justierung Verriegelungsbock Fig. 18.  Construction of segment locking rack

Langlöchern justiert (Bild 18). Die Wandlager sitzen auf nachstellbaren Gewindestangen und wurden erst nach Feinjustierung mit Zweitbeton vergossen. Der Hauptzylinder-Festpunkt besteht aus einem Stahlkragarm mit Augen, der in einen Köcher im Pfeiler eingestellt wurde. Auch er konnte im Köcher über Montagehilfen in Höhe und Lage feinjustiert und danach mit Zweitbeton vergossen werden. Die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Feinjustierung des Stahlbaus gegenüber dem Erstbeton wurden in der Ausführungsplanung vorgegeben, die konkrete bauliche Umsetzung der zahlreichen erforderlichen Montagehilfen erfolgte durch die Hermann GmbH im Zuge ihrer Werkstattplanung.

9.4  Hydraulikzylinder, Hydraulikanlage Die Fertigung der Hydraulikzylinder zu besichtigen, ist für Stahlbauer ein Erlebnis, denn nirgendwo sonst sieht man so präzise Arbeiten und so geduldig abzuwartende Fertigungsabläufe. Hochfeste Rohre werden stundenlang gesägt, Bohrungen stundenlang gehohnt, Kolbenflächen gedreht und poliert, bis alles eine enorme Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität hat, die auch im präzisen Stahlbau selten ist. Ein besonderes Geheimnis sind die Kolbendichtungen – hier entscheidet sich, ob der Zylinder dicht ist. Die Kolbenstange wurde mit einer Spezialkeramik beschichtet, alle ölberührten Flächen können blank bleiben, die Außenflächen der Zylinder erhalten einen normalen Stahlbau-Anstrich. Nach dem Zusammenbau dann der erhebende Moment, wenn die Kolbenstange zum ersten Mal ausfährt und zu erahnen ist, welche Kräfte hier später wirken werden. Für die Fertigungsüberwacher sind es viele Feinheiten, die es zu erfragen und zu inspizieren gilt, denn trotz der großen Zylinderabmessungen darf kein Span übersehen werden, der später ein Ventil verstopfen könnte. Bei der Hydraulikanlage, dem System aus Tank, Pumpe, Ventilen, Ventilblöcken und Rohrleitungen, steht neben der Funktionalität der Einzelkomponenten die Dichtheit der Gesamtanlage unter Druck sowie die korrekte Einstellung aller Druckbegrenzungsventile im Vordergrund. Hier hat insbesondere die Expertise der Ingenieure von ZS Xanten und vom Büro Dr. Schippke und Partner sichergestellt, dass die Hydraulik in hoher Qualität gefertigt und überwacht wurde.

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Die hydraulischen Antriebe, aber auch fast alle anderen Funktionen des Sperrwerkes hängen von elektronischen Steuerungen und deren Software ab. Hier ist es unbedingt erforderlich, die Algorithmen und Parameter frühzeitig festzulegen bzw. abzustimmen und alle erforderlichen Planungsschritte bis zu den Funktionsproben sorgfältig und gemeinsam – Auftraggeber, Auftragnehmer und Bauüberwachung – durchzugehen. Ein einfaches „Anschalten und sehen, ob es funktioniert“ ist bei derart komplexen Anlagen nicht mehr möglich. Zudem sind die Funktionsproben und der Probebetrieb Überprüfung der Qualität aller Gewerke – nicht nur der Steuerung und Bedienung. Trotz aller Sorgfalt im Vorfeld zeigte sich beim Sperrwerk, dass die Umsetzung des Pflichtenheftes im Detail noch zahlreiche Feinabstimmungen zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber erforderte, insbesondere zu Feinheiten der Steuerungsabläufe und zum Userinterface in der Leitwarte (Bild 19). SPS-Steuerungen eröffnen eine Vielzahl von Möglichkeiten und eine sehr komfortable Bedienung für den späteren Nutzer, ihre Algorithmen können aber praktisch nicht in einer allgemeinverständlichen Metasprache dargestellt und vorher überprüft werden. Für die Bauüberwachung bedeutet das viel Kommunikation mit den Programmierern, aber auch viel Vertrauen in sie, weil eine direkte Kontrolle unmöglich ist. In Greifswald gut bewährt hatte sich die frühzeitige, bereits in der Baubeschreibung vorgenommene eindeutige Funktionsbeschreibung der mit Farben benannten Betriebszustände. So steht z. B. „Rot“ für Notbetrieb mit einseitigem Antrieb und „Schwarz“ für Montage und Wartung, „Grün“ für Regelbetrieb. Je besser das erwartete Betriebsregime bereits eindeutig und algorithmisch beschrieben ist, desto besser klappt auch die Übertragung dieser Algorithmen in die Maschinensprache der SPS. Für die Feinheiten hat sich eine geduldige und verständnisvolle Zusammenarbeit von Auftraggeber, Bauüberwachung und Auftragnehmer bewährt, gestützt auf ausführliche Checklisten.

Bild 19.  Blick aus der Leitwarte Fig. 19.  View from contol room


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9.6  Einbau Drehsegment Die gesamte Montage des Hauptverschlusses erfolgte noch im Schutze der umspundeten Baugrube, also im Trocknen. Das Drehsegment hat 100 t Gewicht, die Montage von Land erfordert fast 60 m Auslegerlänge. Zum Einsatz kam der Terex Superlift 3800, ein Mobilkran mit Gitterfachwerkträger und Raupenfahrwerk. Wegen des gering tragfähigen Bodens am Kranstandort wurden hier im Vorfeld Stahlrammpfähle eingebracht, die mit Längs- und Querträgern ein tragfähiges temporäres Kranfundament ergaben. Das Drehsegment ist als Hohlkörper so steif, dass Traversen nicht erforderlich wurden und die Last direkt an Augblechen angeschlagen werden konnte. Das Einschwenken der großen Last zwischen die Pfeiler erforderte präzise Führung, da links und rechts nur etwa 10 cm Luft vorhanden waren (Bild 20). Nachdem das Drehsegment in Position hing, wurde es auf vier temporäre Zugstäbe umgelagert, die über Konsolen und Hydraulikpressen an den Pfeilern befestigt waren. Mit diesen Zugstäben wurde die Lage feinjustiert. Nun erfolgte die Montage der Gelenklager, der Stützarme und des dauerhaften Zugankers. Die dauerhaften Zuganker wurden um das Maß ihrer Dehnung vorgespannt, damit die Dehnung der Zugglieder nicht die Dichtungstoleranzen reduziert. Nach dem Vorspannen der Zuganker hing das Drehsegment bereits in seiner endgültigen Lage, die temporären Zuganker und ihre Konsolen konnten entfernt werden.

9.7  Einbau Seitenscheiben Die Seitenscheiben sind für die Bewegung und Funktion des Drehsegmentes nicht unbedingt erforderlich. Sie stellen aber einen wirkungsvollen Schutz der Stützarme und Lager gegenüber Treibgut, Eis und Schiffsanprall dar und werten auch die Ansicht der Pfeilernischen optisch deutlich auf. Mit je 32 t sind sie keine Leichtgewichte, die bis zu 70 m Auslegerlänge erfordern – auch sie wurden mit dem Terex Superlift 3800 montiert. Die Befestigung an den Stirnflächen der Stützarme erfolgt wieder mit Schrauben. Als Schutz gegen Schiffsanprall wurden in Höhe der Wasserlinie Fenderleisten (Stahl auf Elastomerpuffer) angebracht.

9.8  Einbau Schiebetore Der Einbau der etwa 30 t schweren Schiebetore erfolgte ebenfalls mittels eines Mobilkranes (Bild 21), aber ohne

Bild 20.  Einheben Drehsegment Fig. 20.  Installation of the segment gate

Bild 21.  Einheben eines Schiebetors Fig. 21.  Installation of a sliding gate

besondere Kranstandsfläche direkt von den Promenaden aus. Bedingt durch Dichtungen und Dichtungsanschläge an beiden Enden der Schiebetore, sind die Schiebetore länger als die lichte Weite zwischen Schiebetorkammer und Pfeiler. Deshalb musste ein Teil des Daches der Schiebetorkammern mit einem herausnehmbaren Stahlbetonfertigteil versehen werden, welches nach dem Einheben der Tore auf das Dach der Kammern aufgesetzt wurde. Die Dichtungen und Antriebe wurden danach montiert und feinjustiert.

10  Funktionsproben und Probebetrieb Bei Stahlwasserbauverschlüssen sind die Funktionsproben ein wichtiger Abschnitt zum Testen aller Funktionen und Abläufe im Zusammenwirken von Verschluss, Antrieb und Steuerung. Die Funktionsproben umfassen dabei einzelne Bauteile, der Probebetrieb das gesamte Bauwerk.

10.1  Funktionsproben Drehsegment Die Funktionsproben des Drehsegmentes begannen bereits vor dessen Einbau, gleich nach Einbau der Antriebsscheibe und des Hydraulikzylinders, mit Probeläufen zum Gleichlauftest beider Seiten. Nach Einbau von Drehsegment und Seitenscheiben begannen dann die ersten Drehsegmentbewegungen im Trocknen. Sie liefen planmäßig, alle Drücke und Wege wurden über die Steuerung für spätere Detailauswertungen protokolliert. Die Testfahrten wurden auch dazu benutzt, das Drehsegment in die anderen Positionen zu bewegen, um die Sohldichtungsanschläge montieren und deren Zweitbeton betonieren zu können. Nach den Funktionsproben des Hauptverschlusses war der nächste Meilenstein die Freigabe zum Fluten der Hauptbaugrube. Dazu wurden Pumpen eingesetzt. Nach dem Fluten der Hauptöffnung wurden die Spundwände der Baugrube mittels Unterwasser-Brennschnitt ausgebaut. Nun war der Weg für die Schifffahrt durch die Hauptöffnung frei und die temporäre Fahrrinne neben der Hauptbaugrube konnte geschlossen werden. Die Funktionsprobe „Nass“ zeigte, dass sich das Drehsegment im Nassen deutlich anders verhält als im Trocknen. Die Reibbeiwerte aus Lagern und Dichtung waren z. B. deutlich geringer als im Entwurf angesetzt und die Proportionalventile zeigten unter Auftriebslast am Drehsegment die in Teil 1 Abschnitt 4.4 beschrieben Probleme beim Rückfluss

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Bild 22.  Funktionsproben Drehsegment Fig. 22.  Segment gate tests

des Öls in den Tank. Nach Anpassung der Zylinderkraftberechnungen, Einbau des Bypassventils und Einstellung der Druckbegrenzungsventile auf die neuen Sollwerte funktionierte das Drehsegment dann auch im Nassen erwartungsgemäß (Bild 22).

10.2  Funktionsproben Schiebetore Die Funktionsproben der Schiebetore konnten erst nach Fertigstellung der Promenaden im Jahr 2015 erfolgen. Auch bei den Schiebetoren waren erwartungsgemäß noch Arbeiten zum Nachjustieren der Dichtungen, der Stahlanschläge sowie der Elastomerpuffer erforderlich. Dabei galt es auch hier, sich nicht von Probleme entmutigen zu lassen und genug Zeit für deren Lösung einzuplanen. So hatte sich einmal das Schiebetor auf der Wiecker Seite im Seitendichtungsanschlag verklemmt, einer der Motoren setzte durch Überschreitung des Drehmomentes beim Verfahren des Tores aus. Die Ursache war einfach – eine lose Schraube lag auf einer Schiene und blockierte die Fahrt. Nachdem die Ursache gefunden und beseitigt war, konnten die Funktionsproben planmäßig fortgeführt und alle Bauteile wie vorgesehen justiert werden. Während der Testfahrten wurden auch die Parameter der Sensoren für die Steuerung sowie die Lichtschranken für die Fahrwegüberwachung eingestellt. Diese zeigten schnell eine sehr störende Empfindlichkeit auf Regenwasser, was durch eine nachträglich angebrachte Regenhaube über den Lichtschranken und über den Reflektoren gelöst wurde.

10.3  Funktionsprobe Revisionsverschlüsse Erste Funktionstests wurden bereits noch bei bestehender Baugrube durchgeführt. Hierzu wurden die Revisionsverschlüsse noch ohne Zangenbalken eingesetzt und der Zwischenraum zwischen den Verschlüssen und der Baugrubenspundwand teilweise geflutet, um die Dichtungen zu testen. Die wirkliche Funktionsprobe unter Realbedingungen, also das Einsetzen der Revisionsverschlüsse mit dem Zangenbalken im strömenden Wasser, erfolgte zeitlich im Rahmen des Probebetriebes. Hier wurde auch die dazu erforderliche Demontage des Daches der Revisionsverschlusskammer erfolgreich erprobt. Bei der Funktionsprobe wurden auf beiden Seiten jeweils sechs Revisions-

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Bild 23.  Funktionsprobe Revisionsverschlüsse als Notverschluss Fig. 23.  Test bulkheads installed as emergency gate

verschlusselemente mit dem Zangenbalken eingehoben. Danach wurden seeseitig zehn Balken eingesetzt, was der Situation „Notverschluss“ (Bild 23) entspricht, falls das Drehsegment für eine längere Reparatur mal nicht bewegt werden könnte. Begleitet wurde dieser Test durch Taucher, die die Position der Verschlüsse unter Wasser überprüften. Beide Funktionsproben verliefen erfolgreich und wurden sinnvollerweise gleich mit der Schulung des Personals des Betreibers verbunden.

10.4 Probebetrieb Der Probebetrieb dient der ausführenden Firma dazu, das Sperrwerk in seiner Gesamtfunktion zu überprüfen, dem Bauherren als funktionierend vorzuführen und gleichzeitig auch die zukünftigen Bediener des Sperrwerkes zu schulen. Dazu mussten an zehn aufeinanderfolgenden Tagen alle Verschlüsse in allen Regelbetriebsarten fehlerfrei bewegt werden. Weiterhin mussten alle Sonderbetriebsarten, z. B. der einseitige Antrieb, in vorher festgelegter Anzahl vorgeführt werden. Alle Bewegungen wurden protokolliert. Zahlreiche weitere Anlagen, z. B. das Notstromaggregat, wurden zunächst in separaten Einzeltests geprobt und dann erst im ihrer Gesamtfunktion. Für den Probebetrieb des Sperrwerkes wurde deshalb insgesamt ein Monat eingeplant. Das war klug, denn wie bei jeder Generalprobe klappte nicht gleich alles auf Anhieb. So endete der erste Tag des Probebetriebs mit einem Hydraulikölleck – eine Überwurfmutter der Verrohrung war noch lose. Der Schaden war klein, der Schreck groß. Während der weiteren Fahrten zeigte sich aber, dass Mechanik und Hydraulik ihre Kinderkrankheiten schnell ablegten und der Focus auf die Steuerung ging. Aus Sicht der Bauüberwachung fehlt an dieser Schnittstelle zwischen Mechanik, Hydraulik und Programmierung eine disziplinübergreifende eindeutige Beschreibungssprache für die erwarteten Algorithmen und Parameter, die einerseits die Vorgaben des Auftraggebers eindeutig darstellt und andererseits die Implementierung innerhalb der SPS-Steuerungen nach außen transparent und prüffähig macht. Hier war viel Geduld für das Fein­ tuning der Steuerung, aber auch für das Prüfen der implementierten Abläufe und Parameter erforderlich. Der Probebetrieb wurde am funktional fertigen Bauwerk absolviert, der Schifffahrtsweg war für diese Zeit


F. Heyder/A. Hohberg/C. Lettner · Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald

Bild 24.  Drehsegment und Schiebetore im Probebetrieb geschlossen Fig. 24.  Sector and sliding gates closed in test run

stundenweise ganz unterbrochen. Durch die Signalisierung mit Lichtzeichen konnten aber viele Schiffe auch zwischen den einzelnen Testfahrten passieren. Ein Fischerboot meinte allerdings, auch bei rotem Signal fahren zu müssen, und fuhr mit dem Kiel auf das sich schließende, aber noch nicht sichtbare Drehsegment auf. Das Boot hinterließ eine tiefe Kerbe in einem eher konstruktiven Blech am Drehsegment sowie Schäden an einem Elastomer – Glück im Unglück. So ging das Drehsegment mit einer ersten Narbe aber letztlich rundum funktionierenden Antrieben aus dem Probebetrieb in den Alltag (Bild 24).

11 Inbetriebnahme Während die Inbetriebsetzung durch den Auftragnehmer erfolgt und mit dem Ende des Probebetriebs abgeschlossen war, ist die Inbetriebnahme die aktive Aneignung und Benutzung des Bauwerkes durch den Auftraggeber nach der Abnahme. Diese folgte im Frühjahr 2016, so dass nunmehr das Bauwerk in Betrieb genommen ist. Anders als bei Schleusen ist die Aufgabe des Sturmflutschutz-Sperrwerkes vor allem zu Warten und bereit zu sein, eine in den Wintermonaten aufkommende Sturmflut zu kehren. Die dazu erforderliche Wartung und Pflege zum Sicherstellen einer hohen Einsatzbereitschaft ist eine verantwortungsvolle und kaum sichtbare Tätigkeit, für die ab jetzt der Sperrwerksmeister verantwortlich ist. Wesentlicher Bestandteil dessen Arbeit sind regelmäßige Funktionsproben, insbesondere im Herbst vor Beginn der Sturmflutsaison, die Planung und Kontrolle der Wartungsarbeiten durch die Fachfirmen und eine kluge Bevorratung mit allen essentiellen Verbrauchsmitteln und Ersatzteilen. Die Funktionsproben im Herbst geben dann auch der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit, die Verschlüsse des Sperrwerkes in Aktion zu erleben.

12  Fakten und Baubeteiligte Drehsegment: Hohlkasten aus Stahl S 355M mit 100 t Masse, 21 m Länge, 12 m Breite und 2,2 m Höhe, ölhyd-

raulischer Antrieb über zwei Differentialzylinder mit 3,5 m Hub, Antriebsscheibe als Hebel, Verriegelung über Bolzen Schiebetore: Zwei Stahlträgerrostkonstruktionen aus S 355M mit je 32 t Masse, 19 m Länge, 3 m Höhe und 1 m Tiefe, jedes Tor von zwei Getriebemotoren angetrieben und über Spindelhubantriebe absenkbar Revisionsverschlüsse: 12 Revisionsverschlüsse aus S 355M mit 11 t Masse, 21 m Länge, 0,96 m Höhe und 2 m Tiefe, einzuheben über einen Zangenbalken mit 4,5 t Masse Auftraggeber Planung: Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, Rostock Auftraggeber Bauausführung: Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommer, Stralsund Ausführungsplanung: Arbeitsgemeinschaft Lahmeyer International/Hydroprojekt (HPI) mit hpl Hypro Paulu & Lettner Ingenieurgesellschaft mbH als Nachauftragnehmer Bauüberwachung: ARGE Greifswald Hydroprojekt/hpl Hypro Paulu & Lettner Ingenieurgesellschaft mbH Hauptauftragnehmer Bau: Ed. Züblin AG Niederlassung Rostock Wesentliche Nachauftragnehmer für die Bereiche Stahlwasserbau: Herrmann GmbH Maschinenbau Technologie Weiden mit den Nachauftragnehmern Heinrich Rönner GmbH, ZS Zylinderservice Xanten und Willmann Hydraulik Vechta Wesentlicher Nachauftragnehmer für Elektrik und Steuerung: ISA Industrieautomatisierung Weiden Bauherr und Planer erhielten für das Sperrwerk Greifswald im Oktober 2016 den Deutschen Ingenieurbaupreis 2016. Literatur [1]  Lettner, C.: Planung und Ausführung Sperrwerk GreifswaldWieck. Tagungsband HTG-Kongress 2014, Hamburg 2014. [2]  Meyer, H.-J., Lettner, C.: Baubeginn für das Sperrwerk Greifswald. Wasser und Abfall 13 (2011) Heft 6, S. 36–40. [3]  Franke, E., Lindner, J., Sischka, J., Beinlich, R., Heyder, F., Sieber, F.: Berliner Brückenschlag – Die Überbauung des alten Esplanade-Hotels im Sony Center. Stahlbau 12 (1999), S. 995–1006. [4]  Lewin, J.: Hydraulic gates and valves. London 2001. [5]  Erbisti, P.: Design of hydraulic gates. Lisse 2004.

Bilder 13–24: hpl Hypro Paulu & Lettner Ingenieurgesellschaft mbH

Autoren dieses Beitrages: Dipl.-Ing. Frank Heyder, heyder@hpl-ingenieure.de, Dipl.-Ing. Andreas Hohberg, hohberg@hpl-ingenieure.de, Dipl.-Ing. Christian Lettner, lettner@hpl-ingenieure.de, hpl Hypro Paulu & Lettner Ingenieurgesellschaft mbH, Neue Grünstraße 26, 10179 Berlin

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Fachthemen Matthias Kraus Silvio Mämpel

DOI: 10.1002/stab.201710445

Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern Abhängig von der konstruktiven Durchbildung kann bei der Bemessung von Kranbahnträgern die statische Wirkung der Kranschiene in Ansatz gebracht werden. Dabei ist gemäß DIN EN 1993-6 (Eurocode 3, Teil 6) im Grenzzustand der Tragfähigkeit eine Abnutzung des Schienenkopfes von 25 % und im Zusammenhang mit Ermüdungsnachweisen ein Verschleiß von 12,5 % zu berücksichtigen. In der Literatur finden sich verschiedene Angaben bezüglich der Querschnittswerte neuer und abgenutzter Kranschienen, die teilweise mit gewissen Abweichungen voneinander verbunden sind. Mit diesem Beitrag soll eine Klarstellung sowie erstmalig eine Zusammenstellung sämtlicher Werte erfolgen, die bei der Anwendung von DIN EN 1993-6 hilfreich sein können. Ein Bedarf hierzu konnte durch eine verstärkte Nachfrage sowohl aus der Baupraxis als auch aus dem wissenschaftlichen Bereich festgestellt werden. Properties of new and used crane rails for the design of crane runway girders. The contribution of crane rails to the load carrying behaviour and the static design of crane runway girders can be taken into account, providing a certain structural detailing. In doing so, an abrasion of 25 % has to be considered at the ultimate limit state and of 12,5 % for fatigue assessments according to EN 1993-6 (Eurocode 3 Part 6). Different cross section properties regarding new and used rails are specified in literature, which partially show certain discrepancies to each other. With this paper, a clarification is supposed to be given and for the first time a compilation of all properties, meaningful for an application according to EN 1993-6. The demand has been recognized by an increasing request for these values from practice as well as research.

1 Einführung Kranbahnträger werden durch die Kranbrücke und die damit verbundenen vertikalen Radlasten bzw. horizontalen Massen- und Schräglaufkräfte belastet (s. Bild 1a). Im Allgemeinen liegt dadurch ein durch zweiachsige Biegung und Torsion beanspruchtes Bauteil vor. Die Bemessung der Kranbahnträger ist mit einer Reihe von Nachweisen verbunden, die sich in –– globale Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) –– lokale Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) –– Ermüdungsnachweise und –– Gebrauchstauglichkeitsnachweise (GZG) gliedern lassen und auf die beispielsweise in [1] bzw. [2] detailliert und ausführlich eingegangen wird. Soll bei den genannten Nachweisen die Schiene als statisch tragendes Bauteil berücksichtigt werden, ist der Verschleiß des Schienenkopfes durch eine entsprechende Abnutzung aus sicherheitstechnischen Gründen zu berücksichtigen (s. Bild 1b). Hierfür wird in DIN EN 1993-6 [11] Abs. 5.6.2 (2) sowie in VDI 3576 [12] Abs. 2.1 für Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit sowie für Gebrauchstauglichkeitsnachweise ein Abschlag von 25 % der Schienenkopfhöhe angegeben. Darüber hinaus wird nach Eurocode 3 [11] Abs. 5.6.2 (3) für Ermüdungsnachweise eine Halbierung dieser Abnutzung und damit eine Abminderung der

Bild 1.  a) Typisches statisches System für die Bemessung eines Kranbahnträgers, b) Querschnitt eines Kranbahnträgers und Schienenkopfabnutzung Fig. 1.  a) Typical structural system for the structural design of crane runway girders, b) cross section of a crane runway girder and abrasion of the rail

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 86 (2017), Heft 1


M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

Schienenkopfhöhe um 12,5 % festgelegt, was im Hinblick auf vorhergehende Normengenerationen eine gewisse Neuerung darstellt. Vor diesem Hintergrund sind Querschnittskennwerte neuer Kranschienen, wie sie beispielsweise für die Formen A und F auch in DIN 536 Teil 1 [13] und Teil 2 [14] spezifiziert sind, für die Nachweisführung von untergeordneter Bedeutung. Lediglich für die Lage des Lastangriffspunktes der Radlasten kommt den Abmessungen der neuwertigen Schienen eine gewisse Bedeutung zu. Die Querschnittswerte, die für die statischen Nachweise und die damit verbundene Bemessung des Kranbahnträgers auf Grundlage der Stabtheorie zu ermitteln sind, werden durch die Art und die konstruktive Ausbildung der Schienenbefestigung maßgeblich beeinflusst. Sofern Schienen schubstarr mit dem Trägerprofil verbunden sind, d. h. beispielsweise angeschweißt oder mit Hilfe von Passschrauben bzw. vorgespannten Schrauben der Kategorie C gleitfest angeschlossen sind, kann für die o. g. globalen Nachweise ein Gesamtquerschnitt bestehend aus Kranbahnträgerprofil und Schiene in Ansatz gebracht werden. Hinsichtlich der zweiachsigen Biegebeanspruchung sind für den Gesamtquerschnitt die Hauptträgheitsmomente von Interesse, zu deren Ermittlung die Kenntnis einiger Querschnittswerte der abgenutzten Kranschienen hilfreich sein kann. Hierzu zählen beispielsweise die Fläche A, die Flächenträgheitsmomente Iy und Iz sowie die Lage des Schienenschwerpunktes. Bzgl. der Torsionsbeanspruchung der Kranbahnträger kann das St. Venantsche Torsionsträgheitsmoment IT der Kranschiene darüber hinaus für eine Abschätzung der Torsionssteifigkeit des Gesamtquerschnitts genutzt werden, wobei hierzu in Abschnitt 4 ergänzende Betrachtungen vorgenommen werden. Ergänzend sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die Schienen der Form A und F üblicherweise bei schwerem Kranbetrieb eingesetzt werden, bei dem von einer schubfesten Verbindung zwischen Kranbahnträger und Kranschiene abgesehen werden sollte. Zu empfehlen ist eine klemmende Befestigung, wie sie beispielsweise in Bild 2 dargestellt ist. In diesem Fall hat die Schiene keinen Einfluss auf die Querschnittswerte, die bei globalen Nachweisen für den Kranbahnträger zu berücksichtigen sind. Für lokale Nachweise werden die statischen Werte der abgenutzten Kranschienen jedoch nicht nur bei schubfester Verbindung zwischen Profil und Schiene benötigt, sondern beispielsweise auch bei schwimmender Schienenlagerung (vgl. EC3-6 Abs. 5.7.1 (2)) [11]. So ist hinsichtlich der Radlasteinleitung für den Spannungsnachweis im Steg sowie für den Beulnachweis des Stegblechs die Kenntnis der Lastausbreitung im Trägerprofil erforderlich, die nach DIN EN 1993-6 von Steifigkeitsverhältnissen (des Obergurts und der Schiene) und damit auch vom Flächenträgheitsmoment zweiten Grades Iy der abgenutzten Kranschiene (mit 25 % Schienenkopfabnutzung) abhängt. Im Zusammenhang mit der Ermüdungsfestigkeit ist die beschriebene lokale Radlasteinleitung und die damit zusammenhängende Lastausbreitung ebenfalls von Bedeutung, so dass auch hier das Iy der abgenutzten Kranschiene (jetzt mit 12,5 % Schienenkopfabnutzung) benötigt wird. Beim Ermüdungsnachweis sind ab der Beanspruchungsklasse S3 (vgl. NDP zu DIN EN 1993-6 Abs. 9.3.3(1) ­Anmerkung) [11] darüber hinaus im Stegansatz zusätzli-

Bild 2.  Geklemmte Kranschiene mit elastischer Unterlage Fig. 2.  Clamped crane rail with elastic underlayment

che Biegespannungen sT,Ed aus einer exzentrischen ­ adlaststellung zu berücksichtigen. Bei schubstarrer R ­Befestigung kann hier die Torsionssteifigkeit IT der ab­ genutzten Schiene mit in Ansatz gebracht werden (vgl. DIN EN 1993-6 Abs. 5.7.3 (1)) [11].

2  Grundlagen der Querschnittswerteberechnung Zur Berechnung der Kennwerte der neuen und abgenutzten Kranschienen wird das Finite-Elemente-Programm QSW-FE [3] herangezogen. Da die theoretischen Grundlagen zur Berechnung der Querschnittswerte mit der FEM sowie praktische Anwendungen in [4] und [5] ausführlich erläutert sind, werden hier lediglich die prinzipiellen und grundlegenden Zusammenhänge vorgestellt. Für die Berechnung normierter Kennwerte eines Querschnitts werden normierte Bezugssysteme benötigt. Aufgrund der Symmetrie zur z-Achse kann die Lage des Schwerpunktes S und die des Schubmittelpunktes M für die Kranschienen in horizontaler Richtung unmittelbar angegeben werden. Gleiches gilt für die Richtungen der Hauptachsen, so dass auch die y-Hauptachsenkoordinaten bekannt sind (vgl. Bild 3). Bei der Bestimmung der Querschnittswerte bleiben für die Kranschienen somit folgende Aufgaben, die rechnerisch untersucht und entsprechend des Vorschlags in [6] aus Gründen der Übersichtlichkeit in zwei Teile gegliedert werden: Teil I: Bestimmung des y-z-Hauptachsensystems –– Lage des Schwerpunktes S in z-Richtung –– Ordinaten im y-z-Hauptachsensystem –– Querschnittskennwerte A, Iy, Iz Teil II: Bestimmung des w-Hauptsystems –– Lage des Schubmittelpunktes M in z-Richtung –– normierte Wölbordinate w –– Querschnittskennwerte Iw und IT Wie in Bild 4 dargestellt, werden die Querschnitte zur Lösung der genannten Aufgaben mit finiten Elementen diskretisiert. Insbesondere für den Teil II ist eine derartige numerische Behandlung erforderlich, da für Querschnittsgeometrien, wie sie mit den Kranschienen vorliegen, keine analytischen Lösungen zur Verfügung stehen. Für den ersten Teil ist eine Berechnung mit der Finite-Elemente-Methode dagegen nicht zwingend erforderlich, es bietet sich

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M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

z = z − zS

(2)

ergibt sich die Lage des Schwerpunktes zu: n

1 e  z ⋅ dA e  zS = ⋅ (3)   A j=1  A e j

∑ ∫

Dabei ist ne die Anzahl der finiten Elemente des Elementnetzes und Ae die Fläche eines Elements. Mit Gl. (2) lassen sich bei Kenntnis der Schwerpunktslage die z-Hauptachsenkoordinaten und damit auch die Hauptträgheitsmomente Iy und Iz bestimmen: n

n

e e  z2 ⋅ dA   y 2 ⋅ dA  e ; I = e I (4) =   y z j j j=1  A e j=1  A e

∑ ∫

∑ ∫

Bild 3.  Kranschiene mit Darstellung der Schwerpunktlage S, Schubmittelpunkt M, Symmetrieachse, Hauptachsensystem und Bezugskoordinatensystem Fig. 3.  Crane rail with display of centroid S, shear centre M, axis of symmetry, principle axes and reference coordinate system

Für den Teil II der Normierung wird mit Hilfe der isoparametrischen Elemente eine Steifigkeitsbeziehung für den Querschnitt entwickelt. Die Vorgehensweise und eine ausführliche Zusammenstellung der erforderlichen Beziehungen können [4] und [5] entnommen werden, der Vollständigkeit halber wird hier lediglich die benötigte Elementsteifigkeitsbeziehung vorgestellt:

jedoch an, die Diskretisierung auch hierfür zu nutzen. Bei den eingesetzten finiten Elementen handelt es sich um krummlinig berandete 9-knotige Elemente auf Basis einer isoparametrischen Formulierung. Die Beschreibung der Elementgeometrie und die der -verformungen erfolgt mit Hilfe von Lagrangeschen Interpolationspolynomen eines biquadratischen Funktionsverlaufs (s. z. B. [4]). Da die Lage des Schwerpunktes in z-Richtung nicht bekannt ist, wird beim Teil I der Normierung zunächst ein beliebiges y-z-Bezugskoordinatensystem gewählt, dessen Ursprung B auf der Symmetrieachse der Kranschiene liegt und dessen y- bzw. z-Achse den Hauptachsenrichtungen entspricht (s. Bild 3). Mit Hilfe der Bedingung

δω e : t τ e = K e ⋅ ω e − f ϑ′e (5)

z ⋅ dA = 0 (1) A

und der Transformationsbeziehung

Bild 4.  Diskretisierung der Querschnitte nach [5] Fig. 4.  Discretisation of cross sections according to [5]

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1 1  T T ∂f  ∂f ∂f ∂f (6) ⋅  ⋅ dA e + ⋅ Ke = G ⋅   ∂z ∂z ∂y ∂y  −1 −1 

∫∫

1 1

T  ∂f T  ∂f  (7) f ϑ′ e = G ⋅  ⋅  f ⋅ ye − yM  − ⋅  f ⋅ ze − zM    ∂y   ∂z  −1 −1 

∫∫

(

)

(

)

⋅ dA e Die Größen haben folgende Bedeutung: t*te Vektor der Schubflüsse in den Knoten für ϑ′ = –1 Ke Elementsteifigkeitsmatrix ω e Vektor der Wölbordinaten in den Knoten fϑ′e „Lastvektor“ für ϑ′ = –1 f Vektor der Formfunktionen (Lagrangesche Interpolationspolynome)


M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

Mit dem Ausdruck „δω e :“ in Gl. (5) soll verdeutlicht werden, dass streng genommen sämtliche Terme der Steifigkeitsbeziehung von den virtuellen Wölbordinaten dw abhängen. Die Integrationen zur Bestimmung der Elementsteifigkeitsmatrix (6) und des Elementlastvektors (7) lassen sich im Allgemeinen nicht analytisch lösen, so dass eine explizite Darstellung der Elementbeziehungen nicht möglich ist und das FE-Programm [3] auf eine numerische Integration, die Gauss-Quadratur, zurückgreift. Mit Hilfe der Querschnittsdiskretisierung und der damit zusammenhängenden Elementsteifigkeiten lässt sich die Gesamtsteifigkeitsbeziehung des Querschnitts formulieren und die Freiheitsgrade, d. h. Wölbordinaten w, bestimmen. Im Sinne einer Einheitsverwölbung verknüpft w die durch Torsionsbeanspruchungen hervorgerufene Stabverdrillung mit den zugehörigen Stablängsverschiebungen u: u(x, y, z) = −ω(y, z) ⋅ ϑ′(x) (8) Die Verschiebungen u und entsprechend die normierte Wölbordinaten w hängen von der Lage der Drehachse ab, um die sich der Querschnitt bei einer Torsionsbeanspruchung verdreht. Im Allgemeinen ist diese Drehachse die Schubmittelpunktsachse M, so dass die normierte Wölbordinate eine auf den Schubmittelpunkt bezogene Größe darstellt. Da die genaue Lage für die Kranschienen in zRichtung zunächst unbekannt ist, wird für die Bestimmung der Wölbordinaten mit der FEM zunächst eine beliebige Drehachse D als Bezugsachse verwendet, die auf der Symmetrielinie des Querschnitts liegt, d. h. in Gl. (7) zM durch zD ersetzt und yM = yD = 0 angenommen. Entsprechend ergeben sich mit der FE-Berechnung in den Elementknoten zunächst Ordinaten ω bzgl. des Punktes D. Mit der Beziehung ne

  1 zM − zD = − ⋅  y ⋅ ω ⋅ dA e  (9) Iz j=1  A e 

∑ ∫

j

wird die Lage des Schubmittelpunktes in z-Richtung in Abhängigkeit der Ordinaten ω beschrieben und die normierte Wölbordinate w ergibt sich nunmehr durch folgende Transformationsbeziehung:

(

)

(

ω = ω − ω k − z ⋅ y M − y D + y ⋅ zM − zD

)

mit n

1 e  ω ⋅ dA e  ωk = ⋅ (10)   A j=1  A e 

∑ ∫

j

Bild 5 zeigt beispielhaft das Ergebnis bzgl. der normierten Wölbordinate w für die Kranschienen A 100 und F 100. Mit w lassen sich der Wölbwiderstand Iw und das Torsionsträgheitsmoment IT durch fol­gende Beziehungen bestimmen [4]: n

e  ω 2 ⋅ dA  e I (11)  ω = j j=1  A e

∑ ∫

Bild 5.  Normierte Wölbordinate der Kranschiene A 100 und F100 nach [5], berechnet mit dem Programm QSW-FE [3] Fig. 5.  Standardised warping ordinate of crane rails A100 and F100 calculated with the program QSW-FE [3]

  ∂ω    + y − yM  ⋅ y − yM    −     ∂z  ⋅ dA  I (12) = T e      j=1 A e + ∂ω + z − z ⋅ z − zM       M     ∂y   ne

∑ ∫

(

) (

)

(

) (

)

j

Zur Lösung der von y, z und w abhängenden Integrationen in den Gln. (3), (4) und (9) bis (12) ist es erforderlich, die Funktionsverläufe über den Querschnitt zu kennen. Wie bereits angedeutet, liefert die Berechnung mit der FEM jedoch nur die Ordinaten in den Elementknoten. Zur Approximation des Verlaufs im Elementinneren werden die bereits genannten Interpolationspolynome genutzt. Es ist offensichtlich, dass sich mit den 9-knotigen finiten Elementen und dem dabei zugrunde gelegten biqua­ dratischen Verschiebungsansatz, der im Allgemeinen vom realen Verformungsverhalten abweicht und dieses im Voraus nicht bekannt ist, eine gewisse Ungenauigkeit ergeben kann. Bei der Verwendung von zweidimensionalen, krummlinig berandeten Elementen haben darüber hinaus weitere Faktoren Einfluss auf die Genauigkeit der FE-Lösung. Detaillierte Ausführungen hierzu können [4] entnommen werden. Durch eine entsprechend feine Elementierung der Querschnitte lassen sich die Ungenauigkeiten minimieren und mit der FE-Berechnung genaue Lösungen erzielen. Ergänzend sei erwähnt, dass die hier vorgestellten finiten Elemente auch zur Berechnung von Schubspannungsverteilungen infolge primärer Torsionsbeanspruchungen genutzt werden können (s. auch Bild 8). Darüber

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M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

Tabelle 1.  Abmessungen von Kranschienen Table 1.  Dimensions of crane rails

hinaus werden sie in [4] auch für die Erfassung der Schubspannungen des Querkraftschubes sowie der sekundären Torsion angepasst.

3  Querschnittswerte für Kranschienen In den Tabellen 1 bis 3 werden die Querschnittswerte für neue, um 12,5 % sowie um 25 % abgenutzte Kranschienen der Formen A und F auf Grundlage der zuvor beschriebenen FE-Berechnungen zusammengestellt. Die Abnutzung bezieht sich dabei auf die Schienenkopfhöhe tr, die für die hier vorliegenden Schienen wie folgt definiert wird (s. auch Tabelle 1): –– Schiene der Form A: tr = h3 = variabel –– Schiene der Form F: tr = h/2 = 40 mm Hieraus lässt sich ein Maß

( ) (12, 5% Verschleiß)

(13) a = 0, 25 ⋅ t r 25% Verschleiß bzw. a = 0,125 ⋅ t r

ableiten, das die Abnutzung des Schienenkopfes widerspiegelt. In der Vergangenheit war es üblich, für jede Schiene die 25 %ige Abnutzung durch einen auf volle Millimeter gerundeten Wert a festzulegen (vgl. beispielsweise [2], [7],

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[8] oder [9]). Die auf dieser Grundlage bestimmten ­Querschnittswerte wurden üblicherweise mit „ca. 25 % abgenutzt“ gekennzeichnet. Für die zusätzliche Verschleißgröße von 12,5 % beim Ermüdungsnachweis erscheint eine Rundung auf ganze Millimeter jedoch recht ungenau, insbesondere bei einer Gegenüberstellung mit den herstellungsbedingten Toleranzen. Da in Eurocode 3 [11] die Prozentwerte der Schienenkopfhöhe gemäß Gl. (13) und nicht auf Millimeter gerundete Maße a definiert sind, ist in sämtlichen Berechnungen die Genauigkeit von a gegenüber vergangener Werte erhöht und im Zehntelmillimeterbereich berücksichtigt worden (s. Tabellen 2 und 3).

4  Hinweise zu Kenngrößen von Gesamtquerschnitten Werden die Schienen schubfest mit dem Trägerprofil verbunden, können Querschnittswerte des Gesamtquerschnitts bei der Bemessung berücksichtigt werden (s. Abschnitt 1). Diese sind beispielsweise von Interesse, wenn der Einfluss der Schiene bei einer Berechnung nach Theorie II. Ordnung unter Berücksichtigung der zweiachsigen Biegung und Wölbkrafttorsion erfasst werden soll. Auch wenn Kranschienen der Formen A und F überwiegend bei schwerem Kranbetrieb ohne schubfester Verbindung einge­ setzt werden, soll im Folgenden auf entsprechend zusam-


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Tabelle 2.  Querschnittswerte von Kranschienen der Form A Table 2.  Cross section properties of form F crane rails

mengesetzte Querschnitte für eine Anwendung im Einzelfall eingegangen werden. Darüber hinaus lassen sich die Überlegungen unmittelbar auf Kranbahnträger mit rechteckiger Schiene übertragen, für die Schienen häufiger auch als tragende Bauteile eingesetzt werden. Bzgl. der Biegebeanspruchungen und der Berechnung der Hauptträgheitsmomente Iy und Iz des Gesamtquerschnitts können die im vorherigen Abschnitt angegebenen Kennwerte der Kranschienen ohne Schwierigkeiten genutzt werden (s. z. B. [6]). Für ein Profil HEB 200 (A = 78,08 cm2, Iy = 5696 cm4, Iz = 2003 cm4 [9]) mit einer Kranschiene A 45 und unter Berücksichtigung der 25 %igen Schienenkopfabnutzung ergibt sich beispielsweise: Gesamtfläche : A = A Pr ofil + A r = 78, 08 + 25, 99 = 104,1 cm 2 Abstand des HEB 200-Schwerpunktes (bezogen auf den Schienenschwerpunkt): zS,Pr ofil = h r + h / 2 − ea = 5 cm + 10 cm − 3, 08 cm

(

= 11, 92 cm = zM,Pr ofil

)

Lage des Gesamtschwerpunktes (bezogen auf den Schienenschwerpunkt):

zS = zS,Profil ⋅ A Profil A = 11, 92 ⋅ 78, 08 /104,1 = 8, 941 cm Hauptträgheitsmomente des Gesamtquerschnitts: 2

I y = I y,Profil + I y,r + zS,Profil ⋅ A Profil ⋅ A r A 2

= 5696 + 67, 41 + 11, 92 ⋅ 78, 08 ⋅ 25, 99 104,1 = 8533 cm

4

Iz = Iz,Profil + Iz,r = 2003 + 164,7 = 2168 cm 4 Der Index „r“ (= rail) bezieht sich dabei auf die Kranschiene und der Index „Profil“ kennzeichnet Querschnittswerte des I-Profils. Die Maße und Koordinatendefinitionen werden mit Bild 6 veranschaulicht. Im Hinblick auf die Wölbkrafttorsion ist die Berechnung der Kennwerte des zusammengesetzten Querschnitts schwieriger. Sollen hier genaue Kennwerte bestimmt werden, ist die in Abschnitt 2 beschriebene numerische Abbildung auf den Gesamtquerschnitt anzuwenden. Bild 7 zeigt die Diskretisierung des HEB 200 mit der abgenutzten Kranschiene A 45 durch das Programm QSW-FE [3]. Um den Querschnitt realitätsnah zu beschreiben, wird die Schiene nur an den äußeren Kanten des Schienenfußes mit dem Profilquerschnitt schubfest verbunden (s. Bild 7a).

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M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

Tabelle 3.  Querschnittswerte von Kranschienen der Form F Table 3.  Cross section properties of form F crane rails

Summation der Einzeltorsionsträgheitsmomente von einer erhöhten Torsionssteifigkeit für den Gesamtquerschnitt auszugehen. Dies spiegelt sich im Ergebnis der numerischen Untersuchung wider, bei der mit IT = 153 cm4 ein Wert berechnet wird, der ca. 69 % größer als die Summe der Einzelträgheitsmomente ist (IT = IT,Profil + IT,r = 59,59 + 30,77 = 90,36 cm4 [9]). Die genauen Torsionskenngrößen der FE-Berechnung lassen sich mit Hilfe von Näherungsbeziehungen approximieren, die sich auch für Handberechnungen eignen. Abhängig vom Querschnitt werden die Kenngrößen dabei jedoch mit unterschiedlicher Genauigkeit erfasst. Im ersten Schritt wird die Lage des Schubmittelpunktes bestimmt, die sich in Anlehnung an [6] und [10] mit Hilfe der Hauptträgheitsmomente Iz bestimmen lässt: I (14) zM = − z,r ⋅ zS,Profil − zS + zS,Profil Iz Bild 6.  Maße, Bezugspunkte und Koordinatensysteme des Gesamtquerschnitts Fig. 6.  Dimensions, reference points and coordinate systems of the total cross section

Die vom Programm berechnete normierte Wölbordinate des Gesamtquerschnitts ist in Bild 7b dargestellt, mit der sich der Wölbwiderstand zu Iw = 197 200  cm6 ergibt. Dieser ist ca. 18 % größer als der Wölbwiderstand des HEB 200 unter Vernachlässigung der Kranschiene (Iw = 167 060  cm6 [9]). Die Lage des Schubmittelpunktes des Gesamtquerschnitts liegt bei zM = 1,82 cm. Bild 8 zeigt die vom Programm [3] berechnete Schubspannungsverteilung infolge eines primären Torsionsmoments Mxp. Die Anbindung der Schiene an das Profil führt gegenüber der Betrachtung der einzelnen Teilquerschnitte zu einem veränderten Spannungsverlauf, der sich durch eine Spannungskonzentration und eine Art Kreisschubfluss im Bereich der Schiene und des Flansches kennzeichnet. Entsprechend ist im Vergleich zur

42

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

=−

164,7 ⋅ 11, 92 − 8, 941 + 11, 92 = 2, 07 cm 2168

Der Vergleich mit der genauen Lage des Schubmittelpunktes der FEM-Analyse zeigt, dass die Berechnung für dieses Beispiel mit einer gewissen Ungenauigkeit (ca. 14 %) behaftet ist. Diese lässt sich auf Unterschiede zwischen dem tatsächlichen Verwölbungsverhalten des Querschnitts (vgl. Bild 7) und den für Gl. (14) zugrunde gelegten Annahmen zurückführen, worauf beispielsweise in [5] im Zusammenhang mit anderen Querschnittsformen bereits näher eingegangen wird. Für die Berechnung des Wölbwiderstandes kann folgende Näherung angegeben werden:

(

)

2

I (15) ω = Iω,Profil + zM,Profil − zM,r ⋅ Iz,r

(

− zM,Profil − zS − zM

)

2

⋅ Iz

(

= 167060 + 11, 92 − 0,732

(

)

2

)

2

⋅ 164,7

− 11, 92 − 8, 941 − 2, 07 ⋅ 2168 = 186000 cm6


M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

Bild 7.  Diskretisierung, normierte Wölbordinate und Wölbwiderstand eines  Gesamtquerschnitts, berechnet mit dem Programm QSW-FE [3] Fig. 7.  Discretisation, standardised warping ordinate and warping constant of a total cross section calculated with the program QSW-FE [3]

Bild 8.  Schubspannungsverteilung infolge eines primären Torsionsmoments Mxp und  Torsionsträgheitsmoment, berechnet mit dem Programm QSW-FE [3] Fig. 8.  Shear stress distribution due to a primary torsional moment Mxp and torsion  constant (St Venant) calculated with the program QSW-FE [3]

Für die Entwicklung dieser Beziehung wird zunächst der Schubmittelpunkt des I-Profils als Bezugspunkt D gewählt und zum Wölbwiderstand Iw,Profil die Wirkung der Schiene additiv hinzugefügt. Anschließend erfolgt die Transformation vom Bezugspunkt D in den Schubmittelpunkt des Gesamtprofils (letzter Term) (s. z. B. [6]). Eine Abschätzung für das Torsionsträgheitsmoment gelingt, indem der zuvor angesprochene Kreisschubfluss durch eine Art Hohlzellenmodell näherungsweise erfasst wird (vgl. auch [10]). Dabei wird die mittlere Schienenfußdicke f2 sowie die Flanschdicke tf als Blechdicken der Hohlzelle berücksichtigt und davon ausgegangen, dass die Hohlzellenbreite der Schienenfußbreite b1 entspricht und im Anschlussbereich der Schiene an das Profil ds → 0 gilt. Unter diesen Annahmen lässt sich folgendes Torsionsträg-

heitsmoment bestimmten und für das Beispiel die FE-Lösung zu 94 % annähern: 4 ⋅ A 2m I (16) T = I T,Profil + I T,r + ds t(s)

∫

 f +t  4⋅ b ⋅ 2 f  1  2  = I T,Profil + I T,r + b1 ⋅ 1 f2 + 1 t f

(

2

)

  4 ⋅  12, 5 ⋅ 1,1 + 1, 5    2 = 90, 36 cm 4 + 12, 5 ⋅ 1 1,1 + 1 1, 5

(

2

)

= 144 cm 4

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

43


M. Kraus/S. Mämpel · Kennwerte neuer und abgenutzter Kranschienen für die Bemessung von Kranbahnträgern

Für Berechnungen nach Theorie II. Ordnung mit der Stabtheorie wird für die hier vorliegenden einfachsymmetrischen Querschnitte zudem der Querschnittswert

∫ (

)

1 z ⋅ y 2 + z2 ⋅ dA − 2 ⋅ zM rz = (17) Iy A

benötigt. Es ist darauf zu achten, dass dieser Querschnittswert in der Literatur teilweise unterschiedlich definiert und bezeichnet wird. In Anlehnung an [8] lässt sich rz durch folgende Beziehung mit Hilfe der Querschnittswerte der Schiene und des Profils aus­drücken:

(

)

3 r = 1 ⋅  z + b ⋅ tf − zS ⋅ Iz,Profil + b ⋅ t f ⋅ zS,f,u z I  S,Profil y

3 zS,f,o

(

)

(

Literatur

(18)

)

1 4 4 + ⋅ t w ⋅ zS,f,u + zS,f,o − zS ⋅ Iz,r − zS3 ⋅ A r  − 2 ⋅ zM  4

1 ⋅  38095,73  − 2 ⋅ 2, 07 = 4, 465 − 4,14 8533  = 0, 325 cm

=

mit:

zS,f,o

( (

) )

h tf − + zS,Profil − zS und 2 2 h t = − f − zS,Profil − zS 2 2

zS,f,u =

Es ist darauf zu achten, dass die Schwerpunktabstände der Profilflansche zS,f,u und zS,f,o bezogen auf den Gesamtschwerpunkt vorzeichengerecht zu berücksichtigen sind. Aus den Gln. (17) bzw. (18) wird deutlich, dass die Lage des Schubmittelpunktes zM bei der Berechnung von rz von Bedeutung ist. Sofern zM nicht bekannt ist und eine Näherungsberechnung nach Gl. (14) vorgenommen wird, beeinflusst die Exaktheit dieses Ergebnisses unmittelbar die Genauigkeit von rz, was auch am vorliegenden Beispiel deutlich wird: Berücksichtigt man in Gl. (18) nicht die Näherung von zM nach Gl. (14), sondern die genaue Lage des Schubmittelpunktes (zM = 1,82 cm, s. vorherige Ausführungen), ergibt sich mit rz = 0,83 cm ein Ergebnis, das die genaue Lösung (rz = 0,71 cm, berechnet mit dem FE-Modell) deutlich besser approximiert. Die Vergleiche verdeutlichen die hohe Sensitivität, mit der die Näherungsberechnung nach Gl. (18) für kleine rz-Werte verbunden ist. Für größere Werte ist der prozentuale Einfluss naturgemäß deutlich geringer. Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Torsionskenngrößen der zusammengesetzten Querschnitte und der vergleichsweise komplexen Querschnittsgeometrie durch die Approximationsbeziehungen nur bedingt, d. h. mit einer gewissen Ungenauigkeit, bestimmen lassen und numerischen Untersuchungen ggf. der Vorzug zu geben ist.

5 Zusammenfassung Im vorliegenden Beitrag werden zweidimensionale isoparametrische finite Elemente vorgestellt, die als Freiwerte

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Querschnittsverwölbungen aufweisen und mit Hilfe derer die Kennwerte dickwandiger Querschnitte mit hoher Genauigkeit bestimmt werden können. Die Elemente werden mit Hilfe eines Programms [3] zur Berechnung der Querschnittswerte neuer und abgenutzter Kranschienen der Formen A und F genutzt, wobei entsprechend DIN EN 1993-6 [11] ein Verschleiß von 12,5 % und 25 % berücksichtigt wird. Für die praktische Anwendung werden die Berechnungsergebnisse sämtlicher Schienen tabellarisch zusammengestellt sowie deren Anwendung hinsichtlich der Kennwertbestimmung von Kranbahnquerschnitten exemplarisch gezeigt und diskutiert.

[1]  Seeßelberg, C.: Kranbahnen: Bemessung und konstruktive Gestaltung. Berlin Wien Zürich: Bauwerk-Verlag, 4., aktual. u. erw. Aufl. 2014. [2]  Kuhlmann, U., Dürr, A., Günther, H-P.: Kranbahnen und Betriebsfestigkeit. Stahlbau Kalender 2003. Berlin: Ernst & Sohn 2003. [3]  Kraus, M.: QSW-FE. Finite-Elemente-Programm für Stabquerschnitte mit zweidi­mensionalen isoparametrischen Elementen, Version 1.16. Professur Stahl- und Hybridbau, Bauhaus-Universität Weimar. [4]  Kindmann, R., Kraus, M.: Finite-Elemente-Methoden im Stahlbau. Berlin: Ernst & Sohn 2007. [5]  Kraus, M.: Finite-Elemente-Methode für die genaue Berechnung von Querschnitts­werten und Spannungen – Theorie und Beispiele. Bauingenieur 82 (2007), H. 2 und 6, S. 85–94 und S. 299–303. [6]  Kindmann, R., Frickel, J.: Elastische und plastische Querschnittstragfähigkeit. Berlin: Ernst & Sohn 2002. [7]  Verein Deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.): Stahl im Hochbau. Düsseldorf: Verlag Stahleisen, 14. Aufl. 1984. [8]  Petersen, C.: Stahlbau – Grundlagen der Berechnung und baulichen Ausbildung von Stahlbauten. Braunschweig: Vieweg Verlag, 3. Aufl. 1997. [9]  Kindmann, R., Kraus, M., Niebuhr, H. J.: Stahlbau Kompakt, Bemessungshilfen, Profiltabellen. Düsseldorf: Verlag Stahleisen, 3. Aufl. 2014. [10]  Osterrieder, P., Richter, S.: Kranbahnträger aus Walzprofilen – Nachweise und Bemessungsdiagramme. Braunschweig: Vieweg Verlag 1999. [11]  DIN EN 1993-6: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 6: Kranbahnen inkl. NA; Deutsche Fassung EN 1993-6:2007 + AC:2009, 1993-6, 2010. [12]  Verein Deutscher Ingenieure, VDI 3576:2011-03: Schienen für Krananlagen – Schienenverbindungen, Schienenlagerungen, Schienenbefestigungen, Toleranzen für Kranbahnen. [13]  DIN 536-1:1991-09: Maße, statische Werte, Stahlsorten für Kranschienen mit Fußflansch Form A, DIN 536-1:1991-09, 1991. [14]  DIN 536-2:1974-12: Kranschienen, Form F (flach); Maße, statische Werte, Stahlsorten, DIN 536-1:1974-12, 1974.

Autoren dieses Beitrages: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Matthias Kraus, matthias.kraus@uni-weimar.de, Silvio Mämpel, M. Sc., silvio.maempel@uni-weimar.de, Bauhaus-Universität Weimar, Stahl- und Hybridbau, Marienstraße 13D, 99423 Weimar


Fachthemen Dominik Stengel Milad Mehdianpour

DOI: 10.1002/stab. 201710437

Windbeanspruchung von Hochspannungs-Freileitungs­ seilen in Naturmessungen, Zeitbereichssimulation und Norm Die Beanspruchung von Freileitungen erfolgt hauptsächlich durch Naturlasten. Dabei spielt für die bemessungsbestimmenden Lastfälle häufig der Wind eine entscheidende Rolle. Die Leiter, die mehrere hundert Meter weit spannen, tragen einen wesentlichen Anteil zur Gesamtbeanspruchung von Tragmasten bei, die wiederum Eigengewicht und Windlasten der Leiter zwischen zwei Abspannmasten abtragen. Wenn die Reaktion der Seile auf Starkwindereignisse abgeschätzt werden soll, müssen sowohl geometrische Nichtlinearitäten durch die großen Verformungen wie auch aerodynamische Nichtlinearitäten berücksichtigt werden. Insbesondere für die Anwendung und Berücksichtigung in Bemessungsvorschriften werden hierfür Vereinfachungen vorgenommen. In diesem Beitrag wird eine umfassende Untersuchung vorgestellt, über Naturmessungen, FEM-Simulationen kombiniert mit Windkanalversuchen und generierten Windzeitreihen. Ziel ist es, existierende Bemessungsvorschriften im Hinblick auf die Abschätzung der Beanspruchung aus Wind auf Leiter zu validieren. Hierbei sind insbesondere die Turbulenzannahmen und das dynamische Verhalten von weitgespannten Leitern wichtig, um die Extremschnittgrößen zu beschreiben. Mithilfe von so genannten Spannweitenfaktoren sollen die relevanten Parameter, wie Spannweite und Windturbulenz, bei der Beanspruchungsabschätzung berücksichtigt werden. Wind load of high voltage overhead transmission line con­ ductors in field measurements, time domain simulations and standard. The loading of overhead lines comprises of natural ­actions mainly. Wind loading signifies an important load case in the design of overhead transmission line structures. Conductors spanning often several hundreds of meters contribute significantly to the overall loading of suspension towers. Those towers are often designed as a mass product to support the dead and wind load of the conductors between two dead end towers. Estimating the reaction of the conductors to strong winds, both geometric nonlinearities because of the large deformations as well as aerodynamic nonlinearities need to be considered. Particularly for design procedures, those effects should be simplified. This paper presents a thorough investigation comprising field measurements along an existing overhead line, simulations with FEM combined with wind tunnel tests and generated wind fields. It is the aim of the study to validate the actual design procedure regarding loading of wind acting on conductors. Most important herein in order to describe the extreme response are assumptions on turbulence distribution and dynamic behavior of wide spanning overhead line conductors. According to usual design procedure, by means of so called span reduction factors, relevant parameters such as span length and wind turbulence can be considered.

1 Einleitung Im Fall von weitgespannten Bauwerken wie Freileitungen trägt Wind, der auf die Leiterseile wirkt, maßgelblich zur Gesamtwindlast auf die Auflager bei [1]. Insbesondere bei der Bemessung von Tragmasten ist der Lastfall von Wind senkrecht auf die Leiter häufig bemessungsrelevant. Die maßgebenden Spitzenbeanspruchungen in Starkwinden werden durch die Windturbulenz hervorgerufen und sollen daher Bestandteil der vorliegenden Untersuchung sein. Obwohl das Problem genau bekannt ist, mangelt es immer noch an experimentellen Nachweisen. Deshalb wurde eine einmalige Messkampagne initiiert, entlang einer bestehenden Freileitung in Norddeutschland an mehreren Stellen die Windeinwirkung zu messen. Gleichzeitig wird die Auflagerreaktion der Leiterseile am Tragmast gemessen. Mithilfe dieser Erkenntnisse kann ein nichtlineares FE-Modell der Freileitung validiert werden. Darin werden auch Ergebnisse aus Windkanalversuchen berücksichtigt. Mithilfe dieses kalibrierten Modells werden nichtlineare Zeitschrittrechnungen von Starkwindereignissen durchgeführt und das Verhalten des Systems mit einem Standardvorgehen im Frequenzbereich verglichen.

2  Messungen an einem Freileitungsabschnitt 2.1  Wind- und Kraftmessungen Windgeschwindigkeiten und die Auflagerreaktion der Leiterseile werden entlang eines bestehenden, stromlosen Freileitungsabschnitts der Hochspannungsebene (380 kV) gemessen. Die Trasse befindet sich nahe Rostock in Norddeutschland und verläuft von Südost nach Nordwest. Das Gelände ist nahezu eben und kann als offen beschrieben werden. Der Verlauf des Leitungsabschnitts zusammen mit dem Geländeverlauf ist in Bild 1 dargestellt. Ebenfalls sind die Messpunkte zur Erfassung der Windgeschwindigkeiten entlang der Leitung eingezeichnet. Die Leiter sind als Viererbündel ausgeführt aus Aluminium-Stahl-Seilen ­ Al/St 265/35 [2] (heute 264-AL1/34-ST1A) mit Durchmesser d = 22,4 mm, Elastizitätsmodul E = 74 kN/mm2, Sollquerschnitt A = 297,7 mm2 und spezifischem Gewicht m = 0,998 kg/m. Da die 2D-Ultraschallanemometer direkt auf dem Bündelleiter an Abstandhaltern befestigt sind, bewegen sie sich mit dem Leiter mit. Um dies bei den Windmessungen zu berücksichtigen, wird die Neigung der Sensoren gemes-

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Bild 1.  Verlauf des Freileitungsabschnitts mit Messpunkten MP1-13 Fig. 1.  Elevation of overhead line section with measurement points MP1-13

Bild 2.  2D-Ultraschallanemometer auf dem Bündelleiter (links) und Traverse mit Anemometer und Neigungssenor an den Isolatorketten (rechts) Fig. 2.  2D ultrasonic anemometer placed on quad bundle (left) and traverse with anemometer and inclinometer placed in insulator chains (right)

sen. Videoauswertungen haben gezeigt, dass die Schwinggeschwindigkeit der Leiter vernachlässigbar gering ist. Die Auflagerreaktion der Leiter wird am Tragmast in der Mitte des Abschnitts mittels des Ausschwingwinkels der Isolatorketten gemessen (s. Bild 2). Durch die Ausrichtung der Windsensoren wird die Windgeschwindigkeit anhand ihrer beiden Komponenten lateral und longitudinal zur Leitungsrichtung an 13 Punkten entlang der Leitung erfasst. Auswertungen im Zeit- und Frequenzbereich liefern die Parameter zur Beschreibung des Windfelds wie Mittelwert, Turbulenzintensität und Integrallängenmaße. Letztere sind von besonderem Interesse, da sie einen wesentlichen Einfluss auf die abzuschätzende dynamische Bauwerksantwort haben. Das longitudinale Integrallängenmaß wird durch Approximation eines von Kármán-Spektrums an die Turbulenzspektren entsprechend Gl. (1) geschätzt. Wie in Bild 3

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

(links) zu erkennen, gelingt eine gute Übereinstimmung zwischen Messung und Theorie mit den approximierten Werten des Integrallängenmaßes:

()

fS f f L ux 4 fn = mit fn = (1) 2 5/6 u σ 1 + 70, 8 fn2

(

)

Für weitgespannte Bauwerke ist insbesondere das laterale Integrallängenmaß von zusätzlichem Interesse. Dank der horizontal verteilten Windsensoren ist es möglich, einen räumlichen Kreuzkorrelationskoeffizienten r(Dy) [3] aus den Messungen zu schätzen. Dies wiederum ermöglicht die Approximation einer Exponentialfunktion mit dem lateralen Integrallängenmaß im Exponenten wie in Gl. (2) angegeben [4].

( )

∆y

ρ ∆y = e L (2)


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Bild 3.  Aus Messwerten geschätztes Spektrum der Turbulenz mit approximiertem von Kármán-Spektrum (links) und Schätzung und Approximation des Kreuzkorrelationskoeffizienten (rechts) Fig. 3.  Estimated turbulence spectrum and approximated von Kármán spectrum (left) and estimation and approximation of cross correlation coefficient (right)

Bild 3 (rechts) zeigt die Schätzung und Approximation der Kreuzkorrelationskoeffizienten gegenüber dem horizontalen Abstand von jeweils zwei der 13 Messpunkte für ein ausgewähltes Windereignis. Für große horizontale Abstände streuen die Werte sehr stark und man kann keine Korrelation mehr feststellen. Andererseits wird der Wert der geschätzten Korrelation niemals Null, wie es die Theorie einer Exponentialfunktion vorgibt.

2.2 Windkanalversuche Im Windkanal am Institut für Stahlbau der TU Braunschweig wurden in laminarer Strömung die aerodynamischen Kraftbeiwerte des Einzelleiters sowie des Bündels untersucht [5]. Die Kraftbeiwerte des Einzelleiters streben für große Reynolds-Zahlen Re > 3,0 · 104, entsprechend einer Windgeschwindigkeit im Windkanal von 20 m/s gegen 1,0. Dies ist auch in Übereinstimmung mit den Annahmen der Freileitungsnorm [6]. In den Zeitbereichsrechnungen bei geringeren Windgeschwindigkeiten können die bestimmten Kraftbeiwerte unter Annahme quasi-statischer Kraftübertragung verwendet werden.

3  Windfeldgenerierung und Modellierung der Struktur 3.1  Wellenüberlagerung unter Einbeziehung der Messdaten Es gibt eine Anzahl von Methoden, künstliche Windzeitreihen zu generieren, wie z. B. Filter- oder Wellenüberlagerung [7]. Letztere kommt häufig zur Anwendung und ist damit gut etabliert seit ihrer Einführung durch Shinozuka und Jan [8]. Der Vorteil dieser Methode liegt in der direkten Integrierung der gebräuchlichen Turbulenzparameter wie die Gln. (3) bis (6) zeigen. Für die Kohärenz der Signale an zwei Knoten wird die Definition von Davenport [9] angewendet, unter Anwendung der Abklingfaktoren Cuy = 11 und Cuz = 10. Die untere Dreiecksmatrix H der Spektraldichtematrix S und Phasenwinkel q beschreiben die Korrelation unter den benachbarten Knoten i und j. Ein normalverteilter Phasenwinkel Φ beschreibt den zufälligen Anteil jeder Zeitreihe.

() () ()

() () ()

() () ()

S f S f S  uv uw f   uu S f =  S vu f S vv f S vw f     S wu f S wv f S ww f   

()

(3)

S S Sk k  1 n   k1k1 k1k 2  Sk k Sk k Sk k  2 1 2 2 2 n (4) S kk f =      Sknk1 Sknk2 Sknkn   

()

 −2f C 2 ∆y 2 + C 2 ∆z2  Sk k i j ky kz (5)  γk f = = exp  ij Sk k Sk k   u u +  i j i i j j

()

j

N

() ∑∑

( )

uj t = H jm fn 2 ∆f (6) m =1 n =1

(

( )

cos 2πfnt + Θ jm fn + φmn

)

Dieses allgemeine Vorgehen lässt sich auch zur Generierung eines Windfelds anwenden, das auf Messwerten basiert. Die Turbulenzkomponente parallel zur Leitungsrichtung v wird im Folgenden vernachlässigt, genauso wie eine mögliche Kreuzkorrelation zwischen horizontaler und vertikaler Komponente, wodurch sich der Rechenaufwand drastisch reduziert. Im Allgemeinen wird ein homogenes Windfeld angenommen, was Phasenwinkel von Null bedeutet. Dies ist allerdings nicht der Fall für ein natürliches Windfeld. Das Kreuzspektrum zweier Signale enthält einen Realteil und den Phasenwinkel der Kreuzspektren als Imaginärteil, welcher in die Windfeldgenerierung einbezogen werden muss, um die Messungen auch im Zeitbereich nachzuvollziehen. Im Fall der Autospektren können die Phasenwinkel aus den realen Signalen bestimmt werden. Mithilfe dieser Informationen können Windfelder generiert werden, die die originalen Windgeschwindigkeiten an den Messpunkten wiedergeben und zusätzliche abhängige Zeitreihen für dazwischenliegende Knoten enthalten.

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Bild 4.  Skizze des Finiten-Elemente-Modells Fig. 4.  Sketch of finite element model

Unter Anwendung der Taylor-Hypothese der einge­ frorenen Turbulenz, wie in Gl. (7) angegeben, wird die ­Verschiebung der Knoten in Windrichtung x berücksichtigt.

(

(

)

)

∆x i u i x i,t + ∆x i = u i x i,t −∆t mit ∆t i = (7) i ui Die mittlere Windgeschwindigkeit wird höhenabhängig gemäß dem Nationalen Anhang der Windlastnorm [10] mit einem Potenzprofil entsprechend Gl. (8) angesetzt. In Langzeitmessungen wurde gezeigt, dass diese Annahme nicht die einzig mögliche, aber die wahrscheinlichste ist [11]. Da die Höhenänderungen in einem kleinen Bereich stattfinden, wird eine Festlegung der Rauigkeit entsprechend offenem Gelände als akzeptabel und die möglichen Fehler als vernachlässigbar angesehen. α

 z u z = u ref   (8)  10 

()

3.2 FEM-Modellierung Mithilfe der Finiten-Elemente-Methode wird die Windreaktion der Leiter im Zeitbereich simuliert. Das Viererbündel wird mit äquivalenten nichtlinearen Seilelementen [12] modelliert mit Berücksichtigung des Eigengewichts und der daraus resultierenden Vorspannung. Die Windkräfte werden als Knotenkräfte aufgebracht unter Annahme der quasi-statischen Kraftübertragung und vollständiger Korrelation der Windgeschwindigkeit über die Elementlänge (s. Gl. (9)). Die nichtlineare Bewegungsgleichung (9) wird mithilfe des Houboult-Verfahrens gelöst mit Newton-Raphson-Iteration in jedem Zeitschritt.

( )

(

)

 + K∆X = F X  mit F = ρ c d L U − X  2 (9) MX i i i i f,i i i i i 2 Die Modellierung, wie in Bild 4 skizziert, umfasst ein Seilfeld mehr als in Bild 1 dargestellt und umfasst somit den gesamten Abspannabschnitt. Die Masten werden mit äquivalenten linearen Masse-Feder-Systemen entsprechend der Beobachtung mit der jeweils ersten Eigenfrequenz von rund 1 Hz berücksichtigt. Die Seilfelder sind jeweils unterteilt in 20 Seilelemente. Die Feldlängen betragen von links nach rechts 389,5 m, 406,5 m und 439 m. Die Isolatorketten werden ebenfalls als äquivalente Seilelemente modelliert mit Länge und Durchmesser LI = 5,30 m und dI = 100 mm, Dehnsteifigkeit EAI = 18,5 × 108 N und einer spezifischen Wichte mI = 29,4 kg/m.

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3.3 Modellvalidierung Die statische Lösung ergibt die Kettenlinie und ist in sehr guter Übereinstimmung mit einem lokalen Aufmaß der Position der Messpunkte. Die Zeitschrittrechnungen werden mit den Beobachtungen verglichen im Hinblick auf die Auflagerreaktion am Tragmast, die in Form des Ausschwingwinkels der Isolatorketten als Maß der Windkraft auf die Leiter gelten kann. Die Übereinstimmung der Mittelwerte, auf die später eingegangen wird, ist sehr gut. Bild 5 zeigt den Zeitverlauf des fluktuierenden Anteils des Ausschwingwinkels eines Windereignisses sowie das zugehörige Leistungsdichtespektrum. Die Übereinstimmung im Zeitbereich erscheint akzeptabel vor dem Hintergrund der großen Anzahl an maßgeblichen Windgeschwindigkeiten, von denen lediglich 13 bekannt sind und 20 simuliert wurden. Hingegen kann die Übereinstimmung im Frequenzbereich als zufriedenstellend angesehen werden. Die Diskrepanz ab 1 Hz kann als vernachlässigbar betrachtet werden. Die Gegenüberstellung der Häufigkeitsverteilung der fluktuierenden Bauwerksantwort, wie in Bild 6, zeigt eine annähernd ähnliche Verteilung in Beobachtung und Simulation. Die jeweilige Übereinstimmung der Histogramme mit einer Gauß-Verteilung aus gleichem Mittelwert und Standardabweichung deutet auf ein lineares Übertragungsverhalten zumindest bei den geringen Windgeschwindigkeiten der Beobachtungen hin.

4  Vergleich von Wind auf Leiterseile in Messung und Theorie 4.1  Spitzenwert der Auflagerkraft und Spitzenbeiwert Für Bauwerke großer räumlicher Ausdehnung ist die Böenwindgeschwindigkeit meist nicht relevant, da sie nicht vollständig korreliert über die gesamte Bauwerksabmessung auftritt. Deshalb wird im Fall für Wind auf Leiterseile mit so genannten Spannweitenfaktoren gearbeitet, die den Böenstaudruck abhängig von der Spannweite abmindern. Es hat sich gezeigt, dass Resonanzeffekte für die Auflagerkraft der üblichen Freileitungsseile vernachlässigbar sind [13]. Somit wird der Spitzenwert der Auflagerkraft Rˆ in Gl. (10) bestimmt durch den Mittelwert R , den anzunehmenden Spitzenbeiwert kp sowie einer Standardabweichung des stochastischen Antwortprozesses sR, der unter Vernachlässigung des Resonanzanteils dem Böengrundanteil entspricht und im Wesentlichen von den Turbulenzparametern abhängt.


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Bild 5.  Zeitverlauf und Leistungsdichtespektrum des flukturierenden Ausschwingwinkels aus Beobachtung und Simulation eines Windereignisses Fig. 5.  Time history and power spectral density of the fluctuating part of sway angle from observation and simulation of a single event

Bild 6.  Histogramm des Ausschwingwinkels aus Beobachtung (links) und Simulation (rechts) Fig. 6.  Histogram of sway angle from observation (left) and simulation (right)

(10) Rˆ = R + k p ⋅ σ R

4.2  Mittelwert der Auflagerkraft

Der Spitzenbeiwert des stochastischen Antwortprozesses ist abhängig vom zugrunde gelegten Verteilungstyp. Unter Annahme einer Normalverteilung lassen sich die Extremwerte mit einer Poisson-Verteilung annähern [14] und man erhält den Ansatz, der auch normativ [15] vorgeschlagen wird, entsprechend Gl. (11) mit der Frequenz der Böen­ reaktion n0, Beobachtungsdauer T und der Euler-Mascheroni-Konstante g ≈ 0,5772.

Der Mittelwert der Auflagerkraft lässt sich in Abhängigkeit der Bauwerksabmessungen und der mittleren Windgeschwindigkeit sehr gut abschätzen. Hierbei ist vor allem die Festlegung einer äquivalenten Leiterseilhöhe ze sowie eines entsprechenden Windprofils entscheidend, wie Gl. (12) zeigt.

( )

γ k p = 2 ln ν0T + (11) 2 ln ν0T

( )

Durch den vernachlässigbar kleinen Resonanzanteil der Auflagerkraft und eine relativ geringe erste Eigenfrequenz der Leiterseile wird auch die Frequenz der Böenreaktion sehr gering. Normativ [15] wird hier n0 ≥ 0,08 als Minimum angenommen und entspricht bei einer Beobachtungsdauer von 600 s einem Minimalwert kp = 3,0, was sich auch anhand der bisherigen Beobachtungen bestätigen lässt.

( )

2 ρ R = c f d L u ze (12) 2

Für den Freileitungsbau wird normativ [6] die Geländekategorie Binnenland, die ein Mischgebiet zwischen den Geländekategorien II und III darstellt, festgelegt, wie sie auch im Nationalen Anhang zur Windlastnorm definiert ist [10]. Begründen lässt sich diese Annahme damit, dass in dicht besiedelten Gebieten selten die notwendige ungestörte Lauflänge von mehreren Kilometern einer einzigen Rauigkeit vorzufinden ist. Stattdessen herrscht hier ein Wechsel von offenem Gelände und leichter Bebauung vor, ins­ besondere im Hinblick auf mehrere hundert Meter Leitungslänge. Die Luftdichte ergibt sich entsprechend Luft-

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druck und Temperatur, wird aber normativ meist zu r = 1,25 kg/m3 gewählt. Bild 7 zeigt die gute Übereinstimmung von Messung und Theorie hinsichtlich des Mittelwerts, wenn die mittlere Leiterseilhöhe bekannt ist. Hierfür ist jedoch die Kenntnis von tatsächlicher Spannweite, Seilzugspannung und Geländeverlauf Voraussetzung. Im Rahmen der Gestängeentwicklung für Freileitungsmasten ist dies häufig nicht der Fall. Deshalb schlagen Bemessungsnormen zur Festlegung einer Referenzhöhe auf der sicheren Seite liegende Stellen des Tragwerks vor wie z. B. Höhe des Aufhängepunktes am Isolator.

grundanteil im Wesentlichen abhängig von den Turbulenzeigenschaften des Winds, während die dynamischen Eigenschaften den Resonanzanteil bestimmen. Aus zahlreichen Untersuchungen und auch eigenen Auswertungen kann geschlossen werden, dass für die Auflagerkraft relevante Resonanzeffekte aufgrund der hohen aerodynamischen Dämpfung vernachlässigbar sind. Dies lässt sich u. a. anschaulich anhand eines Leistungsdichtespektrums der Auflagerkraft einer Beobachtung zeigen, wie in Bild 8 (links) dargestellt. In Bild 8 (rechts) ist der Energiegehalt als kumulativer Verlauf über die Frequenz dargestellt. Die zu erwartende erste Eigenfrequenz des betrachteten Systems liegt bei rund 0,1 Hz und fällt damit in einen Bereich, in dem die Windturbulenz bekanntlich einen hohen Energieeintrag aufweist. Trotzdem weist das Leistungsdichtespektrum an dieser Stelle keine Überhöhung auf. Vergleichsrechnungen anhand eines FE-Modells zeigen, dass die aerodynamische Dämpfung der Grund hierfür ist. Erst bei rund 1 Hz weist das Antwortspektrum resonante Überhöhungen auf, die zeigen, dass hier weitere Eigenfrequenzen liegen könnten. Nachrechnungen zeigen, dass dies die Masteigenfrequenzen sein könnten, die sich aufgrund der Kraftmessung am Mast auch im gemessenen Antwortspektrum wiederfinden können. Daher lässt sich die Standardabweichung der Auflagerreaktion auf den Böengrundanteil beschränken. Dieser kann, vorausgesetzt das System verhält sich linear, quasistatisch angenommen werden. Somit ergibt sich die Standardabweichung nach Gl. (13) als Funktion der mittleren Bauwerksantwort und Windgeschwindigkeit, der Turbulenzintensität Iu sowie einer Knoteneinflussfunktion J(lL), die das Verhältnis der Korrelation der Windturbulenz über die Bauwerksabmessung berücksichtigt.

4.3  Standardabweichung der Bauwerksreaktion

σ R = 2 R Iu J λ L (13)

Die Standardabweichung der Bauwerksreaktion unter turbulenter Windanregung lässt sich aufteilen in einen Böengrund- und einen Resonanzanteil. Hierbei ist der Böen-

Betrachtet man den Böengrundanteil als quasi-statisch, ergibt sich die Knoteneinflussfunktion aus der Korrelationsfunktion g(Dy, f) über die Bauwerksabmessung L in Rich-

Bild 7.  Theoretischer Verlauf der mittleren Auflagerreaktion im Vergleich zu Beobachtung und Simulation Fig. 7.  Theoretical progress of mean support reaction in comparison with observation and simulation

( )

Bild 8.  Normiertes Leistungsdichtespektrum der Auflagerkraft (links) und kumulativer Verlauf der normierten Varianz (rechts) aus einer Beobachtung Fig. 8.  Normalized power spectral density of support reaction (left) and accumulation of normalized variance (right) of an exemplary observation

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geben für ein langgestrecktes Bauwerk, dessen Höhe und Breite vernachlässigbar klein gegenüber der Länge ist. Für das Integrallängenmaß wird das für die üblichen Hochbauten maßgebende Integrallängenmaß in longitudinaler Richtung gewählt. 1 B2 = (16) L 1 + 1, 5 Lu

Bild 9.  Gegenüberstellung der Verläufe der Knoteneinflussfunktionen |J(lL)|2 der analytischen Lösung Gl. (14), deren Approximation Gl. (15) und nach DIN (16) Fig. 9.  Comparison of joint acceptance functions |J(lL)|2 as for analytical solution of eq. (14), approximation eq. (15) and DIN (16)

tung y und der Einflussfunktion i(y) auf die Auflagerreaktion [16].

( ) ∫∫ ( LL

)( )( ) ∫ ()

γ ∆y, f i y1 i y 2 dy1dy 2 J f = (14) 2  L  00 i y dy  0  2

Nimmt man L als die Windspannweite, i(y) als eine Rechteckfunktion und die Definition der Korrelationsfunktion nach Davenport, lässt sich das Doppelintegral numerisch lösen. Mithilfe der Beziehung von Integrallängenmaß und Abklingkonstante L uy = u / C uy f erhält man zudem eine frequenzunabhängige Formulierung für J(lL) mit lL = L/Luy. Die Lösung lässt sich wiederum mithilfe einer analytischen Formulierung nach Gl. (15) approximieren [17].

(

( )

)

2 2 2 −λL (15) J λL = + e −1 λL λ 2

In der Windlastnorm [15] entspricht diese Knoteneinflussfunktion dem Böengrundanteil B, wie z. B. in Gl. (16) ge-

Bild 9 stellt die Verläufe der Knoteneinflussfunktionen nach Gleichung (14) bis (16) gegenüber. Deutlich erkennt man hier den Unterschied der vorgestellten Theorie zur Windlastnorm, deren vorgeschlagene Knoteneinflussfunktion für den Böengrundanteil stets unterhalb der analytisch bestimmten Knoteneinflussfunktionen liegt. Unter Annahme einer Dreiecksfunktion als Einflusskurve der mittleren Auflagerreaktion eines Zweifeldträgers kann die doppelte Windspannweite mit dem Faktor 0,7 abgemindert werden [17]. Die sich damit aus Beobachtungen und Simulation von mittlerer Bauwerksantwort, Turbulenzintensität sowie geschätztem Integrallängenmaß ergebenden Standardabweichungen sind den Ergebnissen der Beobachtungen bzw. Simulation in Tabelle 1 gegenübergestellt. Wie in Tabelle 1 zu erkennen, stimmt die angewendete Vorgehensweise zur Abschätzung der Standardabweichung nach Gl. (13) gut mit den Beobachtungen bzw. der Simulation überein. Die Unterschiede betragen max. 20 %, was in Anbetracht der Unsicherheiten bei der Abschätzung des lateralen Integrallängenmaßes und der Annahme einer mittleren Turbulenzintensität über die gesamte Bauwerkslänge als vertretbar angesehen werden kann. Somit lässt sich festhalten, dass die aufgeführte analytische Lösung zur Abschätzung der Standardabweichung des Antwortprozesses herangezogen werden kann.

5  Normative Umsetzung der Windlastannahme 5.1 Spannweitenfaktor Der Spannweitenfaktor GL ergibt sich schließlich aus dem Verhältnis von Spitzenwert der Auflagerkraft Rˆ zur Windkraft, die sich aus einer konstant über die gesamte Windspannweite L angenommenen Böenwindgeschwindigkeit

Tabelle 1. Vergleich von Ergebnissen der Standardabweichung der Auflagerreaktion aus Beobachtung und Simulation mit Theorie Table 1. Comparison of standard deviation of support reaction as estimated from measurements and simulations and theory Ereignis

– R in kN

Iu

Luy in m

sR in kN Mess. und Sim.

sR in kN Gl. (13)

1

10,2

10,8

22

0,27

0,33

2

9,3

9,9

20

0,33

0,31

3

7,4

8,0

19

0,21

0,24

4

9,5

10,6

29

0,20

0,24

5

7,4

8,0

23

0,25

0,26

6

6,1

6,8

22

0,17

0,19

7

6,8

7,8

23

0,18

0,21

8

12,1

13,2

30

0,37

0,46

9

7,8

9,0

25

0,32

0,31

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

51


D. Stengel/M. Mehdianpour · Windbeanspruchung von Hochspannungs-Freileitungsseilen in Naturmessungen, Zeitbereichssimulation und Norm

uˆ ergibt. Der Spitzenstaudruck ergibt sich des Weiteren aus der Luftdichte r, dem aerodynamischen Kraftbeiwert cf und dem Leiterseildurchmesser d. Rˆ GL = (17) ρ c d L uˆ 2 2 f Somit ergibt sich eine statische Ersatzlast für die gewünschte Antwortgröße R aus dem normativ definierten Böenstaudruck. Damit wird das vorher beschriebene Vorgehen auf eine statisch äquivalente Gleichstreckenlast vereinfacht unter Einhaltung der maßgebenden Kriterien [18].

5.2 Referenzhöhe Die im nationalen Anhang der Freileitungsnorm [6] vorgeschlagene Annahme der Aufhängehöhe am Stützpunkt als äquivalente Leiterseilhöhe kann für die zumeist üblichen Leiterseilkonfigurationen und Geländeverläufe als konservativ angesehen werden, stellt sie doch bei ebenem Gelände den höchsten Punkt des Seilfelds dar. Unter Annahme eines ebenen Geländes, einer Spannweite von 400 m und einem angenommenen Verhältnis von Durchhang zu Spannweite von f/l = 1/20 würde dies einen Höhenunterschied zum tatsächlichen Schwerpunkt der Seillinie von ca. 12 m bedeuten. Für den resultierenden Böenstaudruck bei einer Aufhängehöhe von 40 m und Geländekategorie Binnenland bedeutet dies beispielsweise eine Überschätzung und somit eine Bemessungsreserve von 14 %. Es ist anzumerken, dass nicht allein die Lage einzelner Stellen der Struktur (Stützpunkt, Schwerpunkt der Seillinie etc.) allein maßgeblich für die Windlastannahme sein kann, sondern der mittlere Abstand des gesamten Seilfelds zum Boden. Sind der Geländeverlauf und die Seillinie bekannt, lässt sich die Seilfeldhöhe als Mittelwert der Bodenabstände über die betrachtete Länge bestimmen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass das Seilfeld durch die Windeinwirkung nochmal ausgelenkt wird und dementsprechend lateral sowie vertikal versetzt zur statischen Ruhelage zu berücksichtigen ist. Bei der Entwicklung der Gestänge von Masten ist meist weder Geländeverlauf noch die Spannweite und Seilzugkraft bekannt. Hier sind geeignete Annahmen zu treffen, die den Großteil der üblichen Verläufe hinsichtlich Geländeformation, Spannweite und Durchhang abdecken.

5.3  Alternativer Vorschlag und Vergleich Das Extremwindereignis, festgelegt in der Windlastnorm [10], ist lediglich mit einem Integrallängenmaß longitudinal zur Hauptwindrichtung angegeben, wie in Gl. (18) mit einem geländeabhängigen Exponenten ∈ (Tabelle NA.C.1). Angaben in lateraler Richtung fehlen. Eine weitestgehend akzeptierte und auf der sicheren Seite [19] liegende Annahme ist das Verhältnis Luy/Lux = 0,5 [4].

()

  L ux z = 300  z  (18)  300 

52

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Somit lassen sich Spannweitenfaktoren höhen- und längenabhängig für die Geländekategorie Binnenland, gemäß dem vorher beschriebenen Vorgehen in Gln. (10) und (17) entsprechend in Bild 10 darstellen. Für Windspannweiten L → 0 nähern sich die Spannweitenfaktoren dem Wert 1. Für größer werdende Spannweiten fallen die Werte zunächst stark ab und flachen erst für L > 500 m wieder ab. Diese Verläufe lassen sich auch durch explizite Formulierungen in Abhängigkeit der Windspannweite L und mittlere Höhe über dem Gelände z gemäß Gl. (19) approximieren. 0,15 ln L GL = 1, 32 − (19) z0,13 Die Freileitungsnorm [6] verwendet aus Gründen der Einfachheit bei der Bemessung der Maste, ohne Kenntnis des späteren Standorts, derzeit die Aufhängehöhe am Stützpunkt als konservative äquivalente Leiterseilhöhe. Vor diesem Hintergrund liefert ein Vergleich der Spannweitenfaktoren, wie in Bild 10, einen verzerrten Eindruck, da der normative Verlauf diese Konservativität beinhaltet und deshalb den Böenstaudruck stärker abmindert als es allein der Korrelation der Windturbulenz zuzuschreiben wäre. Außerdem werden die Spannweitenfaktoren Gxc im NNA in Abhängigkeit der Windzone angegeben. Dargestellt ist hier lediglich der Spannweitenfaktor für Windzone WZ1 und 2 entsprechend Gl. (20). G xc = 0,75 für Spannweiten bis 200 m (20) 60 G xc = 0, 45 + für Spannweiten über 200 m L Ein Vergleich der Spannweitenfaktoren allein ist nicht ausreichend, sondern muss für jeglichen Anwendungsfall einzeln geprüft werden. Im häufigsten Fall eines nahezu ebenen Geländes in Windzone WZ1 oder WZ2 kann davon ausgegangen werden, dass die vorgestellte Alternative zu ähnlichen Ergebnissen führt wie das bisherige normative Vorgehen. Aufgrund der starken Vereinfachung im deutschen NNA lassen sich genauere Standortdaten wie mittlere Seilfeldhöhe oder Geländekategorie nicht berücksichtigen. Insbesondere für eine Bewertung der Zuverlässigkeit bestehender Situationen bietet die oben vorgestellte Methode Abhilfe.

6 Zusammenfassung Basierend auf vorgestellten Naturmessungen und numerischen Berechnungsmodellen wurde in diesem Beitrag eine alternative Vorgehensweise aufgezeigt, die Windkraft auf Freileitungsmaste resultierend aus Wind auf Leiterseile abzuschätzen. Das Vorgehen unterscheidet sich vom normativen Vorgehen, da es die wesentlichen Turbulenzparameter neben der Turbulenzintensität – nämlich das laterale Integrallängenmaß der longitudinalen Geschwindigkeitskomponente – in Betracht zieht. Derzeit gibt es noch wenige normativ verankerte Erkenntnisse hierzu, doch diese ließen sich leicht einbeziehen. Durch die Berücksichtigung der äquivalenten Leiterseilhöhe lassen sich sowohl besondere Standorte wie Talüberspannungen erfassen, bei welchen die Aufhängehöhe


D. Stengel/M. Mehdianpour · Windbeanspruchung von Hochspannungs-Freileitungsseilen in Naturmessungen, Zeitbereichssimulation und Norm

Bild 10. Spannweitenfaktoren aus vorangegangener Untersuchung sowie der Freileitungsnorm (WZ1+WZ2) für Geländekategorie Binnenland und unterschiedliche Höhen über dem Gelände z Fig. 10. Span reduction factors as presented and given in standard (wind zone 1 and 2) for German terrain category open/suburban country and different heights above ground z

am Isolator nicht mehr konservativ angesehen werden kann. Auch vereinfachende Annahmen zu annähernd ebenen Geländeverläufen, wie die Höhe des Seilfeldschwerpunkts, ließen sich anwenden. Insbesondere für die Entwicklung der Maste, die meist ohne Kenntnis des späteren Standorts bemessen werden, können hieraus Verfahren entwickelt werden, abhängig von Spannweite und Seilzugspannung einen entsprechend geeigneten Höhenbereich festzulegen. Anzumerken für das vorgestellte Verfahren ist schließlich noch die Höhenänderung des Durchhangschwerpunkts aufgrund der Seilbewegung. Durch die Auslenkung des gesamten Seilfelds in Windrichtung ändert sich auch dessen Höhe über dem Gelände. Im üblichen Höhenbereich von Freileitungsseilen können bereits 5 m Höhenunterschied, wie in der Bemessungssituation denkbar, einen signifikanten Unterschied im Böenstaudruck bedeuten. Geht man von einem gleichbleibenden Geländeprofil unterhalb des Seilfelds aus, lassen sich hier konservative Annahmen zur maximalen Auslenkung treffen.

Danksagung Die Autoren möchten an dieser Stelle den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz Transmission GmbH, E.on Netz GmbH und TenneT TSO GmbH für die Förderung des Forschungsvorhabens MOSYTRAF danken. Literatur [1]  Leibfried, W., Mors, H.: Die Bündelleiter-Versuchsanlage Hornisgrinde, der Badenwerk AG, Karlsruhe. Karlsruhe: Badenwerk AG, 1964. [2] DIN 48204: 1984, Leitungsseile, Aluminium-Stahl-Seile, Deutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDE (DKE), 1984. [3]  Bendat, J. S., Piersol, A. G.: Random Data: Analysis and Measurement Procedures. Third edn. New York: John Wiley & Sons, Inc., 2000.

[4]  Holmes, J. D.: Recent developments in the specification of wind loads on transmission lines. Journal of Wind & Engineering 5 (2008), No. 1, pp. 8–18, [5]  Stengel, D., et al.: Numerical simulation of an overhead power line section under wind excitation using wind tunnel results and in-situ measured data. EURODYN 2014: Porto, Portugal, 2014. [6]  DIN EN 50341-3-4: 2011: Freileitungen über AC 45 kV, Teil 3-4: Nationale Normative Festlegungen für Deutschland, Deutsches Institut für Normung, e. V., 2011. [7]  Mann, J.: Wind field simulation. Probabilistic Engineering Mechanics 13 (198), No. 4, pp. 269–282. [8]  Shinozuka, M., Jan, C. M.: Digital simulation of random processes and its applications. Journal of Sound and Vibration, 25 (1972), No. 1, pp. 111–128. [9]  Davenport, A. G.: The spectrum of horizontal gustiness near the ground in high winds. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society 87 (1961), No. 372, pp. 194–211. [10]  DIN EN 1991-1-4/ NA: 2010, Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen – Windlasten, Deutsches Institut für Normung, e. V., 2010. [11]  Clobes, M., Willecke, A., Peil U.: Shape-dependent characteristics of full-scale wind profiles. Journal of Wind Engineering and Industrial Aerodynamics, 99 (2011), No. 9, pp. 919– 930. [12]  Jayaraman, H. B., Knudson W. C.: A curved element for the analysis of cable structures. Computers & Structures 14 (1981), No. 3–4, pp. 325–333. [13]  Matheson, M. J., Holmes, J. D.: Simulation of the dynamic response of transmission lines in strong winds. Engineering Structures, 3 (1981), No. 2 pp. 105–110. [14]  Lutes, L. D., Sarkani, S.: Random Vibrations: Analysis of Structural and Mechanical Systems. Amsterdam [u. a.]: Elsevier Butterworth-Heinemann, 2004. [15]  DIN EN 1991-1-4: 2010, Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen – Windlasten, Deutsches Institut für Normung, e. V., 2010. [16]  Holmes, J. D.: Effective static load distributions in wind engineering. Journal of wind engineering and industrial aerodynamics: The journal of the International Association for Wind Engineering 77 (2002), No. 2, pp. 91–110. [17]  Holmes, J. D.: Equivalent time averaging in wind engineering. Journal of wind engineering and industrial aerodynamics: The journal of the International Association for Wind Engineering 72 (1997), No. 1-3, pp. 411–420. [18]  Niemann, H. J., Peil, U.: Windlasten auf Bauwerke. In Stahlbau-Kalender 2003, U. Kuhlmann (Hersg.), Berlin: Ernst & Sohn: 2003. [19]  Lösslein, H.: Messung der Starkwindstruktur und deren Auswirkung auf das Windlastkonzept von Bauwerken. Forschungsbericht, Vol. T 1101, Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 1983.

Autoren dieses Beitrages: Dr.-Ing. Dominik Stengel, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Fachbereich 7.2 – Ingenieurbau, Unter den Eichen 87, 12205 Berlin, dominik.stengel@bam.de Dr.-Ing. Milad Mehdianpour, IPU Ingenieurgesellschaft Berlin mbH, Rahel-Hirsch-Straße 10, John F. Kennedy Haus 3. OG, 10557 Berlin, m.mehdianpour@ipu-ing.de (Bis 31.08.2015 Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung (BAM))

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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Fachthemen Matthias Mix

DOI: 10.1002/stab.201710447

Sicherheitsaspekte beim Stabilitätsnachweis von Hochspannungsstahlgittermasten Hochspannungsstahlgittermaste sind Stahlbauwerke aus überwiegend schlanken Winkelprofilen. Die Schlankheitsgrade für Biegeknicken bewegen sich im Intervall von ≈ 40 für Eckstiele bis ≈ 160 für Diagonalstäbe. Der Nachweis erfolgt in Europa entsprechend VDE 0210-1 nach Theorie erster Ordnung. In Abhängigkeit des bezogenen Schlankheitsgrades erfolgt eine Abminderung der Streckgrenze. Zusätzlich wird ein Teilsicherheitsbeiwert angesetzt. In Deutschland wird entsprechend VDE 0210-2-4 die Knickspannungslinie c verwendet. Die europäischen Knickspannungslinien sind durch reale und numerische Experimente bestimmt worden. Der Abminderungsfaktor auf die Streckgrenze wird für alle Schlankheitsgrade durch eine empirische Gleichung beschrieben. Das Produkt aus Abminderungsfaktor, Streckgrenze und Brutto- bzw. Effektivquerschnittfläche ergibt die rechnerische, charakteristische Traglast. Diese ist aus Sicherheitsgründen für alle Schlankheitsgrade so niedrig gewählt, dass sie von mindestens 97,7 % der Versuche überschritten wird. Der Erwartungswert der Traglast liegt somit über der charakteristischen Traglast – sie streut jedoch. Die Versuche zeigen unterschied­ liche Variationskoeffizienten von 0,09 im Bereich kleiner Schlankheitsgrade, die für große Schlankheitsgrade auf Werte um 0,05 sinken. Der Erwartungswert der Traglast liegt im Bereich kleiner Schlankheitsgrade weiter oberhalb der empirischen Gleichung als im Bereich großer Schlankheitsgrade. Dies führt für Stäbe mit unterschiedlichem Schlankheitsgrad, die bei semiprobabilistischem Nachweis zu 100 % ausgenutzt sind, zu unterschiedlichen Zuverlässigkeitsindizes. Safety aspects in the proof of stability of high voltage steel ­lattice towers. High voltage steel lattice towers are steel con­ structions that mainly consist of slender steel angles. The slen­ derness ratios for buckling are within the interval of ≈  40 for cor­ ner bars to ≈  160 for diagonal brace bars. In Europe the proof uses the linear static analysis according to VDE 0210-1. Depen­ ding on the relative slenderness ratio the yield strength is redu­ ced. A partial safety factor is, moreover, set. In Germany the buckling stress curve c is used according to VDE 0210-2-4. The European buckling stress curves are determined by real and nu­ meric experiments. The reducing factor on the yield strength is described by an empiric formula for all slenderness ratios. The product calculated from reducing factor, yield strength and cross section or ­effective cross section is the characteristic load capa­ city. For safety reasons the characteristic load capacity is low determined. For all slenderness ratios at least 97.7 % of all experi­ ments should have higher load capacities than the characteristic load capacity. Therefore the mean value of the load capacity is higher than the characteristic value. But the load capacity is scattering. The experiments show different coefficients of vari­

54

ance from 0.09 for low slenderness ratios to 0.05 for high slender­ ness ratios. Therefore the mean value of the load capacity ex­ ceeds the characteristic value more for low slenderness ratios and less for high slenderness ratios. This leads to different safety indices for bars with different slenderness ratios if all of them have the same-semi probabilistic capacity utilisation of 100 %.

1  Stabilitätsnachweis nach VDE 0210-2-4 Hochspannungsstahlgittermaste sind Stahlbauwerke, die überwiegend aus schlanken Winkelprofilen hergestellt werden. Die Schlankheitsgrade für Biegeknicken bewegen sich meist im Intervall von 40 für Eckstiele bis 160 für Diagonalstäbe. Der Nachweis erfolgt in Europa entsprechend VDE 0210-1 [1] nach Theorie erster Ordnung, für Querschnitte der Klasse 3 mit NSd N(γ S ⋅ Sk ) = ≤ 1,0 NRd χ ⋅ fy /γ R ⋅ A Br

(1)

und für Querschnitte der Klasse 4 mit NSd N(γ S ⋅ Sk ) = ≤ 1,0 NRd χ ⋅ fy /γ R ⋅ A eff

(2)

– In Abhängigkeit des bezogenen Schlankheitsgrades λ erfolgt beim Nachweis eine Abminderung der charakteris­ tischen Streckgrenze fy. In VDE 0210-1 findet die europäische Knickspannungslinie a0 Anwendung, was jedoch eine Berücksichtigung der Anschlussexzentrizitäten durch effektive Schlankheitsgrade erfordert. In Deutschland wird entsprechend VDE 0210-2-4 [2] die Knickspannungslinie c verwendet. Die Ermittlung der Schlankheitsgrade ist gegenüber VDE 0210-1 vereinfacht. Zusätzlich wird ein Teilsicherheitsbeiwert in Höhe von gR = 1,1 angesetzt. DIN EN 1993-1-1 [3] ordnet Winkelprofile der Knickspannungslinie b zu. VDE 0210-2-4 erfordert die Berücksichtigung des größeren der beiden Schlankheitsgrade aus Biegeknicken und Biegedrillknicken. Der Schlankheitsgrad für Biegeknicken beträgt allgemein λ BK = k ⋅

L i

(3)

Je nach Lage des Stabes im statischen System sind allgemein mehrere Knickrichtungen mit unterschiedlichen

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M. Mix · Sicherheitsaspekte beim Stabilitätsnachweis von Hochspannungsstahlgittermasten

Knicklängen L und Trägheitsradien i zu untersuchen. Davon ist der größte Schlankheitsgrad für Biegeknicken zu berücksichtigen. Der Faktor k deckt beispielsweise Einspanneffekte von Diagonalstäben in den Eckstiel ab, wenn diese berücksichtigt werden dürfen. Der Schlankheitsgrad für Biegedrillknicken beträgt

λ BDK

2 L c 2 + iM = ⋅ 2 i 2⋅c

  4 ⋅ c2 ⋅ iP2 ⋅ 1 + 1 − 2 2  c 2 + iM 

(

)

    

(4)

Knicklänge und Trägheitsradius sind für die Knickfigur einzusetzen, die sich senkrecht zur Verbindungslinie von Schwerpunkt S und Schubmittelpunkt M des Querschnittes ausbildet. Im Fall von Winkelprofilen ist dies die starke Hauptachse. Aus beiden Schlankheitsgraden ist der Größtwert zu suchen und der bezogene Schlankheitsgrad zu berechnen. Für Querschnittsklasse 3 beträgt er λ =

max(λ BK; λ BDK )

(5)

π2 ⋅ E fy

Für Querschnittsklasse 4 beträgt er λ =

max(λ BK; λ BDK ) π2 ⋅ E

A eff A Br

(6)

(9)

beschreiben. Die Traglast mehrerer, gleich schlanker Stäbe folgt etwa einer Normal- oder einer logarithmischen Normalverteilung [4]. Für die Hypothese einer Normalverteilung berechnet sich der Erwartungswert von c aus seinem 2,3 %-Quantil mit

Umstellen ergibt den Erwartungswert (7) µ χ(λ) =

mit α = 0,49 für Knickspannungslinie c und 1 Φ + Φ2 − λ 2

0,02 ⋅ arctan(1,07 − λ) + 0,07 arctan(1,07)

µ (10) χ(λ) = χ0,023 + 2,0 ⋅ Vχ(λ) ⋅ µ χ(λ)

Aus dem bezogenen Schlankheitsgrad folgt

χ=

Vχ(λ) =

µ χ(λ) = χ0,023 + 2,0 ⋅ σ χ(λ)

fy

Φ = 0,5 ⋅ 1 + α ⋅ (λ − 0,2) + λ 2 

0,023. Der Erwartungswert der Traglast liegt somit über der rechnerischen, charakteristischen Traglast. Sie streut aber um diesen. Die in [4] zitierten Versuche wurden an IPE160, St37-2, um die schwache Achse knickend, durchgeführt. Nach DIN EN 1993-1-1 werden diese Profile bei Knicken um die z-Achse der Knickspannungslinie b zugeordnet, in die dort auch L-Profile eingeordnet werden. Die Versuche zeigen außerdem, dass der Variationskoeffizient nicht für alle Schlankheitsgrade gleich hoch ist. Er weist Werte von V = 0,09 im Bereich kleiner Schlankheitsgrade λ < 40 auf und sinkt für große Schlankheitsgrade λ > 160 auf Werte um V = 0,05. Dies bedeutet auch, dass der Erwartungswert der Traglast im Bereich kleiner Schlankheitsgrade weiter oberhalb der empirischen Gleichung liegt als im Bereich großer Schlankheitsgrade. Bei etwa – l = 100 (λ = 1,07 für S235) weist der Variationskoeffizient einen Wendepunkt auf. Für probabilistische Berechnungen ist eine formelmäßige Darstellung des Variationskoeffizienten der Traglast erforderlich. Er lässt sich etwa mit

(8)

Der Abminderungsbeiwert χ ≤ 1,0 wird beim Nachweis formal auf die Streckgrenze angewendet. Für große Schlankheitsgrade tritt Stabilitätsverlust vor Erreichen der Streckgrenze ein, während für kleine Schlankheitsgrade eine Verfestigung über die Streckgrenze hinaus möglich ist.

2  Sicherheitsaspekte der Knickspannungslinien Die europäischen Knickspannungslinien sind durch reale und durch numerische Experimente bestimmt worden ([4] und [5]). Der Abminderungsfaktor χ auf die Streckgrenze wird für alle Schlankheitsgrade durch eine empirische Gl. (8) beschrieben. Das Produkt aus Abminderungsfaktor, Streckgrenze und Brutto- bzw. Effektivquerschnittfläche ergibt die rechnerische, charakteristische Traglast. Diese ist aus Sicherheitsgründen für alle Schlankheitsgrade so niedrig gewählt, dass sie von mindestens 97,7 % der Versuche überschritten und nur von höchstens 2,3 % der Versuche unterschritten wird. Die Gl. (8) ergibt somit eine rechnerische Traglast, die unter der µ-2σ-Realisierung der Versuche liegt oder diese höchstens erreicht [4], denn Φ(–2,0) =

χ0,023

1 − 2,0 ⋅ Vχ(λ)

(11)

und die Standardabweichung σ χ(λ) = Vχ(λ) ⋅

χ0,023

(12)

1 − 2,0 ⋅ Vχ(λ)

Als 2,3 %-Quantil c0,023 kann Gl. (8) eingesetzt werden. Die auf die Streckgrenze bezogene Traglastspannung χ nach Gl. (8) ist in Bild 1 als 2,3 %-Quantil über dem bezo– genen Schlankheitsgrad λ dargestellt. Mit dem Variationskoeffizienten nach (9) ist der Erwartungswert (10) berechnet und ebenfalls dargestellt. Einmal ist die Knickspannungslinie c abgebildet, in die VDE 0210-2-4 Winkelprofile einordnet. Zum Vergleich ist die Knickspannungslinie b abgebildet, in die DIN EN 1993-1-1 Winkelprofile einord– net. Für Knickspannungslinie c und λ = 0,5 ist die Verteilungsdichte f(χ) der Traglastspannung, bezogen auf die Streckgrenze, für die Hypothese einer Normalverteilung eingezeichnet. Das Maximum liegt auf Höhe der durchgezogenen µ-Linie, das 2,3 %-Quantil in Höhe der gestrichelten Linie. Die ebenfalls dargestellten, auf die Streckgrenze bezogenen Traglastspannungen von 26 warmgewalzten Winkelprofilen nach Adluri und Madugula [6] zeigen, dass die mit Gl. (11) für Knickspannungslinie b und c berechneten Erwartungswerte der Traglastspannungen unter den im

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

55


M. Mix · Sicherheitsaspekte beim Stabilitätsnachweis von Hochspannungsstahlgittermasten

Bild 1.  Auf die Streckgrenze bezogene Traglastspannungen in Abhängigkeit des bezogenen Schlankheitsgrades als 2,3 %-Quantil und als Erwartungswert, Vergleich mit realen Versuchen von Adluri und Madugula [6] Fig. 1.  Ultimate tensions related to the yield strength depending on the relative slenderness ratio as 2,3%-quantile and as mean value, comparison with real experiments of Adluri and Madugula [6]

Experiment ermittelten Traglastspannungen liegen. Die Annahmen nach Gln. (11) und (12) für das stochastische Modell liegen für probabilistische Berechnungen auf der sicheren Seite.

3  Grenzzustandsfunktionen eines Beispielmastes Die Auswirkungen der in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad unterschiedlich streuenden Traglast auf den Zuverlässigkeitsindex werden an fünf Stäben des in Bild 2 dargestellten Tragmastes untersucht. Alle Stäbe werden ausschließlich durch Windbeanspruchung senkrecht zur Leitung belastet angenommen. Dies trifft für die Diagonalen mit λ2 bis λ5 vollkommen zu. Für den Eckstiel mit λ1 gilt dies nur näherungsweise, weil ein Teil seiner Stabkraft aus vertikal wirkenden Gewichtslasten resultiert. Die Näherung wird jedoch in Kauf genommen, weil der Eckstiel hier nur als Beispiel für einen Stab mit kleinem Schlankheitsgrad herangezogen wird. Für einen Vergleich der fünf sich ergebenden Zuverlässigkeitsindizes β1 bis β5 für λ1 bis λ5 ist es jedoch wichtig, dass die Beanspruchung aller Stäbe die gleiche Verteilung aufweist. Der Tragmast befindet sich in Windzone 2, in der nach VDE 0210-2-4 in 10 m über Gelände vk = v0,98 = 32,57 m/s als Böenwindgeschwindigkeit anzunehmen ist. Oberhalb und unterhalb von 10 m über Gelände entwickelt sich das Windgeschwindigkeitsprofil entsprechend des Mischprofils im Binnenland. Der Aufbau von Grenzzustandsfunktionen im Freileitungsbau ist in [7] beschrieben. Für einen Druckstab aus einem Winkelprofil der Querschnittsklasse 3 ergibt sich aus der Differenz zwischen Beanspruchbarkeit und Beanspruchung g(x) = r(x) − s(x)

56

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

(13)

Bild 2.  Fünf Beispielstäbe mit unterschiedlichen Schlankheitsgraden unter Windbelastung Fig. 2.  Five example bars with several slenderness ratios ­under wind load

unter reiner Windbelastung folgende Grenzzustandsfunktion im Originalraum der Variablen: g(x) = χ(λ) ⋅ fy ⋅ A Br −

N(v 0,98 ) 2 v 0,98

⋅ v2

(14)


M. Mix · Sicherheitsaspekte beim Stabilitätsnachweis von Hochspannungsstahlgittermasten

Exemplarisch wird für die Frontwanddiagonale mit λ2 =70, L60 × 6, ABr = 691 mm2, fyk = 235 N/mm2, N(vk = v0,98) = 76 200 N, der semiprobabilistische Stabilitätsnachweis nach VDE 0210-2-4 geführt und daraus die Grenzzustandsfunktion (14) entwickelt. Der bezogene Schlankheitsgrad ist nach Gl. (5) λ=

70 π 2 ⋅ 210000 N/mm 2 235 N/mm 2

= 0,745

(15)

Aus dem bezogenen Schlankheitsgrad folgt nach Gl. (7) für Knickspannungslinie c Φ = 0,5 ⋅ 1 + 0,49 ⋅ (0,745 − 0,2) + 0,7452  = 0,911

(16)

und aus Gl. (8) der charakteristische Wert der auf die Streckgrenze bezogenen Traglastspannung χ=

1 0,911 + 0,9112 − 0,7452

= 0,696

(17)

Der Nachweis erfolgt nach (1) mit γS = 1,35 nach VDE 0210-2

NSd 1,35 ⋅ 76200 N = = 1,0 NRd 0,696 ⋅ 235 N/mm 2/1,1 ⋅ 691 mm 2

(18)

Die Grenzzustandsfunktion der betrachteten Diagonale mit λ2 g(x) = χ(λ) ⋅ fy ⋅ A Br −

76200 N ⋅ v2 (32,57 m/s)2

(19)

enthält vier stochastische Variablen (Abminderungsbeiwert χ, Streckgrenze fy, Bruttofläche ABr, Böenwindgeschwindigkeit v in 10 m über Gelände). Um den Grenzzustand g = 0 zweidimensional darstellen zu können, wurden in Bild 3 für zwei der vier Variablen (χ und ABr) bestimmte Realisierungen eingesetzt. Gewählt wurden der charakteristische Wert von χ und der Nennwert von ABr. Für die verbleibenden beiden Variablen (fy und v) lässt sich der Grenzzustand nun als quadratische Funktion in Form ­eines Diagramms darstellen. Für alle Wertepaare (v, fy), die auf der Gerade g = 0 liegen, zehrt die Beanspruchung die Beanspruchbarkeit gerade auf. Realisiert die Böenwindgeschwindigkeit, ausgehend von einem Punkt auf g = 0, etwas höher, so liegt diese Variablenrealisierung im Versagensraum. Realisiert die

Bild 3.  Grenzzustand für Druckversagen (λ2 = 70) im Originalraum Fig. 3.  Limit state for pressure failure (λ2 = 70) in the original space

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Tabelle 1.  Semiprobabilistischer Stabilitätsnachweis für die fünf beispielhaften Schlankheitsgrade, alle Stäbe aus S235 Table 1.  Semi-probabilistic proof of stability for the five ­exemplary slenderness ratios, all bars consist of S235 1

2

3

4

5

L150 × 14 L60 × 6 L70 × 7 L80 × 8 L90 × 9 l – l

40

70

100

130

160

0,426

0,745

1,065

1,384

1,703

c

0,884

0,696

0,503

0,355

0,257

[mm2]

4 030

691

940

1 230

1 550

NSk [N]

563 500

76 200

74 900

69 100

63 000

NSk/NRd

1,0

1,0

1,0

1,0

1,0

ABr

Streckgrenze, ausgehend von einem Punkt auf g = 0, etwas höher, so liegt diese Variablenrealisierung im Überlebensraum. Die semiprobabilistischen Stabilitätsnachweise für alle fünf Schlankheitsgrade sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

4  Stochastisches Modell Die Grenzzustandsfunktionen enthalten je vier Variablen, für die ein stochastisches Modell festgelegt werden muss. Dies betrifft einerseits den Verteilungstyp, andererseits die Verteilungskennwerte. Für den Abminderungsbeiwert χ werden die nach Gl. (8) berechneten charakteristischen Werte als 2,3 %-Quantile einer Normalverteilung aufgefasst. Für einen Vergleich mit der semiprobabilistischen Nachweisführung wird Knickspannungslinie c verwendet, was entsprechend DIN EN 1993-1-1 und nach Bild 1 auf der sicheren Seite liegt. Mittelwert und Standardabweichung berechnen sich nach Gln. (11) und (12). Als Varia­ tionskoeffizient findet Gl. (9) Anwendung. Die Verteilung der Streckgrenze von S235 wird der VDE-AR-N 4210-4 [8] entnommen. Es wird eine Log-Normalverteilung mit Mittelwert µ = 280 N/mm2 und Standardabweichung σ = 23 N/mm2 angenommen. Für die Bruttoquerschnittfläche wird eine Normalverteilung angenommen. Der Mittelwert µ entspricht dem Nennwert ABr, die Standardabweichung σ ergibt sich aus der Multiplikation des Mittelwertes mit dem Variationskoeffizienten V, für den in der Literatur, z. B. Probabilistic Model Code [9], Werte von etwa V = 0,04 angegeben sind. Die Einwirkungsseite enthält die Böenwindgeschwindigkeit v. Für v wird entsprechend VDE-AR-N 4210-4 eine Weibull-Max-Verteilung mit Variationskoeffizient V = 0,16 und Krümmungsparameter τ = 0,06 angenommen. Diese Extremwert-Verteilung eignet sich zur Beschreibung jähr­ licher, größter Einwirkungsrealisierungen, für die ein Höchstwert xmax begründet werden kann. Die Ermittlung des Krümmungsparameters und des daraus berechenbaren Höchstwertes ist in [11] behandelt, wo der Verteilungstyp mit Gumbel III bezeichnet ist. Der Variationskoeffizient V = 0,16 für die jährliche, größte Böenwindgeschwindigkeit ist in IEC 60826 [12] angegeben. Die Verteilungs­ summenfunktion der Gumbel III-Verteilung lautet gemäß [11] für die Windgeschwindigkeit v:

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1    v − µv  τ  F(v) = exp  −  f1 − f2 ⋅ σ v      

(20)

Darin ist f1 = Γ(1 + τ) f1 = Γ(1 + 0,06) = 0,9687436

(21)

und f2 = Γ(1 + 2 ⋅ τ) − f12 f2 = Γ(1 + 2 ⋅ 0,06) − 0,9687436 2 = 0,07159558

(22)

Γ ist die Gamma-Funktion, vertafelt beispielsweise in [13]. Das 98 %-Quantil v0,98 = 32,57 m/s für Windzone 2 der VDE 0210-2-4 und der Funktionswert F(v0,98) = 0,98 sind bekannt. Einsetzen in Gl. (20) und Umstellen ergibt 1    v 0,98 − µ v  τ  0,98 = exp  −  f1 − f2 ⋅   σv       τ

 –ln(0,98) = f1 − f2 ⋅

v 0,98 =

v 0,98 − µ v

f1 −  –ln(0,98)

σv

τ

⋅ σv + µv

f2

(23)

Wird Gl. (23) durch den Mittelwert µv dividiert, ergibt sich das Verhältnis zwischen 98 %-Quantil v0,98 und Mittelwert µv in Abhängigkeit des Variationskoeffizienten µv/σv = Vv: v 0,98 µv

=

f1 −  –ln(0,98) f2

τ

⋅ Vv + 1

(24)

Mit τ = 0,06, f1 = 0,96874365, f2 = 0,07159558 und Vv = 0,16 ergibt (24) v 0,98 µv

v 0,98 µv

=

0,96874365 −  – ln(0,98)

0,06

0, 07159558

⋅ 0,16 + 1

= 1,3966

(25)

Für Windzone 2 ergibt sich ein Mittelwert von µv =

v 0,98 1,3966

=

32,57 m/s = 23,32 m/s 1,3966

(26)

und eine Standardabweichung von σ v = Vv ⋅ µ v = 0,16 ⋅ 23,32 m/s = 3,73 m/s

(27)

Der Höchstwert vmax wird mit 100 % unterschritten oder höchstens erreicht, so dass dieser für 10 m über Gelände


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Tabelle 2.  Stochastisches Modell der Druckbeanspruchbarkeit und der Windgeschwindigkeit 10 m über Gelände Table 2.  Stochastic model of pressure capacity and wind velocity 10 m above terrain Größe

Verteilungstyp

2,3 %-Quantil x0,023

Mittelwert µ

Standardabweichung σ

Höchstwert xmax

Bruttofläche ABr (λ1 = 40)

Normal

4 030  mm2

161 mm2

691 mm2

27,6 mm2

940 mm2

37,6 mm2

1 230  mm2

49,2 mm2

1 550  mm2

62,0 mm2

280 N/mm2

23 N/mm2

1 φ + φ2 − λ 2

χ0,023 1− 2⋅V

χ0,023 1− 2⋅V

23,3 m/s

Bruttofläche ABr (λ2 = 70) Bruttofläche ABr (λ3 = 100) Bruttofläche ABr (λ4 = 130) Bruttofläche ABr (λ5 = 160)

Normal Normal Normal Normal

Streckgrenze fy

Lognormal

Abminderungsbeiwert χ

Normal

Windgeschwindigkeit v

Weibull (max)

durch Umstellen von Gl. (20) für Windzone 2 ermittelt werden kann: 1    v max − µ v  τ  1,00 = exp  −  f1 − f2 ⋅   σv       τ

 –ln(1,00) = f1 − f2 ⋅ v max =

0,96874365 ⋅ 3,73 m/s + 23,32 m/s 0,07159558 (28)

Das stochastische Modell für alle fünf beispielhaften Stäbe ist in Tabelle 2 zusammengefasst dargestellt.

5  Bestimmung der Zuverlässigkeitsindizes Bevor die Zuverlässigkeitsindizes berechnet werden können, sind die Grenzzustände mit Φ(u) = F(x)

3,73 m/s

73,8 m/s

dardraum der Variablen Überlebens- und Versagensraum voneinander ab. Nach der Standardisierung des Grenzzustands wird der Bemessungspunkt iterativ nach [14] berechnet: (k) u(k +1) = ∇g(u ) ⋅ (u(k))T ⋅ ∇g(u(k)) − g(u(k)) 2   ∇g(u(k))

v max − µ v σv

v max = 73,8 m/s

V⋅

(29)

in den Standardraum zu transformieren. Für alle Punkte auf dem Grenzzustand im Originalraum g(x) = 0 sind die Funktionswerte F(x) der Verteilungssummenfunktionen zu berechnen und die Argumente u der Standardnormalverteilung Φ zu suchen, welche den gleichen Funktionswert Φ(u) haben. Den Grenzzustand g(u) = 0 für Druckversagen des Beispielstabes mit λ2 = 70 im Standardraum zeigt Bild 4. Um den Grenzzustand des vier Variablen umfassenden Problems zweidimensional darstellen zu können, wurden für zwei der vier Variablen (uχ und uABr) die vorweggenommenen Bemessungspunktkoordinaten eingesetzt. Für die verbleibenden beiden Variablen (ufy und uv) lässt sich der Grenzzustand wieder als Linie in einem Diagramm darstellen. Für alle Wertepaare (uf, ufy), die auf g = 0 liegen, zehrt die Beanspruchung die Beanspruchbarkeit gerade auf. Der Grenzzustand trennt auch im Stan-

(30)

Der Ablauf der Iteration ist in Bild 4 unter Beschränkung auf zwei der vier Variablen dargestellt. Als Startlösung im Iterationsschritt k = 0 werden für die Windgeschwindigkeit v das 0,98-Quantil (u = +2,054) und für die Beanspruchbarkeitsvariablen die 0,05-Quantile (u = –1,645) verwendet. Abbruch erfolgt nach Iterationsschritt k = 5, nachdem sich für keine der vier Variablen noch eine nennenswerte Änderung zum vorherigen Iterationsschritt feststellen lässt. Der Zuverlässigkeitsindex des Stabes mit λ2 = 0 berechnet sich mit dem Satz des Pythagoras: βDruck = u 2v + u 2fy + u 2A + u 2χ βDruck = 3,5322 + 0,8652 + 0,4292 + 0,8652 βDruck = 3,76

(31)

Die Sensitivitäten der beteiligten Variablen betragen:  u    v    + 3,532  β 3,76     α   u v 0,865 fy     +0,939     –   α β  3,76   –0,230  fy   (32) = = =   α   u 0,429   –0,114  ABr  ABr   –    α χ   β   3,76   –0,230       u χ   – 0,865   β   3,76  Nach Rücktransformation in den Originalraum ergeben sich vd = 42,5 m/s, fy,d = 260 N/mm2, ABr,d = 679 mm2 und χd = 0,734 als Bemessungspunktkoordinaten.

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Bild 4.  Grenzzustand, Bemessungspunktsuche und Zuverlässigkeitsindex für Druckversagen (λ2 = 70) im Standardraum Fig. 4.  Limit state, design point search and safety index for pressure failure (λ2 = 70) in the standard space

Die Zuverlässigkeitsindizes für alle Schlankheitsgrade sind in Bild 5 dargestellt. Die durchgezogene Linie stellt den Zuverlässigkeitsindex für die beschriebene Annahme des Abminderungsbeiwertes χ als stochastische Variable dar, dessen Variationskoeffizient mit wachsendem Schlankheitsgrad abnimmt. Zum Vergleich zeigt die gestrichelte Linie den Zuverlässigkeitsindex, wenn in die Grenzzustandsfunktion (14) der Abminderungsbeiwert χ als Konstante, ermittelt für den Nennwert der Streckgrenze, eingesetzt wird. In diesem Fall liegt ein waagerechter Verlauf, also keine Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad vor. Die dann nur drei Variablen weisen für alle Schlankheitsgrade die gleichen Varia­ tionskoeffizienten bei gleichem Verteilungstyp auf und bei 100 % semiprobabilistischer Ausnutzung verhält sich das Produkt c · ABr proportional zu N(v0,98). Die Grenzzustandsgleichungen aller Schlankheitsgrade sind äquivalent ineinander umformbar. Für Schlankheitsgrade von 40 bis 120 übersteigt der Zuverlässigkeitsindex bei Annahme von χ als Variable den Zuverlässigkeitsindex bei Annahme von χ als Konstante um bis zu 0,37 oder 10,5 %. Für λ = 160 erreicht der Zuverlässigkeitsindex bei Annahme von χ als Konstante einen 2,6 % größeren Wert. Für alle Schlankheitsgrade übersteigt die Streckgrenze am Bemessungs-

60

Stahlbau 86 (2017), Heft 1

punkt den charakteristischen Wert fyk = 235 N/mm2. Dies – führt zu größeren bezogenen Schlankheitsgraden λ und es – greift eine χ-Verteilung, die auf der λ-Achse weiter nach rechts verschoben ist. Mittelwert und Standardabweichung sind hier kleiner. Andererseits realisiert der Abminderungsbeiwert χ für alle Schlankheitsgrade oberhalb der µ-2σ-Linie, die für semiprobabilistische Berechnungen angenommen wird und die auch für die β-Berechnungen mit χ aus Nennwert fyk Anwendung fand. Für λ < 120 überwiegt dieser Effekt aufgrund der hohen Standardabweichung der Traglastspannung. Die quadrierten Sensitivitäten der beteiligten vier ­Variablen zeigt Bild 6 in Abhängigkeit des Schlankheitsgrades. Die höchsten Werte werden für die Variable Windgeschwindigkeit v festgestellt. Sie beträgt mindestens αv2 = 0,868 (αv = 0,932) und steigt für λ > 40 noch weiter an. Für χ beträgt die quadrierte Sensitivität αχ2 = 0,066 (αχ = –0,257) für λ = 40 und fällt bis λ = 160 auf αχ2 = 0,023 (αχ = –0,152) ab. Der Bemessungswert von χ lässt sich aus α und β berechnen, für z. B. λ = 40 ist χd = µ χ + α ⋅ β ⋅ σ χ = µ χ + α ⋅ β ⋅ Vχ ⋅ µ χ χd = 1,045 − 0,257 ⋅ 3,88 ⋅ 0,0836 ⋅ 1,045 = 0,958

(33)


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Bild 5.  Zuverlässigkeitsindizes in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad Fig. 5.  Safety indices in dependency of the slenderness ratios

Bild 6.  Sensitivitäten in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad Fig. 6.  Sensitivities in dependency of the slenderness ratios

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Wie diskutiert, wurde auch für den Eckstiel mit λ1 = 40 reine Windbeanspruchung angenommen. Abschließend wird noch angegeben, welcher Zuverlässigkeitsindex sich einstellt, wenn die Eckstielkraft aus charakteristischer Windbelastung v0,98 nur 90 % von NSk = 563 500 N ausmacht und die übrigen 10 % aus dem Mittelwert µG einer Normalverteilten Eigengewichtsbelastung mit V = 0,1 resultieren. In diesem Fall steigt der Zuverlässigkeitsindex von β = 3,88 auf β = 4,01. Grund ist die im Vergleich zur Windbelastung kleinere Standardabweichung des Eigengewichts.

6  Teilsicherheitsbeiwerte für β = 3,7 und β = 4,2 Die Annahme gleicher Teilsicherheitsbeiwerte und die Annahme der µ-2σ-Linie als charakteristische Traglastspannung für alle Schlankheitsgrade führen zu unterschied­ lichen Zuverlässigkeitsindizes. An dieser Stelle soll untersucht werden, mit welchen Teilsicherheitsbeiwerten bemessen werden müsste, damit sich für alle Schlankheitsgrade der gleiche Zuverlässigkeitsindex einstellt. Offensichtlich ist dies für Tragwerke, für die keine Lastumlagerung zugelassen wird, die optimale Art des Ressourcen­ einsatzes. Wenn Teilsicherheitsbeiwerte probabilistisch begründet werden sollen, ist zuerst ein Zielzuverlässigkeitsindex festzulegen. Für die Untersuchung wird zunächst von β = 3,7 ausgegangen. Dieser Wert wird von einem windbeanspruchten Druckstab mit λ = 80, der wirtschaftlich nach VDE 0210-2-4 bemessen ist, erreicht. β = 3,7 entspricht außerdem dem Zielwert nach Probabilistic Model Code, Tab. 1, für große Schadensfolgen und hohe relative Kosten für die Bereitstellung von Sicherheit. Der anzustre-

bende Zielzuverlässigkeitsindex muss individuell für alle Bauwerke in Abhängigkeit der Schadensfolgen und der zur Gewährleistung von Sicherheit nötigen Aufwendungen ermittelt werden. β = 3,7 ist keinesfalls allgemeingültig. Für alle untersuchten Schlankheitsgrade λ < 80 wird dazu die Querschnittsfläche ABr soweit reduziert, bis der Zuverlässigkeitsindex auf β = 3,7 abgesunken ist. Für λ > 80 muss ABr bis zum Erreichen von β = 3,7 erhöht werden. Aus den Bemessungspunktkoordinaten und den charakteristischen Werten werden die Teilsicherheitsbeiwerte γq =

qd 1/2 ⋅ ρLuft ⋅ v d2 = 2 q k 1/2 ⋅ ρLuft ⋅ v 0,98

fy,k γ fy = f y,d γA = Br

γχ =

µA

(34)

(35)

(36)

Br

A Br,d

χ k  λ(λ, fy,k )   χd

(37)

berechnet. Die globale, für β = 3,7 erforderliche Sicherheit kann mit γ glob,β= 3,7 = γ q ⋅ γ fy ⋅ γ A ⋅ γ χ Br

(38)

berechnet und mit der in VDE 0210-2-4 vorgesehenen globalen Sicherheit von

Bild 7.  Zur Erzielung von β = 3,7 erforderliche Teilsicherheitsbeiwerte und globale Sicherheit in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad Fig. 7.  Partial safety factors and global safety factor for a target safety index of β = 3,7 in dependency of the slenderness ­ratios

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γ glob,VDE0210–2 = γ q ⋅ γ fy = 1,35 ⋅ 1,1 = 1,485

(39)

verglichen werden. Die VDE 0210-2-4 sieht keine Teil­ sicherheitsbeiwerte für ABr und χ vor. Dennoch lassen sich für alle Variablen Bemessungspunktkoordinaten ermitteln und das Verhältnis zwischen vereinbartem charakteristischen Wert und Bemessungspunktkoordinate berechnen. Die VDE 0210-2-4 nimmt also vereinfachend an, dass keine nennenswerte Abweichung zwischen charakteristischem Wert und Bemessungspunktkoordinate besteht, also für ABr und χ jeweils γR = rk/rd = 1,0 zutrifft. Das Ergebnis der Berechnungen zeigt Bild 7. Für einen Schlankheitsgrad von λ = 40 ist eine globale Sicherheit von γglob = 1,40 ausreichend, um einen Zuverlässigkeits­ index von β = 3,7 zu gewährleisten. Diese liegt 5,7 % unter der in VDE 0210-2-4 vorgesehenen globalen Sicherheit von 1,485. Für einen Schlankheitsgrad von λ = 160 ist eine globale Sicherheit von γglob = 1,65 erforderlich, um den gleichen Zuverlässigkeitsindex von β = 3,7 zu gewährleisten. Diese liegt 11 % über der in VDE 0210-2-4 vorgesehenen globalen Sicherheit von 1,485. Betrachtet man die einzelnen Teilsicherheitsbeiwerte, fällt insbesondere der mit γq = 1,66 bis 1,70 ungewöhnlich hohe Teilsicherheitsbeiwert für den Staudruck auf. Nach VDE 0210-2-4 ist nur γq = 1,35 anzuwenden. Dem steht ein Teilsicherheitsbeiwert von nur γfy = 0,90 für die Streckgrenze im gesamten Schlankheitsintervall gegenüber. Er liegt unter 1,0, weil die Festlegung von fyk = 235 N/mm2 als charakteristischer Wert bereits zu pessimistisch war. Er

dürfte deshalb durch Division mit γfy = 0,90 vergrößert werden. Auf die Bruttofläche ist für alle Schlankheitsgrade ein Teilsicherheitsbeiwert von γABr = 1,02 ≈ 1,0 anzuwenden. Für λ = 40 realisiert der χ-Wert mit 0,964 um 9,1 % über dem nach VDE 0210-2-4 mit fyk = 235 N/mm2 berechneten, charakteristischen χ-Wert 0,884. Er dürfte deshalb durch Division mit γχ = 1/1,091 = 0,917 vergrößert werden. Für λ = 160 realisiert der χ-Wert mit 0,244 um 5,0 % unter dem charakteristischen χ-Wert 0,257. Er müsste deshalb durch Division mit γχ = 1/0,950 = 1,053 verkleinert werden. Kompensation findet durch die ca. 11 % oberhalb fyk realisierende Streckgrenze statt. Für λ-Werte um 110 realisiert der χ-Wert in der Nähe des charakteristischen Werts. Bild 8 zeigt zum Vergleich die Teilsicherheitsbeiwerte und die globale Sicherheit für einen Zielzuverlässigkeitsindex von β = 4,2. Dieser Wert entspricht dem nach Probabilistic Model Code für moderate Schadensfolgen und normale relative Kosten für die Bereitstellung von Sicherheit anzusetzenden Zielwert. Die erforderliche, globale Sicherheit bewegt sich nun mit γglob = 1,65 bis 1,94 für alle Schlankheitsgrade über der durch die VDE 0210-2-4 vorgesehenen Sicherheit von γglob = 1,485. Sie ist ca. 18 % ­größer als die für β = 3,7 erforderliche globale Sicherheit. Betrachtet man die einzelnen Teilsicherheitsbeiwerte, fällt auf, dass sich fast ausschließlich der Wert für den Staudruck auf γq = 1,91 bis 1,96 vergrößert hat. Der Zuwachs beträgt ca. 15 %. Die übrigen Teilsicherheitsbeiwerte sind weitgehend unverändert. Die geringen Sensitivitäten der Variablen fy, ABr und χ hatten nur eine vernachlässig-

Bild 8.  Zur Erzielung von β = 4,2 erforderliche Teilsicherheitsbeiwerte und globale Sicherheit in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad Fig. 8.  Partial safety factors and global safety factor for a target safety index of β = 4,2 in dependency of the slenderness ­ratios

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bar kleine Verschiebung der Bemessungspunktkoordinaten zur Folge.

7 Zusammenfassung Trotz gleicher semiprobabilistischer Ausnutzung weisen unterschiedlich schlanke Bauteile innerhalb einer Konstruktion unterschiedliche Zuverlässigkeiten auf. In Fällen kleiner Schlankheitsgrade übersteigt der Erwartungswert der Traglastspannung wegen ihrer hohen Standardab­ weichung deutlich das vereinbarte charakteristische 2,3 %-Quantil. Es ergeben sich höhere Zuverlässigkeits­ indizes als in Fällen hoher Schlankheitsgrade. Bei Annäherung an die Euler-Hyperbel lässt die Standardabweichung nach und der Erwartungswert der Traglastspannung nähert sich dem 2,3 %-Quantil. Im untersuchten Intervall von λ = 40 bis λ = 160 ließ sich für reine Windbelastung und für einen Zielzuverlässigkeitsindex von β = 3,7 feststellen, dass der Bemessungspunkt von χ stets oberhalb des 2,3 %-Quantils liegt. Die Streckgrenze realisiert ebenfalls stets oberhalb des charakteristischen Wertes. Dies bewirkt einerseits unmittelbar einen Anstieg des Bemessungswiderstandes, andererseits mittelbar einen Rückgang des χ-Wertes wegen – des Einflusses auf den bezogenen Schlankheitsgrad λ. Der widerstandssteigernde Effekt überwiegt jedoch. Außerdem ließ sich feststellen, dass Traglastspannungen, ermittelt an realen Winkelprofilen, fast immer über den aus 2,3 %-Quantilen berechneten Erwartungswerten liegen, wenn Knickspannungslinie c angewendet wird. Winkelprofile dürften auch in eine Knickspannungslinie mit höheren Traglastspannungen eingestuft werden, vorausgesetzt, es müssen keine Vereinfachungen, etwa bei der Ermittlung von Schlankheitsgraden, kompensiert werden. Der Windstaudruck erfordert Teilsicherheitsbeiwerte γS > 1,5. Ursache ist die hohe Sensitivität der Böenwindgeschwindigkeit von etwa 0,9, währenddessen auf der Widerstandsseite eine Sensitivität von nur etwa 0,4 beobachtet werden kann. Literatur [1]  VDE 0210-1:2013-11: Freileitungen über AC 1 kV – Teil 1: Allgemeine Anforderungen – Gemeinsame Festlegungen; Deutsche Fassung EN 50341-1:2012.

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

[2]  VDE 0210-2-4:2016-04: Freileitungen über AC 1 kV – Teil 2-4: Nationale Normative Festlegungen (NNA) für Deutschland (basierend auf EN 50341-1:2012); Deutsche Fassung EN 50341-2-4:2016. [3] DIN EN 1993-1-1:2010-12: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1993-1-1:2005 + AC:2009. [4]  Petersen, C.: Der wahrscheinlichkeitstheoretische Aspekt der Bauwerkssicherheit im Stahlbau. DASt 4/1977, Berichte aus Forschung und Entwicklung, S. 26–42. [5]  Nowak, B.: Die historische Entwicklung des Knickstabproblems und dessen Behandlung in den Stahlbaunormen. Dissertation, TH Darmstadt, 1981. [6]  Adluri, S., Madugula, M.: Flexural Buckling of steel angles: Experimental investigation. Journal of structural engineering (1996), No. 3, pp. 309–317. [7]  Mix, M.: Probabilistische Nachweisführung von Stahlgittermasten im Freileitungsbau. Dissertation, Universität Duisburg-Essen, 2010. [8]  VDE-AR-N 4210-4:2014-08: Anforderungen an die Zuverlässigkeit bestehender Stützpunkte von Freileitungen. [9]  JCSS: Probabilistic Model Code: 2001: Joint Committee on Structural Safety. verfügbar online: www.jcss.ethz.ch. [10]  Spaethe, G.: Die Sicherheit tragender Baukonstruktionen. 2. Aufl. Wien/New York: Springer-Verlag 1992. [11]  Niemann, H.-J., Harte, R., Meyer, J., Wörmann, R.: Recent amendments to the VGB Guideline on the design and construction of cooling towers in power plants. VGB Power Tech Journal, Ausgabe 9, September 2011. [12]  IEC 60826 Ed 3.0: Design criteria of overhead transmission lines. International Electrotechnical Commission, Berlin: VDE-Verlag 2003. [13]  Plate, E.: Statistik und angewandte Wahrscheinlichkeitslehre für Bauingenieure. Berlin: Ernst & Sohn 1993. [14]  Rackwitz, R., Fiessler, B.: Structural Reliability under Combined Random Load Sequences. Comp. & Struct. 9 (1978), pp. 484–494.

Autor dieses Beitrages: Dr.-Ing. Matthias Mix, KINA Ingenieurgesellschaft mbH, Hollestraße 1g, 45127 Essen, m.mix@kina-ing.com


Fachthemen Benjamin Brunn Andreas Nitschke Christian Bederke

DOI: 10.1002/stab.201710449

Die Containerverbindung für die neue indische Antarktis-Forschungsstation Ein neuer Verbindungstyp für komplexe Containergebäude Bharati, die neue indische Antarktis-Forschungsstation, besteht aus einer selbsttragenden Konstruktion aus maßgeschneiderten ISO-Schiffscontainern. Bis zu acht ISO-Containereckbeschläge per Knoten wurden räumlich miteinander verbunden, wodurch ein mehrgeschossiges Gebäude entstand, dessen Gebäudeaussteifung ausschließlich durch die Container gegeben ist. Die dafür erforderlichen Containerverbindungen sind der Schlüssel zu einem effizienten Tragwerk und bestehen aus einfachen Teilen: Schrauben, Schubblocks, Verankerungsblocks, Stapelkonen und Gewindestangen. Das Zusammenspiel dieser Einzelteile ermöglicht Kraftübertragung in alle Richtung, indem sie in die Öffnungen der ISO Containereckbeschläge eingebaut werden. Die Teile lassen sich einfach von Hand mit einem Schraubenschlüssel einbauen. Die effektive Verwendung von Containern führte nicht nur zu geringerem Baumaterialverbrauch, sondern auch zu einem geringeren Ausstoß von Kohlendioxid während des Transports in die Antarktis. Darüber hinaus reduziert die neue Containerverbindung durch die gute Ausnutzung des Raumes innerhalb der ­Fassadenhülle sogar die Betriebskosten auf Lebenszeit des Gebäudes. Container connection for the New Indian Antarctic Research Station – A new type of connection for complex container buildings. Bharati, the New Indian Antarctic Research Station, consists of a self-supporting structure of customized ISO shipping containers. Up to eight ISO corner fittings per node are three-dimensionally interconnected forming a multi-storey building, so that the structural bracing is entirely given by the containers. The therefore necessary container connections are the key to an efficient structure. It consists of simple parts: bolts, shear blocks, anchor blocks, stackers and thread bars. In combination these ­elements guarantee force transmission in all directions by mounting them into the openings of the ISO corner fittings. All parts can easily be installed by hand using a wrench. The efficient use of containers did not only reduce the building material, but also the carbon dioxide emission on all transport activities. Furthermore, the new container connection and the therewith good utilization of available space within the façade shell reduces operation costs during the entire life time of the building.

1 Einleitung Containergebäude sind vorteilhaft, da sie einfach zu errich­ ten, wieder abzubauen und damit geeignet für temporäre Gebäude sind. Container sind leicht und einfach zu trans­ portieren und somit technisch und wirtschaftlich für den Einsatz in abgeschiedenen Gegenden wie die Antarktis

geeignet. Schiffscontainer sind mit so genannten Container­ eckbeschlägen ausgestattet und bieten damit Öffnungen für Verbindungsmittel zum Verankern auf Schiffen und Lastkraftwagen. Die zu Projektbeginn angestellten Nachforschungen nach existierenden Containerverbindungen ergaben, dass weder erhältliche Standardprodukte noch mögliche Modi­ fikationen die Anforderungen erfüllten, die die Komplexi­ tät des vorgegebenen Entwurfs mit sich brachte. Deshalb war es notwendig, eine neue Containerverbindung zu ent­ wickeln.

2  Herkömmliche Containerverbindungen Der Markt für Containerbefestigungen bietet verschiedene Mittel zur Ladesicherung von ISO-Containern auf Schiffen und Lastkraftwagen. Die wichtigsten Vertreter, die auch Potential für die Errichtung von Gebäuden besitzen, sind in Tabelle 1 aufgeführt. Das kraftübertragende Glied der meisten dieser Verbindungen befindet sich außerhalb der Containereckbeschläge, z. B. besitzen Bridge Fittings einen außenliegenden Zugstab. Quick-Ties wurden speziell für die Verbindung von zwei 20-Fuß-Containern zu einem 40-Fuß-Container entwickelt, um damit die Bewegungszei­ ten und Transportkosten auf Containerterminals wesent­ lich zu reduzieren. Damit verbundene Container führen zu einer 76 mm breiten Fuge, die sich beim Einsatz in Contai­ nergebäuden als nachteilig erweist. ISO-Container sind dafür ausgelegt, Schiffsbewegungen aus Wind- und Wellen­ einwirkungen bei einer 9fachen Überstapelung unter Ver­ wendung von Zurrstangen und Stapelkonen standzuhal­ ten. All diese Verbindungsmittel sind Massenprodukte und können schnell eingebaut und wieder entfernt werden, um Kosten zu sparen. Sie sind sehr effizient für ihren jeweils vorgesehenen Zweck.

3  Herkömmliche Containergebäude Die Verwendung von Containern als Module für Behau­ sungen ist nicht neu für abgeschiedene Regionen wie die Antarktis: Temporäre Gebäude wie auf Baustellen, Ein­ fachwohnraum, Veranstaltungsgebäude oder Flüchtlings­ heime werden so errichtet. Beispiele für Containergebäude in der Antarktis sowie solche mit statisch bedeutenden Merkmalen wie Auskragung oder turmartiger Höhe sind in Tabelle 2 aufgeführt.

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Tabelle 1.  Herkömmliche Containerverbindungen Table 1.  Conventional container connections Name

Abbildung

Lage im Eckbeschlag

Wirkungsrichtung

Kraft

Besonderheit

Bridge Fitting

seitlich/unten/oben

horizontal

Zug BL = 300 kN

Twistlock

unten/oben

horizontal

Schub BL = 420 kN

Fuge ≥ 25 mm

vertikal

Zug BL = 500 kN

horizontal

Schub BL = 420 kN

vertikal

Zug BL = 500 kN

Midlock

seitlich/unten/oben

Fuge ≥ 25 mm

Fuge ≥ 10 mm

Stapelkonus

unten/oben

horizontal

Schub BL = 730 kN

(vertikal)

(Druck)

Zurrstange

seitlich

vertikal, diagonal

Zug BL = 500 kN

Spannschloss

seitlich

vertikal, diagonal

Zug BL = 500 kN

Quick-Tie

seitlich

horizontal

Zug/Druck

Fuge 76 mm

vertikal

Schub

Tabelle 2.  Weitere Beispiele für Containergebäude Table 2.  Other examples of container buildings Name

Ort

Zweck

Besonderheit im Tragwerk

Freitag Store Zürich

Zürich, Schweiz

Verkaufsfläche und Aussichtsturm

Turm

Cancer Centre Amsterdam

Amsterdam, NL

temporäres Krankenhaus

lang, mehrgeschossig

Neumayer III

Antarktis

Forschungsstation

Gondwana

Antarktis

Forschungsstation

Orbino

Antwerpen, Belgien

Skulptur und Aussichtsturm

horizontaler Kragarm

Der Freitag Tower in Zürich (Bild 1) ist ein gutes Bei­ spiel für die Stapelbarkeit von Containern zur Errichtung hoher Gebäude. Aufgrund seiner kleinen Grundfläche war es ausreichend, den Turm mit extern angebrachten Zurr­ stangen auszusteifen. Im Gegensatz dazu gibt es andere mehrgeschossige Gebäude mit größerer Grundfläche und damit innenliegenden Knotenpunkten, wo acht Container­ eckbeschläge miteinander verbunden werden müssen. Ty­ pischerweise sind solche Gebäude jedoch flach gegründet oder die Container ruhen auf Trägerrosten, so dass in je­ dem Fall alle untersten Containerecken unterstützt sind. Bestünde das temporäre Gebäude des Cancer Centers in Amsterdam (vgl. Bild 4) aus einer weiteren Containerreihe, wäre es ein gutes Beispiel dafür. Für all diese Gebäude sind die oben genannten Containerverbindungen ausreichend. Bei Gebäuden wie der Neumayer III-Station (Bild 5), wo die Container von einer äußeren, selbsttragenden Hülle abgeschirmt sind und somit keine gebäudeaussteifende Funktion besitzen, sind Containerverbindungen nur zur Lagesicherung erforderlich.

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

4  Die Vorteile von Containern Heutzutage kommen Antarktismissionen ohne die Ver­ wendung von Containern aufgrund der langen Transport­ wege zu Land, See und Luft nicht mehr aus. In der Antark­ tis ist der Transport so gut wie beschränkt auf Schlitten und geländegängige Anhänger, die auf die Aufnahme von 20-Fuß-Containern ausgelegt sind. Während des Trans­ ports schützen die Container ihren Inhalt wie Baumaterial oder technische Anlagen vor verschiedenen äußeren Um­ welteinflüssen. Besonders deutlich wird dies bei den Con­ tainern für die neue indische Antarktisstation: Der Trans­ port führte sie durch alle Klimazonen, d. h. ausgehend von Europa über den Äquator mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit und hohen Temperaturen bis hin zur Antarktis mit völlig umgekehrten Umweltbedingungen. Wenn Container einmal an einen Ort wie die Antark­ tis gebracht werden müssen, ist es nur konsequent, sie als Gebäudeteile voll auszustatten, statt sie den ganzen Weg wieder mit zurückzunehmen. Dadurch kann Material und


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Bild 3.  Gondwana-Station, Antarktis (Foto: Thomas Schramm) Fig. 3.  Gondwana Station, Antarctica

Bild 1.  Freitag Hauptfiliale Zürich, Spillmann Echsle ­Architects (Foto: Roland Tännler) Fig. 1.  Freitag Flagship Store Zurich, Spillmann Echsle ­Architects Bild 4.  Cancer Center Amsterdam (Foto: Rob’t Hart) Fig. 4.  Cancer Center Amsterdam

Bild 2.  ORBINO, dauerhafte Installation im FreilichtSkulpturen-Museum Middelheim, Antwerpen, Belgien 2004 (Foto: Steven Van den Bergh, copyright SABAM) Fig. 2.  ORBINO, permanent installation at the open air sculpture museum Middelheim, Antwerp, Belgium 2004

Transportvolumen reduziert werden und die Zeit für die Rückverladung verkürzt sich. Damit verlängert sich die Nettoarbeitszeit, was aufgrund der sehr kurzen, nur fünf Monate andauernden Schönwetterzeit des antarktischen Sommers besonders vorteilhaft ist. Weiterhin kann der Rückbau des Gebäudes nach Ablauf seiner vorgesehenen Lebenszeit, wie im Antarktisvertrag ([4], [5]) vorgeschrie­ ben, genauso einfach erfolgen wie der Aufbau.

Bild 5.  Neumayer III-Station, Antarktis (Visualisierung, bof architekten) Fig. 5.  Neumayer III Station, Antarctica

Deutschlands Gondwana-Station (vgl. Bild 3) ist ein Beispiel für ein weniger komplexes Gebäude. Im Vergleich zu Neumayer III sind die Container zwar den starken ant­ arktischen Stürmen ausgesetzt, jedoch ruhen die Contai­ ner über eine kontinuierliche flache Unterkonstruktion auf dem Baugrund, so dass ebenso alle unteren Containereck­

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B. Brunn/A. Nitschke/C. Bederke · Die Containerverbindung für die neue indische Antarktis-Forschungsstation

beschläge unterstützt sind. Die äußere Form ist kastenför­ mig und als Sommerstation benötigt die Gondwana-Sta­ tion keine externe Wärmedämmfassade. Deshalb sind die außenliegenden Containereckbeschläge frei zugänglich und die Anwendung von gewöhnlichen Bridge Fittings ist möglich. Die Grundfläche ist breiter als zwei Container­ längen, jedoch ist das Gebäude nur eingeschossig.

5  Die Notwendigkeit für einen neuen Container­ verbindungstyp Weshalb konnte die neue indische Antarktisstation (Bild 6) nicht mit einem der existierenden Standardverbindungen errichtet werden? Der Architektenentwurf sah ein verhält­ nismäßig komplexes Gebäude vor. Ein aufgeständertes, schlankes und mehrgeschossiges Containergebäude mit wenigen Unterstützungspunkten, einem verhältnismäßig großen Grundriss (ca. 50 m × 30 m) und große, möglichst stützenfreie Räume. Die Gebäudeform sollte alles andere als kastenförmig sein, um Windkräfte und Schneeverwe­ hungen möglichst zu minimieren. Die Idee war ein selbst­ tragender Containerblock mit daran angehängter, formge­ bender Fassade. Dies erforderte allseitige Kraftübertragung zwischen innenliegenden Eckbeschlägen benachbarter Container, was fugenlos keine der herkömmlichen Contai­ nerverbindungen schafft. Unter Verwendung einer hocheffizienten, wärmedäm­ menden Fassadenhülle aus Sandwichelementen sollte das Doppelwandprinzip angewendet werden, um die Gebäu­ deform aerodynamisch günstig zu gestalten. Der somit ent­ stehende Raum zwischen der äußeren Hülle und den Con­ tainern bot sich zur Unterbringung von Gebäudetechnik und Rettungswegen an. Dem Prinzip von modularen, leicht zu errichtenden Gebäuden folgend war es nur kon­

Bild 7.  Explosionsdarstellung der neuen Containerverbindung Fig. 7.  Exploded view of new container connection

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Bild 6.  Bharati – Neue indische Antarktis-Forschungs­ station Fig. 6.  Bharati – New Indian Antarctic Research Station

sequent, die Fassadenunterkonstruktion mit einer leichten Modifizierung des hier vorgestellten Verbindungstyps ebenso an den Containereckbeschlägen zu befestigen.

6  Die neue Containerverbindung Die Verbindung besteht aus Schrauben, Schubblöcken, Ankerblöcken, Stapelkonen und einem optionalen Gewin­ destab (Bild 7). Durch Anwendung dieser im Inneren der Containereckbeschläge sitzenden Elemente (s. Bild 8) ist Kraftübertragung in allen Richtungen möglich. Die Ele­ mente sind bemerkenswert einfach und können leicht mit der Hand und einem Schraubenschlüssel eingebaut wer­ den. Nachdem die Container des unteren Containerge­ schosses aufgestellt sind, werden kraftschlüssige Verbin­


B. Brunn/A. Nitschke/C. Bederke · Die Containerverbindung für die neue indische Antarktis-Forschungsstation

Bild 8.  Containereckbeschläge aus Acryl mit Container­ verbindung Fig. 8.  Acrylic dummies of corner fitting with container ­connection

Bild 10.  Schubkraftversuch Fig. 10.  Shear load test

Bild 9.  Schraubenverbindung mit Verankerungs- und Schubblock Fig. 9.  Bolt fitting with anchor blocks and shear block

Bild 11.  Zugkraftversuch Fig. 11.  Tensile load test

dungen in alle Richtungen zwischen den oberen Container­ eckbeschlägen durch das Montieren der Schubblocks, Verankerungsblocks und der Schrauben hergestellt (Bild 9). Danach werden die Stapelkonen in die oberen Öffnungen eingesetzt, bevor die Eckbeschläge des oberen Containergeschosses darübergestülpt werden. Horizontale Schubkräfte zwischen den beiden Geschossen können nun über die Stapelkonen übertragen werden. Damit können horizontale Zugkräfte sowie vertikale und horizontale Schubkräfte an dem innenliegenden Knotenpunkt, wo bis zu acht Containern zusammentreffen, übertragen werden. Falls erforderlich, kann eine vertikale Zugkraft zwischen Ober- und Unterseite des Gebäudes mittels einer Zug­ stange im Zentrum der Verbindung übertragen werden.

unter Verwendung von Sicherheitsfaktoren des Germani­ schen Lloyds [2] (Tabelle 3) berechnet. Die Tragfähigkeit der Verbindung zeichnet sich durch das Versagen des Schraubengewindes aus. Ein Versagen der Verbindung auf Schubkraft konnte nicht erreicht werden. Die größte auf­ gebrachte Schubkraft von 300 kN führte zu Druckstellen durch lokale Plastifizierungen in der Öffnungslaibung des Containereckbeschlags.

7  Lastversuche für den neuen Containerverbindungstyp Um Zug- und Schubkrafttragfähigkeiten der neuen Contai­ nerverbindung zu ermitteln, führte SEC Ship’s Equipment Centre Bremen GmbH & Co. KG Versagenstests durch. Die Testaufbauten sind in den Bildern 10 und 11 darge­ stellt. Die zulässigen Belastungen (SWL: safe working load) wurden von den Bruchlasten (BL: breaking load)

8  Unterschied im Tragwerk Mit dem neuen Containerverbindungstyp sind die Contai­ ner nicht nur reine Wohnzellen, sondern auch lastabtra­ gende und gebäudeaussteifende Teile des Tragwerks. Mit ihrer Lage im Inneren der Containereckbeschläge erfor­ dern diese Verbindungen nahezu kein Spaltmaß zwischen benachbarten Containern. Die neue indische Forschungs­ station wurde mit einem 12 mm breiten Fugenspalt gebaut, so dass die Modulbreite 2,45 m beträgt und mit Futter­ platten Ungenauigkeiten ausgeglichen werden konnten. Leichte Abweichungen der hier vorgestellten Container­ verbindung wurden bei der Befestigung der Fassadenunter­ konstruktion auf den Containern unter Zuhilfenahme der

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B. Brunn/A. Nitschke/C. Bederke · Die Containerverbindung für die neue indische Antarktis-Forschungsstation

Tabelle 3.  Ergebnisse der Belastungstests Table 3.  Load test results Element

Material

Stapelkonus

S355J2+N1)

stirnseitige Containerverbindung

Schraube

8.82)

Mutter

83)

Verankerungsblock, Schubblock

S355J2+N1)

Schraube

8.82)

Mutter

83)

Verankerungsblock, Schubblock

S355J2+N1)

seitliche Containerverbindung

1)  EN 2)  EN

10025 ISO 898-1

3)  EN ISO 898-2 4)  Sicherheitsfaktoren

Schubkraft in kN

Zugkraft in kN

SWL4)

BL4)

SWL4)

BL4)

150

300

150

300

100

200

150

300

100

200

und Versuchsdurchführung gemäß Germanischer Lloyd

Bild 12.  Verhältnis zwischen Nutzraum und Bruttoraum für Neumayer III und Bharati Fig. 12.  Usable space to gross space ratio at Neumayer III and Bharati

Bild 13.  Primäres Containertragwerk und sekundäre Fassadenunterkonstruktion Fig. 13.  Primary container structure and secondary façade substructure

äußeren Containereckbeschläge angewendet. Ein weiterer Vorteil des neuen Containerverbindungstyps war die Mög­ lichkeit, die Anzahl der Unterstützungspunkte und somit der Gründungspfähle zu reduzieren, wodurch die Bauzeit ebenso verkürzt werden konnte. Gleichbedeutend wurde der Eingriff in den antarktischen Lebensraum, wie in den Antarktisverträgen ([4], [5]) gefordert, klein gehalten. Jede zweite untere Containerecke im untersten Geschoss ist vertikal nicht unterstützt. Durch die Fähigkeit der Verbin­ dung, Zug- und Schubkräfte zu übertragen, konnte auf zu­ sätzliche hohe Abfangträger verzichtet werden. Somit hat

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

die Station eine sehr schlanke Form und nutzt den Raum innerhalb der wärmedämmenden Hülle mit Containern wesentlich besser aus als z. B. die Neumayer III-Station (vgl. Bild 12). Im Längsschnitt betrachtet ist bei Neumayer III der Raum zwischen den Containern und der Fassade genauso groß wie der effektiv nutzbare Containerraum. Bei Bharati nimmt der Zwischenraum zur Fassade nur 42 % des Containerraums ein. Die Hauptfunktion der Stahlträger in Bild 13 besteht in der Unterstützung der Fassade und damit der äußeren Formgebung. Diese so genannte Fassadenunterkonstruk­


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Bild 14.  Bharati in der Bauphase Fig. 14.  Bharati during construction Tabelle 4.  Komplexität von Containergebäuden Table 4.  Container architecture complexity Kriterien

A

B

C

D

E

F

G

Summe

MehrTurm Einige Container- eine an den mehr als ein horizontaler Aussteifungsgeschossig- (dominierende ecken des untersten Containern Container Kragarm funktion keit Höhe) Geschosses sind befestigte breit nicht unterstützt Fassade Freitag Tower

1

1

0

0

0

0

1

3

Cancer Centre

1

0

0

0

0

0

1

2

Neumayer III

1

0

0

0

1

0

0

2

Gondwana

0

0

0

0

1

0

1

2

Orbino

1

0

0

0

0

1

1

3

Bharati

1

0

1

1

1

1

1

6

tion ist an den Containern befestigt (Bild 14). Bei größeren Räumen wird in umgekehrter Art und Weise eine Stützen­ freiheit erzeugt, indem die Containerdächer an der Fassa­ denunterkonstruktion gehängt werden. Der größte Raum konnte somit stützenfrei aus sechs Containern zusammen­ gesetzt werden.

9  Komplexität von Containergebäuden Um zu bestimmen, ob ein bestimmtes Containergebäude mit einem Containerbefestigungssystem von der Stange gebaut werden kann oder ob der hier vorgestellte neue Verbindungstyp erforderlich wird, ist es sinnvoll, die Kom­ plexität von Containergebäuden zu quantifizieren. Dies soll anhand der oben vorgestellten Beispielgebäude ver­ sucht werden. Die Komplexität wird anhand der sieben Kriterien A bis G der Tabelle 4 definiert. Bei einer Komple­ xität von 5 oder höher ist die Verwendung des neuen Ver­ bindungstyps wahrscheinlich erforderlich. Die Komplexi­ tät der indischen Station beträgt 6, während die übrigen

betrachteten Gebäude eine Komplexität von maximal 3 erreichen.

10 Zusammenfassung Der enorme Vorteil des hier vorgestellten neuen Contai­ nerverbindungstyps zeigt sich am Beispiel der indischen Antarktisstation Bharati in der Ermöglichung eines kom­ plexen, aufgeständerten und nur an wenigen Punkten un­ terstützen Gebäudes von schlanker, aerodynamisch güns­ tiger Gestalt. Dementsprechend unterscheidet sich dieses Gebäude von herkömmlichen Containergebäuden nicht nur durch die Containerverbindung, sondern auch durch seine architektonische Anmut sowie ökonomischen und umweltbezogenen Gesichtspunkten. Die beiden zuletzt ­genannten Vorteile begründen sich mit den Materialein­ sparungen durch die Verwendung der Container als tra­ gende Gebäudeteile und den damit verbundenen reduzier­ ten Massen und Volumina beim Transport zu Land, Was­ ser und in der Luft. Folglich konnte gegenüber einem

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B. Brunn/A. Nitschke/C. Bederke · Die Containerverbindung für die neue indische Antarktis-Forschungsstation

herkömmlichen Containergebäude der Ausstoß von Koh­ lendioxid auf dem langen Weg in die Antarktis gesenkt werden. Auch während der gesamten Lebensdauer sind die Betriebskosten aufgrund der schlanken Gestalt und des damit kleineren aufzuheizenden Volumens geringer. Literatur [1]  Bergmann, S., Buchmeier, T. (Eds.): Container Atlas – A Practical Guide to Container Architecture. Berlin: Gestalten 2010. [2]  Germanischer Lloyd, Rules for Classification and Construc­ tion, I – Ship Technology, 1 – Seagoing Ships, 20 – Stowing and Lashing of Containers, 2007. [3] International Organization for Standardization: Freight Containers, ISO Standards Handbook, fourth edition, Ge­ neva, 2006. [4]  The States Parties to this Protocol to the Antarctic Treaty: Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty.

FOOT BRIDGE 2017Berlin

FOOTBRIDGE2017.COM

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11th Antarctic Treaty Special Consultative Meeting, Madrid, 1991. [5]  The States Parties, The Antarctic Treaty: Conference on Ant­ arctica. Washington D.C., 1959.

Autoren dieses Beitrages: Dipl.-Ing. SFI Benjamin Brunn, benjamin.brunn@ramboll.com, Dipl.-Ing. Andreas Nitschke, andreas.nitschke@ramboll.com Ramboll IMS Ingenieurgesellschaft mbH, Stadtdeich 7, 20097 Hamburg Dipl.-Ing. Christian Bederke SEC Ship’s Equipment Centre Bremen GmbH & Co. KG, Speicherhof 5, 28217 Bremen, bederke@sec-bremen.com

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Fachthemen Eberhard Möller

DOI: 10.1002/stab.201710451

Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“ Das Oskar von Miller Forum in München zeigte von Ende Oktober bis Ende November 2016 in Kooperation mit dem M:AI Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW eine Ausstellung über Gewölbe, Schalen, Kuppeln und Dächer – und über ihre Inge­ nieure! Viel zu kurz blitzte für ein breites Publikum im Foyer des ­Forums der Bayerischen Bauwirtschaft auf, was vielleicht zum Grundwissen kultivierter Ingenieure zählt: In Texten, Plänen, ­Fotos, Modellen und Videos präsentierten die Kuratoren mehr als 30 ikonographische Dachtragwerke aus zwei Jahrtausenden – Meilensteine der Ingenieurbaukunst vom Pantheon in Rom bis zum Metropol Parasol in Sevilla, von den Münchner Olympia­ dächern bis zur Berliner Reichstagskuppel, vom Londoner Kris­ tallpalast über Sydneys Opernhaus bis zum New Bangkok Inter­ national Airport. About large roofs – “The Fifth View”. The Oskar von Miller Forum in Munich in cooperation with M: AI Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW presented an exhibition from end of October to end of November 2016 on vaults, shells, domes and roofs – and about their engineers! In the foyer of the forum of the Bavarian construction industry a wide public could see, what should be basic knowledge of cultivated engineers: in texts, plans, photos, models and videos, the curators presented more than 30 iconographic roof structures from two millennia – milestones of civil engineering culture: form Pantheon in Rome to Metropol Parasol in Seville, from the Munich Olympic Roofs to the Berlin Reichstag dome, from Crystal Palace in London to Sydney’s Opera House and New Bangkok International Airport.

1  Zum Hintergrund Noch immer fehlt dem deutschen Bauingenieurwesen ein festes kulturelles Zentrum, ein Kulturzentrum für die Inge­ nieurbaukunst. Umso dankbarer muss der Berufsstand sein, dass die Ausstellungen des kleinen, regionalen M:AI Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW in ver­ schiedenen Städten der Republik gezeigt werden. Aktuell war es die Ausstellung „Die fünfte Ansicht – von Gewöl­ ben, Schalen, Kuppeln, Dächern und ihren Ingenieuren“, die nach der ersten Station in Gelsenkirchen nun vom 28. Oktober bis zum 27. November 2016 in München zu sehen war (Bild 1). Meisterhafte Dachkonstruktionen ­dokumentierten hier die Innovationskraft und die techni­ schen Fortschritte von Baumeistern und Ingenieuren über die letzten zwei Jahrtausende. Beginnend mit den romanischen Kuppeln der Antike über die leichteren Gewölbe der Gotik hin zu monumen­

Bild 1.  Die Ausstellung „Die fünfte Ansicht“ in München (Foto: Eberhard Möller) Fig. 1.  The exhibition “The Fifth View” in Munich

talen Bauten aus der Zeit von Renaissance und Barock zeigten die Kuratoren die Entwicklung der steinernen, eher druckbeanspruchten Konstruktionen. Die Industriali­ sierung ermöglichte mit neuen Baustoffen wie Eisen, Stahl und Stahlbeton dann neue Konstruktionen. Leichte, fili­ grane, lichtdurchflutete Gerippe traten an die Stelle schwe­ rer und massiver Konstruktionen. Neue Formen ließen sich mit verbesserten Berechnungsverfahren beherrschen, zugbeanspruchte textile Membranen erweiterten das Spek­ trum der Materialien und Strukturen. Ingenieure mussten – und müssen – neben konstruktiven immer auch gestalte­ rische Lösungen dafür finden. Viel zu oft allerdings bleibt diese Arbeit im Verborgenen, hinter den Kulissen, viel zu wenig Gewicht wird ihr an den Fakultäten der Hochschu­ len beigemessen. Die Ausstellung wollte sich daher auch dieser Tätigkeit widmen und gleichzeitig das eine oder an­ dere Geheimnis über große Tragkonstruktionen lüften.

2  Die Projekte 2.1  Steinerne Dächer Gut 1 700 Jahre lang konnte das älteste Bauwerk der Leis­ tungsschau seinen Rekord als größte Kuppel der Welt hal­ ten. Ab etwa 114 n. Chr. entstand das Pantheon in Rom als Ersatz für einen blitzgeschädigten Vorgängerbau. Das ak­

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 86 (2017), Heft 1

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E. Möller · Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“

tuelle Bauwerk gibt auch heute noch einige Rätsel auf. So ist nicht einmal zweifelsfrei geklärt, wer sein Baumeister war. Sicher ist jedoch, dass dieser es auf geniale Weise ver­ standen hat, „Konstruktion und Ästhetik zu einer untrenn­ baren Einheit zu verschmelzen“ und damit ein Meister­ werk geometrischer und „baulicher Vollkommenheit und Erhabenheit“ zu schaffen. Mit kaum geringerer Spannweite aber mit deutlich wechselhafterer Geschichte wartet das zweite Projekt auf. Mehrfach von Erdbeben stark beschädigt gilt auch die Kuppel der Hagia Sophia in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. als architektoni­ sches Wunder. Immer wieder aufgebaut, verstärkt und er­ gänzt erlebte die ehemalige byzantinische Kirche eine Um­ nutzung als Moschee und dient heute als Museum. Eine der berühmtesten Kathedralen der französischen Gotik steht in Amiens. Bereits im 13. Jahrhundert erbaut, versinnbildlicht sie die Idee jenes neuen Baustils. Die Auf­ lösung der Wände in hohe Pfeiler ermöglichte einen hel­ len, lichten, zum Himmel strebenden Innenraum – aller­ dings auf Kosten außen zu ergänzender Strebepfeiler, um horizontale Lasten wie den Gewölbedruck abfangen zu können. Die Höhe ähnelt mit 42,3 m der des Pantheons, die Länge von 133,5 m übertrifft jene des antiken Baus je­ doch deutlich. Während man heute vor Baubeginn versucht, alles „durchzuplanen“, um „auf Nummer sicher“ zu gehen, wagte man in früheren Zeiten bisweilen höhere Risiken und hoffte, während der Bauzeit Lösungen zu finden. Ein Beispiel dafür ist die Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz. Die entscheidenden Konstruktionsideen für die Vierungskuppel in schwindelerregender Höhe lieferte der erst 27-jährige Filippo Brunelleschi im Jahr 1417. Bereits seit Jahrzehnten war der Dom da im Bau. Ohne das übli­ che Leergerüst und mit zahlreichen weiteren Innovationen ließ Brunelleschi das bis heute weithin sichtbare Wahr­ zeichen der italienischen Metropole errichten. Auf den Prinzipien dieses Florentiner Baus beruht auch die Kuppel der wohl wichtigsten Kirche der Christen­ heit über dem Märtyrergrab des Heiligen Petrus in Rom. Im Wesentlichen nach Plänen von Michelangelo errichtet, steht die Kuppel des Petersdoms für die Geburtsstunde des modernen Bauingenieurwesens. Wegen Rissen legten Wis­ senschaftler 1743 und 1748 Gutachten über die Lastabtra­ gung vor, um damit die Standsicherheit nachzuweisen – der historische Moment des Übergangs vom Bauen nach überlieferten Erfahrungen hin zu mathematischen Berech­ nungen – und der Moment der Auffächerung des bis dato umfassenden Baumeister-Berufes in jene des modernen Architekten und des Bauingenieurs. Jahrhunderte der Weiterentwicklung steinerner Bau­ ten kulminierten in der Dresdner Frauenkirche. Die Ein­ heit von architektonischer Form und konstruktiver Struk­ tur machte sie so besonders, dass sie trotz großer Zerstö­ rung im 2. Weltkrieg von 1994 bis 2005 im Sinne einer archäologischen Rekonstruktion wieder aufgebaut wurde.

2.2  Konstruktionen aus Gusseisen Im 19. Jahrhundert veränderte die industrielle Revolution das Bauwesen. Bei der Frage, wer damals konsequent neue Chancen eröffnete, stößt man auf zwei Gärtner. Den Ei­

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Bild 2.  Der Kristallpalast in London (1851), Joseph Paxton, Modell (Foto: Eberhard Möller) Fig. 2.  Cristal Palace in London (1851), Joseph Paxton, model

senbau führte Joseph Paxton mit seinem Londoner Kris­ tallpalast (Bild 2) in bisher ungekannte konstruktive und bautechnische Dimensionen, der Eisenbeton- und spätere Stahlbetonbau verdankt in großem Maße dem Franzö­ sischen Gärtner Joseph Monier seinen Ursprung. Der Kristallpalast, Zentrum der Londoner Weltaus­ stellung 1851, beeindruckte nicht nur mit seinen enormen Ausmaßen von 563 m Länge, 124 m Breite und bis zu 40 m Höhe, sondern vor allem mit seiner kurzen Bauzeit von nur acht Monaten. Standardisierte, maschinell vorfabri­ zierte Elemente, die vor Ort nur noch montiert werden mussten, machten dies möglich. Bei vielen Bahnsteighallen wie beispielsweise bei der St. Pancras Station in London (1864–1868) kamen in der Folge leichte glasgedeckte Gusseisenkonstruktionen zum Einsatz.

2.3  Beton- und Stahlbetondächer Während der Kristallpalast und St. Pancras Station in Lon­ don als große gläserne Hüllen die Vorzüge des zarten, fili­ granen Gusseisenbaus demonstrierten, loteten Bauten wie die Jahrhunderthalle in Breslau (1911–1913), das ZeissPlanetarium in Jena (1924–1926), die Großmarkthalle in Leipzig (1927–1929), der Palazetto dello Sport in Rom (1957), das Restaurant Los Manantiales in Xochimilco, Mexiko (1958, Bild 3), das Terminal des Washington Dul­ les International Airports in Chantilly (1958–1962) oder die Autobahntankstelle im Schweizer Deitingen (1968, Bild 4) erfolgreich die konstruktiven wie auch die formalen Möglichkeiten des bewehrten Betons aus. Als problematischer erwiesen sich zwei weitere Dä­ cher aus Beton. Frei Otto kritisierte schon zur Bauzeit die Konstruktion der Berliner Kongresshalle (1956–1957). Tat­ sächlich stürzte ein Teil des Dachs im Mai 1980 wohl we­ gen konstruktiver Mängel bei Planung und Bauausführung und als Folge davon durch korrosionsbedingte Brüche tra­ gender Spannglieder ein. Fünf Menschen verletzte das Dach, einen davon tödlich. Nicht ganz so dramatisch verlief glücklicherweise die Geschichte des Sydney Opera House (1959–1973). Die


E. Möller · Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“

Bild 5.  Glashalle der neuen Messe Leipzig (1993–1996), gmp von Gerkan Marg und Partner, Ian Richie; Stefan ­Polónyi, Bernd Möller (Foto: Eberhard Möller) Fig. 5.  Glasshall of the new Leipzig trade fair (1993–1996), gmp von Gerkan Marg und Partner, Ian Richie; Stefan Polónyi, Bernd Möller

Bild 3.  Das Restaurant Los Manantiales in Xochimilco, Mexiko (1958), Félix Candela (Foto: Eberhard Möller) Fig. 3.  Restaurant Los Manantiales in Xochimilco, Mexico (1958), Félix Candela

Bild 6.  Reichstagskuppel in Berlin (1997–1999), Sir Norman Foster and Partners, Leonhardt, Andrä und Partner (Foto: Eberhard Möller) Fig. 6.  Reichstag-Dome in Berlin (1997–1999), Sir Norman Foster and Partners, Leonhardt, Andrä und Partner

Bild 4.  Die Autobahntankstelle im Schweizer Deitingen (1968), Heinz Isler (Foto: Eberhard Möller) Fig. 4.  Gas station in Deitingen, Switzerland (1968), Heinz Isler

lange Planungs- und Bauzeit deutet jedoch schon auf ge­ wisse Schwierigkeiten bei der Umsetzung der schwungvol­ len Idee für das weltweit bekannte Wahrzeichen Austra­ liens hin, welches der Kontinent zwei Dänen verdankt. Der Ingenieur Ove Arup mühte sich sehr, die architektoni­ schen Skizzen seines Landsmanns Jørn Utzon in eine trag­

fähige Konstruktion umzusetzen. Eine gewaltige Kosten­ explosion und jahrelange Verzögerungen bei der Fertigstel­ lung konnte er dabei allerdings nicht verhindern. Mit Lochkarten gesteuerte Computer benötigten allein 18 Mo­ nate, um Form und Statik der Dächer zu berechnen.

2.4 Stahlbauten Leichter als Dächer mit großflächig eingesetztem Stahlbe­ ton sind meist solche mit schlanken Stahlkonstruktionen. Auf der Weltausstellung 1967 in Montreal zeigte der USAmerikaner Richard Buckminster Fuller einen Pavillon in Form einer Dreiviertel-Kugel mit 76 m Durchmesser. Für das tragende Stahlgerüst versuchte er, möglichst viele glei­ che Teile zu benutzen. Seine so genannte geodätische Kup­

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pel baut daher auf dem Prinzip regelmäßiger Polyeder auf. Sie wird bis heute als Museum genutzt. Sehr viel beschwingter wiederum war die Form des Deutschen Pavillons von Frei Otto, Rolf Gutbrod und Fritz Leonhardt auf derselben Weltausstellung. Dessen Dach­ tragwerk nahmen sich die Architekten der Münchner Olympiadächer (1969–1972) im Büro Behnisch und Part­ ner zum Vorbild. Mit einem 34 500 m2 großen, leichten Stahl-Seilnetz überspannten sie die Haupttribüne des Sta­ dions, unterstützt von Frei Otto und den Ingenieuren im Büro Leonhardt und Andrä um den jungen Projektleiter Jörg Schlaich. Anhand der Londoner Waterloo Station (1991–1993), der Zentralen Glashalle der neuen Messe Leipzig (1993– 1996, Bild 5), der Reichstagskuppel in Berlin (1997–1999, Bild 6), dem Terminal 3 des Stuttgarter Flughafens (2000– 2004), dem New Bangkok International Airport (2001– 2006) und dem Cinema Center in Busan (2006–2012) prä­ sentiert die Ausstellung weitere große Dachkonstruktio­ nen aus Stahl.

Bild 7.  Multihalle Mannheim (1975), Mutschler und Langner, Frei Otto, Buro Happold (Foto: Eberhard Möller) Fig. 7.  Mannheim Multihalle (1975), Mutschler und Langner, Frei Otto, Buro Happold

2.5 Membrandächer Der Einsatz textiler, zugbeanspruchter Membranen zur Eindeckung von Tragwerken führt zu weiteren Einsparun­ gen beim Eigengewicht der Bauten. An Projekten wie den Zeltdächern des Hajj Terminals in Jeddah (1981–1982), den Tribünendächern des Moses Mabhida Stadium im süd­ afrikanischen Durban (2006–2009) und den Großschir­ men für die Moschee des Propheten in Medina (2011) wird diese Leichtbauweise eindrucksvoll demonstriert. Frei Otto trug mit seinen Forschungen und Entwicklungen wesent­ lich dazu bei, Membranbauten auf jenes neue architekto­ nische wie konstruktive Niveau zu heben, das diese Bau­ ten repräsentieren.

2.6  Moderne Holzkonstruktionen Große Dächer, die einen der ältesten Baustoffe der Menschheit nutzen, runden die Ausstellung ab. Kaum ein anderes Material hat solch zukunftsfähige Potentiale wie das Holz, das selbstständig nachwächst und dabei CO2 bindet, das sowohl leicht zu transportieren als auch zu be­ arbeiten, das so kostengünstig wie leistungsfähig ist. Lediglich ein doppeltes Lattengitter aus je 5 × 5 cm dicken Hölzern benötigte Frei Otto, um 1975 eine Mehr­ zweckhalle auf der Bundesgartenschau in Mannheim zu überdachen. Die Spannweite der Multihalle (1973–1975, Bild 7) beträgt dabei bis zu 60 m, weit mehr also als beim Pantheon in Rom, und das mit einem Bruchteil an Mate­ rialaufwand. Leider ist dieses Monument des Leichtbaus aktuell vom Abriss bedroht. Neben einer Fortbildungsakademie auf dem Gelände der Zeche Mont Cenis in Herne (1997–1999) beeindru­ cken zwei Holzbauprojekte unseres digitalen Zeitalters. In der andalusischen Hauptstadt Sevilla überragt eine Holz­ skulptur des Berliner Architekten Jürgen Mayer H. und der Ingenieure von Arup seit 2011 die historische Altstadt. Der begehbare Sonnenschirm über dem ehemaligen Mercado Central lockt mit seiner Länge von 150 m, seiner Breite von 75 m und seiner Höhe von bis zu 28 m Menschen aus allen Teilen der Welt nach Sevilla. Verleimte, beschichtete

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Bild 8.  Metropol Parasol, Sevilla (2011), J. Mayer H. ­Architects, ARUP, Modell (Foto: Eberhard Möller) Fig. 8.  Metropol Parasol, Seville (2011), J. Mayer H. ­Architects, ARUP, model

Furnierholzschichtplatten im Raster von 1,5 m × 1,5 m bil­ den das markante Traggerüst des Metropol Parasol (2004– 2011, Bilder 8 und 9). Ein vergleichsweise kleines Projekt ist schließlich die Autobahnkirche Siegerland von schneider + schumacher sowie B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH (2009–2013, Bild 10). In grellem Weiß erstrahlt die zackige Form in hügeliger Landschaft, dem Logo des Verkehrs­ schildes nachempfunden. Ganz anders erleben die Besu­ cher dann den Innenraum. Gelbliche Oberlichter tauchen die Holzrippen des digital geplanten und zugeschnittenen, höhlenartigen Innenraums in warmes Licht.

3  Die Ausstellung Die gut 30 spannenden Projekte der Ausstellung „Die fünfte Ansicht – von Gewölben, Schalen, Kuppeln, Dä­ chern und ihren Ingenieuren“ vermitteln einen umfassen­


E. Möller · Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“

Bild 9.  Metropol Parasol, Sevilla (2011), J. Mayer H. ­Architects, ARUP, Modell (Foto: Eberhard Möller) Fig. 9.  Metropol Parasol, Seville (2011), J. Mayer H. ­Architects, ARUP, model

Bild 10.  Autobahnkirche Siegerland (2013), schneider+schumacher, B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, Modell (Foto: Eberhard Möller) Fig. 10.  Highway church Siegerland (2013), schneider+schumacher, B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, model

den Einblick in das komplexe Wirken unseres Berufstan­ des. Die Fakten und Geschichten dazu sind fundiert und informativ erzählt. Bilder und Filme veranschaulichen mehr als nur die Endprodukte, sie geben Einblicke in die aufwändigen Planungs- und Bauprozesse großer Dächer und damit in die Details unserer Arbeit. Leider bleibt die Darstellung oft zweidimensional flach, da dreidimensio­ nale Objekte Mangelware sind. Viel zu wenige Modelle bereichern die Ausstellung. Zudem werden fachkundige Besucher vielleicht das ein oder andere wegweisende Projekt vermisst und sich gleichzeitig gewundert haben, wie es andere in die Aus­ wahl schafften. Dieser wohl nicht ganz objektiv mögliche Entscheidungsprozess bleibt ein Geheimnis der Kuratoren, was bei der Fülle der gezeigten Projekte aber verzeihlich ist. Viel unverständlicher ist die Zuordnung der Projekte in die beiden Abteilungen „Baugeschichte“ und „Zeitgenössi­ sche Architektur“. Wo endet das eine, wo beginnt das an­ dere? Jahreszahlen spielten dabei offensichtlich keine

Rolle. Denn warum sollte das Münchner Olympiastadion bereits zur Baugeschichte zählen, die ältere Berliner Kon­ gresshalle aber noch zeitgenössisch sein? Trotz leichter Kritik sollten wir Ingenieure uns im ei­ genen Sinne darum kümmern, dass diese Ausstellung noch an vielen Orten zu sehen ist, um die breite Öffentlichkeit über die Vielfältigkeit unserer Tätigkeiten zu informieren und mit unseren Bauten zu begeistern. Das M:AI wird sich über Anfragen unserer Kammern oder Hochschulen freuen, die Ausstellung an weiteren Orten zu präsentieren.

Autor dieses Beitrages: Prof. Dr.-Ing. Eberhard Möller, Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, Fakultät für Architektur und Bauwesen, Moltkestraße 30, 76133 Karlsruhe, eberhard.moeller@hs-karlsruhe.de

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Berichte DOI: 10.1002/stab.201720441

Die Butterfly Bridge in Kopenhagen Karl Morgen Jan Lüdders

Zur Anbindung des Innenstadtbereichs von Kopenhagen an das Quartier Christianshavn und an die neue Oper sollte ein Brückenzug für Radfahrer und Fußgänger von der Innenstadt bis zur Oper realisiert werden. Aus einem internationalen Wettbewerb ging der Siegerentwurf für eine zweiflügelige Klappbrücke über den Christianshavn- und Tran­ graven-Kanal hervor. Wenn beide Flügel aufgeklappt sind, ähnelt das Bauwerk einem überdimensionalen Schmetterling. Aus diesem Grunde nennen es die Kopenhagener Butterfly Bridge. Die Brücke sollte möglichst filigran sein, sich in kurzer Zeit öffnen ­lassen und sich gut in die historische Umgebung einfügen. Butterfly Bridge in Copenhagen. A bridge for cyclists and pedestrians from downtown to the opera had to be realized allowing a connection of Copenhagens‘ city center area, the quarter Christianshavn and the new opera. A two-wings bascule bridge across Christianshavn respectively Trangraven Canal has been the winner’s draft of an international competition. If both wings are opened the construction looks like an oversized butterfly. For this reason the habitants of Copenhagen call it Butterfly Bridge. Targeted was sophisticated design, permitting a quick opening as well as a good integration into the historical surroundings.

1 Allgemeines Der preisgekrönte Entwurf der Butter­ fly Bridge ging aus der Zusammen­ arbeit von Dietmar Feichtinger Ar­ chitectes, Paris, und WTM Engineers, Hamburg, in einem international aus­ geschriebenen Wettbewerb im Jahre 2009 hervor (Bild 1). Die kombinier­ ten Fußgänger- und Radwegbrücken sind Teil eines städtischen Projektes zur Anbindung des Innenstadtberei­ ches der Stadt Kopenhagen mit dem durch Kanäle durchzogenen Stadtteil Christianshavn am Ostufer der Stadt Kopenhagen. Durch die neue Anbin­ dung soll der Innenstadtbereich eine direkte Fuß- und Radwegverbindung mit der im Jahr 2005 eröffneten Oper erhalten. Die Brücken überspannen im Stadtteil Christianshavn den etwa 45 m breiten Christianshavn-Kanal und den angrenzenden 40 m breiten Trangraven-Kanal und den in unmit­ telbarer Umgebung 25 m breiten Pro­ viantmagasingraven-Kanal. Die Brü­ cken sollten als bewegliche Brücken

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ausgebildet werden, um den Schiffs­ verkehr für Segelboote und Ausflugs­ schiffe durch die Kanäle zu gewähr­ leisten.

2 Entwurfskonzept Kernpunkt des Entwurfes war die Idee, am Kreuzungspunkt des Tran­ graven- und des Christianshavn-Ka­ nals einen Ort zu schaffen, der zum einen zum Verweilen über dem Was­ ser einlädt und zum anderen eine di­ rekte Verbindung über den Christians­ havn-Kanal und den Trangraven-Ka­ nal ermöglicht (Bild 2). Der Entwurf sieht sternförmig angeordnete Stahl­ brücken mit jeweils einer Klappe über den Christianshavn- und den Trangra­ ven-Kanal und der zentral im Kanal angeordneten Plattform vor (Bild 3). Wenn beide Klappen geöffnet sind, gleicht die Brücke einem Schmetter­ ling und wird von den Kopenhagenern Butterfly Bridge genannt. Das gestalte­ rische Konzept sah vor, eine möglichst filigrane Konstruktion zu entwerfen, die sich zurückhaltend in den histori­

Bild 1.  Fertiggestellte Brücke über den Christianshavn/Trangraven-Kanal Fig. 1.  Completed bridge across Christianshavn/Trangraven-Canal

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Berichte

Bild 2.  Lageplan der Fuß- und Radwegbrücken Fig. 2.  Map of pedestrian path and bicycle bridges

Bild 3.  Übersichtsplan: sternenförmig angeordnete Brücke über den Christianshavn/Trangraven-Kanal Fig. 3.  General plan: stellar arranged bridge across Christianshavn/Trangraven-Canal

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Berichte schen Stadtteil mit den denkmalge­ schützten Kaimauern und Gebäuden einfügt.

3  Konstruktive Umsetzung 3.1  Die Tragkonstruktion Die Brücken weisen eine Breite von 8 m auf und haben getrennte Rad- und Fußwege. Die beweglichen Teile der Brücken haben eine Länge von 23 m und werden beim Öffnungsvorgang über hydraulische Zylinder an der Plattform angehoben. Die Klappbrü­ cken wurden als jeweils einflügelige Klappbrücken ohne Gegengewicht konzipiert. Die beweglichen Brücken­ teile spannen über den Christians­ havn- bzw. Trangraven-Kanal von der Mittelplattform zu den in den Kai­ mauern eingelassenen 11 m langen einfach gestützten integralen Vorbrü­ cken. Die Hydraulikzylinder der be­ weglichen Brückenteile wirken im geschlossenen Zustand als Mittelauf­ lager, sodass für die beweglichen Brückenteile im geschlossenen Zu­ stand ein Zwei-Feld-System entsteht. Die Stützung der integralen Vorbrü­ cken erfolgt über zwei schlanke, Vförmig angeordnete Stahlstützen, die im Kanal am Randbereich gegründet sind und ca. 2,60 m zum beweglichen Brückenteil auskragen. Die Hauptträger der Brücken sind luftdichtverschweißte Hohlkäs­

ten, die dem Kräfteverlauf entspre­ chend angevoutet ausgebildet wurden. Bis ca. 7,8 m von der Brückenspitze aus hat der Hohlkasten eine Höhe von 500 mm und ist nur unterhalb des ­Brückendecks angeordnet. Ab diesem Punkt weitet sich der Querschnitt nach oben auf und hat an der höchs­ ten Stelle am Hydraulikzylinderauf­ lager eine Gesamthöhe von 1 700 mm (Bild 4). Die Hohlkästen sind nicht in Brü­ ckenquerschnittsmitte angeordnet, da der herausragende Teil des Hohlkas­ tens auch als Trennung zwischen dem 4 m breiten Rad- und dem 3 m breiten Fußweg gedacht ist. Die durch die Ausmitte oder durch ungleichmäßige Laststellung entstehende asymmetri­ sche Belastung wird durch den tor­ sionssteifen geschlossenen Hohlkas­ ten des Hauptträgers abgetragen. Alle 2,6 m sind Querträger ange­ ordnet, die als Blechkonstruktion die Querrippen der Brücken bilden und das mit Längsrippen versehene Brü­ ckendeck aufnehmen. Das Brücken­ deck wurde mit 2 % Quergefälle ausge­ bildet, um eine entsprechende Entwäs­ serung über die Brückendeckkanten am Rand in den Kanal zu gewährleis­ ten. Als Fortführung der Querträger wurden die Geländerpfosten an der Stelle der Querträger nach innen ge­ neigt ausgeführt. Als Geländeraus­ fachung wurden vorgespannte hori­

zontale Edelstahlseile verwendet (Bild 5). Bei einer Klappbrücke wird zwi­ schen dem System in Hochlage und dem System in Verkehrslage unter­ schieden. In der Hochlage wirkt das System als Kragträger, der durch den Hydraulikzylinder und das Dreh­ lager an der Plattform eingespannt wird. Die Kragarmlänge zwischen Klappenspitze und der Achse Dreh­ lager beträgt ca. 23 m, der Abstand zwischen Hydraulikzylinder und Drehlager ca. 4,90 m. Der maximale Öffnungswinkel beträgt in der Hoch­ lage 70° (vgl. Bild 4). In der Verkehrs­ lage ergibt sich ein Durchlaufsystem mit zwei Feldern. Die integralen Vor­ brücken wirken für den beweglichen Brückenteil als gelenkiges Auflager, welches lediglich Querkräfte übertra­ gen kann. In Längsrichtung ist die Brücke an dieser Stelle frei verschieb­ bar und kann die Längenausdehnun­ gen aus Temperatur hier zwangsfrei aufnehmen. Die ca. 70 m2 große Mittelplatt­ form bildet das Widerlager für die bei­ den beweglichen Brückenteile. Sie ist am Kreuzungspunkt der beiden Ka­ näle im Wasser angeordnet und wurde als Stahlkonstruktion ausgeführt. Die Herausforderung an dieser Stelle bestand darin, für die beweglichen ­ Brückenteile mit den unterschied­ lichen Laststellungen und Lastzustän­

Bild 4.  Längsschnitt beweglicher Brückenteil und Brücke mit beiden Brückenklappen geöffnet Fig. 4.  Longitudinal section of the bascule bridge with both wings opened

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Berichte 3.2 Gründung Die Gründung der Mittelplattform, der Zwischenstützen der Vorlandbrü­ cken und der in der Kaimauer integ­ rierten Endauflager der Vorlandbrü­ cken wurden aufgrund der Baugrund­ verhältnisse als Tiefgründung erstellt. Als tragfähiger Baugrund wurde Kalk­ stein vorgefunden, in den die bis zu 1 000 mm im Durchmesser beton­ gefüllten Stahlbohrpfähle geneigt im Verhältnis 8:1 eingebracht wurden.

3.3 Maschinenraum

Bild 5.  Querschnitt am Hydraulikzylinderauflager Fig. 5.  Cross section of hydraulic ram cushion

Der Maschinenraum für die Hydraulik­ anlagen der Brücken über den Chris­ tianshavn/Trangraven-Kanal wurde als separates Bauwerk hinter den beste­ henden Kaimauern errichtet. Hierzu wurde in einer offenen Baugrube mit rückverankerten Spundwänden die mit Mikropfählen rückverankerte Un­ terwasserbetonsohle eingebracht, um dann im Schutze der trockenen Bau­ grube den 6 m × 7 m großen und ca. 4 m tiefen Maschinenraum als massi­ ves WU-Bauwerk in Stahlbeton zu er­ stellen. Auf dem in der Erde eingelasse­ nen Maschinenraum wurde dann das Wärterhäuschen (Bild 7) in einer leich­ ten Stahlkonstruktion erstellt, in dem die Bedientechnik und das Überwa­ chungspersonal der Brücken unterge­ bracht sind.

3.4 Maschinentechnik

Bild 6.  Querschnitt: Mittelplattform mit Befestigung der Drehlager Fig. 6.  Cross section: middle platform with swivel fixation

den ein möglichst steifes Widerlager zu entwerfen, um den Verformungsrand­ bedingungen, die eine bewegliche Brü­ cke mit den verformungsempfind­ lichen Drehlagern an dieser Stelle be­ nötigt, Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite sollte das Widerlager als möglichst filigranes Bauteil sich an den Querschnitten und den Querschnitts­ höhen der anderen Brückenteile orien­ tieren. Hierzu wurde das Deck der Plattform als flächiger 500 mm hoher luftdicht verschweißter Hohlkasten ausgebildet, der auf ins­gesamt sechs V-förmig angeordneten runden Stahl­ stützen mit einem Durchmesser von 450 mm gelagert ist. Die Randträger

der Plattform, mit den Lasteinleitungs­ punkten aus den Drehlagern und Stüt­ zen, wurden dabei durch einen ver­ steiften 580 mm hohen Hohlkasten ausgebildet (Bild 6). Die Fußpunkte der Stahlstützen sind über 80 mm dicke Stahlzugele­ mente mit der Plattform verbunden, um die am Fußpunkt auftretenden Horizontalkräfte mit der Plattform kurzuschließen und die Verformun­ gen aus einseitiger Horizontalbelas­ tung zu reduzieren. Die gesamte Plattform ist auf ­einer unterhalb der Wasserlinie ange­ ordneten massiven 2 m dicken Stahl­ betonplatte gelagert (s. Bild 9).

Da die Öffnungsdauer einer Brücken­ klappe die Dauer von 90 s nicht über­ schreiten sollte, wurden hohe Anfor­ derungen an den Entwurf der Hydrau­ likzylinder gestellt. Pro Brückenklappe kamen zwei Hydraulikzylinder d = 420 mm mit einem Höchstdruck von 320 bar zum Einsatz, die am Zylinder­ kopf so konstruiert wurden, dass die Auflagerkräfte, wenn die Brücke sich in der Verkehrslage befindet, über die Zylinderwandung abgetragen werden können (Bild 8).

4  Herstellung und Bauausführung 4.1  Gründung und Betonbau Nach Herstellung der Bohrpfähle für die Widerlager wurden, um die im Ka­ nal unterhalb der Wasserlinie befindli­ chen Widerlager herzustellen, Spund­ wandeinfassungen in den Kanal ein­ gebracht. Im Schutze der trockenen

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Berichte

Bild 7.  Wärterhäuschen Fig. 7.  Attendant’s hut

Baugrube konnten die zum Teil hoch­ bewehrten Pfahlkopfplatten und Wi­ derlager geschalt, bewehrt und be­ toniert werden. Mit Einbau der Be­ wehrung mussten die hochfesten Ankerbolzen, die den Anschluss der Stützen der Mittelplattform gewähr­ leisten, passgenau mittels Schablonen eingesetzt und mit der Bewehrung ver­ bunden werden (Bild 9).

4.2 Stahlbau-Fertigung In der Werkstatt wurden die einzel­ nen Segmente des Überbaus aus e benen Blechen zusammengebaut ­ und zu den einzelnen Brückenteilen verschweißt, gestrahlt und beschich­ tet. Alle Brückenteile wurden soweit in der Werkstatt fertiggestellt, dass sie als ganzes Brückenteil auf die ­Baustelle gebracht werden konnten

Bild 8.  Hydraulikzylinder mit Drehlagern Fig. 8.  Hydraulic ram with swivel

(Bild 10). Schweißarbeiten vor Ort wurden so auf ein Minimum redu­ ziert. Lediglich für die Herstellung des Anschlusses der Plattformstützen mit der Plattform wurden aufwendige Baustellenschweißarbeiten notwen­ dig. Vor dem Transport der Brücken­ teile auf die Baustelle wurde ein ge­ naues Aufmaß der bereits einbetonier­ ten Verbindungselemente erstellt. In einem Probeaufbau der Brückenteile im Werk konnte dann vorab die Pass­ genauigkeit der Brücken kontrolliert werden, um einen möglichst reibungs­ losen Aufbau der Brückenteile vor Ort zu gewährleisten.

4.3  Montage Stahlbau Die bis zu 50 t schweren Brückenteile wurden sukzessive innerhalb weniger

Bild 9.  Herstellung der Pfahlkopfplatte der Mittelplattform Fig. 9.  Production of middle platform’s pile cap

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Tage auf die Baustelle nach Kopen­ hagen gebracht und mittels 200-tSchwimmkran eingehoben (Bild 11). Hierzu war eine temporäre Vollsper­ rung des Schiffsverkehrs auf den be­ troffenen Kanälen erforderlich. Im Montageverlauf wurden zunächst die Vorlandbrücken und die Mittelplatt­ form in Position gebracht und fixiert. Danach wurden die erforderlichen Baustellenschweißverbindungen er­ stellt, sodass anschließend der beweg­ liche Brückenteil – mit bereits befestig­ ten Hydraulikzylindern – in die Ver­ kehrslage gebracht wurde.

4.4  Ausbau, Probebetrieb und Fertigstellung Nach der Montage der Brückenstahl­ teile konnte mit den weiteren Ausbau­ arbeiten begonnen werden. Hierzu

Bild 10.  Fertigung der Brückenteile im Werk Fig. 10.  Production of bridge parts at factory


Berichte Projektbeteiligte Bauherr: Københavns Kommune, Teknik- og Miljøforvaltingen Objekt- und Tragwerksplanung: Arbeitsgemeinschaft WTM Engineers, Hamburg, und Dietmar Feichtinger Architectes, Paris Maschinen und Elektroplanung: Dr. Schippke und Partner, Hannover Ausschreibung: Cowi As, Lyngby Ausführende Firmen: Phil AS, VSB, HSM

Bild 11.  Montage der Brückenteile mittels Schwimmkran Fig. 11.  Mounting of brigde parts by floating crane

wurde die Hydraulikverrohrung und Elektroverkabelung unter dem Brü­ ckendeck installiert und mit den Anla­ gen im Maschinenraum verbunden. Die Schranken- und Lichtsignalanla­ gen wurden eingebaut und die Edel­ stahlseile der Geländerausfachung wurden vorgespannt. In einem vier Wochen langen Probebetrieb konnte die Antriebstechnik eingestellt und ka­ libriert sowie die Steuerungssoftware getestet werden. Die Brücke wurde feierlich im Januar 2015 eröffnet.

5 Schlussbemerkung Mit der Butterfly Bridge in Kopen­ hagen wurde eine bewegliche Fuß- und Radwegbrücke mit höchsten gestalteri­ schen und höchsten technischen An­ sprüchen in einem internationalen Umfeld realisiert. Wir danken der Stadt Kopenhagen für das entgegenge­ brachte Vertrauen und bedanken uns bei allen anderen Planungsbeteiligten und ausführenden Firmen für die aus­ gezeichnete Zusammenarbeit.

Bildquellen: Bilder 2, 3, 4, 5, 6: Copyright ARGE Dietmar Feichtinger Architectes/ WTM Engineers GmbH Bilder 1, 7, 8, 9, 10, 11: Copyright WTM Engineers GmbH

Autoren dieses Beitrages: Dr.-Ing. Karl Morgen, Dipl.-Ing. Jan Lüdders, WTM Engineers GmbH, Johannisbollwerk 6–8, 20459 Hamburg, info@wtm-hh.de

Aktuell Forschungsprojekt zur Erfassung der Sammelraten von Bauprodukten aus Metall Am 1. November 2016 fiel der Start­ schuss für das von der Deutschen Bun­ desstiftung Umwelt (DBU) geförderte Forschungsprojekt zur Erfassung der Sammelraten von Bauprodukten aus Metall. bauforumstahl und die Bergische Universität Wuppertal mit dem Interdis­ ziplinären Zentrum III – Management

technischer Prozesse werfen einen ge­ nauen Blick auf den Rückbau von Ge­ bäuden und die nachfolgende Verwen­ dung der Baustoffe. Im Fokus liegt die Erfassung der Sammelraten von Baustahl – welche Anteile der Baustoffe nach dem Ab­ bruch oder Rückbau eines Gebäudes wiederverwendet, recycelt oder für den technischen Kreislauf verloren gehen. Neben der erstmaligen detaillierten Er­ fassung dieser Stoffströme wird eine Methode entwickelt, um diese für die

End-of-Life-Bewertung einer Ökobilanz wichtigen Kennzahlen auf Dauer nach­ zuhalten und zu verbessern. Die Forschungsgruppe kann zur Da­ tenerfassung mit Hilfe des Praxispart­ ners Paul Kamrath Ingenieurrückbau GmbH auf eine Vielzahl von Rückbau­ projekten zurückgreifen. Hierzu gehö­ ren eine bereits bestehende Datensamm­ lung des Dortmunder Unternehmens so­ wie laufende und zukünftige Projekte. Die Dauer des Forschungsprojektes wird 24 Monate betragen.

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Berichte DOI: 10.1002/stab.201720450

Industrie und Stahlbau 4.0 – ein paar Gedanken! Peter Zeman

Industrie 4.0 ist in aller Munde. Das Thema wird von der EU gefördert, von Universitäten und Beratern aufgegriffen, es wird definiert und interpretiert. Im Wesentlichen versteht man darunter die Verbindung der industriellen Produktion mit den nun verfügbaren ­Kommunikations- und Informationstechnologien. Noch kürzer: Die Verbindung von NC‑Maschinen mit dem Internet. Und nochmals kürzer: Höherer Automatisierungsgrad.

1  Die Geschichte Der Begriff wurde erstmals 2011 im Rahmen der Hannover Messe an die Öffentlichkeit getragen. Bald darauf entstand der Arbeitskreis Industrie 4.0 unter dem Vorsitz von Siegfried Dais [1]. Aber blicken wir kurz zurück. Wenn es Industrie 4.0 gibt, so sollte es doch davor schon Industrie 1.0, 2.0 und 3.0 gegeben haben. Googelt man hierzu, findet man aber kaum Einträge, die länger als einige Jahre zurück liegen. Grund dafür ist, dass die Begriffe Industrie 1.0 bis 3.0 erst im Zuge von Industrie 4.0 entwickelt wurden. Verwunderlich, da wir hiermit immerhin tiefgreifende, gesellschaftsverändernde industrielle Revolutionen beschreiben. Man mag sich schon fragen, wie wir seit mittlerweile über 200 Jahren diese industriellen Revolutionen entwickeln und umsetzen ohne zu wissen, was wir eigentlich tun. Egal, nun wissen wir es: Industrie 1.0 oder die erste industrielle Revolution beschreibt den Übergang von der Manufaktur (manus: „Hand“ und facere: „tun“) zu einer maschinenunterstützen Produktion im späten 18. Jahrhundert. Industrie 1.0 wurde erstmalig in der Textilindustrie durch die Verwendung dampfbetriebener Webmaschinen umgesetzt. Industrie 2.0 oder die zweite industrielle Revolution vollzog sich durch den Einsatz von Fließbändern. Als Meilenstein wird hier die Produk-

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tion des Ford T auf so genannten „moving assembly lines“ [2] ab dem Jahr 1913 genannt. Der Ausstoß konnte dadurch auf das Achtfache gesteigert werden. Der Einsatz von Informationstechnologie, also NC-gesteuerte Maschinen und Roboter in den 1970er Jahren, definiert die dritte industrielle Revolution, kurz Industrie 3.0. Und nun gibt es die – bereits oben beschriebene – vierte industrielle Revolution durch den Einsatz kybernetischer, also selbstregelnder, Systeme. Industrie 4.0 hat – unter anderem – den Gedanken an Verfügbarkeit und wachsende Verbreitung des Internets als Grundlage. Immerhin sind heute mehr als drei Milliarden Menschen vernetzt, während im Jahr 2008 erst 1,23 Milliarden das Internet nutzten. Irreführend ist die klare, stufen­ artige Abgrenzung zwischen den einzelnen Entwicklungsstufen, welche hauptsächlich aus den – nachträglich – eingeführten Begriffsdefinitionen entsteht. Tatsächlich handelte es sich um kontinuierliche, evolutionäre Entwicklungen, keinesfalls um Revolutionen. So kann Dampf nicht als Kriterium für Industrie 1.0 herhalten, da bereits lange zuvor wasserbetriebene Anlagen ähnliche Ergebnisse brachten. Ebenso wurden bereits im 15. Jahrhundert in Venedig Schiffe fließbandartig hergestellt. Auch das deutsche Unternehmen Bahlsen setzte Jahre vor Henry Ford das Fließband ein. Auch Industrie 3.0 ist nicht klar von 2.0 abgrenzbar, da computerun-

terstütze Anlagen nicht plötzlich auf dem Markt erschienen, sondern allmählich und in kleinen Schritten ihren Weg in die Produktionen fanden. Sprungartige Entwicklungen suchen wir vergeblich, dafür finden wir kontinuierlichen Fortschritt durch eine Vielzahl engagierter und ideenreicher Unternehmer und deren Mitarbeiter. Und genau dieser Prozess soll nun ­unter anderem mit den derzeitigen Diskussionen und Förderungen beschleunigt werden.

2  Stahlbau 4.0 – Warum und wozu? Gerade in Europa benötigen wir einen höheren Automatisierungsgrad. Immerhin existiert ein permanenter Druck auf Arbeitszeitreduktion bei gleichzeitig steigendem Einkommen. Auch wenn sich Unternehmer, Arbeitgeberverbände und ein Teil der Politiker gegen diese Entwicklungen wehren, ist keine Umkehr dieses Trends in Sicht. Vergleichen wir Arbeitszeiten und Einkommen während der letzten Jahrzehnte und wir werden sehen, dass die letzte Unterbrechung dieses Prozesses der Zweite Weltkrieg war. Unternehmer werden sich ungeachtet ihrer politischen und gesellschaft­ lichen Vorstellungen also weiter anpassen müssen. Der EU-Raum beheimatet etwas mehr als 500 Millionen Menschen mit überdurchschnittlichen Einkommen. Diese 500 Millionen stellen jedoch weniger als 7 % der Weltbevölkerung dar und sind somit keine Referenz für derzeitige Arbeitskosten. Während sich Deutschland und Österreich 2015 mit Arbeitsstundenkosten von 38,– €/ Stunde respektive 34,70 €/Stunde [3] plagten, lagen diese in der Türkei bei 6,30 €/Stunde. Die Türkei wiederum

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Berichte lag ein Vielfaches über jenen Ländern, welche die Stundensätze maßgeblich definieren. Hier sind China, Indien und Pakistan nur einige Beispiele. Die Folge war eine Abwanderung vieler Produktionsunternehmen in genau jene Länder, welche hinsichtlich der Arbeit billigere Bedingungen boten. Diese Abwanderung hatte den Vorteil, dass unsere Maschinenbau­industrie in den letzten Jahren überaus erfolgreich ihre Anlagen exportieren konnte. Nur so wurde sichergestellt, dass diese Produktionsbetriebe die erforderlichen Qualitäten und Produktmengen termingerecht nach Europa rückexportieren konnten und können. Und das zu den durch günstige Arbeit geprägten Kosten. Dies war für beide Seiten ein guter und erfolgreicher Weg. Im Klaren sollte man sich sein, dass man mit der Auslagerung von Produktion und intensiver Bereitstellung moderner Maschinen auch Know-how exportiert. Dauerhaft ge­ sehen kumulieren sich also Knowhow, Qualität und billige Arbeitskräfte in Ländern fern von Europa. Maschinen und Anlagen können als Produktivitätshebel betrachtet werden, welcher die Produktionsmenge pro menschliche Arbeitsstunde vervielfacht. So und nur so können die oben genannten gesellschaftlichen Anforderungen von mehr Freizeit und gleichzeitig hohen Löhnen einigermaßen erfüllt werden. Die Darstellung von Automation als Arbeitsplatz-Killer ist schlicht und einfach nicht zielführend. Immerhin ist sie die einzige Möglichkeit, eine Totalabwanderung von Produktionsunternehmen zu vermeiden. Insofern ist Automatisierung arbeitsplatzerhaltend. Daher sind alle Maßnahmen zur Förderung von steigendem Automatisierungsgrad nachvollziehbar.

Die Möglichkeit, elektrische Energie und Elektromotoren – insbesondere in Kränen und Rollengängen einzusetzen, ermöglichte eine ein­ fachere Materiallogistik und kann als Stahlbau 2.0 bezeichnet werden. Ein dem Fließband vergleichbares Produktionsmittel gab und gibt es im Stahlbau aufgrund der sehr unterschiedlichen Bauteilgrößen und -gewichte nicht. Stahlbau 3.0 definiert sich, wie Industrie 3.0 durch den Einsatz von NC-gesteuerten Maschinen und An­ lagen, welche seit den 70er Jahren des 20 Jahrhunderts hergestellt und eingesetzt werden. Stahlbau 4.0 stellt wiederum das zumindest derzeit unerreichbare Traumbild einer völlig selbstagierenden Anlagenunion dar, welche menschenbefreit für das Wohl der Menschen arbeitet. Derzeit befinden sich die am besten gerüsteten europäischen Werke auf dem Stand von etwa Stahlbau 3.5. Es gibt derzeit noch keine Hersteller, welche in allen Tätigkeitsbereichen NC-gesteuerte Anlagen einsetzen. Problematisch in allen Bereichen ist die werksinterne Materiallogistik. Zwar sind oftmals kleinere Bereiche direkt bei den Maschinen oder seltener zwischen zusammengehörigen Maschinen mit Rollengängen ausgestattet, ein großer Teil der Material­ bewegungen wird aber mithilfe von handgesteuerten Kränen oder Wagen durchgeführt. Die Vielzahl unterschiedlicher Profile und Bleche verhindert derzeit ein umfassendes fließbandähnliches Arbeiten über die einzelnen Bearbeitungsbereiche hinweg. Sehr gut automatisiert ist üb­ licherweise der Zuschnitt. Da dort an den einzelnen Anlagen mit eher ver-

3  Automatisierung im Stahlbau Ähnlich wie die Industrie allgemein, kann man auch für den Stahlbau unterschiedliche Entwicklungsstadien ausmachen und diese kategorisieren oder auch schubladisieren: Stahlbau 1.0: Dies stellt den Übergang vom rein handwerklichen Waffen-, Rüstungsund Werkzeugbau zu einer durch den Einsatz von Dampf und Mechanik geprägten industriellen Fertigung dar (Bild 1). Erstmals konnten große und schwere Teile verarbeitet werden.

Bild 1.  Altmodischer Zusammenbau von Stahlträgern

gleichbaren Elementen gearbeitet wird, ist die Automatisierung am weitesten fortgeschritten. Erst seit kurzem gibt es Roboter, welche den Zusammenbau der Einzelelemente unterstützen. Auch wenn dies noch nicht für alle denkbaren Stahlkonstruktionen möglich ist, können hier sehr große Fortschritten beobachtet werden. Bei den darauffolgenden Schweißtätigkeiten gibt es einerseits intelli­ gentere Schweißanlagen, welche in ­firmeninterne Computernetzwerke eingebunden werden und so das Qualitäts- und Dokumentenmanagement unterstützen, andererseits wiederum robotergestützte Systeme. Diese sind schon seit längerer Zeit auf dem Markt, konnten bisher aber nur in sich sehr gleichartigen Konstruktionselemente bearbeiten. Die mittlerweile verfügbare Intelligenz der Anlagen kann ­Produktionsdaten aus 3D-CAD-Zeichungen extrahieren, selbständig den Bearbeitungsprozess – also die kollisionsfreie Bewegung der Roboter – festlegen, den Umgang mit Materialtoleranzen interpretieren und Vieles mehr. Die Anlagen sind nun bereits in der Lage, einen Großteil der verfügbaren Langmaterialien samt benötigten Anbauteilen zu verarbeiten. Große Probleme gibt es derzeit bei der Automatisierung von Beschichtungstätigkeiten. Reichten bis vor einigen Jahren Durchlaufbeschichtungsanlagen noch aus, um die Qualitätsansprüche der Kunden zu befriedigen, gibt es auf dem Markt stark wachsende Ansprüche an Qualität und Verarbeitung von Beschichtungsmaterialien. Die Anforderungen laufen den Entwicklungen der Anlagen­ hersteller davon, so dass für hochwertige Ansprüche zum heutigen Zeitpunkt keine Industrie 4.0-gemäße Verarbeitungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Der letzte Bearbeitungsbereich der Herstellerwerke ist die Verladung. Diese wird für unregelmäßige Großbauteile wohl immer individuell zu lösen sein. Stahlbau 4.0 wird in diesem Bereich weniger über eine Automatisierung der Materialbewegung als durch verbesserte Organisation, Logistik und Dokumentation verwirklicht werden. Hier ist der verstärkte Einzug von Barcode-Lesern, ein automatischer Abgleich der Lieferdaten sowie eine selbstständige Kommunikation mit den Baustellen zu sehen.

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Berichte

Bild 2.  Steel Beam Assembler Compact bei der Arbeit

4  Building Information Modeling Zukünftig wird Building Information Modeling, kurz BIM, die Planung, Produktion und Montage beeinflussen. Es ist unbestreitbar, dass BIM als Teil von Industrie oder Stahlbau 4.0 angesehen werden muss. Der ursprünglicher Zugang zu BIM, welches im wesentlichen kollisionsfreies Bauen und bessere Abstimmung aller Beteiligten durch die Zusammenfügung unterschiedlicher Planungsdaten ermöglicht, wird von vielen Stahlbauunternehmen bereits seit Jahren erfolgreich betrieben. Gerade der Stahlbau ist hier aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades gegenüber anderen Baustoffen im Vorteil. Verfolgt man die nun laufende Diskussion über die Ausgestaltung von BIM, kommen aber doch viele Bedenken auf. Beginnend damit, dass kein einheitliches BIM und auch keine einheitlichen Grundlagen für BIM existieren. Somit wird es wohl eine Vielzahl von Ausgestaltungen dieser Idee geben. Institutionelle Investoren, große Baufirmen, Gemeinden und viele andere werden ihre Ideen von BIM realisieren. Erste Erfahrungen mit BIM zeigen, dass die Entwicklung und Ausgestaltung eines solchen Systems jahrelange Entwicklungs- und Programmierarbeiten voraussetzt. Das einzelne Stahlbauunternehmen hat sich im Auftragsfall in kürzester Zeit auf die jeweiligen Bedürfnisse einzustellen. Allein dieser Punkt ist als problematisch anzusehen. Darüber hinaus sollen aber künftig nicht nur technische sondern auch vertragliche und kaufmännische Daten innerhalb von BIM verknüpft werden. Der Aufwand hierfür wird im Falle einer Realisierung enorm sein.

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Bild 3.  Steel Beam Assembler 2 Conti doppelseitig

Da sich die Branche seit Jahrzehnten als Käufermarkt präsentiert und die ausführenden Unternehmen wenig Einfluss auf die Vertragsgestaltung haben, werden Kosten und Verantwortung für die komplexen Datenmengen wohl genau auf diese Unternehmen abgewälzt. Es bleibt zu hoffen, dass in der derzeitigen Euphorie für BIM nicht auf eine kritische und gestalte­ rische Diskussion verzichtet wird.

5  Steel Beam Assembling Technologie Vollständig automatisierte Produk­ tionsanlagen für de facto jede Art von Stahlträgern mit Anbauteilen sind der nächste Schritt in Richtung Stahlbau 4.0 (Bild 2). Die einzelnen Anbauteile werden automatisch mit 3D-Laserund Kamerasystemen gescannt, welche die ermittelten Daten simultan mit dem CAD-Modell abgleicht. Jede Abweichung von den zulässigen Toleranzen für die gescannten Anbauteile wird dem Betriebspersonal sofort angezeigt (Bild 3), so dass dieses entscheiden kann, ob weiter gearbeitet werden kann oder die betroffenen Anbauteile ausgetauscht werden müssen. Mit dieser Vorgehensweise kann ein fehlerfreier Zusammenbau erreicht werden. Durch den Einsatz von Handling-Robotern und Schweiß-Robotern werden die Anbauteile im Einklang mit dem CAD-Modell an der genauen Trägerposition platziert, geheftet und geschweißt. Solche Steel Beam Assembler bieten viele Vorteile: Das manuelle Messen und Anzeichnen (Scribing) der Schweißnahtpositionen kann entfallen, da ein automatisches Erkennen der Position erfolgt. Da parallel verschiedene Arbeitsschritte erfolgen, gibt es keine Stillstandszeiten für die

Roboter, welche die Träger auch selbständig aufnehmen und weitergeben. Durch die Minimierung des erforder­ lichen Personaleinsatzes und damit der Arbeitskosten kann der Mangel an Fachkräften aufgewogen werden. Einmal erarbeitete Projektinformationen werden durch die Softwarekonfiguration übernommen und stehen für zukünftige Aufgaben wieder zur Ver­ fügung – praktisch ein selbstlernendes System. Durch die kürzeren Fertigungszeiten wird eine höhere Fertigungskapazität erzielt. Mit den automatisierten Vorgänge, welche einen ständigen Abgleich zwischen CADModell und Ist-Situation durchführen, werden Schweiß- und Zusammenbaufehler vermieden. Durch die Bereitstellung von perfekt zusammengebauten Stahlträgern in zuverlässig höchster Qualität und in kürzerer Zeit wird die Marktposition des Stahlbaues gestärkt. Auch der Zusammenbau der kompletten Konstruktion auf der Baustelle wird durch die weiter verbesserte Passgenauigkeit der einzelnen Träger erleichtert. Und last but not least kann auch im Fertigungsprozess durch optimierte Softwaresteuerung Energie eingespart und damit die Umwelt geschont werden. Literatur [1] https://www.bmbf.de/files/Umset zungsempfehlungen_Industrie4_0.pdf [2]  Moving Assembly Line at Ford. This Day in History. The History Channel. Retrieved September 2, 2016. [3]  Quelle: EUROSTAT, Mai 2016

Autor dieses Beitrages: Mag. Peter Zeman, Zeman & Co GmbH, Schönbrunner Straße 213-215, A-1120 Wien, pz@zeco.at


BIM – die Zukunft des Bauens BIM ist in aller Munde. Ernst & Sohn widmet dem Thema in diesem Jahr das vierte Sonderheft, die Hefte aus 2013 und 2014 sind längst vergriffene Sammlerexemplare.

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Berichte DOI: 10.1002/stab.201720456

Stahlbau – Quo vadis? Roland Bärtschi

Stahlbau ist eine unverzichtbare Bauweise. In den letzten Jahren haben sich die wirtschaftlichen Herausforderungen der Stahlbau-Branche jedoch stark verschärft. Globalisierung und Digitalisierung sind Segen und Fluch zugleich. Noch viel stärker sind die Herausforderungen durch die normative Benachteiligung der Stahlbauweise bei den Planungs- und Vertragsnormen und durch die oft ungenügenden Kompetenzen der Planenden im Umgang mit Stahlbau. Demgegenüber ist der Stahlbau als bereits historisch industrialisierte Bauweise im Vorteil gegenüber anderen Bauweisen bei der Digitalisierung und Industrialisierung der Bauprozesse. Der vorliegende Artikel stellt einige der größten Herausforderungen und Chancen der Stahlbaubranche in einem Überblick zusammen.

1 Einleitung Stahl ist der Baustoff der Neuzeit schlechthin – die Maschinen, Werkzeuge und Bauwerke der industriellen Revolution zeugen davon. Sogar im Massiv- und Holzbau ist Stahl das entscheidende Element für die Tragwirkung. Selbst mit dem Aufkommen von neuen Baustoffen bleibt Stahl als preisgünstiger und leistungsfähiger Baustoff unangefochtener Massenprimus. Der konstruktive Stahlbau sieht sich jedoch seit Jahren größten Herausforderungen gegenüber. Woran liegt das? Welche Optionen bestehen in Forschung und Wirtschaft, um der Stahlbauweise den richtigen Stellenwert zu verschaffen?

2  Herausforderungen und Chancen der Beteiligten 2.1 Planungsbranche Die Planungsbranche, von Architekten über Ingenieure bis zu Bau- und Projektleitern, beeinflusst entscheidend, ob Stahlbauten zur Ausführung kommen. Über 90 % der Bausumme wandert in Massivbauten. Dementsprechend weisen viele Planende nur ungenügende Fähigkeiten und Erfahrungen bei der Planung und Umsetzung von Stahlbauten auf, und noch gerin-

ger ist die Zahl derer, die Verbundbauten projektieren und ausführen können. Dementsprechend wählen viele Planende bei ihren Projekten das Gewohnte, unabhängig davon, ob dies im Interesse des Kunden ist. Wenn dann einmal ein Stahloder Verbundbauprojekt zur Ausführung kommt, so sind oft Mängel in Planung und Ausschreibung vorhanden, welche zu Störungen im Bauprozess führen und so Stahlbauten aus Sicht von Bau- und Projektleitenden und entsprechend schlecht beratenen Bauherrschaften äußerst unattraktiv machen. Wenn wir also den Stahlbau fördern wollen, so ist eine stark verbesserte Aus- und vor allem Weiterbildung der Planenden für die Abwicklung von Stahlbau-Projekten das A und O.

2.2 Industrie Die Industrie hat stark mit den Auswirkungen der Globalisierung im Stahlhandel zu kämpfen. Der meiste Stahl wird in Ländern mit sehr geringen Lohn- und Energiekosten hergestellt. Wieso also sollten Stahlerzeugnisse roh in Hochlohnländer transportiert und erst dort verarbeitet werden? Wieso sollte die Fertigung von Stahlbauten nicht auch in Billiglohnlän-

dern erfolgen? Hier sind die Unternehmen herausgefordert, die l­okalen Arbeitsplätze soweit möglich, z. B. durch Innovationen und mit Argumenten wie Qualität und Reaktionszeit, zu verteidigen oder sich rechtzeitig auf die Umstellung hin zur reinen Verkaufs- und Montagefirma hin vorzubereiten oder andere, kreative Lösungen zu finden. Die Baubranche ist Hauptabnehmerin von Walzprofilen, während die große Masse des weltweiten Stahlhandels in Blechen von Statten geht. Dies beeinträchtigt Verfügbarkeit und das Preisniveau von Erzeugnissen für den Stahlbau. Die industrielle und digitale Fertigung von Stahlbauten erlaubt es immer mehr, Stahlbauten aus Blecherzeugnissen herzustellen. Des Weiteren sind Stahlbaufirmen bei Projekten stets mit Schnittstellen zu Bauunternehmungen sowie Lieferanten für die Gebäudehülle (Fassade, Dächer, Fenster, Türen, Tore, etc.) konfrontiert, welche – oft infolge mangelhafter Organisation und ungenügender Planerkompetenz – schlecht funktionieren. Hier ist ein erhöhter Dienstleistungsaufwand der Stahlbauunternehmungen gegenüber Planenden gerechtfertigt, um das Kundenerlebnis bei Planenden und Bauherrschaften von Stahlbauten erfreulicher zu gestalten.

2.3  Forschung und Lehre Der Stahlbau ist quasi die Mutter aller Ingenieurdisziplinen und bildet als Stabbauweise einen der fundamentalen Bestandteile jeder Architektenund Ingenieurgrundausbildung. Diese vor allem historisch und didaktisch motivierte Begegnung mit dem Stahlbau endet für viele Studie-

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Berichte rende jedoch in der Einsicht, dass Stahlbauten – gerade wenn es um Anschlüsse und Stabilitätsprobleme geht – äußerst mühsam zu planen sind, während die Massivbauweise mit deutlich pragmatischeren Ansätzen in der Planung und der ungebremsten Werbemacht der Industrie viel attraktiver erscheint. Ein Blick in die weltweite Forschung im Stahlbau zeigt, dass der Stahlbau in weiten Bereichen bereits erfunden ist und – zumindest bei oberflächlicher Betrachtung – höchstens noch in ausgewählten Bereichen Forschungsbedarf besteht. Stabilität Die Stahlbauweise ist aufgrund sehr schlanker Querschnitte und verlässlicher Materialeigenschaften prädestiniert für detaillierte Nachweise von Stabilitätsproblemen. Dabei spielen Euler, Winter und Timoshenko eine ebenso große Rolle wie realitätsnahe Imperfektionen und Statistik – ideales Tummelfeld also, um entweder mit geringem Budget analytische und FEgestützte Untersuchungen anzustellen oder – mit größerem Budget – große experimentelle Forschungsprojekte durchzuführen. Während solche Forschungsarbeiten von großem wissenschaftlichem Interesse sein und in ausgewählten Extremfällen auch in einem gewissen Maße praxisrelevant werden können, führen die Forschungsresultate in der Summe eher zu komplexeren Normvorgaben und damit zu einer stark beeinträchtigten Attraktivität der Stahlbauweise für die große Zahl der Anfänger und Gelegenheits-Stahlbauer. Brandschutz Seit Jahrzehnten erleidet in der Baubranche so manches Stahlbau-Projekt den Tod durch Rufmord unter der Behauptung, Stahlbau habe generell ein Brandschutzproblem. Tatsächlich werden viele Planende von der Projektierung von Stahlbauten abgeschreckt durch die Aussicht, tatsächlich explizite Brandschutznachweise und -Vorkehrungen treffen zu müssen, wohingegen der Massivbau – zumindest dem Ruf nach – keine Brandschutzprobleme aufweist. Die Holzbaubranche hat in diesem Bereich seit einiger Zeit die Nase vorne, gerade bei der Normierung. Aus dieser Sicht ist die Forschung im Brandschutz sicher unver-

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zichtbar, und die Übertragung von Forschungsergebnissen in die Brandschutznormen überlebenswichtig für den Stahlbau. Nichtsdestotrotz wird der Spielraum für wirtschaftliche Quantensprünge immer kleiner. Ermüdung Die steigende Zahl an Bahnbrücken hohen Alters, verbunden mit dem Wunsch nach erhöhter Lebensdauer, verursacht einen großen Forschungsbedarf in diesem Gebiet. Nebst Erkenntnissen zu Metallurgie und Risspropagation spielen dabei vor allem statistische Betrachtungen eine wesentliche Rolle. Da jedoch essentielle Parameter wie die Lastgeschichte oft kaum bekannt sind, verursachen Berechnungen mit den neuen, ausgefeilten Verfahren meist eine Scheingenauigkeit, welche eher juristisch denn technisch verwertbar ist, weshalb pragmatische Ansätze in der Praxis oft überlegen bleiben. Forschende und Lehrende im Stahlbau sind daher gefordert, neue Wege zu beschreiten und Forschungsthemen zu suchen, welche eine erhöhte Praxisrelevanz aufweisen und neue, bisher ungeahnte Quantensprünge für die Attraktivität von Stahlbauten im Alltag bewirken können.

3 BIM BIM (Building Information Modeling) ist seit einiger Zeit in aller Munde. Im Stahlbau ist BIM schon seit Jahrzehnten Standard – zumindest innerhalb von Stahlbauunternehmen. BIM hat das Potential, die heutigen Planungs- und Fertigungsprozesse zugunsten von effizienteren, transparenteren Ansätzen abzulösen. Dabei ist zu erwarten, dass sich die Systemgrenzen zwischen Planenden, Unternehmungen und Bauherrschaften gegenüber heute entscheidend verschieben werden. Auch die klassischen Hierarchien in Projektorganisationen werden sich entscheidend verändern. Generell darf angenommen werden, dass in Zukunft bereits in früheren Projektphasen konkretere Planungsarbeit erforderlich sein wird. Das heute leider weit verbreitete Basteln und Planen-bis-der-Beton-hart-ist wird es in Zukunft schwerer haben. Spätestens bei Submissionsbeginn muss die Planung abgeschlossen sein. Dies hätte große Vorteile für alle Vor-

fabrikationsbauweisen, insbesondere für den Stahlbau. Ob und wie die schöne neue BIM-Welt jedoch funktionieren wird, hängt erfahrungsgemäß entscheidend vom Nutzerverhalten ab. Werden sich in Zukunft alle Projektpartner an die Regeln halten? Sind kreatives Schaffen und Entwurfsarbeit mit BIM überhaupt möglich? Die Stahlbaubranche hat bei Einführung von BIM und in der Entwicklung der neuen Prozessmodelle entscheidende Vorteile gegenüber anderen Bauweisen. Jedoch sind alle Beteiligten gefordert, diese Vorteile auch zu nutzen und den Vorsprung weiter auszubauen.

4  Folgerungen, Ausblick Die Stahlbauweise ist anderen Bauweisen in vielen Bereichen weit voraus. Integrierte Planung, digitale Fertigung, industrielle Qualitätssicherung, hohe Flexibilität und gute Umbaumöglichkeiten erfüllen die Kundenwünsche von morgen bereits heute. Viele Planende sind jedoch ungenügend ausgebildet und zu unerfahren, um Stahlbauten erfolgreich zu realisieren. Zudem werden Montagebauweisen durch viele Planungsnormen, Projektphasenmodelle und Gewohnheiten stark benachteiligt. Die globalisierte Stahlbranche macht es zudem Unternehmen in Industrieländern schwer, wirtschaftlich zu bleiben. Seitens Forschung ist das Thema Stahlbau schon weitgehend ausgeschöpft. Die meisten Forschungsvorhaben konzentrieren sich auf Themen wie Ermüdung, Brandschutz und Stabilität, die zwar außerordentlich wichtig sind, jedoch höchstens in Ausnahmefällen in entscheidendem Masse praxisrelevant werden. Die Gesellschaft ist jedoch mehr denn je auf die Vorteile des Stahlbaus angewiesen. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, sind jedoch außerordentliche Anstrengungen von verschiedenen Seiten nötig: –– Die Ausbildung von Ingenieuren und noch vielmehr von Architekten und Bauleitern im Bereich Stahlbau muss deutlich verbessert werden. –– Die Projektphasen in Planung und Ausführung müssen so umgestaltet werden, dass Montagebauweisen weniger benachteiligt werden. Da-


Berichte bei könnte die Einführung von BIM ein Vorteil für den Stahlbau werden. –– Die Industrie muss sich auf die Veränderungen im globalisierten Markt einstellen. Dabei haben sich Innovation und Qualitätsbewusstsein historisch als gegenüber Protektionismus und Abschottung überlegen erwiesen. –– Die Forschung muss vermehrt Bereiche mit großem wirtschaftlichem Potential bearbeiten. In der Summe ist der Erfolg der Stahlbaubranche in Zukunft wohl weniger

durch technischen Fortschritt als durch Verbesserung von Ausbildung und Kollaborationsformen zu erreichen. Dies dürfen wir – gerade als technisch orientierte Menschen – als eine erfreuliche Entwicklung taxieren: Die Zukunft gehört Menschen, die gut miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten können, wollen und tun – Menschen, die kompetent, pflichtbewusst, teamfähig und kommunikativ sind – Menschen, die einander auf Augenhöhe begegnen können. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser,

viele gute Stahlbau-Begegnungen im neuen Jahr!

einen Überblick über historische Baustoffe. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit einer Ausbildung der Fassade in Sandwichbauweise in Bezug auf Konstruktion, Details und Modularität betrachtet. Vor dem Hintergrund der stetigen Reduzierung des Heizenergie- und Primärenergiebedarfes wurde außerdem die Integration von Latentwärmespeichern für den sommerlichen Wärmeschutz untersucht. Der auf diese Weise optimierte sommerliche Wärmeschutz führt zu einer Reduzierung des Kühlbedarfs im Sommer. Abschließend stand die baubetriebliche Planung von Baustellen zum „Bauen im Bestand“ im innerstädtischen Bereich im Mittelpunkt der Untersuchungen. Die auf diesen Aspekten basierenden Nachhaltigkeitsanalysen dienen als Unterstützung in der Projektentwicklung für Bestandsbaumaßnahmen. Zu diesem Zweck wurden zusätzlich auf den Bestand ausgerichtete Bewertungsansätze und Systemgrenzendefinitionen für die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft erarbeitet. Im Ergebnis liegen nun erstmalig detaillierte Ökobilanzergebnisse für konkrete Bestandsbaumaßnahmen vor, mit deren Hilfe unterschiedliche Abriss- und Neubauszenarien bewertet werden können. Auch ökonomische Vorteile des Bauens im Bestand konnten aufgezeigt werden. An ausgewählten Beispielgebäuden, die in Stahlbetonskelett-Bauweise in den Jahren 1960 bis 1970 errichtet wurden, wird die Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien gezeigt.

Die im Rahmen des Forschungsvorhabens erarbeiteten Ergebnisse stellen in Summe für den Planer, auch bereits für eine frühe Planungsphase, einen Leitfaden für den nachhaltigen Umgang mit Bestandsgebäuden dar. Das IGF-Vorhaben 16598 N der Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V., Düsseldorf, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Vorhaben wurde an der Technischen Universität Dortmund vom Lehrstuhl Stahlbau, vom Lehrstuhl Baukonstruktion und vom Lehrstuhl Baubetrieb und Bauprozessmanagement, am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine, an der Technischen Universität Braunschweig vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, am Institut für Trocken- und Leichtbau gGmbH und an der Technischen Universität Darmstadt vom Fachgebiet für Tragwerksentwicklung und Bauphysik durchgeführt.

Autor dieses Beitrages: Dr. Roland Bärtschi roland.baertschi@ubm-consulting.ch Urech Bärtschi Maurer Consulting AG Landstrasse 28, CH-5420 Ehrendingen/Baden, Schweiz Technischer Leiter des Stahlbau Zentrums Schweiz (SZS)

Aus der Forschung Bauen im Bestand – Potentiale der Stahl(leicht)bauweise Bauen im Bestand beschreibt im Allgemeinen die Verdichtung, Modernisierung und Sanierung von bestehenden Gebäuden. Für die nächsten Jahre ist darin ein Schwerpunkt im Baubereich zu sehen. Zur Bewältigung der Aufgaben der langfristigen Erhaltung und Erneuerung der bestehenden Gebäude bietet das ganzheitliche System der Nachhaltigkeitbetrachtung eine umfassende Grundlage für alle betroffenen Akteure. Um die Vorteile der Stahl(leicht)bauweise optimal zu nutzen, sind umfassende Grundlagen, Planungshilfen und Bewertungskriterien erforderlich, die den interdisziplinären Bauaufgaben unter gesamtheitlicher Berücksichtigung von stadtplanerischen, architektonischen und bauphysikalischen Aspekten sowie statisch-konstruktiven Anforderungen, baubetrieblichen Aspekten, Gesichtspunkten der Immobilienbewertung und einer lebenszyklusübergreifenden Nachhaltigkeitsoptimierung gerecht werden. Im vorliegenden Forschungsvorhaben wurden die Grundlagen für das „Bauen im Bestand“ für jede der genannten Teildisziplinen erarbeitet. Hierbei lag der Fokus besonders auf der Erweiterung von bestehenden Gebäuden, im speziellen in Form von Aufstockungen in Stahl(leicht)bauweise. Dies beinhaltet eine architektonische und baukonstruktive Analyse von bereits realisierten Erweiterungsmaßnahmen sowie

Der Abschlussbericht (DIN A4) umfasst 300 Seiten und enthält 173 Abbildungen und 48 Tabellen. Schutzgebühr: € 65,00 inkl. MWSt. zzgl. Versandkosten, ISBN 978-3-942541-49-7 Dr. Gregor Nüsse

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Rezensionen

Rezensionen Brücken und Tunnel der Bundesfernstraßen 2016 – Dokumentation. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Ref. Z 32, Hausdruckerei, 2016, 168 S., A 4, kartoniert, mit farbigen Abbildungen und Konstruktionszeichnungen

Alljährlich vor dem Jahreswechsel gibt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den neuen Informationsband „Brücken und Tunnel der Bundesfernstraßen“ heraus. Im Band 2016 werden wieder in gewohnt hoher Qualität zehn gut gestaltete Bauwerke bzw. interessante und schwierige Baumaßnahmen, neun Brücken und ein Galeriebauwerk präsentiert. Bei Sindelfingen überquert eine neue Fuß-/Radwegbrücke den zum Kleeblatt ausgebauten Knoten der B 464 mit der L 1183. Die Stahlverbundbrücke ist ein zweifeldriges, integrales Bauwerk mit gevoutetem Trogquerschnitt. Über dem Mittelpfeiler wurden die schrägen Stahlwände zu einem fächerartigen Rohrstrebenfachwerk aufgelöst. Die beiden schlanken Einzelstützen des Mittelpfeilers wurden entsprechend der Neigung der Überbauwände angeordnet. Bei Nesselwang quert die B 309 das Wertachtal. Bis zur Fertigstellung der A 7 war sie die sehr stark belastete Hauptverbindung nach Österreich. Der Bau der 292 m langen Talbrücke erfolgte 1959/1960 mit einem Stahlverbundquerschnitt. Nach der Feststellung schwerer Schäden wurde ein neuer Überbau auf den verbleibenden, zu sanierenden Unterbauten erforderlich. Die neue Stahlverbundbrücke konnte wegen Umweltauflagen für den Baugrund nur erstellt werden, indem er an den Überbau des geleichterten Bestandsbauwerkes angeschlossen und im Taktschiebeverfahren sukzessive in Richtung des gegenüberliegenden Widerlagers vorgeschoben wurde. Hinter diesem Widerlager erfolgte entsprechend der Abbruch des alten Überbaues.

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Bei Kassel überquert eine 1936/1937 errichtete 200 m lange Talbrücke im Zuge der A 7 das Helterbachtal. An den 1972 verbreiterten Überbauten aus gerade geführten Trägerrosten und Gerberträgern wurden 2005 schwere Schäden festgestellt. Im Rahmen der Planungen für den erforderlichen Brückenneubau wurde die Trassierung der A 7 geändert. Die neue, 174 m lange, vierfeldrige Brücke wurde in einer Wanne liegend im Taktschiebeverfahren errichtet. Ein Höhenversatz von bis zu 8 m im Brückenbereich musste dabei kompensiert werden. Südlich von Schwerin wurde im Zuge des Ausbaues der A 14 das bestehende Autobahndreieck mit der A 24 zum Autobahnkreuz umgebaut. Als neues Kreuzungsbauwerk wurden vier Teilbauwerke mit zweistegigen Plattenbalkenüberbauten errichtet. Die bogenförmig angeordneten Flügelwände der Widerlager wurden mit naturgelbem Klinkermauerwerk verkleidet. Im Rahmen des Neubaues der B 212 war im Bereich der Ortschaft Berne der Neubau der vorhandenen Hubbrücke über die Hunte, einer Bundeswasserstraße, erforderlich. Der Neubau wurde als Klappbrücke mit gevouteten Fachwerkträgern realisiert. Östlich von Düsseldorf erfolgte im Zuge der A 44 der Neubau der Talbrücke Ganslandsiepen als semiintegrales Bauwerk mit einem Stahlverbundüberbau. Die beiden Pfeiler weisen an den Köpfen V-förmige Streben auf, die mit den Außenseiten der Stahlkästen verschweißt und bis zur Fahrbahnplatte hochgezogen wurden. Im Zuge der B 53 wurde bei TrabenTrarbach zur Entlastung der Ortsdurchfahrt eine neue, 311 m lange Moselbrücke erforderlich. Die gevoutete, vierfeldrige Spannbetonbrücke liegt in einer Wendelinie und wurde im Freivorbau erstellt. Im Rahmen des Neubaues der B 6n bei Bernburg erfolgte der Bau dreier Flutbrücken und einer Saalebrücke. Die Flutbrücken wurden mit mehrfeldrigen, schlanken zweistegigen Plattenbalkenüberbauten errichtet, die Saalebrücke als Stabbogenkonstruktion mit netzwerkartiger Anordnung der Bogenhänger. Beim Neubau der A 23 wurde nördlich von Hamburg der Ersatzneubau der Störbrücke erforderlich. Das ursprüngliche Bauwerk aus Spannbeton stammte aus dem Jahr 1967 und wies einen schlechten Bauzustand auf. Die neue Störbrücke wurde mit zwei 1 155 m und 1 161 m langen Überbauten errichtet, die im Vorlandbereich aus je einem Stahlverbundkasten, über der Stör aus einem Stabbogen bestehen. Mit 40 m

über Gelände bzw. dem Wasserspiegel ist die Brücke weithin in der flachen Landschaft sichtbar. Bei Bad Reichenhall wurde auf der B 21 zur Sicherung des Verkehrs vor Steinschlag, Lawinen und Murabgängen von den Steilhängen der angrenzenden Berge der Bau eines 138 m langen Galeriebauwerkes erforderlich. Dessen Bau erfolgte unter Aufrechterhaltung des Verkehrs. Mit der Auswahl der Beiträge aus mehreren Bundesländern präsentiert das BMVI wieder gut gestaltete Bauwerke sowie die interessanten, abwechslungsreichen Aufgaben von Bauingenieuren und Architekten in bzw. für die Straßenbauverwaltungen der Länder, der DEGES, den planenden Ingenieurbüros sowie der Bauindustrie. Mit den Beispielen über Brückenneubauten und Ersatzneubauten werden anschaulich die vielfältigen aktuellen Aufgaben zum Ausbau der Bundesfernstraßen und zur Erhaltung des Brückenbestandes beschrieben. Die Publikation kann per E-Mail ­(buergerinfo@bmvi.bund.de) kostenfrei beim Bürgerservice des BMVI angefordert werden. Dipl.-Ing. Christoph Schmitz

Tasche, M.: Analyse von Entwicklungssträngen im Konstruktiven Ingenieurbau anhand bestehender Brücken und Stabtragwerke im Hochbau in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Aachen: Shaker Verlag 2016. 574 S., zahlr. Abb. u. Tab., 25 × 17,6 cm, Paperback. 49,80 € ISBN 978-3-8440-4543-7

In der als wissenschaftliche Arbeit vorgelegten Veröffentlichung unternimmt der Autor den Versuch, die Entwicklungsgeschichte der Tragsysteme von Brücken und Hochbaukonstruktionen an Hand einer großen Vielzahl bestehender und nicht mehr existenter Bauwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aufzuzeigen und in den geschichtlichen Kontext einzuordnen. Mit


Rezensionen enormem Fleiß wurden über 540 Veröffentlichungen, Dokumente, Normen und Vorschriften ausgewertet. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf die Jahre von 1800 bis 1990, in dem wesentliche Tragsysteme beschrieben und dokumentiert werden. Hervorzuheben ist das Bezugnehmen auf über 1 000 Originaltexte in der Form von Fußnoten. In drei umfangreichen Kapiteln werden eingesetzte Baustoffe, Brücken und Hochbauten zum Teil sehr detailliert beschrieben. Im ersten Kapitel „Materialien“ geht der Autor auf 46 Seiten auf historische und heutige Baustoffe ein. Das Kapitel „Brücken“ ist von allen Kapiteln das umfangreichste. Der Bogen spannt sich von den Lastannahmen über Holzbrücken, eiserne Brücken bis hin zu den Massivbrücken. Unter den „eisernen Brücken“ werden auch die Stahl- und Stahlverbundbrücken abgehandelt. Dabei geht der Autor auch weitestgehend auf Entwicklungen im Ausland und deren Einfluss auf den deutschen Brückenbau ein. Gegliedert ist der Abschnitt nach unterschiedlichen Tragsystemen. Im Abschnitt Tragwerke im Hochbau werden auf 254 Seiten Lastannahmen im Hochbau, Holzbinder, Stahl- und Spannbetonbinder sowie Lamellendächer behandelt. Auch hier nimmt der Autor immer wieder Bezug auf den jeweiligen Stand der Technik im Ausland. Zwei Unterabschnitte Baugenehmigungen von 1885 bis 1925 und eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungslinien und Erkenntnisse bilden den Abschluss dieses Kapitels. In einem letzten Abschnitt gibt der Autor eine Zusammenfassung und einen Ausblick. Eine Tabelle der Bauwerke des Brückenund Hochbaus, aufgelistet nach Tragsystemen mit Datierung und Kurzbeschreibungen, schließt sich an. Das Literaturverzeichnis ist mit 541 bibliografischen Angaben umfangreich. Die Quellen sind erläutert und kommentiert. Leider fehlen sowohl ein Personen- als auch ein Sachverzeichnis. Vor allem Letzteres wäre für das Auffinden von Bauwerken außerordentlich nützlich. Das bleibt einer zweiten Auflage vorbehalten. Auf einige Unstimmigkeiten soll aufmerksam gemacht werden. Es trifft nicht zu, dass mit den Untersuchungen von Marx, Geißler und Bolle ([1]) „eine längere Restnutzungsdauer des Chemnitztalviaduktes nachgewiesen werden konnte“ (S. 124), denn diese wurde hier für den Ist-Zustand mit einem reduzierten Lastniveau bestimmt, das jedoch nicht dem Ausbauziel der Sachsen-Franken-Magistrale entspricht. Mit diesen Untersuchungen sollte ledig-

lich Zeit für eine geordnete Planung und Bauausführung eines Ersatzneubaus des Viaduktes gewonnen werden. Da es aber nicht um die Bewahrung des Istzustandes geht, sondern um den Ausbau und die Modernisierung der Strecke, sind bei der Bestimmung der Restnutzungsdauer andere Lastmodelle und andere Ausbaugeschwindigkeiten zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Elbeschifffahrt und die Einhaltung der Gradiente der benachbarten Straßenbrücke wurden beim Bau der Eisenbahn-Marienbrücke Dresden von Köpcke in vier Stromfeldern Fachwerkträger mit bogenförmigen Untergurten eingesetzt. Zudem errichtete man im rechtselbigen Randfeld einen ballastierten Dreigelenkbogen. Dessen Horizontalschub wurde in den Untergurt der Stromgurtbrücke eingeleitet, so dass auf diese Weise die Bauhöhe von 3 m in den Feldern erzielt werden konnte. Wie sich Längenänderungen der Strombrücke infolge Temperatur in Anbetracht dieses Horizontalschubes des Dreigelenkbogens zwängungsfrei abbauen können, kann nicht nachvollzogen werden (S. 189). Stahlverbundbrücken werden Brücken mit orthotroper Stahlfahrbahnplatte nicht nur wegen „passenden geometrischen Randbedingungen“ vorgezogen (S. 206), sondern in erster Linie im Hinblick auf die frühe Vereisungsgefahr bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und dem damit früher erforderlichen Winterdienst. So werden orthotrope Fahrbahnplatten nur noch bei Großbrücken eingesetzt, bei denen die Eigenlast eine entscheidende Rolle spielt. Die nach der Idee von Dischinger 1928 fertig gestellte Saalebrücke Alsleben (S. 280) gilt nicht erst seit den Untersuchungen von Standfuß [2] als die erste vorgespannte Stahlbetonbrücke mit nachträglichem Verbund. Der Bau der Bahnhofsbrücke in Aue, der ersten Spannbetonbrücke mit externer Vorspannung, war kein Fehler, wie der Autor behauptet, sondern eine hervorragende Ingenieurleistung. Die Notwendigkeit des Nachspannens ergab sich aus dem Fehlen hochfester Stähle, was Dischinger sehr wohl wusste (S. 318). Auf Pauschalurteile wie „dass die Entwicklung des Spannbetonbaus in der DDR der in der BRD um etwa 10 Jahre hinterherhinkte“ (S. 333), sollte man in einer wissenschaftlichen Arbeit verzichten, wenn die Ursachen nicht präzise angeführt werden, denn mit dem „Mangel an hochwertigen Stahlsorten und dem Fehlen marktwirtschaftlicher Wettbewerbsanreize“ allein ist der Unterschied nicht zu erklären.

Vermisst wird an dieser Stelle ein Hinweis darauf, dass die Spannbetonvorschriften in der DDR mit der n-freien Bemessung nach Grenzzuständen ab 1981 gegenüber der DIN 4227 weitaus fortschrittlicher waren. Selbst unter technikinteressierten Laien hat sich schon seit langem herumgesprochen, dass die Loschwitzer Brücke (Blaues Wunder) keine „steife Hängebrücke“ ist (S. 345). Das in der Welt einmalige statische System der Brücke ist in der Mittelöffnung ein umgekehrter Dreigelenkbogen mit an den Hochpunkten wirkenden Zugkräften. Letztere werden mittels der beiden Fachwerkscheiben in den Randfeldern in die Widerlager zu pendelgelagerten Betonblöcken mit einer Masse von 1 500 t geleitet, die die Seitenscheiben über Hebel vorspannen. Zügelgurtbrücken sind keinesfalls in sich verankerte (unechte) Hängebrücken (S. 347), sondern eine Sonderform der Schrägseilbrücken. Verschiedentlich werden Begriffe nicht der Fachsprache entsprechend verwendet, so u. a. Sanierung an Stelle Instandsetzung, Gewicht statt Masse, Fachwerkträger mit gekrümmtem Oberrahmen an Stelle Obergurt. Auf Druck beanspruchte Platten knicken nicht im Stabilitätsfall, sondern beulen. Der Autor bietet mit der Beschreibung und Analyse der Entwicklungslinien von Brücken und Stabtragwerken im Hochbau Informationen für den praktisch tätigen Ingenieur, für Lehrende, aber auch für Denkmalpfleger und Historiker wird das Buch von Interesse sein. Ein deutlicherer Bezug der Abhängigkeit der Entwicklung der Tragsysteme und Bauverfahren vom Stand der Entwicklung der Baustoffe und ihrer Eigenschaften wäre wünschenswert gewesen. Aufgrund der großen Anzahl beschriebener Konstruktionen mit informativen Texten kann das Buch als Nachschlagewerk empfohlen werden. [1] Marx, S., Geißler, K., Bolle, G.: Die Bestandsbrücken der Bahn – eine Jahrhundertaufgabe. In: Stritzke, J. (Hrsg.): Tagungsband zum 16. Dresdner Brückenbausymposium am 14. März 2006, Technische Universität Dresden: Eigenverlag, 2006, S. 225–238. [2] Standfuß, F.: Die Saalebrücke in Alsleben – Dokumente der Baugeschichte. In: Stritzke, J. (Hrsg.): Tagungsband zum 10. Dresdner Brückenbausymposium am 16. März 2000, Technische Universität Dresden: Eigenverlag, 2000, S. 39–62. Jürgen Stritzke, Dresden

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Rezensionen Nebel, B.: Christian Gottfried Bandhauer und der Einsturz der Nienburger Saalebrücke am 6. Dezember 1825. Marburg: Selbstverlag 2015. 256 S., zahlr. s/w-Abb., 17 × 20 cm, Softcover. 14,99 €. ISBN 978-3-734-71205-0 Bestellungen: www.bernd-nebel.de

Am 6. Dezember 1825 stürzte die Schrägkabelbrücke über die Saale bei Nienburg durch Überlastung mit einer großen Zahl von Fußgängern ein und 51 Menschen fanden den Tod in der Saale. Damit war das System der Schrägkabelbrücke in Deutschland so diskreditiert, dass die nächsten Schrägkabelbrücken erst 125 Jahre später wieder gebaut wurden, Strömsundbrücke und Düsseldorfer Brückenfamilie. Die Niendorfer Brücke geriet in der deutschen Fachliteratur in Vergessenheit, von einigen Dissertationen und Einzelveröffentlichungen abgesehen. Diese Lücke in der deutschen Literatur ist jetzt durch das verdienstvolle Buch von Bernd Nebel geschlossen worden. Er wurde 1961 geboren, studierte Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Gießen und arbeitet heute im Umweltschutz. Er betreibt eine Homepage zur Brückengeschichte unter www.bernd-­ nebel.de mit vielen interessanten ­Brücken und Brückeningenieuren. Das Buch gliedert sich in zwei Teile: eine erschöpfende Biographie Bandhauers und die Schilderung des Brückenentwurfs und ihres Einsturzes. Bandhauer wurde 1791 in Köthen in einfachen Verhältnissen geboren. Nach einer Lehre als Zimmermann und ausgiebiger Wanderschaft durch ganz Deutschland studierte er ab 1814 in Düsseldorf und wurde schließlich in Köthen 1824 Baurat im Herzogtum AnhaltKöthen, obwohl er die zweite Staatsprüfung nicht abgelegt hatte. Unter seiner Leitung entstanden ökonomische Zweckbauten, die seinen guten Ruf als Baumeister begründeten. Zwei Unglücksfälle, an denen er keine Schuld hatte, zerstörten dann sein Renommee und er starb ohne Anerkennung seiner Leistungen 1837. Die Zahl der im Buch angeführten Quellen ist beeindruckend und zeugt von der intensiven Beschäfti-

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gung des Autors mit der Materie. Im Literaturverzeichnis sind nur die häufig zitierten Quellen aufgeführt, zusätzlich sind fast auf jeder Seite mehrere weitere Literaturstellen genannt. Ein Beispiel sind die Krankenakten von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, der Bandhauer ab 1822 behandelt hatte. Man vermutet hinter dieser Fleissarbeit eher einen Geisteswissenschaftler als einen Bauingenieur. Der Brückenentwurf hatte folgende Aufgabenstellung. Um von der bisher benutzten Fähre unabhängig zu werden, sollte eine Brücke über die Saale gebaut werden. Eine übliche steinerne Bogenbrücke wäre viel zu teuer für die finanziellen Möglichkeiten des kleinen Herzogtums geworden. Die Brücke sollte auch die Durchfahrt von Segelschiffen mit hohen Masten ermöglichen. Bandhauer kam dadurch auf den Entwurf einer Schrägkabelbrücke mit geringem Materialverbrauch und geringeren Kosten. Die zwei Hälften einer symmetrischen Schrägkabelbrücke sind jeweils für sich standfest und erlauben eine Klappbrücke in der Mitte als Durchfahrtsöffnung. Diese Art der Konstruktion ist einmalig und bis heute nicht wiederholt worden. Die Schrägkabelbrücke mit einer Hauptspannweite von 82 m besteht aus zwei Hälften mit jeweils fünf Vorwärtsund drei Rückhaltekabeln in zwei Ebenen, die an zwei Pylonen aufgehängt sind. Der Brückenbalken besteht aus hölzernen Haupt-und Querträgern mit einer Breite von 7,6 m. Der Kraftfluss entspricht in etwa dem einer modernen Schrägkabelbrücke. Die Schrägkabel bestehen aus Doppelstangen, die mit den Einzelstangen an der Verankerung über Schubzähne verbunden werden, deren Abtriebskräfte von Ringen aufgenommen werden. Diese Einzelstangen werden außen an den Querträgern mit Bandeisen angeschlossen. Die Saalebrücke ist in mehrerer Hinsicht einmalig: –– längste und breiteste VorläuferSchrägkabelbrücke –– erste mit fächerförmiger Anordnung der Vorwärts- und Rückwärtsabspannungen –– erste für volle Verkehrslasten (schwere Pferdewagen mit ca. 10 t Gewicht) –– erste mit einer Klappbrücke in der Mitte Die Zugstangen aus Schmiedeeisen zeigten von Beginn an mangelnde Qualität. Sie wurden auf einer von Bandhauer entwickelten Zugmaschine einzeln geprüft. Dabei erreichten 40 % nicht die Solltragfähigkeit und mussten nachgeschmiedet werden. Nach der verzögerten Fertigstellung wurde die Brücke

mehreren Probebelastungen unterworfen, zuletzt im August 1825, als ein mit 6 t beladener Wagen gezogen von 10 Pferden über die Brücke gefahren wurde, Gesamtgewicht ca. 10 t. Die Brücke wurde daraufhin eröffnet und diente bis zum Dezember 1825 dem normalen Verkehr ohne Beanstandungen. Am 5. Dezember besuchte der Herzog von Anhalt-Köthen Nienburg. Zu seinen Ehren wurde ein Fackelzug auf der Brücke angeordnet, gegen den Bandhauer protestierte und an dem er auch nicht teilnahm. Es hielten sich ca. 300 Personen auf der einen Brückenhälfte auf, die auch noch von den Ordnern auf eine Seite gedrängt wurden. Es waren also ca. 300 Personen auf etwa einem Viertel der Brücke. Die Brücke war damit völlig überlastet. Als dann noch einige übermütige jugendliche Besucher versuchen, die Brücke im Takt des Gesangs „Heil dir, o Ferdinand“ in Schwingungen zu versetzen, versagte das erste Kabel und im Reissverschlussverfahren versagten die nächsten des überlasteten Brückenviertels. Daraufhin brach die Südhälfte der Brücke zusammen und 51 Menschen fanden den Tod im Dunkeln in der eiskalten Saale. Die Untersuchung der gebrochenen Zugstangen ergab, dass das Schmiedeeisen Fehlstellen, ein ungleichförmiges Gefüge und Luftblasen sowie Schlackeneinschlüsse enthielt. An einigen Bruchstellen waren Farbreste zu erkennen, die in den Querschnitt eingedrungen waren, als man Fehlstellen zu verdecken suchte. Die mangelnde Qualität des Schmiedeeisens zusammen mit der Überlastung bildete wohl den Grund für den Brückeneinsturz. Bandhauer wurde beschuldigt, an dem Einsturz Schuld zu sein, weil sein Entwurfskonzept mangelhaft war. Bandhauer wehrte sich mit der Veröffentlichung all seiner technischen Unterlagen. Eine Untersuchung der stehengebliebenen nördlichen Brückenhälfte ergab keine Schwachstellen. Bandhauer wurde daraufhin im Mai 1829 von allen Vorwürfen freigesprochen. Der amerikanische Brückeningenieur Dr. Charles Birnstiel veröffentlichte 2005 eingehende Untersuchungen über die Einsturzursache [1]. Er stellt fest, dass Bandhauer eine zu hohe Annahme für die Festigkeit der Zugglieder machte; er entnahm die Zugfestigkeit dem bekannten Statik-Buch von Eytelwein [2], die auf Versuchen mit Teststäben von nur 2 mm2 beruhte, während die Zugstäbe Durchmesser von 24 bis 48 mm hatten. Durch diese Abmessungsvergrößerung hatten die Zugstäbe nur eine Festigkeit von höchstens 70 % der angenommenen. Als Widerstandswert für das Schmiedeeisen nahm er R = 2 an.


Rezensionen / Aktuell Eine schrittweise Computerberechnung bis zum Versagen mit diesen Annahmen ergibt eine Traglast von 20 t, etwa verteilt wie die Fußgänger beim Zusammenbruch. Das entspricht 300 Personen mit 65 kg Gewicht im Durchschnitt unter Berücksichtigung der vielen Kinder. Damit ist die Last beim Versagen der Zugglieder etwa doppelt so groß wie die verlangte, eines vollbeladenen Pferdefuhrwerks mit 10 t. Nebel stellt die folgenden Gründe für den Einsturz an: –– die alles überlagernde Knappheit der Mittel, die eine Ausreizung des Schmiedeeisens für die Zugglieder zur Folge hatte –– die Lieferung minderwertigen Schmiedeeisens, verschlimmert durch die trügerische Absicht, Mängel durch einen Anstrich mit Ölfarbe zu vertuschen –– die nicht vorhersehbare und gegen die Brückenordnung verstoßende ungleichmäßige Überbelastung, verbunden mit dem Versuch einiger Teilnehmer, den Träger in Schwingungen zu versetzen. Bandhauer litt unter den Verdächtigungen, sein Entwurf sei fehlerhaft gewesen, während der Zeit vom Einsturz bis zu seinem Freispruch 1829. Er blieb zwar im Amt, aber ein zweiter Unfall im Juli 1830, bei dem das Gerüst für den Turm der Marienkirche einstürzte und einige Tote verursachte, löste seine Entlassung aus, obwohl ihm auch dabei keine Schuld nachgewiesen werden konnte. Er starb 1837 in sehr beschränkten Umständen. Folgt man der Definition, dass Genie darin besteht, dass auf einem neuen Gebiet auf Anhieb etwas Bleibendes geleistet wird, so kann man Bandhauer als Genie bezeichnen, weil er ohne Vorbilder aus dem Stand das erste Beispiel eines neuen Brückensystems geschaffen hat. Bernd Nebel hat in seinem Buch sowohl die Person wie die Brücke in allen Details endgültig dargestellt. Sein Buch kann allen Interessierten warm empfohlen werden. Der Mitteldeutsche Rundfunk MDR sendete am 15. November 2011 in der Reihe „Echt“ einen sehr sehenswerten Film über Gottlieb Bandhauer und den Einsturz der Saalebrücke. Besonders die Visualisierungen der Brücke sind beeindruckend. [1] Birnstiel, C.: The Nienburg cablestayed bridge collapse, an analysis eighteen decades later. Proceedings of the 5th International Conference on Bridge Management, University of Surrey, 11–13 April 2005.

[2] Eytelwein, J. A.: Handbuch der Statik fester Körper. Berlin: Realschulbuchhandlung Berlin 1808. Holger Svensson, Zeuthen

Hassler, U. (Hrsg.): Lehrbuchdiskurs über das Bauen. Zürich: vdf Hochschulverlag AG 2015. 372 S., zahlr. Farbabb., 21,5 × 28,5 cm, Ln. 65,- € ISBN 978-3-7281-3686-2

Das Bauen ist eine uralte praktische Tätigkeit. Seit der Antike setzt sich die Menschheit allerdings auch theoretisch damit auseinander. Sie hält Handlungsvorschläge in Lehrbüchern fest. Zur Theorie dieser Theorie über das praktische Bauen ist nun ein umfangreicher Textband erschienen. Was zunächst vielleicht etwas trocken und spröde klingt, ist es natürlich auch – aber zum Glück allenfalls phasenweise, denn manche Passagen lesen sich durchaus kurzweilig! Zumal wenn man feststellt, dass scheinbar aktuelle Probleme in der Lehre und Ausbildung von Baufachleuten so aktuell gar nicht sind, sondern vielmehr große Tradition haben. Das gewichtige Buch hat Uta Hassler am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich zusammengestellt und herausgegeben. Eingeflossen sind Ergebnisse von Forschungsprojekten wie dem „über die Verwissenschaftlichung des Bauwissens im 19./20. Jahrhundert.“ Der Inhalt des Buches gliedert sich in sieben Kapitel. Einer allgemeinen Einleitung über das Wissen im Lehrbuch folgen Texte zu Vitruv, zur frühen Neuzeit und je ein Abschnitt zum 19., zum 20. und zum 21.Jahrhundert. Am Ende steht nochmals Vitruv. Der im Frühjahr 2016 verstorbene Hartwig Schmidt hatte Vitruvs Werk und insbesondere seiner Bedeutung im Wandel der Zeiten noch einmal gut 70 Seiten gewidmet. Neben diesem antiken Architekturtheoretiker behandeln Autoren wie Alexander von Kienlin, Klaus Jan Philipp oder Karl-Eugen Kurrer weitere vornehmlich europäische Lehrmeister und

deren Publikationen, darunter Giovanni Poleni, Jean-Baptiste Rondelet, Ludwig Friedrich Wolfram, Rudolf Redtenbacher, Ernst Gladbach oder Josef Durm. Für Praktiker des Bauens gibt es vielleicht spannendere, nützlichere oder zumindest naheliegendere Bücher, beispielsweise das von Gernot Weckherlin und Walter Prigge besprochene Standardwerk des Bauwesens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ernst Neuferts „Bauentwurfslehre“, das „Handbuch für den Baufachmann, Bauherrn, Lehrenden und Lernenden“, hat sich seit dem Erscheinen im Jahr 1936 über alle Erdteile verbreitet, als Lizenzausgabe oder auch als Plagiat in zahlreichen Sprachen. Entstanden ist es im Umfeld der Industrialisierung und der beginnenden Normierung im Bauwesen. Galt und gilt es manchen Architekten als „Phantasiemörder“, sehen andere in Neuferts Entwurfslehre weiterhin eine großartige Zusammenfassung in der Überfülle der entwurflichen Rahmenbedingungen. Eher den Bauingenieuren als den Architekten leisten die im Diskurs behandelten bautechnischen „Zahlentafeln“ von Reinhard Wendehorst oder KlausJürgen Schneiders „Bautabellen“ bis heute hilfreiche Dienste – sofern die Ingenieure unserer Tage Bücher neben dem weltweiten elektronischen Datenund Informationsnetz überhaupt noch als zeitgemäße Wissensspeicher betrachten. Kunst- und kulturgeschichtlich sowie bautechnikhistorisch interessierte Leser finden im Lehrbuchdiskurs eine Sammlung kompetenter, solide belegter und anschaulich illustrierter Beiträge von 24 ausgewiesenen Experten über zahlreiche Bau-Lehrbücher aus verschiedenen Epochen. Den Lehrbuchdiskurs über das Bauen hat Uta Hassler damit zwar wohl kaum vollständig abgehandelt, aber jedenfalls mit einem vielseitigen Werk elegant belebt. Eberhard Möller, Karlsruhe

Aktuell Auftakt zur neuen Stahlbau-Richtlinie Die Ingenieurkammer Bau NRW, die Vereinigung der Prüfingenieure NRW und bauforumstahl als Dachverband der Stahlbaubranche in Deutschland ergänzen den Eurocode 3 mit einer neuen Stahlbau-Richtlinie für die vereinfachte Bemessung gewöhnlicher Stahlbaukonstruktionen. Die Richtlinie zielt auf den allgemeinen Hochbau, zum Beispiel In-

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Aktuell dustrie- und Gewerbehallen mit Kranbahnen oder Geschossbauten. Nach einer Ausschreibung im gesamten deutschsprachigen Raum wurden Anfang Dezember die Stahlbauprofessoren und Ingenieurbüroinhaber Prof. Markus Feldmann von der RWTH Aachen und Prof. Jörg Laumann von der FH Aachen gemeinsam beauftragt (s. Editorial S. 1). „Viele Tragwerksplaner sind nicht im Stahlbau spezialisiert und zögern deshalb mit Stahl zu planen, weil ihnen die europäische Bemessungsgrundlage, der Eurocode 3, zu komplex erscheint. Der Einfachheit halber planen viele Statiker mit anderen Baustoffen, statt den oft eigentlich besser geeigneten Stahl zu verwenden“, erklärt Dr. Bernhard Hauke, Sprecher der Geschäftsführung bauformstahl. „Die neue Stahlbau-Richtlinie ist als eine praktische Vereinfachung innerhalb des Geltungsbereiches und der Konzepte des Eurocodes gedacht. Sie soll möglichst alle für den Tragwerksplaner nötigen Informationen strukturiert enthalten und auf Querverweise verzichten. Komplexe Formeln sollen auf der sicheren Seite liegend vereinfacht sowie mit Tabellen oder Nomogrammen ausgewertet werden.“ Als Bearbeitungsschwerpunkte wurden in Vorgesprächen mit praktisch tätigen Ingenieuren der beteiligen Organisationen folgende Themen festgelegt: –– vereinfachte Lastkombinationen im Stile der alten DIN 18800 –– unkomplizierte Stabilitätsbemessung mit weniger Parametern und ohne un-

nötige Auswahlmöglichkeiten bei den Methoden –– einfache Ermüdungsbemessung für Kranbahnen sowie –– Hinweise zur sicheren Konstruktion und Bemessung von Anschlüssen. Die Stahlbau-Richtlinie soll Ende 2017 in die Praxiserprobung gehen.

Reger Austausch zum Membranbau Am 30. September 2016 fand zum dritten Mal das vom Institut für Metall- und Leichtbau der Universität Duisburg-Essen veranstaltete Essener Membranbau Symposium statt. Etwa 130 Teilnehmer aus Praxis und Wissenschaft des Membranbaus fanden sich zu einem regen Austausch im Glaspavillon am Campus Essen ein. Die Veranstalter danken den externen Referenten Dipl.-Ing. Knut Göppert (schlaich bergermann partner), Dipl.-Ing. Martin Glass (Architekten von Gerkan, Marg und Partner), Prof. Dr.-Ing. Udo Peil (PI – Peil-Ingenieure), Dipl.-Ing. Forian Weller (Ingenieurbüro Florian Weller) und Wolfgang RudorfWitrin (ehem. CENO Membrane Technology GmbH), die mit ihren spannenden und lehrreichen Vorträgen zum Gelingen des Tages beigetragen haben. Der derzeitige Stand zur europaweiten Harmonisierung der Membranbaubemessung mit dem Ziel eines neuen Eurocodes für den Membranbau wurde von Prof. Dr.-Ing. Natalie Stranghöner

Der projektbegleitende Ausschuss zusammen mit den Verfassern der Stahlbau-Richtlinie v.l.n.r.: Dr.-Ing. Dieter Lehnen, Vertreter VPI und Ing.-Büro Stahlbau, Prof. Dipl.-Ing. Balthasar Gehlen, Vertreter IK-Bau NRW, Dr.-Ing. Hans-Jürgen Krause, Arbeitskreis Normung der IK-Bau NRW, Prof. Dr.-Ing. Markus Feldmann, Rheinisch Westfälische Technische Hochschule (RWTH), Institut und Lehrstuhl für Stahlbau und Leichtmetallbau, Prof. Dr.-Ing. Jörg Laumann, Fachhochschule (FH) Aachen, Institut und Lehrstuhl für Baustoffe und Baukonstruktionen, Dr. Bernhard Hauke, Geschäftsführer bauforumstahl und Ausschussvorsitzender, Dipl.-Ing. Gerhard Rath, Vertreter VP und Ing.-Büro Stahlbau, Dr.-Ing. Christoph Meinsma, Vertreter bauforumstahl. und Ing.-Büro Stahlbau, Dr.‑Ing. Heinrich Bökamp, Präsident Ingenieurkammer-Bau NRW, Dr.-Ing. Hubertus Brauer,Vizepräsident Ingenieurkammer-Bau NRW, Dipl.-Ing. Alexander Pirlet,, 1. Vorsitzender VPI NRW (© Ingenieurkammer-Bau NRW)

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(Universität Duisburg-Essen, Institut für Metall- und Leichtbau) vorgestellt. Insbesondere erläuterte sie auch den nun veröffentlichten, frei beim Joint Research Centre der Europäischen Kommission herunterladbaren „Science and Policy Report“, der als Hintergrundbericht einer der wesentlichen Grundlagen für die weitere Normungsarbeit ist, sowie den Entwurf der überarbeiteten DIN 18204-1. Dr.-Ing. Jörg Uhlemann (Universität Duisburg-Essen, Institut für Metall- und Leichtbau) stellte die Forschungsergebnisse aus seinem Promotionsverfahren zur Bestimmung von elastischen Konstanten von Gewebemembranen vor. Die Arbeit war auf die Bestimmung von bemessungsorientierten Konstantensätzen ausgerichtet. Das Ergebnis sind weiterentwickelte Versuchs- und Auswerteprozeduren für biaxiale Zugversuche und der daraus zu bestimmenden elastischen Konstanten. Aus der Ingenieurpraxis berichtete Dipl.-Ing. Knut Göppert (schlaich bergermann partner). Er präsentierte einige aktuelle Membranbauprojekte des Büros schlaich bergermann partner mit dem besonderen Schwerpunkt auf wandelbare Dachstrukturen. Hier kann prinzipiell zwischen wandelbaren Strukturen aus steifen Elementen und aus flexiblen Materialien unterschieden werden. Herr Göppert erläuterte die speziellen Anforderungen, die bei diesen Strukturen an die Planung, die Konstruktionselemente und das Membranmaterial gestellt werden. Die architektonische Seite der Membranbauten wurde vom Architekten Dipl.-Ing. Martin Glass (Architekten von Gerkan, Marg und Partner) beleuchtet. Er präsentierte und diskutierte einige vom Büro von Gerkan, Marg und Partner entworfene Leuchtturmprojekte des Membranbaus. Besonderes Augenmerk legte er auf die Lichttransmission und -reflexion der Membranmaterialien, da diese optische Eigenschaft für ihn den großen Reiz des Bauens mit Membranen ausmacht. Die im Wesentlichen auf Zug abtragenden Membranen weisen in ihrem Tragverhalten deutliche Analogien zu Seilen und Seilnetzen auf. Diese Analogien wurden von Prof. Dr.-Ing. Udo Peil (PI – Peil-Ingenieure) herausgearbeitet und stets an Zahlenbeispielen veranschaulicht, was die Präsentation des hintergründigen Formelwerks trotzdem zur vergleichsweise „leichten Kost“ machte. Beispielsweise zeigte er auf, wie eine sehr geringe Seilverlängerung zu einem riesigen Plus an Seildurchhang führt. Dipl.-Ing. Florian Weller (Ingenieurbüro Florian Weller) sensibilisierte das Fachpublikum anhand seiner Erfahrun-


Aktuell / Aus der Forschung / Firmen und Verbände

Referenten und Veranstalter des Symposiums: Knut Göppert, Klaus Saxe, Prof. Udo Peil, Florian Weller, Prof. Natalie Stranghöner, Wolfgang Rudorf-Witrin, Martin Glass, Dr. Jörg Uhlemann.

gen aus der Bauwerksüberwachung für die praktischen Probleme bei der Umsetzung der Planung von Membranbauwerken in die Ausführung. Am Beispiel einiger aufgetretenen Schäden an Membrantragwerken aus der letzten Zeit zeigte er Ursachen und Möglichkeiten der Vermeidung auf. Seiner Erfahrung nach liegen Schadensursachen häufig in unrealistischen Lastannahmen, dem Übersehen von Zwängungen, übergroßen Membranfeldern, ungeeignetem Handling von Membranmaterial mit der Folge von Knicken, ungünstigen Montagebedingungen und fehlenden Nachstellmöglichkeiten. Zum Abschluss des Symposiums erläuterte Wolfgang Rudorf-Witrin (ehem. CENO Membrane Technology GmbH) die aktuelle Marktsituation für Membranbauwerke. Er legte die zum Teil sehr harte Wettbewerbssituation dar, denen die am Markt aktiven Firmen unterliegen. Diese erschwert das Bilden von Rücklagen z. B. für Forschung und Entwicklung. Dies ist aber für die Weiterentwicklung der Bauweise von entscheidender Bedeutung. Er zeigte die notwendigen Entwicklungen für die unterschiedlichen aktuellen Membranmaterialien auf, die heute vor allem in bauphysikalischen und energetischen Eigenschaften liegen und umriss die Vision einer „Qualitätsoffensive“, um gemeinsam in Zukunftsforschungen zu investieren. Wie inzwischen „gewohnt“, fand der Ausklang des Tages im ELLF statt, wo der Austausch rege weitergeführt wurde. Die Beiträge der Referenten liegen in einem Tagungsband auch in schriftlicher Form vor: Stranghöner, N., Saxe, K., Uhlemann, J. (Hrsg.): 3. Essener Membranbau Symposium. Shaker Verlag, Aachen, 2016. Angesichts der vielen positiven Rückmeldungen freuen sich die Veranstalter bereits auf die vierte Ausgabe des Essener Membranbau Symposiums, die im September 2018 stattfinden wird. Dr.-Ing. Jörg Uhlemann

Aus der Forschung Entwicklung der Grundlagen für eine architektonisch qualitätvolle Systembauweise für Fassaden aus Sandwichelementen mit neuartiger Befestigungstechnik im Geschossbau Im Rahmen des vorliegenden Forschungsvorhabens wurden die Grundlagen für eine architektonisch ansprechende Systembauweise für Fassaden aus Sandwichelementen mit neuartiger Befestigungstechnik gelegt. Anlass ist der Umstand, dass die Sandwichbauweise besonders im Geschossbau noch weiteres Entwicklungspotential hat. Die Arbeiten im vorliegenden Projekt wurden daher besonders mit einem technisch-architektonischen Fokus durchgeführt, der die Schaffung von Fassaden im Geschossbau mit hoher architektonischer Qualität und sozio-kultureller Akzeptanz fördert. Die im Industriebau bei Sandwichfassaden genutzte Stoßverbindung mit Nut und Feder am Längsrand der Elemente, ermöglicht eine bauphysikalisch und in der Ausführung ökonomisch optimierte Lösung. Produktionsbedingt sind die Querränder bei kontinuierlicher Fertigung der Elemente unprofiliert. Dies bedingt die unterschiedliche Ausführung von Längs- und Querrandstoß und die Festlegung auf eine horizontale oder vertikale Verlegerichtung für die Elemente. Damit sind für die architektonische Gestaltung bestimmte Rahmenbedingungen durch die Konstruktion vorgegeben. Die im vorliegenden Forschungsvorhaben entwickelte „Adapterlösung“ erlaubt jedoch nun eine optisch gleichwertige Fugenausbildung und die Kombination von horizontal und vertikal verlegten Sandwichelementen in einer Fassade. Gleichzeitig können größere Fensterflächen in die Fassade integriert werden und bestehende Elementformate an die im Büro- und Verwaltungsbau üb-

lichen Rastermaße angepasst werden. Die statisch günstige, allseitige Linienlagerung der Elemente optimiert zusätzlich den Lastabtrag und die Befestigung der entwickelten Konstruktionsvarianten. Da bei dieser Lösung weiterhin ­bestehende Paneelformate verwendet werden können, entfällt eine kosten­ intensive Umstellung in der Sandwichproduktion. Neben der „Adapterlösung“ wurden weitere innovative Befestigungskonzepte entwickelt. Die darin enthaltenen Forschungsergebnisse zum globalen Tragverhalten können ergänzend über die Ziele dieses Forschungsvorhabens hinaus angewendet werden. Mit Hilfe der entwickelten Ergebnisse aus Grundriss- und Aufrissstudien konnte im vorliegenden Forschungsvorhaben ein Raster zur Nutzung von Sandwichpaneelen im Büro- und Verwaltungsbau geschaffen und die angestrebte modularisierte Systembauweise realisiert werden. Für die praktische Anwendung wird dies im vorliegenden Bericht anhand von drei makroskopischen Entwürfen dargestellt und verständlich erläutert Das IGF-Vorhaben 453ZN der Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V., Düsseldorf, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschafts­for­ schung(IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund ­eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Vorhaben wurde an der Technischen Universität Dortmund vom Lehrstuhl Stahlbau und an der Ryerson University Toronto am ­Department of Architectural Science durchgeführt. Der Abschlussbericht (DIN A4) umfasst 269 Seiten und enthält 314 Abbildungen und 56 Tabellen. Schutzgebühr: € 65,00 inkl. MWSt. zzgl. Versandkosten, ISBN 978-3-942541-71-8 Dr. Gregor Nüsse

Firmen und Verbände Neuer Vorstand der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau gewählt Neuer Vorstand für die Bayerische Ingenieurekammer-Bau: das höchste Entscheidungsgremium der Kammer, die Vertreterversammlung, wählte turnusgemäß am 24. November 2016 den Vorstand sowie Präsident und Vizepräsidenten. Einstimmig votierte die Vertreterversammlung für Prof. Dr.-Ing. habil. Norbert Gebbeken als neuen Präsidenten.

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Firmen und Verbände / Termine

Norbert Gebbeken ist neuer Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau (Bild: © Birgit Gleixner)

Prof. Dr.-Ing. habil. Norbert Gebbeken übernimmt das Präsidentenamt von Dr.-Ing. Heinrich Schroeter, der nach knapp zehn Jahren an der Spitze der Kammer nicht mehr kandiert hatte. Gebbeken war zuvor 2. Vizepräsident der Bayerischen IngenieurekammerBau. In dieser Funktion folgt ihm das langjährige Vorstandsmitglied Dr.-Ing. Werner Weigl. 1. Vizepräsident bleibt Dipl.-Ing. Univ. Michael Kordon. Der neu gewählte Präsident dankte seinem Vorgänger Dr.-Ing. Heinrich Schroeter für die hervorragende Arbeit in den vergangenen zehn Jahren. Das Wahlergebnis zeige klar, dass die Mitglieder der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau mit der Arbeit des Vorstands sehr zufrieden seien, so der 1. Vizepräsident Dipl.-Ing. Univ. Michael Kordon: „Das Wahlergebnis ist eine großartige Bestätigung unserer Arbeit. Wir werden uns weiterhin intensiv für die Belange der am Bau tätigen Ingenieure einsetzen. Die Vorstandsmitglieder sind beruflich in unterschiedlichen Bereichen aktiv und bilden damit die Vielfalt der Mitglieder ab. So werden alle Interessen ideal vertreten. Doch nicht nur die Fachkompetenz ist gegeben, auch die Chemie im Vorstand stimmt“.

–– Kathodischer Korrosionsschutz bei Wasserbauwerken aus Stahlbeton –– Stand der Normung im Korrosionsschutz –– MIC-Gefahr für WSV-Bauwerke –– Aktuelles zur Ertüchtigung von Korrosionsschutzbeschichtungen im Stahlwasserbau durch Smart Rapair –– BAW-Merkblatt zur Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Stahlwasserbauverschlüsse (Entwurf) –– Altstähle im Stahlwasserbau –– Zur Sprödbruchsicherheit alter Stahlkonstruktionen –– Stabilitätsnachweise im Stahlwasserbau –– Einfluss der Korrosion auf die Ermüdungsfestigkeit von Konstruktionen des Stahlwasserbaus –– Nachbehandlungsverfahren und deren Berücksichtigung bei der Nachrechnung Auskünfte und Anmeldung: Bundesanstalt für Wasserbau Kußmaulstraße 17, 76187 Karlsruhe Tel.: 0721/97260 Fax: 0721/97264540 info@baw.de www.baw.de

39. Stahlbauseminar Orte und Termine: Wien, 17. und 18. Februar 2017 Neu-Ulm, 24. und 25. Februar 2017

Ort und Termin: Karlsruhe, 8. und 9. Februar 2017

Themen: –– Kranbahnen im Bestand – Sanierung und Weiternutzung –– Verbunddeckensysteme – Bemessung nach Eurocode 4 und aktueller Stand der Technik –– Möglichkeiten im Stahlleichtbau – Anwendungsfelder, Normen, Berechnung, Ausführung, Besonderheiten –– Die Beurteilung der Ermüdungsbeanspruchbarkeit der SCSC-Sandwichplatte auf Basis des Kerbdehungskonzeptes –– Hochmoselquerung –Konstruktion und Besonderheiten bei der Bauausführung –– Nachweise zum Plattenbeulen unter Verwendung der FEM nach EN 19931-5 –– EDV-unterstützte Stabilitätsnachweise komplexer Tragstrukturen –– Verbundstützen nach Eurocoe 4 – Vergleich zwischen allgemeinem und vereinfachten Bemessungsverfahren

Themen: –– Korrosion und Korrosionsschutz – wie funktioniert das ? –– Methoden und Verfahren bei Baustoff- und Korrosionsschutzuntersuchungen

Auskünfte und Anmeldung: Akademie der Hochschule Biberach, Karlstraße 6 88400 Biberach kontakt@akademie-biberach.de www.akademie-biberach.de

Termine Korrosionsschutz und Tragfähigkeit bestehender Stahlwasserbau­ verschlüsse

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VDI-Arbeitskreis Technikgeschichte Ort: Berlin, Deutsches Technikmuseum Trebbiner Str. 9 Veranstalter: VDI-Arbeitskreise Technikgeschichte und Bautechnik, Lehrstuhl für Bautechnikgeschichte und Trag­ werks­erhaltung der BTU Cottbus-Senftenberg und Deutsches Archäologisches Institut Berlin Themen und Termine (Auswahl): –– Zum ersten Mal gebaut – die genuine Entwicklung von bautechnischem Wissen im Neolithikum Südwest­ asiens, 26. Januar 2017 –– Fabrikanten und Gestalter im Indus­ triezeitalter. Das Beispiel Karl Mey und Wilhelm Wagenfeld, 9. Februar 2017 –– Die Anfänge der Wasserbewirtschaftung im Vorderen Orient und Methoden zu deren Erforschung, 16. Februar 2017 –– Die Automobiltechnik als Dienstleistung: Werkstätten, Reifenwechsel, Tankstellen, Automobilhandel und Garagenwirtschaft 1900 bis 1939 in Deutschland, 9. März 2017 –– Großbaustellen in Sumer: Arbeitsaufwand und Kosten, 23. März 2017 –– Glücksmaschinen und Maschinenglück – Buchpräsentation, 6. April 2017 –– How to span? Gewölbe im Alten Ägypten: Ursprünge, Entwicklung, Bedeutung und Alternativen, 20. April 2017 –– Der Bau der Pyramiden im Alten Ägypten, 18. Mai 2017 –– Die Heizung des Berliner Stadtschlosses und ihre Restaurierung an der HTW Berlin, 1. Juni 2017 –– Die Baukonstruktionen der Sabäer – Monumentalarchitektur aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. beiderseits des Roten Meeres, 14. September 2017 –– Stapeln. Schichten. Mauern bauen. Bauwerkstuning im spätzeitlichen Ägypten, 26. Oktober 2017 –– Wasserstraßenbau in BrandenburgPreußen von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, 9. November 2017 –– Beständiges Wirken für Erhalt und Präsentation antiker (Bau)-Werke in Pergamon. Zum Gedenken an den Bauforscher Martin Bachmann, 23. November 2017 Beginn jeweils um 17 Uhr 30 Teilnahme kostenfrei Auskünfte: Arbeitskreis Technikgeschichte im VDIBezirksverein Berlin-Brandenburg e.V. Dr.-Ing. Karl-Eugen Kurrer Karl-Eugen.Kurrer@wiley.com


Impressum Die Zeitschrift „Stahlbau“ veröffentlicht Beiträge über Stahlbau-, Verbundbau- und Leichtmetallkonstruktionen im gesamten Bauwesen. Die Beiträge beschäftigen sich mit der Planung und Ausführung von Bauten, Berechnungs- und Bemessungsverfahren, der Verbindungstechnik, dem Versuchswesen sowie Forschungsvorhaben und ‑ergebnissen. Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schrift­liche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Foto­kopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk oder Fernsehsendung, im Magnetton­verfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Waren­ bezeichnungen, Handelsnamen oder Gebrauchsnamen, die in der Zeitschrift veröffentlicht werden, sind nicht als frei im Sinne der M ­ arkenschutz- und Warenzeichen-Gesetze zu betrachten, auch wenn sie nicht eigens als geschützte Bezeichnungen gekennzeichnet sind. Hinweise für Autoren: www.ernst-und-sohn.de/hinweise_fuer_autoren. Aktuelle Bezugspreise Die Zeitschrift „Stahlbau“ erscheint mit 12 Ausgaben pro Jahr. Neben „Stahlbau print“ steht „Stahlbau online“ im PDF-Format über den Online-Dienst Wiley Online Library im Abonnement zur Verfügung. Bezugspreise Inland Studenten Schweiz Studenten

print 523 € 129 € 817 sFr 214 sFr

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Die Preise sind gültig vom 1. September 2016 bis 31. August 2017. Bei Änderung der Anschrift eines Abonnenten sendet die Post die Lieferung nach und informiert den Verlag über die neue Anschrift. Wir weisen auf das dagegen bestehende Widerspruchsrecht hin. Wenn der Bezieher nicht innerhalb von 2 Monaten widersprochen hat, wird Einverständnis mit dieser Vorgehensweise vorausgesetzt. Stahlbau, ISSN 0038-9145, is published monthly. US mailing agent: SPP, PO Box 437, Emigsville, PA 17318. Pe­ri­od­i­cals post­age paid at Emigsville PA. Postmaster: Send all address changes to Stahlbau, John Wiley & Sons Inc., C/O The Sheridan Press, PO Box 465, Hanover, PA 17331. Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Graße, GMG – Ingenieurgesellschaft mbH, Dresden Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Martin Mensinger, Technische Universität München, München Prof. Dr.-Ing. Richard Stroetmann, Technische Universität Dresden, Dresden Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann, Universität Stuttgart, Stuttgart Prof. Dipl.-Ing. Jean-Baptiste Schleich, Kockelscheuer, Luxemburg Prof. dr hab. inz. Zbigniew Cywin´ski, Gdan´sk, Polen Prof. Dr.-Ing. Thomas Ummenhofer, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe Prof. Dr.-Ing. Markus Feldmann, RWTH Aachen, Aachen

Verlag: Wilhelm Ernst & Sohn – Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG Rotherstraße 21, D-10245 Berlin Tel. +49(0)30/47031-200, Fax +49(0)30/47031-270, info@ernst-und-sohn.de, www.ernst-und-sohn.de Amtsgericht Charlottenburg HRA 33115B Persönlich haftender Gesellschafter: Wiley Fachverlag GmbH, Weinheim Amtsgericht Mannheim: HRB 432736 Geschäftsführerin: Franka Stürmer Steuernummer: 47013/01644, Umsatzststeueridentifikationsnummer: DE 813496225 Chefredakteur: Dr.-Ing. Karl-Eugen Kurrer Tel.: +49(0)30/47031-248, Fax: +49(0)30/47031-270, Karl-Eugen.Kurrer@wiley.com Für Manuskripte: Dr.-Ing. Geraldine Buchenau Bergstraße 140, D-73733 Esslingen Tel.: +49(0)711/5055895, Fax: +49(0)711/5055821, g.buchenau@t-online.de Produkte & Objekte: Dr. Burkhard Talebitari Tel.: +49(0)30/47031-273, Fax: +49(0)30/47031-229, btalebitar@wiley.com Gesamtanzeigenleitung: Fred Doischer Tel.: +49(0)30/47031-234, Fax: +49(0)30/47031-230, fred.doischer@wiley.com Anzeigenverkauf: Dominique Riedel Tel.: +49(0)30/47031-252, Fax: +49(0)30/47031-230, dominique.riedel@wiley.com Sonderdrucke: Verkauf: Janette Seifert Tel.: +49(0)30/47031-292, Fax: +49(0)30/47031-230, janette.seifert@wiley.com Techn. Herstellung: Petra Franke Tel.: +49(0)30/47031-279, Fax: +49(0)30/47031-227, petra.franke@wiley.com Kunden-/Leserservice: Wiley-VCH Kundenservice für Ernst & Sohn Boschstraße 12, D-69469 Weinheim Tel.: +49(0)800 1800 536 (innerhalb Deutschlands) Tel.: +44(0)1865476721 (außerhalb Deutschlands) Fax: +49(0)6201 606184 cs-germany@wiley.com Schnelleinstieg: www.wileycustomerhelp.com Satz: TypoDesign Hecker GmbH, Leimen Druck: ColorDruck Solutions GmbH, Leimen Gedruckt auf säurefreiem Papier.

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Vorschau   2/17 Zum Bild:  Die Yavus-Sultan-Selim-Brücke verbindet Europa und Asien. Als dritte und größte Bosporusquerung wurde sie sofort nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2016 zum neuen Wahrzeichen von Istanbul. Grund dafür ist nicht nur die Einbettung der Brücke in eine spektakuläre Landschaft, sondern auch die Konstruktion selbst und ihre Geschichte. Beginnend vom ersten Tag nach der Vergabe des Projektes an das Joint Venture ICA (Içtas/Astaldi), wurde einer ungewöhnlich konsequenten und klaren Linie bei Planung und Realisierung des Projektes gefolgt. Die Beauftragung durch die Behörden erfolgte, da diese den Entwurf der Brücke, der innerhalb eines Zeitraums von nur 8 Wochen erarbeitet wurde, als die befriedigendste Antwort auf ihre Anforderungen empfanden. Diese sehr hohen Anforderungen entsprachen dabei genau der Bedeutung einer derart wichtigen Konstruktion, ihrer Funktionalität, dem geopolitischen Kontext des Bauwerks und seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Das Foto zeigt die Montage des Fahrbahndecks, die jeweils von den Pylonen zur Brückenmitte fortschreitet.

Ulrike Kuhlmann, Stephanie Breunig, Ana Pascual, Martin Mensinger, Marjolaine Pfaffinger Ganzheitliche Analyse von Stahl- und Verbundeisenbahnbrücken – Teil 1: Innovative Lösungen zur Stärkung der Dauerhaftigkeit und Verkürzung von Bauzeiten Tim Zinke, Thomas Ummenhofer, Sarah Schneider, Tabea Beck, Katrin Lenz, Michael Neudeck, Eckart Koch Ganzheitliche Analyse von Stahl- und Verbundeisenbahnbrücken – Teil 2: ­Ökologische, ökonomische und betriebliche Bewertungen Tobias Mansperger, Rolf Jung, Robert Hertle, Thomas Köberlin Planung und Prüfung der Talbrücke Heidingsfeld Robert Hertle, Thomas Köberlin, Martin Mensinger, Joseph Ndogmo Anmerkungen zum Stabilitätsnachweis längsversteifter Platten unter biaxialem Druck Jean-Francois Klein Third Bosphorus bridge – a masterpiece of Sculptural engineering Wojciech Lorenc, Günter Seidl Entwicklung der VFT-WIB-Bauweise am Beispiel der Brücke bei Elbla˛g Günter Seidl, Andreas Danders, Frank Gunkel, Dennis Rademacher, Thomas Pinger Elsterbrücke Osendorf – eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer ­Bewehrung Peter Lebelt, Jörg Gehrke Korrosionsschutztechnologie für Montageschweißstöße einer feuerverzinkten Stahlbrücke Dirk Seipelt, Thomas Neysters, Brinja Coors, Martin Grassl Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbe nach schwerem Schiffs­ anprall – Nachrechnung, Planung, Ausführung, Analyse (Änderungen vorbehalten)

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