Emerging Artists 2015

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Emerging Artists 2015


ART IST S Robert Vellekoop

DAS MODERNE LEBEN von Katja Lell 04 — 19

Jenny Schäfer

See into the trees von Alexander Rischer 20 — 35

Natalia Sidor

Unbekannter Teilnehmer von Rebekka Seubert 36 — 51


Emerging Artists 2015


Liebe Besucher und Besucherinnen, sehnen wir uns nicht oft danach, der privaten und beruflichen Beschleunigung entgegenzusteuern, langsamer zu werden oder gar nach einer Atempause? Stillzustehen und zu verweilen ist ein Luxus geworden, da wir uns der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung kaum entziehen können. Langsamkeit sollte wieder ein Wert unseres Zeitalters werden, denn es ist auch eine Strategie der Konzentration. Ich bin fasziniert von dem visuellen Anhalten der Zeit, jene „vollkommen geronnene Stille“, wie es Oliver Wendell Holmes treffend beschreibt. Vielleicht schaffe ich diesen Zustand durch die Kunst, indem ich hier innehalte und still stehe. Wenn ich der Kunst genug Zeit widme, lädt sie sich geradezu energetisch auf. Eine Erweiterung dessen habe ich beim Betrachten der Arbeiten von Robert Vellekoop, Jenny Schäfer und Natalia Sidor erlebt. Ich freue mich sehr, diese drei Künstler als Hauptakteure für die diesjährige Emerging Artist Ausstellung „Still Stand“ gewonnen zu haben. 2


Die Emerging Artists 2015 sind in der 4. Edition ausschließlich Studenten der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK). Die Ausstellung ermöglicht den Nachwuchskünstlern, die noch durch keine Galerie vertreten sind, eine Möglichkeit sich der Öffentlichkeit zu zeigen und auf sich aufmerksam zu machen. Robert Vellekoops Malereien lassen mich Einkehr halten im Dunkel der Nacht – menschenleer und lautlos. Der Bick auf die Straße und die Bewegungslosigkeit des Moments wird nur durch das konstante Flimmern der Laternen gebrochen. Auch im Fernseher scheint sich nichts mehr zu regen, außer dem vermeintlichen Rauschen. Die Schnelligkeit der Autos und der Medien klingen noch nach, doch jetzt ist Ruhe eingekehrt. Ich scheine über dem Geschehen zu schweben, ohne Teil davon zu sein und ich schaue nur noch, ohne jegliche Erwartung zu haben, dass die Stille gebrochen wird. Katja Lell hat einen ebenso leisen wie starken Beitrag zu Vellekoops Werken in diesem Katalog verfasst. Eine ähnliche Wirkung wie bei Robert Vellekoop wiederfährt mir bei Jenny Schäfers und Natalia Sidors fotografischer Arbeit. Lediglich das Beobachten des Moments lässt mich arbeiten. Jenny Schäfer rückt den urzeitlichen Chemnitzer Steinwald in das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und hält ihn auf eine sehr sinnliche und dokumentarische Weise fotografisch fest. Vor 290 Millionen Jahren ließ ein Vulkanausbruch den damaligen Wald durch erkaltete Lava versteinern, der uns heute als Zeitzeugnis erhalten bleibt. Durch die Versteinerung manifestieren sich die Dynamik von Zeit und gleichzeitig der Status von Dauer. Alexander Rischer formuliert in seinem Text über Jenny Schäfers Arbeit, wie es ihr in ihrer Arbeit gelingt, eine Art verborgene Zeitordnung zu offenbaren.

Natalia Sidor zeigt mit ihren Arbeiten einen ganz persönlichen Blick in ihr Umfeld. Da kein direkter Blickkontakt mit ihr und den Protagonisten stattfindet, spielt sie eine distanzlose Akteurin, die nicht entschlüsseln, sondern uns ihren Blickwinkel verraten möchte. Wovon sich ihre fotografische Arbeit als solches von den gewohnten Darstellungsformen der bildenden Kunst unterscheidet, ist nicht die Stillstellung als solches – die Unbeweglichkeit des Bildes ist ja der Normalfall – sondern der Umstand, dass es sich hier um einen stillgestellten Ausschnitt ihrer Wirklichkeit handelt. Rebekka Seubert nimmt uns in ihrem Text mit in Natalia Sidors fixierten Augenblick ihrer Wirklichkeit. Mein außerordentlicher Dank gilt diesen Künstlern, mit denen ich eine ganz wunderbare und produktive Zusammenarbeit erlebt habe, den Autoren, die diese künstlerischen Arbeiten so treffend beschrieben haben, wie auch den Sponsoren, der Kulturstiftung Christa und Nikolaus Schües, ohne die diese Ausstellung nicht möglich gewesen wäre. Ich wünsche Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher, beim Betrachten auch diesen besonderen Moment des Verweilens und des „Still Stands“. Ihre Isabel Deimel 3


Robert Vellekoop

von Katja Lell 4


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Ein Vorort in einer unbekannten Stadt. In einem Auto durchquere ich die Straßen in der Abenddämmerung. Das dumpfe Licht der Straßenlaternen schlägt wie ein entfernter Beat. Der regelmäßige Rhythmus lässt mich die Geschwindigkeit vergessen. Ich schwebe durch die Straßen begleitet von einem entfernten Grollen, einem Schleier an Geräuschen, der sich über die beobachtete Landschaft legt. Die Fahrt könnte überall hingehen, doch endet sie als Heimweg vor dem Eingang zur eigenen Garage. Das Gewöhnliche entgleitet der Wahrnehmung. Im Dunkeln zeigen die Dinge die anderen Seiten ihrer Gesichter. Das Unheimliche beinhaltet stets das Heimliche und verweist auf das Heimische. Das Heimische meint aber nicht nur das, was sich innerhalb des Hauses abspielt, sondern auch das, was meiner Wahrnehmung bekannt ist, das wogegen ich keinen Verdacht hege. Die Straßen mit ihren Laternen sind meiner Wahrnehmung vertraut. Das Fernsehgerät und die Zimmerpflanze ebenfalls. Es sind Nebensächlichkeiten, die immer da sind, ohne Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Aber nicht nur die Dinge selbst, sondern auch deren Repräsentationen bilden das Heimische: Die Art, wie das Licht einer Lampe, wie ein Hausdach, wie ein Grashalm dargestellt sind. Dieses leise Vertrauen in Dinge ist ein bescheidenes Gefühl. Es hinterfragt nicht ihr Design oder ihre Funktion. Es trennt nicht zwischen mir hier und dem Ding dort, sondern vereinigt sich mit dem Außen in einer utopischen Ganzheit.

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Streets | 2015 30x40cm | Acryl / Lack auf Holz Diese Seite

Yellow | 2015 30x40cm | Acryl auf Holz 6


Robert Vellekoops Malereien zitieren in gewisser Hinsicht diese Dinge des Vertrauens. In prototypischen Darstellungen zeigt er uns Fernseher, Lampen, Straßen und Zimmerpflanzen. Diese Protagonisten sind alte Bekannte, die vage Erinnerungen hervorrufen. An Bilder, die ich nie wirklich gesehen habe, weil sie zu alles durchdringenden Zeichen geworden sind. Diese Zeichen, die Fernseher und Straßen, verweisen auf Ideen eines fortschrittsgläubigen Lebensstils, der vertrauenserweckend meine gesamte Existenz durchdringt. Nicht nur ihre Funktionen, sondern auch ihr Design wurde mit den utopischen Zielen einer Moderne konzipiert. Doch die Einheit des Vertrauens ist beschädigt. In den strengen grafischen Linien der Malereien werden Brüche sichtbar, in denen sich das Misstrauen am Alltäglichen heimlich verstecken kann. Die Linien der Straßen führen im Kreis und zersetzen sich, Flächen oszillieren zwischen Vorder- und Hintergrund. Die einfachen zeichenhaften Darstellungen werden beim längeren Hinsehen widersprüchlich. Das Flimmern der Holzmaserung und der abgeschliffenen, übermalten Farbschichten löst die vermeintlich strenge Ordnung auf. Es arbeitet sich vorsichtig aus dem Hintergrund in den Vordergrund vor, um subversiv als Fernsehflimmern an der Oberfläche aufzutauchen. Die Brüche und Risse lassen die Straßen, Fernseher und Blumentöpfe wie Ruinen aus einer entfernen Zeit erscheinen. Sie markieren das Ende des Vertrauens und den Beginn einer Sehnsucht. Von dieser Sehnsucht verleitet, begebe ich mich wieder auf die Straße, um Ort und Zeit zu verlassen und an den Grenzen des Unheimlichen weiterzureisen. 7


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Street | 2015 130x90cm | Acryl auf Holz 9


Installationsansicht | 2014 10


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Signs | 2015 30x40cm | Acryl auf Holz 13


Interchange | 2014 30x40cm | Acryl / Lack auf Holz 14


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Tv | 2012 36x26cm | Acryl auf Holz N채chste Seite

Lamp | 2014 50x50cm | Acryl auf Holz 16


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Robert Vellekoop geboren 1984 in Osnabrück STUDIUM Seit 2014

Master of fine Arts an der HfbK Hamburg bei Prof. Anselm Reyle

2008-2014

Bachelor of fine Arts an der HfbK Hamburg bei Prof. Anselm Reyle

GRUPPENAusstellungen 2014

Balagan - Elektrohaus, Hamburg

Salondergegenwart - Hamburg

Index 14 - Kunsthaus Hamburg Art up your Life - Kunstverein Bremerhaven

Absolventaustellung HfbK Hamburg - Bachelor of fine Arts

2013

Xibit - Projekthaus Altona, Hamburg

Nominiert für Hiscox Kunstpreis - Kunsthaus Hamburg

Loft Stories – Wiensowski & Harbord, Berlin

2011

(NICK) Eine Überraschung für alle Beteiligten - Hinterconti, Hamburg

2010

Laute Bilder - Gängeviertel, Hamburg

Seit Jahren hellsichtiges Kartenlegen mit Handlesen - Hinterconti, Hamburg

„Quadratkubikmeter mal zwei“- Nachtspeicher 23, Hamburg

2009

„Duktil“ - Hinterconti, Hamburg

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Jenny Sch채fer

von Alexander Rischer 20


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S23 — 25

Into another garden | 2015 26x38cm | Barytabzug 22


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Brunetto Latini, der Lehrer Dantes, schildert in „Il Tesoretto“, „Der Kleine Schatz“, eine Initiation: Vom Wege abgekommen gerät er in einen mysteriösen Wald, schließlich steht er vor einem Fels. Er schaut lebendige Wesen und Dinge in großer Zahl: Männer und Frauen, wilde, fremdartige Geschöpfe, Schlangen, Fische und Vögel in Fülle, Gräser, Früchte und Blumen, kostbares Geschmeide und Perlen, und Vieles mehr, nicht Fassbares, das wirr umherschwirrt.

Aggregat (Gestein) | 2014 21x28cm | Tintenstrahl auf Hahnemühle Photorag Satin S28 | 29

Into another garden | 2015 Fotografien, versteinertes Holz, Künstlerbuch, Holz, Zierkies, Holzplatte

Aber all diese Dinge gehorchen: sie entstehen und vergehen, sind in ständiger Veränderung, in steter Wandlung. In seiner Vision bemerkt er dann eine anmutige, faszinierende Frauengestalt, die all dieses Geschehen lenkt. In den Himmel greift sie, als wäre dieser ihr Schleier, sie lächelt, dann wiederum verzieht sie schmerzhaft das schöne Gesicht, erscheint plötzlich erschreckend und riesenhaft bis hin zur Formlosigkeit. Er fasst schließlich den Mut, sie anzusprechen, und das ist die Schwelle, die es zu nehmen gilt. Mit einem Schritt aus der Sprachlosigkeit, gibt sie sich zu erkennen. Und sie ist die Natura. Und eröffnet ihm, dass sie vom großen Schöpfer, dessen Kraft Anfang und Ende nicht kennt und unvergänglich ist, wohl geschaffen wurde und in Bewegung gesetzt, daß ihre Geschöpfe aber, wieviel Lebenskraft sie ihnen auch verleihen mag, entstehen, erscheinen, und dann vergehen, entschwinden müssen. So offenbart sich ihm die Polarität von Stetigkeit und Wandelbarkeit als eine dynamische Ordnung, die Tages- und Nachtbewusstsein durchwirkt und sein Sein bestimmt. In jeden auch noch so vermeintlich kurzen Moment des persönlichen Erlebens und Erkennens wirkt die große, unumgreifbare universale Kurve der natürlichen Prozessualität. Inneres und Äußeres gehorchen ihr demütig – aber nicht ohne Wachheit und Kenntnis, Verständnis der Ordnung und einem Einverständnis mit dieser, so als wären sie Eins, ungetrennt, ihre Kräfte dabei potenzierend, mühelos, aber nicht übermütig. Jenny Schäfers künstlerische Arbeit kann als ein Beziehungsgeflecht betrachtet und verstanden werden, ein räumliches Gebilde, das seinen Bildern und Objekten ermöglicht, den ihnen angestammten festgefügten Platz auf der gedachten Zeitachse zu verlassen und sich zu bewegen, Zustände und Formen zu wechseln. Diese Transzendierung zeitlicher Fixierung vom Punkt in den Raum wirkt in die Stofflichkeit und die Erscheinung der Dinge hinein. Eine verborgene Zeitordnung und Wesensstruktur offenbart sich in den neuen Verbindungen. Reflexionen über gesellschaftliche Ordnungen, persönliche Erlebnisse, die Bedingungen

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der Wahrnehmung, den Gang der Geschichte und dessen Faktizitäten, führen zu Konstellationen deren verborgene Dynamik gewohnte und konventionelle Wertzuschreibungen und Verstehensmechanismen wie in einem alchemistischen Prozess zu einer Veränderbarkeit hinlenkt.

Aggregat (Gestein) | 2014 C-Prints, Tintenstrahl auf Hahnemühle Photorag Satin, Rahmen S33

Aggregat (Gestein) | 2014 Tintenstrahl auf Hahnemühle Photorag Satin

Unbestimmbarkeit ist dabei etwas Notwendiges, das auszuhalten in einem Zustand der Aktivität einem tieferen Verständnis von der Wirklichkeit der Natur subtil zuarbeitet. Ihr künstlerisches Tun ist Arbeit an einer Wirklichkeitserfahrung, die Unaussprechliches und Unabschließbares zu integrieren und zu halten sucht, ohne zuzudecken oder zu besänftigen. Sie thematisiert kritisch ein Einverständnis mit dem „Lauf der Welt“; sofern dieses Einverständnis als Konsens der Machtlosigkeit und unreflektierten Ergebenheit gelten kann, kraftlos und unentschieden. Es ist ihr wichtig, zu Entscheidungen zu kommen, eine Haltung zu generieren, die nicht notwendig ein abschließendes Ergebnis erzeugen muss, sondern es auch selbstbewusst aushält, mit leeren Händen dazustehen, und das aber wach und zugewandt. So lässt sich Jenny Schäfers Kunst als eine zutiefst philosophische verstehen, die sich nicht darin erschöpft, Zeichen und Sprache, die Arbeit an den Mitteilungen, bildlichen wie gesprochenen, als widersprüchlich und nicht auflösbar zu verstehen, sondern weiter hinaus will – und im selben Atemzug tiefer hinein. Eine Schule des Loslassens ist es wohl, die aber zugleich eine des Findens, Aufnehmens und Auflesens und folglich des Verstehens ist, was heißt, endlich die richtigen Fragen stellen zu können. Der versteinerte Wald von Chemnitz wurde Mitte des 18. Jahrhunderts stückweise in einem Steinbruch entdeckt, zu einer Zeit, als mit der Industrialisierung auch die systematisch ausbeutende Zwecknutzung der Natur begann, die die ersten gravierenden Umweltschäden hervorrief – und die Romantik und ihre Naturkunde als Gegenbewegungen. Seine Verwandlung in Schmucksteine verhinderte die Musealisierung. In Jenny Schäfers Installation „INTO ANOTHER GARDEN“, die sie in der Ausstellung präsentiert, ist die geheimnisvolle Gruppe verkieselter Stämme zum einen ein Vehikel deutscher Geschichte. Zum anderen aber manifestiert sich in der Versteinerung die Prozessualität von Zeit, und das ebenso in der Fotografie: Erkaltung, Verfestigung von Lava und Silber, Lavaumhüllung, Lichtumhüllung, Verkieselung und Versilberung, sie kristallisieren, konstatieren einen Status von Dauer; Konstanz gibt es für im Licht Stehendes nur als Idee.

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Jenny Schäfer geboren 1985 in Kassel STUDIUM 2012-2015

Master of fine Arts an der HfbK Hamburg bei Prof. Silke Grossmann, Katharina Gaenssler und Arne Schmitt

2008-2012

Bachelor of fine Arts + Sonderpädagogik an der HfbK Hamburg bei Prof. Silke Grossmann und Alexander Rischer

KÜNSTLERBÜCHER (Auswahl) 2015

INTO ANOTHER GARDEN, Abschlussarbeit, Auflage 50 Stück, HfbK Materialverlag, Hamburg Eine Abhandlung über das Aushalten., Masterthesis, Auflage 15 Stück, Eigenpublikation Exemplarische Holzeinheiten, Auflage 25 Stück, Eigenpublikation

2014

Palm City Magdeburg, Auflage 120 Stück, HfbK Materialverlag, Hamburg

2013

genau(,) so ist es eben nicht, Auflage 150 Stück, HfbK Materialverlag, Hamburg

2012

Wers glaubt wird besser, Einzelstück, Hamburg

2011

Forschung + Leere II, Auflage 4 Stück, Hamburg Forschung + Leere I, Einzelstück, Hamburg

EINZELAUSSTELLUNGEN (Auswahl) 2014

„Aggregat (Gestein)“ – Galerie Hinten, Chemnitz

2013

„Wer ha ha ha“ – Galerie 21 im Vorwerkstift, Hamburg

GRUPPENAUSSTELLUNGEN (Auswahl) 2015

„Ich will Wand sein, zieh dein Hemd an“ mit Lara Loeser & Julia Klötzl - Galerie Hinten, Chemnitz

„Delta15“ – Wasserwerk am Falkensteiner Ufer, Hamburg

„Survivors“ mit Nikita Kadan, Michaela Schweighofer & Heiko Wommelsdorf – PLAN Raum für Kunst, Hamburg

2014

„Exemplarische Holzeinheiten“ – Kunstfest Garlstorf

2012

„SeitenWände“ - Institut francaise, Mailand

2011

„(NICK) Eine Überraschung für alle Beteiligten“ – Hinterconti, Hamburg

„24x36“ 1%ofONE Verlag – Pocket Gallery, Lissabon

„SeitenWände“ - Münchner Stadtmuseum, München

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S34 | 35

Aggregat (Gestein) | 2014 135x200cm | UV-Druck auf Baumwollstoff Aggregat (Gestein), Ausstellungsansicht, Galerie Hinten, Chemnitz

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Into another garden | 2015 Detail aus dem Buch INTO ANOTHER GARDEN 35


Natalia Sidor

von Rebekka Seubert 36


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Es ist Sommer, an den Seen um Hamburg ist man dieser Tage nicht allein, ich trinke mindestens drei Liter Wasser am Tag, mein Handy klingelt oft und auf meinem Tisch liegt ein Buch von Bruno Latour. Draußen sind Rauchschwaden von einem Grillfeuer, ein Kind mit vollgetextetem T-Shirt trägt einen Blumenkranz im Haar, auf den großen Steinen am Straßenrand sitzen Gruppen von Männern. Ende November, wenn dieser Text im Katalog erscheint, ist all das Erinnerung und ob es an diesen Tagen so war oder anders, ist offen. Ähnlich uneindeutig sind die Fotografien von Natalia Sidor. Sie tauchen in unterschiedliche Beziehungsgeflechte ein, bei Familie oder Freunden, an unterschiedlichen Orten, in Polen, Hamburg oder einem leerstehenden Hotel in Österreich. In ihren Bildern hält sie fest, wie die Akteure zueinander stehen oder glauben, zueinander zu stehen, verbunden in kultisch erscheinenden Handlungen oder in privaten Situationen. Es bleibt offen, ob sie von der Künstlerin positioniert wurden oder ob es sich um einen erlebten Moment handelt, an dem sie schnappschusshaft beteiligt war. In dieser Aufstellung ist die Fotografin keine distanzierte Beobachterin, sondern selbst als Akteurin anwesend, und wird als Cousine/Schwester/Freundin Teil der dargestellten Beziehungsstruktur. Ihre Figuren und deren Blickbeziehungen verweisen auf Netzwerke, die über einen Zeitraum dokumentiert werden und rückblickend als Erinnerungen rauschhaft verzerrt sind.

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Nr.7 aus 7-teiliger Serie after this | 2014 AP 28x38cm 3 für Ausstellung: 40x50cm Silbergelatine Druck Diese Seite

Nr.1 aus 7-teiliger Serie after this | 2014 28x38cm | Silbergelatine Druck 38


Auf diese Art wird ihre Fotografie zu einem Knotenpunkt in einem Netzwerk an Beziehungen, zu Menschen, Dingen und Ideen. Sie fixieren ein Gefüge, oder die Vorstellung davon, bevor es sich so oder so umsortiert. Netzwerke sind in ständiger Veränderung, weil die Akteure in Bewegung sind und sich somit die Perspektive auf sie dauernd wandelt. „Networks (…) are a trace left behind by some moving agent“, schreibt Bruno Latour in seiner Actor-Network-Theorie. Irgendwo schaukelt ein Kind durchs Bild, schaut an der Kamera vorbei und hinterlässt nur seine unscharfen Konturen auf dem Film. Woanders liegt ein Mann rücklings mit nacktem Oberkörper auf dem Boden, die Augen sind geschlossen, der Mund halb geöffnet und entspannt, als hätte er zu viel getanzt. Im oberen Bildrand sieht man gerade noch in einer angeschnittenen Fotografie an der Wand die Beine von fünf synchron-tanzenden Showgirls, die in einer Reihe zur nächsten Bewegung ansetzen. Das Bild schwebt über dem Ruhenden wie ein Nachbild, das man bei geschlossenen Augen noch sieht, oder wie eine Gedankenblase im Comic. Die fotografierten Menschen und Gegenstände erleben etwas miteinander oder sie leben aneinander vorbei. Ein Mann sitzt auf einem Bett, die Kamera ist hinter ihm. Sein weißes T-Shirt lässt seinen Rücken zu einer Leerstelle im Foto werden. Neben ihm liegt eine Zeitschrift mit dem Coverbild einer Frau, die ihre Beine aufreißt. Er schaut daran vorbei, in die Richtung eines geöffneten Nachttisches, dessen Inhalt der Betrachter nicht erkennt. Ganz vorn, im Rücken der Person, liegt ein Handy auf dem Bett und klingelt. Eine Kontaktmöglichkeit zu jemandem außerhalb des Bildes, die im tonlosen Moment des Fotos ungenutzt bleibt. In Natalia Sidors Bildern stockt die Kommunikation unter den Akteuren, weil sie sich einander bzw. dem Blick der Kamera entziehen, weil sie Kontrolle über ihr eigenes Bild bewahren wollen oder die Künstlerin mit ihrer Doppelrolle als Akteurin und Beobachterin vielleicht so besser klar kommt. Die Spuren der Handlungen sind im Bild nicht eindeutig lesbar und werden auf einer formalen Ebene zusätzlich gestört. Auf Faltblättern oder in Heften werden die Bilder durch Falzungen verzerrt. Die auf die Fläche gebannten Szenen erlangen auf diese Weise eine veränderte Räumlichkeit. Sie verwirklichen eine Mehrfachperspektive, die dem sozialen Gefüge, das die Künstlerin einfängt, Ausdruck verleiht.

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Links

o.T. | 2015 28x38cm | Silbergelatine Druck 40


Rechts

o.T. | 2015 28x38cm | Silbergelatine Druck

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Links

o.T. aus der 6-teiligen Serie „Greenwich Village Cult“ | 2014 28x38cm | Silbergelatine Druck 42


Rechts

Nr.3 aus der 7-teiligen Serie after this | 2014 28x38cm | Silbergelatine Druck

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Links

o.T. aus der 6-teiligen Serie „Greenwich Village Cult“ | 2014 AP 28x38cm 3 für Ausstellung: 40x50cm Silbergelatine Druck

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Rechts

o.T. aus der 6-teiligen Serie Greenwich Village Cult | 2014 28x38cm | Silbergelatine Druck 45


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S48 | 49 links nach rechts

Nr.4 aus der 8-teiligen Serie do domu za domem | 2014 Nr.2 aus der 7-teiligen Serie after this | 2014 Nr.6 aus der 7-teiligen Serie after this | 2014 Nr.6 aus der 8-teiligen Serie do domu za domem | 2014 18x24cm | Inkjet Druck | Abbildungen Fotoheft 48


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o.T. | 2015 30x40cm | Silbergelatine Druck 49



Natalia Sidor geboren 1986 in Wiesbaden STUDIUM seit 2012

Bachelor of fine Arts an der HfbK Hamburg bei Prof. Jeanne Faust

2011

Bachelor of fine Arts an der HfbK Hamburg bei Prof. Heike Mutter

AUSSTELLUNGEN 2015

regaining structure – HfbK Hamburg

Jahresausstellung – HfbK Hamburg

2014

Happy Eyes – Reeperbahnfestival, Hamburg

sequenzen - Folkwang Universität der Künste Essen

Bild,Text,Haltung – HfbK Hamburg

2013

Impressum bei den Kranichen - Elbbrücken bei den Kranichen, Hamburg

2012

Jahresausstellung – HfbK Hamburg

2011

ohne Titel – Impressum, Hamburg

PUBKLIKATIONEN 2015

Fotografien in „Camera Austria International“ No. 130

2011

Fotografie in „der Greif“ No.5

Kragen | 2013 / 2014 ca 18x8x5cm | Porzellan, Panzerkette 51


2012 — 2014

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2012

2013

2014

Grit Richter Stefan Sandrock Martin Bronsema Sven Kählert Ki Yoon Ko Igor Maier Low Bros Jivan Frenster Paul Gregor Jorel Heid Alexandra Griess Isabell Kamp Nikola Gördes Stella Rossié We Are Visual Holger Wilkens Mika Neu Verena Schöttmer Jana Schumacher

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F Ă– R D E R U N G

G E S T A LT U N G

EI N

K A T A LO G

D E R

A f fo rda b l e A rt Fa i r Ham b urg 2 01 5 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Abdrucks und der fotomechanischen und/oder digitalen Wiedergabe.


ISBN 978—3—944721—60—6

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7 8 3 9 4 4

7 2 1 6 0 6

IM PRESS UM HERAUSGEBER Isabel Deimel Oliver Lähndorf Kuratorin Isabel Deimel Autoren

Katja Lell | Rebekka Seubert Alexander Rischer | Isabel Deimel Abbildungen Courtesy of the artists GESTALTUNG Christoph Bruns | ON&ON DRUCK Seltmann Printart Lüdenscheid Auflage | Papier 200 | Profisilk Schrift Averta



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