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A Tribute to Rudolf Nurejew (1938–1993

Gedanken zum Jubiläumsjahr 2023 von Ingeborg Tichy-Luger

A Tribute to Rudolf Nurejew (1938–1993)

Ein Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in einem Zug der Transsibirischen Eisenbahn geboren zu werden, ist ein außergewöhnlicher Einstieg ins Leben, und fortan wuchs Rudolf Chametowitsch Nurejew als viertes Kind tatarischer Eltern in der Sowjetunion auf.

Im Kindergarten in Ufa entdeckte Rudolf Nurejew den Volkstanz, entflammte sofort dafür und war von einem unerschöpflichen Lerneifer erfüllt. Als Mitglied der Kindervolkstanzgruppe begegnete er Anna Udelzowa, der ehemaligen Ballerina in Diaghilews Ballets Russes. Sie lehrte ihn die Grundlagen des klassischen Tanzes und erkannte als Erste das außergewöhnliche Talent des damals Zehnjährigen. Von Udelzowa lernte Nurejew über die Ära Diaghilew, über Nijinsky, Pawlowa und Karsawina, über die Geschichte des Tanzes und die Ursprünge des Kirow-Balletts in Leningrad im legendären MariinskiTheater. Der junge Nurejew träumte davon, als Tänzer nach Leningrad zu gehen, und der Traum wurde zur Obsession – er musste aber bis zu seinem 17. Geburtstag warten, bevor sich sein Traum erfüllte: Nurejew absolvierte den neunjährigen Lehrplan am Choreographischen Institut Agrippina Waganowa in Leningrad – u. a. bei Alexander Puschkin – in nur drei Jahren und trat 1958 als Solist ins Kirow-Ballett ein. Während der folgenden drei Jahre tanzte er das gesamte klassische Repertoire und memorierte alle Rollen für zukünftige Inszenierungen.

Einer Einladung zum Internationalen Jugendtanzfestival folgend, war Wien die erste Hauptstadt des Westens, die Rudolf Nurejew 1959 zusammen mit einer Gruppe junger Solisten des Kirow-Balletts kennenlernte – er und Alla Sisowa gewannen die Goldmedaille mit der noch nie dagewesenen Höchstnote 10/10.

Seit seinem ersten Auftritt mit dem Kirow-Ballett in Paris am 19. Mai 1961 als Solor in der Schattenszene von “La Bayadère”, der vom Publikum stürmisch umjubelt wurde, hatte Nurejew eine besondere Beziehung zur französischen Hauptstadt. Sein Wunsch nach künstlerischer und persönlicher Freiheit wuchs – und am 16. Juni 1961 machte er seinen legendären “Sprung in die Freiheit” am Flughafen Le Bourget nahe Paris und suchte um politisches Asyl an.

In London war Dame Margot Fonteyn, Prima Ballerina Assoluta des Royal Ballet und Präsidentin der Royal Academy of Dancing, auf der Suche nach Künstlern für die alljährliche Wohltätigkeitsgala. Es fiel der Name des vor kurzem übergelaufenen Nurejew. In der Gala 1961 tanzte er nicht mir ihr, absolvierte aber einen sensationellen Auftritt und Dame Ninette de Valois, Gründerin und Direktorin des Royal Ballet, überredete Dame Margot, mit Rudolf Nurejew zu tanzen. Im Alter von 42 Jahren dachte Dame Margot nach einer kometenhaften Karriere be-

RUDOLF NUREJEW, ACRYLIC ON CANVAS, 50 X 70 CM, 2018 © LEO STOPFER reits darüber nach die Bühne zu verlassen, entschloss sich dann aber doch diese Herausforderung anzunehmen. Ihre gemeinsamen Auftritte in “Giselle” markierten den Beginn einer 16 Jahre währenden legendären und in der Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts einzigartigen Partnerschaft.

Der Name Nurejew wurde weltweit zu einem Synonym für den Tanz. Rudolf Nurejew wurde der männliche Tänzer, der größte Tänzer des 20. Jahrhunderts. Sein Name steht für Ruhm, Freiheit, Erfolg, Wagemut, Skandale, Leidenschaft. Der Jahrhunderttänzer inspirierte Tänzerinnen und Tänzer, Choreographen, Fotografen, Designer, Schriftsteller, Maler, Bildhauer und Filmemacher. Seine Tanzkunst war Tausenden von Menschen Vorbild in ihrem Alltag für Zielstrebigkeit und Entschlossenheit. Rudolf Nurejews Leben war voller Kontraste, unglaublicher Chancen und tiefer Tragik – durchzogen von ständigen Kämpfen. Leidenschaft war der Antrieb für seinen Tanz und für sein Leben. Ständig wollte er sein Wissen über jede Form des Tanzes vermehren: Klassisch, Modern, Contemporary, Barock. Der Tanz war ihm alles: Kindheitstraum, Arbeit, Liebe und Schmerz. Einmal hat er gesagt: “Ich habe alles getanzt: all meine Freude, die Trauer, den Schmerz und das Glück.”

Rudolf Nurejew war ein Missionar des Tanzes und blieb den Wurzeln seiner Ausbildung treu. Mehr als drei Jahrzehnte gab er sein Wissen an westliche Tänzer weiter. Dame Margot Fonteyn, seine kongeniale Tanzpartnerin, hat folgende Widmung in ein Buch über Anna Pawlowa geschrieben, das sie Nurejew geschenkt hat: “Du und sie, nur ihr habt das Ballett mehr als alles andere geliebt.” Und Michail Baryschnikow hat Nurejew gewürdigt: “Er besaß das Charisma und die Einfachheit eines irdischen Menschen und die unnahbare Arroganz der Götter.”

Der Kreis von Nurejews Lebens hat sich in Paris geschlossen. Auf der Bühne der Pariser Oper absolvierte er am 8. Oktober 1992 seinen letzten öffentlichen Auftritt nach der Premiere seiner Inszenierung von “La Bayadère”. Drei Monate später, am 6. Jänner 1993, dem russischorthodoxen Weihnachtsabend, starb Rudolf Nurejew. Er liegt begraben am Friedhof Ste-Geneviève-des-Bois in der Nähe von Paris.

Rudolf Nurejews Erbe ist epochal – er bleibt in der Ballettwelt unvergessen eingedenk seiner Worte: “Ich werde weiterleben, solange man meine Ballette tanzt.”

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