curt Magazin #92 // Schaurig schön

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curt. STADTMAGAZIN MÜNCHEN # 92 // HERBST/WINTER 2019/2020

curt. STADTMAGAZIN MÜNCHEN # 92

SCHAURIG SCHÖN


HEDDA GABLER VON HENRIK IBSEN REGIE: LUCIA BIHLER

AB 27 SEPTEMBER 2019 KARTEN 089.5 23 46 55

MERET

BECKER &THE TINYTEETH LA GRAND ORDINAIRE

24 NOV · 20 UHR ➜

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VORWORT Ich bin, was Filme angeht, polyamourös veranlagt. „Ich schaue alles, wenn es nur gut ist“ klingt so belanglos, „polyamourös“ wirkt moderner, finde ich. Jedenfalls kann mich eine Komödie genauso begeistern wie ein Kunstfilm oder ein Horrorstreifen. Ich mag weniger die Splatter-Schocker als das subtile Grauen, aber gegen ein wenig Motorsägeneinsatz hin und wieder habe ich im Grunde nichts einzuwenden. Filmisch gesprochen. Ich frage mich immer, wie man auf die Ideen für die vielen ikonischen Bilder kommt, die gute Horrorfilme liefern. Hatte Ridley Scott beim Ideenfinden für den ersten „Alien“-Film etwas Schlechtes gegessen, wand sich gekrümmt vor Schmerzen auf dem Boden und dachte etwas wie: „Verdammte Lachsschaumspeise, mir platzt gleich der Magen … Moment mal! Geplatzter Magen? Das ist es, wir zeigen groß auf der Leinwand, wie einem der Magen platzt!“ Und hoppla hopp ist eine unsterbliche Filmszene geboren. Wie muss man sich das Leben mit Menschen vorstellen, die sich Horrorfilme ausdenken? Klingt Kindererziehung dann so? „Kinder, esst euer Abendessen auf, sonst explodiert euch der Kopf.“ Die Gute-Nacht-Geschichten will man sich lieber nicht vorstellen. „Mami, kannst du mich heute bitte ins Bett bringen? Papi erzählt mir sonst wieder, ich soll aufpassen, dass nachts keine Zombies durchs Fenster kommen und mich fressen …“ Erwartet ein Horrorautor in Formaldehyd eingelegte Finger als Gastgeschenke oder ist eine Flasche Wein auch okay? Wie sieht das Eheleben solcher Leute wohl aus? Klettern sie jedes Mal vorm Sex noch mal kurz unter die Decke und sagen: „Schatz, wart mal, ich will vorher rasch noch schauen, ob auch wirklich keine Zähne dran sind“? Aber vielleicht sind das in Wirklichkeit ganz normale Typen. Der Erfinder der „Saw“-Reihe hat möglicherweise wahnsinnig Angst vor Spinnen und kreischt seine Frau an: „Mach sie weg, mach sie weeeeg!“ Stephen King bekommt vielleicht einen Weinkrampf, wenn er in einer Tierdoku sieht, wie ein Wolf einen Hasen reißt. Und die Macher von „The Walking Dead“ bringen abends den Müll nicht mehr raus, weil sie sich im Dunkeln fürchten. Kann natürlich sein. Wäre aber eine schaurige Vorstellung irgendwie, oder? Euer Thomas



# 92

COVERMOTIV Tim Brügmann

06 08 12 18 28 32 38 42 44 46 50 54 60 68 70 72 76 81 82

Schaurige Fakten ufallsgenerator Was ist dein schlimmster Albtraum in München? Z Tatort München Wahre Schauergeschichten Karl Valentins Panoptikum Rabenschwarzes München – Unterwegs mit den „Stadtspürern” Wicket Cricket Im Gespräch: Fantasy Filmfest München Dare Utopia – 6. Münchner Science & Fiction Festival Creepy Art – 5 Fragen an Mathias Poxleitner Im Gespräch: Schamane Gerhard Zirkel No Country for Bat Men – Fledermäuse in Bayern Illustre Märchenzeit #curtpräsentiert Kartenverlosungen für Konzerte und Festivals Im Gespräch: Tito & Tarantula Im Gespräch: The Munich Fiend Club Im Gespräch: Fettes Brot curt geht aus: Im verlassenen Waisenhaus Impressum Hinten raus


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TEXT: MIRJAM KARASEK // ARTWORK: SIMONE REITMEIER

Angst vor der Zahl

Im 18. Jahrhundert abgeleitet von Schauer, verwandt mit dem älteren Adjektiv schauerlich. Beide Adjektive bezogen sich ursprünglich auf den Regenschauer.

Etwa 30 % aller Deutschen halten Freitag, den 13. für einen Pechtag. Statistisch gesehen kommt es an diesem Tag aber nicht öfter zu Unfällen als sonst.

Freitag

13

DEUTSCH stag LAND Dien

13 13

Freita g

17

Vormals hielt man die Hand beim Gähnen nicht aus Höflichkeit vor den Mund, sondern um sich zu schützen.

ITAL Ein weit geöffneter Mund galt als Eingangsportal für den Teufel.

Triskaidekaphobie In Gebäuden fehlt oft der 13. Stock, in Flugzeugen und auf Kreuzfahrtschiffen die Reihe 13, in Hotels Zimmer 13 und die Deutsche Bahn hat keinen Waggon 13.

IEN

SPA

Dienstag

NIE

N

GRIECHEN LAND

In Spanien und Griechenland ist es Dienstag, der 13., in Italien Freitag, der 17.

Der nächste unheilvolle Freitag fällt auf den 13. Dezember.


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Etwa 10 % der Deutschen leiden unter Phobien. Frauen deutlich häufiger: 75 – 90 % der Patienten mit Tierphobien, 55 – 70 % der Patienten mit Angst vor Blut oder Verletzungen sind weiblich.

ANGST ... [Phobie]

... vor Vögeln [Ornithophobie] oder vorm Vögeln [Coitophobie]

... vor Bäumen [Dendrophobie] und Blumen [Anthophobie]

... vor Bärten, Bartträgern, dem eigenen Bartwuchs [Pogonophobie]

... vor Schwiegermüttern [Pentheraphobie] ... vor Knöpfen [Koumpounophobie] ... vor Stille [Eremiophobie]

... vor Wissen und Weisheit [Epistemophobie] ... vor Knoblauch und/oder Zwiebeln [Alliumphobie]. Allein der Geruch kann eine Panikattacke auslösen.

... vor Büchern und somit auch vor Buchläden und Bibliotheken [Bibliophobie]

Eulen galten in Vorzeiten als Totenvögel. Ihr Ruf „Kuwitt, kuwitt“ wurde als Locken ins Jenseits gedeutet. Noch im 20. Jahrhundert nagelten Bauern lebende Eulen ans Scheunentor, um ihren Hof vor Unheil zu schützen.

... dass Erdnussbutter am Gaumen kleben bleibt [Arachibutyrophobie].

Ursprüngliche Bezeichnung für Raben und Krähen, die sich wegen der Leichen in der Nähe von Galgen aufhielten.

voge

GÄNS E

HAUT

Humm elt [österr. itten, Hühnc he ], Gans lhaut [b nkostüm, Er pelpell ayr.], P e, iloerek tion [fa Handelrupf chspr.]


8 curt / Zufallsgenerator

curt auf der Straße

WAS IST DEIN SCHLIMMSTER ALBTRAUM IN MÜNCHEN? Alex, 51, Koch & DJ Die „Mia san mia“-Mentalität gepaart mit der Abneigung gegen Veränderung. Subkultur, Freischankflächen, Jugendangebote ... das ist alles zu spärlich und strikt hier. BEFRAGUNG UND FOTOS: NURIN KHALIL


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Teresa, 31, Erzieherin Die blöden E-Scooter. Zefix.

Jonathan, 27, Ingenieur Die Luftverschmutzung durch Böller und Feuerwerk an Neujahr – und durch den vielen Verkehr. Das bekommt man vor allem als Radfahrer ab.

Alejandra, 24, Studentin Dass es keine Spätis gibt. Und sonn- und feiertags wird’s extra schwer mit Öffis und Einkaufen. Das kenn ich aus keiner anderen Großstadt.


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Victoria, 27, Studentin: Dass alles so voll ist. Die Straßen, die Bahn ... einfach zu viele Menschen überall.

Rosa, 3: Dass München nicht Italien ist.

Diana, 29, Marketing Auf der Wiesn zu arbeiten und das nüchtern ertragen zu müssen.


ALLES BLÖD? ALLES KACKE? KOTZ DICH AUS! Wir hören zu, beraten, vermitteln und informieren. Egal, welches Thema oder Frage. Unmittelbar, anonym und vertraulich! INFOFON und info4mux: das Informations- und Beratungsangebot von Jugendlichen für Jugendliche in München. Täglich von 18 bis 22 Uhr unter 089 121 5000 und online unter info4mux.de.

Gefördert von der Landeshauptstadt München. INFOFON ist ein Projekt des Infofon e. V. www.1215000.de


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Geschichten, so düster wie aus dem Horrorkabinett. Erst recht, weil sie tatsächlich in München passiert sind.

TEXT: CARINA NEUMANN // ILLUS: LION FLEISCHMANN INSTA: @LIONFLEISCHMANN

TATORT MÜNCHEN WAHRE SCHAUERGESCHICHTEN


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GRÄUELTATEN AM „GALGENBERG“

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twa dort, wo heute die Gleise der S-Bahn-Station Hackerbrücke liegen, war früher eine der öffentlichen Hinrichtungsstätten Münchens: der gefürchtete Galgenberg.

Ab Mitte des 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts fanden dort Tausende teils unschuldig Angeklagte den Tod durch den Strang oder durch „Rädern“. Ihre Leichen verfaulten langsam in aller Öffentlichkeit – als Abschreckung, versteht sich. In der Zeit der Hexenverfolgungen im 16. und 17. Jahrhundert indes wurden Frauen und Mädchen bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In dieser dunklen Ära des Mittelalters herrschten Missernten, Hungersnöte, Kältewellen und Seuchen. Und wer könnte da einen besseren Sündenbock abgeben als Hexen, die einen Pakt mit dem Teufel schlossen. Verglichen mit anderen Orten in Europa wurde in München zwar relativ wenig „Weibsvolk“ als Hexen verbrannt – rund 100 in 150 Jahren. In Schongau waren es immerhin einmal 63 „Hexen“ an einem Tag. Dennoch stellen sich beim Gedanken an den Galgenberg und seine grausame Geschichte alle Haare auf. ►


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JUNGFERNTURM UND „EISERNE JUNGFRAU“

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ungfernturmstraße, klingt das nicht romantisch? Hinter dem Namen der Straße zwischen Odeons- und Maximiliansplatz verbirgt sich allerdings eine dunkle Vergangenheit. Von 1493 bis 1804 stand hier der Jungfernturm als Teil der alten Stadtmauer. Ein Relikt seines Gemäuers ist heute noch mit einer Gedenktafel versehen. Der Jungfernturm diente lange als Gefängnis und Schreckensort für grausame Folterungen. Seinen Namen soll er von der „Eisernen Jungfrau“ haben: ein schauriges Folter- und Tötungswerkzeug. Es sieht aus wie eine aufrecht stehende eiserne Frauengestalt, deren Wände mit langen, spitzen Messern und Nägeln versehen sind. Das Opfer wird in die gespenstische Eisenfrau gesperrt. Sobald sich die Wände schließen, stirbt es einen langsamen und qualvollen Tod. Das prominenteste Opfer war Überlieferungen zufolge Franz von Unertl, Hauptmann des churbayerischen Leibregiments. Er soll in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 1796 durch den Kuss der „Eisernen Jungfrau“ gestorben sein. Kein Wunder, dass sich so viele Gruselgeschichten um den Jungfernturm ranken. Des Nachts soll man manchmal die Schreie der Folteropfer hören ...


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DIE „ESKIMOTRAGÖDIE“

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s sollte ein feuchtfröhlicher Faschingsball werden. Doch dann verwandelte sich am 18. Februar 1881 die Fete in eine Tragödie.

Ort des Geschehens war das „Kil’s Colosseum“ im Glockenbachviertel, seinerzeit das größte Varieté und Tanzlokal der Stadt. Passend zum Motto des Abends „Reise um die Welt“ führten Studenten der Akademie der Bildenden Künste ein Theaterstück zum Thema „Antarktis“ auf. Die Darsteller trugen selbst gebastelte Eisbärenund Inuit-Kostüme aus Pappmaschee, Jute und weißer Watte. Die Tatsache, dass in der Antarktis gar keine Eisbären leben, tat dem freudigen Trubel keinen Abbruch. Auf der Bühne standen neben Eisbergen und Iglus aus Pappmaschee lodernde Talgkerzen. So nahm das Unglück seinen Lauf: Das Kostüm eines Darstellers fing Feuer und brannte lichterloh. Die anderen eilten zu Hilfe, doch dabei entflammten auch ihre Verkleidungen. Das Bizarre der Situation: Die meisten Ballbesucher wähnten das Feuer als Showeinlage. Sie feierten fröhlich weiter – während in Flammen stehende Studenten um ihr Leben kämpften. Für neun von ihnen kam jede Hilfe zu spät. Sechs starben noch vor Ort, die anderen drei im Krankenhaus. Sieben Studenten wurden auf dem Alten Südfriedhof (Gräberfeld 20) begraben. Jedes Jahr in der Nacht vom 18. Februar, so heißt es, hört man ihre klagenden Schmerzensschreie. ►


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MÜNCHEN – DAS „PESTLOCH EUROPAS“

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icht immer war München so sauber und gepflegt wie heute. Es gab Zeiten, da lag die Schickeria in weiter Ferne – genau wie jegliche Hygiene. Mehr noch: München wurde einst das „Pestloch Europas“ genannt, denn hier wütete der Schwarze Tod besonders heftig. Mehrere Epidemien suchten die Stadt im Laufe der Jahrhunderte heim. Allein die Pestwelle in den 1630er-Jahren kostete rund 7.000 Münchnern – etwa ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung – das Leben. Bald war auf den Friedhöfen kein Platz mehr für die vielen Leichen und so entstanden Pestfriedhöfe wie der Alte Südfriedhof. Um die Überlebenden nach einer Epidemie wieder aus dem Haus zu locken und aufzuheitern, führten die Schäffler (Fasshersteller) auf den Plätzen ihre Tänze auf. Der „Schäfflertanz“ ward geboren. Die Pest war aber nicht die einzige Seuche, die den Münchnern das Leben schwer machte. Auf dem Viktualienmarkt fanden „Lepraschauen“ statt, Typhus griff um sich und die Syphilis brachte Pöbel und Adel gleichermaßen um den Verstand. Münchens große Cholera-Epidemie ist übrigens gar nicht so lange her: Im Jahr 1854 starben etwa 2.220 Menschen an der Seuche. Das prominenteste Opfer war die Königinmutter Therese, Gemahlin von Ludwig I. Von da an wurde München langsam gepflegter und Max von Pettenkofer machte Karriere als erster „Hygieniker“ Deutschlands. Ende des 19. Jahrhunderts galt München dank Pettenkofers Kanalisation und Trinkwassersystem als eine der saubersten Städte Europas. Und das „Pestloch“ war Geschichte.


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K

aum ein deutscher Scharfrichter gelangte zu solch trauriger Berühmtheit wie Johann Reichert. Münchens letzter Henker tötete von 1924 bis 1946 über 3.000 Menschen – die meisten davon mit dem Fallbeil, das er eigens für einen humaneren und schnelleren Tod „perfektionierte“. Denn trotz aller Grausamkeit galt Reichert als „guter“ Henker, der die Todesstrafe möglichst kurz und schmerzlos gestaltete. Zu seinen Opfern zählten Sophie und Hans Scholl und weitere Mitglieder der Weißen Rose. Sie wurden im Gefängnis Stadelheim durchs Fallbeil hingerichtet. Später berichtete Reichert, er habe noch nie jemanden so tapfer sterben sehen wie Sophie Scholl. Er wird auch der „Scharfrichter der Nazis“ genannt, und das gleich in zweierlei Hinsicht: Erst tötete Reichert im Namen der Nationalsozialisten. Nach dem Kriegsende hängte er dann 156 von ihnen im Gefängnis Landsberg am Lech. Die amerikanische Militärregierung beauftragte ihn damals, Nazi-Kriegsverbrecher zu richten. Als Reichert 1946 erfuhr, dass er wegen einer Namensverwechslung zwei unschuldige Personen getötet hatte, gab er seinen Beruf als Scharfrichter auf. Seine blutige Karriere hatte einen einsamen Menschen aus ihm gemacht. Seine Ehe scheiterte, sein Sohn beging 1950 Suizid. Reichert selbst starb 1972 im Alter von fast 79 Jahren im bayrischen Dorfen. Seine Familie blickte übrigens auf eine über 150-jährige Henkers-Tradition zurück. Aber als Anfang der 60er-Jahre die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert wurde, sagte Johann Reichert: „Den Adenauer kann ich nicht begreifen. Ich tät’s nie wieder.“ ▪

EIN MANN, 3.000 HINRICHTUNGEN



VALENTIN-KARLSTADT MUSÄUM

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Begibt man sich auf die Suche nach besonders schaurigen Münchner Kuriositäten, kommt man um einen Namen nicht herum: Karl Valentin, Münchner Original, Künstler von zeitweiligem Weltruhm und Meister des Grants. In den 1930er-Jahren schenkte er dem hiesigen Kulturbetrieb ein Kuriositätenkabinett, welches letztendlich nicht nur bei den Besuchern für nachhaltige Schreckensmomente sorgte.

SCHRECKEN IM UND UMS PANOPTIKUM

TEXT: DAVID EISERT // FOTOS & ILLUS: VALENTIN-KARLSTADT-MUSÄUM

Viel ist nicht übrig geblieben von der Wunderkammer, die Karl Valentin im Keller des Hotels Wagner eingerichtet hatte: ein paar Fotos, Zeichnungen – und die Erinnerung. Das wenig Erhaltene lässt sich heute im Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor besichtigen. Sabine Rinberger, die sich seit Jahren als Leiterin liebevoll um das Museum kümmert, nahm curt mit auf eine spannende Reise in die verquere Gedankenwelt des Karl Valentin, die in seinem Panoptikum für kurze Zeit Materie wurde. Wer heute an den funktionalen Fassaden der Sonnenstraße vorbeiläuft, wird sich kaum vorstellen können, dass vor gut hundert Jahren auf Höhe der Hausnummer 23 ein prächtiges Hotel mit eigener Kabarettbühne stand. Für Karl Valentin und Liesl Karlstadt war das Kabarett „WienMünchen“ eine wichtige Anlaufstadion. Die beiden führten dort im Jahr 1915 sogar als Direktoren die Geschäfte. Im Oktober 1934 war es dann endlich so weit. Valentin eröffnete dort Valentins Panoptikum und gab dem Unsinn Raum für Tiefsinn. Aufbauen konnte der Bub aus der Au auf den übernommenen Überresten des um die Jahrhundertwende ausgebrannten Handelpanoptikums von Eduard Hammer. Dieser stellte alles, was nicht den Flammen zum Opfer gefallen war, großzügig zur Verfügung. Inklusive einer großen Warnung: So eine Unternehmung in München auf die Beine zu stellen,


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werde kein leichtes Unterfangen sein! Und damit sollte der Mann Recht behalten. „Das ist ein Gewerbe mit laufenden Kosten und unkalkulierbaren Risiken. Es gab schon Gründe, warum der Hammer sein Panoptikum nicht widereröffnet hatte“, gibt Frau Rinberger zu bedenken. Selbst mit ihrer langjährigen Erfahrung als private Leiterin des Musäums kann sie kaum einschätzen, welche Kosten allein für den laufenden Unterhalt des Panoptikums zu stemmen waren.

„Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluss stellt sich dann heraus, dass alles ganz anders war.“ Valentin wäre aber nicht Valentin, hätte er sich von irgendeinem guten Ratschlag beeindrucken lassen. Er machte sich an die Arbeit und erschuf ein Wachsfiguren-, Kuriositäten- und Gruselkabinett mit angeschlossenem Barbetrieb, dem Höllen-Café Für die Besucher gab es einiges zu bestaunen. Um in das Panoptikum zu gelangen, mussten sie zunächst über „Wasserleichen“ steigen: eine Art Hängebrücke, die so konstruiert war, dass man beim Gehen den Eindruck hatte, man versinke im Morast. Nach dieser Mutprobe warteten im Keller ein Femegericht, ein Hungerturm und die publikumswirksame Fallschwertmaschine. Dramatisch das Schicksal des schlafenden Tiefseetauchers, der in voller Montur ins Bett gehen musste, da der Schlüssel zu seiner Ausrüstung abgebrochen war. Poetisch wiederum die Stahlkassette mit den getrockneten Sonnenstrahlen, die wegen Lichtempfindlichkeit leider nicht gezeigt werden konnten. Dafür zeigte sich der Meister selbst: Valentin machte es sich zum Spaß, sich unter die Wachsfiguren zu mischen, um die Leute zu erschrecken.

„Wer einmal in Valentins Panoptikum war, hat die Nase voll – oder hat den Humor verstanden und kommt wieder.“ Ungeachtet der abwechslungsreichen Ausstellungsstücke hing über dem Panoptikum von Beginn an ein Damoklesschwert: Bereits zur Eröffnung am 1. Oktober 1934 war Valentins Konzession fast abgelaufen, was nach wenigen Wochen prompt zur ersten Schließung führte. Erst Anfang Mai 1935 konnte das Kellerverlies den Gästen wieder zugänglich gemacht werden. Der Run aber blieb aus, die Besuchszahlen bescheiden, das finanzielle Debakel groß. Valentin machte es den wenigen Interessierten durch sehr spezielle Öffnungszeiten von 19 bis 24 Uhr auch nicht gerade einfach. Dabei waren die Zeitungen voll des Lobes: München sei nun seiner Provinzialität entstiegen und habe endlich auch sein Panoptikum. Was ein wenig die Tatsache verkannte, dass die Idee eines Panoptikums in den 30er-Jahren aus der Zeit gefallen war. Der Höhepunkt dieser Kunstform um die Jahrhundertwende war längst vorüber. Jetzt wurde das Kino populär und die Wochenschauen zeigten die Welt. Karl Valentins Partnerin Liesl Karlstadt – Beruf: Nervenärztin, Nebenbeschäftigung: Komikerin – mochte das Panoptikum überhaupt nicht und fürchtete sich dort. Wider besseres Wissen steckte sie dennoch sehr viel ihres Vermögens in das Projekt. Geld, das ihr am Ende unwiderruflich verloren ging. Zwar hatte sie eine stattliche Anzahl an Schuldscheinen gesammelt und ihr wurden hohe Gewinnanteile versprochen. Aber wo es keine Gewinne gibt, da kommt man mit den blühendsten Versprechungen nicht weiter. ►


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Und noch eine weitere Herausforderung an die Leidensfähigkeit seiner Geschäftspartnerin hielt Karl Valentin bereit. Liesl Karlstadt war über viele Jahre seine Geliebte. Dabei war Valentin verheiratet und hatte Familie, zog aber eine klare Trennlinie. Seine Frau blieb stets zu Hause und kam so gut wie nie mit ins Theater. Sie war für das Haus und den Grant vom Valentin zuständig. Liesl Karlstadt hingegen war seine Muse und Partnerin auf der Bühne. Doch dieses bislang funktionierende Konstrukt schien in Gefahr, denn im Panoptikum war die ganze Familie Valentin mit involviert. Die Tochter saß an der Kasse, die Gattin ebenso. Als Sekretärin arbeitete eine nicht näher erwähnte Frau, mit der Valentin in der Vergangenheit ebenfalls ein Verhältnis pflegte und von der Liesl Karlstadt auch wusste. Ihre Rolle im Valentin-Kosmos wurde somit auf eine harte Probe gestellt. In diesem hochexplosiven Gemisch aus viel Arbeit, hohen Verlusten, leeren Versprechungen und emotionalen Versteckspielen musste die Firma Valentin-Karlstadt nun funktionieren. Funktionierte aber nicht: Liesl Karlstadt erlitt eine schwere Nervenkrise und stürzte sich im April 1935 in die Isar, um sich das Leben zu nehmen. Der Beginn einer langen Leidenszeit.

Was hatte Liesl Karlstadt dazu bewogen, trotzdem in dieses Spiel mit dem Feuer zu investieren? Die Loyalität zu Karl Valentin! Über 20 Jahre hatte sie bereits mit Valentin zusammengearbeitet. Sie wusste also, auf was sie sich einließ. Aus dem verqueren Hirn ihres Partners war immerhin auch sehr viel Erfolgreiches entstanden. Und, das ihre große Stärke, Liesl Karlstadt konnte sich gut auf diesen schwierigen Menschen einstellen – privat wie auch auf der Bühne. Den Preis dafür bezahlte sie mit ihrer Gesundheit. „LIESL KARLSTADTS SCHWERE JAHRE“ – ein neues Buch von Sabine Rinberger und Andreas Koll, dem Archivar des Valentin-KarlstadtMusäums, beschäftigt sich erstmalig intensiv mit der Krisenzeit der Kabarettistin. Das Buch erscheint Ende September im Kunstmann Verlag. Ohne die Liesl an seiner Seite hat es der Valentin nur noch ein gutes halbes Jahr mit seinem Panoptikum ausgehalten, bevor die kurze Episode mit großer Wirkung zu Ende ging und sich das letzte große multimediale Projekt des Künstlers in Wohlgefallen auflöste. Und dennoch: So ganz aufgeben wollte der Valentin das Schwimmen gegen den Strom aber immer noch nicht. 1937 zog er mit seinem Grusel- und Lachkeller in den Färbergraben 33. Dort brachte er mit neuer Partnerin den Ritter Unkenstein auf die Bühne. Das aber ist eine andere Geschichte, die man sich am besten direkt im Valentin-Karlstadt-Musäums erzählen lässt. ▪

► valentin-musaeum.de


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Die letzten Boazn Münchens aus 8 Stadtteilen zusammengefasst in einem Kartenspiel.

PRÄSENTIERT VON

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RABENSCHWARZES MÜNCHEN UNTERWEGS MIT DEN „STADTSPÜRERN“

curt war für euch sehr tapfer und begab sich zusammen mit „Stadtspürerin“ Brigitte Raab-Lucke ins mittelalterliche München. Dort trafen wir auf Huren, Hexen und Henker, auf Verdammte und verlorene Seelen. Wir wurden aufgeseilt und aßen sogar Würmer. Doch unsere Kühnheit hat sich gelohnt: Nun wissen wir, was ein Schlitzohr ist, wieso man den Herzog lieber nicht an der Nase herumführt und warum aus dem Westen nichts Gutes kommt.


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„Passts mir fei bloß auf euch auf, gell! Nach Sonnenuntergang habts ihr nix mehr draußen verloren. Vor allem unbemanntes Weibsvolk“, meint Brigitte. „Und Winkelhurerei is’ eigentlich auch verboten, gell“, sagt sie mit einem Blick auf die feschen Madln am Eck. Die resolute Bayerin ist „Stadtspürerin“. Richtig gelesen: „Spürerin“, gehört sie doch zu jenen authentischen Guides, die ganz besondere Führungen durch unsere Stadt anbieten. Heute Abend ist Brigitte aber vor allem eines: Henkersfrau. Und die kennt die schmutzigsten Geheimnisse aller unehrbaren Berufe im mittelalterlichen München. Unehrbare Gestalten, die gibt’s da viele – quasi alle, die sich nachts draußen rumtreiben.

TEXT: CARINA NEUMANN // FOTOS: DIE STADTFÜHRER

Weil, wenn’s dunkel wird, dann bleibt man lieber daheim. Wir aber stehen am Platz vor der Frauenkirche. Es regnet. Und es dämmert. Wir befinden uns im Mittelalter und es riecht ein bisschen streng. Besser gesagt, es stinkt gewaltig. Das liegt vermutlich am Stadtgraben, der sich vor der Kirche auftut. In der „Kloake“ Münchens landet eigentlich alles, was keine Miete zahlt. Pipi, Kacka, Schlachtreste, der ein oder andere betrunkene Sandler ... „Ja mei, so war’s halt, gell“, meint Brigitte.

Vielleicht kommt der süßliche Geruch aber auch von unseren Füßen. Nicht, dass wir die nicht gewaschen hätten – es ist nur so, wir stehen auf einem Friedhof. Weil gestorben wurde schließlich schon immer. Erst recht im Mittelalter! Und da spült so ein Regen wie heute schon mal den einen oder anderen Totenschädel frei. Mit ein wenig Glück findet man auch ein paar Säuglingshände. Die sind begehrt, denn aus „Kindshändle“ kann man Hexenflugsalbe oder Pulver gegen Verbrecher machen. Und auch von denen gibt’s viele.


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Ja, im Mittelalter ist man abergläubisch. Wenn bei rund 17 Geburten im Leben einer Frau (das dann etwa mit 28 Jahren vorbei ist) im Schnitt nur drei Kinder das Erwachsenenalter erreichen und bei diesen eh schon grausigen Umständen dann auch noch Seuchen wie die Pest und die Cholera um sich greifen, dann kann man ein bisschen Aberglauben ja auch irgendwie verstehen. Ein weiterer Glaube ist jedenfalls, dass aus dem Westen nichts Gutes kommt. Dort ist nämlich die Hölle. „Und genau da geht mein Kollege jetzt hin“, sagt die Brigitte. Ein zweiter Stadtspürer winkt uns freundlich zu, bevor

er mit seiner Tour „Schauriges München“ in die Geisterwelt abtaucht. Zum Glück ohne uns. Wir gehen weiter durch die südliche Altstadt bis zum Sendlinger Tor. Bei uns geht’s schon auch noch ziemlich schrecklich zu. Denn Brigitte erzählt uns von brutalen Henkern, die auf die Walz gehen und bei ihrer Meisterprüfung mit einem einzigen Schwertschlag töten müssen, von schlimmen Folterungen und Hinrichtungen. Und von Hexen, die grausam verbrannt werden. Eine von Brigittes Lieblingsgeschichten ist die von Marco Bragadino. Der Gute ist Italiener und Alchemist, vor allem aber Betrüger. Er sagt, er könne Gold für den Herzog machen und Frauen zu Kindern verhelfen. Komisch nur, dass die Babys ihm viel ähnlicher sehen als den Ehemännern. Als das mit dem Gold dann auch nichts wird, lässt der Herzog ihn am Marienplatz öffentlich köpfen. Oder in Brigittes Worten: „Kinder, packts was fürs Picknick zam, endlich is’ wieder was los in Minga! Fernsehen gab’s damals ja nicht.“ So ganz ungeschoren kommt unser Team aber auch nicht davon. Der eine wird symbolisch zum Schlitzohr – die Bezeichnung rührt daher,


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dass Verbrechern der Silberohrring herausgerissen wurde, ohne den sie kein Begräbnis kriegen – und der andere wird aufgeseilt: eine äußerst unangenehme Foltermethode. Passend zu den Geschichten von Folter und Fäulnis reicht Brigitte noch einen Sack mit Würmern herum. Haribo – Glück g'habt! Vor unserer Verabschiedung am Sendlinger Tor entführt uns unsere Stadtspürerin noch in die Zeit der Münchner Freudenhäuser und „Hübschlerinnen“. Die Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt. Ausgerechnet auf der heutigen Shoppingmeile, der Kaufingerstraße, war früher der größte Strich Münchens. „Wie heißt es doch so schön? ,In München steht ein Hofbräuhaus, doch Freudenhäuser müssen raus, damit in dieser schönen Stadt das Laster keine Chance hat!‘“

ÜBER DIE STADTSPÜRER Die Geheimnisse Münchens einmal „spürbar“ anders entdecken. Besondere Führungen mit erzählerischem Elan und bewegenden Geschichten statt kulturhistorischen Daten und Fakten. Für Münchner und alle, die es werden wollen – dafür stehen die Stadtspürer. Neben dem „rabenschwarzen“ und „schaurigen“ München findet ihr noch viele weitere mystische Führungen – wie etwa „Der Ruf der Isarnixe“, „Glücksorte“ oder „Okkultes Schwabing“.

Wir danken Brigitte und den Stadtspürern für diese humorige und spannende Tour „Rabenschwarzes München“! Wir kommen wieder. ▪

► stadtspuerer.de


PACKAGING: LION FLEISCHMANN

TEXT: TIM BRÃœGMANN // FOTOS: CHRISTIAN VOGEL

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WICKED CRICKET

GEGEN DAS ÖKOLOGISCHE DESASTER

Was einst aus der Kehle des Crocodile Hunters Steve Irwin schnalzte, sobald eine noch gefährlichere Spezies sein Sichtfeld kreuzte, ging auch uns begeistert über die Lippen, als unsere Finger in eine der liebevoll gestalteten Packungen der Snack-Manufaktur Wicked Cricket tauchten: „Crikey!“ Oder eher: „Crickey?!“


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Tatsächlich handelt es sich bei der „Geilen Grille“ nicht nur um bestes Superfood, sondern auch um ein regionales Schmankerl, welches die Bezeichnung „Party Gag“ oder „Mutprobe“ wirklich nicht verdient. Seit 2017 arbeiten die drei Gründer Josef Hirte, Josef Köhl und Mathias Rasch bereits an der Snack-Revolution und kombinieren geröstete Heimchen mit den Geschmacksrichtungen „Fior di Sale“, „Allgäuer Wildkräuter“ und „Roter Pfeffer“. Mischung, Verpackung sowie Versand erfolgen dabei komplett Hands on in Eigenregie. „Gezirpt“ wird so gut wie jede Woche und das Endprodukt kann sich nicht nur sehen, sondern vor allem schmecken lassen. Ist die Idee, hierzulande Insekten in den alltäglichen Speiseplan zu integrieren, noch relativ neu und für manch einen sogar haarsträubend, unterstreichen die fein austarierten Geschmacksnoten den sanften Eigengeschmack der kleinen Langfühlerschrecken. Diesen nimmt man vor allem als „getreidig“ wahr, wobei dessen ausgeprägte Eiweißnote tatsächlich an kleinteiliges Popcorn erinnert. Bei nicht einmal ganzen 10 Gramm Füllmenge gibt es Proteine, Eisen und Vitamine satt. Während Jiminy Cricket und seine Freunde vorerst nur in einigen wenigen Bars oder auf Messen und Events sowie im eigenen Shop zu erstehen sind (um die 3,90 Euro pro Packung), planen die drei „Griller“ bereits den nächsten Schritt: Mit dem Hashtag #issoderzirp läuten sie nun die Crowdfunding-Phase ein. Ihr Ziel? Das Bio-Siegel und eine noch frischere, direktere Produktion


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dank eigener Heimchen-Zucht. Denn nicht nur bei der Verpackung (abbaubares PLA) steht der Nachhaltigkeitsgedanke im Vordergrund, auch die extrem potente Eiweißzufuhr macht die Wicked Cricket dank höchster Lebensmittelstandards auch für eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung interessant. Vollwertig statt exotisch und weitaus ressourcenschonender als jede Fleischzucht. Anders als bei der Konkurrenz wie etwa SWARM Protein oder Eat Grub, die sich eher auf Insektenmehl fokussiert haben, kostet es den ein oder anderen eventuell doch etwas Überwindung, über die kleinen schwarzen Äuglein hinwegzusehen. Doch wer ansonsten genüsslich frische Garnelen auf seinem Teller stapelt, den dürfte Acheta domesticus nicht sonderlich beeindrucken. „Schleimig, jedoch vitaminreich“, wusste schon Simba bei „Der König der Löwen“. Wie gut, dass die Heimchen jedoch schön knusprig daherkommen und die Jungs auch für die kalte Jahreszeit schon etwas in petto haben. Pünktlich zu Weihnachten gibt es die krossen Grillen mit feinem Zimt und Zucker gebrannt. Nachhaltig, grün und erstaunlich lecker. Auch wenn wir uns hier nicht auf veganem Terrain bewegen, werden wir uns wohl oder übel mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass die Proteinversorgung aus den hiesigen Fleischbetrieben in naher Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Und das ist die vermutlich einzig schaurige Geschichte hinter Wicked Cricket. ▪

Ihr wollt die erste bio-zertifizierte Zucht von Speiseinsekten in Deutschland unterstützen? Einfach unter startnext.com nach „Grüne Grille“ suchen und für eine nachhaltige, gesunde und bewusste Ernährung zirpen. ► wickedcricket.de


BACKSTAGE MIT DEN GRILLMEISTERN JOSEF HIRTE, MATHIAS RASCH UND JOSEF KÖHL (V. L. N. R.) curt 37


Seit 1987 schon nimmt uns das Fantasy Filmfest mit auf eine Reise in die Abgründe des Kinos und zeigt düstere, blutige oder auch ziemlich abgefahrene Streifen. Aber wie ist das so, wenn man sich das ganze Jahr über Horrorfilme anschaut? Und was ist das Geheimnis eines guten Horrorfilms? Wir haben Rainer Stefan gefragt, der von Anfang an dabei war und noch immer das Festival organisiert.

TEXT: OLIVER ARMKNECHT // FOTOS: FANTASY FILMFEST

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IM GESPRÄCH FANTASY-FILMFEST-GRÜNDER RAINER STEFAN

Wenn du zurückblickst auf mehr als 30 Jahre Fantasy Filmfest: Was hat sich seither verändert? Durch das Aufkommen der DVD und heute Streaming ist die Welt viel kleiner geworden. In den ersten zehn Jahren hatten wir noch richtig große Premieren wie „Alien 3“ oder Disneys „Hercules“ und „Atlantis“. Damals lagen noch viele Monate zwischen US-Release und dem in Deutschland, in denen man die Filme hier zeigen konnte. Jetzt ist die Zeitspanne sehr viel kürzer geworden. Außerdem wurden aufgrund von DVDs viele Klassiker restauriert, was sich bei VHS-Kassetten noch nicht gelohnt hat, weil das die Qualität einfach nicht hergegeben hat. Ein Festival wie damals überwiegend mit Klassikern aufzuziehen, würde heute gar nicht mehr funktionieren. Wenn man sich wie ihr so lange mit thematisch ähnlichen Filmen auseinandersetzt, hat man dann nicht irgendwann auch genug davon? Ende der 90er war tatsächlich so eine Zeit, wo ich echt keinen Bock mehr hatte. „Hellraiser“ und all dieses Splatterzeug, das hing mir da zum Hals raus. Aber das Genre erfindet sich ja immer wieder neu. Da gab es damals die vielen anderen interessanten Sachen wie „Delicatessen“ von Jeunet und Caro. Heute sind die Genres auch nicht mehr so klar definiert. Damals gab es noch den klassischen Horrorfilm. Den gibt es heute natürlich auch im C-Movie-Bereich. Aber wenn ich mir unser Programm jetzt anschaue, dann ist da nur noch wenig, das wirklich rein für die Horror-Zielgruppe gemacht ist.

Nachdem du inzwischen schon so viele Filme aus dem Bereich gesehen hast: Gibt es da überhaupt noch welche, die dir noch Angst machen können? Ja, das schaffen schon immer wieder Filme. Das müssen aber nicht unbedingt Horrorfilme sein. Und ich würde es vielleicht auch nicht Angstmachen nennen. Aber es sind Filme, die so spannend sind, dass ich vergesse, gerade einen Film zu schauen. Denn das ist das Schwierige für uns: sich einfach fallen lassen. Danach hat man ja auch eine Sehnsucht, wenn man sich jedes Jahr Hunderte von Filmen anschaut. Sie sich anschauen muss. Da sehnst du dich danach, dich wieder in einem Film zu verlieren. Und das kommt schon noch vor. Nennst du uns ein Beispiel? Als ich dieses Jahr zum Beispiel „The Lodge“ geschaut habe, der unser Eröffnungsfilm geworden ist, da war ich danach fertig. Im positiven Sinne. Der hat mich so reingezogen, weil er so düster ist und so hoffnungslos. Die Atmosphäre von Isolation im Schnee, die mich bei „Shining“ schon fasziniert hat, die ist da auch. ►

DAS TEAM HINTER DEM JÄHRLICHEN SCHRECKEN: ARTUR BRZOZOWSKI, FREDERIKE DELLERT UND RAINER STEFAN (V.L.N.R.)


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Und wenn wir weiter zurückgehen, welche drei Horrorfilme liegen dir besonders am Herzen? Meine Nummer eins ist immer noch Murnaus „Nosferatu“, gefolgt von Polanskis „Tanz der Vampire“. Bei Platz drei würde ich sagen Jack Claytons „Schloss des Schreckens“ mit Deborah Kerr. Die hatten bei mir als Jugendlicher und Kind sicher die meiste Wirkung. „Tanz der Vampire“ habe ich damals als Kind, glaube ich, vier Mal in einer Woche im Kino geguckt. Was macht für dich einen guten Horrorfilm aus? Ich mag das Klischee des Horrorfilms nicht so, weil ich die drei Titel, die ich gerade nannte, nicht als reine Horrorfilme bezeichnen würde. Einen spannenden Film macht aus, dass ich vergesse, dass ich einen Film schaue. Wenn das ein Film schafft, dann ist er gut, ganz unabhängig vom Genre. Eine Sache, die sich in den letzten Jahren auch geändert hat: Mit Horrorfilmen kannst du inzwischen deutlich mehr Leute erreichen. Klar, Horrorhits hat es immer gegeben. Aber nicht in dem Ausmaß wie heute. Das hängt, glaube ich, auch mit diesem Crossover zusammen, den ich vorhin meinte. Es gibt inzwischen sehr viele, sehr intelligente Horrorfilme. Ein grandioser Horrorfilm für mich, der auf allen Ebenen funktioniert hat, war „Get Out“. Auch der erste „Conjuring“ war ein wahnsinnig guter Film. Die Drehbücher sind einfach besser geworden, wir haben derzeit eine Welle von qualitativ hochwertigen Genrefilmen. „Ready or Not“ zum Beispiel, den wir dieses Jahr zeigen, ist eine schwarze Komödie mit Gesellschaftskritik, blutig ohne Ende. Oder „Es“, mit dem wir vor zwei Jahren eröffnet haben. Das war natürlich auch ein Horrorfilm, hatte aber einen hervorragenden Jugendcast, so wie „Stand By Me“ damals. Heute würde wohl kein Schauspieler mehr sagen: Nee, Horror mache ich nicht. Das war in den 70ern und

80ern noch anders. Auch die Studios stehen dazu. Horrorfilme geben jungen Regisseuren auch die Möglichkeit, sich ein bisschen auszuprobieren, weil sie meistens billiger zu produzieren sind und man dadurch alle Freiheiten hat. Gibt es über die Verwischung der Genregrenzen hinaus noch andere Trends, die du derzeit beobachtest? In den letzten Jahren die ganzen Autorenfilmer, also Regisseure, die ihre Drehbücher auch selber schreiben. Die auch engagiertes Genrekino machen. Wie beeinflusst euch das als Festival, wenn sich der Horrorfilm in diese Richtung bewegt? Es sichert unser Überleben. Die großen Blockbuster, die theoretisch zu uns passen würden, wie die Marvel-Filme, die sind unerreichbar für uns, weil sie weltweit am selben Tag starten und bis dahin komplett unter Verschluss sind. Filmfeste können überleben, weil es noch so viele Independent- und Low-Budget-Sachen gibt, wozu auch del Toro zählt, der nach wie vor Herzensprojekte macht, die nicht völlig überbudgetiert sind. Als ihr in den 80ern gestartet seid, waren Genre-Festivals weltweit kein wirkliches Thema. Wir hatten damals überhaupt keine Konkurrenz, das stimmt. Wir hatten nicht einmal in Deutschland Konkurrenz, weil die Filme, die wir zeigen wollten, die wollte die Berlinale nicht zeigen. Und das Münchner Filmfest erst recht nicht. Und sonst gab es nichts. Wir waren damals schon noch die Schmuddelkinder.


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Y FANTAS ST FILMFE IGHTS WHITE N JANUAR 2020

Horror und Deutschland, das war ja auch immer so eine Sache. Das deutsche Genrekino hat es bis heute ziemlich schwer. In den letzten Jahren hattet ihr immer wieder was, dieses Jahr ist gar nichts dabei. Dieses Jahr leider nicht, nein. Das ist aber von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Wir hatten auch schon Jahrgänge, in denen wir drei bis vier deutsche Sachen hatten. Dafür haben wir dieses Jahr mit „The Lodge“ und „Little Joe“ gleich zwei Filme von österreichischen Filmemacherinnen. Was haben uns die Österreicher voraus? Billy Wilder, der größte Regisseur überhaupt! ▪ ► fantasyfilmfest.com

ERÖFFNUNGSFILM 2019: „THE LODGE“ (KINOSTART: DEMNÄCHST, © SQUAREONE ENTERTAINMENT)

CENTER PIECE 2019: „LITTLE JOE“ (KINOSTART: 9. JANUAR 2020, © X VERLEIH AG)


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DARE UTOPIA!

Angst ist nie ein guter Ratgeber! Aber reden wir über die Zukunft, reden wir meist von gruseligen Weltuntergangsszenarien. Probieren wir lieber mal das: Das wird schon! Und zwar richtig schön! Positives Denken ist ja nie verkehrt. Und davon kann das interdisziplinäre Münchner Science & Fiction Festival nicht nur ein Lied singen, sondern am 19. und 20. Oktober damit sogar das Deutsche Museum füllen. Denn alles steht bei der 6. Edition unter dem Titel DARE UTOPIA. Und wenn wieder wild Kunst und Wissenschaft mit der Fantasie und Experimentierfreude der Science-Fiction zusammengekippt werden, dann wird auch dieses Jahr etwas Tolles entstehen. Irgendwas, was informiert, inspiriert, irritiert – oder einfach richtig gut amüsiert.

6. MÜNCHNER SCIENCE & FICTION FESTIVAL – ART AND SCIENCE 19./20. OKTOBER.@ DEUTSCHES MUSEUM

Was 2014 als kleine Veranstaltung im Kinderkino begann, hat nun seinen Weg in die altehrwürdigen Hallen des Deutschen Museums gefunden. Aber in einer Sache bleibt das Festival in seinem ureigenen Element: dem Experimentieren. Damit nämlich das rappelvolle Programm aus Slams, Performances, Kunst, Virtual und Augmented Reality sowie all die Kunstwerke zwischen Schiffe und Teleskope passen, muss eben mal eine kleine Infrastruktur neu erschaffen werden – aber das kriegen die schon irgendwie hin. Die Eröffnung am Freitagabend übernimmt Kepler452b mit einer transformativen SoundMeditation. Ja, genau! Meditation! Ihr habt ganz richtig gelesen! Nach dieser multidisziplinären Performance geht es weiter mit einer neuen Freitagabend-Show in der Primetime: dem UTOPIA SLAM. Sieben Experten haben jeweils zehn Minuten Zeit, um euch ihre Zukunftsvision zu präsentieren. Über mangelnde Abwechslung braucht sich keiner sorgen: Die Riege an Speakern ist kunterbunt. Auf der Bühne stehen Wissenschaftler, ein ganzes Künstlerkollektiv oder auch ein extra per Raumschiff angereister Klingone.


Ab 23 Uhr spielt, wie es sich für ein Festival gehört, die Musik! Aus gegebenem Anlass kommen Sputnik Booster and the Future Posers – eine Roboter-Band mit 8Bit-Musik. Zudem verbreiten Quantic Noise SpaceSound in der Halle und im gesamten Museum. Und falls ihr noch jemanden auf den Mond schießen wollt, dann habt ihr ab Mitternacht die Gelegenheit dazu. Beim Live Moon Bounce mit der Künstlerin Martine Nicole Rojina seht ihr, dass eine Mondreise für alle schon lange keine Zukunftsmusik mehr ist. Sonntag geht es um 11 Uhr mit dem Festival und einer Podiumsdiskussion weiter. Schaut man auf die Gäste, dann klingt das plötzlich gar nicht mehr öde: Der Klingone Liven Litaer und eine Elbin nehmen auch teil. Und kurz darauf gibt es die übervolle Packung Wissen: Der politische Philosoph Dr. phil. Peter Seyferth klärt uns in seinem Vortrag über Die Anatomie der Utopie auf. Weltpremiere heißt es ab 13 Uhr. Seid live dabei, wenn die neue Kinder- und Familienshow Sci-fis got Talent das Licht der Show-

Welt erblickt. Was da kommt? Mal schauen. Fest steht nur, dass in dieser Mixed-Multi-MediaTalent-Show viele Darsteller in Kurzauftritten wie Vorträgen, Songs oder Performances ihre 15 Minuten Ruhm zu ergattern versuchen Fest steht auch: Das wird nicht ganz klappen, denn die Talente bekommen nur zehn Minuten Bühnenzeit. Aber immerhin. Ab 15.30 Uhr könnt ihr bei 15 x 4 – GOES UTOPIA! noch mal vier 15-minütige Speakings mitnehmen, zu … na klar: utopischen Themen. Was noch? Ihr werdet schon sehen – vor allem auch noch die ganzen Kunstwerke und vieles mehr. Man muss ja nicht immer alles wissen. Das wird alles schon! Richtig schön! Versprochen!

► muc-sf-festival.com

TEXT: HENRIKE HEGNER // SCI-FI-VISUAL: RONIT WOLF

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Mathias Poxleitner ist Grafikdesigner und hat sehr schöne Locken. Was aber auch noch sehr schön ist, das sind seine Illustrationen. Schaurig schön, um genau zu sein, denn Poxleitner greift gerne zu düster anmutenden Ideen. Wir haben dem 26-jährigen Münchner 5 Fragen zum Grusel in seiner Kunst gestellt.

TEXT: NURIN KHALIL // ART & FOTO: M. POXLEITNER

CREEPY ART

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Findet den Burschen auf Instagram @poxy.gen, mailt ihm an poxleitnermathias@gmail.com oder bestellt gleich eins der ersten Shirts unter ► shop.spreadshirt.de/milkin-blood-official

Wie kamst du zum Illustrieren und wie zu diesem einzigartigen Stil? Zu meiner Studienzeit gab es einen Dozenten, der fest an mich glaubte. Ich zeichnete eigentlich nur zum Spaß, aber er fand meine Sachen sehr gut und meinte, ich solle das auf jeden Fall weiterverfolgen. Also dachte ich, okay, warum nicht. Mein Stil formte sich dabei nach und nach. Ich verabschiedete mich vom Versuch, extrem gut zeichnen zu wollen. Das können viele andere besser. Durch den geometrischen Stil, den ich nutze, sind meine Illus nicht mehr nur platt, sondern dreidimensional. Sie basieren aber trotzdem noch auf einfachen Formen. Wie würdest du deinen Stil in drei Worten beschreiben? Ich brauche nur zwei: organische Geometrie. Meine Zeichnungen sind schon oft sehr kantig und formlastig, ­aber immer mit sehr natürlichen Elementen vermischt. Deine Bilder lösen auf den ersten Blick auch mal Ekel aus. Woher kommen diese Ideen? Inspiration schöpfe ich aus meiner Umgebung und natürlich auch aus meinen Emotionen. Wichtig ist mir dabei, dass die Idee stets im Vordergrund steht. Andere Künstler definieren sich ausschließlich über ihren Stil und das funktioniert dann auch. Bei mir geht ohne eine konkrete Idee nichts. Das Spiel mit Ekel gehört dazu. Genau dann, wenn ich denke, das ist zu viel, das wird unangenehm – das ist der Punkt, an den ich kommen muss. Ich habe zum Beispiel eine Illu gezeichnet, auf der eine Nonne den gekreuzigten Jesus reitet. Als ich fertig war, dachte ich mir, da bin ich zu weit gegangen. Dann habe ich nach einer Stunde noch mal draufgeschaut und fand es weniger schlimm. Dann noch mal am nächsten Tag und dann dachte ich, das passt, das muss so sein. Mag sein, dass meine Zeichnungen auch mal abstoßend wirken, aber nur so funktioniert die Idee am Ende. Wovor gruselst du dich? Ganz irrational und klassisch: vor Haien. Beim bloßen Gedanken daran, wenn ich baden gehe und da käme einer … Und dann gibt es noch – anders irrational – tief sitzende Ängste, die mich plagen. Das sieht man aber sicherlich auch in meinen Arbeiten gut und oft. Was bringt die Zukunft? Ich mache viel mit anderen Leuten zusammen. Es ist immer cool, z. B. Kurzgeschichten von Autoren zu illustrieren. Ich möchte meine Zeichnungen aber bald auch auf Shirts drucken und verkaufen. Im Kreativen bin ich super, im Bürokratischen leider gar nicht. Momentan hänge ich im Finanzamt fest, brauche eine Steuernummer etc. Ich will mich aber auch nicht nur auf eines fixieren und das komplett ausreizen. Ich denke, es ist gut, verschiedene Wege einzuschlagen, zu schauen und abzuwarten. Ich blicke da ganz zuversichtlich in die Zukunft.

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GEORGE CATLINS DARSTELLUNG EINES SCHAMANEN (MEDICINE MAN) DER SCHWARZFUSS-INDIANER

TEXT: MELANIE CASTILLO // Â ILLU: MEDICINE MAN, WIKIPEDIA

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Sind Geister tote Menschen oder wie lautet deine Definition? Mit toten Menschen hat das wenig zu tun. Die geistige Welt ist die Ebene, aus der alles Materielle entsteht. Jeder von uns ist ein geistiges

Wie kann man sich den Kontakt zu einem Geist vorstellen? Meistens sehe ich sie wie in einem Film, der vor meinem geistigen Auge abläuft und in dem ich selber agiere. Manchmal sind es aber auch „nur“ Informationen, die da sind, wenn ich sie brauche.

Welche Menschen kommen zu dir und wie hilfst du ihnen? Das ist ganz unterschiedlich. Viele Menschen sind auf der Suche nach sich selbst, haben oftmals schon Burn-out & Co. hinter sich, wissen nicht mehr weiter und brauchen jemanden, der ihnen von einer höheren Warte aus hilft, ihren Weg zu finden. Und all die Seelenanteile aufzuspüren, die verloren gingen oder von Haus aus nicht gelebt wurden. Oft kommen Menschen mit handfesten Krankheiten, die deren geistige Ursache ergründen und lösen wollen. Ich diagnostiziere oder heile keine Krankheiten im medizinischen Sinne. Das überlasse ich den Ärzten. Ich bearbeite die rein geistig-seelischen Ursachen. Heilung entsteht immer aus dem Menschen heraus, unter Berücksichtigung von körperlicher, psychischer und geistiger Ebene. Darüber hinaus führe ich energetische Reinigungen von Orten und Gebäuden durch, helfe Prozessen magisch auf die Sprünge oder arbeite in Unternehmen, um Teamprozesse zu klären, Blockaden aufzuspüren und zu lösen.

Wann hast du herausgefunden, dass du ein Schamane bist? Das kam mit Mitte 20, als ich begonnen habe, mein bisheriges Leben zu reflektieren. Dabei sind mir Ungereimtheiten bezüglich meiner Wahrnehmung der Welt aufgefallen. Ich habe Dinge wahrgenommen, die keiner wirklich einordnen konnte. Im Nachhinein betrachtet, hatte ich mit diesen Wahrnehmungen meistens recht. Irgendwann kam der Begriff Schamanismus zu mir und ich wusste sofort, um was es da geht und dass es was mit mir zu tun hat. Mithilfe erfahrener Schamanen habe ich schnell kapiert, was ich kann und wofür es gut ist.

Gerhard Zirkel: waschechter Münchner, verheiratet, zwei Kinder. So weit, so normal. Eine Sache aber ist anders: Gerhard ist Schamane und kommuniziert mit Geistern. Schwarze Magie und Dämonen können ihm nichts anhaben: Schließlich ist das sein Job.

MIT EINEM SCHAMANEN

INTERVIEW

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► gerhard-zirkel.com

Vor was gruselst du dich? Mich gruselt es vor Menschen, die sich vehement weigern, hinter die Grenzen ihrer materiellen, naturwissenschaftlichen Welt zu blicken, obwohl sie mehr als deutlich mit der Nase drauf gestoßen werden. ▪

Was hat es mit dem Schamanen-Outfit auf sich? Kleidest du dich auch so? Spezielle Outfits haben sich in den Kulturen entwickelt, in denen der Schamanismus über lange Zeit eine große gesellschaftliche Stellung hatte, ähnlich wie die Gewänder der Priester. An sich schaut ein Schamane aus wie jeder andere auch. Manche Kollegen springen auf den kulturell-exotischen Zug auf, weil tolle Gewänder ja so authentisch sind. Ich halte sie für romantisiertes Marketing. Generell bin ich nicht so der Typ mit der großen Show.

Nimmst du Geister auch im Alltag wahr oder braucht es dafür ein spirituelles Ritual? Den Kontakt kann ich zu jeder Zeit herstellen, wann immer ich möchte. Für komplexe Gespräche habe ich aber lieber meine Ruhe. Mit Klienten arbeite ich in einem strukturierten Rahmen in meiner Praxis.

Hattest du schon mal eine Gänsehaut-Erfahrung mit einem bösen Geist oder Dämon? Es gibt auf geistiger Ebene kein Gut und Böse. Das sind Interpretationen unserer materiellen Welt. Aber natürlich gibt es auch Wesenheiten, deren Handlungen wir als böse interpretieren würden. Da ich quasi in der geistigen Welt aufgewachsen bin, gibt es dort wenig, was mich noch groß beeindrucken würde. Aber es gibt auch Wesen, denen man mit Vorsicht gegenübertreten muss – und es gibt auch die sogenannte „schwarze Magie“, also Angriffe auf geistiger Ebene, die von Menschen ausgehen. So was kann für den Laien durchaus gefährlich werden, aber ich bin zum Glück kein Laie, das ist mein Job. Ein Feuerwehrmann kriegt auch keine Gänsehaut, wenn er ein großes Feuer sieht.

Kannst du Kontakt zu jedem Geist deiner Wahl herstellen? Generell schon. Aber nicht jeder spricht sofort mit mir. Das ist wie mit fremden Menschen, die man anspricht. Manchmal muss man erst Vertrauen aufbauen. Und manche muss man erst mal aufspüren.

Wesen, das entweder gerade inkarniert ist, sich also in der materiellen Existenz befindet, oder eben nicht. Es gibt auch Zwischenstufen. Geister sind im Sinne eines Schamanen keine Gespenster, sondern Wesenheiten auf geistiger Ebene. Insofern kann ich mit jedem Menschen doppelt kommunizieren, einmal mit seiner materiellen Existenz und einmal mit dem Wesen dahinter. Ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit ist eben dieses geistige Wesen, das sogenannte höhere Selbst, das einen viel besseren Überblick hat als der Mensch in seiner materiellen Existenz.

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NO COUNTRY FOR BAT MEN VON WEISSWURSTZUZLERN UND BLUTSAUGERN Dieses Jahr feiert eine Ikone ihren 80. Geburtstag. Batman, der „Caped Crusader“ und Beschützer Gothams gilt seit nunmehr acht Jahrzehnten zu den beliebtesten Superhelden aller Zeiten und als eines der wichtigsten Aushängeschilder des Comic-Giganten DC. Sogar eine eigene Ausstellung im Münchner Amerikahaus zu Ehren des dunklen Ritters galt es dieses Jahr zu bestaunen. Doch während sich „the World’s Greatest Detective“ im Moloch von Gotham City ganz gut selbst zur Wehr setzen kann, ist es um seine kleineren Artgenossen innerhalb des Weißwurst-Äquators schlecht bestellt. ►


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Fledermäuse bevölkern unseren Nachthimmel seit nunmehr 50 Millionen Jahren. Allein in Deutschland fliegen 25 unterschiedliche Fledermausarten durch die Nacht. Ähnlich wie ihr großer Bruder aus Gotham City trägt der lautlose Jäger auch hierzulande viele Namen: Mopsfledermaus, Kleine Hufeisennase, Fransenoder Rauhautfledermaus. Und das sind lediglich vier der mehr als zwanzig Fledermausarten, die am Himmel der Bayern zu sehen sind. Der Nachtkobold, der bei uns am häufigsten vorkommt, ist das Große Mausohr. Experten zufolge gibt es hiervon noch rund 135.000 Tiere. Mit acht Zentimetern Körperlänge handelt es sich beim Großen Mausohr sogleich um eine der größten bayerischen Fledermäuse. Doch sie alle sind gefährdet.

Viele heimische Fledermausarten sind akut bedroht. Deshalb brauchen die kleinen Nachtschwärmer jetzt unbedingt unseren Schutz!“ Sebastian Kohlberg, Referent für Artenschutz (NABU)

Unsere einheimischen Fledermausarten sind sogenannte Insektivoren, also Insektenfresser und eher nicht aufs Zuzeln aus. Zu ihren bevorzugten Beutetieren gehören Mücken, Schnaken, Fliegen, Nacht- und Tagfalter, Käfer, Spinnen oder auch Hundertfüßer. Doch woher stammt eigentlich die Verbindung zu Graf Dracula? Lediglich drei Fledermausarten in Mittelamerika ernähren sich von Blut. Desmodontinae ist dabei die Bezeichnung für diese drei Arten, die im Deutschen als Vampirfledermäuse bezeichnet werden. Alle anderen der insgesamt rund 1.300 Fledermaus- und Flughundarten weltweit genießen lieber Insekten, Früchte, Nektar, Blätter oder kleinere Wirbeltiere. Spricht man also von „der Fledermaus“, kann sie nur schwer als blutsaugendes Halloween-Dekor angesehen werden. Wenn man so will, sind die drei mittelamerikanischen „Vampire“ also nach dem Mythos benannt und nicht andersherum. Die ansonsten so negative Besetzung von Fledermäusen rührt jedoch schon aus dem Mittelalter, wenn etwa Dämonen und anderes Höllengetier mit Fledermausflügeln dargestellt wurden. Der Schritt zu Dracula oder Luzifer liegt hier also näher.


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Zwischen 18 und 29 km/h erreichen die wendigen Nachtschwärmer. Spitzenreiter kommen sogar auf stolze 70 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die älteste bekannte Fledermaus wurde über 40 Jahre alt. Dabei gebären Fledermausweibchen nur einmal im Jahr und werfen nur ein bis zwei Jungtiere. Eine derart geringe Geburtenrate lässt daher Verluste in der Population nur schwer ausgleichen. Und sie alle sind gefährdet. Die Ursachen für die Bedrohung der Fledermäuse sind jedoch weitreichender. Von den 25 in Deutschland vorkommenden Arten sind vier vom Aussterben bedroht. Drei von ihnen gelten als stark gefährdet und weitere fünf Arten sind als gefährdet eingestuft. In der Bundesrepublik sind alle Fledermausarten nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 20) geschützt. Vor allem der Mangel an Lebensraum setzt den Fledermäusen in Bayern zu. Gerade der Wegfall von Wohnquartieren in alten Gebäuden oder höhlenreichen alten Bäumen macht ihnen zu schaffen. Bedingt durch die intensive Landwirtschaft und Insektenbekämpfung wird der Fledermaus darüber hinaus zunehmend ihr Speiseplan gekürzt. Moderne Bauweisen verhindern zudem, dass die Fledermaus als sogenannter „Kulturfolger“ dem Menschen in die Städte und Höfe folgen kann. Seit circa 35 Jahren erholt sich der Bestand der Fledermäuse in Bayern jedoch dank der intensiven Arbeit der Naturschützer. So zeigt sich bei etwa zehn Arten ein positiver Trend in der Bestandsentwicklung. Trotzdem ist Bayern der Fledermaus weiterhin ein Wolf. Gab es früher noch zahlreiche Streuwiesen, Waldränder, Wiesen und Hecken, schmälert die Zersiedelung der heimischen Landschaft das Nahrungsangebot. Ebenso rar sind in Bayern die Übernachtungsmöglichkeiten der kleinen Säugetiere geworden. ►


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Dort, wo alte Bäume mit gemütlichen Hohlräumen als Unterschlupf fehlen und moderne Bauweisen ohne Fugen und Ritzen bevorzugt werden, wird die Fledermaus nach und nach ausgesperrt. Diesem Problem bietet beispielsweise das Projekt Fledermäuse willkommen! die Stirn. Ein jeder, der sich für den Schutz von Fledermausquartieren einsetzt, indem er diese erhält und gegebenenfalls bei Sanierungen berücksichtigt, kann dies mit der Plakette „Fledermäuse willkommen!”, sichtbar machen. Da Fledermäuse immer wieder an ihre bekannten Quartiere zurückkehren, sind diese von Umbaumaßnahmen stark betroffen. Oft werden Schlafplätze für ganze Kolonien unwissentlich zerstört. Um diese Wohnungsnot zu lindern und um auf das Vorkommen der flinken Luftakrobaten hinzuweisen, hat das Landesamt für Umwelt die Aktion im Jahr 2005 ins Leben gerufen. Bereits fünf Jahre später wurde im April 2010 die tausendste Plakette von Umweltstaatssekretärin Frau Melanie Huml im Landkreis Forchheim überreicht. Inzwischen sind über 1.200 Auszeichnungen in Bayern hinzugekommen.

FLEDERMAUSHOTLINE (NABU): 030-284984-5000

Doch was lässt sich darüber hinaus tun? Für einen effektiven Fledermausschutz müssen vorhandene Quartiermöglichkeiten gesichert und neue Fledermausunterkünfte an Gebäuden geschaffen werden. Dabei kommt es vor allem auf die Eigeninitiative von Bauherren sowie auf den Ideenreichtum der Planer an. Der materielle Aufwand für Hohlräume, Ritzen oder zum Teil sehr schmückende Fledermauskästen ist dabei sehr gering, einfach und individuell zu berücksichtigen. Wer Fledermäuse beobachten oder mehr zum Artenschutz in Bayern erfahren will, hat über die Fledermaus-Hotline die Chance hierzu. Ferner lassen sich anlässlich der internationalen Batnight bzw. der Europäischen Fledermausnacht am letzten Augustwochenende in der Termindatenbank des NABU spannende Aktionen rund um heimische Fledermauspopulationen finden. Fledermäuse bundesweit erleben und schützen – nicht nur Batman und das Große Mausohr werden es zu schätzen wissen. Denn auch Bayern ist Fledermausland! ▪

► nabu.de ► bund-naturschutz.de ► lfu.bayern.de


KĂźnstler: Matthew Cusick

Stoppt den Klimawandel, bevor er unsere Welt verändert. www.greenpeace.de/helfen


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GESTERN, MORGEN, HEUTE – ZEITLOS IST DAS ELEND DER LEUTE

Vor zwei Jahrhunderten hatten es sich die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm zur Aufgabe gemacht, Geschichten neu zu schreiben, die ursprünglich über Jahrhunderte mündlicher Überlieferung aus den europäischen Massen sprudelten. Heute ist der Kontext ein bisschen anders. Aber die Geschichten sind die gleichen: Sex, Gewalt, Mord, Verstümmelung, Kannibalismus, Kindsmord ... Modern interpretiert und illustriert hat auch unsere Redakteurin Yael Curi die Märchen von Aschenputtel, Schneewittchen und dem Froschkönig.

IDEE UND UMSETZUNG: YAEL CURI


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ier t

ier t t n e s ä tpr entier t

ier t t n e s ä tpr ier t t n e s ä r #cur tp ier t t n e s ä pr rt e i t n e s rä #cur tp


FOTO: CAMILO JIMENEZ, UNSPLASH.COM

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60 curt präsentiert

#curtpräsentiert

KONZERTE Wir verlosen Freikarten für die aufgeführten Konzerte. Diese und noch viele andere Gewinnspiele findet ihr bei uns auf ► curt.de/muenchen


#cinematic #dreampop

0.

#pop #indie

© Marfa Capodanno

FLUT + ANKATHIE KOI MILLA

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#postmetal

PELICAN FEIERWERK

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#synthpop #dreampop

CHROMATICS MUFFATHALLE

© Andreas H. Bitesnich

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#pop #alternative #rock

VON WEGEN LISBETH TONHALLE

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KRUDER & DORFMEISTER ALTE KONGRESSHALLE

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#hiphop #rap

GADDAFI GALS FOLKS! CLUB

BODI BILL AMPERE . 10 0. /. 3 29

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#triphop #electronica #downtemp

#electronica #artrock #techno

PIXIES TONHALLE

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CHARLIE CUNNINGHAM MUFFATHALLE

#indie #rock

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#singersongwriter

ALLAH-LAS FREIHEIZ © Simon Foster

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#psychrock #garage #surf

5K HD AMPERE

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© Alesandra Howard

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© Dave Watts

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© Peter Banks

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© Katiawik

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© Nils Lucas

© Clemens Fantur

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#folk

MATTHEW AND THE ATLAS AMPERE


#contemporary #rnb #synth #pop

SHURA AMPERE

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1.

#2tone #ska #reggae

© Daniel Alexander Harris

THE SPECIALS TONHALLE

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#punkrock #alternative

FRANK CARTER & T. R. TECHNIKUM

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1.

#prog #metal #techninaldeathmetal

OPETH BACKSTAGE

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1.

#darkfolk #country

ORVILLE PECK FOLKS! CLUB

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#rock #pop

JOAN AS POLICE WOMAN HEPPEL & ETTLICH

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1.

© Oliver Bee

1.

#folk #indie #americana

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1.

#alternative #rock #posthardcore #hardcorepunk

THRICE & REFUSED TONHALLE

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#alternative #rock

SAM FENDER BACKSTAGE

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1.

WHITNEY STROM

CALEXICO AND IRON & WINE MUFFATHALLE

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#indie #folk

© Vanessa Heins

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© Piper Ferguson

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© Stuart Wood

62 curt präsentiert

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1.

#punk #hardcore

PUP BACKSTAGE

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#pubpunk

THE CHATS MILLA


EINTRITT FREI

FREITAG & SAMSTAG · 08. / 09. NOVEMBER ArOzA Crew · Black Voodoo Train · Cosma Joy · C-Ras · Das Ding ausm Sumpf · Deer Park Avenue · Die Prokrastination · Dirty Mike · Elena Rud · Endlich Rudern · Etzo · Eyeclimber · Fleur en fleur · Flokati · Flor and the Sea · Ghetto Royal · Jules Werner · Klimt · Laetizia · Lily Lillemor · LORiiA · Madpoly · Moritz Butschek · Nicolai · Paar · Poly Poly · Proximal · Samt · Seda · Stella Sezon · Stepanie Forryan · The Dirt · The Lone Dining Society · The Stringers · The Whiskey Foundation · Things That Need To Be Fixed · TPS Nostromo · Victoryaz

soundofmunichnow.de

MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON

/soundofmunichnow

PRÄSENTIERT VON


1.

#indie #rock #folk

© Detlef Overmann

HALF MOON RUN TECHNIKUM

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1.

#rock #blues

WELLBAD STROM

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1.

2.

#postindustrial #electronic

DIE KRUPPS STROM

2.

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2.

#hiphop

LOYLE CARNER MUFFATHALLE

2.

GURR FEIERWERK

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2.

#metal #rock

THEES UHLMANN TONHALLE

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#garage #rock

#alternative #indie #rock #rock

GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR TECHNIKUM

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BOY HARSHER AMPERE

#postrock

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#darkwave #electronic

DER NINO AUS WIEN MUFFATHALLE © David Visnjic

© Jennifer McCord

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#folk #indie

MOVITS! AMPERE

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TRIBUTE TO MONSTERS OF ROCK BACKSTAGE © Sebastian Weise

#hiphop #jazz

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© Andrew Lyman

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© Petramer.at

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© Charlie Cummings

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© Pamela Russmann

© Ulf Berglund

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2.

#indie #alternative

ERDMÖBEL STROM


HOCH 3 . München

GRENZENLOSE FAHRT

IN STADT UND LANDKREIS MÜNCHEN DANK 300 RADSTATIONEN

mvg.de/rad


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1.

© Joseph Branston

66 curt präsentiert

#hiphop #rap

#punk #indierock

THE MENZINGERS TECHNIKUM

© Florent Drillon

© David Jackson

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2.

CARAVAN PALACE TECHNIKUM © Joe Dilworth

1.

22

#pop electro #swing #jazz

STEEL PANTHER BACKSTAGE

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2.

HANNAH WILLIAMS FEIERWERK

#glam #hairmetal #sleazerock

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#funk #soul

YONAS FEIERWERK . 01 0. /3 . 29

06

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2.

#postpunk #noise #soul

ALGIERS STROM

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2.

#alternative #indie #pop #rock #rock

WANDA OLYMPIAHALLE

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3.

#black'n'roll #hardcorepunk

KVELERTAK BACKSTAGE

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3.

#pop

ALLI NEUMANN AMPERE



TEXT: TIM BRÜGMANN // FOTO: TITO & TARANTULA LP COVER

MEET HIM AFTER DARK

IM GESPRÄCH MIT TITO LARRIVA

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VERLOSUNG: Für das Konzert am 22. Oktober im Strom verlosen wir 2 x 2 Freikarten. Schreibt dazu eine E-Mail mit Betreff „Tito & Tarantula“ an willhaben@curt.de und mit etwas Glück ziehen wir euch aus dem Lostopf! Das Interview in voller Länge findet ihr auf► curt.de/muenchen.

Tito, wann hattest du das letzte Mal Angst? TITO: Öfter, doch eine gute Geschichte ist tatsächlich die, nachdem wir „After Dark“ aufgenommen hatten. Zusammen mit Steven Hufsteter war ich in einem fremden Haus. Ich hatte gerade den „After Dark“-Riff geschrieben und musste aufs Klo. Als ich so an der Toilette stand, dachte ich plötzlich, Stevie wäre mir gefolgt. Ich spürte, dass etwas hinter mir war, und mir war so, als hätte ich einen Typen in Blue Jeans gesehen. Als ich wieder runterging und ihn danach fragte, meinte er nur, dass er die ganze Zeit hier gewesen sei und wir schleunigst verschwinden sollten. Wir rannten zum Auto und er erzählte mir von einem homosexuellen Pärchen, dass sich in diesem Haus umgebracht haben soll. Und einer der beiden war für seine Blue Jeans bekannt. Tja, so haben wir „After Dark“ dann im Auto mit mächtig viel Schiss zu Ende geschrieben. Erst dieses Jahr sind in deiner alten Heimat El Paso viele Menschen auf grausame Weise ums Leben gekommen. Wie gehst du damit auch als Musiker um? TITO: Die Leute sind dumm. Es ist aber nicht Dummheit, sondern Ignoranz. Die Leute lassen sich schnell umprogrammieren, weil ihnen die Informationen fehlen. Es ist traurig, doch diese Menschen glauben nur an das, womit man sie täglich füttert. Doch wie erzieht man diese Leute? Wie erklärt man ihnen, dass Immigranten mehr zur Gesellschaft beitragen, als sie nehmen? Sie weigern sich, das zu glauben. An dem Tag, als Trump gewählt wurde, habe ich draußen vor meinem Haus einen Zaun repariert. Ein Kerl fuhr mit seinem Truck vorbei und schrie: „Go back to fucking Mexiko!“ Das ist mir bisher noch nie passiert. Das war das erste Mal. Fünf Minuten später kamen zwei Biker vorbei und beleidigten mich als Bohnenfresser und mehr. Einen Tag nach Trump. Das Witzige jedoch ist, dass diese zwei Jungs vermutlich meine Alben im Regal stehen haben. Es tut mir leid, das Thema aus der Schublade zu ziehen, aber du hast vor langer Zeit in einem Film mitgespielt. In „From Dusk Till Dawn“ warst du als Vampir zu sehen. Gibt es eine Anekdote, die du bisher noch nicht erzählt hast? TITO: Ich habe vermutlich jede Story erzählt, doch eine gibt es vielleicht. Lolita war vier Jahre alt und Harvey Keitels Tochter hat einen blutigen Vampirfinger aus Plastik gefunden. Lolita trug goldene Ohrringe, die sie gegen den Vampirfinger tauschte. Meine Frau war natürlich nicht sehr begeistert. LOLA: Den Finger habe ich übrigens immer noch. (lacht) Zu guter Letzt eure Lieblings-Horrorfilme. LOLA: „The Last Circus“. Das ist einer aus Spanien, ziemlich heftig. „Lesbian Vampires“ ist auch nicht schlecht. (lacht) TITO: Als Kind mochte ich Vincent Price und sah all seine Filme. „The Pit and the Pendulum“ war einer der gruseligsten, als ich jung war. Ich hab versucht, alles Mögliche zu sehen. „Flesheaters“ aus den 50ern fällt mir noch ein, oder eben „Shining“. Natürlich mag ich auch „Dracula“ oder „Frankenstein“, aber heute gucke ich gar nicht mehr viel. Ich habe genug selbst in verrückten Filmen mitgespielt. ▪

Ganze 23 Jahre ist es her, dass sich Tito Larriva ins Gedächtnis der Popkultur eingebrannt hat. Mit seinem sleazy Chicano-Twang klampfte sich der Schauspieler und Musiker in Robert Rodriguez’ „From Dusk Till Dawn“ und mit dem Song „After Dark“ zu Weltruhm. Drei Jahrzehnte später ist es um den Mann aus Juárez nicht still geworden. Endlose Tourneen führten ihn wieder zurück nach El Paso, wo schließlich das langersehnte neue Album „8 Arms to Hold You“ entstand. Bevor Tito & Tarantula am 22. Oktober den Strom Club beehren, trafen wir den Ex-Vampir und seine Tochter Lola zum Horror-Talk.

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AUS DEM LEBEN EINER HORRORPUNK-COVERBAND

MORBID IST IMMER BESSER 70 curt TEXT: LEA HERMANN // FOTO: THE MUNICH FIEND CLUB


THE MUNICH FIEND CLUB LIVE: 31. Oktober 2019 // Eckersberger 13, Schwere-Reiter-Straße 13 // ab ca. 21 Uhr // Eintritt: 3 Euro

Dass Coverbands eigentlich unnötig sind, wissen alle vier. „Wir sind aber leider besser als die Misfits“,geben The Munich Fiend Club die gängige Meinung fachkundiger Hörer wieder und sagen das sogar etwas geknickt. „Jetzt haben sie ja wieder Glenn Danzig dabei. Aber davor haben uns alle immer als besser bezeichnet. Weil wir die Mischung aus zwei Ären, über die dritte will ich gar nicht reden, gut hinbekommen haben.“ Ihre Setlist ist eben zum Sterben gut.

Mit Schminke und Kunstblut kann sich Münchens Antwort auf die Misfits allerdings noch immer nicht wirklich anfreunden. Aber was tut man nicht alles, um eine gute Show abzuliefern. In Jena kam es nach einem Konzert zu einer skurrilen Szene, als sich Martinez de la Muerte in einem öffentlichen Klo mühsam das Theaterblut abwusch: „Da kam ein Typ rein und hat mich ganz erschrocken gefragt, ob ich Hilfe bräuchte.“

Die Gigs mit The Munich Fiend Club sind für die vier Mitglieder, die alle auch in anderen Münchner Bands spielen, noch immer etwas Besonderes. Fast wie Weihnachten, nur eben blutiger und ohne Geschenke. Und im Laufe der Karriere hat das Quartett aus seinen Fehlern gelernt: Sie fressen den Veranstalter erst, nachdem sie bezahlt wurden. Immerhin sind die dunklen Kutten und die schweren Ketten, die sie für ihre Shows tragen, die perfekte Verkleidung für ein Verbrechen.

Mittlerweile sind The Munich Fiend Club – der Name eine Anspielung an den Fan-Club der Misfits – gefragt, wenn es um Live-Shows in der dunklen Jahreszeit geht. Sie sind quasi Saisonarbeiter des Bösen. „Ohne uns kein Halloween“, sagt Bassist Martinez de la Muerte daher nicht zu Unrecht. Wobei es meist eher Feierwütige als echte Horrorpunk-Fans sind, die rund um Samhain eine blutige Show sehen wollen. „In München gibt es auch keine Szene. Gar nicht“, sagt Evil (Eye) Axely. „Nur ein paar vereinzelte MisfitsFans, die eher auf das neuere Zeug stehen.“ Daran scheiden sich nämlich die Genre-Geister. Schließlich verließ Glenn Danzig 1983 die Band und es ging ohne ihn weiter. Seit 2016 spielt er wieder Konzerte mit der finsteren Kultkapelle. Happy End im Horrorpunk.

Als das damals mit The Munich Fiend Club losging, gab es den Begriff „Horrorpunk“ noch gar nicht. Laut Wikipedia ein Mix aus Punk, Rockabilly und dem Surf Rock der frühen 60er. Die Songs handeln von Blut und Knochen, Mysterien und der Verlockung des Bösen – das fasziniert die Menschheit ja schon von Beginn an. Morbid ist immer besser!

Mit Unterbrechung covert der vierköpfige THE MUNICH FIEND CLUB seit Ende der 90er-Jahre die Lieder der Szene-Größen. „Ich bin Fan von klein auf“, schwärmt Sänger Evil (Eye) Axely. „Die Songs sind schön melancholisch, haben aber auch etwas Brutales und Trashiges von alten Filmen.“

Wenn das Laub anfängt, modrig zu riechen, und Halloween vor der Tür steht, ist ihre Zeit gekommen. Dann kriechen sie aus ihren Särgen, kramen die alten Platten heraus und kippen sich literweise Kunstblut über die Körper. „This day anything goes“, sang schon Glenn Danzig, Gründer der Misfits, über den 31. Oktober.

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LOVESTORY STATT SCHAUERG’SCHICHT

FETTES BROT

Die „erfolgreichste deutsche Nachwuchsband“ von 1996 ist zurück. Fettes Brot – das sind Björn Beton, König Boris und Dokter Renz – zählen zu Deutschlands amtierenden Hip-Hop-Größen. In fast 30 Jahren Bandgeschichte haben sich die drei Wortakrobaten aus der Hansestadt von so ziemlich jeder Seite gezeigt. Deutsch-Rap alter Schule, norddeutscher Disco-Rap und immer Spiegel der gesellschaftlichen Stimmung. Fettes Brot gehen mit vielen Belägen gut und haben auch bei schwierigen Themen stets Haltung bewiesen. Gegen die „ekelhafte, menschenverachtende Dunkelheit“, aber keineswegs mit der Moralkeule hat uns die Band nun ihr neuntes Studioalbum „Lovestory“ mitgebracht. TEXT: TIM BRÜGMANN // ILLUSTRATION: EDGYANDCHEESY.COM

Ihr seid zurück und habt euer neues Album „Lovestory“ im Gepäck. Jetzt schreibt ihr nicht zum ersten Mal Songs über die Liebe: Welches Mission Statement habt ihr euch diesmal auf die Fahne geschrieben? DOKTER RENZ: Wir hatten sogar das Gefühl, dass es eine unserer Kernkompetenzen ist, Lovestorys zu schreiben. Mission Statement ... Sagt man das so? Klingt gut, aber erst mal haben wir uns ausgetobt und thematisch überhaupt nicht eingeschränkt. Dabei ist viel unterschiedliches Zeug entstanden. Teilweise grotesk, teilweise großartig. Als wir dem engsten Kreis die ersten Demos vorgespielt haben, fielen kurioserweise zwei Liebeslieder besonders auf. Und dann stand auf einmal die Idee im Raum, daraus eine thematische Klammer zu machen. Wir haben ein bisschen damit gerungen, ob das Konzept überhaupt noch so zeitgemäß ist, aber es ist hängen geblieben und hat uns begleitet. Wir hatten den Eindruck, dass uns das hilft, uns zu fokussieren. ►


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Auch wenn Liebe ein universelles Thema ist und nicht besonders viel ausschließt. Trotzdem hat es zu einer gewissen Fokussierung der Kreativität geführt. KÖNIG BORIS: Wir haben versucht, ungewöhnlichere Perspektiven zu finden. Wir wollten mitnichten eine womöglich kitschige Balladenplatte machen. Das Ziel war es, die Liebe aus anderen Perspektiven zu betrachten, an die man im ersten Moment vielleicht nicht denkt. Wie etwa die erste Single „Du driftest nach rechts“? KB: Wenn man so die Kommentare zum Video anschaut, ist es wohl sehr richtig und wichtig, heutzutage so einen Song zu schreiben. Die TabuBrüche links und rechts können einem schon Sorgen machen – und die Einschläge kommen näher. Es kommt immer dichter ran, dass Menschen, die man kennt, anfangen, menschenverachtende Sachen von sich zu geben und Meinungen zu haben, die vor Jahren undenkbar oder sozial isolierend gewesen wären. Und jetzt ist das in bestimmten Kreisen gesellschaftsfähig. Da hatten wir das Gefühl, einen Song zu diesem Phänomen machen zu müssen. Es gab schon immer Faschos, aber jetzt bohrt sich das in die Mitte der Gesellschaft und das ist das Unheimliche daran. DR: Was wir über Klickzahlen beispielsweise feststellen, ist, dass es geklappt hat. Wir werden nicht auf die norddeutschen Disco-Rapper reduziert. Davor hatten wir anfangs Angst, aber das ist jetzt auch fast dreißig Jahre her … (lacht). Immerhin das haben wir geschafft. Es ist im Mainstream angekommen, dass Fettes Brot lustig und ernst können und beides selbstverständlich zu unserer Ausdrucksform gehört.

Habt ihr nicht manchmal Angst, was auch jüngere Rapper wie Lance Butters in ihren Texten behandeln, irgendwie altersscheiße zu werden? BJÖRN BETON: Das bleibt ja nicht aus, das neue Leute nachwachsen. Sowohl Hörer als auch Künstler. Das ist deren gutes Recht, ja sogar Pflicht, irgendwie die Altvorderen zu provozieren. Die Gefahr besteht natürlich für jede Band. Und wahrscheinlich werden die Leute, mit denen du rumhängst und die dein oder mein Alter haben, bei einer bestimmten Musikgeneration gelandet sein. Wenn ich bei meiner Tochter in der Klasse rumfrage, würde da was ganz anderes rauskommen. DR: Fettes Brot, findest du die scheiße? Nein, ich weiß gar nicht, wer das ist … (lacht). KB: Nein, die Angst, scheiße zu sein, treibt einen ja auch in jungen Jahren rum. Man will ja immer geil sein und hat ein bisschen Sorge. Klar, wenn man viel gemacht hat und schon Erfolge hatte, möchte man auf dem Level weitermachen. Aber ich glaube, den Fehler, sich damit allzu sehr zu beschäftigen, sollte man als Band gar nicht machen. Man sollte auf das gucken, was man vorhat und worauf man Bock hat, und die Möglichkeiten sehen. Man muss Spaß bei dem haben, was man macht, und sich begeistern. Dann stehen die Chancen ganz gut, dass das andere Leute auch gut finden. BB: Ich glaube, je mehr man sich mit dem Alter beschäftigt, umso größer wird auch die Gefahr, dass das spürbar wird und zu viel Einfluss nimmt. Das ist nur ein Aspekt unter 10 Millionen. Letztendlich hat man das nicht in der Hand und kann nur das machen, was einem selber gut gefällt. Und wenn das nur für 30- bis 40-Jährige ist, dann ist es eben das. Ich glaube nicht, dass man das so genau für sich bestimmen kann. KB: Wir haben allerdings den Eindruck, dass der Altersdurchschnitt unserer Zuhörerschaft recht heterogen ist. Da ist, glaube ich, alles dabei.


Was ist nach all der Zeit das Spannendste für euch an Fettes Brot? DR: Wir alle verändern uns. Wir sind drei Individuen, man glaubt es kaum, und wir arbeiten uns natürlich immer wieder aneinander ab. So lernen wir uns auch immer wieder neu kennen. Wir sind ein System, dass sich umeinander gebildet hat. Es bleibt spannend, weil es eine Mischung aus Familie, Spaß, Beruf und dem, was wir am liebsten tun, ist. Das einzige Handwerk, das wir beherrschen, ist die Musik. Aber ja, was Björn schon angesprochen hat: Das Prinzip, unvorbereitet auf die Bühne zu gehen und das Gefühl zu haben, dass das reichen könnte, aber auch in die Hose gehen kann, macht total Spaß. Das fühlt sich wirklich gut an. KB: Wir sind ja auch Fans von Musik und guter Unterhaltung anderer Leute. Und dann denk ich mir, ja, das will ich auch machen. So einen geilen Song schreiben, so eine geile Show haben. Dann weiß ich auch, dass wir die Möglichkeit dazu haben, was ein wahnsinniges Privileg ist. Das reicht schon als Motivation. Könnt ihr euch ein Leben ohne Fettes Brot überhaupt vorstellen? DR: Ich frage mich immer, ob man in einem anderen beruflichen Umfeld so eine persönliche Freiheit hätte entwickeln können, wie wir uns das als Musiker erlauben konnten. Da gibt es nicht viel und da muss man lange für suchen. Wir haben keinen Boss, wir müssen nicht zu irgendeiner bestimmten Zeit aufstehen. Also außer heute und gestern ... (lacht). Klassisches Selbstständigen-Schicksal vielleicht? Da bin ich schon sehr dankbar für, dass ich so ein Leben führen darf und dass es reicht, damit Familien zu ernähren. KB: Wahllos! Man sucht sich immer welche aus, die man gerade trifft, und sagt: „Euch ernähr ich jetzt mal für zwei Monate!“ Und wir sagen: Vielen Dank, Fettes Brot, für 25 Jahre Nährwert! ▪

Von höchstem Nährwert ist auch unsere Ticketverlosung für das Konzert am 26. Oktober im Zenith. Zur Feier des Tages schmieren wir euch 2 x 2 Freikarten aufs Brot. Schreibt dazu einfach eine E-Mail mit Betreff „Fettes Brot“ an willhaben@curt.de. Das Gewinnspiel findet ihr auch bei uns online auf ► curt.de/muenchen

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IM VERLASSENEN WAISENHAUS ESCAPE GAME MÜNCHEN

Plötzlich ist es stockfinster, Kinder kreischen in der Ferne und eine Tür fällt laut ins Schloss: Scheiße. Was tun? Und wie kriegen wir jetzt bloß das Licht wieder an? Gerade noch war es taghell. Schließlich ist es ein sonniger Samstagmittag Ende August. Bei dem Wetter hätten wir eher im Westpark, der gleich gegenüberliegt, chillen sollen, statt der freundlichen Mitarbeiterin in den dunklen Keller eines unscheinbaren Gebäudes zu folgen. Keller = Verließ und somit eine ganz schlechte Idee. Das kennen fachkundige Zuschauer aus diversen Horror-Filmen. Aber wir wollten es ja nicht anders … Wir wollten eine Stunde im „Verlassenen Waisenhaus“ verbringen und uns aus selbigem wieder befreien. ►


TEXT: LEA HERMANN // FOTOS: ESCAPE GAME MÃœNCHEN, CHRISTIAN GRETZ

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Seit ein paar Jahren sind „Escape Rooms“ der heiße Scheiß, nicht nur wenn es um Geburtstage, Team Building Events oder Junggesellen-Abschiede geht. „Escape Game München“ hat für Spieler 16 verschiedene Räume mit Titeln wie „Die Hexe“, „Saw“ oder „In der Todeshöhle“ im Angebot. Rund eineinhalb Jahre dauerte es, bis diese Zimmer von der Idee bis zur Deko und Elektrik fertiggestellt waren. Der Trend schwappte von Japan aus nach Europa. Ihm zugrunde liegen simple, um die Jahrtausendwende entstandene PC-Games, in denen Spieler Rätsel lösen, um von einem Raum in den nächsten zu gelangen. Die Real-Life-Version funktioniert im Grunde nicht anders. Nur ist das echte Leben eben viel gruseliger als die Simulation. Schließlich werden mehr Sinne angesprochen, allen voran das Haptische. Anfassen ist erlaubt, Gewalt nicht. „Alles was aufgehen soll, geht auf. Alles andere nicht“, erklärt uns die Mitarbeiterin von „Escape Game München“ vor unserem Spiel – und dass im Eifer des Gefechts schon so mancher Einrichtungsgegenstand zu Bruch gegangen ist. Also besser aufpassen. Dann fügt sie noch hinzu, dass wir die einzigen Lebewesen in den Räumlichkeiten des Spieles seien. Irgendwie beruhigend zu wissen. Und dann geht’s auch schon los. Wir haben, bewaffnet mit einem WalkieTalkie für Notfälle, 60 Minuten, um uns Ur-Ängsten wie Dunkelheit und der Furcht vor dem Unbekannten zu stellen. Und das in einem verlassenen Waisenhaus, gelegen in einem großen, finsteren Wald. Plötzlich sind wir mitten in der Geschichte und haben der Wirklichkeit den Rücken gekehrt. Schließlich lassen Stuckdecken, Rußflecken und okkulte Runen an den Wänden uns schnell vergessen, dass wir uns eigentlich in einem Münchner Keller befinden. Die liebevolle Deko ist ein echter Hingucker. Und oft nur zu Ablenkungszwecken da, um uns in die Irre zu führen.


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Das „Verlassene Waisenhaus“ ist eine irre Mischung aus „Blair Witch Project“, „Hänsel und Gretel“ und Sudoku. Denn natürlich sind logisches Denken und ein messerscharfer Verstand gefordert. Dabei werden erwartungsgemäß viele Klischees aus dem Horror-Genre erfüllt. Das Zeitgefühl ist vor lauter Anspannung und Neugierde schnell verloren. Handys darf man nicht mit hineinnehmen. Und manchen Trick, den sich die Betreiber ausgedacht haben, checken wir einfach nicht. Es ist oft wie von Geisterhand. Zu fünft suchen wir die kleinen Räume nach Hinweisen ab. Bei jeder versehentlichen Berührung von einem der Mitstreiter zucken wir erschrocken zusammen. Bei sechs Leuten, der maximalen Anzahl an Spielern, wäre es noch enger geworden. Nach der ersten erfolgreich geöffneten Tür ist die Erleichterung groß. Was genau und welche Rätsel im „Waisenhaus“ warten, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Wir wollen ja keine Spielverderber sein. Nur so viel: Bei jedem gelösten Rätsel jubeln wir und erkunden aufgeregt den nächsten Raum. Und ein, zwei Mal, aber wirklich nicht öfter, haben wir via Walkie-Talkie einen Schubs in die richtige Richtung bekommen. Mit vollem Einsatz haben wir es irgendwann dann tatsächlich geschafft: Wir sind entkommen. Die letzte Tür öffnet sich. Wir müssen nicht für immer im Waisenhaus bleiben. Wir können wieder zurück in die wirkliche Welt. Und das Beste: Wir hätten noch drei Minuten Spielzeit übrig gehabt. Glücklich stehen wir im Sonnenlicht. Mit der festen Überzeugung: Wir wollen noch mal! ▪

► escapegame-muenchen.de


KRISFFER AEVIEL CABRAL. UNSPLASH.COM

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CURT MAGAZIN MÜNCHEN

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