crescendo 1/2012, Ausgabe Februar / März 2012

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h ö ren & sehen

Jazz

Bugge Wesseltoft

Pure Desmond

Allein, akustisch

Wie ein trockener Martini

Bugge Wesseltoft ist ein sanfter Modernisierer des Jazz. Schon Ende der Neunzigerjahre mit einer „New Conception of Jazz“ befasst, die die lyrischen Ansätze ihres Namensgebers Bill Evans mit modernen Produktionsmitteln vereint, wurde die Musik des norwegischen Pianisten und Produzenten in den letzten Jahren zunehmend elektronischer. Wessel­ tofts neues Album „Songs“ ist, obwohl es iTunes im Genre „Electronica“­ listet, das genaue Gegenteil: Allein, akustisch und ohne elektronische Sperenzien spielt der 48jährige neun Jazz-Standards am Flügel. Die klassischen Melodien von Jimmy Van Heusen, Steve Kuhn oder John Coltrane harmonieren in diesen ruhigen und traumhaften Soloversionen nicht nur, sie entfalten auch ihre ganze Kraft. Romantische Klavier­musik mit Wurzeln im Jazz, die sicher auch Freunden moderner Popmusik gefällt. Der Interpret selbst ist schließlich davon überzeugt: „Wenn man sich wirklich tief mit Musik beschäftigt, geht es gar nicht so sehr um Stil, sondern mehr um die Gedanken hinter der Musik.“ GB

„Ich glaube ich hatte es im Hinterkopf, dass ich wie ein trockener Martini klingen wollte“, meinte Paul Desmond. Der amerikanische Altsaxophonist hat mit seinem coolen Cocktail-Sound den Jazz der Sechzigerjahre entscheidend geprägt. Nicht nur im Quartett des Pianisten Dave Brubeck, sondern auch unter eigenem Namen. „Pure Desmond“ widmet sich seit zehn Jahren den lockeren, aber dicht gewobenen Klang­ strukturen seines „piano-losen“ Ensembles. Auf „When Lights Are Low“ gelingt es dem Quartett um den Saxophonisten Lorenz Hargass­ ner erneut, die Qualitäten des Vorbilds nicht nur zu interpretieren, sondern zu leben. Hervorragend gespielt, mal lässig walzernd, dann wieder subtil swingend, liefert dieses Programm aus Jazz-Standards und Eigenkompositionen den idealen Soundtrack für zweisame Kamin­ abende oder elegante Cocktail-Partys. Ob die Martinis dazu gerührt oder geschüttelt sind, bleibt Geschmackssache. GB

Pure Desmond: „When Lights Are Low“ (Minor Music)

Bugge Wesseltoft: „Songs“ (Jazzland)

Lars Danielsson

Konstruiert statt inspiriert „Die Wortneuschöpfung „Liberetto“ bezeichnet eine bestimmte Stimmung, in der ich meine Musik entwickeln möchte“, erklärt der schwedische Bassist und Cellist Lars Danielsson und verweist auf Vorgängeralben mit Wortspielen und Klassik-Verweisen, sowie auf „die Freiheit, die ich meiner Musik immer vermitteln möchte.“ Nach „Pasodoble“ und „Tarantella“ erschließt sich der 53jährige auf diesem Album erneut eine schöne, neue Kammerjazzwelt. Neu sind dabei vor allem die Mitmusiker Tigran am Piano, der auch einige der Kompositionen beisteuert, und der ehemalige e.s.t.Drummer Magnus Öström. Und auch wegen Arve Henriksens süffiger Trompete und dem zurückhaltenden Spiel des Gitarristen John Parricelli ist vor allem der Gesamtsound des Albums schön. Manchmal vielleicht sogar zu schön. Die leinwandbreiten Klangbilder, die schlichten Melodien und Rhythmen, die etwa bei „Svensk Låt“ oder „Party On The Planet“ fast nach einem e.s.t.-Tribut klingen, wirken wie der Albumtitel: eher konstruiert als inspiriert. GB

Lars Danielsson: „Liberetto“ (Act)

Oscar Peterson Trio

Aus einer anderen Welt

Oscar Peterson Trio: „The Stuttgart Concert“, DVD (Inakustik)

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www.crescendo.de

Februar / März 2012

Foto: Jan Soederstroem

Lars ­Danielsson

Zuerst betritt Drummer Kenny Drew die Bühne. Er spielt schon eine halbe Minute, als der Bassist Dave Young sich noch verbeugt. Sobald die Rhythmusgeber ihren walkenden Groove gefunden haben, steht auch der Star des Abends im Spotlight. Wie der „Maharadscha der Klaviertasten“, als den ihn Duke Ellington titulierte, schreitet der damals 63jährige Kanadier zu tosendem Applaus seinem Bösendorfer entgegen und beginnt zu spielen. Während der nächsten achtzig Minuten zeigt Peterson – in nahezu telepathischer Verbindung mit seinen Begleitern – auf dieser DVD alle Facetten seines enormen Könnens. Das Trio spielt in dieser Aufzeichnung des „ZDF Jazz Club“ vom 25. April 1988 vor allem enorm swingend und aufs rasanteste virtuos, aber auch herzergreifend sentimental, etwa bei Petersons „Love Ballade“. Ein wunderbares Zeitzeugnis, keine fünfundzwanzig Jahre alt und doch aus einer ganz anderen Welt. GB


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