Bayerischer Monatsspiegel #150

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POLITIK & WIRTSCHAFT Vorschrift zum einen eine Garantie des Habens, zum anderen eine solche des Ausnützendürfens des Eigentums und schützt schließlich damit auch die Veräußerung der oder die Verfügung über die Eigentumsposition. Allerdings steht diese Eigentumsposition nicht für sich allein in einem weitgehend inhaltsleeren Raum. Vielmehr, und hier gewinnt nun der Gemeinschaftsbezug

Eigentum verpflichtet ! an Kontur, wird die Eigentumsgarantie durch die Sozialbindung des Eigentums ergänzt und beschränkt. „Eigentum verpflichtet“ heißt es daher ganz lapidar in Art. 14 Abs. 2 GG. Und weiter: sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Hierdurch wird eine verfassungsrechtliche Direktive für den Gesetzgeber festgelegt, im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums das Ziel der Sozialpflichtigkeit und Sozialgebundenheit allen Eigentums zu verfolgen. Was allerdings die Teilnahme des Einzelnen am Marktgeschehen angeht, ist festzuhalten, dass derjenige einem Trugschluss unterliegt, der eigennütziges Handeln des Einzelnen per se für das Gemeinwohl unverträglich hält. Das Gegenteil ist der Fall. Ein anschauliches und beliebtes, auf Adam Smith zurückgehendes Beispiel hierfür ist der Bäcker, der vordergründig nur in die eigene Tasche wirtschaftet, im Ergebnis aber mit seinem Brötchen Menschen verpflegt sowie mit seinen Steuern zur Finanzierung des Staates beiträgt, anderen Menschen Arbeits-

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plätze zur Ver­f ügung stellt und über Sozialabgaben die Sozialversicherungssysteme mitfinanziert. Der Marktteilnehmer, der in dieser scheinbar privatnützigen Weise seine grundrechtlichen Frei­heiten nützt, handelt – sei es auch nur mittelbar und mög­ licherweise sogar unbewusst – im Sinne des gemeinen Wohls. Die Eigentumsordnung, auch und gerade die der Wirtschaft, soll wegen ihrer politischen Explosivität nicht zur kurzfristigen Disposition wechselnder politischer Mehrheiten stehen. Die Eigentumsgarantie erfordert das subjektive Privatrecht als die rechtlich anerkannte Willensmacht, als ein Mittel der Gestaltung der Sozialordnung durch den Einzelnen. Dieser soll eigenver­­ant­wortlich, autonom und mit privatnütziger Zielsetzung am Auf­bau und an der Gestaltung der Rechts- und Gesellschaftsordnung mitwirken.

3. Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit Wenn von einer Kultur der Eigenverantwortung gesprochen wird, wenn manchmal sogar von einem neuen Gesellschaftsvertrag die Rede ist, der die Staatsverantwortung in moderater Weise zurückführt, dann basiert das regelmäßig auf einer Einschätzung der staatlichen Leistungsfähigkeit, die man im besten Fall als äußerst bedenklich bezeichnen kann und nach der die Forderung einer Reduktion von Staatsverantwortung nicht nur als sinnvoll, sondern vielmehr als unabdingbar erscheint.

Bayerischer Monatsspiegel 150_2008


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