Bayerischer Monatsspiegel #150

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POLITIK & WIRTSCHAFT Helmut Liedermann

Der Weg zum gemeinsamen Europa führt über die Schlussakte der KSZE von Helsinki Wenn man sich mit Ursprung, Verlauf und Bedeutung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), später Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) befasst, unterscheidet man grundsätzlich zwei verschiedenen Epochen: die Zeit bis zur Unterzeichnung der Schlusskate der KSZE in Helsinki am 1. August 1975 inmitten ideologischer Gegensätze im Rahmen des Kalten Krieges und die Zeit danach, die in den Zerfall der kommunistischen Machtstrukturen, insbesondere in der ehemaligen Sowjetunion, mündete. Was die erste Periode betrifft, verweist der Verfasser darauf, dass die Initiative zur Einberufung einer „Europäischen Sicherheitskonferenz“ mit dem Ziel der Errichtung eines Systems kollektiver Sicherheit in Europa von der Sowjetunion ausging; eine Initiative, der die westlichen Staaten lange Zeit ablehnend gegenüberstanden, weil auf diesem Weg der Idee einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG) und der NATO die Existenzberechtigung ent­ zogen werden sollte. Außerdem bestand die Befürchtung, dass die Politik der Sowjetunion auf die Loslösung der westeuropäischen Staaten von den USA und auf deren Neutralisierung gerichtet war und die Sowjetunion hegemoniale Stellung in Europa erringen wollte. Schließlich wollte man unbedingt vermeiden, dass die Konferenz im Ergebnis zu einem Ersatzfriedensvertrag führte, der die Nachkriegsgrenzen und die politischen Strukturen in den osteuropäischen Staaten sanktioniert hätte. Der Verfasser erinnert ferner daran, dass die Sowjet­union vergeblich versuchte, durch den Vorschlag zur Schaffung eines „Systems kollektiver Sicherheit in Europa“ das Fort­schreiten der Westintegration der Bundesrepublik Deutschland durch die Pariser Verträge (Oktober 1954) zu ver­eiteln. Daran konnte auch die auf Initiative der Sowjet­ union im Mai 1955 erfolgte Gründung des Warschauer Paktes nichts mehr ändern. Dennoch setzte die Sowjetunion ihre Bemühungen fort, eine europäische Sicherheitskon­ fe­renz einzuberufen. Weiterhin war jedoch das Interesse der Sowjetunion an einer Zementierung der Teilung Deutschlands und Zweiteilung Europas klar erkennbar.

der Organisation und erklärte sich bereit, alle geeigneten Verhandlungsmöglichkeiten zu untersuchen. Aber erst nach der Unterzeichnung der „Ost-Verträge“ durch die Bundesrepublik Deutschland (Sowjetunion 1971, Polen 1971, DDR 1972) durch die Bereitschaft der Sowjetunion (1971) zu Verhandlungen über die gegenseitige ausgewogene Truppenverminderungen (MBFR) und nach der Viermächtevereinbarung über Berlin (1971) eröffnete sich dem Westen die Möglichkeit zu einer aktiven Entspannungspolitik. Auf Einladung der finnischen Regierung fanden vom 22. November 1972 bis 8. Juni 1973 in Helsinki/Dipoli Konsultationen von Vertretern aller europäischen Staaten mit Ausnahme Albaniens, aber einschließlich der USA und Kanadas mit dem Ziel statt, ein Mandat über eine KSZE auszuarbeiten. Bei diesen Konsultationen traten die ideologischen Gegensätze zwischen West und Ost sehr heftig in Erscheinung. Dennoch konnte die von den Delegierten in Helsinki/Dipoli konzipierten „Schlussempfehlungen der Helsinki-Konsultationen“, die schon wesentliche Elemente der am 1. August 1975 auf höchster politischer Ebene unterzeichneten Schlusskate der KSZE enthielten, von den Außenministern am 8. Juni 1973 in Konsens gutgeheißen werden. In der damals vorherrschenden Atmosphäre des Misstrauens kam der KSZE besonders große Bedeutung auch für die Sicherung des Friedens zu. Der endgültige Text der Schlussakte wurde 1973–1975 in Genf erarbeitet, ohne Zuhilfenahme eines großen Apparates, wobei informelle Konsultationen der Delegierten eine maßgebliche Rolle spielten und auch große Bedeutung

Die NATO beantwortete die östlichen Vorstellungen am 11. April 1969 anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens Brandenburger Tor im Dezember 1989 kurz vor dem endgültigen Fall der Mauer. Das Tor ist von der Ostberliner Seite bereits frei zugänglich.

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