Länderbericht Hessen LBS-Kinderbarometer 2018

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Deutschland 2018 Länderbericht Hessen

Stimmungen, Meinungen, Trends von Kindern und Jugendlichen in Hessen

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LBS-Kinderbarometer Deutschland 2018 – Länderbericht Hessen Stimmungen, Meinungen, Trends von Kindern und Jugendlichen in Hessen Ergebnisse des Erhebungsjahres 2017

Ein Projekt der hessenstiftung – familie hat zukunft und der LBS Hessen-Thüringen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) Landesverband Hessen e. V. unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministers für Soziales und Integration Stefan Grüttner Durchführung: PROSOZ Institut für Sozialforschung PROKIDS

Juli 2018



hessenstiftung – familie hat zukunft Dr. Ulrich Kuther Darmstädter Straße 100 64625 Bensheim Homepage: www.hessenstiftung.de

Landesbausparkasse Hessen-Thüringen Strahlenbergerstraße 13 63067 Offenbach Homepage: www.lbs-ht.de

PROSOZ Institut für Sozialforschung PROKIDS PROSOZ Herten GmbH Ewaldstraße 261 45699 Herten Telefon: 02366 / 188-118 Telefax: 02366 / 188-251 E-Mail: prokids@prosoz.de Homepage:www.kinderbaromter.de Twitter: @prokids_

Autorinnen: Judith Razakowski Maren Gottschling Typografie und Layout: Marion Kaltwasser



Inhaltsverzeichnis Grußwort des Hessischen Ministers für Soziales und Integration....... 9 Grußwort des Sprechers der Geschäftsleitung der Landesbausparkasse Hessen-Thüringen.......................................... 12 Grußwort der Vorsitzenden des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband Hessen e.V. ............................................................ 14 1

Hintergrund .............................................................................. 17 Die Studie .................................................................................. 19 Das Erhebungsinstrument ......................................................... 20

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Zusammenfassung .................................................................. 23

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Stichprobenbeschreibung ...................................................... 29

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3.1

Geschlechterverteilung .................................................... 29

3.2

Migrationshintergrund ...................................................... 30

3.3

Arbeitslosigkeit................................................................. 30

3.4

Familienstatus.................................................................. 31

3.5

Altersverteilung ................................................................ 33

3.6

Verteilung auf die Jahrgangsstufen ................................. 33

3.7

Schultypenverteilung ....................................................... 33

3.8

Wohnumfeld..................................................................... 34

Allgemeines Wohlbefinden ..................................................... 35


5

6

7

8

Gesundheit und Ernährung .................................................... 37 5.1

Häufigkeit des Krankfühlens ............................................ 37

5.2

Gesunde Ernährung ........................................................ 38

5.3

Gesundheit und Wohlbefinden ........................................ 39

Zukunft ...................................................................................... 41 6.1

Vorstellung und Einschätzung zum späteren Leben ....... 41

6.2

Berufsvorstellungen ......................................................... 43

6.3

Zukunft und Wohlbefinden ............................................... 51

Toleranz..................................................................................... 53 7.1

Einstellung und Toleranzempfinden ................................ 53

7.2

Toleranz gegenüber unterschiedlicher Gruppen ............. 56

7.3

Toleranz und Wohlbefinden ............................................. 63

Mitbestimmung ......................................................................... 65 8.1

Mitbestimmung in der Familie .......................................... 65

8.2

Mitbestimmung in der Schule .......................................... 68

8.3

Mitbestimmung in der Stadt bzw. Gemeinde ................... 70

8.4

Mitbestimmung und Wohlbefinden .................................. 78


Grußwort des Hessischen Ministers für Soziales und Integration

Liebe Leserinnen und Leser, Kindern Gehör und eine Stimme in der Öffentlichkeit zu verleihen, ist Ziel des Kinderbarometers. Denn Kinder ha© Hessisches Ministerium für Soziales und Integration ben nicht nur ein Recht auf Schutz und Förderung, sie haben auch ein Recht auf Mitbestimmung und Beteiligung in allen sie betreffenden Belangen. Über den engen Rahmen der Familie hinaus gilt es, die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung ihres Lebensraums aufzugreifen. Sie sollen ihre Interessen in die Planungs- und Entscheidungsprozesse des Gemeinwesens einbringen können. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen liegt im besonderen Interesse der Kinder-, Jugendund Familienpolitik. Im Kinderbarometer werden Kinder zu ihren Meinungen und Einstellungen bezüglich verschiedener Themen aus unterschiedlichen Bereichen, wie Familie, Freundeskreis, Schule, Umwelt, Gesundheit sowie Ernährung, Wohnen und Politik befragt. Im Vordergrund der Befragung steht immer der Ansatz, auch den Kleinsten in der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Kindheit wird dabei als eigenständige Lebensphase verstanden, in der Kinder ihre eigene Kultur entwickeln, nach eigenen Regeln leben und somit als Experten betrachtet werden, die selbst und kompetent Auskunft über ihr eigenes Leben geben können. Durch die über Jahre kontinuierliche und repräsentative Erfassung und Auswertung von Kindermeinungen, wird Kindern als sozialen Akteuren

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und Experten in eigener Sache in Hessen systematisch Gehör verschafft und ihre Meinung in den gesellschaftlichen Diskurs getragen. Konsequent wird Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonventionen, in dem von der „Berücksichtigung des Kinderwillens“ die Rede ist, aufgegriffen. Durch die kontinuierliche Fortführung der Studienreihe können Veränderungen der kindlichen Lebenslagen und Meinungen über den Zeitverlauf aufgegriffen werden, die Ansatzpunkte für kinderpolitisch Aktive, für Institutionen, Verbände und Eltern bieten. Aus den Antworten der Kinder zum allgemeinen Wohlbefinden wird eines ganz deutlich: Kinder fühlen sich überwiegend wohl in unserer Gesellschaft und in ihren Familien. Das aktuelle Kinderbarometer hat diesmal ein besonderes Augenmerk auf kindliche Partizipation in den Bereichen Familie, Schule, Stadt und Gemeinde gelegt. Am wichtigsten ist den hessischen Kindern Mitbestimmung in ihrer Familie. Sie möchten bei der Schulauswahl mitbestimmen können, bei der Urlaubsplanung und bei den zu Hause geltenden Regeln gehört werden. Die beliebtesten Themen bei der Mitbestimmung in der Stadt oder in der Gemeinde sind die Gestaltung von Spiel- und Sportplätzen und Sportmöglichkeiten für Kinder. Beim Thema Toleranz sind sich die befragten Kinder in Hessen einig: 95 Prozent sind der Meinung jeder Mensch in Hessen sollte so sein dürfen, wie er oder sie ist. Kinder in Hessen befürworten eine gesellschaftliche Vielfalt mit vielen unterschiedlichen Menschen und Persönlichkeiten. Im Jahresvergleich zeigt sich, dass hessische Kinder noch toleranter eingestellt sind als in den Jahren 2009 und 2014. Als Gesundheitsminister hat mich besonders das Ergebnis zum Ernährungsverhalten der Kinder interessiert. Für knapp jedes zweite Kind gehört das Frühstück fest zum Alltag. Gleichwohl gibt zusammengenommen ein Drittel an, selten oder nie vor der Schule zu frühstücken.

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Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass Kinder uns auf Bereiche hinweisen, die aus ihrer Sicht nicht optimal laufen. Es zeigt auch, dass Kinder heute in unterschiedlichen und nicht immer optimalen Lebensverhältnissen aufwachsen, und dass es richtig ist, dass wir uns über Fachtage der Verbraucherzentrale wie „Bildungsort Esstisch“ darum kümmern, auch bspw. Erzieherinnen und Erzieher über gesunde Ernährung zu informieren. Politik allein kann nicht alles richten, aber wir schaffen in vielen Bereichen die Rahmenbedingen dafür, dass Familien in ihren unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten im Alltag unterstützt werden. Staat und Gesellschaft sind gefordert, wenn es um gute Lebensbedingungen für Kinder geht. Dafür setzen wir uns in Hessen mit aller Kraft ein. Mit dem Kinderbarometer ist ein Forum für die Einstellungen und Meinungen der Generation von morgen geschaffen. Als Stimmungsbarometer ist es eine gute Informationsquelle für Politik und Gesellschaft, die dazu beitragen kann, unsere familienpolitischen Ziele zu erreichen. Es bestärkt uns, Kinder- und Familienfreundlichkeit auf allen Ebenen zu fördern und die Belange von Kindern nachhaltig ins öffentliche Blickfeld zu rücken. Denn jede Gesellschaft ist nur so gut wie ihr kleinster Bestandteil. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine bereichernde Lektüre, neue Erkenntnisse und hoffe, dass die Studie dazu beitragen kann, die Lebensumstände von Kindern in unserer Gesellschaft weiter zu verbessern, damit es in Hessen auch weiterhin heißt: Hessen hat und lebt Familiensinn. Stefan Grüttner Hessischer Minister für Soziales und Integration Beiratsvorsitzender der hessenstiftung – familie hat zukunft

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Grußwort des Sprechers der Geschäftsleitung der Landesbausparkasse Hessen-Thüringen

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Familie, die Schule, der Freundeskreis und das Wohnumfeld – jeder Bereich trägt dazu bei, dass Kinder sich wohlfühlen. Wie viel Einfluss diese As© Landesbausparkasse Hessen-Thüringen pekte auf das allgemeine Wohlbefinden der 9- bis 14-jährigen hessischen Kinder haben, hat das PROSOZ Institut für Sozialforschung PROKIDS im Auftrag der Landesbausparkassen im Sommer 2017 untersucht. Bereits zum sechsten Mal wurden dazu die Mädchen und Jungen in Hessen befragt. Es ist schön zu erfahren, dass die meisten Kinder und Jugendlichen in Hessen sich gut fühlen. Ihr allgemeines Wohlbefinden liegt deutlich im positiven Bereich und ist sogar leicht gestiegen. Und dabei gibt es keine Unterschiede. Egal, ob Junge oder Mädchen, jünger oder älter, mit oder ohne Migrationshintergrund und unabhängig von den Familienverhältnissen, der Schulform und wo die Kinder leben. Alle betrachteten Gruppen fühlen sich ähnlich wohl. Auch für die Zukunft haben die hessischen Kinder genaue Vorstellungen, was dazu gehört, damit es einem gut geht. Die meisten Befragten stellen sich unter anderem vor, zusammen mit ihrem späteren Partner in einem eigenen Haus zu wohnen. Das ist ihnen durchschnittlich „ziemlich“ wichtig. Weitere Zukunftsaspekte der Studie sind die Themen Freizeit, der spätere Berufswunsch und ob die Kinder und Jugendlichen alles haben, um ihre Ziele erreichen zu können. Bei dem Ziel, später in einem Eigenheim zu leben, können wir als Landesbausparkasse sie und ihre Familien dabei unterstützen, ihren Traum zu verwirklichen. Interessant

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an den Ergebnissen ist, dass die 9- bis 14-Jährigen, die später gerne Wohneigentum hätten, auch häufiger die Auffassung vertreten, dass ihnen alles Notwendige zum Erreichen ihrer Wünsche zur Verfügung steht – und umgekehrt. Bei Freizeit und Berufswahl bzw. Work-LifeBalance sind die Befragten im Erwachsenenleben allerdings selbst gefordert. Insgesamt ist es den hessischen Kindern dabei wichtig, später Freizeit zu haben. Auch wenn sie dann weniger Zeit zum Arbeiten und Geld verdienen hätten. Mit einem Augenzwinkern hoffe ich als Geschäftsleiter der LBS Hessen-Thüringen, dass trotzdem etwas zur Seite gelegt werden kann, um mit einem Bausparvertrag die Grundlage für das eigene Zuhause zu legen. Mein Dank gilt dem Hessischen Minister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, den Autorinnen Judith Razakowski und Maren Gottschling und ganz besonders den 570 hessischen Kindern und Jugendlichen, die an unserer Studie teilgenommen haben. Ebenso danke ich allen Eltern für ihre Zustimmung und den durchführenden Lehrerinnen und Lehrern, ohne deren Unterstützung die Befragungen nicht zustande gekommen wären.

Peter Marc Stober LBS Hessen-Thüringen

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Grußwort der Vorsitzenden des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband Hessen e.V.

Liebe Leserinnen und Leser, die LBS Kinderstudie hat 570 hessische Kinder u.a. zur Mitbestimmung in der Familie, der Schule und der Gemeinde befragt, aber auch nach ihrer Kennt© Deutscher Kinderschutzbund LV Hessen e.V. nis zu den Kinderrechten. Wir sind froh darüber, dass die Kenntnisse über die UN-Kinderrechtskonvention sich etwas verbessert haben. Wir haben aber noch einen langen Weg vor uns, damit alle hessischen Kinder die Konvention und ihre Rechte kennen. Zu diesen Rechten gehört das Recht auf Mitbestimmung. Wenn Kinder dieses Recht kennen und mitbestimmen dürfen, dann steigt auch ihr Wohlbefinden. Doch es zeigt sich in dieser Studie wieder, wie wichtig es generell ist, Kinder über ihre Rechte zu informieren. Sie müssen wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie ein Anliegen haben, sei es im schulischen Bereich oder im Lebensumfeld, aber auch zu ihren Rechten im Familienleben. Gleichzeitig zeigt die Studie auf: Wohlbefinden in der Familie ist verbunden mit dem Wunsch nach hoher Beteiligung. Wer sich akzeptiert und ernst genommen fühlt, hat auch die Lust und den Mut, seine Meinung zu äußern. Als Kinderschutzbund müssen wir uns damit beschäftigen, weshalb sich ein Teil der Kinder in ihren Familien nur begrenzt wohlfühlt und sich für Beteiligung weniger interessiert. Wir wissen, fast alle Eltern bemühen sich, dass es ihren Kindern gut geht. Aber wir wissen auch, wie schwer es ist, die armutsbedingte soziale Ausgrenzung auszugleichen. Hier brauchen wir mehr politischen Willen für Veränderungen,

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um die viel zu hohe Zahl der Kinder, die in Armut leben, zu verringern. Wir können das Wohlbefinden der Kinder dadurch verbessern. Und wie ist es mit der Mitbestimmung in der Gemeinde? Woran liegt es, dass sich in den Jahren von 2011 bis zur jetzigen Befragung der Wunsch auf Mitbestimmung hier um 10 % verringert hat? Warum gelingt es uns nicht Kinder zu motivieren, ihr verbrieftes Recht auf Beteiligung einzufordern? Die Ergebnisse des LBS-Kinderbarometers sind für uns als Kinderschutzbund eine Herausforderung. Wir wollen die politischen Gremien auffordern, Kinder in ihren Kommunen mehr in die Entscheidungsfindung einzubinden und offen mit ihnen zu diskutieren. Kinder- und Jugendparlamente können ein wichtiger Schritt sein. Positive Beispiele dafür gibt es. Doch das Entscheidende ist, Kinder in ihren Äußerungen ernst zu nehmen. So lernen Kinder und Jugendliche Verantwortung mitzutragen. „Demokratie leben“ fängt bei der Beteiligung an. Die geplante Aufnahme der Kinderrechte in die hessische Verfassung und somit auch der Beteiligungsrechte verpflichtet alle das Verfassungsrecht aktiv umzusetzen. Wir wollen Kinder und Jugendliche für ihr Recht auf Mitbestimmung begeistern. Wir hoffen, dass schon das nächste Kinderbarometer einen Anstieg der Werte beim Thema Mitbestimmung zeigen wird. Wir danken den Autoren der Untersuchung für die vielen interessanten Ergebnisse. Verone Schöninger Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband Hessen e.V.

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1 Hintergrund In diesem Jahr feiert das LBS-Kinderbarometer gleich mehrere Jubiläen. Zum einen besteht das LBS-Kinderbarometer nun bereits seit 20 Jahren und zum anderen ist 2018 das 10. Jubiläum der bundesländerübergreifenden Studie. Dies verdeutlicht noch einmal den Erfolg und die Bedeutung der Studie zur kontinuierlichen Erfassung von Kindermeinungen sowie kindlichem Wohlbefinden in ganz Deutschland. Finanziert wird das Projekt seit Beginn durch das Social Sponsoring der Landesbausparkassen. Die hessenstiftung – familie hat zukunft ermöglicht es, in diesem Durchgang einen genaueren Blick auf die Kinder in Hessen zu werfen und ist Initiatorin dieses Länderberichtes. Damit knüpft sie an das Kinderbarometer Hessen (2004 bis 2008) an und legt den insgesamt zehnten Bericht für Hessen vor. Die Schirmherrschaft trägt Stefan Grüttner, Hessischer Minister für Soziales und Integration und Beiratsvorsitzender der hessenstiftung – familie hat zukunft. 1997 wurde die Studie erstmals im Bundesland Nordrhein-Westfalen durch das PROSOZ Institut für Sozialforschung – PROKIDS durchgeführt. Ermöglicht wurde dies durch die finanzielle Förderung der LBS Initiative Junge Familie. In seinem zehnten Durchgang wurde das Kinderbarometer um sechs weitere Bundesländer erweitert und 2009 schließlich auf eine für die gesamte Bundesrepublik repräsentative Studie ausgeweitet. Das Bundesland Hessen war bereits im Jahr 2007 dabei und erlebt 2018 somit den sechsten Durchgang des LBS-Kinderbarometers. Auf diese Weise wird es ermöglicht, den Kindern in Hessen systematisch Gehör zu verschaffen und ihre Meinungen in den gesellschaftlichen Diskurs zu tragen. Im Vordergrund der Studie steht ganz im Sinne des Agency-Ansatzes der in der Kindheitsforschung diskutierte Paradigmenwechsel, Kinder als Forschungssubjekte zu betrachten und somit auch den Kleinsten

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in der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Kindheit wird dabei als eigenständige Lebensphase verstanden, in der Kinder ihre eigene Kultur entwickeln, nach eigenen Regeln leben und somit als Experten betrachtet werden, die selbst und kompetent Auskunft über ihr eigenes Leben geben können (vgl. Heinzel, Kränzl-Nagl & Mierendorf, 2012)1. Im Fokus der Studie steht darüber hinaus das aktuelle Wohlbefinden der Kinder, das sogenannte „Well-Being“, und nicht etwa das zukünftige Wohlbefinden im Erwachsenenalter („Well-Becoming“). Dabei greift das LBS-Kinderbarometer in Anlehnung an das von Lang2 bereits 1985 diskutierte Konzept zur „Lebensqualität für Kinder“ einerseits das übergeordnete allgemeine Wohlbefinden der Kinder sowie andererseits die Wohlbefindensausprägungen in den kindlichen Lebensbereichen Familie, Schule, Freundeskreis und Wohnumfeld auf. Für jeden betrachteten Aspekt wird untersucht, ob er das Wohlbefinden der Kinder positiv bzw. negativ beeinflusst. Auf diese Weise entsteht eine solide Datengrundlage über die Perspektive von Kindern zu aktuellen Themen für Institutionen, Verbände sowie Eltern und politische Entscheidungskräfte. Im Sommer 2017 wurden repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik und repräsentativ für jedes einzelne Bundesland insgesamt über 10.000 Kinder befragt. In diesem Zusammenhang bedanken wir uns ganz besonders bei den beteiligten Kindern und deren Eltern. Ein besonderer Dank gilt zudem der hessenstiftung – familie hat zukunft als Initiatorin und Förderin dieses Länderberichtes und natürlich auch den

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Heinzel, F.; Kränzl-Nagl, R. & Mierendorf, J. (2012): Sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung-Annäherung an einen komplexen Forschungsbereich. In: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 11, H.:1, 9-37. 2 Lang, S.(1985): Lebensbedingungen und Lebensqualität von Kindern. Frankfurt am Main/New York.

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Lehrkräften, die die Studie tatkräftig unterstützen sowie den Ministerien, die durch ihre Genehmigungen die Durchführung dieser Studie erst ermöglichen.

Die Studie Ankerpunkt des LBS-Kinderbarometers ist Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention „Berücksichtigung des Kinderwillens“, der mit der Studie systematisch aufgegriffen wird. Dabei werden Kinder im Alter zwischen 9 und 14 Jahren befragt. Dieser Altersbereich wurde bewusst gewählt, um das Feld der Jugenduntersuchungen, wie beispielsweise die Shell-Studien (vgl. Albert, Hurrelmann & Quenzel, 2015)3, um den darunter liegenden Altersbereich zu erweitern. Die Kindheit als eigenständige Lebensphase dauert nach der Gesetzgebung bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres an, auch wenn dies nicht immer dem eigenen Selbstverständnis entspricht (s. Stecher & Zinnecker, 1996)4. Dieser Altersbereich ist von wichtigen Umbrüchen im Leben der Kinder geprägt, wie beispielsweise dem Übergang zur weiterführenden Schule. 1997 wurde das LBS-Kinderbarometer erstmals für das Bundesland Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Daran anlehnend wurde in Hessen das damit vergleichbare Kinderbarometer Hessen zwischen 2004 und 2008 insgesamt viermal durchgeführt. Seit 2009 wird das LBS-Kinderbarometer schließlich repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik im 2-Jahresrhythmus umgesetzt. Im Rahmen dessen erfolgen zusätzlich separate Länderauswertungen im Auftrag einzelner Bundesländer, wie dieser vorliegende Länderbericht für das Bundesland Hessen. Dieser 3

Albert, M., Hurrelmann, K. & Quenzel, G. (2015). Jugend 2015: 17. Shell Jugendstudie. Frankfurt am Main: Fischer. 4 Stecher, L. & Zinnecker, J. (1996): Kind oder Jugendlicher? Biografische Selbst- und Fremdwahrnehmung im Übergang. In: J. Zinnecker & R.K. Silbereisen (1996), Kindheit in Deutschland (S. 175f). Weinheim/München.

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beinhaltet neben allgemeinen Informationen zur Studie ausgewählte und spezifische Befunde für Hessen. Die Gesamtauswertung der bundesweiten Studie umfasst, neben den allgemeinen soziodemografischen Angaben aller Kinder in Deutschland, zudem zusätzliche Fragen und Themenbereiche, welche in der vorliegenden verkürzten Länderauswertung nicht aufgenommen wurden. Ein digitalisiertes Exemplar des Gesamtberichts ist unter www.kinderbarometer.de frei verfügbar. Durch die kontinuierliche Fortführung des LBS-Kinderbarometers können Veränderungen der kindlichen Lebenslagen und Meinungen über den Zeitverlauf aufgegriffen und damit die Veränderungsebene dargestellt werden. Darüber hinaus werden auch Aspekte auf der Interventionsebene ausgemacht, die das kindliche Wohlbefinden entscheidend beeinflussen und dadurch Ansatzpunkte für kinderpolitisch aktive Menschen in Deutschland bieten. Die enge Kooperation mit dem Deutschen Kinderschutzbund und die aktuelle Schirmherrschaft der Präsidentin der Ständigen Kultusministerkonferenz gewährleisten, dass die für Kinder relevanten Themen und Ergebnisse in Praxis und Politik aufgegriffen werden und Berücksichtigung finden.

Das Erhebungsinstrument Die Stichprobe des LBS-Kinderbarometers wurde für jedes einzelne der sechszehn Bundesländer als geschichtete Zufallsstichprobe aus dem Schulverzeichnis des jeweiligen Landes gezogen. Berücksichtigt wurde dabei zum einen die Verteilung der Schultypen und zum anderen die Verteilung der Altersstufen, sodass schließlich eine repräsentative Stichprobe für jedes Bundesland vorliegt. Zusätzlich wurde eine repräsentative Verteilung der Jahrgangsstufen 4 bis 7 angestrebt und die Schulen gemäß ihrer Schüler/innenzahlen gewichtet, um eine Überrepräsentation von einzelnen Schulen mit geringer Schülerzahl zu vermeiden.

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Die Befragung erfolgte mittels eines standardisierten schriftlich zu bearbeitenden Fragebogens im Klassenkontext in den jeweiligen Schulen. Dafür wurden im Vorfeld die zufällig aus dem Schulverzeichnis gezogenen Schulen angeschrieben und um die Beteiligung an der Studie mit je einer Klasse gebeten. Da die Teilnahme an der Studie selbstverständlich freiwillig ist und hierfür das Einverständnis der Eltern notwendig ist, beteiligten sich nicht immer alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse. In den Klassen wurde die Befragung durch die jeweiligen Lehrkräfte mittels standardisierter Checkliste angeleitet und durchgeführt. Der Fragebogen besteht aus einem Set von Items, die in der Regel mit einer fünfstufigen Häufigkeits- oder Zustimmungseinschätzung in geschlossener Form abgefragt wurden (vgl. Rohrmann, 1978)5. Daneben gab es zwei offene Fragen, bei welchen die Kinder selbst ihre Antworten formuliert haben. Vor dem Einsatz des Fragebogens wurde dieser in zwei Durchgängen auf Verständlichkeit und Zeitbudget für das Ausfüllen in Form von Pretests getestet und gegebenenfalls modifiziert. Dadurch wurde sichergestellt, dass auch die jüngeren Kinder der vierten Klasse den Fragebogen innerhalb einer Schulstunde problemlos und stressfrei ausfüllen konnten. Die Themenauswahl des LBS-Kinderbarometers ist dabei zum einen gestützt auf eine Arbeitsgruppe aus Fachleuten der Kindheitsforschung und -praxis, zum anderen werden ganz im Sinne des Beteiligungsanspruchs die Kinder selbst im Rahmen von im Vorfeld stattfindenden Fokusgruppen, in den Prozess der Instrumentenerstellung einbezogen.

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Rohrmann, B. (1978): Empirische Studien zur Entwicklung von Antwortskalen für die sozialwissenschaftliche Forschung. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 9, 222-245.

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2 Zusammenfassung Im Sommer 2017 wurde das LBS-Kinderbarometer zum sechsten Mal repräsentativ für Hessen durchgeführt. Insgesamt haben sich 570 Schülerinnen und Schüler, im Alter von 9 bis 14 Jahren, aus ganz Hessen an der Studie beteiligt.

Lebensverhältnisse Unter den befragten Kindern sind in etwa gleich viele Jungen und Mädchen vertreten. Rund ein Drittel der Kinder hat einen Migrationshintergrund und ist demzufolge entweder selbst im Ausland geboren oder hat zumindest einen im Ausland geborenen Elternteil. In Hessen sind die meisten Kinder mit Migrationshintergrund Einwanderer zweiter Generation und somit selbst in Deutschland geboren. Die Mehrheit der Kinder, knapp 80%, leben zusammen mit ihren leiblichen Eltern. Am zweithäufigsten leben die hessischen Kinder zusammen mit ihrer alleinerziehenden Mutter, alleinerziehende Väter sind hingegen die Ausnahme. 7% sind von Arbeitslosigkeit in der Familie betroffen. Mehr als die Hälfte der hessischen Kinder beschreibt den eigenen Wohnort als eher dörflich, 29% als eher städtisch und 11% als großstädtisch.

Allgemeines Wohlbefinden Die meisten Kinder in Hessen fühlen sich gut. Damit liegt das allgemeine Wohlbefinden der hessischen Kinder über die Jahre hinweg stabil im positiven Bereich der Barometerskala. Gleichwohl berichten rund 7% aller hessischen Kinder von einem negativen allgemeinen Wohlbefinden. Dabei gibt es keine Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen. Demzufolge fühlen sich die hessischen Kinder unabhängig von Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, familiärem und sozioökonomischen Hintergrund, Schulform sowie Wohnregion ähnlich wohl.

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Gesundheit und Ernährung Der Großteil der Kinder in Hessen fühlt sich selten krank. Die Häufigkeit des Krankfühlens hat im Jahresvergleich leicht abgenommen, dies ist jedoch nicht statistisch bedeutsam. Trotz Krankheitsgefühl in die Schule zu gehen, kommt bei den Kindern in Hessen insgesamt selten vor. Dennoch berichten mehr als ein Drittel der Kinder, dass sie oft bis sehr oft trotz Krankheit am Schulunterricht teilnehmen. Mit zunehmenden Alter kommt es noch häufiger vor, dass die Kinder krank zur Schule gehen. Kinder, die sich häufig krank fühlen oder ein negatives Wohlbefinden in ihrer Familie aufweisen, gehen häufiger mit Krankheitsgefühl in die Schule. Bedenklich ist zudem, dass Kinder, die sich häufig krank fühlen, in allen betrachten Bereichen sowie im Allgemeinen ein negativeres Wohlbefinden aufweisen und umgekehrt. Zum Ernährungsverhalten der hessischen Kinder lässt sich Folgendes festhalten: Für knapp jedes zweite Kind gehört das tägliche Frühstück fest zum Alltag. Gleichwohl gibt zusammengenommen ein Drittel an, selten oder nie vor der Schule zu frühstücken. Kinder ohne Migrationshintergrund frühstücken noch seltener bevor sie sich auf den Weg in die Schule machen. Die meisten Kinder in Hessen bekommen tagtäglich eine warme Mahlzeit. Bei Kindern Alleinerziehender kommt dies etwas seltener vor, durchschnittlich jedoch auch oft.

Zukunft In Zukunft möchten die meisten Kinder in Hessen zusammen mit ihrem späteren Partner/ihrer späteren Partnerin in einem Haus wohnen. Dennoch ist der Wunsch nach einem späteren Eigenheim im Jahresvergleich zurückgegangen. Später viel Freizeit auf Kosten des eigenen Einkommens zu haben ist den hessischen Kindern durchschnittlich mittelmäßig wichtig. Kindern ohne Migrationshintergrund ist es tenden-

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ziell noch etwas wichtiger. Die meisten Kinder in Hessen sind der Auffassung, dass sie alles Notwendige haben, um ihre Ziele in der Zukunft erreichen zu können. Gleichzeitig sind 4% kritischer hinsichtlich ihre Zielerreichung und der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dies betrifft insbesondere Kinder Alleinerziehender und Kinder aus Familien mit Arbeitslosigkeit. Wie im gesamten Bundesgebiet wissen auch in Hessen viele Kinder noch nicht genau, welchen Beruf sie später gerne einmal haben möchten. Insgesamt sind die Berufswünsche der Kinder weit gefächert. Neben einer beruflichen Zukunft bei der Polizei oder als Lehrer/in an einer Schule, werden als Top-Antworten Arzt/Ärztin, Berufe aus dem Bereich Sport, Arbeit mit Tieren oder Arbeiten im Handwerk sowie im künstlerisch-gestalterischen Bereich genannt. Dabei bestehen deutliche Geschlechterunterschiede.

Toleranz Die Kinder in Hessen sind sich einig: Jeder Mensch sollte so sein dürfen, wie er oder sie ist. Insgesamt 95% der hessischen Kinder haben dieser Aussage zugestimmt – Mädchen und Kinder ohne Migrationshintergrund noch häufiger. Den Kindern fällt es eigenen Angaben zufolge außerdem selten schwer mit anderen Meinungen umzugehen. Lediglich 4% der Befragten berichten, dass es ihnen sehr schwer fällt, die Meinungen anderer zu tolerieren. Kinder mit Migrationshintergrund tun sich etwas schwerer damit, wenn jemand anderer Meinung ist. Darüber hinaus gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Schulformen: Kindern auf der Hauptschule fällt es um einiges schwerer, mit anderen Meinungen umzugehen, als Kindern in der Grundschule und auf dem Gymnasium. Den meisten hessischen Kindern ist es wichtig, von anderen in Gänze gemocht und akzeptiert zu werden. Dies gilt für alle betrachteten Gruppen. Die Kinder in Hessen befürworten eine ge-

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sellschaftliche Vielfalt mit vielen unterschiedlichen Menschen und Persönlichkeiten. Im Jahresvergleich zeigt sich, dass die hessischen Kinder heute noch toleranter gegenüber unterschiedlichen Menschen eingestellt sind als in den Jahren 2009 und 2014. Neben dem allgemeinen Toleranzempfinden wurden die Kinder auch zu ihrer Toleranz gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen befragt. Die meisten Kinder befürworten es, dass Deutschland hilfsbedürftigen Menschen aus anderen Ländern Zuflucht gewährt. Gleichzeitig ist jedes zehnte Kind in Hessen diesbezüglich kritischer eingestellt und hat hier mit „stimmt wenig“ bzw. „stimmt nicht“ geantwortet. Hierbei gibt es Unterschiede im Vergleich zu anderen Bundesländern. Darüber hinaus befürworten Kinder mit Migrationshintergrund, Grundschulkinder, jüngere Kinder sowie Kinder im großstädtischen Wohnraum es stärker, dass Deutschland Menschen aufnimmt, denen es in anderen Ländern nicht gut geht. Zwei Drittel der hessischen Kinder sind mit Menschen aus anderen Ländern befreundet. Freundschaften zu Menschen mit einer körperlichen bzw. geistigen Beeinträchtigung sind selten, nehmen mit dem Alter der Kinder sowie im Jahresvergleich allerdings bedeutsam zu. 2018 pflegen mehr Kinder Freundschaften zu Menschen mit Behinderungen als in den Jahren 2009 und 2014. Die Kinder wurden auch bezüglich ihrer Toleranz gegenüber Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen befragt. Durchschnittlich finden die hessischen Kinder es mittelmäßig gut, dass es Familienkonstellationen mit zwei Müttern oder zwei Vätern gibt. Jungen, Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder mit Arbeitslosigkeit in der Familie sind alternativen Familienmodellen gegenüber kritischer eingestellt. Knapp 90% der Kinder finden es hingegen wichtig, dass man sich frei und unabhängig vom Geschlecht verlieben darf, in wen man will. Mädchen, Kinder aus ländlichen Regionen und mit Arbeitslo-

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sigkeit in der Familie sind noch toleranter in Hinblick auf gleichgeschlechtliche Liebe. Insgesamt deutet die Befundlage darauf hin, dass die Kinder generell und unabhängig von der jeweiligen Gruppierung entweder eher tolerant oder eher intolerant sind.

Mitbestimmung Das aktuelle Kinderbarometer hat ein besonderes Augenmerk auf kindliche Partizipation in den Bereichen Familie, Schule und Stadt bzw. Gemeinde gelegt. Am wichtigsten ist es den hessischen Kindern in ihrer Familie bei der Schulauswahl mitbestimmen zu können. Darauf folgen das Mitspracherecht bei der Urlaubsplanung, den zuhause geltenden Regeln sowie der Essensauswahl. Insgesamt hat sich gezeigt, dass es den Kindern in Hessen durchschnittlich ziemlich wichtig ist, bei Entscheidungen in der Familie mitbestimmen zu können. Der Mitbestimmungswunsch in der Schule fällt insgesamt etwas geringer aus und ist durchschnittlich mittelmäßig hoch. Dabei legen die Kinder besonders Wert darauf, bei Klassenfahrten und Schulausflügen mitbestimmen zu können. Darauf folgen das Mitspracherecht bei der Verwendung des Geldes in der Klassenkasse, der Klassenraumgestaltung sowie der Gestaltung des Schulhofes. Hierbei gibt es einige Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen. Wie bereits in früheren Erhebungen wurden die Kinder erneut gefragt, ob sie gerne an Entscheidungen in ihrer Stadt bzw. Gemeinde partizipieren würden. Über die Hälfte der hessischen Kinder hat kein Interesse an Mitbestimmung auf lokaler Ebene. Knapp die Hälfte der hessischen Kinder weiß, an wen sie sich wenden kann, um in der eigenen Stadt/Gemeinde etwas für die Kinder zu verändern. Dementsprechend sind etwas mehr als der Hälfte keine lokalen Ansprechpersonen bekannt.

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Das LBS-Kinderbarometer greift seit jeher die UN-Konvention über die Rechte des Kindes auf. Knapp die Hälfte der hessischen Kinder gibt an, schon einmal von der UN-Konvention gehört zu haben. Damit ist die Bekanntheit der UN-Konvention in Hessen leicht gestiegen, jedoch nicht statistisch bedeutsam. Interessant ist, wie sich dies zukünftig weiterentwickeln wird. Kindern ohne Arbeitslosigkeit in der Familie ist die UN-Konvention häufiger bekannt als Kindern mit Arbeitslosigkeit in der Familie. Die beliebtesten Themen bei der Mitbestimmung in der Stadt bzw. Gemeinde sind bei den Kindern in Hessen die Themen „Stadtplanung“, „Spielplätze“ und „Sportmöglichkeiten“. Kinder, die in einem eher städtischen Umfeld leben, interessieren sich noch stärker dafür, bei der „Stadtplanung“ mitbestimmen zu können als Kinder, die in einem eher dörflichen Umfeld aufwachsen.

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Stichprobenbeschreibung

Das LBS-Kinderbarometer Deutschland wurde im Sommer 2017 zum sechsten Mal repräsentativ für Hessen und zum fünften Mal repräsentativ für alle sechzehn Bundesländer6 durchgeführt. In diesem Länderbericht werden ausschließlich Befunde für das Bundesland Hessen zu ausgewählten Themen vorgestellt. Die bundesweite Gesamtauswertung ist im Buchhandel in gebundener Form bzw. unter www.kinderbarometer.de als digitalisiertes Freiexemplar erhältlich. Insgesamt wurden in Hessen 570 Schülerinnen und Schüler befragt. In diesem Bericht werden ausschließlich die Befunde zu folgenden Themenfeldern vorgestellt: Gesundheit und Ernährung, Zukunft, Toleranz sowie Mitbestimmung. Die Antworten der Kinder wurden gewichtet, sodass die Zusammensetzung der Stichprobe innerhalb der Bundesländer der Verteilung auf die Jahrgangsstufen und Schulformen entspricht. Folglich setzt sich auch die Stichprobe in Hessen in Hinblick auf die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf Jahrgangsstufen und Schulformen repräsentativ zusammen. 3.1 Geschlechterverteilung Beide Geschlechter sind vergleichsweise gleich häufig in der Stichprobe vertreten. 51% der analysierten Fragebögen wurden von Jungen beantwortet und 49% von Mädchen7. Damit entspricht die Geschlechterverteilung der tatsächlichen Verteilung der Kinder des zugrundeliegenden Schuljahres in Hessen.

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In den Jahren 2007, 2009, 2011, 2014 und 2016; ab 2009 unter Beteiligung aller 16 Bundesländer 7 In diesem Bericht wurden alle Prozentangaben kaufmännisch gerundet, wodurch es vorkommen kann, dass die angegebenen Prozentwerte sich nicht immer zu 100% aufaddieren oder von zuvor berichteten zusammengefassten Prozentwerten geringfügig abweichen.

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3.2 Migrationshintergrund Nach der dieser Studie zugrundeliegenden Definition liegt ein Migrationshintergrund vor, wenn entweder das Kind selbst, der Vater bzw. die Mutter oder beide Elternteile nicht in Deutschland geboren wurden. Das konkrete Geburtsland der Kinder und Eltern wurde aus Datenschutzgründen nicht erfasst. Stattdessen sollten die Kinder lediglich angeben, ob sie bzw. ihre Eltern in „Deutschland“ oder „in einem anderen Land“ geboren wurden. Die formale Staatsangehörigkeit des Kindes oder seiner Eltern wird bei dieser Form der Erfassung nicht berücksichtigt. Das hat zum Vorteil, dass die tatsächliche Migrationshistorie erfasst wird, was beispielsweise bei Spätaussiedlern oder Kindern, bei denen nur ein Elternteil eingewandert ist, allein anhand der Staatsangehörigkeit nicht möglich wäre. Demzufolge haben rund ein Drittel (35%) der befragten Kinder in Hessen einen Migrationshintergrund. Davon sind 20% Einwanderer erster Generation und damit selbst im Ausland geboren. Die meisten Kinder sind Einwanderer zweiter Generation (80%), d.h. in Deutschland geboren. 7% der Kinder in Hessen geben an, nicht in Deutschland geboren zu sein. 65% der Kinder in Hessen berichten, dass beide Elternteile in Deutschland geboren sind, bei 21% der Kinder sind beide Eltern im Ausland geboren und 14% haben einen deutschen und einen ausländischen Elternteil. Diese Werte unterscheiden sich nicht wesentlich von den Befunden aus 2016. Im weiteren Verlauf dieses Berichtes wird lediglich zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund unterschieden. 3.3 Arbeitslosigkeit 7% der hessischen Kinder sind von Arbeitslosigkeit in der Familie betroffen, d.h. entweder ihr Vater, ihre Mutter oder beide Elternteile sind

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arbeitslos. Damit ist der Anteil der Kinder, die von Arbeitslosigkeit innerhalb der Familie betroffen sind, im Vergleich zur vorherigen Studie aus 2016 (14%) deutlich gesunken. 3% der Kinder geben an, dass ihr Vater arbeitslos ist, bei 6% ist es die Mutter und weniger als 1% der Kinder berichtet, dass beide Elternteile arbeitslos sind. Je nach Migrationshintergrund zeigen sich für Hessen Unterschiede8 bei der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit in der Eltern, welche bereits 2016 deutlich wurden. Demnach berichten Kinder mit Migrationshintergrund deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit in der Familie (16%) als Kinder ohne Migrationshintergrund (3%). Im weiteren Verlauf wird bei Gruppenvergleichen nur zwischen der Betroffenheit und Nicht-Betroffenheit von Arbeitslosigkeit in der Familie des Kindes unterschieden, unabhängig davon, ob ein oder beide Elternteil(e) arbeitslos sind. 3.4 Familienstatus Zusammengenommen 13% der befragten Kinder in Hessen leben bei einem alleinerziehenden Elternteil, demgegenüber stehen 88%, die mit zwei Elternteilen aufwachsen. Kinder Alleinerziehender leben seltener in einem Haushalt mit Geschwistern als Kinder mit zwei Elternteilen (10% vs. 22%). Jedes fünfte Kind in Hessen (20%) gibt an, dass sich die Eltern getrennt haben bzw. geschieden sind. Bei 2% der Kinder ist bereits mindestens ein Elternteil verstorben.

8

Alle Unterschiede in diesem Bericht werden auf dem Signifikanzniveau von p≤.01 getestet und nur dann berichtet, wenn sie diesem strengen Maß entsprechen. Unterschiede, die diesem Niveau entsprechen, sind mit einer 99%igen Wahrscheinlichkeit auf die Grundgesamtheit übertragbar. Unterschiede, die nicht diesem Niveau entsprechen, werden nur erwähnt, wenn sie die aktuelle Forschungslage widerspiegeln. Weiterhin werden nur Effekte berichtet, deren Effektstärke eta≥.09 bzw. einer Korrelation/einem standardisierten Regressionsgewicht von mindestens .09 entsprechen.

31


Rund acht von zehn Kindern (79%) und damit der Großteil der hessischen Kinder leben mit der leiblichen Mutter und dem leiblichen Vater zusammen. Am zweithäufigsten leben die Kinder in Hessen bei ihrer alleinerziehenden Mutter, diesen Status hat etwa jedes zehnte Kind in Hessen (11%). Familienkonstellationen mit alleinerziehenden Vätern stellen hingegen nach wie vor eine Ausnahme dar, lediglich 1% gibt an, beim alleinziehenden Vater zu leben. 6% der Kinder geben an, bei ihren Müttern mit deren neuen Lebenspartnern bzw. -partnerinnen zu leben. Die Häufigkeiten aller abgefragten Familienkonstellationen sind in Tabelle 3.1 dargestellt. Tab. 3.1: Familienstatus

Anteil Kinder 2018

32

Leiblicher Vater und leibliche Mutter

79%

Alleinerziehende Mutter

11%

Leibliche Mutter und neue/r Partner/in

6%

Keine Angabe

2%

Alleinerziehender Vater

1%

Heim oder Pflegefamilie

1%

Leiblicher Vater und neue(r) Partner/in

<1%

Nur ehemalige(r) Partner/in leiblicher Eltern

<1%

Nur Geschwister

<1%


In den weiteren Analysen wird lediglich zwischen Kindern Alleinerziehender (Vater oder Mutter) und Kindern mit zwei Elternteilen differenziert, unabhängig davon, ob es beide leiblichen Eltern sind oder nicht. 3.5 Altersverteilung Die in Hessen befragten Kinder sind durchschnittlich MW=11,6 Jahre alt, dies entspricht exakt dem Altersdurchschnitt der Studie aus 2016. Dabei sind die meisten Kinder zwischen 10 bis 13 Jahre alt (92%). 1% der Kinder ist zum Erhebungszeitpunkt 15 Jahre alt und 2% 14 Jahre alt. 5% der Kinder geben an, 9 Jahre alt zu sein. 3.6 Verteilung auf die Jahrgangsstufen Die Häufigkeitsverteilung auf die einzelnen Jahrgangsstufen sieht wie folgt aus: 26% der Kinder besuchen zum Erhebungszeitpunkt die 4. Klasse, jedes vierte Kind (25%) geht in die 5. Klassenstufe und weitere 21% sind Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse. Die übrigen 29% der Kinder gehen in die 7. Klasse. Bezüglich der Gruppenvariablen zeigt sich, dass Kinder mit Migrationshintergrund häufiger die 5. Klassenstufe besuchen als Kinder ohne Migrationshintergrund (38% vs. 17%). Darüber hinaus gibt es keine weiteren bedeutsamen Unterschiede. Die Verteilung der Jahrgangsstufen innerhalb der Stichprobe entspricht hinreichend der realen Verteilung des zugrundeliegenden Schuljahres in Hessen. 3.7 Schultypenverteilung Den genannten Anteilen an Viertklässlerinnen und Viertklässlern entsprechend, haben 26% der Kinder angegeben, dass sie zum Zeitpunkt der Befragung auf die Grundschule gehen. 3% der befragten Kinder besuchen eine Hauptschule und weitere 10% gehen auf die Realschule. Die meisten befragten Kinder in Hessen, mehr als ein Drittel

33


(36%), gehen auf ein Gymnasium und weitere 26% auf eine Gesamtschule. Diese Verteilung entspricht ebenfalls hinreichend der realen Verteilung des zugrundeliegenden Schuljahres, damit ist die Stichprobe auch hinsichtlich der Schultypenverteilung repräsentativ für das Bundesland Hessen. 3.8 Wohnumfeld Die Kinder wurden wie bereits in den vorherigen Studien danach gefragt, ob sie in einem „eher dörflichen“, einem „eher städtischen“ oder „eher großstädtischen“ Wohnumfeld leben. Die meisten Kinder beschreiben ihr Wohnumfeld als „eher dörflich“, 60% der Kinder in Hessen haben sich dieser Antwortkategorie zugeordnet. Weitere 29% leben eigenen Angaben zufolge in einem „eher städtischen“ Wohnumfeld und 11% wohnen „eher großstädtisch“. Dabei zeigen sich Unterschiede in Abhängigkeit des Migrationshintergrundes. Kinder mit Migrationshintergrund beschreiben ihr Wohnumfeld häufiger als „eher städtisch“ (39% vs. 24%) oder „eher großstädtisch“ (17% vs. 7%), während Kinder ohne Migrationshintergrund häufiger mit „eher dörflich“ antworten (69% vs. 44%). An diese Stelle muss jedoch berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um die subjektiven Einschätzungen der Kinder zum eigenen Wohnumfeld handelt, die auf Erfahrungs- bzw. Vergleichswerten der Kinder basieren.

34


4 Allgemeines Wohlbefinden Die zentrale Variable im Kinderbarometer ist das allgemeine Wohlbefinden. Zur Erfassung des Wohlbefindens wird eine seit 1997 etablierte und eigens für das Kinderbarometer entwickelte Skala eingesetzt, welche das Wohlbefinden anhand einer siebenstufigen, über Wetterphänomene visualisierten, Antwortskala erfasst (s. Abb. 4.1). Gewitterwolken stehen dabei für ein „sehr schlechtes“ Wohlbefinden (mit „1“ kodiert) und wolkenloser Sonnenschein für ein „sehr gutes“ Wohlbefinden (mit „7“ kodiert). Abb. 4.1: Die verwendete Barometerskala

Die hessischen Kinder fühlen sich im Allgemeinen zwischen „eher gut“ bis „gut“ (MW=5,6). Somit liegt das allgemeine Wohlbefinden deutlich im positiven Bereich der Antwortskala und ist im Vergleich zur vorherigen Studie (2016: MW=5,3) leicht gestiegen, wobei der Mittelwertunterschied die strengen Signifikanzkriterien hier knapp verfehlt. Dies deutet darauf hin, dass sich die hessischen Kinder im Allgemeinen heute tendenziell besser fühlen als 2016. Die exakte Häufigkeitsverteilung der Antworten sieht wie folgt aus: Insgesamt rund 7% aller Antworten befinden sich im unteren Bereich der Antwortskala von „eher schlecht“ (3%), über „schlecht“ (3%) bis „sehr schlecht“ (<1%). 10% der in Hessen befragten Kinder haben mit „mittelmäßig“ geantwortet und fühlen sich demnach im Allgemeinen weder gut noch schlecht. Der überwiegende Teil der Kinder verortet das aktuelle Wohlbefinden im positiven Bereich der Skala von „eher gut“ (22%), über „gut“ (42%) bis „sehr gut“ (20%). Die Betrachtung der

35


Gruppenunterschiede9 macht deutlich: Im Gegensatz zum vorherigen Kinderbarometer bestehen in der aktuellen Studie keine Unterschiede mehr zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund sowie nach Arbeitslosigkeit in der Familie. Entgegen der bundesweiten Studie zeigt sich für Hessen zudem keine Abnahme des allgemeinen Wohlbefindens mit zunehmendem Alter der Kinder. Insgesamt gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den betrachteten Vergleichsgruppen10, dementsprechend fühlen sich die hessischen Kinder im Allgemeinen, unabhängig von ihren jeweiligen Gruppenzugehörigkeiten, ähnlich wohl. Neben dem allgemeinen Wohlbefinden wird im Kinderbarometer auch das Wohlbefinden in den kindlichen Lebensbereichen Familie, Schule, Freundeskreis und Wohnumfeld betrachtet. In Hessen liegen alle betrachteten Wohlbefindensvariablen im positiven Bereich der Antwortskala. Das geringste Wohlbefinden weisen die hessischen Kinder in der Schule (MW=5,4) und das höchste bei ihren Freunden (MW=6,4) auf, dicht gefolgt vom Wohlbefinden in der eigenen Wohngegend (MW=6,3) und dem Wohlbefinden in der Familie (MW=6,0). Die ermittelten Werte sind vergleichbar mit der bundesweiten Auswertung. Im weiteren Verlauf des Berichts wird für alle betrachteten Aspekte geprüft wird, in welchem Zusammenhang sie zu allen Wohlbefindensvariablen stehen. Sofern bedeutsame Zusammenhänge positiver oder negativer Art vorliegen, wird dies aufgegriffen und näher erläutert. Gleiches gilt für signifikante Veränderungen über die Zeit.

9

Wenn in diesem Bericht von Gruppenunterschieden die Rede ist, werden grundsätzlich folgende Gruppen betrachtet: Bundesland, Geschlecht, Migrationshintergrund, Alleinerziehend vs. Zweielternfamilie, Betroffenheit von Arbeitslosigkeit, Schulform, Jahrgangsstufe und Wohnortgröße. 10 Im weiteren Verlauf des Berichts werden jeweils alle signifikanten Gruppenunterschiede genannt, wird zu einer der hier betrachteten Gruppen nichts berichtet, besteht dementsprechend kein bedeutsamer Unterschied.

36


5 Gesundheit und Ernährung In diesem Kapitel geht es um das Krankheitsempfinden und Ernährungsverhalten der Kinder in Hessen. Dabei wird zunächst betrachtet, wie häufig die Kinder sich krank fühlen und wie häufig sie trotz Krankheit in die Schule gehen. Darüber hinaus wird das Ernährungsverhalten der hessischen Kinder näher beleuchtet. Aussagen, die bereits in vergangenen Erhebungen betrachtet wurden, werden für Kohortenvergleiche über die Zeit herangezogen. 5.1 Häufigkeit des Krankfühlens Die hessischen Kinder fühlen sich durchschnittlich selten krank. Der Mittelwert beträgt auf der fünfstufigen Skala von „nie“ bis „sehr oft“ MW=2,3. Dabei haben zusammengenommen 4% der Kinder angegeben, sich „oft“ (3%) bis „sehr oft“ (1%) krank zu fühlen. Knapp ein Drittel der Kinder in Hessen fühlt sich „manchmal“ (31%) krank und insgesamt zwei Drittel sind eigenen Angaben zufolge „selten“ (56%) bis „nie“ (10%) krank. Hierbei gibt es keine bedeutsamen Gruppenunterschiede zwischen den betrachteten Vergleichsgruppen. Im Vergleich zu den Studien der Jahre 2009 und 2011 (je MW=2,4) hat die Häufigkeit des Krankfühlens bei den hessischen Kindern damit leicht abgenommen, jedoch nicht statistisch bedeutsam. Auf die Frage, wie häufig die Kinder zur Schule gehen, obwohl sie sich krank fühlen, haben die meisten mit „selten“ (28%) geantwortet. Der Mittelwert liegt hier mit MW=3,0 bei der Antwortkategorie „manchmal“ und fällt genau so hoch aus wie 2009. Die übrige Häufigkeitsverteilung lautet wie folgt: 13% gehen „nie“ zur Schule, wenn sie sich krank fühlen und rund jeder Fünfte tut dies „manchmal“ (21%). Insgesamt 38% gehen „oft“

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bis „sehr oft“ in die Schule, obwohl sie sich krank fühlen. Damit geht etwa jedes dritte Kind in Hessen trotz Krankheitsgefühl regelmäßig in die Schule. An dieser Stelle zeigt sich ein Alterseffekt: Mit zunehmendem Alter der Kinder kommt es auch zunehmend häufiger vor, dass die Kinder trotz Krankheitsgefühl am Unterricht in der Schule teilnehmen (4. Klasse: MW=2,8; 5. Klasse: MW=2,9; 6. Klasse: MW=3,0; 7. Klasse: MW=3,3). Darüber hinaus gibt es keine weiteren bedeutsamen Gruppenunterschiede. Zwischen den beiden Aussagen zum Krankheitserleben besteht ein positiver Zusammenhang, demzufolge gehen Kinder, die sich häufig krank fühlen, auch häufiger trotz dieses Gefühls zur Schule und umgekehrt (r=.19). 5.2 Gesunde Ernährung Um das Ernährungsverhalten der Kinder in Hessen näher zu beleuchten, wurden diese u.a. gefragt, wie häufig sie vor der Schule frühstücken. Die hessischen Kinder geben im Durchschnitt an, dass sie „manchmal“ bis „oft“ (MW=3,6) frühstücken, bevor sie in die Schule gehen. Die Häufigkeitsverteilung sieht wie folgt aus: Für knapp jedes zweite Kind gehört das tägliche Frühstück zur Normalität, 49% der befragten Kinder in Hessen sagen, dass sie „sehr oft“ vor der Schule frühstücken. 10% frühstücken „oft“ und weitere 7% „manchmal“. Demgegenüber stehen rund ein Drittel der in Hessen befragten Kinder, die „selten“ (15%) bzw. „nie“ (19%) frühstücken, bevor sie in die Schule gehen. Hierbei gibt es Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Demnach frühstücken Kinder ohne Migrationshintergrund signifikant häufiger, bevor sie in die Schule gehen, als Kinder mit

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Migrationshintergrund (MW=3,7 vs. MW=3,3). Im Jahresvergleich gibt es keine bedeutsamen Unterschiede. Die Kinder wurden auch gefragt, wie häufig sie täglich eine warme Mahlzeit bekommen. Die hessischen Kinder haben auf diese Frage im Durchschnitt mit „oft“ bis „sehr oft“ geantwortet (MW=4,6). Rund zwei Drittel sagen, dass sie „sehr oft“ (69%) eine warme Mahlzeit am Tag bekommen und weitere 23% verorten ihre Antwort bei „oft“. Eine tägliche warme Mahlzeit gehört demzufolge für die meisten Kinder in Hessen zum regulären Alltag. 7% nehmen „manchmal“ eine warme Mahlzeit zu sich und insgesamt weniger als 2% „selten“ (1%) oder „nie“ (<1%). Kinder Alleinerziehender bekommen nach eigenen Angaben etwas seltener, aber immer noch durchschnittlich „oft“, täglich etwas Warmes zu essen als Kinder mit zwei Elternteilen (MW=4,3 vs. MW=4,6). Bei Kindern, die „eher großstädtisch“ aufwachsen, fällt der Mittelwert hier mit MW=4,9 am höchsten und signifikant höher aus als bei Kindern, die in einem „eher städtischen“ (MW=4,4) oder „eher dörflichen“ Umfeld (MW=4,6) leben. Zwischen den zwei Fragen zur Ernährung der Kinder zeigt sich ein positiver Zusammenhang. Kinder, die häufiger vor der Schule frühstücken, bekommen auch häufiger täglich etwas Warmes zu essen und umgekehrt (r=.20). 5.3 Gesundheit und Wohlbefinden Die in diesem Kapitel behandelten Fragen hängen mitunter mit dem Wohlbefinden der Kinder zusammen. So bestehen durchweg negative Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit des Krankfühlens und allen betrachteten Wohlbefindensvariablen. Demzufolge fühlen sich die hessischen Kinder im Allgemeinen (r=-.34), in der Familie (r=-.24), in der Schule (r=-.16), bei ihren

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Freunden (r=-.17) sowie im eigenen Wohnumfeld (r=-.12) unwohler, wenn sie sich auch häufig krank fühlen und umgekehrt: Kinder, die sich selten krank fühlen, weisen in allen betrachteten Lebensbereichen ein höheres Wohlbefinden auf. Darüber hinaus besteht eine signifikante Korrelationen zwischen dem Wohlbefinden der Kinder in der Familie und der Häufigkeit, mit der die Kinder trotz Krankheit in die Schule gehen: Kinder, die häufiger trotz Krankheit am Schulunterricht teilnehmen, fühlen sich demnach in ihrer Familie (r=.-17) unwohler und andersherum. Zwischen dem Ernährungsverhalten der Kinder und deren Wohlbefinden gibt es keine bedeutsamen Zusammenhänge.

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6 Zukunft In diesem Kapitel werden verschiedene Aspekte aufgegriffen, die sich mit den Zukunftsvorstellungen der Kinder in Hessen befassen. Dazu wurden die Kinder gefragt, ob sie später in einem eigenen Haus leben möchten, ob es ihnen wichtig ist, später viel Freizeit zu haben und ob sie alles haben, um ihre Ziele erreichen zu können. Des Weiteren wurde in einem offenen Frageformat ihr späterer Berufswunsch erfasst. Die hier vorgestellten Fragen sind zum Teil bereits in früheren Erhebungen gestellt worden. 6.1 Vorstellung und Einschätzung zum späteren Leben Die hessischen Kinder sollten anhand einer fünfstufigen Zustimmungsskala zunächst angeben, ob es ihnen wichtig ist, mit ihrem späteren Partner bzw. ihrer späteren Partnerin in einem eigenen Haus zu wohnen. Später in einem Eigenheim zu leben, ist den Kindern durchschnittlich „ziemlich“ wichtig (MW=4,3). Damit fällt die Bewertung der Kinder signifikant geringer aus als 2016 (MW=4,6) und das Wohnmodell eines Eigenheims ist heute etwas weniger gefragt bei den hessischen Kindern als noch vor zwei Jahren. Mehr als die Hälfte aller befragten Kinder in Hessen (59%) stimmen hier „sehr“ zu, weitere 22% haben mit „stimmt ziemlich“ geantwortet und 10% mit „stimmt mittelmäßig“. Insgesamt 9% der Kinder legen „wenig“ (6%) bis keinen Wert darauf, später in einem Eigenheim zu wohnen. Es bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen. In der Tendenz zeigt sich jedoch ein Unterschied nach Migrationshintergrund, welcher das festgelegte Signifikanzniveau nur knapp verfehlt. Demzufolge legen Kinder ohne Migrationshintergrund noch etwas mehr Wert darauf, später in einem eigenen Haus zu leben,

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als Kinder mit Migrationshintergrund (MW=4,4 vs. MW=4,1). Im Jahresvergleich gibt es hier keine bedeutsamen Veränderungen. Bei einer weiteren Frage sollten die Kinder angeben, wie wichtig es Ihnen ist, später viel Freizeit zu haben, auch wenn sie dann weniger Zeit zum Arbeiten und Geld verdienen hätten. Damit kann die Frage als Indikator für die Einstellungen der Kinder zur Work-Life-Balance11 herangezogen werden. Insgesamt ist es den hessischen Kindern mittelmäßig wichtig, später viel Freizeit zu haben. Der Mittelwert beträgt hier MW=3,1 und fällt somit in die Antwortkategorie „stimmt mittelmäßig“. Die Häufigkeitsverteilung sieht wie folgt aus: Jedes zehnte Kind in Hessen hat mit „stimmt sehr“ (10%) geantwortet. Rund jeder Vierte findet es „ziemlich“ (26%) wichtig, später viel Freizeit zu haben, und weitere 37% haben mit „stimmt mittelmäßig“ geantwortet. Zusammengenommen 27% aller befragten Kinder haben ihre Antwort im unteren Zustimmungsbereich von „stimmt wenig“ (16%) bis „stimmt nicht“ (11%) verortet. Auch hier zeigt sich ein tendenzieller Unterschied in Abhängigkeit des Migrationshintergrundes: Kindern ohne Migrationshintergrund ist es noch etwas wichtiger, später viel Freizeit zu haben, auch wenn sie dann weniger Zeit zum Arbeiten und Geld verdienen haben, als Kindern mit Migrationshintergrund (MW=3,2 vs. MW=2,9). „Ich habe alles was ich brauche, um meine Ziele zu erreichen.“ Mehr als jedes dritte Kind in Hessen stimmt dieser Aussage „sehr“ (38%) zu. Im Durchschnitt haben die Kinder hier mit „stimmt ziemlich“ geantwortet (MW=4,1), damit steht den meisten Kindern in Hessen eigener Einschätzung nach alles Notwendige zur persönlichen Zielerreichung zur Verfügung. 39% der hessischen Kinder haben mit „stimmt ziemlich“ und 19% mit

11

42

bezeichnet die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben


„stimmt mittelmäßig“ geantwortet. Insgesamt 4% der Kinder betrachten die eigene Zielerreichung kritischer und antworten mit „stimmt wenig“ oder „stimmt nicht“. Kinder Alleinerziehender (MW=3,8 vs. MW=4,1) sowie Kinder aus Familien mit Arbeitslosigkeit (MW=3,6 vs. MW=4,1) sind der eigenen Zielerreichung gegenüber noch etwas kritischer eingestellt als ihre jeweiligen Vergleichsgruppen und glauben somit seltener, dass ihnen alles Notwendige für die eigene Zielerreichung zur Verfügung steht. In der Tendenz zeigen sich darüber hinaus Schulformunterschiede, welche das strenge Signifikanzniveau knapp verfehlen. Demzufolge geben Kinder auf der Hauptschule (MW=3,8) seltener an, dass ihnen alles Notwendige zur eigenen Zielerreichung zur Verfügung steht als Kinder auf der Grundschule oder auf dem Gymnasium (je MW=4,2). Zwischen den in diesem Abschnitt betrachteten Aspekten besteht ein positiver Zusammenhang: Kinder, die später gerne in einem eigenen Haus wohnen möchten, vertreten auch häufiger die Auffassung, dass ihnen alles Notwendige zum Erreichen ihrer Ziele zur Verfügung steht und umgekehrt (r=.12). Darüber hinaus gibt es keine weiteren signifikanten Zusammenhänge. 6.2 Berufsvorstellungen In einem offenen Antwortformat wurden die Kinder darum gebeten, ihre Berufswünsche aufzuschreiben. Die Erfassung der Berufswünsche von Kindern in Deutschland wurde im Rahmen der im Vorfeld stattfindenden Fokusgruppen von den beteiligten Kindern vorgeschlagen (vgl. Kapitel 1: Hintergrund). Es liegen insgesamt 780 Antworten von 515 Kindern aus ganz Hessen vor, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Die

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Mehrheit der befragten Kinder hat auf die Frage zum Berufswunsch somit mindestens eine Antwort gegeben (94%). Durchschnittlich nennt jedes hessische Kind zwischen ein bis zwei Berufswünschen. Ausgewertet wurde die Frage mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse: Die Antworten wurden kategorisiert und insgesamt 71 Kategorien zugeordnet. Mitunter mussten sehr große Kategorien (wie z.B. „Handwerk“) gebildet werden, da die Antworten der Kinder sehr heterogen ausgefallen sind und teilweise sehr konkrete als auch eher ungenaue Berufsvorstellungen genannt wurden. In Abbildung 6.1 sind die beliebtesten Berufswünsche der Kinder in Hessen dargestellt.

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Abb. 6.1: Die beliebtesten Berufe

weiß nicht

18%

Polizist/in

15%

Lehrer/in

13%

Arzt/Ärztin

11%

Sportler/in

11%

Handwerk

8%

Architektur

7%

Arbeit mit Tieren

7%

Künstler/in

6%

Schauspieler/in

4%

Wissenschaft/Forschung

4%

Jurist/in

4%

Design/Mode/Gestaltung

4%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anteil der Kinder

Die häufigste Antwort der Kinder auf die Frage nach dem späteren Berufswunsch ist der Kategorie „weiß nicht“ zuzuordnen (1. Rang: 18%) – dies trifft sowohl auf die Auswertung für die gesamte Bundesrepublik als auch auf die länderspezifische Auswertung für Hessen zu. In dieser Kategorie werden Aussagen

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zusammengefasst wie „das weiß ich noch nicht genau“ oder „Ich bin mir noch nicht sicher, erst will ich meine Kindheit genießen und dann darüber nachdenken“. Zum Zeitpunkt der Befragung wissen 18% der Kinder in Hessen dementsprechend noch nicht, welchen Beruf sie später einmal haben möchten. Den 2. Rangplatz der Liste der beliebtesten Berufe belegt die Kategorie „Polizist/in“ mit 15%. Darunter fallen Antworten wie „Polizei“ oder „Ich möchte gern zur Polizei […] gehen, um unser Land zu unterstützen und zu verteidigen“. 13% der hessischen Kinder möchten später gerne einmal „Lehrer/in“ werden. Diese Antwortkategorie belegt damit Rang 3 der beliebtesten Berufe. Der Kategorie „Lehrer/in“ sind Antworten zugeordnet, die sich auf die klassische Lehrtätigkeit an einer Schule beziehen, z.T. nennen die Kinder hier auch konkrete Fachrichtungen oder Schulformen: „Lehrerin in der Grundschule“. Jeweils 11% der Kinder in Hessen geben „Arzt/Ärztin“ sowie „Sportler/in“ als Berufswünsche an (4. Rang). In der Kategorie „Arzt/Ärztin“ sind zusätzlich Aussagen wie „Zahnarzt“, „Notarzt“, „Radiologin“ zusammengefasst. In die Kategorie „Sportler/in“ fallen vor allem „Fußballer“ oder „Fußballprofi“, aber auch andere Sportarten mit Antworten wie „Handballer“, „Leichtathlet“ oder „Wrestlerin“. Auf dem 5. Rangplatz liegt die Kategorie „Handwerk“. 8% der hessischen Kinder antworten mit dieser Kategorie auf die Frage nach dem Berufswunsch. Die Kategorie „Handwerk“ wurde auf vergleichsweise hoher Ebene zusammengefasst, da die Häufigkeiten für die einzelnen Berufe aufgrund der teilweise sehr differenzierten Antworten der Kinder sehr gering ausfielen. Die Kate-

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gorie beinhaltet nun Antworten wie „Schreiner“, „Bäcker“, „Techniker“, „Kfz-Mechaniker“, „Ich möchte gerne Goldschmiedin sein, weil es meine Mutter ist und sie mein Vorbild ist“ und weitere Handwerksberufe. Jeweils 7% der Kinder in Hessen wünschen sich später einen Beruf, der in die Kategorien „Architektur“ und „Arbeit mit Tieren“ fällt (6. Rang). Die Kategorie „Architektur“ umfasst Aussagen wie „Architekt“ und „Ich möchte später Innenarchitektin werden, weil ich zu Hause ein Puppenhaus habe und es gerne gestalte […]“. Bei der Kategorie „Arbeit mit Tieren“ wurde am häufigsten „Tierarzt/Tierärztin“ als Berufswunsch von den Kindern geäußert, aber auch Aussagen wie „Wolfszüchter“ sind in dieser Kategorie zusammengefasst. 6% der Kinder möchten später einen Beruf ergreifen, der in die Kategorie „Künstler/in“ fällt (7. Rang). Hier sind Aussagen zusammengefasst, die sowohl künstlerische als auch musikalische Tätigkeiten und Berufswünsche beschreiben, jedoch von der Kategorie „Schauspieler“ abzugrenzen sind. Einige Ö-Töne lauten: „Ich möchte mal was mit Kunst und Zeichnen studieren, mehr weiß ich noch nicht“, „Musiker“. Den achten Rangplatz belegen Kategorien, die von jeweils 4% der Kinder genannt wurden: Dies sind die Kategorien „Schauspieler/in“, „Wissenschaft/Forschung“, „Jurist/in“ und „Design/Mode/Gestaltung“. Die Kategorie „Schauspieler/in“ umfasst dabei alle Antworten, die sich auf die Tätigkeit von Schauspieler/innen beziehen: „Ich überlege Schauspielerin zu werden […]“. Die Kategorie „Wissenschaft/Forschung“ enthält alle Antworten rund um dieses Thema. Die genannten Fachrichtungen sind dabei teilweise sehr differenziert. Aussagen wie z.B. „im Labor“,

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„Ägyptologin“, „Physiker“ oder „Erfinder“ sind dieser Kategorie zugeordnet. In der Kategorie „Jurist/in“ sind beispielsweise folgende Antworten zusammengefasst: „Rechtsanwalt“, „Richterin“ oder „Ich möchte gern Anwältin werden, weil ich es liebe Leuten zu helfen“. Die Kategorie „Design/Mode/Gestaltung“ beinhaltet Berufswünsche und Aussagen wie „Mediengestalter“, „Modedesigner“ oder „Ich möchte später Designerin mit meiner besten Freundin Alina werden […].“ Im Bundesländervergleich zeigt sich mit besonderem Blick auf Hessen folgender Unterschied: Kinder in Hessen geben signifikant seltener an, später gerne einmal mit Tieren arbeiten zu wollen („Arbeit mit Tieren“) als Kinder in Sachsen (6% vs. 17%). Außerdem nennen hessische Kinder tendenziell häufiger Berufswünsche der Kategorien „Polizist/in“ (15%) als Kinder in Bayern (8%) und Hamburg (6%) sowie „Lehrer/in“ als Kinder in Hamburg (13% vs. 4%), wobei diese beiden Unterschiede das festgelegte Signifikanzniveau knapp verfehlen.

Mit Blick auf das Geschlecht der Kinder zeigen sich deutliche Unterschiede bei den Berufswünschen der Kinder in Hessen. Die 10 häufigsten Nennungen sind in Abbildung 6.2 getrennt nach Mädchen und Jungen dargestellt.

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Abb. 6.2: Die beliebtesten Berufe (nach Geschlecht)

Mädchen

Jungen 18% Polizist

weiß nicht 20%

16% weiß nicht

Lehrerin 19%

14% Sportler

Polizistin 11%

11% Arzt

Ärztin 11%

11% Handwerk

Arbeit mit Tieren 10% Architektur 8%

6% Lehrer

Künstlerin 8%

5% Architektur

Schauspielerin 8%

4% Informatiker 4% Wissenschaft/Forschung

Design/Mode/Gestaltung 6%

4% Pilot

Handwerk 5%

100%

80%

60%

40%

20%

0

20%

40%

60%

80%

100%

Anteil der Kinder

Die häufigste Antwort auf die Frage nach dem Berufswunsch bei den Mädchen in Hessen ist der Kategorie „weiß nicht“ (20%) zuzuordnen. Auf dem 2. und 3. Rang liegen Berufe der Kategorien „Lehrerin“ (19%) und „Polizistin“ (11%). Dabei geben Mädchen signifikant häufiger an, Lehrerin werden zu wollen, als Jungen (19% vs. 6%). Zudem nennen Mädchen signifikant häufiger „Arbeit mit Tieren“ (10% vs. 2%), „Künstlerin“ (8% vs. 3%), „Schauspielerin“ (8% vs. 1%) sowie „Design/Mode/Gestaltung“ (6% vs. 1%) bei der Frage nach ihren Berufsvorstellungen. Die Top 3 der beliebtesten Berufe der Jungen in Hessen gehören zu den Kategorien „Polizist“ (1. Rang: 18%), „weiß nicht“ auf dem

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2. Rangplatz (16%) und „Sportler“ auf dem 3. Rang (14%). Jungen geben den Berufswunsch „Sportler“ dabei signifikant häufiger an als Mädchen (14% vs. 5%). Zudem geben Jungen in Hessen signifikant häufiger an, später gerne einmal „Informatiker“ werden zu wollen, als Mädchen (4% vs. 1%). Der Kategorie „Informatiker“ wurden alle Berufe aus dem Bereich Informatik/EDV zugeordnet. Betrachtet man Kinder in Hessen mit und ohne Migrationshintergrund lässt sich festhalten, dass Kinder mit Migrationshintergrund signifikant häufiger „Arzt/Ärztin“ (16% vs. 8%) und „Schauspieler/in“ (8% vs. 3%) werden wollen als Kinder ohne Migrationshintergrund. Im Vergleich von hessischen Kindern, die mit zwei Elternteilen leben, und Kindern, die mit einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen, zeigt sich, dass Kinder mit zwei Elternteilen signifikant häufiger nicht wissen (Kategorie: „weiß nicht“), welchen Beruf sie später gerne einmal haben möchten als Kinder, die mit einem Elternteil leben (19% vs. 5%). Andersherum geben Kinder Alleinerziehender signifikant häufiger den Berufswunsch „Lehrer/in“ an als Kinder, die mit zwei Elternteilen aufwachsen (27% vs. 11%). Vergleicht man die verschiedenen Schulformen, lässt sich ein signifikanter Unterschied im Antwortverhalten der Kinder festhalten: So nennen Schülerinnen und Schüler der Hauptschule signifikant häufiger Berufe der Kategorie „Handwerk“ (60%) als Kinder der Grundschule (6%), der Realschule (9%), der Gesamtschule (7%) sowie des Gymnasiums (6%). Bei Betrachtung der Wohnumgebung der Kinder in Hessen sind zwei signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen festzu-

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stellen: Kinder, die eher städtisch wohnen, geben signifikant häufiger „Architektur“ als Berufsvorstellung an als Kinder, die eher dörflich leben (12% vs. 4%). Kinder, die in einer eher großstädtischen (13%) Wohnumgebung leben, möchten später signifikant häufiger „Jurist/in“ werden als Kinder, die in einem eher dörflichen oder eher städtischen Wohnumfeld aufwachsen (je 3%). 6.3 Zukunft und Wohlbefinden Zwischen der Vorstellung bzw. Einschätzung zum eigenen Leben und dem Wohlbefinden der Kinder zeigt sich lediglich ein Zusammenhang zur Überzeugung, alles Notwendige zum Erreichen der eigenen Ziele zu haben. Demnach fühlen sich die Kinder in allen betrachteten Lebensbereichen, mit Ausnahme des Freundeskreises, wohler, die der Auffassung sind, dass ihnen alles Benötigte zur eigenen Zielerreichung zur Verfügung steht. Kinder, die wiederum skeptisch hinsichtlich ihrer eigenen Zielerreichung sind, fühlen sich Allgemeinen (r=.24), in der Familie (r=.26), in der Schule (r=.18) sowie in ihrem eigenen Wohnumfeld (r=.23) unwohler. Darüber hinaus gibt es keine weiteren bedeutsamen Zusammenhänge zum Wohlbefinden der Kinder.

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7 Toleranz Gerade in der heutigen Zeit, in der sich die Gesellschaft stetig verändert und weiterentwickelt, ist die Bereitschaft, sich auf andere und bis dato fremde Menschen sowie deren Meinungen und Einstellungen einlassen zu können substantiell für ein gelingendes Miteinander. Dieses Kapitel befasst sich mit dem Thema Toleranz und den Einstellungen diesbezüglich bei den Kindern in Hessen. Akzeptieren sie die Meinungen anderer und welche Einstellungen haben sie gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen? Dies sind unter anderem Fragen, denen hier näher nachgegangen wird. Dabei wird zunächst das generelle Toleranzempfinden der Kinder thematisiert, bevor die Einstellungen bezüglich ausgewählter gesellschaftlicher Gruppierungen betrachtet werden. Die hier dargestellten Fragen sind teilweise bereits in früheren Studien (LBS-Kinderbarometer 2009 und 2014) zum Einsatz gekommen, sodass Kohortenvergleiche über die Zeit möglich sind. 7.1 Einstellung und Toleranzempfinden „Ich finde es wichtig, dass jeder so sein darf, wie er oder sie ist.“ Dieser Aussage stimmen die hessischen Kinder durchschnittlich zwischen „ziemlich“ bis „sehr“ zu. Der Mittelwert liegt hier mit MW=4,7 deutlich im oberen Zustimmungsbereich der fünfstufigen Antwortskala. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der einzelnen Antworten wider: Acht von zehn Kindern in Hessen haben hier mit „stimmt sehr“ (80%) und weitere 15% mit „stimmt ziemlich“ geantwortet. 3% aller Antworten befinden sich im Mittelfeld der Antwortskala bei „stimmt mittelmäßig“. Je 1% der Kinder hat mit „stimmt wenig“ oder „stimmt nicht“ geantwortet. Somit

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sind sich die meisten Kinder in Hessen einig: Jeder Mensch sollte das Recht haben, so sein zu dürfen, wie er bzw. sie ist. Dabei gibt es Gruppenunterschiede: Mädchen (MW=4,8 vs. MW=4,6) sowie Kinder ohne Migrationshintergrund (MW=4,8 vs. MW=4,6) befürworten es noch etwas stärker, dass jeder Mensch ein Recht auf Individualität und Einzigartigkeit haben sollte als ihre jeweiligen Vergleichsgruppen. Den hessischen Kindern fällt es durchschnittlich „wenig“ (MW=2,2) schwer damit umzugehen, wenn andere Kinder nicht ihrer Meinung sind. 28% haben hier mit „stimmt nicht“ und weitere 35% mit „stimmt wenig“ geantwortet, damit haben rund zwei Drittel der hessischen Kinder (63%) keine Schwierigkeiten damit, die Meinungen anderer zu akzeptieren. 27% haben ihre Antwort bei „stimmt mittelmäßig“ verortet und insgesamt 11% fällt es nach eigenen Angaben „ziemlich“ (7%) bis „sehr“ (4%) schwer, andere Meinungen zu akzeptieren. Kindern mit Migrationshintergrund fällt der Umgang mit anderen Meinungen noch etwas schwerer als Kindern ohne Migrationshintergrund (MW=2,4 vs. 2,2). Ein deutlicherer Unterschied zeigt sich beim Schulformvergleich: Hauptschülerinnen und Hauptschülern fällt es deutlich schwerer damit umzugehen, wenn andere Kinder nicht ihrer Meinung sind als Kindern in der Grundschule (MW=3,0 vs. MW=2,0) und auf dem Gymnasium (MW=3,0 vs. MW=2,2). Darüber hinaus gibt es keine weiteren Gruppenunterschiede. Im Jahresvergleich zeigen sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Die Kinder in Hessen finden es im Mittel „ziemlich“ (MW=4,1) wichtig, von anderen gemocht zu werden, auch wenn sie mal „anders“ sind. Die genaue Häufigkeitsverteilung lautet wie folgt: 42% finden es „sehr“ und weitere 37% „ziemlich“ wichtig, von anderen in Gänze gemocht zu werden. 15% haben hier mit „stimmt mittelmäßig“ geantwortet und zusammengenommen 6% aller

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Antworten sind dem unteren Zustimmungsbereich von „stimmt wenig“ (4%) bis „stimmt nicht“ (2%) zuzuordnen. Hierbei gibt es keine bedeutsamen Gruppenunterschiede. Demzufolge ist es den hessischen Kindern unabhängig von Geschlecht, Alter, Familienhintergrund und -konstellation, Arbeitssituation der Eltern, Schulform und Wohnumfeld gleichermaßen wichtig, dass andere sie mögen, auch wenn sie mal „anders“ sind. Der Mittelwert fällt hier unwesentlich anders aus als im Jahr 2014, jedoch erneut signifikant höher als im Jahr 2009 (MW=3,6). Zur Erfassung des generellen Toleranzempfindens sollten die Kinder in Hessen schließlich ihre Zustimmung zu der Aussage „Ich finde es gut, wenn es Menschen gibt, die nicht so sind wie alle anderen“ angeben. Die hessischen Kinder finden es durchschnittlich zwischen „ziemlich“ bis „sehr“ gut, dass es unterschiedliche Menschen gibt und nicht alle gleich sind (MW=4,4). Diese hohe Zustimmung wird auch an der Verteilung der einzelnen Antworten deutlich: Mehr als die Hälfte der Kinder haben hier mit „stimmt sehr“ geantwortet und ein knappes Drittel mit „stimmt ziemlich“ (29%). 15% aller Antworten liegen im Mittelfeld der Skala bei „stimmt mittelmäßig“ und insgesamt 6% haben im unteren Zustimmungsbereich von „stimmt wenig“ (4%) bis „stimmt nicht“ (2%) geantwortet. Zwischen Jungen und Mädchen zeigt sich ein Gruppenunterschied, welcher das festgelegte Signifikanzniveau nur knapp verfehlt. Demzufolge finden Mädchen es tendenziell noch etwas besser, dass es Menschen gibt, die nicht so sind wie alle anderen (MW=4,5 vs. MW=4,3). Daneben gibt es keine weiteren Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen. Der Kohortenvergleich über die Zeit macht deutlich, dass die Kinder in Hessen es heute deutlich besser finden, dass es unter-

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schiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und somit eine heterogene Vielfalt in der Gesellschaft gibt, als es bei den Kindern früherer Kinderbarometerstudien der Fall war. Der Mittelwert ist bereits vom Kinderbarometer 2009 (MW=3,5) bis zur Studie des Jahres 2014 (MW=4,1) gestiegen und liegt in der aktuellen Studie erneut signifikant höher (2018: MW=4,4). Zwischen den Variablen zum generellen Toleranzempfinden bestehen mitunter Zusammenhänge. Demnach zeigt sich ein negativer Zusammenhang zwischen dem Recht so sein zu dürfen, wie man ist und dem Umgang mit den Meinungen anderer. Kinder, denen es eigenen Angaben zufolge schwer fällt, mit den Meinungen von anderen umzugehen, befürworten es seltener, dass jeder das Recht haben sollte so sein zu dürfen, wie er bzw. sie ist und umgekehrt: Kinder, die das Recht auf freie Entfaltung befürworten, haben seltener Schwierigkeiten mit der Meinung von anderen umzugehen (r=-.16). Das Recht auf freie Entfaltung steht auch in Zusammenhang mit der Bewertung der gesellschaftlichen Vielfalt: Kinder, die es befürworten, dass jeder das Recht haben sollte so zu sein, wie er/sie ist, bewerten es auch positiver, dass es unterschiedliche Menschen in der Gesellschaft gibt, die nicht so sind wie alle anderen, und andersherum (r=.15). Darüber hinaus gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit von anderen in Gänze gemocht zu werden und der positiven Einschätzung dazu, dass es unterschiedliche Menschen gibt, die nicht so sind wie alle anderen (r=.14). 7.2 Toleranz gegenüber unterschiedlicher Gruppen Dieser Abschnitt widmet sich der Toleranz der hessischen Kinder gegenüber ausgewählten Gruppierungen in der Gesellschaft. Dabei werden folgende gesellschaftliche Gruppen aufgegriffen: Flüchtlinge und Menschen aus anderen Ländern, Menschen mit

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körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung und Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. Auch hier sollten die Kinder ihre Zustimmung zu verschiedenen Aussagen anhand einer fünfstufigen Antwortskala abgeben. Zunächst wurden die Kinder gefragt, ob sie es gut finden, dass Deutschland Menschen aus anderen Ländern aufnimmt, denen es in ihrer Heimat nicht gut geht. Der Mittelwert für Hessen liegt hier mit MW=4,0 im oberen Bereich der Antwortskala bei „stimmt ziemlich“ und fällt damit genauso hoch auch wie in der bundesweiten Studie. Demzufolge befürworten es die meisten hessischen Kinder, dass Deutschland hilfsbedürftigen Menschen Zuflucht gewährt. Die Häufigkeitsverteilung sieht wie folgt aus: 44% finden es „sehr“ gut und weitere 27% „ziemlich“ gut, dass Deutschland hilfsbedürftigen Menschen aus anderen Ländern hilft. Jedes fünfte Kind hat seine Antwort im Mittelfeld bei „stimmt mittelmäßig“ (20%) verortet. Zusammengenommen 10% und somit jedes zehnte Kind in Hessen findet es nicht gut, dass Deutschland hilfsbedürftige Menschen aus anderen Ländern aufnimmt und hat mit „stimmt wenig“ (6%) oder „stimmt nicht“ (4%) geantwortet. Zwischen den Bundesländern gibt es hierbei einige Unterschiede. Hessen bewegt sich mit seinem Mittelwert im Bundesländervergleich etwa im Mittelfeld aller Bewertungen. In Sachsen fällt die Bewertung mit einem Mittelwert von MW=3,6 dagegen am geringsten und in Berlin mit MW=4,2 am höchsten aus. Darüber hinaus gibt es folgende Gruppenunterschiede: Kinder mit Migrationshintergrund befürworten es noch mehr als Kinder ohne Migrationshintergrund, dass Deutschland Menschen hilft, denen es in ihrer Heimat nicht gut geht (MW=4,2 vs. MW=3,9). Gleiches trifft auf Kinder zu, die eine Grundschule (MW=4,3) oder ein Gymnasium (MW=4,1) besuchen im Vergleich zu Kindern, die

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auf die Hauptschule (MW=3,2) gehen. Neben diesem Schulformunterschied besteht zusätzlich ein Unterschied nach Jahrgangsstufe: Kinder der siebten Klassenstufe sind hinsichtlich der Unterstützung von Hilfsbedürftigen aus anderen Ländern kritischer als Kinder der übrigen Klassenstufen (4. Klasse: MW=4,3; 5. Klasse: MW=4,3; 6. Klasse: MW=4,1 vs. 7. Klasse: MW=3,5). Überdies besteht ein Unterschied nach Wohnregion: Kinder im großstädtischen Raum befürworten es am stärksten, dass Deutschland Menschen aus anderen Ländern hilft und signifikant stärker als Kinder in einer dörflichen Wohnumgebung (MW=4,5 vs. MW=3,9). Bei einer weiteren Frage sollten die Kinder angeben, ob sie mit Menschen aus anderen Ländern befreundet sind. Knapp zwei Drittel (65%) der in Hessen befragten Kinder sind mit Menschen aus anderen Ländern befreundet und haben hier mit „stimmt sehr“ (37%) oder „stimmt ziemlich“ (28%) geantwortet. 15% aller Antworten liegen bei „stimmt mittelmäßig“ und zusammengenommen ein Fünftel aller Kinder gibt an, „wenig“ (9%) bis gar „nicht“ (11%) mit Menschen aus anderen Ländern befreundet zu sein. Durchschnittlich haben die hessischen Kinder hier mit „stimmt mittelmäßig“ bis „stimmt ziemlich“ geantwortet (MW=3,7). Damit fällt der Wert genauso hoch aus wie im Jahr 2014 (MW=3,7) und signifikant höher als 2009 (MW=3,3). Auch hier zeigen sich wie bereits bei der vorherigen Frage Unterschiede zwischen den Bundesländern. In Hessen sind die Kinder eigenen Angaben zufolge häufiger mit Menschen aus anderen Ländern befreundet als Kinder in Saschen, Sachsen-Anhalt (je MW=2,8), Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen (je MW=2,9). Kinder mit Migrationshintergrund sind wesentlich häufiger mit Menschen aus anderen Ländern befreundet als Kinder ohne

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Migrationshintergrund (MW=4,1 vs. MW=3,5) – ebenso wie Kinder, die mit zwei Elternteilen aufwachsen, im Vergleich zu Kindern Alleinerziehender (MW=3,8 vs. MW=3,3). Die hessischen Kinder wurden auch gefragt, ob sie mit Menschen befreundet sind, die eine Behinderung haben. Mehr als die Hälfte der in Hessen befragten Kinder (59%) sind nicht mit Menschen befreundet, die eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung haben, und haben hier mit „stimmt wenig“ (13%) oder „stimmt nicht“ (46%) geantwortet. Weitere 13% verorten ihre Antwort bei „stimmt mittelmäßig“ und zusammengenommen 28% aller Antworten sind den Antwortkategorien „stimmt ziemlich“ (15%) und „stimmt sehr“ (13%) zuzuordnen. Je älter die Kinder werden, desto häufiger sind sie mit Menschen befreundet, die eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung haben (4. Klasse: MW=1,9; 5. Klasse: MW=2,2; 6. Klasse: MW=2,4; 7. Klasse: MW=2,8). Darüber hinaus gibt es keine weiteren Gruppenunterschiede. Freundschaften zu Menschen mit Behinderung führen die Kinder in Hessen insgesamt eher selten. Im Jahresvergleich betrachtet nimmt die Häufigkeit jedoch zu (2009: MW=1,8; 2014: MW=2,1; 2017: MW=2,4).

Um die Toleranz gegenüber Personen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen zu erfassen, wurden die Kinder wie bereits im Jahr 2016 gefragt, wie sie es finden, dass es ganz unterschiedliche Familien gibt, beispielweise mit zwei Müttern oder zwei Vätern. Der Mittelwert der hessischen Kinder fällt hier mit MW=3,1 in die Kategorie „stimmt mittelmäßig“ und liegt damit unwesentlich höher als in der vorherigen Studie des Jahres 2016 (MW=3,0). Zusammengenommen 41% der Kinder befürworten

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alternative Familienmodelle und haben hier mit „stimmt ziemlich“ (25%) oder „stimmt sehr“ (16%) geantwortet. Ein knappes Drittel ist sich unschlüssig und verortet die Antwort bei „stimmt mittelmäßig“, während insgesamt 28% der hessischen Kinder „wenig“ (10%) bis gar „nichts“ (18%) von alternativen Familienmodellen mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen halten. Die Jungen sind demgegenüber noch etwas kritischer eingestellt als Mädchen (MW=3,0 vs. MW=3,3). Gleiches trifft auf Kinder mit Migrationshintergrund (MW=2,8 vs. MW=3,3) sowie Kinder mit Arbeitslosigkeit in der Familie (MW=2,4 vs. MW=3,2) im Vergleich zu ihren jeweiligen Vergleichsgruppen zu. Abschließend sollten die Kinder angegeben, wie wichtig sie es finden, dass man sich unabhängig vom Geschlecht verlieben darf, in wen man möchte („egal ob Mädchen oder Junge“). Der hohe Mittelwert von MW=4,5 verdeutlich, dass die meisten Kinder in Hessen es befürworten, dass man sich frei und geschlechtsunabhängig verlieben darf. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der einzelnen Antworten wider: Mehr als zwei Drittel der in Hessen Befragten und somit der überwiegende Teil antworten hier mit „stimmt sehr“ (68%). 19% finden es „ziemlich“ wichtig, dass man sich frei verlieben darf und weitere 8% „mittelmäßig“ wichtig. Insgesamt 5% der Kinder haben hier mit „stimmt wenig“ (2%) oder „stimmt nicht“ (3%) geantwortet und sind dementsprechend dagegen. Hierbei gibt es erneut einige Unterschiede zwischen den Kindern: Mädchen sind gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe toleranter eingestellt als Jungen (MW=4,6 vs. MW=4,3), wobei die Jungen durchschnittlich auch „ziemlich“ tolerant sind. Kinder ohne Migrationshintergrund sind gleichgeschlechtlicher Liebe gegenüber ebenfalls toleranter eingestellt als Kinder mit Migrationshintergrund (MW=4,6 vs. MW=4,2). Dasselbe trifft auf Kinder

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ohne Arbeitslosigkeit in der Familie im Vergleich zu Kindern mit Arbeitslosigkeit in der Familie zu (MW=4,5 vs. MW=3,9). Kinder aus den ländlichen Regionen Hessens stimmen hier ebenfalls stärker zu als Kinder im großstädtischen hessischen Wohnraum (MW=4,6 vs. MW=4,1). Zwischen den hier betrachteten Variablen bestehen einige positive Zusammenhänge, wie Tabelle 7.1 entnommen werden kann. Tab. 7.1: Zusammenhänge im Themenblock Toleranz gegenüber unterschiedlicher Gruppen (Korrelationskoeffizienten)

(a) Ich finde es gut, dass Deutschland Menschen aufnimmt, denen es in anderen Ländern nicht gut geht. (b) Ich bin mit Menschen aus anderen Ländern befreundet.

(c) Ich bin mit Menschen, die eine Behinderung haben, befreundet.

(d) Ich finde es gut, dass es ganz unterschiedliche Familien gibt, z.B. Familien mit zwei Müttern... (e) Ich finde es wichtig, dass man sich verlieben darf in wen man will, egal ob Mädchen oder Junge.

a

b

c

d

e

x

.20

-

.27

.26

x

.27

-

-

x

.15

.15

x

.47

x

Der stärkste Zusammenhang zeigt sich zwischen den zwei Variablen zum Toleranzempfinden bei Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen (r=.47). Kinder, die es wichtig finden, dass man sich frei und geschlechtsunabhängig verlieben darf, befürworten auch eher Familienmodelle mit gleichge-

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schlechtlichen Elternteilen und umgekehrt: Kinder, die alternativen Familienmodellen gegenüber kritisch eingestellt sind, sind hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auch intoleranter eingestellt. Die weiteren positiven Zusammenhänge deuten darauf hin, dass die Kinder unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen gegenüber entweder generell eher tolerant oder eher intolerant eingestellt sind, unabhängig davon, um welche Gruppe es sich handelt. Interessant sind auch die Korrelationen zum generellen Toleranzempfinden aus dem ersten Abschnitt dieses Kapitels. Demzufolge sind Kinder, die es wichtig finden, dass jeder Mensch so sein darf wie er oder sie ist, gegenüber Deutschlands Hilfe für Menschen aus anderen Ländern (r=.17), Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen (r=.25) sowie gleichgeschlechtlicher Liebe im Allgemeinem (r=.33) toleranter eingestellt und umgekehrt. Kinder, die es gut finden, dass es ganz unterschiedliche Menschen gibt, die nicht so sind wie alle anderen, sind bei allen betrachteten Gruppierungen toleranter und umgekehrt (Korrelationen von r=.12 bis r=.25). Darüber hinaus zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem Umgang mit anderen Meinungen und der Bewertung der Unterstützung von Menschen aus anderen Ländern, welcher das festgelegte Signifikanzniveau knapp verfehlt. Dies deutet darauf hin, dass Kinder, denen es schwer fällt mit den Meinungen anderer umzugehen, es weniger befürworten, dass Deutschland Menschen aus anderen Ländern hilft (und umgekehrt). Die ermittelten Zusammenhänge sprechen noch mehr für die These, dass die Kinder entweder generell eher tolerant oder eher intolerant eingestellt sind.

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7.3 Toleranz und Wohlbefinden Die generellen Einstellungen zur Toleranz und das Toleranzempfinden gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen stehen teilweise in Zusammenhängen zum Wohlbefinden. Kinder, denen es wichtig ist, dass jeder Mensch sich frei entfalten kann und so sein darf, wie er oder sie ist, fühlen sich in ihrem Wohnumfeld (r=.12) wohler als Kinder, die nicht so viel Wert auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit legen und umgekehrt. Kinder, denen es schwer fällt mit anderen Meinungen umzugehen, weisen in der Schule ein geringeres Wohlbefinden auf (r=-.15). Darüber hinaus weisen die hessischen Kinder ein geringeres Wohlbefinden im Allgemeinen auf, die es nicht gut finden, dass es unterschiedliche Menschen gibt, die nicht so sind wie alle anderen und umgekehrt (r=.13). Kinder in Hessen, die es begrüßen, dass hilfsbedürftige Menschen in Deutschland Zuflucht finden, fühlen sich im Allgemeinen (r=.12), in der Schule (r=.20) und in ihrem Wohnumfeld (r=.20) wohler und andersrum: Kinder, die dagegen sind, dass hilfsbedürftigen Menschen auf nationaler Ebene geholfen wird, fühlen sich im Allgemeinen, in der Schule sowie in ihrem eigenen Wohnumfeld unwohler. Überdies zeigen sich keine Zusammenhänge zwischen den Toleranzeinstellungen gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und dem Wohlbefinden der Kinder in Hessen.

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8 Mitbestimmung In diesem Kapitel geht es um das Thema Mitbestimmung bei Kindern in Hessen. Dabei wird zwischen dem Mitbestimmungsinteresse der hessischen Kinder in den Bereichen Familie, Schule sowie Stadt bzw. Gemeinde differenziert. Darüber hinaus wird wie bereits in früheren Studien die Kenntnis der UN-Kinderrechtskonvention dargestellt, bevor abschließend auf die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Mitbestimmungsaspekten und dem Wohlbefinden der Kinder in Hessen eingegangen wird. 8.1 Mitbestimmung in der Familie Die hessischen Kinder wurden hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte gefragt, wie wichtig sie es finden, bei anstehenden Entscheidungen innerhalb ihrer Familien mitbestimmen zu können. Dabei hat sich gezeigt, dass es den Kindern in Hessen am wichtigsten ist, in ihrer Familie ein Mitspracherecht bei der Schulauswahl zu haben (MW=4,5). Darauf folgen das Mitspracherecht bei der Urlaubsplanung (MW=4,0), den zuhause geltenden Regeln (MW=3,6) und der Essensauswahl (MW=3,3). Den hessischen Kindern ist es durchschnittlich „ziemlich“ bis „sehr wichtig“, mitentscheiden zu können, auf welche Schule sie gehen (MW=4,5). Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der einzelnen Antworten wider: Zwei Drittel der befragten Kinder sagen, dass es ihnen „sehr wichtig“ (66%) ist, ein Mitspracherecht bei der Schulauswahl zu haben. Ein knappes Viertel hat hier mit „ziemlich wichtig“ (23%) und weitere 7% mit „mittelmäßig wichtig“ geantwortet. Insgesamt lediglich 3% aller Antworten befinden sich im unteren Bereich der Antwortskala bei „wenig wichtig“

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(2%) bis „nicht wichtig“ (1%). Dabei gibt es Unterschiede in Abhängigkeit der besuchten Schulform. Kinder, die zum Befragungszeitpunkt ein Gymnasium besuchen, legen am meisten Wert darauf bei der Schulauswahl mitreden zu können und antworten hier signifikant häufiger im oberen Skalenbereich als Kinder, die eine Hauptschule besuchen (MW=4,6 vs. MW=4,0). Der Stellenwert von Mitbestimmung bei der Schulwahl hat sich bei den hessischen Kindern im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2014 nicht bedeutsam verändert. Bei der Urlaubsplanung der Familie mitreden zu können, ist den hessischen Kindern durchschnittlich „ziemlich wichtig“ (MW=4,0) und damit genauso wichtig wie 2014. 38% der Kinder haben hier mit „sehr wichtig“ und 33% mit „ziemlich wichtig“ geantwortet. Knapp ein Fünftel verortet die Antwort im Mittelfeld der Skala bei „mittelmäßig wichtig“. Zusammengenommen jedes zehnte Kind findet es „wenig“ (6%) bis „nicht wichtig“ (4%) bei der Urlaubsplanung mitbestimmen zu können. Hierbei gibt es keine bedeutsamen Gruppenunterschiede, den hessischen Kindern ist es demzufolge unabhängig von ihren jeweilige Gruppenzugehörigkeiten ähnlich wichtig, bei der Urlaubsplanung mitbestimmen zu können. Dabei mitzureden, welche Regeln in der Familie für das gemeinsame Miteinander gelten, ist den hessischen Kindern durchschnittlich zwischen „mittelmäßig“ und „ziemlich wichtig“ (MW=3,6). Insgesamt 59% der Befragten finden es „ziemlich“ (28%) oder „sehr wichtig“ (31%), ein Mitspracherecht bei den familiären Regeln zu haben. Ein knappes Viertel legt „mittelmäßig“ (23%) Wert darauf, hierbei mitbestimmen zu können, und insgesamt 18% finden es „wenig“ (8%) bis gar „nicht wichtig“ (10%). Kindern ohne Migrationshintergrund ist es wichtiger, bei den zuhause geltenden Regeln mitentscheiden zu können als Kindern

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mit Migrationshintergrund (MW=3,8 vs. MW=3,4). Darüber hinaus gibt es keine weiteren Gruppen- sowie Kohortenunterschiede über die Zeit. Mitbestimmen zu können, was es in der Familie zu Essen gibt, ist den hessischen Kindern vergleichsweise weniger und durchschnittlich „mittelmäßig wichtig“ (MW=3,3). Insgesamt 38% der befragten Kinder finden es „ziemlich“ (22%) bis „sehr wichtig“ (16%), ein Mitspracherecht bei der familiären Essensauswahl zu haben. Die meisten Kinder haben hier mit „mittelmäßig wichtig“ (41%) und zusammengenommen jedes fünfte Kind mit „wenig wichtig“ (13%) oder „nicht wichtig“ (7%) geantwortet. Zwischen den betrachteten Gruppen sowie im Jahresvergleich gibt es keine signifikanten Unterschiede. Zwischen den hier betrachteten Aspekten zum Partizipationsinteresse in der Familie bestehen einige Zusammenhänge. Kinder, die in ihrer Familie dabei mitbestimmen wollen, wohin es in den Urlaub geht, sind auch stärker daran interessiert bei der der Essenauswahl (r=.29), den zuhause geltenden Regeln (r=.17) sowie der Schulauswahl (r=.15) mitzubestimmen und umgekehrt. Darüber hinaus ist es den hessischen Kindern wichtiger bei der Schulauswahl mitzubestimmen, wenn sie ebenfalls bei den zuhause geltenden Regeln mitreden wollen (r=.17). Kinder, die Wert darauf legen bei der Essensauswahl mitzureden, haben auch ein größeres Interesse bei den zuhause festgelegten Regeln mitzuentscheiden (r=.17). Diese Befunde deuten darauf hin, dass die Kinder in Hessen unabhängig von dem betrachteten Aspekt entweder generell viel oder wenig Interesse an Mitbestimmung in der Familie haben.

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8.2 Mitbestimmung in der Schule In Hinblick auf Mitbestimmungsaspekte in der Schule ist es den hessischen Kindern am wichtigsten, bei schulischen Ausflügen und Klassenfahrten mitbestimmen zu können (MW=4,0). Darauf folgt das Mitspracherecht bei der Verwendung des Geldes in der Klassenkasse (MW=3,3). Den letzten Rang teilen sich das Mitbestimmungsinteresse bei der Klassenraumgestaltung (MW=2,8) sowie der Gestaltung des Schulhofes (MW=2,8). Bei den schulischen Mitbestimmungsaspekten belegt das Mitbestimmungsinteresse bei Klassenfahrten und Schulausflügen den ersten Rang. Den hessischen Kindern ist es durchschnittlich „ziemlich wichtig“ hier mitentscheiden zu können (MW=4,0). Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der einzelnen Antworten wider: 41% der Kinder haben mit „sehr wichtig“ geantwortet und ein weiteres knappes Drittel (32%) mit „ziemlich wichtig“. 17% der befragten Kinder verorten ihre Antwort im Mittelfeld bei „mittelmäßig wichtig“ und zusammengenommen 10% der hessischen Kinder finden es „wenig“ bis gar „nicht wichtig“ (je 5%) beim Thema Klassenfahrten in der Schule mitreden zu können. Den älteren Kindern der siebten Klasse ist es noch wichtiger, hier mitentscheiden zu können als jüngeren Kindern in der vierten Klasse (MW=4,2 vs. MW=3,7). Darüber hinaus gibt es keine weiteren Gruppen- und Kohortenunterschiede im Jahresvergleich. Bei der Verwendung des Geldes in der Klassenkasse möchten die hessischen Kinder durchschnittlich „manchmal“ mitentscheiden (MW=3,3). Dies unterscheidet sich unwesentlich von der Studie des Jahres 2014. Insgesamt 47% der Kinder haben hier mit „ziemlich wichtig“ (26%) oder „sehr wichtig“ (21%) geantwortet. Rund ein Fünftel findet es „mittelmäßig wichtig“ (27%), bei der Verwendung der Klassenkasse mitbestimmen zu können und zusammengenommen 16% der Kinder „wenig“ (12%) bis gar

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„nicht wichtig“ (14%). Kinder, die mit zwei Elternteilen aufwachsen, haben ein größeres Interesse bei der Verwendung des Geldes in der Klassenkasse mitentscheiden zu können als Kinder Alleinerziehender (MW=3,3 vs. MW=2,8). Das Mitbestimmungsinteresse bei der Klassenraum- oder Schulhofgestaltung ist bei den Kindern in Hessen im Durschnitt „mittelmäßig“ hoch (je MW=2,8) und damit genauso hoch wie 2014. Für die Klassenraumgestaltung zeigt sich folgendes Antwortmuster: Insgesamt 29% der Kinder finden es „ziemlich“ (18%) bis „sehr wichtig“ (11%) bei der Gestaltung der Klassenräume mitreden zu können. 31% haben hier mit „mittelmäßig wichtig“ geantwortet und zusammengenommen 40% aller Antworten sind dem unteren Skalenbereich von „wenig“ (19%) bis gar „nicht wichtig“ (21%) zuzuordnen. Kindern, die eine Hauptschule besuchen, ist es noch wichtiger, an der Klassenraumgestaltung mitzuwirken, als Kindern auf der Realschule (MW=3,6 vs. MW=2,6). Darüber hinaus zeigen sich keine weiteren Unterschiede. Bei dem Mitbestimmungsinteresse im Rahmen der Schulhofgestaltung zeigt sich ein ähnliches Muster. Rund jedem zehnten Kind ist es „sehr wichtig“ hier mitreden zu können. Weitere 17% finden es „ziemlich wichtig“ bei der Schulhofgestaltung mitbestimmen zu können und knapp ein Drittel findet es „mittelmäßig wichtig“ (30%). Insgesamt 42% haben hier mit „wenig wichtig“ (22%) oder gar „nicht wichtig“ (20%) geantwortet. Dabei gibt es keine Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen. Zwischen den betrachteten Aspekten zum Partizipationsinteresse in der Schule bestehen durchweg positive Korrelationen (von r=.39 bis r=.54). Der höchste Zusammenhang zeigt sich zwischen dem Mitbestimmungsinteresse bei der Klassenraumgestaltung und jenem bei der Schulhofgestaltung. Kinder, die sich

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stärker für die Klassenraumgestaltung interessieren, haben demnach auch ein größeres Interesse an der Schulhofgestaltung und andersherum. Die durchweg positiven Korrelationen machen deutlich, dass das Mitbestimmungsinteresse generell in allen betrachteten Bereichen höher ist, wenn es auch in einem anderen Bereich hoch ist (und umgekehrt). Dies spricht dafür, dass die Kinder in Hessen sich allgemein mehr oder weniger für Mitbestimmung in der Schule interessieren, unabhängig davon, um welche Thematik es konkret geht. Bei einer weiteren Frage sollten die Kinder den Wunschort zum Erledigen ihrer Hausaufgaben bestimmen. Die meisten Kinder in Hessen präferieren ihr Zuhause (59%) zum Erledigen der Hausaufgaben, demgegenüber stehen 41%, die ihre Hausaufgaben bevorzugt in der Schule erledigen möchten. Dieser Befund ist deckungsgleich mit der bundesweiten Auswertung. In Hessen zeigt sich ein Unterschied in Abhängigkeit der besuchten Schulform: Von den befragten Kindern, haben alle Kinder, die eine Hauptschule besuchen, als Wunschort für die Hausaufgaben ihr Zuhause gewählt. Bei den anderen Schulformen ist die Verteilung vergleichbar mit ganz Hessen. Überdies gibt es keine weiteren Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen sowie im Jahresvergleich. 8.3 Mitbestimmung in der Stadt bzw. Gemeinde Wie bereits in früheren Erhebungen wurden die hessischen Kinder auch in der aktuellen Studie gefragt, ob sie gerne an Entscheidungen in ihrer Stadt bzw. Gemeinde partizipieren würden. Die meisten Kinder in Hessen wollen eigenen Angaben zufolge nicht an Entscheidungen in ihrer Stadt bzw. Gemeinde partizipieren. 54% haben hier mit „nein“ und die übrigen 46% mit „ja“ ge-

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antwortet. Damit hat sich der Anteil der Kinder, die gerne auf lokaler Ebene an Entscheidungen partizipieren würden im Vergleich zu 2016 unwesentlich verändert, liegt jedoch weiterhin unterhalb des Niveaus aus 2011 (64%). Es zeigt sich ein tendenzieller Unterschied in Abhängig der Familienkonstellation, welcher das festgelegte Signifikanzniveau nur knapp verfehlt. Demzufolge ist das Interesse an Mitbestimmung auf lokaler Ebene bei Kindern, die mit zwei Elternteilen leben, größer als bei Kindern Alleinerziehender (49% vs. 33%). Darüber hinaus gibt es keine weiteren Unterschiede. Die hessischen Kinder wurden in der vorliegenden Studie erstmalig danach gefragt, ob sie wissen, an wen sie sich wenden müssen, wenn sie in ihrer Stadt/Gemeinde etwas für Kinder verändern möchten. Etwas mehr als der Hälfte der Kinder in Hessen ist nicht bekannt, an wen sie sich in diesem Fall wenden können (55%). Demgegenüber stehen 45%, die wissen, wer der richtige Ansprechpartner bzw. die richtige Ansprechpartnerin ist. Dies entspricht exakt den bundeweiten Anteilen. Auch an dieser Stelle zeigt sich ein tendenzieller Effekt, welcher das festgelegte Signifikanzniveau nur knapp verfehlt. Demnach ist Kindern ohne Migrationshintergrund der lokale Ansprechpartner bzw. die lokale Ansprechpartnerin noch häufiger bekannt als Kindern mit Migrationshintergrund (49% vs. 39%). Darüber hinaus gibt es keine weiteren Unterschiede. Das LBS-Kinderbarometer greift in jedem bundesweiten Durchgang die Kenntnis der UN-Konvention über die Rechte des Kindes von 1989 auf. Die Kenntnis darüber wird seit 2011 auch in Hessen systematisch abgefragt. Knapp die Hälfte der hessischen Kinder gibt an, schon einmal von der UN-Konvention über die Rechte des Kindes gehört zu haben (42%). Dementsprechend ist die UN-Konvention 58% der hessischen Kinder zum

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Erhebungszeitpunkt nicht bekannt. Damit ist die Bekanntheit der UN-Konvention im Vergleich zur letzten Studie angestiegen (2016: 36%). Diese Steigerung verfehlt jedoch knapp die festgelegten Signifikanzkriterien. Spannend bleibt wie sie sich dies in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird. Im Bundesländervergleich zeigt sich, dass Kinder in Hessen signifikant seltener die UN-Kinderrechtskonvention kennen als Kinder in Brandenburg (42% vs. 64%). Zu den anderen Bundesländern gibt es keine signifikanten Unterschiede. Daneben zeigt sich, dass Kinder ohne Arbeitslosigkeit in der Familie signifikant häufiger die UN-Konvention über die Rechte des Kindes kennen als Kinder mit arbeitslosen Eltern bzw. arbeitslosen Elternteilen (44% vs. 21%).

In einem offenen Frageformat wurden die Kinder im Anschluss an die vorangegangenen Fragen zum Thema Mitbestimmung darum gebeten, aufzuschreiben, bei welchem konkreten Thema sie in ihrer Stadt bzw. Gemeinde gerne mitentscheiden möchten. Insgesamt liegen 278 Antworten von 202 hessischen Kindern vor12, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Eine deutliche Mehrheit derjenigen Kinder aus Hessen, die in der Stadt bzw. Gemeinde mitentscheiden möchten, hat auf diese Frage somit mindestens eine Antwort gegeben (83%). Im Durchschnitt nennen die Kinder zwischen ein bis zwei Themen, bei welchen sie gerne mitentscheiden möchten. Die Antworten wurden mit Hilfe 12

Für die Auswertung der offenen Frage zum Thema Mitbestimmung in der Stadt/Gemeinde werden nur diejenigen Kinder in Hessen berücksichtigt, die angegeben haben, in ihrer Stadt bzw. Gemeinde bei Entscheidungen mitreden zu wollen. Kinder, die kein Interesse an Mitbestimmung in ihrer Stadt/Gemeinde geäußert haben, wurden herausgefiltert. In der gekürzten Stichprobe verbleiben somit 243 Kinder (n=243).

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der qualitativen Inhaltsanalyse kategorisiert und insgesamt 47 Kategorien zugeordnet. Die häufigsten Antworten sind in Abbildung 8.1 veranschaulicht. Abb. 8.1: Bei diesen Themen möchten die Kinder in der Stadt/Gemeinde am liebsten mitentscheiden

Stadtplanung

24%

Spielplätze

17%

Sportmöglichkeiten

13%

Umwelt/Tiere

12%

Schule/Bildung Freizeitmöglichkeiten

10% 9%

weiß nicht

5%

Allgemein

5%

Finanzen

5%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anteil der Kinder

Die ersten drei Rangplätze der beliebtesten Mitbestimmungsthemen in der Stadt/Gemeinde in Hessen entsprechen denen der bundesweiten Erhebung. Am liebsten möchten die Kinder in Hessen, wie auch in der gesamten Bundesrepublik, bei dem Thema „Stadtplanung“ (1. Rang) mitentscheiden. 24% der hes-

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sischen Kinder, die in ihrer Stadt/Gemeinde mitbestimmen wollen, nennen dieses Thema. Diese Kategorie umfasst Aussagen, die sich auf das Stadtbild beziehen, also auf das Bauen und die Nutzung von Gebäuden, die Gestaltung der Stadt oder die Nutzung von Flächen oder Gebieten. Beispielhaft sind hier Antworten wie „Die Umgebung sollte kinderfreundlicher sein […]“, „Gestaltung der Stadt“ oder „Bei dem Bau von dem neuen Rathaus. Es wird gerade dort hin gebaut, wo entlang der Hauptstraße das einzige Stückchen Gras war. Wir haben dort oft Eis gegessen oder gespielt“ zu nennen. Zum Teil haben die Kinder auch konkrete Städtenamen angegeben, diese Antworten sind ebenfalls der Kategorie „Stadtplanung“ zugeordnet worden. Auf dem zweiten Rangplatz geben 17% der Kinder in Hessen an, am liebsten bei dem Thema „Spielplätze“ mitentscheiden zu wollen. In dieser Kategorie sind Aussagen zusammengefasst, die sich auf die direkte Gestaltung von Spielplätzen in der Stadt/Gemeinde beziehen. Hierzu zählen: „Spielplätze“, „Bei Spielplätzen für Kinder, da Kinder bei diesem Thema am besten wissen, was sie möchten“ oder „Indoorspielplätze“. Auf Rang drei der beliebtesten Mitbestimmungsthemen steht das Thema „Sportmöglichkeiten“. 13% der Kinder in Hessen geben eine Antwort, die in diese Kategorie fällt. Unter „Sportmöglichkeiten“ finden sich vor allem Aussagen wie „Fußball“ oder „Fußballplätze“, aber auch Antworten wie „Schwimmbad“, „Freibäder“ oder „bei einer Skaterbahn“. 12% der Kinder in Hessen, die angeben, in ihrer Stadt/Gemeinde mitbestimmen zu wollen, möchten am liebsten bei dem Thema „Umwelt/Tiere“ mitentscheiden (Rang 4). Hierunter fallen Aussagen wie „Bei der Umweltverschmutzung würde ich gerne helfen. Es wäre schön, wenn man besser auf die Umwelt aufpassen

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könnte. (Bitte an Frau Merkel weiterleiten)“, „[…] dass das Abholzen von Wäldern verboten ist!“ oder „keine Haie töten“. Jedes 10. Kind (10%) in Hessen möchte gerne bei dem Thema „Schule/Bildung“ mitentscheiden (Rang 5). „Schulfächer, Ferien“, „Gelder für Schulen“, „Schüler sollten für G8 oder G9 abstimmen dürfen“, „[…] welche Bücher in der Bibliothek angeschafft werden“ oder "Unterrichtszeiten (viel zu früh und zu lang), Hausaufgaben (zu viele (in manchen Fächern)) " sind beispielsweise Aussagen, die in dieser Kategorie zusammengefasst sind. Den 6. Rang belegen „Freizeitmöglichkeiten“ als Mitbestimmungsthema in der Stadt bzw. Gemeinde. 9% der Kinder in Hessen nennen diese Kategorie, unter der zum Beispiel folgende Aussagen zusammengefasst werden: „Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten“, „Dass es vielleicht mehr Sachen gibt wo man hingehen kann“ oder „Kinoprogramm“. Auch Antworten, die sich auf Veranstaltungen in der Stadt beziehen, fallen in diese Kategorie, z.B. „bei Straßenfesten“. Jeweils 5% der Kinder in Hessen, die angeben in ihrer Stadt/Gemeinde mitentscheiden zu wollen, wissen nicht genau, bei welchem Thema sie mitbestimmen möchten („weiß nicht“) oder geben eine Antwort ab, die den Kategorien „allgemein“ oder „Finanzen“ zugeordnet werden können (je 7. Rang). Unter der Kategorie „weiß nicht“ sind Aussagen wie „weiß nicht“ oder „kp“ als Abkürzung für „kein Plan“ zusammengefasst. In die Kategorie „allgemein“ fallen Aussagen, die generell auf Mitbestimmung zielen, ohne konkrete Themen zu benennen. Beispiele sind dafür folgende Antworten der Kinder: „allgemein“, „wenn etwas wichtiges besprochen wird“ oder „alles“. Unter der Kategorie „Finanzen“ sind beispielsweise Aussagen zusammengefasst, wie „Bei den Ausgaben unserer Steuern, die immer für unnötige

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Sachen ausgegeben werden“, „Wirtschaft (Geld usw.)“ oder „zu wenig Geld“. Mit Blick auf das Geschlecht der Kinder lassen sich einige Unterschiede in der Rangfolge der beliebtesten Mitbestimmungsthemen in der Stadt bzw. Gemeinde festhalten. In Abbildung 8.2 sind die Ergebnisse getrennt für Jungen und Mädchen dargestellt. Abb. 8.2: Die beliebtesten Mitbestimmungsthemen in der Stadt/Gemeinde (nach Geschlecht)

Mädchen

Jungen

Stadtplanung 29%

20% Spielplätze

Umwelt/Tiere 16%

20% Stadtplanung

Spielplätze 14%

18% Sportmöglichkeiten

Schule/Bildung 11%

11% Freizeitmöglichkeiten

Sportmöglichkeiten 7%

9% Schule/Bildung

Allgemein 7%

8% Umwelt/Tiere

Finanzen 6%

7% weiß nicht

Freizeitmöglichkeiten 6%

5% Wahlen

Verkehr 6%

4% Allgemein

Regeln im öffentlichen Raum 6%

100%

80%

60%

40%

20%

4% Einkaufmöglichkeiten

0

20%

40%

60%

80%

100%

Anteil der Kinder

Wie auch in der bundesweiten Studie finden sich in den obersten Rängen der beliebtesten Mitbestimmungsthemen in der Stadt bzw. Gemeinde sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen die

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Themen „Stadtplanung“ (Mädchen: 29%, Jungen: 20%) und „Spielplätze“ (Mädchen: 14%, Jungen: 20%). Darüber hinaus möchten Mädchen und Jungen in unterschiedlicher Reihenfolge bei den Themen „Umwelt/Tiere“ (Mädchen: 16%, Jungen: 8%), „Sportmöglichkeiten“ (Mädchen: 7%, Jungen: 18%), „Schule/Bildung“ (Mädchen: 11%, Jungen: 9%), „Freizeitmöglichkeiten“ (Mädchen: 6%, Jungen: 11%) oder „allgemein“ (Mädchen: 7%, Jungen: 4%) mitbestimmen. Mädchen geben zudem an, in ihrer Stadt bzw. Gemeinde gerne bei den Themen „Finanzen“ (6%), „Verkehr“ (6%) sowie „Regeln im öffentlichen Raum“ (6%) mitreden zu wollen. Der Kategorie „Verkehr“ wurden u.a. folgende Antworten aus dem Bereich Straßenverkehr zugewiesen: „bei den Radwegen“ und „bei den Buslinien, da nicht immer genügend Busse fahren“. Die Kategorie „Regeln im öffentlichen Raum“ umfasst Aussagen, die sich auf ein geregeltes und ordentliches Zusammenleben im öffentlichen Raum beziehen: „neue Gesetze (Pyrotechnik)“, „Ordnung“ und „Hundebeutelspender“. Bei den Jungen fallen die Kategorien „weiß nicht“ (7%), „Wahlen“ (5%; O-Töne: „Kommunalwahl“, „Bürgermeister“) sowie „Einkaufsmöglichkeiten“ (4%; O-Töne: „Gerne bei Shops“, „MediaMarkt“) außerdem unter die am häufigsten genannten Themen. Insgesamt gibt es zwischen den Geschlechtern jedoch keine signifikanten Unterschiede bei der Häufigkeit der genannten Kategorien, sondern lediglich bei der Rangfolge. Betrachtet man die Wohngegend der Kinder, lässt sich festhalten, dass Kinder in Hessen, die angeben in einem „eher städtischen“ Wohnumfeld zu leben, signifikant häufiger bei dem Thema „Stadtplanung“ (39% vs. 15%) mitbestimmen möchten als Kinder, die in einer „eher dörflichen“ Wohnumgebung wohnen. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen.

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Zwischen allen betrachteten Aspekten des Themenbereichs Mitbestimmung in den Stadt/Gemeinde bestehen mitunter Zusammenhänge. Kinder, welche die UN-Kinderrechtskonvention kennen, haben ein erhöhtes Interesse an Partizipation auf lokaler Ebene und umgekehrt (r=.13). Darüber hinaus deutet sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Kenntnis der UN-Konvention und der Kenntnis von lokalen Ansprechpartnern bzw. Ansprechpartnerinnen an, welcher das Signifikanzniveau knapp verfehlt. Demnach sind den Kindern lokale Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerinnen eher bekannt, wenn sie auch die UN-Kinderrechtskonvention kennen und umgekehrt. Schließlich wissen Kinder, die gerne bei dem Thema „Sportmöglichkeiten“ mitentscheiden möchten, signifikant häufiger, an wen sie sich in ihrer Stadt bzw. Gemeinde wenden können, wenn sie etwas für die Kinder verändern möchten (20% vs. 7%). 8.4 Mitbestimmung und Wohlbefinden Zwischen dem Wohlbefinden der Kinder in Hessen und den einzelnen Mitbestimmungsaspekten gibt es einige Zusammenhänge. Für das Mitbestimmungsinteresse in der Familie zeigt sich, dass Kinder, die gerne beim Essen mitbestimmen möchten, sich in ihrer Familie wohler fühlen und umgekehrt: Kinder, die sich in ihrer Familie wohl fühlen, haben ein größeres Interesse bei der Essenauswahl mitzuentscheiden (r=.14). Für das Mitbestimmungsinteresse in der Schule wird deutlich: Kinder, denen die Partizipation bei der Schulhofgestaltung wichtig ist, fühlen sich bei ihren Freunden unwohler und andersherum (r=-.12). Hessische Kinder, die ihre Hausaufgaben bevorzugt zuhause erledigen möchten, weisen ein höheres Wohlbefinden in ihrer Familie auf als hessische Kinder, die ihre Hausaufgaben lieber in der Schule machen möchten (MW=6,2 vs. MW=5,8).

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Der Partizipationswunsch auf lokaler Ebene, in der eigenen Stadt bzw. Gemeinde hängt positiv mit dem Wohlbefinden der Kinder in ihrer Familie zusammen: Kinder, die gerne an lokalen Entscheidungen partizipieren möchten, fühlen sich in ihrer Familie wohler als Kinder, die lokal nicht mitbestimmen möchten (MW=6,2 vs. MW=5,9). In Abhängigkeit der Kenntnis von lokalen Ansprechpartnern bzw. Ansprechpartnerinnen zeigen sich ebenfalls Unterschiede beim Wohlbefinden der Kinder: Demzufolge fühlen sich Kinder, welche die lokalen Bezugspersonen kennen, in der Schule (MW=5,6 vs. MW=5,2) sowie bei ihren Freunden (MW=6,6 vs. MW=5,3) wohler als Kinder, die keine Kenntnis von lokalen Ansprechpartnern haben. Die Kenntnis der UN-Kinderrechtskonvention steht in keinem signifikanten Zusammenhang zum Wohlbefinden der Kinder.

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