Tracks 5 15 (September/Oktober 2015)

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No. 5/2015 September/Oktober 5. Jahrgang

Das einzige Schweizer Gratis-Magazin f端r musikalische Lebenskultur

mit g Sch rosse w Sze eizer m ne T eil

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KADAVAR Gr端sse aus Berlin

IMAGINE DRAGONS * DURAN DURAN * BOY DAVE MATTHEWS BAND * ALEXA FESER * HURTS * BASCHI * IRIJ * W.A.S.P * LAMB OF GOD * SLAYER * SPOOKY TOOTH

JOSS STONE



Inhalt JOSS STONE

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Mit ihren 28 Jahren hat die englische Ausnahmesängerin bereits fast alles erreicht, was möglich ist: Über 14 Millionen verkaufte Platten, BritAwards, Grammys, erfolgreich als Model und Schauspielerin. Dabei ist sie stets auf dem Boden geblieben und gilt als eine der sympathischtesten Megastars der gesamten Szene. TRACKS sprach mit der Sängerin über ihr neues Album, auf dem statt Soul Reggae dominiert.

FEATURES / INTERVIEWS: - ALEXA FESER

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Emotionale Wucht

- IMAGINE DRAGONS

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Radioaktives aus Las Vegas

- DURAN DURAN

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Auf ein Neues

DAVE MATTHEWS BAND

- BOY

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Runde 2

In ihrer Heimat USA gehören Dave Matthews und seine Truppe seit Jahren zu den erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten und füllen problemlos die grössten Arenen. Aber trotz über 35 Millionen verkaufter Platten konnten sie diesen Erfolg bislang nicht in gleicher Form auf Europa übertragen. Ein Grund dürfte sein, dass sie sich in den vergangenen Jahren auf hiesigen Bühnen rar gemacht hatten. Nun kommen sie nach Zürich und werden ihren Ruf als «America›s Biggest Band» unter Beweis stellen.

- HURTS

21

Romantiker

- DELTA RAE

26

Americana Juwelen

- SLAYER

34

Die Legende lebt

- LAMB OF GOD

36

Charts-Stürmer

- W.A.S.P.

40

Lawless auf Golgotha

- SPOOKY TOOTH

56

Alte Schätze

Schweizer Szene: - IRIJ

42

Nach Eluveitie

- BASCHI

46

Gelebte Träume

Die Berliner Band orientiert sich eng an den grossen Acts der End-60er/Früh-70er Rocktruppen mit psychedelischem Einschlag und ausufernden Soloimprovisationen. Damit liegen sie heute auf der Höhe der Zeit, wie ihre steil nach oben zeigende Erfolgskurve deutlich zeigt. Mit dem neuen Album «Berlin», das als bestes deutsches Classicrock-Album der letzten Jahre bewertet wird, ist der Durchbruch auf breiter Front vorprogrammiert.

KADAVAR

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Reviews

- 8

Mainstream/Indie/Alternative Agent Fresco, Backyard Babies, Friska Viljor, Boy, Duran Duran, Billy Vincent, Biters, Heldmaschine, Ohrenfeindt, Joss Stone, Nachtgeschrei, Oomph, The Delta Saints, The Fratellis...

-32

Hard/Heavy/Metal Apocalyptica, amorphis, Disturbed, Dimino, Lamb Of God, Krayenzeit, Soulfly, Urfaust...

- 43

Swiss Al-Berto, English Garden, Expenzer, Jaromir, Grand Pianoramax, Noesberger, Quiet Island...

Live Reviews: CAMEL, OA ST. GALLEN

59

- 58

Blues

- 53

Americana/Roots/Country

Sonny Landreth, Spin Doctors, Innes Sibun... Elliott Murphy, Warren Haynes, Robert Jon, Spring & Calling Sirens, Statesboro Revue...

- 54

DVD/BluRay 25 Jahre Wacken, Axel Rudi Pell, J. Geils Band, Rolling Stones, Joe Bonamassa

- 56

Re-Releases Marvin Gaye, Soundgarden, Led Zeppelin...

- 60 - 62

Konzertkalender Wettbewerb / Impressum

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Die Art, wie man durchs Leben geht

ip. Mit 28 Jahren hat Joss Stone eigentlich schon alles in der Tasche, was man sich als Musiker erträumen kann. Rund 14 Millionen verkaufte Alben, unzählige Awards, Mitgliedschaft in der Supergroup SuperHeavy mit Mick Jagger und Dave Steward und ein mittlerweile eigenes Label, das ihr die Freiheit gibt, Musik ohne Restriktionen aufzunehmen. Auch in der Schauspielerei und als Model ist die Britin erfolgreich unterwegs. TRACKS erwischte sie auf dem Weg nach London zu einem Gespräch über ihr neues Album „Water For Your Soul“.

Bist du gerade unterwegs zu einem Konzert? Joss: Nein! Ich wünschte, ich wäre (lacht)! Wir sind auf dem Weg nach London, weil ich morgen zu einer Vormittags-TV-Show eingeladen bin. Gute Fahrt in dem Fall. Wie ist die Kollaboration mit Damian Marley, der dich auf „Water For Your Soul“ unterstützt hat, zustande gekommen? Ich habe ihn damals kennengelernt, als wir mit SuperHeavy zusammen spielten. Er war ja auch mit in der Band und wir haben nach den Gigs zusammen rumgehangen. Wir haben uns als Menschen und als Musiker sofort gut verstanden. Und das hiess wohl, dass wir irgendwann auch Musik zusammen machen sollten. War die Intention, ein Reggae-orientiertes Album zu schreiben, schon vor dem Komponieren von „Water For Your Soul“ da? Ja, das war tatsächlich eine Absicht. Wir wollten von Anfang an diesen Reggae-Vibe in den Songs haben. Er sollte nicht zu viel Raum einnehmen, weil es ja auch wichtig ist, dass ich mir selber treu bleiben kann, trotz vieler Einflüsse, die ich sowieso verarbeite. Deshalb haben wir diesen Stil mit einfliessen lassen, ohne dass er die anderen zu sehr übertönt. Wo hast du die ganzen verschiedenen Einflüsse, die auf deinem sehr abwechslungsreichen Album verpackt sind, aufgesammelt? Ich denke, dafür ist einfach das Leben verantwortlich. Es gibt nicht den einen bestimmten Ort oder die eine bestimmte Zusammenarbeit mit jemandem, die dazu geführt hat. Es sind auch

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nicht unbedingt einzelne Erlebnisse. Es ist die Art, wie man durchs Leben geht. Und wenn man dabei die Augen und Ohren offen hält, dann kann man sich immer inspirieren lassen. Deine vielen Reisen und Touren um die Welt helfen dir dabei. Genau, das ist wahr. Und es wird einem nie langweilig. Von den vielen verschiedenen Instrumenten, die auf „Water For Your Soul“ genutzt wurden, gibt es eines darunter, das dir speziell gefällt? Die Sarod (indisches Saiteninstrument ähnlich Sitar, persischer Name kombiniert aus „Shah“: König und „Rud“: Saite – Anm. d. Aut.) hat mich sehr fasziniert. Ich habe noch nie zuvor gesehen, wie sie gespielt wird, bis wir sie für meine Platte aufgenommen haben. Das war sehr interessant und neu für mich. Der Klang ist faszinierend. Die Sarod kommt auf „Stuck On You“, deiner ersten Single und einem sehr zarten Song, zur Geltung. Dieser Song geht eher in die Richtung, die man sonst von dir gewohnt ist, denn er hat viel Soul. Wie würdest du ihn beschreiben? (überlegt) Ich denke, dieses Lied widerspiegelt Verzweiflung. Es handelt davon, dass du in einer aussichtslosen Situation bist und an etwas oder jemandem hängenbleibst. Es beschäftigt sich mit Schmerz, den du in diesem Moment fühlst, wenn dir das bewusst wird. Sich in einer Sackgasse zu befinden, ist ein rundherum elendes Gefühl. Denn eigentlich hast du diese Situation selber heraufbeschworen, aber irgendwie fühlt es sich gar nicht so an. Mit den Drums und dem Bass wollten wir die Schwere dieses Gefühls darstellen und die Gitarren und die Sarod liefern dem ein Gegengewicht. Es geht in dem Song tatsächlich um die dunklen Seiten der Liebe, für einmal nicht um die schönen und hellen. Von den dunklen Momenten gibt es viele in der Liebe. Ja, das stimmt (lacht). Das ist häufig so. Aber daraus entstehen die besten Songs. Das stimmt auch (lacht). Wie war es für dich, Songs zu schreiben und aufzunehmen, die experimenteller sind, als diejenigen, die du normalerweise singst? Für mich war das hochinteressant, sie zu schreiben und wachsen zu lassen! Allerdings war der Ort, an dem die Songs geboren wurden, Jonathan Shortens Gehirn, nicht meins. Diese Credits kann ich mir nicht zugestehen. Aber während des Prozesses übernehme ich die vorhandenen Ideen und schreibe die Lyrics und dann ermutigen wir uns gegenseitig, in verschiedene Richtungen zu gehen. Sobald das dann passiert ist, fangen wir an, die Songs aufzunehmen und sie so

JOSS STONE Water For Your Soul Stone`d/Sony ip. Joss Stone ist bekannt für modernen und energiereichen Soul. Das Ausnahmetalent mit der wunderbaren Stimme vor über zehn Jahren im Alter von 15 ihr erstes Album „Soul Sessions“ herausgebracht und seitdem eine beispiellose Karriere in einem Genre hingelegt, in dem man eigentlich erst in fortgeschrittenem Alter respektable Erfolge feiert. „Water For Your Soul“ ist ihr siebtes Studioalbum und driftet leicht von der Soul-Schiene ab, ohne allerdings die Wurzeln des Stars zu vergessen. Vier Jahre hat die Arbeit an diesem Album gedauert und als Unterstützung hat Damian Marley, jüngster Sohn der Reggaelegende Bob Marley, kräftig mitgewirkt. Das hört man dem Album an und das soll auch so sein. Gleich vorneweg: Wer Joss Stone liebt,

zu formen, wie sie in unseren Köpfen aussieht. Du bewegst dich ja für „Water For Your Soul“ auf unbekanntem Terrain, was bestimmte Stile angeht. War es schwierig für dich, die Songs zu singen? Es war anders. Die Reggaesongs stellten eine Herausforderung dar, weil ich mich erst in sie hineindenken musste. Reggae braucht simple und kurze Vocals. Wenn du zuviel singst, klingt es nicht gut. Würdest du sagen, dass „Water For Your Soul“ der Beginn einer Reise in eine andere musikalische Richtung ist? Eigentlich schon, das wäre schön. Ich glaube, jede musikalische Reise führt dich immer irgendwo anders hin, auf anderen Wegen oder auf andere Art. Musik kann und sollte nicht immer an derselben Stelle stattfinden. Aber das ist auch immer relativ dazu, wer du bist. Meine Reise ist vielleicht gar keine Reise, sondern eine jeweilige Momentaufnahme von einem Song zum anderen. Man weiss nie, vielleicht habe ich morgen Lust darauf, etwas ganz anderes zu machen. Es ist nicht ganz einfach, das genau zu beschreiben oder zu erklären, wie sich so eine Entwicklung gestaltet. Du bist während deiner Karriere und auch im Speziellen in den letzten Monaten quer durch die Welt gereist. Hast du schon wieder neue Ideen aufgesammelt? Eine ganze Menge. Wir organisieren ja in vielen Ländern Kollaborationen mit anderen Musikern und das beeinflusst mich immer sehr. Zumindest, wenn sie gut sind (lacht). Dann vergesse ich diese Begegnungen nie. Und das beeinflusst natürlich auch die Musik, die ich schreibe. Als Besitzerin eines eigenen Labels und damit der Freiheit, dich musikalisch nie eingeengt zu fühlen, hast du dich schon mal einer Schreibblockade ausgesetzt gefühlt? Nein! Noch nie. Ich glaube nicht daran, dass es so etwas gibt. Das ist ein ziemlich gutes Konzept. In meiner Realität existiert so etwas wie eine Schreibblockade nicht. Diese Idee habe ich nicht in meine Welt und mein Leben eingeladen. Ich weiss, dass es Leute gibt, die darunter leiden. Aber da ich auch nicht jeden Tag Songs schreibe, kann das bei mir gar nicht stattfinden. Ich komponiere dann, wenn ich mich danach fühle und Ideen habe. Wenn du nicht schreiben kannst oder willst, ist das doch kein Problem! Geh dir einen Film anschauen oder back einen Kuchen (lacht).

LIVE 3. Oktober 2015 Zürich, Kaufleuten

aber mit Reggae nichts anfangen kann, sollte vorsichtshalber erst ein Ohr riskieren. Letztendlich wird Stone aber auch diejenigen überzeugen, die vielleicht zu zögern versuchen. „Love Me“ startet die Reise durch Stones Musiklandschaft mit lüpfigem Reggae und „This Ain't Love“ steuert in soulige Gefilde, in denen Stone immer schon zuhause war. Dies allerdings nicht, ohne auch eine jamaikanische Note zu hinterlassen. „Stuck On You“, die erste Single, punktet als filigranes Highlight und mit Sarod, einem indischen Saiteninstrument. Leichte Hip HopAnleihen, die mit karibischem Beat unterlegt werden, und ein charmanter Kinderchor machen „Star“ zu einem weiteren schönen Song, den man gerne immer wieder hören kann. „Let Me Breathe“ ist eine R'n'B-Nummer mit spanischen Gitarrenklängen, die auch auf einem Beyoncé-Album Platz gefunden hätte. Der Reggaesong „Cut The Line“ hält Stones Gesangstalent auf einem Minimum fest und ist Beweis dafür, dass sie stimmlich so wandelbar

und unprätentiös ist, um sich dem Song unterzuordnen (was bei weitem nicht allen Kolleginnen in diesem Genre gelingt). Auch „Wake Up“ ist lupenreiner Reggae, den Stone hier mit einigen gesanglichen Künsten verdelt. In die gleiche Richtung wandern „Way Oh“, „Underworld“ und „Molly Town“. „Sensimilla“ ist eine souligere Nummer, die einen Worldmusic-Touch inne hat und leicht-flockig nach Strand klingt. „Harry's Symphony“ groovt wieder etwas mehr und hat mit einem Zitat von „Bad Boys“ von Inner Circle einen hohen Wiedererkennungswert. Ein schickes Vintage-Flair gibt es mit „Clean Water“ und Reggae-typischen Orgeln. Zum Schluss wird mit „The Answer“ nochmal richtig gefeiert, dieses Mal im Latino-Stil. Im Überblick und vereinfacht ausgedrückt ist „Water For Your Soul“ eigentlich ein Reggae-Album mit einigen Flips und Jingles, die für Abwechslung und hohen Unterhaltungsfaktor sorgen. Vor allem empfohlen für Genrefreunde und Fans der samtigen Stimme des britischen Gesangs-Asses.

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Musikalische Lebenserfahrungen

ALEXA FESER Die Songs der für den renommierten deutschen Musikpreis Echo nominierten Alexa Feser sind bestechend präzise formulierte Kurzgeschichten, eindrucksvolle Gemälde aus Musik. Gesungen mit der Intimität eines Singer/Songwriters - ohne sich in den engen Grenzen dieses Genres zu halten: Auf ihrem ersten Major-Album entfalten Alexa Fesers Songs ihr ganzes, eindrückliches Potenzial aus Leise und Laut, intelligenter Reflexion und emotionaler Wucht. „Gold von morgen“ hiess das 2014er Debüt, das in diesen Tagen als Re-Edition unter dem Titel "Gold von morgen - Deluxe Live Edition" erscheint, die neben dem Album eine zweite CD „Live aus Berlin“ enthält.

LIVE 24. November 2015 Zürich, Papiersaal

“Mir geht es nicht nur um Inhalte und Texte. Ich will, dass man die Geschichten nicht nur in den Zeilen lesen, sondern auch in der Stimme hören kann. Ich will auch nicht schön singen - ich will so singen, dass man mich emotional versteht. Ich will aus Wunden Weisheiten machen.“

Alexa Feser wächst in ihrer Geburtsstadt Wiesbaden auf. Die einzige musikalische Wurzel in ihrer Familie ist ihr Großvater, der als junger Mann in die USA ausgewandert war, um sich in den New Yorker Clubs seine Sporen als Jazz-Pianist zu verdienen. In ihrer Kindheit hört Alexa ihn häufig auf Familienfeiern spielen, Stücke aus seiner Jugend, Gershwin und Brubeck. Sie ist beeindruckt von dem, was er spielt, ganz besonders aber von der Art und Weise, wie er spielt: mit Leidenschaft. Derart in Bann gezogen soll das Klavier auch zu ihrem Instrument werden. Doch eine erste Lehrerin dämpft die kindliche Begeisterung; sie bescheinigt der Sechsjährigen schnell mangelndes Talent, da ihr das Spiel vom Notenblatt schwer fällt. Ihre zweite Lehrerin erkennt mehr in Alexa und bringt ihr bei, nach Gehör zu spielen und zu adaptieren. Dieser Anstoß eröffnet Alexa eine neue Welt; einen Weg, eigene Ideen und Gedanken in Musik zu verwandeln. Nach der Trennung der Eltern folgt der Ausbruch aus dem wohlbehüteten Kinderdasein. Alexa verdient sich Geld für zwei 1210er-Plattenspieler und beginnt, parallel zur Schule als DJ in diversen Clubs aufzulegen. Doch sie kehrt immer wieder zu ihrer eigenen Musik zurück und entscheidet sich bald, alles auf diese eine Karte zu setzen. Schon in Wiesbaden übernimmt Alexa eine Vielzahl von Jobs, um den Traum von der Musik finanzieren zu können, genauso nach ihrem Umzug in die Metropole Berlin: Sie stellt Zeitungen zu, arbeitet in derGastronomie oder verteilt Flyer an Messebesucher; alles, was sich anbietet,Gewöhnliches, aber auch Ungewöhnliches: Eineinhalb Jahre reist Alexa als Flugbegleiterin einer exklusiven Privatfluggesellschaft durch die Weltgeschichte – die Ukulele immer im Handgepäck, um auch über den Wolken keine musikalische Idee verloren geben zu müssen. Alexa Feser nimmt viele Anläufe, um einen Durchbruch zu schaffen. Und genauso viele Anläufe, um zwischen dem in der Szene üblichen Wirrwar vermeintlich guter Ratschläge ihren eigenen Weg, ihr eigenes musikalisches Selbst zu finden. In dieser Zeit begegnet ihr in dem Songwriter Steve van Velvet der perfekte Gegenpol, um ihre Songs zu entwickeln. Nach einigen Jahren gemeinsamer Arbeit gewinnen sie in Andreas Herbig schließlich einen der erfolgreichsten deutschen Produzenten des letzten Jahrzehnts, um die Songs auf Tonträger zu bannen. „In meinem Leben steht die Musik ganz oben,solange ich mich erinnern kann. Alles andere musste eben gemacht werden, damit es mir überhaupt möglich war, dieses Ziel dauerhaft zu verfolgen. Das war und ist für mich in Ordnung, auch weil ein solcher Weg Lebenserfahrung bringt, ohne die meine Musik nicht entstehen könnte - universelle Geschichten kann nur erzählen, wer Vergleichsmomente hat.“



REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative FRISKA VILJOR My Name Is… Crying Bob Records

AGENT FRESCO Destrier Long Branch Records/MV em. Island – Die Insel der Gegensätze. In einer Umgebung von aktiven Vulkanen mit ihren Lavafeldern, Gletschern, saftigen Wiesen und Mooslandschaften, unberührten Steppen, tiefen Tälern und erhabenen Bergen ist es nicht weiter verwunderlich, dass schillernde Musik entsteht, die an Vielseitigkeit, Kreativität und purer Eleganz kaum zu überbieten ist. Agent Fresco haben sich nach ihrem Debüt „A Long Time Listening“ fünf Jahre Zeit gelassen, was sich wahrlich ausbezahlt hat. Nun ist ihr zweiter Wurf „Destrier“ da. Die Herren haben mit ihrem neuen Output genau das hinbekommen, woran viele andere Künstler so kläglich scheitern: Eine harmonische Sinfonie aus fast allen erdenklichen Genres der Musikwelt. Man tut sich unglaublich schwer das musikalische Schaffen der Isländer und deren Bandbreite zu beschreiben. Es ist eine wahre Flut von Stimmungen. „Destrier“ lebt von Teilen der klassischen Musik, des Gitarrenrocks, MetalElementen, vielen Prog-Anleihen bis hin zu JazzMomenten oder auch Avantgarde-Spuren. Bombastische Momente fehlen ebenso wenig wie sanfte Pianoklänge. Alles zusammen ergibt einen Reigen ohne Stolpersteine, ohne störende Übergänge, alles ist wie aus einem Guss und das ist vom ersten bis zum letzten Ton so. Keine flachen Stellen, kein Abflauen, alles auf höchstem Niveau und ein wahrer Genuss. Lediglich ungeduldige Konsumenten könnten beim ersten Hördurchgang irritiert sein. Bei diesem Meisterwerk ist es wie beim Betrachten eines grossen Gemäldes. Man muss es aus einer gewissen Distanz sehen, sich damit auseinandersetzen und sich darauf einlassen bevor es seine berauschende Faszination und Schönheit entfaltet. Anspieltipps oder Highlights aus den 14 Kompositionen zu küren ist unnötig. Da stimmt einfach alles!

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hh. Die Schweden legen ihr sechstes Album vor und informieren uns, dass sie da so viel Kraft und Energie reingesteckt haben, wie in alle fünf vorherigen Alben zusammen genommen. Das ist allerdings auf den Arbeitsprozess, dieses Album zu fertigen, gemünzt, denn „My Name Is Friska Viljor“ kommt locker flockig daher, leicht und unbeschwert – eine echte Sommerplatte. Wohl das bislang „sonnigste“ Album der Skandinavier. Fans der frühen Alben werden nun maulen: Jetzt hat sie der Mainstream geschluckt. Auch wenn das nicht ganz falsch ist, was ist denn daran anrüchig? Im Fall von Friska Viljor überhaupt nichts! Eine Handvoll schöner Popsongs, stets mit einem unter der Oberfläche schlängelnden Ohrwurm, die sich durch eine fröhliche Ausstrahlung auszeichnen, trotzdem immer noch genug Substanz haben, um sich von chartstauglichem Allwerwelts-WegwerfPop abzugrenzen. Banal ist das ganze beileibe nicht, dafür bietet das Album genügend Überraschungen. Da stören auch die Streicher und Bläser nicht, im Gegenteil – wie beispielsweise das leicht an Dexys Midnight Runners erinnernde „My Boys“. Und hier und da linst auch ein gut aufgelegter Robert Smith um die Ecke. So macht Pop Spass! Tolles Album.

OOMPH! XXV Airforce 1/Universal em. Oomph! feiern Geburtstag. Schon 25 Jahre lang gibt es die explosive Mischung aus Metal, Industrial, EBM und Gothic. Jeder kennt den Überfliegerhit „Augen auf“ des Trios. Nun gibt es passend zum Bandjubiläum das neue Album „XXV“, welches vollgepackt ist mit 14 Songs, die es in sich haben. Oomph! toben sich aus. Wild, hart, laut, scharf, aber auch nachdenklich und sanft. Sänger Dero sagt über die neuen Lieder: „Es ist eine unbändige Energie, eine abgrundtiefe Leidenschaft und eine faszinierend dunkle Macht, die die neuen Songs ausstrahlen. Nie zuvor waren wir unseren eigenen seelischen Abgründen so nah, haben wir mit unseren inneren Dämonen so sehr gerungen, wie auf dem neuen Album.“ Schon der erste Track „Dein Retter“ haut voll rein und besticht durch typische Oomph!-Attribute, auch von den Lyrics her. Die zweite Nummer „Alles aus Liebe“ kommt unglaublich stampfend daher und eröffnet dem Hörer im Refrain sanfte Klänge. „Jetzt oder nie“ mutet sehr rockig an und zeigt wie vielfältig sich Oomph! geben können. Es folgt „Als wärs das letzte Mal“, welches recht balladesken Charakter aufweist, ohne an Kraft einzubüssen. „Mary Bell“

ist eine Midtemponummer, die für die Jungs wieder sehr bezeichnend ist. Kurzweilig und abwechslungsreich geht es auf „XXV“ weiter, bis „Leis ganz leis“ – wirklich sehr leise, anmutig, aber sehr morbid – dieses Album abschliesst. „XXV“ ist ohne Zweifel ein sehr gelungenes und starkes Werk geworden. Einziger Wermutstropfen: Die absoluten Megakracher fehlen.

THE DELTA SAINTS Bones Ear Music hh. Auf ihrem zweiten Studioalbum präsentiert die NashvilleTruppe zwar in gewohnt bluesig/ rockig/souligem Gewand, erweitert ihren Sound jedoch mit psychedelischen Einschüben und zitiert dabei zudem diverse Vorlagen aus der gesamten Rockgeschichte, beispielsweise Led Zeppelin. Dieses Gebräu hat jedoch nichts mit Retro zu tun, die Saints zeigen sich stets auf der Höhe der Zeit. Ein Verdienst von Produzent Ed Spear (Jack White, Arctic Monkeys, Neil Young), der die Band um Sänger/Gitarrist Ben Ringel zu einigen musikalischen Experimenten herausforderte. So bewegen sich einige Song im weiteren Dunstkreis von Jack White. Mit „Bones“ entfernen sich Ringel & Co eine Spur von ihrem ausgezeichneten Debüt, allerdings nicht in die falsche Richtung. Die Veränderungen machen sich vor allem in geminderten Einsätzen von Souleinflüssen bemerkbar, ohne sie jedoch gänzlich aufzugeben - in erster Linie jedoch durch grosse Experimentierfreudigkeit. Das resultiert darin, dass „Bones“ nicht gerade leichte Kost ist. Der Hörer muss sich auf die Band einlassen, dann entfaltet sich ein faszinierendes (Roots-)Rock-Album mit einem ungeheuren Groove und hoher Nachhaltigkeit. Die Songs haben durchweg Klasse, die Band spielt tight und harmonisiert prächtig. Hervorzuheben ist auf jeden Fall die prächtige Slide-Gitarre, die auf dem Album dominant eingesetzt ist. Und natürlich die aussergewöhnliche Stimme von Ben Ringel. „Bones“ ist ein sehr starkes, genreübergreifendes Album mit endlos Überraschungsmomenten, das sich allerdings nicht zum „Nebenbeihören“ eignet.

OHRENFEINDT Motor An AFM hh. Mittlerweile haben die Riffrocker aus St. Pauli auch schon 20 Jahre auf dem Buckel. Aber sie stehen immer noch voll in Saft und Kraft, wie das neue Album „Motor An“ , das inzwischen 6., eindrucksvoll beweist. Sänger/Bassist Chris Laut ist über all die Jahre die


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS einzige Konstante in der Bandhistorie, die Positionen an der Gitarre und den Drums erfuhren rege Wechsel. Den Sound der Band hat das allerdings wenig beeinflusst, nach wie vor liefern Ohrenfeindt harten Riffrock auf einem bluesigen Gerüst mit deutschen Texten. Musikalisch ackern sie im gleichen Feld wie AC/DC oder Rose Tattoo, fügen zusätzlich Einflüsse von Classicrock-Acts wie Led Zeppelin oder UFO hinzu. Trademarks der Truppe sind Chris Lauts an Brian Johnson erinnernde Stimme und vor allem die humorvollen, direkten Texte (Beispiel: Auf die Fresse ist umsonst, den Rest musst du bezahlen). Nach dem grandiosen Album „Schwarz auf Weiss“ (2011) folgte zwei Jahre später „Auf die Fresse ist umsonst“, das allerdings nicht ganz die Klasse des Vorgängers aufweisen konnte. Mit „Motor An“ knüpfen Ohrenfeindt aber wieder an alte Klasse an und machen keine Gefangenen. Praktisch jeder Song ist ein Hieb voll auf die Zwölf, schwächere Momente sind (wenn überhaupt) dünn gesät. Das Album kommt wie aus einem Guss in bestem, druckvollen Sound. Dabei machen Lauts neue Mitstreiter Pierre „Keule“ Blesse (Gitarre) und Andi Rohde (Drums) einen ausgezeichneten Job, rocken wie die Teufel, punktgenau und mit dicken Eiern. „Motor An“ überzeugt auf ganzer Linie, allerbestes Musikfutter für jede Biker-Fete und sorgt für deftige Adrenalin-Schübe bei allen Fans vorgenannter OhrenfeindtEinflüsse. Erscheint am 18. September.

THE FRATELLIS Eyes Wide, Tongue Tied Cooking Vinyl ip. Die Fratellis kommen nicht aus Italien, sondern praktisch vom anderen Ende Europas, nämlich aus Glasgow in Schottland. Das Trio feiert dieses Jahr zehnjähriges Bestehen und entkorkt den Schampus mit ihrem vierten Album „Eyes Wide, Tongue Tied“. The Fratellis dürften vor allem Fans des Fussballclubs Chelsea ein Begriff sein, denn ihre erste Single „Chelsea Dagger“ (2006) wird nach jedem erfolgreich ausgegangenen Spiel im Stamford Bridge gespielt. Ende 2013 fingen die Arbeiten zum neuen Album an und die Aufnahmen leitete Tom Hoffer, der als Produzent von Air und Beck bekannt ist und der zuvor bereits mit den Fratellis gearbeitet hatte. Die Fratellis spielen knackigen Indie-Garagenrock, der auf der vorliegenden Platte auch leichte

Sixties-Einflüsse beinhaltet, wie im Track „Baby Don't You Lie To Me!“. Überhaupt dürfte die Platte allen Liebhabern des englischstämmigen Indierocks Spass machen, denn folkige Nummern wie „Desperate Guy“ oder das tanzbare, moderne „Thief“ verleihen dem stimmigen Album Abwechslung. Über alle Songs ist eine leichte Puderzuckerschicht aus Humor gestreut, was vor allem in „Dogtown“ zum Ausdruck kommt, dessen Grundstimmung nach Zirkusparade klingt. Aber auch leise, nachdenkliche Töne haben mit „Slow“ ihren Platz und im Abgang wird in Form von „Moonshine“ den Beatles gehuldigt. Zusammengefasst ist „Eyes Wide, Tongue Tied“ ein absolut durchdachtes und extrem unterhaltendes Album, das zwar an der Oberfläche mit „Indie“ betitelt werden kann, darunter aber mit einer Menge erstklassigem Handwerk auf allen Ebenen überzeugt.

ADMIRAL FALLOW Tiny Rewards Nettwerk rp. Neue Wege geht das schottische Quintett Admiral Fallow auf ihrem dritten Werk. Die Band um Sänger Louis Abbott wollte weg aus der Neo-FolkEcke. Die Einladung des Glasgower Filmfestivals, Musik für zehn Kurzfilme zu schreiben, zeigte Admiral Fallow auf, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen. Auch die Einladung, mit dem Royal Scottish National Orchestra zusammen zu arbeiten, erweiterte den Horizont der Fünf. So entstanden die zwölf Songs auf «Tiny Rewards» vornehmlich auf Keyboards und experimentieren war ein wichtiger Teil des Entstehungsprozesses. Der Auftakt «Easy As Breathing» dokumentiert die neue Ausrichtung vorzüglich. Verschiedene Elemente ergänzen und beeinflussen sich. Das kratzig-krachige Intro droht mit himmlischen Stimmen zu entschwinden, bevor es von einer geerdeten Stimme wieder zurückgeholt wird. Musikalisch wird der eine oder andere Haken geschlagen. Überraschungen sind immer gut. Arcade Fire, Fleet Foxes und auch Polyphonic Spree hätten ihre Freude daran. Die Single «Evangeline» kurz danach klingt rhythmisch interessant, belässt es aber nicht dabei. Dramatik wird gereicht, auch Poesie. Eine Wohltat. In «Happened In The Fall» piepst es dann verspielt aber auch etwas melancholisch schleppend. Und ebenso kommen krachende Gitarren zum Einsatz – die gibt es immer noch und gegen Schluss wird es ganz leise. Erfrischend unberechenbar. «Tiny Rewards» ist ein vielschichtiges Indierock-Meisterwerk voller Leidenschaft, Drama, Poesie und Atmosphäre.

Kolumne Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie von Christian Hug

Digitaler Overkill Nein, meine lieben Freunde und Freundinnen, die CD wird nicht aussterben. Die CD wird ewig leben. Das hat Gründe. Erstens: Es gibt die passionierten Musikfreunde. Die kaufen und hören viele Alben, weil sie Musik als Bestandteil ihres Lebens verstehen. Und es gibt diejenigen, für die Musik nur Unterhaltung am Rande ist. Letztere kauften früher statistisch gesehen 1,5 CDs pro Jahr, und das war die neue Céline Dion oder die neue Phil Collins. Sie sind die Mehrheit der Konsumenten. Ihnen kommt es nicht drauf an, ob sie Musik von der CD oder vom Computer hören, und weil sie sich mit Streamingdiensten den ganzen Tag berieseln lassen können, ist digitale Musik ganz praktisch und platzsparend. Sie machen den Grossteil der digitalen Konsumenten aus. (Bemerkenswerterweise geben sie, das habe ich letztes Mal schon gesagt, heute mehr Geld für Musik aus als früher.) Der Musikfan aber will «die Neue» von Five Finger Death Punch oder «die Neue» von Sophie Hunger. Womit wir bei Zweitens wären: Digital ist nichts zum Anfassen. Wir Menschen aber berühren gerne die Dinge, die wir lieben – by the way auch einer der Gründe, warum die gedruckte Tageszeitung nicht aussterben wird. Musikfreunde denken in Alben, weil Alben für Epochen einer Band stehen, für eine Zusammenfassung einer Zeitperiode derjenigen Musiker, deren Leben und Arbeiten sie mitverfolgen. Das Ergebnis einer Periode ist für einen Musikfreund repräsentativer als Einzelstück. Was uns zu Drittens a) führt: Musikfreunde sind Sammler. In einer Sammlung gibt es Prunkstücke und reguläres Sammelgut und Kuriosa. Eine Sammlung in diesem Sinne macht digital keine Freude, weil Prunkstücke, Reguläres und Kuriosa gleichwertig digital aufgelistet sind. Und Drittens b): Die Menge an digital gespeicherter Musik überfordert unser auf Ordnung und Übersicht ausgerichtetes Wesen: 40'000 Songs auf einem winzigen iPod – buchstäblich unfassbar. Wie soll man da stöbern und blättern und «alte Songs wieder mal hervornehmen», wenn man nicht mehr weiss, wo die sind? 50 Millionen Songs auf Spotify – das ist so unüberschaubar wie Ameisen im Ameisenhaufen zählen. Zudem: Wir verlieren uns allzu schnell beim Rumzappen im digitalen Heuhaufen. Das ist auf Dauer unbefriedigend. Und natürlich Viertens: Die Qualität. Ja, die Qualität. Die Rangliste von oben nach unten: FlagDatei, digital zwar, aber mindestens 25 Megabyte pro Song, was dann Therabyte-Speicher und Highest-End-Hardware benötigt, was nur die wenigsten vermögen. Dann kommt die VinylSchallplatte. Dann die CD (Ha! Da ist sie!). Dann die WAV-Datei. Und ganz am Ende die MP3-Datei, kaum besser als ein Küchenradio. Wir sehen: iTunes verliert in den Augen der Qualitätsbewussten Hörerinnen und Hörer. Wenn Sie also kein Céline-Dion-/Phil-CollinsKonsument sind: Haben Sie keine Angst vor der Zukunft. Vertrauen Sie auf die CD. Oder auf Vinyl. Und nutzen Sie digitale Musik nur als ergänzendes Medium. Geben Sie Argumenten wie «kein Platz» keine Chance. Bleiben Sie Sammler. Geniessen Sie gute Klangqualität. Stay tuned.

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative IMPERIAL STATE ELECTRIC

Pally’s kurz und knapp LAUREN DESBERG - Twenty First Century Problems Das Interesse an jazz-poppigen Songs hat gut vierzehn Jahre nach dem Auftauchen von Norah Jones und anderen etwas nachgelassen. Natürlich gab es in der Zwischenzeit immer wieder andere junge Jazzmusikerinnen wie Melody Gardot, die in diese Bresche sprangen. Wie jetzt auch die in Harlem lebende Lauren Desberg, die sich anmacht, den Jazz einmal mehr zu modernisieren und zu öffnen. Das Debüt der 23-jährigen Amerikanerin integriert Soul, Elektronik, Pop, Musical, RnB und traditionalen Jazz. Lauren Desberg ist aber auch offen für Experimente und einverleibt grandios «How Deep Is Your Love» von den Bee Gees. Damit öffnet sie den Jazz einmal mehr für ein junges Publikum. BLINDNESS - Wrapped In Plastic Blindness ist die neue Band von Debbie Smith, die in den 1990ern Gitarre bei Curve und Echobelly spielte. Mit ihrer aktuellen Band zielt sie in Richtung Noiserock, Garage und Shoegaze. Oftmals schleppend daherkommende Songs mit Feedback getränkt, knarzige Bassläufe, zuweilen fast unkenntlicher Gesang und schepperndes Schlagzeug rufen Bands wie The Jesus And Mary Chain, My Bloody Valentine, Chrome oder Siouxsie and the Banshees in Erinnerung. Knarzt wunderbar. DIRTY FENCES - Full Tramp Zehn Songs in 28 Minuten. Die amerikanischen Dirty Fences lieben es auf ihrem Zweitwerk «Full Tramp» kurz, knackig und krachend. Ihr OldSchool-Punk, think The Dictators, Ramones, Dickies und Angry Samoans, scheppert bubblegummig erfrischend aus den Boxen. Kein Riff zu viel, kein Basslauf unnütz und die Gesangsharmonien die sitzen. Nicht nur ein kurzes, auch ein äusserst kurzweiliges Vergnügen. WILL Z. - New Start «New Start» ist eines der letzten Alben, auf denen der am 13. März 2015 verstorbene Daevid Allen (Soft Machine, Gong) zu hören ist. Will Z., Kopf der Band Cosmic Trip Machine, widmet sein drittes Album der Geburt seines Sohnes, dem Jainismus (altertümliche indische Religion) und der Arbeit der Musiker, die ihn begleiteten (Neben Allen u.a. Leslie MacKenzie, Carmeta Mansilla Robles und Juan Arkotxa von der Book Of AM). Die sechs teils bis zu 13 Minuten langen Sound-Monumente fliessen atmosphärisch vor sich her, klingen aber auch mystisch geheimnisvoll bis unheimlich, dann wieder abgedreht, wirr bis hin zu chaotisch. Will Z. schickt den geneigten Hörer mit «New Start» auf einen kontrastreichen Psychedelik-Trip. DESTINATION LONELY - No One Can Save Me Eigentlich dürften das französische Trio Destination Lonely nach dem Ausklang ihres neuen Albums « No One Can Save Me» nicht weiter Musik machen, geschweige denn existieren. Besagte Nummer, ebenso Albumtitel, ist das finale Statement der Hoffnungslosigkeit. Tristesse pur, die krachend schleppend in den Untergang zieht. Sänger Lo Spider packt seinen Liebesschmerz in erschütternd realistische Worte. Noch nie hat Garagenrock düsterer, suizidaler geklungen.

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Honk Machine Psychout Records/Nonstop Music mh. Der frühere Kopf von The Hellacopters, Nicke Andersson, ist mit seiner Truppe bereits mit dem vierten Album am Start. Gemäss den Selling Points in der Beschreibung von der Plattenfirma haben wir es hier mit „the best band around today“ zu tun. Tönt schon mal sehr cheesy und billig. Schade, denn eigentlich hätte die Band einen solchen Stempel überhaupt nicht nötig. Andersson muss uns nix mehr beweisen und kann sich gemütlich zurücklehnen und genau das spürt man irgendwie in den Songs. Eine gewisse Leichtigkeit und viel Spielfreude hört man in Titeln wie „Let Me Throw My Life Away“ oder „Another Armageddon“. Das heisst jetzt allerdings nicht, dass die Herren hier etwas anbrennen lassen würden, Songs wie „Lost In Losing You“ oder „I'd Ain't What You Think (It's What You Do)“ kommen kräftig, punkig und mit einer gewaltigen Scheibe Rock'n'Roll daher. Eine etwas gewöhnungsbedürftige Soul Ballade hat sich mit „Walk On By“ eingeschlichen, ein Novum für Andersson. Als Anspieltipp eignet sich dann noch „All Over My Head“, eine ruhigere Nummer worin die kratzige Stimme von Andersson mit viel Gefühl besticht. Live in der Schweiz als Support von Graveyard am 10. November im Dynamo, ZH und am 12. November in L'Usine, GE

BACKYARD BABIES Four By Four Gain Music ip. Die Backyard Babies aus Schweden sind nach einer längeren Pause aktuell mit ihrem neuen Studioalbum bis Mitte August auf europaweiter Festivaltour. In über 25 Jahren ihres Bestehens hat die Rockband ein halbes Dutzend Studioalben veröffentlicht und ist mit Kollegen wie Social Distortion, Motörhead, Mötley Crüe, AC/DC und unzähligen weiteren Acts um den Globus getourt. Kurz vor dem Jahrtausendwechsel verliess Gitarrist Dregen die Hellacopters, um voll auf die Backyard Babies zu setzen. Das hat sich ausgezahlt, denn auch trotz einem subtilen Wandel hin zu etwas ruhigeren Songs, den sie bereits auf dem Vorgänger vollzogen haben, geben die vier Schweden auf „Four By Four“ mächtig Gas. Der Opener „Th1rt3en Or Nothing“ (siehe Youtube) schiebt die Rock'n'Roll-Lokomotive mit ordentlich Dampf im Kessel an, erinnert an einen Bastard aus AC/DC und Mötley Crüe. „I'm On My Way To Save Your Rock'n'Roll“ macht Tempo in bester Social D-Manier und „White Light Destrict“ zieht den roten Punkrockfaden weiter. Die Feuerzeuge darf man zur Powerballade „Bloody Tears“ auspacken, „Piracy“ rollt wieder geradeaus mit einem coolen Punk'n'Roll-

Riff und Gute-Laune-Faktor, der sich auf „Never Finish Anything“ und ansteckendem Mitsingpart fortsetzt. „Mirrors“ ist eine klassische Rocknummer in gesetzterem Tempo, das man mit „Wasted Years“ gleich wieder drei Gänge nach oben fährt. „Walls“ beginnt mit Upright Bass, swingt mit Akustikgitarre und mündet in eine gruselige Atmosphäre zum Ende hin. Dieser Song, der in ausgeklügeltem Arrangement und Soundtrackfeeling ganz viele Pluspunkte holt, ist die vermutlich coolste Nummer des Albums und damit ein idealer Schlusspunkt für „Four By Four“. Aber andererseits auch ein völlig untypischer Anspieltipp. „Four By Four“ ist ein weiteres empfehlenswertes Rock'n'Roll-Album mit Punk-Pepp, das man von den Backyard Babies auch nicht anders erwartet. Denn dass sie wissen, wie man rockt, zeigen sie nicht erst seit gestern. Mit neun Songs ist „Four By Four“ auf eine genreübliche Länge angepasst und vor allem auch frei von Lückenfüllern, denn die Songauswahl und –platzierung darf man gut und gerne als „ausgezeichnet mit Sternchen“ bezeichnen. Besorgen und mögen.

MIDRIFF Doubts & Fears Office4Music mh. Verdammt anständig was da aus unserem östlichen Nachbarland zu uns hinüberschallt. Mit „Doubts & Fears“ schicken sich die Midriff aus Kufstein, Tirol an, ihr zweites Album zu präsentieren. Im Jahr 2010 hat die Band ihre erste EP veröffentlicht und dann zwei Jahre später mit dem Album „Broken Dreams“ nachgelegt. Etwas, das man nicht alle Tage sieht oder hört, ist der Fakt, dass bei Midriff der Drummer zugleich auch der Sänger ist. Paul Henzinger besetzt diese Position und wird dabei von den beiden Brüdern Jeremy (Bass) und Joshua Lentner (Gitarre) begleitet. Die Biografie der Band verspricht ein Geräuschmix à la Black Stone Cherry, Alter Bridge, Seether, Stone Sour und Audioslave… Musikalisch sind Midriff bestimmt auf dem besten Weg dazu, was das Songwriting betrifft, da bestehen aber noch Differenzen. Auf jeden Fall ein Ohr wert sind die Songs „Only A Pawn“, „Deathrow“ und „Regular Monster“. Dies sind alles Songs bei denen die Band ordentlich auf die Tube drückt, dieser Sound steht ihnen sehr gut. Im Refrain von „Long Gone“ meint man fast Falco mit „Jenny“ raus zuhören… Naja, immerhin die Nationalität hätten sie ja gemein. Das ruhige und eher bluesige „Mind's Health“ ist dann ein Stück, das irgendwie auf dieses Album passt, wie die Faust auf die Nase. Nämlich nicht so. Balladen sind schon okay und mit „In My Cage“ gelingt ihnen das dann auch recht gut. Fazit: Nicht alles was aus Österreich kommt ist Wurst.

BAD NENNDORF BOYS Noch ne Runde Artist Station Records


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS ip. Ska Punk ist Ska Punk ist Ska Punk. Da muss man nicht viel umschreiben oder erklären, denn da weiss man, was man hat. Im Falle von den Bad Nenndorf Boys kommt er aus dem Raum Hannover, wird in deutsch gesungen und macht genau die Laune, die dieses Genre ja eben auch machen soll. Was fehlt, ist die politische Message, aber wenn man Partymucke mit Bläsersatz macht, würde das eh nur schlechte Laune aufkommen lassen. Davon sind die Bad Nenndorf Boys erfreulicherweise aber meilenweit entfernt, denn die 15 Songs auf „Noch ne Runde“

klingen teilweise wie eine humorige und sehr rohe Mischung aus den Toten Hosen und James Last, um es auf einem recht hohen Niveau zu umschreiben. Es gibt den einen oder anderen Song, der sich natürlich gegen die gesellschaftlichen Normen richtet, wie beispielsweise „Ein Appell“ oder „Moralisch Einwandfrei“. Herrlich auch die vegane Hymne „Sexy Ferkel“, die unmissverständlich ironisch mit Essgewohnheiten umgeht. Nicht nur textlich machen die Bad Nenndorf Boys mächtig Spass (super wäre noch ein biss-chen mehr „wumms“ in der Produktion) und wer bei den Jungs Feuer gefangen hat, sollte sich eventuell auch mal die fünf Vorgängeralben zu Gemüte führen.

Die Rosenkavaliere hh. Sie gehören zu den Schwerarbeitern in Sachen Rock. Nur wenige Bands spielen dermassen viele Shows und das schon seit langen Jahren. Dadurch und mit herausragenden Platten hat sich die Truppe um Bandchef/Sänger/Gitarrist/Hauptsongschreiber Charlie Starr in den USA inzwischen eine massive Fanbasis erarbeitet. Die Qualität ihrer aussergewöhnlichen Songs hat zudem dazu geführt, dass der Southernrock auch in Europa, wo er, von Lynyrd Skynyrd abgesehen, traditionell eher ein Nischenprodukt für eingeschworene Fans war, zu neuem Glanz und Gloria avancierte. Speziell in England gehört das Quintett inzwischen zu den erfolgreichsten Live-Acts und auch in Deutschland werden die Venues von Tour zu Tour immer grösser. Von den mehr als beeindruckenden Live-Qualitäten konnten sich die Schweizer Fans im letzten Oktober ein Bild machen. Wobei, nicht alle im ausverkauften Komplex-Club. Denn soundmässig war das Konzert nur in vorderen Drittel ein Genuss, der überwiegende Rest des Publikums stand akustisch im Dunkeln – soll heissen, sie hörten praktisch nichts – was im Laufe des Konzerts für grossen Unmut sorgte. Jetzt kommen die Blackberries

HOLLIS BROWN 3 Shots Blue Rose / MV

rp. «Wer ist Hollis Brown? Auf jeden Fall kein Scharfschütze, wie der Albumtitel «3 Shots» vermuten lassen würde oder gar ein raubeiniger Westernheld. Und schon gar nicht eine Person. Hollis Brown ist eine fünfköpfige Band aus New York. Das

einzige, mit dem sie auf «3 Shots» scharf schiessen, ist mit wunderbaren Melodien. Ihr nunmehr viertes Album seit ihrer Gründung 2009 lässt das Herz von Fans von Americana, Rootsrock, Folkpop, Pop und Rock höher schlagen. Tracks wie «Cathedral», der Titeltrack und die gleichnamige Hymne an John Wayne (inklusive Ennio Morricone's SpaghettiWestern-Pfeifen), «Sandy», «Sweet Tooth» oder «Mi Amor» verbreiten gute Laune und lassen einem sogar das schlimmste Regenwetter vergessen. Zwischendurch lassen es die fünf aber auch mal Neil Young mässig krachen oder schmettern eine beseelte Ballade aus den Boxen. Der richtige Mix auf jeden Fall.

Fast auf den Tag genau kommen die bärtigen Georgia-Rocker nach einem Jahr zurück in die Schweiz. Mit ihrem aktuellen Album „Holding All The Roses“ im Gepäck werden sie nach ihrer ausverkauften letztjährigen Show wieder ein grandioses GrooveFeuerwerk zünden, unter dem Stern des Southern-/Countryrocks, dem Blackberry Smoke mit aussergewöhnlich brillianten Songs am Laufmeter auch in Europa zu neuem Glanz verhelfen.

allerdings ins Dynamo, wo diesbezüglich hoffentlich bessere Bedingungen angesagt sind. Dass die sympathischen und überaus geerdeten Georgia Rocker live in allerbestem Saft stehen, ist garantiert. Denn ihre Europa-Tournee schliesst sich nahtlos an eine zweimonatige US-Tour mit ZZ Top an. Und die Fans dürfen sich einmal mehr auf eine herausragende Song-Liste freuen, denn auch das aktuelle, von Brendan O'Brien (AC/DC, Bruce Springsteen) produzierte Album „Holding All The Roses“ platzt förmlich vor Songjuwelen, die weit über die Grenzen des herkömmlichen Southernrocks hinausgehen.

LIVE 23. Oktober 2015 Zürich, Dynamo

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Die atypische Rockband

Mit Las Vegas verbindet man in der Regel Glitzer, Spielbanken und Blitzhochzeiten. Dass aber auch eine Gegenbewegung zu dem ganzen Luxus in Form von Indiebands stattfindet, ist nicht unbedingt jedem gleich bewusst, der den Namen der Wüstenoase hört. Neben The Killers, die vor allem in Grossbritannien gerne gehört werden, sind beispielsweise auch Panic! At The Disco recht erfolgreich im Alternative/Indie-Genre unterwegs. Imagine Dragons haben ihren eigenen Indiesound allerdings nicht nur mit Rock, sondern auch einer mächtigen Dosis Hitpotenzial ausgerüstet und sind mit 16 Platinalben, einem Diamantalbum und einigen fast schon nebensächlichen Goldtrophäen der wohl erfolgreichste musikalische Las Vegas-Export. ip. Das Tingeln durch die Casinos der Wüstenstadt, in die die Jungs Ende der Nullerjahre aus Utah umgezogen waren, hatte mit der Entscheidung des Sängers Dan Reynolds, das Gaspedal weiter durchzudrücken, ein Ende und statt weiterhin kleine Gigs zu spielen, veröffentlichte die Band in Eigenregie drei EPs, die auf viele offene Ohren stiessen. Ausschlaggebend war unter anderem, dass Imagine Dragons kurz darauf bei einem Festival eine krankheitshalber ausgefallene Band ersetzen mussten und damit einem grossen Publikum und der relevanten Presse auffielen. In der Folge konnten sie 2011 einen Plattenvertrag mit Interscope unterschreiben und Alex da Kid, der unter anderem bereits mit Eminem und Rihanna gearbeitet hatte, holte sich das Quartett in sein Studio. Das Resultat „Continued Silence“, ebenfalls in kleinem EPFormat und lediglich digital veröffentlicht, rutschte stracks in die Billboard Charts und sicherte sich so die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums. „It's Time“, die Single aus dem Jahr 2012 mit Doppelplatin-Status, schaffte es sogar bis Platz 15 in den Staaten und ebenfalls auf die vorderen Plätzen der Hitparaden weltweit und das dazugehörige Video wurde mit einer Nominierung der MTV Music Awards geehrt. Geholfen hat dabei sicher, dass die Single in der Fernsehserie „Glee“, diversen TV-Shows und in der Werbung gefeatured wurde. Im September des selben Jahres erschien ihr ebenenfalls von Alex da Kid produziertes erstes Studioalbum „Night Visions“ und es wundert nicht, dass es dieses Debut auf Platz zwei der amerikanischen Albumcharts schaffte und innerhalb der

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ersten Woche 83'000 Exemplare absetzen konnte. Einige der Songs waren zwar bereits auf den diversen EPs veröffentlicht worden, was dem Erfolg des Longplayers aber keinen Abbruch tat. Die poppige Folk/Alternative-Mischung kam bei den Hörern an und vor allem der Superhit „Radioactive“ kroch ins Ohr von jedem, der entweder „Assassin's Creed III“ gespielt, „Vampire Diaries“ geschaut oder die Werbung eines grossen asiatischen Autoherstellers gesehen hatte, um nur drei Beispiele der Verwendung dieses Titels zu nennen. Auch das aussergewöhnliche Video, in dem nicht nur Schauspieler Lou Diamond Philips, sondern auch eine Reihe ausgestopfter Plüschtiere eine Rolle spielen, sorgte für Aufsehen. Die Ernte dessen besteht aus bisher zehn Platinauszeichnungen und der Beschreibung „Best selling single of all time“. Nichtsdestotrotz erhielt das Album gemischte Kritiken. Es wurde oft bemerkt, dass vor allem das Handwerk Alex da Kids einen grossen Teil des Erfolges ausgemacht hätte, obwohl die Band ihrerseits gute Arbeit leisten würde. Vor allem die kleinen Details wie Mandoline oder Flötenklänge gaben dem Debut aber den gewissen Pfiff und fügten dem Alternative/PopSound eine folkige Note hinzu, die das Interesse bei den Hörern hoch hielt. Da die „Night Visions“-Tour in Nordamerika und Europa so gut wie ausverkauft durchgezogen wurde, konnten es sich die Imagine Dragons sogar leisten, das Angebot als Support für Muse auszuschlagen und hängten mal eben so eine ausverkaufte Stadiontour durch die Staaten an. Nach dieser langen und intensiven Livephase und einer


anschliessenden wohlverdienten Ruhepause verkündete Sänger Reynolds im letzten Jahr, dass die Band über die letzten Monate und Jahre während der Touren eine Reihe neuer Songs für ein neues Album geschrieben hätte. Allerdings würden sie dieses Album erst dann veröffentlichen, bis alle zufrieden damit seien und niemand das Gefühl hat, etwas zu überstürzen. Das unterstrich auch Drummer Daniel Platzman, der das neue Songwriting keinem Druck aussetzen wollte. Die Anfangszeiten, in denen die Band in sechsstündigen Sets mit Coverversionen von den Beatles, Rush oder The Cure in Casinos für Spieler an Automaten auftrat, die sich kaum für die Musik interessierten, haben ihre Spuren hinterlassen. Wer unter diesen Bedingungen auf sich aufmerksam machen muss, lernt sein Handwerk vermutlich etwas schneller und gründlicher als jemand, dessen Publikum sich schon für ihn entschieden hat. Gerade Reynolds hat aus diesem Grund verschiedene Einflüsse in seine Performance aufgenommen: Der Sänger ist ebenfalls Percussionist und bedient sich an Showelementen, die er beispielsweise den japanischen TaikoDrummern entliehen hat und die er mit Hip-Hop-Beats aufbereitet. Auch auf „Smoke & Mirrors“ flossen musikalische Eindrücke mit ein, die die Band auf der ganzen Welt gesammelt hat. Aber nicht nur die aussergewöhnlichen Jingles in ihren Songs machen die Imagine Dragons zu einer eigenständigen Marke. Sie bezeichnen sich selber als „atypische“ Rockband, die mit den bekannten Attributen herzlich wenig zu tun hat. In der Tat trifft das nicht nur auf die optisch eher zurückhaltenden Musiker zu, sondern vor allem auf den Fakt, dass die Band in einer Zeit der sinkenden Verkaufzahlen und dem schwindenden Interesse der Käufer trotz allem enorme Absätze zustande bringt. Das überrascht in dem Sinne, dass die Imagine Dragons in keine Sparte so richtig hineinpassen wollen. Für Folk zu viel Pop, für Indie zu viele Hooklines, für Rock zu viel Mainstream. Sobald eine Band einen Schlagzeuger, einen Gitarristen und Bassisten enthält, wird sie zwar unter der Kategorie „Rock“ eingeordnet. Allerdings gibt es für die Imagine Dragons auch in den Subkategorien dieses Genres keine passende Schublade und man müsste den Las Vegas-Vierer in mindestens sieben Teile zerschnippeln, um jedes relevante Schubkästchen bestücken zu können. Gerade „Radioactive“ war ein Geniestreich, der Rock mit so etwas wie Dubstep kombinierte und einerseits beide Lager ansprach, aber andererseits auch polarisierte. Nicht jeder kann mit innovativen Kombinationen umgehen und Traditionalisten halten die Band bis heute für ein grosses „Igitt“. Was man den Imagine Dragons aber nicht absprechen kann, ist ein Händchen für Melodien, die einem nicht mehr aus dem Ohr gehen. Man mag nun unken, dass Verkaufszahlen nicht grundsätzlich für Qualität stehen, und das ist in vielen Fällen sicher berechtigt. Die Imagine Dragons gehen allerdings etwas subtiler zu Werke und haben mit vielen kleinen Zutaten eine gefällige Mischung an Sounds gebacken, die einer breiten Masse an Hörern schmeckt und Genregrenzen sprengt. Für ihr neues Album „Smoke & Mirrors“ kaufte sich die Band ein Haus in einem ominösen Viertel in Las Vegas und richtete sich dort ein Studio ein. Dass im Badezimmer ein ausgezeichneter Schlagzeugsound produziert werden konnte, war nur eine der Eigenheiten dieses Hauses und der Aufnahmen. Die vielen Ideen, die die Band während ihrer Tourneen bereits vorgeschrieben und als Demotapes festgehalten hatte, konnten hier bearbeitet und aussortiert werden. Hauptgrund für den Aufbau eines eigenen Studios war, dass sich die Band so Zeit lassen konnte, um sorgfältig zu entscheiden, welche Songs es auf „Smoke & Mirrors“ schaffen würden und die Arrangements auf Herz und Nieren prüfen zu können. Da in gemieteten Studios oft die Zeit drängt und damit der kreative Prozess unter Umständen beschnitten wird, war dies für das Quartett die naheliegendste Lösung. Der schnelle Erfolg und das viele Unterwegssein hat die Band in den letzten zwei bis drei Jahren entscheidend geprägt. Denn trotz Superstar-Status ist jeder der vier Musiker nach wie vor sehr bodenständig, um nicht zu sagen bescheiden, geblieben. Vor allem Sänger Reynolds wundert sich nach wie vor über den Riesenerfolg und die Resonanzen, ist aber auch übervorsichtig

geworden. Seinen Facebook-Account hat er gelöscht, nachdem sich plötzlich Leute aus seiner Heimatstadt gemeldet hatten und vorgaben, gute alte Freunde zu sein. Der gläubige Mormone ist seit einiger Zeit wegen Depressionen in therapeutischer Behandlung und beobachtet deshalb sehr genau, was um ihn herum geschieht. Mittlerweile ist es ihm wichtig, genügend Zeit mit seiner Frau und seiner zweijährigen Tochter zu verbringen, deren erstes Lebensjahr er so gut wie verpasst hat. Die Ambivalenz zwischen den Hochgefühlen auf der Bühne und dem Vermissen der Familie auf Tour war für Reynolds nicht leicht auszuhalten. Um dies auszubalancieren, begab er sich in Therapie und macht nun die dort gewonnenen Einsichten in seinen Texten zum Thema. Um die auf Tour entstandenen Emotionen nicht zu verfälschen, nutzte Reynolds die in Hotelzimmern mit billigem USB-Mikrofon aufgenommenen Vocaltracks auch direkt für das Album. Diese Momentaufnahmen verfügten über genau die Gefühle, die er für „Smoke & Mirrors“ haben wollte. Diese Entscheidung verleiht dem Album eine gewisse Unvollkommenheit, die den Songs aber gut steht. Daneben kamen zahlreiche Instrumente zum Einsatz, die die Band auf ihren Reisen um die Welt angesammelt hatte, und die dem Album weitere interessante Facetten hinzufügen. Was neben dem ganzen Ruhm und den unzähligen Auszeichnungen, die ja normalerweise nicht mehr für den Term „Indie“ stehen können, heraussticht, ist die Tatsache, dass die Imagine Dragons voll und ganz hinter ihrer Musik stehen und die bandeigene Magie in Verbindung mit Zeit und Bedacht ihre Arbeit tun darf. Das hat sich bisher ausgezahlt und das wird auch mit „Smoke & Mirrors“ nicht anders sein.

LIVE 24. November 2015 Zürich, Hallenstadion


REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative DURAN DURAN

Meilenstein der Rockgeschichte

AUDIENCE The House On The Hill (1971) Charisma Records ub. 2004 hatte sich die Art Rock Band Audience wiedervereinigt und nahm das Live-Album “Alive & Screamin' & Kickin' & Shoutin'“ auf. Es war die Auferstehung nach über 30 Jahren seit der Auflösung des britischen Quartetts, welches in UK inzwischen Kult-Status genoss. Die Vergötterung der Band gipfelt im kraftvollen wie auch virtuosen Titeltrack des 1971 erschienenen Klassikers „The House On The Hill”, einer raffinierten Mischung aus Funk, Prog, Folk und Jazz Fusion. Die Platte hat etwas Feines und besticht durch einfache, aber elegant arrangierte Songs, die ein einzigartiges Gefühl vermitteln. Die Kombination aus Howard Werths kraftvoll gespielter akustischer Gitarre, seinem ausdrucksstarken Gesang und Keith Gemmells mehrstimmigem Saxofon macht das Album aussergewöhnlich und zeitlos gut. Das Komponisten-Gespann Werth/Gemmell/ Williams vertonte den Opener „Jackdaw” sowie „You're Not Smilin'”, „Nancy” und „Eye To Eye” mit eingängigen Hooklines. Ein weiteres Juwel der LP ist das klassische Instrumental “Raviolé” mit Streicher-Arrangements von Robert Kirby. Audience entstanden 1969 aus der Soul-Band Lloyd Alexander Real Estate. Werth, Gemmell und Trevor Williams (Bass) schlossen sich mit Schlagzeuger Tony Connor zusammen. Bald darauf spielte die Band in Ronnie Scott's Jazz Club, hatte einen Plattenvertrag mit Polydor in der Tasche und nahm das Debüt „Audience“ auf. Entscheidend für den Erfolg von Audience war Charisma-Direktor Tony Stratton -Smith, der die Band als Vorgruppe von Led Zeppelin sah

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und sie flugs unter seine Fittiche nahm. Nach „Friend's Friend's Friend“ (1970) sollte der nächste Long Player etwas Besonderes werden: Gus Dudgeon, der damals bereits mit Elton John arbeitete, produzierte „The House On The Hill“ (welches das stärkste und erfolgreichste Album der Band wurde) in den Trident Studios von London. Die interessante Plattenhülle wurde von den HipgnosisDesignern gestaltet. Nach dem verheissungsvollen Release der Single „Indian Summer” folgte eine US-Tour mit den Faces und Cactus. Im Anschluss daran verliess Gemmell die Band. Der Rest von Audience stellte noch ein Folge-Album fertig („Lunch“), bevor sich die Gruppe im September 1972 auflöste. Anfang 73 wurde Werth im Melody Maker als neuer Sänger der Doors gehandelt. Offenbar wollten ihn die beiden Plattenbosse Stratton-Smith (Charisma) und Jac Holzman (Elektra) als Nachfolger für Jim Morrison postieren. Da die Doors jedoch nicht mehr zusammenspannten, platzte der Plan. Stattdessen brachte Howard Werth (& The Moonbeams) im Herbst 1975 die beachtliche Solo-LP “King Brilliant” heraus (u.a. mit exElton John und Kiki Dee Band-Schlagzeuger Roger Pope).

Paper Gods Warner ip. Mark Ronson und Nile Rodgers haben Duran Duran erneut ihren Stempel aufgedrückt. „Paper Gods“ ist das 14. Studioalbum der britischen 80er-Legende und fährt stilistisch in Gewässern des Disco-Dancepops. Minimalistische Kraftwerk-Anleihen, gemischt mit typischem 80er Sound und hoher Discokompatibilität (gibt's das eigentlich noch? Discotheken zum Tanzen gehen?) finden sich auf diesem Album zu einer lüpfigen Dancefloor-Attraktion. Die englische Popmusik wird seit einigen Jahren von wiederkehrenden ElectronicDance-Wellen unterspült. Madonna, die man mittlerweile zumindest geografisch auch schon zur britischen Popmusik zählen darf, hat mit eher öden bis überflüssigen Veröffentlichungen gezeigt, dass das eigentlich nicht gerne funktioniert. Im Falle von Duran Duran zeigte sich das Publikum vor allem in den letzten Jahren als sehr aufnahmebereit, was ihre Liveshows anging, wobei die konservierte Musik nicht immer den gleichen Stellenwert bekam. Mit einer modernen Aufrüstung und dem Angleichen an zeitgemässe Chartmusik versucht „Paper Gods“ den Anschluss an die Albumcharts zu finden. Das funktioniert im Falle des siebenminütigen Titeltracks, der dynamisch durchdacht und trotz Länge ins Ohr gehend ausfällt, ganz wunderbar. Auch „You Kill Me With Silence“, einem schwebenden Track mit grossartigem LeBon-typischen Refrain und minimalistischem Aufbau, ist so gut, dass er in jedem Genre funktionieren kann. Andererseits sind beispielsweise die erste ausgekoppelte Single „Pressure Off“ oder „Danceophobia“, aber auch „Butterfly Girl“ und „What Are The Chances“ an sich in einem Grad belanglos, der das bisherige Schaffen, für das man Duran Duran wirklich gut finden darf, schon fast als „nicht existent“ vom Tisch fegt. Es gibt die Momente wie „Face For Today“, die mit einem schokoladig gesungenen Chorus Erinnerungen an „The Reflex“ aufweckt und vor allem das wirklich tolle „The Universe Alone“ hinterlässt mit Chorgesängen und einem AnimeTiteltrack-Flair einen guten Eindruck. Die Hälfte des Albums besteht jedoch aus belanglosen, harmlosen Nummern, die ebenso von einem beliebigen 20jährigen Disco-Vögelchen gezwitschert werden könnten und vor allem die gestandene Karriere Duran

Durans auf ziemlich vielen Ebenen ignoriert. Duran Duran stehen in hohem Masse für die Nostalgie, die man als ü40 verspürt, wenn man ihre guten, alten Hits hört. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass ein ü40 noch den gleichen Zugang zu „Paper Gods“ findet. Grundsätzlich ist das nichts Verwerfliches und die Band hat sich jedes Experiment redlich verdient. Mit dem SkipKnopf unter dem Daumen finden sich auf „Paper Gods“ einige durchdachte, wunderbar arrangierte und überraschende Popnummern. Es wird sich allerdings herausstellen, ob diese Kritik falsch liegt, oder Duran Duran in die Madonna-Falle tappen. Denn für die musikalische Zielgruppe dürfte die Band zu alt sein und für die Zielgruppe der Band ist die Musik zu modern.

ROCK CANDY FUNK PARTY Groove Is King Mascot / MV ip. Arbeitstier Joe Bonamassa hat seine fast schon inflationäre Veröffentlichungsrate der letzten paar Jahre ein wenig zurückgeschraubt und sich offenbar einige verdiente Verschnaufpausen gegönnt. Von seinem Projekt Rock Candy Funk Party, das vor zwei Jahren „We Want Groove“ als Debut herausbrachte, gibt es jetzt ein neues Album für Funk/Jazzliebhaber. Der Umstand, dass dieses Sideprojekt eine ungleich kleinere Reichweite als sein bekanntestes Mitglied hat, weist schon darauf hin, dass Rock Candy Funk Party in einen musikalischen Randbereich fällt und tatsächlich etwas für Fans der genannten Sparten ist. Allerdings gibt es auf „Groove Is King“ wohlgemerkt auch Titel, die sehr eingängig und laid back ausfallen, wie beispielsweise das groovige „East Village“ oder „The 6 Train To The Bronx“. Experimentelle Worldmusicbeats gibt es mit „If Six Was Eight“, das praktisch nur Percussions und Schlagzeug besteht. Der Bogen spannt sich dann bis hinüber zu an Jamiroquai erinnernden Disco-Funk mit dem Track „Don't Be Stingy With The SMPTE“ oder „C You On The Flip Side“. Eine Überraschung ist das Cover von Peter Gabriels „Digging In The Dirt“, dessen funkigen Einschlag die Band hier bis zum Maximum herausgekitzelt hat (und der einzige Song mit Gesang der Gastmusikerin Zia). Die obligatorischen Bläsersätze auf „Groove Is King“ finden ein Highlight im Song „Don't Funk With Me“, der schon fast in Richtung Big Band tendiert. In die gleiche Richtung zielt „Rock


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS Candy“, eine flotte Swingnummer mit enormem Spassfaktor. Im Gegensatz dazu macht das Schlusslicht „The Fabulous Tales Of Two Bands“ eine futuristische Reise in elektronische Gefilde. Soloausflüge an den jeweiligen Instrumenten sind auf „Groove Is King“ auf ein perfektes Mass angepasst, was bedeutet, dass der Hörer sich nicht minutenlangem Solieren aussetzen muss. Rock Candy Funk Party sind eine Band aus Superstars, die sich aber ihren Songs unterordnen können und diese Plattform nicht aus Profilierungsgründen nutzen. Das alles macht „Groove Is King“ zu einem wirklich herausragenden Album, das unglaublich abwechslungsreich, trotzdem leicht zu verstehen und vor allem zeitlos-klassisch ist.

NACHTGESCHREI Staub und Schatten Oblivion/SPV/MV em. Die deutsche Formation Nachtgeschrei wartet mit ihrem 5. Longplayer „Staub und Schatten“ auf. Nach dem grossen Besetzungswechsel am Mikrofon gibt es wieder eine Mutation zu verzeichnen. Anfang

2015 kommt für das ausscheidende Gründungsmitglied Joe die junge Folkmusikerin Laui an Bord, welche die Gruppe an Drehleier, Flöten und Gesang ergänzt. Nun sind zwölf neue Songs entstanden, die von rockigen Nummern bis hin zu ruhigen Klängen alles enthalten, was man von einer Band, die den Spagat zwischen Mittelalter und hartem Rock musikalisch umzusetzen versucht, erwartet. Der Opener „Monster“, das nachfolgende „Das Nichts“ und auch „Die wilde Jagd“ sind gespickt mit deftigen Rockelementen, eingehenden Melodien und Refrains, die sofort ins Ohr gehen. Auch das Titelstück „Staub und Schatten“ ist mit diesen Attributen versehen. „Lunas Lied“ ist dann die erste obligate Ballade. Anmutig, schön und kraftvoll. Es folgt das kurze instrumentale „Kerberos“. Hundegebell, Kirchenglocken, Flöte und Streichinstrumente dominieren und bezeichnen die Mitte dieser CD. Der Übergang zum folgenden „Eden“ ist wirklich grauenvoll und fällt sofort negativ auf. Mit rassigen und stampfenden Tracks geht das bunte Treiben weiter. „Staub und Schatten“ lebt vor allem von den Rhythmus- und Tempowechsel. So wird zwar Langeweile

vermieden, aber irgendwie wirkt die Platte dadurch auch etwas holperig, da die verzweifelten Versuche der Monotonie entgegenzuwirken stellenweise zu erzwungen rüberkommen. Vielleicht sind es auch die fehlenden Überraschungsmomente, welche dieses Album „nur“ zu einem soliden und guten Werk machen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

BILLY VINCENT Stand On Me Deepdive Records ip. Billy Barratt und David Vincent kennen sich seit dem Kindergarten und haben sich für die vorliegende Formation 2008 zusammengetan. Mit von der Partie ist ihr Kumpel Joseph Kinsey und zusammen komponieren die drei schicke countryeske Poprocklieder mit Pubcharakter und feinen Mitsingrefrains. Die aus England stammenden Musiker werden in ihrer Heimat mit den Libertines verglichen, was man allerdings ein wenig in Richtung Pop und weniger Dreck korrigieren darf. Zu ihren Vorbil-

dern zählen Billy Vincent die Kinks, Beatles oder Tom Waits und The Clash. Die beiden letzteren sind allerdings im direkten Vergleich zu „Stand On Me“ zu sperrig und die Beatles zu mehrstimmig, aber die Kinks kann man zwischendurch wohl durchblitzen sehen. „Everybody Else“ zum Beispiel ist eine sehr reduzierte Nummer mit viel Countryfeeling, Mundharmonika und Blues. Auch „Learning To Drink“ ist ein filigraner Song, der gemächlich durch die Landschaft trottet und eine klassische Melodie mit Akustikgitarre spazieren führt, zum Schluss dann aber unverkennbar englische Wurzeln zeigt. Das Englische kommt in den öfter zitierten Trinkgelagen zum Vorschein und die leicht punkige Zerbrechlichkeit steht dem Album ausgesprochen gut, vor allem bei der Halbballade „Waifs & Strays“. Damit bekommt „Stand On Me“ nämlich eine sehr persönliche Note und wer flockige Melodien, erdige und gut geschriebene Songs mag, der sollte sich das Album auf jeden Fall besorgen.


Enthusiasmus deluxe ip. Gemessen daran, dass Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre der Musikstil New Romantic innerhalb des New Wave aufkam und das eine oder andere Kuriosum an Künstlern hervorbrachte, waren Duran Duran die Rocker unter den Gelackten. Wo Spandau Ballet ungefähr das Pendant zu den deutschen Langweilern Münchner Freiheit darstellte, Ultravox für progressiv-ernstzunehmende Musik stand und Adam & The Ants der anrüchige Flohzirkus in Piratenuniform war, konnte man bei Duran Duran aufgrund ihrer vergleichsweise straighten Songs und der Absenz von Firlefanz durchaus eine Portion Rockmusik ausmachen. Aus diesem und keinem anderen Grund feiern wir hier noch einmal die grössten Hits der britischen New Wave-Ikonen.

„Girls On Film“ Viele nackte Popos und Brüste, Nippel, Anspielungen auf sexuelle Vorlieben und eine Schlammcatch-Szene machten die Musik zu dem Skandalvideo eigentlich vollkommen nebensächlich. Trotzdem und deshalb ist „Girls On Film“ der Durchbruch in der Karriere von Duran Duran. Die Band entschied sich dafür, diesen Song vom Debut „Duran Duran“ als Single auszukoppeln, nachdem das von der Plattenfirma gewählte „Careless Memories“ gefloppt war. Nippel haben schon 1981 funktioniert. „Hungry Like The Wolf“ In Zeiten, wo ein Künstler noch gefühlte 3 Milliarden Platten verkaufen musste, um eine Auszeichnung zu bekommen (in diesem Fall 1982), veröffentlichten die Briten diesen Song von ihrem zweiten Album „Rio“. Nachdem das in Sri Lanka gedrehte Video auf der MTV Heavy Rotation landete, vermutlich aufgrund fehlender Nippel, verzeichneten Duran Duran einen Kickstart in den USA und sammelten einen Grammy für das beste Video ein. Neben der optischen Vermarktung des Songs besticht dieser allerdings auch durch catchy „dü-dü-dü“-Mitsinger, dem typischen Duran-Groove mit slappendem Bass und einer Hookline, die einem nicht mehr aus dem Ohr geht. „The Reflex“ Album Nummer drei „Seven And The Ragged Tiger“ lieferte neben „Union Of The Snake“ und „New Moon On Monday“ mit „The Reflex“ eine dritte Single. Als Auskopplung Nummer drei stand der Song zwar eher als Stiefmütterchen da, wurde in der Folge allerdings Duran Durans erfolgreichster Hit und führte sogar die amerikanischen Singlecharts an. Auch diese Nummer wurde von der Band ursprünglich als erste Single ausgewählt, allerdings gefiel das der Plattenfirma aufgrund des auffälligen Gesanges im „Why don't you use it?“-Part nicht. Insofern konnten Duran Duran bereits den zweiten Punkt im Spiel „Band vs. Plattenfirma“ verbuchen. Zu Recht, schmissige Nummer. (Und Nippel im Video.) „The Wild Boys“ Jaaa, hier fanden sogar Metalfans Duran Duran plötzlich kredibel! Der Song erschien als einzige Studioversion auf dem Livealbum „Arena“ und war als Soundtrack zur geplanten Verfilmung von Burroughs' Buch „The Wild Boys: A Book Of The Dead“ (kommen Nippel drin vor) gedacht, die allerdings nie realisiert wurde. 1984, Mad Max Outfits, Folter, Feuer, Monster. (Und Nippel.)

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„A View To A Kill“ Mit diesem Soundtrack hat es allerdings geklappt, denn dies war der Hauptsong zum gleichnamigen James Bond Film aus dem Jahr 1985 und dem letzten mit Roger Moore in der Hauptrolle. Ausserdem war dies der letzte Song, den Duran Duran als Quintett aufnahm und der einzige Bond-Song, der es je auf Platz 1 der Billboard Charts geschafft hat. Statt der Nippel gab es hier die legendäre Zeile „The first crystal tears fall as snowflakes on your body“. Wo sie dann landen, bleibt dem Kopfkino überlassen. „Notorious“ Ab 1986 hatte es sich dann ungefähr ausgenippelt und mit „Notorious“ kam eine vergleichsweise seriöse und flotte Tanznummer mit Bläsersatz auf den Markt. Paula Abdul choreographierte die Tanzeinlagen und die Super-8-Technik klaute man bei Steve Winwoods „Higher Love“-Video. Dafür konnte man aber das noch junge Supermodel Christy Turlington ankucken. „Ordinary World“ Mitte der 80er Jahre fing der Erfolg der Briten an zu bröckeln und bis zur Veröffentlichung des Albums „Duran Duran (The Wedding Album)“, dessen Leadsingle „Ordinary World“ wurde, musste die Band mit recht uneleganten Verkaufzahlen kämpfen (vielleicht lag es an den fehlenden Nippeln). Diese Ballade aus dem Jahr 1992 ist allerdings wohl einer der besten Songs überhaupt des britischen Quartetts und einer der bisher letzten grossen Superhits. In den Jahren nach dem „Wedding Album“ zerfranste die Band in andere Arbeiten und Soloprojekte. John Taylor beispielsweise kümmerte sich wieder vermehrt um sein auch recht erfolgreiches Projekt Power Station, gründete zusammen mit Steve Jones (Sex Pistols) und Duff McKagan (Guns'n'Roses) die Supergroup Neurotic Outsiders und stampfte ein Plattenlabel aus dem Boden. Sein Ausstieg 1997 hinterliess lediglich Simon LeBon und Nick Rhodes als letzte Mitglieder der Band, die noch die Fahne hochhielten und weiterhin Platten aufnahmen. Nach „Medazzaland“, dem 1997er Album, erschien mit „Pop Trash“ der finanziell wohl grösste Flop ihrer Karriere. Dies, obwohl das Album an sich zwar ungewohnt experimentell, aber trotzdem musikalisch alles andere als eine Katastrophe war. Drei Jahre später reformierte sich die klassische Besetzung mit John, Roger und Andy Taylor. Da es sich als schwieriges


Unterfangen herausstellte, ein Label zu finden, das der 80er Ikone aufgrund mangelndem Vertrauen in ein lohnendes Comeback ein neues Zuhause geben wollte, entschieden sich Duran Duran 2003 dazu, eine kleine Tour zum 25. Jubiläum zu fahren. Die Resonanzen darauf waren beeindruckend: Zwei Arenakonzerte in Tokio waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft und weitere Konzerte in Amerika und Europa versprachen, dass Duran Duran noch lange nicht von der Bildfäche verschwunden waren. Eine MTV-Auszeichnung für ihr Lebenswerk und ein Brit Award im Jahr darauf ehrte die Arbeit der britischen Band respektvoll. Live rissen Duran Duran in der Folgezeit alles an Superlativen ab, was ging: Fünf ausverkaufte Wembley-Shows an aufeinanderfolgenden Tagen, ein von Millionen verfolgter Auftritt im Zuge des Super Bowl und eine ausverkaufte Tournee durch Amerika, Australien und Neuseeland übertrafen alle Erwartungen. Die Plattenfirma Epic Records erkannte dies als Beweis an und unterbreitete der Band einen Vertrag über zwei Studioalben. „Austronaut“ erschien Ende 2003 und landete auf einem guten dritten Platz in Grossbritannien und unter den Top 20 in Amerika. Der Single „(Reach Up For The) Sunrise“ erging es sogar noch besser, denn die führte die Billboard Charts an und sicherte sich einen Platz in der Top 5 in England. Eine Welttour folgte im nächsten Jahr und mit einem begehrten Ivor Novello Award für „Outstanding Contribution to British Music“ von der British Academy of Composers and Songwriters konnte man dem Comeback ein Krönchen aufsetzen. Der Wermutstropfen liess nicht lange auf sich warten, denn Andy Taylor nahm 2006 erneut seinen Hut und verliess die Band aufgrund „unüberbrückbarer Differenzen“ und einer Depression, die der Tod seines Vaters ausgelöst hatte. Duran Duran trösteten sich mit einer gefeierten Kollaboration mit Produzent Timbaland darüber hinweg und tourten in der Folge wieder um die Welt, um das Album „Red Carpet Massacre“ zu promoten. Ein Highlight markierte 2008 die Zusammenarbeit mit Mark Ronson, dem englischen Tausendsassa, der bereits unerhört

erfolgreich mit u.a. Amy Winehouse, Adele oder Bruno Mars durch popmusikalische Gewässer gesegelt war. Der Produzent und Musiker hatte einige der alten Duran DuranHits neu überarbeitet und führte diese zusammen mit der Band bei einem exklusiven Konzert auf. Da „Red Carpet Massacre“ wiederum hinter den Verkaufzahlen herhinkte, wurde der Vertrag mit Epic nicht erneuert und die Band entschloss sich, ihr 13. Studioalbum „All You Need Is Now“ 2010 in Eigenregie herauszubringen. Mark Ronson kümmerte sich um den Mix und das Album wurde exklusiv über iTunes unter die Leute gebracht. Das Resultat davon war der erste Platz in 15 Ländern in den Downloadcharts. 2011 war ein weiteres erfolgreiches LiveJahr für Duran Duran, das unter vielen Höhepunkten den von David Lynch geleiteten und über Youtube live-gestreamten Auftritt im LA Mayan Theater hatte. Nach einer Stimmbandentzündung LeBons mussten einige europäische Konzerte abgesagt werden, ein Jahr später traten Duran Duran als Hauptact für die Olympischen Sommerspiele 2012 auf. Die Aufnahmen für das neue Album „Paper Gods“ begannen 2013 und als Unterstützung wurde erneut Mark Ronson ins Boot geholt. Auch Disco/Soul/Funk-Legende Nile Rodgers, der bereits zuvor mit Duran Duran gearbeitet hatte, nahm am Produzentenpult Platz. Duran Duran haben sich über ihre Karriere hinweg als äusserst wandelbare Charaktere und Musiker gezeigt. Von New Romance und New Wave bis hin zu Soft Rock/Alternative-Ausflügen hat sich die Band bewiesen und muss alleine dafür eine Menge Respekt erhalten. Nur den wirklich hingebungsvollen und enthusiastischen Bands gelingt es, ihre Geschichte über eine Zeitspanne von mehr als dreissig Jahren aufrecht zu erhalten und weiterzuschreiben. Und das trotz Rückschlägen, Verlusten und schwindender Nachfrage. Das ist schon ein Tippen an den Hut wert.


REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative HELDMASCHINE Lügen Soundsolution hh. Bands wie Heldmaschine haben von Anfang an einen schweren Rucksack mit sich rumzuschleppen. Und dieser Klotz am Bein heisst Rammstein! Es gibt ja einige Gruppen der sogenannten Neuen Deutschen Härte, die mehr oder weniger dicht an Lindemann & Co grenzen, sich jedoch ihre Eigenheiten bewahren bzw. sich so gut es geht von den Chefs dieses Genres abgrenzen. Einigen gelingt das, anderen weniger – im Fall von Heldmaschine gelingt es gar nicht. Viel mehr bekommt man den Eindruck, dass sich die Truppe absichtlich aufs Rammstein-Trittbrett schwingt, um hier noch abzugrasen was abzugrasen geht. Aber die Weide ist schon lange trocken. Hier klingt wirklich jeder Song wie Rammstein für arme Leute: die Arrangements, die Gesangslinien, die Phrasierungen, die Texte, die Keyboard-Sprenkel – ja, sogar selbst vor einem Kinderchor à la Rammsteins „Engel“ wird nicht zurückgeschreckt. So bleibt unterm Strich: muss man nicht haben – lieber wieder die Originale (möglichst die frühen) aus dem Regal holen. Weshalb Heldmaschine so sind wie sie sich auf „Lügen“ präsentieren, kann man verstehen, wenn man weiss, dass die Truppe aus einer Rammstein-TributeBand hervorgegangen ist. Aber das heisst noch lange nicht, dass man sie deswegen respektieren oder akzeptieren muss. Kopie bleibt Kopie!

THE LEISURE SOCIETY The Fine Art Of Hanging On MV rp. 2011 fragte Ray Davies von den Kinks The Leisure Society an, ob sie mit ihm an neuen Songs arbeiten wollten. Genau der Ray Davies, der Welthits wie «Lola», «You Really Got Me», «Waterloo Sunset» oder andere schrieb. Diese Ehre kommt für die englische Band um den Sänger und Multiinstrumentalisten Nick Hemming nicht von ungefähr.

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Auf ihren bisher drei Alben (ohne EPs) seit ihrer Gründung 2009 perfektionierte das Sextett ihren Indiepop. Wobei ihre Songschreiber-Qualitäten schon früh erkannt wurden. «The Last Of The Melting Snow» und «Save It For Someone Who Cares», beide von ihrem Debüt, wurden für den renommierten Ivor-NovelloAward nominiert. Ihr neues, viertes Album «The Fine Art Of Hanging On» wurde durch einen traurigen Zufall zu einer Art Konzeptalbum. Ein Freund von Nick Hemming bekam während der Entstehung die Diagnose Krebs. Hemming schickte ihm die Demos der Songs, die sein Freund kommentierte und so auch beeinflusste. «The Fine Art Of Hanging On» handelt lose vom sich an etwas klammern, an eine Beziehung, einen Job oder an das Leben. Hemmings Freund verlor schlussendlich den Kampf. Zumindest lebt er auf eine Art in den elf Songs weiter. Elf Songs, die berühren, nachdenklich stimmen und einem nie kalt lassen.

AHAB The Boats Of The Glen Carrig Napalm Records em. Ahab sind immer ein Garant für elegante Schwermut. Mit ihrem Nautic Doom haben sie sich innerhalb des Funeral Dooms noch mal ihre eigene musikalische Nische geschaffen. Material für Texte gibt es da zu Genüge. Diesmal lehnt sich das Album „The Boats Of The Glen Carrig“, wie der Name schon sagt, an den gleichnamigen Roman von William Hope Hodgson aus dem Jahre 1907. Seegrasmonster, Kreaturen aus der Tiefe des Meeres und Schiffbrüchige sind der Stoff, aus dem dieses Album geschaffen wurde. Dunkel, schleppend, hypnotisch und wahnsinnig düster vertonen Ahab ihre Interpretationen für gewöhnlich. Normalerweise hätte man zwischen den einzelnen Trommelschlägen Zeit für ein Vesperplättchen. Diesmal ist aber etwas mehr Schwung im Ganzen, wobei das Wort Schwung in Anführungs- und Schlusszeichen zu setzen ist. Sechs Songs zwischen 6 und 15 Minuten, die für keinen Augenblick abflachen. „The Isle“ fängt mit ruhigen akustischen Gitarrenklängen an und der überraschend melodiöse und klare Gesang Daniel Drostes zieht einem vom ersten Augenblick an in den Bann. Nach zirka drei Minuten folgt episch und

erdrückend die typische Ahab-Musik, die gepaart ist mit tiefen Growls, Kälte und Melancholie, jedoch fast schon wie im Geschwindigkeitsrausch wenn man als Vergleich die letzten AhabAlben hinzuzieht. Zwischendurch erklingen wieder fast schon filigrane und leichte Gitarrenspiele, bevor es wieder schwarz wird. „The Thing That Made Search“ ist ähnlich aufgebaut und ist eine logische Weiterführung des Openers. Es folgt „Red Foam (The Great Storm)“, welches sich tatsächlich sehr stürmisch, wild und peitschend präsentiert. „The Weedman“ ist ein Stück, das dann doch sehr viele oben bereits erwähnte Attribute aufweist. Ungeheuerlich zähflüssig und beklemmend, was aber zu Ahab gehört und so sein muss. Gerade das macht die Band aus. Auch hier flammen zwischendurch helle Momente mit cleanem Gesang auf, durchbrechen die vornehme Tristesse, um dann wieder im düsteren Soundgewand zu verschwinden. „To Mourn Job“ und auch „The Light In The Weed (Mary Madison)“ funktionieren auf diese Weise. Mal sind es fast schon rockige Momente, die man wahrnimmt, die aber nur ganz punktuell eingesetzt werden und eine angenehme Lichtquelle in der Finsternis bilden ohne das schattige Antlitz von „The Boat Of The Glen Carrig“ zu stören. Die vier Herren von Ahab sind selten so vielseitig, frisch, weiterentwickelt und vor allem rasant in Erscheinung getreten. Es macht unglaublich Freude dieser unheimlichen Geschichte zu lauschen. Ein absolut faszinierendes Werk voller Dunkelheit und Schauer, das sich kurzweilig, abwechslungsreich und ausgereift zeigt. Einfach wunderbar!

BITERS Electric Blood Earache / Nonstop ip. Umgangssprachlich ist ein „Biter“ ein schamloser Kopierer fremder Ideen, die er als seine eigenen ausgibt. Ganz so drastisch muss man das im Falle der Biters aus Atlanta nicht formulieren. Natürlich erfindet das Quartett das geschnittene Brot nicht neu, aber sie bedienen sich an Ideen, die schon eine ganze

Weile her sind und bringen Seventies-Rock der Marke Cheap Trick, Sweet oder Alice Cooper zurück auf die Bühne. Damit unterscheiden sie sich auch ziemlich von anderen jungen Bands, die auf der Retrowelle surfen spielen, denn die Biters greifen ganz tief in die Glamrock -Kiste und schütteln den Geist der Anfangstage aus den Fundstücken. Das funktioniert bei Songs wie „1975“, „Heart Fulla Rock'n'Roll“ oder „Love Lives in Hi-Definition“ auch ganz gut. Eher durchwachsen ist allerdings der Titeltrack, der mit einem unspektakulären Riff eher schmalbrüstig klingt. Apropos „klingen“: Die Produktion ist etwas für Liebhaber. Da aber auch das vor allem bei Bands, die im Retrosektor zuhause sind, Geschmackssache ist, kann man das bei dieser Bemerkung belassen. Insgesamt ist „Electric Blood“ ganz in Ordnung für Hörer, die gerne mal wieder in der Vergangenheit schwelgen und mit „Time To Bleed“ als Anspieltipp kann man sich auf „Electric Blood“ einlassen. Der Spirit zählt und wenn die Biters auf ihrer nächsten Scheibe noch einen Zahn zulegen und ein bisschen mehr Biss für die Produktion übrig haben, dann setzen sie mit ihrem eigenen Stil auch eine deutlichere Marke.

FFS FFS Domino rp. Was passiert, wenn eine exzentrische Veteranenband und eine, sagen wir mal etwas abgehalfterte Indierockband zusammenspannen? Im Falle von FFS etwas Gutes. Die amerikanischen Sparks befruchten die schottischen Franz Ferdinand vorzüglich. Eigentlich müsste es fast heissen: Die Sparks nehmen begleitet von Franz Ferdinand ein Album auf. Die Handschrift von Ron und Russell Mael ist um einiges deutlicher zu spüren, als jene von Alex Kapranos und Co. Das Drama, das Überdrehte, Skurrilitäten, der zuweilen fast hysterische Gesang von Russell Mael und Sparks Hang zur Ironie («Dictators Son», «Collaborations Don't Work» oder «Piss Off»). Alles ist da. Und das macht «FFS» zu einer immer wieder erfrischenden und überdrehten Achterbahnfahrt durch Art-Pop, Glampop, Indiepop, Wave, Vaudeville und WasWeiss-Ich. In den Sonnenuntergang hinein singe ich mit einem Lächeln auf den Lippen «Tell Everyone To Piss Off Tonight». Die nächste Single? Leider nicht!!!!



BOY

Gemeinsam stark Die schweizerisch-deutsche Freundschaft geht in die zweite Runde. Vier Jahre nach ihrem Debüterfolg „Mutual Friends“ verzaubern Boy auf „We Were Here“ erneut mit ihren bittersüß-unbeschwerten Pop-Perlen.

bs. Es gibt wenige Momente, in denen man sich besser kennenlernt als auf Reisen. Gemeinsam unterwegs in einem fremden Land, fern der Heimat, den Gepflogenheiten der jeweiligen Kultur mitunter hilflos ausgesetzt. Boy wissen das. Seit das schweizerischdeutsche Duo 2011 sein vielbeachtetes Debüt „Mutual Friends“ veröffentlichte, hat es praktisch nichts anderes gemacht. Nachdem das Album im Herbst 2011 veröffentlicht wurde, waren Valeska Steiner und Sonja Glass unermüdlich in Talkshows und auf den Konzertbühnen unterwegs, konnten eine Goldene Schallplatte entgegennehmen und bereisten gemeinsam die Welt. Schweiz und Deutschland, die Heimatländer des Duos, aber auch Dänemark und Frankreich, Japan, die USA und Kanada. „Wir haben diese Tourneen immer Häppchen für Häppchen an uns herangelassen“, gibt die Deutsche Sonja Glass Entwarnung hinsichtlich eines eigentlich zu erwartenden Reisekollers. „Für „Mutual Friends“ waren wir ja nicht zwei Jahre am Stück auf Tour, es gab immer wieder Pausen dazwischen. Wir haben gelernt, stets nur auf die nächste Zeit zu schauen und nicht gleich alles überblicken zu wollen.“ Dann, so Glass, packen die beiden Damen aber nur umso lieber wieder ihre Koffer. Wenn Valeska Steiner ihren Koffer für die nächste Etappe packt, darf eine Sache nicht fehlen: „Ich habe mal von einem schönen Ritual gehört, dass man sich vor jeder Reise einige Momente lang auf seinen gepackten Koffer setzen und kurz in sich gehen soll. Das gehört bei mir seither fest dazu.“ Wirklich schneller sei sie im Packen übrigens noch nicht geworden, verrät uns die Züricherin mit einem leichten Lächeln. Grundsympathisch sind die beiden, lachen viel und hell, verstehen sich blind. Eine ganz besondere Chemie besteht zwischen den Freundinnen und Kolleginnen, das wird sogar in einer professionellen Interviewsituation deutlich. All der Wirbel um Boy, all das Reisen schweißen eben zusammen.

Boy We Were Here Grönland/Good To Go bs. Triumphierend und geradezu episch steigen Boy in ihr zweites Album ein. „We Were Here“ ist eine Hymne an die Erinnerung, an eine gemeinsame Zeit, die wichtige Spuren hinterlassen hat. Mit Bläsern und druckvollen Percussions entwerfen sie ein kraftvolles, couragiertes und beherztes Bild ihrer künstlerischen Arbeit, ein mehr als eindringliches Statement für das, was danach kommen soll: Der große Erfolg von „Mutual Friends“ hat Boy weder abheben noch hochnäsig werden lassen. Vielmehr weiß das

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Selbst dann, wenn es mal nicht so rund läuft – oder vielleicht sogar gerade dann. Valeska erinnert sich da insbesondere an eine Situation auf dem prestigeträchtigen SXSW-Festival in Austin. Texas. „Die Stadt ist voller Konzerte, überall spielt irgendeine Band, alle hetzen von Bühne zu Bühne – und so auch wir“, berichtet sie. Bei einem dieser zahlreichen ShowcaseAuftritte passierte es dann. „Die Mikrofone funktionierten nicht, es rauschte und pfiff nur. Es war unmöglich, ein Konzert zu spielen, also verlagerten wir das Konzert kurzerhand in den Hof und spielten dort unplugged. Das wurde einer er schönsten und unvergesslichsten Abende für uns, an dem wir viel gelernt haben. Was auch passiert, nicht ermutigen lassen und umdenken.“ Viel von diesem Mut, von diesem Unwillen, sich unterkriegen zu lassen, haben die beiden mit auf ihr zweites Album „We Were Here“ genommen. Ein optimistisches Statement, garniert von bittersüßen Reflektionen. Auf Tour, wie man vielleicht annehmen könnte, sind die neuen Stücke dennoch nicht entstanden. „Ein Album über unsere Tourneen zu schreiben, wäre für uns nicht spannend gewesen. Das Gefühl, wieder nach Hause zu kommen, was der Alltag mit uns macht, fanden wir ergiebiger“, sagt Valeska Steiner dazu und ihre Bandkollegin ergänzt: „Der Titel „We Were Here“ ist als Bestandsaufnahme zu verstehen. Wie ein Fotobuch mit Erinnerungen, Themen und Gefühlen, eben mit alldem, was uns beschäftigt hat, während wir die Songs geschrieben haben.“ Melancholisch sind die Stücke oft und gern, dennoch durchgehend getragen von einer geradezu flockigen Leichtigkeit. Das entspricht dem Naturell der Protagonistinnen, sind sie sich sicher. Beide wissen mittlerweile sehr genau, was sie wollen und können, sind außerdem in der Lage, die jeweils andere gut einzuschätzen. Ein Lernprozess, wie Steiner meint: „Wir lernen uns jeden Tag besser kennen – als Bandkolleginnen, aber auch als Freundinnen. Es ist sehr besonders, wenn man mit einem Menschen derart viele starke Momente durchlebt. Sonja war in jeder Extremsituation der letzten Jahre dabei, das prägt und schweißt zusammen. Ich genieße es sehr, diese Entwicklung mit ihr durchzumachen und all diese schönen Dinge mit ihr zu erleben.“ Das sieht ihr Gegenpart ganz ähnlich. „Wir ergänzen uns ganz ausgezeichnet. Wir schmeißen all unsere Fähigkeiten in einem Topf und schauen dann, was passiert. Gemeinsam sind wir doppelt stark.“

schweizerisch-deutsche Duo noch besser als auf dem schönen ersten Album, was es kann und wie es das am besten umsetzen kann. Das monumentale Level des Openers wird in den übrigen Stücken von „We Were Here“ zwar nicht mehr erreicht, dafür aber sehr wohl die Klasse des Vorgängers gehalten und mehr als einmal übertroffen. Leicht und behände gehen den beiden Damen ihre Stücke von der Hand, sie sind ein wenig mehr zuhause in elektronischen Soundwelten voller Loops und verhallender Synthies als zuletzt und durchgängig bittersüß wie die Erinnerung an den letzten Sommer. „Hit My Heart“ ist eine

herrlich erbauliche Pop-Hymne, deren Zeile „Look how we shine“ nicht besser zu den hellen Klängen passen könnte. Auch die ruhigen, nachdenklichen Momente wissen Boy ein wenig besser auszureizen, verbreiten in „No Sleep“ musikalisches Kribbeln in der Bauchgegend und blasen mit „Into The Wild“ zum Aufbruch in die Freiheit. Ein Album für Liebende, für Freunde, für Seelenverwandte, für Aufbrechende und Ankommende. Ganz richtig verstanden: eben für alle, die authentische Gefühle zu schätzen wissen.


Romantiker

Hurts sind die beiden Engländer Theo Hutchcraft und Adam Anderson. Man könnte auch sagen Hurts, das sind die stürmischen Romantiker. Das neue, im Oktober erscheinende Album “Surrender“ trägt dieses Attribut genauso, aber auf eine andere Weise. Die Engländer und ihre Musik wickeln die Fans mit Altem und Neuem um den Finger. kw. Es kommt vielleicht etwas ungewohnt daher, dieses neue Album von Hurts. Die luftigen Dance-Beats, der betonte Rhythmus und diese alles strotzende Romantik tragen zur Irritation bei. Gut, das mit der Romantik ist alles andere als neu. Man führe sich doch die Zeilen aus “Blind“ zu Gemüte oder besser gesagt zum Herz “…But every time I feel you near/ I close my eyes and turn to stone/ Cos now the only thing I fear/ Is seeing you better off alone/ Cut out my eyes and leave me blind…“ Angefangen hat die Fanromantik für das Duo vor fünf Jahren mit ihren Singles “Stay“ und “Wonderful Life“ aus dem ersten Album. Danach folgten drei Jahre Tour und das düstere Album „Exile“. Und nun ist das Dritte im Bunde „Surrender“ startklar. Komponieren ist für viele Musiker eine Therapie, auch für Hurts. “Es war klar, dass wir etwas Erhebenderes als Reaktion auf Exile schreiben würden. Wir gehen auf Tour bis wir genug haben, dann Schreiben wir uns von der Seele bis wir es satt haben und so weiter“. Das Album “Surrender“ ist offensichtlich eine Platte von Hurts. Es sind dieser einzigartige Synthie-Pop mit den Streicher-Arrangements, den Chören oder sogar Gospels, und die Hingebung die jeder wiedererkennen wird. Und schon wieder geht es um Gefühle. “Ich romantisiere alles. Es ist eigentlich eine schöne Art das Leben zu sehen“, äussert sich Theo. Nun, sie müssen es ja wissen, denn wahrscheinlich fliegen ihnen viele Frauenherzen zu. Die beiden Engländer haben eine beeindruckende Präsenz. Durch ihre schlichte, aber vorzeitlich elegante Erscheinung und ihre aufrichtige Freundlichkeit haben sie leichtes Spiel. Leichtes Spiel hat auch “Lights“, ein betörender Disco-Song. Prince lässt grüssen. “Kaleidoscope“ oder “Some Kind of Heaven“ sind Stimmungsaufheller mit ihren spielerischen Wesen. Dazu gehört auch

“Why“, der mit einem strahlenden Refrain in den Bann zieht. Makaber ist “Weight Of The World“, in denen der Sänger in ungeahnte Höhen zieht. Oder auch “Rolling Stone“, der einen dramatischen Werdegang einer von Shakespeare's Hauptfiguren zeigt. Entscheidend für das positiv gestimmte Album war auch der Entstehungsort. Begonnen hat alles in Montreux. Übrigens das schönste Plätzchen, das er bisher gesehen hat, sagt Adam Anderson. “Die ersten zwei Alben wurden in Manchester aufgenommen. Das hört man. Der Einfluss der Location ist bedeutend. Manchmal ist auch das Zimmer entscheidend. Hier wäre es grossartig gewesen, tolle Sicht, hohe Fenster und viel Platz.“ “Surrender“ büsst vielleicht höchstens etwas an Intensität ein. Aber das ist eigentlich in Ordnung, da das Muntere, Träumerische und Leichte besser zur Geltung kommen. Und auf die Frage, was sie denn zum Vorwurf sagen sie seien kitschig, antwortet mir Hurts lachend, dass Musik nicht für jedermann sei. Es sei dann schlicht nicht für sie gemacht. Sie machen Musik, die sie selbst mögen. Und was, wenn “Surrender“ tatsächlich nicht den gewünschten Erfolg bringt, dann wissen Hurts selbst noch nicht welche Linie ihr nächstes Album verfolgen wird. “Wir können uns nicht wiederholen und auch nicht vergangene Musik aus unserer Karriere auferstehen lassen. Es kommt aus dem Moment.“ Hurts bieten sich in den grossen Momenten im Leben an, in denen man in Schmerz versinken will und in denen man sich zelebrieren will. “Surrender“ ist gelungen, weil es ein neues frisches Gewand hat, aber doch unverkennbar und einmalig Hurts ist.

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America´s Biggest Band

DAVE MATTHEWS BAND Seit Jahren füllt die Dave Matthews Band (DMB) in Amerika die grössten Hallen und Stadien. Mit über 35 Millionen verkaufter Kopien der acht Studio-Alben (allein in den USA) und über 19 Millionen abgesetzter Konzerttickets, gehört „America's biggest band“ zu den hundert kommerziell erfolgreichsten Rockgruppen aller Zeiten. Dennoch blieb der grosse Erfolg in Europa bislang aus. Nach Jahren der Abwesenheit kehrt das Phänomen nun auf hiesige Bühnen zurück und präsentiert jeden Konzertabend zwei komplette Live-Sets.

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ub. Die DMB ist eine Fusion Band. Der Sound eine Verschmelzung von Jazz, Folk und World Music. Diese Art der Musik erlangte in den 90er-Jahren, der Dekade der Jam Bands, grosse Beliebtheit. So wie der Stil der Gruppe, ist auch das Line-up unkonventionell und eigenwillig: Zu den herkömmlichen Instrumenten der Rockmusik gesellen sich Trompete, Saxofon und Geige. Die Verbindung der Raffinesse des Jazz mit der rhythmischen Intensität des Funk und der Kraft der Rockmusik wurde in den 70er-Jahren bedeutend. Berühmte Gruppen des Genres waren damals Blood, Sweat & Tears, Chicago oder die Brecker Brothers, die in der zweiten Hälfte der 70er eine der erfolgreichsten Funk Jazz-Gruppen waren. Dave Matthews wird 1967 in Südafrika geboren, doch bereits Ende der 60er-Jahre zieht die Familie nach New York, wo der Vater für einen Konzern als Physiker arbeitet. Der junge Dave soll zu dieser Zeit sein erstes prägendes Konzert von Pete Seeger erlebt haben. Nach dem Krebstod des Vaters begibt sich die Familie vorerst zurück nach Johannesburg. Doch als Dave mit 18 Jahren in den Militärdienst einrücken soll um das Apartheid-System zu unterstützen, ziehen die Matthews Mitte der Achtziger ein weiteres Mal in die USA. In Charlottesville taucht Dave in die lokale Musikszene ein: Nachts arbeitet er als Barkeeper, tagsüber schreibt er Songs und gründet schliesslich die Dave Matthews Band, welche aus begnadeten Musikern besteht, die von Anbeginn einen hohen künstlerischen Anspruch haben. Die Urbesetzung besteht aus Matthews (Gitarre/Gesang), Fusion Drummer Carter Beauford, Stefan Lessard (Bass) sowie Saxofonist LeRoi Moore und Boyd Tinsley (Violine) und wird über Jahrzehnte Bestand haben. Bald darauf stösst Keyboarder Peter Griesar dazu, der die Gruppe jedoch Anfang 1993 wieder verlässt. In den Jahren 1991 – 1993 erspielt sich die DMB im US-Bundesstaat Virginia einen Namen als hervorragende Live-Band, sodass die DebütLP “Remember Two Things” vom November 1993 ein LiveAlbum wird. Das Cover ziert ein Raumbild (Autostereogram). Diese Kunstform war in den 90ern sehr populär. Durch spezielles Fokussieren wird eine 3D-Szene

erkennbar (in diesem Fall das Victory-Zeichen). Im Mai 1994 legt die Band mit der Live-EP „Recently“ nach. Beide Alben werden auf dem bandeigenen Label Bama Rags veröffentlicht. Mit einem Major Label-Deal (RCA) in der Tasche erscheint im Herbst 1994 die erste Studio-LP “Under The Table And Dreaming”, ein unerschöpfliches Werk voller Virtuosität, welchem Vierfach-Platin verliehen wird. Die Songs werden durch Matthews unverkennbare und angenehm warme Stimme sowie durch seine oft sehr nachdenklichen Texte geprägt. Sorgsam schränkt Produzent Steve Lillywhite die ausufernden Tendenzen der Gruppe ein und macht deren Musik leichter verdaulich und so einem breiten Publikum zugänglicher, worauf die DMB erstmals auch ein Flair für Pop-Songs mit eingängigen Melodien beweist und auf Anhieb erste Hits landet: "What Would You Say”, ein fetziger Track mit buntem Clip (und John Popper an der Blues Harp), die Band-Hymne "Ants Marching" sowie der No Future-Titel "Satellite" (2007 von Mika auf der B-Seite von "Grace Kelly“ neu interpretiert) sind bis dato die bekanntesten Songs der Band. Die Platte macht die DMB zu nationalen Stars. Die Band tourt nun im ganzen Land und fliegt erstmals für Konzerte über den grossen Teich (Roxy Amsterdam). Im März 1995 spielt die Gruppe im legendären Marquee Club in London und bestreitet einige Festivals in Europa. Ende Juni folgt der erste Auftritt in der Schweiz am Openair St. Gallen mit Joe Cocker, Simple Minds und Mike & The Mechanics. Drei Jahre später wird die DMB als Vorgruppe der Rolling Stones („The Bridges To Babylon“-Tour) in Frauenfeld gebucht. Danach dauert es ganze elf Jahre, bis sich Dave Matthews im Juli 2009 am Montreux Jazz Festival (mit Steely Dan) wieder und letztmals in der Schweiz blicken lässt. Nach dem dritten Studioalbum „Before These Crowded Streets“ nimmt die Band in den Jahren 1999 und 2000 mit ihrem Produzenten Lillywhite die sogenannten „Lillywhite Sessions” (LWS) auf. Allerdings wechselt Matthews während den Aufnahmen spontan den Produzenten aus, sodass die Songs der „Lillywhite Sessions” niemals offiziell veröffentlicht werden. Stattdessen greift Matthews durch den neuen Mann Glen



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Ballard erstmals zur E-Gitarre und schreibt die Platte “Everyday” in einer Rekordzeit von bloss zehn Tagen, was im starken Kontrast zur damals üblichen Kollektivarbeit innerhalb der Band stand. Nach dem Release von „Everyday” tauchen unverzüglich Raubkopien der LWS im Internet auf. Kaum eine Review wird geschrieben, ohne die Aufnahmen zu erwähnen, die aus Sicht der Kritiker und Fans schlicht besser waren als das veröffentlichte Material der neuen LP. Schliesslich kann die DMB dem langen Schatten der LWS nicht entfliehen. Die besten Tracks werden überarbeitet und als “Busted Stuff” (2002) herausgebracht. Der emotionale Kern der LWS wird dabei gewahrt. Wohl deshalb gilt „Busted Stuff“ für viele Fans bis heute als DMB's Glanzstück schlechthin. Das Album vermittelt eine nicht gerade depressive, aber dennoch reflektierende Grundstimmung, die der Musik und Karriere der DMB eine neue Facette gibt. Während vieler Jahre gibt es keine Besetzungswechsel in der Band. Beauford, Lessard und Tinsley bleiben Matthews treu. Dies gälte wohl auch für Mitbegründer LeRoi Moore, wenn der Saxofonist nicht 2008 an den Folgen eines MotorradUnfalls verstorben wäre. Die Tragödie relativiert Vieles, doch die DMB macht wacker weiter und veröffentlicht als Tribut für

zusätzlichen „Euro Trax“ (Live) ein Jahr später. Es ist bereits das sechste Album in Folge, welches direkt auf Platz 1 der Charts einsteigt. Nach vielen Jahren begibt sich die Gruppe wieder in die Hände des Produzenten Steve Lillywhite, der die grossen Hits der 90er ermöglichte und mit dessen Hilfe die DMB an alte Erfolge anknüpfen will. Zwar enthält “Away” satt groovende Pop-Songs, die Platte ist aber keinesfalls als Mainstream-LP zu bezeichnen. Neben brillant inszenierten Arrangements mit Suchtpotenzial feiert die Platte auch grosse Momente der Ausgelassenheit und ein Quäntchen Nostalgie. Das impulsive Stück "Belly Belly Nice" lässt Erinnerungen an “Ant Marching” aufkommen. „Mercy“ wird als erste Single ausgekoppelt und zielt mitten ins Herz. Schliesslich ist “Away” ein reifes Werk einer altgedienten Band in Höchstform, die sich und ihren Fans nichts mehr beweisen muss. Die DMB geniesst einen hervorragenden Ruf in der Jam Rock-Szene. Immer wieder bemühen sich prominente Musiker (darunter Neil Young, Warren Haynes, Carlos Santana oder Ziggy Marley) darum, die Band während ihrer langen Konzertreisen zu begleiten. Alanis Morissette ist zudem als Gastsängerin auf „Before These Crowded Streets“ (1998) zu hören und Julia Roberts im Clip zu „Dream Girl“ (2005) in der

den verstorbenen Weggefährten die LP “Big Whiskey & The GrooGrux King“ (neu mit Jeff Coffin am Sax). GrooGrux King war Moores Spitzname gewesen. Verständlicherweise klingt “Big Whiskey” über weite Strecken ziemlich morbide, schöne Liebeslieder bilden indessen Kontrapunkte zur Melancholie und machen das Album als Ganzes grossartig. Als Produzent fungiert Rob Cavallo, bekannt durch seine Arbeit mit Green Day. Bereits in der ersten Woche nach der Veröffentlichung verkauft sich das Album eine halbe Million Mal. „Funny The Way It Is“ wird letztlich die erfolgreichste Single der gesamten Karriere der Dave Matthews Band. In der Zwischenzeit hat sich die Gruppe den Ruf als “grösste Band Amerikas” erspielt. Doch Matthews durchlebt auch Krisen: Der ganze Rummel um die DMB wird ihm des Öfteren zu viel, sodass er sich immer wieder von der Band abwendet und zusammen mit Tim Reynolds eine dunkle Solo-Platte aufnimmt (“Some Devil” erscheint 2003). Der Multiinstrumentalist Reynolds wird 1957 in Deutschland als Sohn eines stationierten US-Militärs geboren und ist immer wieder als Studiomusiker für die DMB tätig (seit 2008 ist er nun festes Mitglied). Matthews und Reynolds lernten sich in Charlottesville kennen und treten seit 1993 auch als AkustikDuo auf. Zusammen veröffentlichten sie drei Alben: “Live At Luther College” (1999), “Live At Radio City” (2007) und 2010 “Live In Las Vegas”. Die letzte Platte der DMB “Away From The World” erscheint im Herbst 2012, die Deluxe-Edition mit

Hauptrolle zu sehen. Mitte Januar 2015 kündigt die DMB eine ausgedehnte Tournee mit jeweils zwei kompletten Sets (einem akustischen und einem elektrischen Teil) pro Abend an. Dadurch wird die Band zur eigenen Vorgruppe. Zudem hat die Formation zwei brandneue Tracks im Gepäck: “Black And Blue Bird” sowie “Be Yourself” (mit den Lovely Ladies). Die Tour durch Nordamerika hat inzwischen hohe Wellen geschlagen: Begeisterte Fans berichten von der „besten Show der letzten 20 Jahre”. Good Old Europe wurde in den letzten Jahren indes nicht von Konzerten der “Greatest Live Band” verwöhnt. Letztmals tourte die Gruppe im Frühjahr 2010 durch unsere Breitengrade. Umso grösser deshalb die Freude über die Kunde des Europa-Besuchs im Herbst. Glaubt man dem DMB-Jahrbuch weiter, so trat die Band während ihrer gesamten Karriere bisher bloss dreimal in der Schweiz auf (hinzu kommt ein Gig als Opener für Bob Dylan im grenznahen Koblenz vom Juli 1996). Der bevorstehende Auftritt in Zürich kann somit als kleine Sensation gewertet werden.

LIVE 15. Oktober 2015 Zürich, Hallenstadion



Der neue amerikanische Traum

Tief im amerikanischen Mythos sind Delta Rae verwurzelt. Auch auf ihrem zweiten Album „After It All“ spricht die Seele des Landes aus ihrem wunderbaren Americana/Pop-Crossover. bs. Um eine Band wie Delta Rae zu verstehen, muss man Amerikas mythologischen Unterbau verstehen, seine musikaliche und kulturelle Geschichte. Hineingeboren in dieses Land der endlosen Weite, der einst unbegrenzten Möglichkeiten, der unendlichen Highways und spirituellen Legenden, fanden sich die drei HölljesGeschwister Ian, Eric und Brittany vor bald zehn Jahren mit einer bitteren Wahrheit konfrontiert: Die Krise hatte Amerika erreicht, die Rezession Arbeitsplätze und Hoffnungen weggespült. An Jobsuche war um die Jahre 2007/2008 eh nicht zu denken, also beschloss die Familienbande kurzerhand, das zu machen, womit man schon seine ganze Kindheit und Jugend verbracht hatte: Musik. „Als wir die Schule abgeschlossen hatten, wussten nicht wirklich, wie es weitergehen sollte“, erinnert sich Sängerin Brittany Hölljes. „Den künstlerischen Weg einzuschlagen und all das in Musik zu packen, was in diesem Land passierte, war unsere rebellische Art und Weise, uns nicht vom System in die Knie zwingen zu lassen.“ Gemeinsam mit der vierten Vokalistin Elizabeth Hopkins reisten sie kreuz und quer durch dieses gewaltige Land, sogen die Geschichten, die Mythen, die Wurzeln seiner Bewohner auf wie ein trockener Schwamm. „Wir sahen die Kämpfe und Nöte vieler Amerikaner. Diese Gefühle ließen wir in unsere Songs fließen. Wir als Musiker sprechen uns laut gegen die Missstände aus, etwas anderes kam für uns nie in Frage.“ Dass ihre wunderbar natürlichen Folk-Stücke bei aller Unzufriedenheit, bei allen Ängsten nie bedrückend klingen, ist primäres Ziel der Band. „Wir wissen um die Dunkelheit da draußen, lassen uns von ihr aber nicht verschlucken. Das ist der neue amerikanische Traum.“ Den gibt es laut Brittany Hölljes immer noch. Er hat eben nur sein Gesicht verändert. „Derzeit nehmen hier viele Menschen Jobs an, die vielleicht nicht ihr Traumjob sind, ihnen aber Freizeit verschaffen, die sie mit ihrer Familie verbringen können. Arbeiten, um zu leben anstatt leben, um zu arbeiten. Das weiß ich sehr zu schätzen. Geld kann dir Glück nicht kaufen.“ Auch für Delta Rae war die Musikkarriere kein sicher gemachtes Bett. Bis heute ist sie ein wilder Ritt, der die Band aus North Carolina weit gebracht hat. Auch auf dem Zweitwerk „After It All“ ist der Mythos Amerika die treibende Kraft. Nicht glorifizierend, vielmehr beobachtend, versteht sich. „Ein Stück wie „Bethlehem Steel“ greift die Krise der Stahlarbeiter auf, die in Scharen entlassen wurden, „Outlaws“ wiederum erzählt davon, wie zwei junge Menschen aus den Gepflogenheiten ausbrechen, weil sie frei sein wollen“, erläutert sie. „All diese Songs sind ein Spiegel der Vorgänge und Emotionen in diesen Land.“ Delta Rae stehen in einer langen Tradition. Neben den Mythen und Legenden, die die Hölljes-Geschwister jede Nacht vor dem Einschlafen ihrer Eltern erzählt bekamen, war es auch die heimische Plattensammlung, die die Band auf ihren Weg gebracht hat. Brittany dazu: „James Taylor, Joni Mitchell, Cat Stevens oder Fleetwood Mac waren die Klänge unserer Kindheit, und ich höre diese Alben bis heute öfter als alles andere. Auch Gospel spielte eine Rolle, so wie eigentlich jede Musik, die eine Geschichte erzählt. Amerika ist unsere Heimat, und die Geschichten aus diesem Land faszinieren uns eben am meisten. Hier kommen wir her. Obwohl wir natürlich auch mit „Harry Potter“ aufgewachsen sind“, lacht sie. Vorgetragen mit vier wunderbar harmonierenden, unglaublich charakterstarken Stimmen, schließt „After It All“ die Lücke zwischen Americana und Pop. „So sehr wir von der amerikanischen Musiktradition geprägt wurden, sind wir auch mit den gewaltigen PopProduktionen der Neunziger großgeworden“, erklärt die Sängerin dieses Zusammenspiel. „Wir vermählen die beiden und wollen die Ehrlichkeit der Folk-Musik mit der Eingängigkeit und dem Bravado des Pop verknüpfen.“ Was dadurch entsteht, ist ein von Sehnsucht, Fernweh und Melancholie geprägtes Album, das dennoch nie den Kopf hängen lässt. Der perfekte Roadtrip durch dieses Land also, das noch immer von einem tiefen Zauber umgeben ist. Apropos Roadtrip: Geht

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es nach Brittany, sollte man sich zwei Orte nicht entgehen lassen, wenn man ihre Heimat bereist. „Zum einen solltest du unbedingt nach New Orleans fahren“, meint sie mit Nachdruck. „Die Folklore, der Mythos und der Aberglaube sind dort unfassbar stark. Oh, und dann unbedingt nach Utah. Die Wüste macht etwas mit dir. Sie verändert dich, deine Wahrnehmung, deine Eindrücke. Ein unbeschreibliches Gefühl, das ich auch im Song „Chasing Twisters“ verarbeitet habe.“ Na, der nächste Urlaub kommt bestimmt.

Delta Rae After It All Sire/Warner bs. „My cathedral is the badlands“ singen Delta Rae in der erhabenen Folk-Ballade „Chasing Twisters“. Diese Zeile bringt in aller Kürze und Eindringlichkeit auf den Punkt, worum es der Band aus North Carolina geht. Die Heiligkeit der Natur, der tiefe Zauber, der fest mit einem Land verwoben ist – aus diesen Dingen schöpft das Americana-Sextett sein kreatives Momentum, erschafft daraus strahlende Triumphe, anrührende Balladen, fabulierende Pop-Songs und intime Folklore-Momente. Dass sie sich nicht festlegen wollen, ob sie nun authentische Americana-Wurzelsucher oder eingängige Pop-Zauberer sind, ist Delta Raes größter Trumpf. Ihre Stücke stecken voller furiosem Bravado, aber auch voller urwüchsiger Heimeligkeit, erzählen von der Seele des Landes, dem Mythos und den Legenden, die Amerika einst zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten gemacht haben. Auf ausgedehnten Reisen durch die Metropolen, Wüsten und Gebirge dieses Landes haben Delta Rae ihre Geschichten eingesammelt, tragen sie mit vier charismatischen, ausdrucksstarken und vor allem wunderbar harmonierenden Stimmen vor. Drei davon gehören den Hölljes-Geschwistern, die Delta Rae gründeten, um die narrative Tradition ihrer Familie fortzuführen. Das brachte ihnen schon mit ihrem Erstling „Carry The Fire“ überschwängliche Kritiken und viel Begeisterung ein, die sie mit „After It All“ zweifellos übertreffen werden. Wer wissen will, wie der amerikanische Traum im 21. Jahrhundert klingt, muss nur Delta Rae sein Gehör schenken. Stücke wie „Bottom Of The River“, „Bethlehem Steel“ oder das erwähnte Spektakel „Chasing Twisters“ verankern die Band als neue Stimme einer jungen Americana-Generation: Ihrer Herkunft ergeben, aber nicht glorifizierend, traditionsbewusst, aber nicht patriotisch.



Der Himmel über Berlin Es gibt viele Musiker in Berlin. Es gibt auch viele Musiker in Berlin, die über die deutsche Hauptstadt singen. Und dann gibt es da noch Kadavar. Auch sie sind aus Berlin, auch sie haben mit dem programmatisch „Berlin“ betitelten Album eine Ode an diese Stadt vorgelegt. Und nebenbei für das beste deutsche Classic-Rock-Album der letzten Jahre gesorgt.

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bs. „Auf diesem Album erzählen wir die Geschichte von drei Typen, die aus völlig unterschiedlichen Richtungen und Gründen in die große Stadt gekommen sind“, weiß Sänger und Gitarrist Lupus über die Hintergründe von „Berlin“ zu berichten. „Es fasst zusammen, was wir durchgemacht haben, und wie wir es geschafft haben, aus drei sehr verschiedenen Charakteren eine Einheit geformt haben, mit der wir die Musik auf das nächste Level heben konnten.“ Dieses nächste Level, so macht das dritte Kadavar-Album eindrucksvoll klar, stellt das Debüt mit Leichtigkeit in den Schatten. Viel wurde geschrieben über Retro-Bands, über Nostalgie und den Spirit der späten Sechziger. Am Ende des Tages reicht es aber eben nicht, sich einen Bart stehen zu lassen und sein Geld für Vintage-Equipment auszugeben. Was zählt, ist der Spirit. Die

dass sich die Berliner nicht allzu sehr davon beeinflussen ließen. „Insbesondere unsere letzte Platte hat mir gezeigt, dass wir auch unter einer Menge Druck ein einigermaßen anständiges Album schreiben können“, gibt der Sänger unverblümt zu. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, möchte so etwas jedoch trotzdem nie wieder machen!“ Müssen sie auch gar nicht. Längst sind sie zu einer Classic-Rock-Größe herangewachsen, die sich ein Stück weit künstlerische Freiheit erspielt hat. Das hört man auch den kraftvollen, leidenschaftlichen Songs auf „Berlin“ an. Es ist nicht schwer, den Freiheitsdrang, die revolutionäre Seite der Siebziger aus ihnen herauszuschmecken wie ein besonderes Aroma in einem köstlichen Gericht. Anstatt die alten Helden von damals zu kopieren, saugen Kadavar lieber

Seele. Und da trabt „Berlin“ der Schlaghosenkonkurrenz mit Siebenmeilen-Plateauschuhen davon. Liegt natürlich daran, dass sich die Band seit „Abra Kadavar“ die Hintern wund getourt hat. Dass sie von Anfang an Feeling über Perfektion gestellt hat und in dieser Herangehensweise automatisch an die Bands der Vergangenheit erinnert. Es liegt aber eben auch an einem anderen Ansatz, der schon früh in der Karriere eine Aversion zu Stillstand und Wiederholungen erkennen lässt. „Wir haben gelernt, uns nicht mehr unter allzu großem Zeitdruck ins Studio zu geben“, berichtet Lupus. „Außerdem ließen wir noch mehr einfach geschehen und versuchten gar nicht erst, irgendwas zu erzwingen.“ Das führte zu einem angenehmen, aber intensiven Songwriting-Prozess, wie er meint, der das Feuer nach zwei Jahren auf der Straße und einem kurzen wohlverdienten Urlaub sofort wieder anzufachen wusste. „So leicht ist es uns noch nie gefallen, wieder Gefallen daran zu finden, gemeinsam Musik zu machen.“ Ehrensache: Aufgenommen wurde auch „Berlin“ wieder auf die für Kadavar einzig legitime Art und Weise: „Live in einem Raum mit jeder Menge lauten Verstärkern!“ Diese Herangehensweise, gekoppelt an eine gewisse DIYAttitüde und jede Menge Unbändigkeit ließen die beiden Kadavar-Platten zu kleinen Klassikern werden, die ihnen dabei dabei halfen, den Status des Geheimtipps schneller abzulegen als man eine Vinyl-Platte umdrehen kann. Umso angenehmer,

die Grundstimmung dieser Zeit auf und lassen sie im Berlin des Jahres 2015 wieder frei. „Meine einzige Intention war es, bessere Songs als beim letzten Mal zu schreiben“, gibt sich Lupus ein wenig wortkarg hinsichtlich seiner Einflüsse. Es fällt ihm schwer, seine Inspirationsquellen offenzulegen – nicht, weil er sie verheimlichen will, sondern weil er manchmal gar nicht weiß, woher eine Idee eigentlich genau kommt. „Mein Hirn spielt mir konstant Musik vor“, meint er dazu. „Manchmal stelle ich dann was auf 'Repeat' und singe es für eine Weile in meinem Kopf.“ Ganz ohne Spuren blieb auch sein Job in einer Berliner Bar nicht, wie er sich erinnert: „Lupus: Es sind verschiedene Sachen oder Situationen. Ich habe sehr lange in einer Bar gearbeitet. Die 8MM-Bar ist ein kleines dunkles Loch“, erzählt er. „Alles ist schwarz, kein richtiges Licht, nur Kerzen. Ein Beamer projiziert alte Filme an die Wand. Ich hatte viele gute Jahre dort.“ Für ihn war die Arbeit hinter der Bar eher mit einem „sozialen Projekt“ zu vergleichen, wie er meint: „Die Geschichten die man dort erfährt, waren Inspiration genug, um noch 10 Alben zu schreiben.“ Diese und vieles mehr lässt er durch die Musik sprechen – und transportiert in seinen Lyrics alles, was wir über ihn und Kadavar wissen müssen. „Die Texte auf diesem Album handeln vom Wunsch, frei zu sein, davon, als Mensch zu wachsen. In den Songs lassen wir Dinge zurück, sind rastlos, erobern und ein wenig Hoffnung zurück und legen unsere Gefühle offen dar.“


Sie tun, was sie wollen, das sollte mittlerweile klar sein. Schon damals waren ihre alten Klamotten eher das Resultat eines leeren Geldbeutels und des nächstbesten Second-Hand-Ladens, auch heute wird man sie keinem Trend hinterherlaufen sehen. Dann schon eher selbst zum Trendsetter werden. Die ungewöhnliche Coverversion des alten Nico-Songs „Reich der Träume“ dürften zumindest anfangs für Erstaunen, dann ob der tranceartigen Stimmung für Begeisterung sorgen. Die Popkulturikone, die 1967 mit The Velvet Underground ein unsterbliches Album aufnahm und eine Zeitlang mit Jim Morrison herumhing, ist gewiss nicht die erwartete Wahl für eine Fremdinterpretation. Das Ergebnis hingegen ist umwerfend und beinahe so etwas wie der heimliche Star eines durchweg starken Albums. „Wir alle sind begeistert von ihrer Arbeit, ihre Stimme und der Atmosphäre ihrer Musik an sich. Weil wir uns für das Album eine besondere Coverversion mit deutschem Text wünschten, landeten wir irgendwann bei dieser Nummer. Da hatten wir alle fast aufgegeben, wussten beim Abspielen der Nummer aber sofort, dass wir endlich am Ende unserer Suche angekommen waren.“ Dieser träumerische, mehr als nur ein wenig jenseitige Touch ist ein schicker Zusatz für das von saftigen Riffs und zeitlosem Groove vorangetriebene Album. Und nicht nur das: Die unvergessene Nico liegt auf dem Friedhof Grunewald in Berlin, in gewisser Weise schließt sich der Kreis um dieses Album einmal mehr. Obwohl sowieso derzeit unverändert en vogue wie zuletzt in den Siebzigern, ist die Vinyl-Veröffentlichung bei einem Album wie „Berlin“ schlicht und ergreifend unverzichtbar. Das sieht der Frontmann ganz ähnlich: „Als begeisterter Musikkonsument, der ich nach wie vor bin, ist mir ein hochklassiges SoundErlebnis ungemein wichtig. Zwar streame ich auch und habe einen eigenen Spotify-Account, jedoch möchte ich ein Album, das ich wirklich mag, unbedingt auch auf Vinyl haben.“ Im Allgemeinem steht Lupus dem Internet und seinen Möglichkeiten nicht ablehnend, aber doch kritisch gegenüber. „Ich bin bereit, für Musik zu zahlen, die ich auch umsonst bekomme, und ich wünschte, mehr Menschen würden das so sehen. Mir ist jedoch auch bewusst, dass es das Internet war, das den Namen Kadavar anfangs verbreitet hat. Wer aber nicht bereit ist, Geld für Musik auszugeben, soll wenigstens öfter auf ein Konzert gehen. Das ist eh die beste Art, Musik zu hören.“ Zugleich ist es Kadavars erklärte Mission. In den zwei Jahren seit „Abra Kadavar“ gab es keine Tournee, kein Festival, die das Trio ausgelassen hat. Ähnlich geschäftig geht es dieses Jahr weiter. Nach Ende der Sommerfestivalsaison geht's auf die bislang längste Europatournee, weltweite Einsätze sind längst in Planung. Das ist nicht nur essentiell für eine heutige Band, sondern auch Inspiration für eine selbsterklärende Nummer wie „Restless“. „Man sitzt im Bus und fährt monatelang durch die Landschaft, schaut aus dem Fenster und sieht das Leben an einem vorbeiziehen. Die anderen schlafen oder lesen oder sonst was. Man muss sich auf Tour sehr zurück nehmen, für Prinzessinnen gibt es da keinen Platz“, stellt er klar. Es gehe einzig und allein um das Projekt, für das man zusammen in diesem Bus sitzt. „Man denkt oft an zuhause oder daran, was deine Freunde gerade tun. Man will einfach mal wieder draußen rumlaufen oder nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein müssen. Wenn ich dann aber zuhause ankomme und genau das machen könnte, dauert es in der Regel keine zwei Wochen, bis ich mich fehl am Platz fühle und eigentlich genau dahin zurück will.“ Es trifft sich also gut, dass es an der Live-Front geschäftiger denn je zugehen wird. „Diesen Herbst wird es uns erstmals nach Südamerika verschlagen“, meint der Sänger und Gitarrist begeistert. „Seit es Kadavar gibt, haben wir den Traum, jeden Kontinent mit unserer Band zu bespielen. Und bis auf Asien und Afrika sind dann alle geschafft. „Was nicht ist, kann ja noch werden, immerhin gibt es die Truppe seit gerade mal fünf Jahren. Fünf Jahre, wohlgemerkt, in denen nicht immer alles rund lief. Lupus ist dennoch hochzufrieden. „Besser kann es ja irgendwie immer sein, jedoch haben wir alles aus eigener Kraft geschafft. Dass wir es nach all den Kämpfen geschafft haben, zusammenzubleiben und eine solide Freundschaft zu entwickeln, ist viel Wert. Und letzten Endes braucht es bekanntlich immer ein paar Höhen und Tiefen im Leben.“

Kadavar Berlin Nuclear Blast/Warner bs. Schon das Debüt „Kadavar“ war ein lässig groovender, wunderbar eingenebelter Genuss, der Nachfolger „Abra Kadavar“ ließ das erste Mal das gewaltige Potential der Band erkennen. Jetzt sind Kadavar mit ihrer dritten Platte zurück. Und zeigen das erste Mal richtig, was sie können. Im direkten Vergleich zu „Berlin“ fallen die beiden starken Vorgänger überraschend stark ab, machen aber überdeutlich, dass diese Band eine Reise ist, ein Entwicklungsprozess. Das wird in vielen Punkten offenbar. Am ehesten jedoch im Gesang. Die Art und Weise, wie Christoph „Lupus“ Lindemann in den neuen Songs singt, hat gar nichts mehr mit der gepressten Rezitation von damals zu tun, trägt das Herz endgültig auf der Zunge und erinnert in Phrasierung, Harmonik und Ausdruck an eine 40 Jahre alte Rock-Platte. Natürlich gilt das in gewisser Weise auch für die Musik. Noch immer sind es die späten Sechziger und frühen Siebziger, die es den drei Jungs angetan haben. Dass „Berlin“ dennoch nicht nach einem Retro-Album klingt, ist der Unverblümtheit und Spontaneität zu verdanken, mit denen Kadavar in Proberaum und Studio zu Werke gehen. Die Songs klingen nicht konstruiert und bewusst an Led Zeppelin und Konsorten aufgehängt, sie lassen das frei heraus, was eh schon in den kreativen Quellen des Trios schwimmt. Live aufgenommen und in aller ungeschminkten Ehrlichkeit belassen, ist „Berlin“ die Momentaufnahme dreier Typen, die alle für sich in Berlin ihr Glück gesucht und in Form dieser Band gefunden haben. Stücke wie „Last Living Dinosaur“, „Thousand Miles Away From Home“ oder „The Old Man“ sind zeitlose Rock-Songs, die damals wie heute funktionieren – und der Nico-Song „Reich der Träume“ der endgültige Beweis, dass diese drei Bartträger Deutschlands beste, coolste und wichtigste Classic-Rock-Band sind.


REVIEWS Hard/Heavy/Metal

Klassiker

WATCHTOWER Control And Resistance Noise

lg. Das zweite und nach wie vor aktuelle Album – "Control And Resistance" aus dem Jahre 1989 – des verrückten Vierers aus Austin/Texas gilt als eines der extremsten und besten Progressive-Metal Alben aller Zeiten. Gleichzeitig hat die Band um Bassist Doug Keyser und Drummer Rick Colacula ein Meisterwerk geschaffen, welches als Blaupause des Genres und in Sachen Komplexität und Abgefahrenheit Mitstreiter wie Dream Theater, Fates Warning oder auch Queensrÿche weit hinter sich lassen. Die fast jazzigen Songs sind allerdings nach den ersten Durchläufen schwer fassbar – neben der unglaublich guten Rhythmussektion prägen das brillante Gitarrenspiel von Rob Jarzombek (ex-S.A. Slayer) und der hohe Gesang von Alan Tecchio (auch Hades), der Ur-Sänger Jason McMaster ersetzte. Das gut, aber in heutiger Sicht etwas dünn produzierte Album lebt von zahlreichen Rhythmuswechseln und wahnsinnigen Gitarrensoli – letztere gehen fast als zweite Stimme durch. Besonders zu empfehlen sind Songs wie das sehr abgefahrene "Mayday In Kiev", der Titelsong und das für Watchtower-Verhältnisse recht eingängige "The Fall Of Reason". Allerdings ist das gesamte Album überragend, wie auch die (schlecht produzierte) Vorgängerscheibe "Energetic Disassembly" (1985, im Original eine gesuchte Rarität) sowie die coole DemoCompilation "Demonstrations in Chaos" (2002). Sobald man diese Scheibe entdeckt hat, lässt sie einen nicht los. Der Verfasser dieser Zeilen ist seit 1989 süchtig nach Watchtower.

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APOCALYTPICA Shadowmaker Better Noise/TBA mh. Bis vor Kurzem habe ich Apocalyptica immer etwas belächelt… So schienen sie in meinen Augen doch immer eine Band zu sein, die wohl musikalisch viel auf dem Kasten (oder besser auf dem Cello) hat, aber irgendwie konnten sie sich immer nur in das Rampenlicht rücken, wenn sie einen grossen Namen als Sänger für einzelne Songs verpflichten konnten. Und von denen hatten sie reichlich: von Till Lindemann, über Corey Taylor zu Gavin Rossdale, Max Cavalera, Ville Valo und vielen mehr. Die rein instrumentalen CelloSongs sind gut und recht, verlieren aber in meinen Ohren jeweils schnell den Reiz. Umso mehr hat es mich gefreut, dass auf der neuen Scheibe „Shadowmaker“ mit Franky Perez ein Sänger für sämtliche Songs gefunden wurde. Zwei instrumentale Stücke sind dann doch noch auf dem Album, schliesslich will man nicht seine ganzen Wurzeln verleugnen. Perez auf jeden Fall überzeugt in den restlichen sieben Songs sehr! Ob im gefühlsvollen und wahnsinnig tollen „Hole In My Soul“ oder im stilistisch härteren „House Of Chains“. Den Titelsong sollte man unbedingt auch anspielen. Perez hat neben vielen anderen musikalischen Verpflichtungen auch als Solokünstler bereits drei Alben veröffentlicht und war z. B. Gitarrist in der Band Scars On Broadway oder auch im Line-up von Slash bevor er seine Tour-Band mit Myles Kennedy zusammengestellt hatte. Long story short, alle, die Apocalyptica bis jetzt abgeschrieben hatten, gebt ihnen noch eine Chance und krallt euch die Scheibe. Apocalyptica sind jetzt eine richtige, zünftige Band!

DISTURBED Immortalized Warner Music mh. Nachdem sie mit ihren letzten Alben viermal hintereinander den Thron der BillboardCharts erklommen hatten, seit 1997 pausenlos um den Globus getourt sind und Millionen CDs verkauft haben (ja, liebe Kinder, früher kaufte man Musik auf CD und noch früher auf Kassetten. Ja, die hippen Vinyl-Platten kennt ihr ja jetzt wieder), nahmen sich Disturbed im Oktober 2011 die Freiheit um auf ihrem Höhepunkt eine Pause auf unbestimmte Zeit zu machen. Schön, dass diese Zeit jetzt vorbei ist, denn klammheimlich haben sich die Herren um Frontröhre David Draiman daran gemacht ein neues Album aus dem Boden zu stampfen. Sind nun Disturbed heute noch relevant? Verdammt ja! Alleine schon der TitelSong zeigt uns, dass der Lack noch lange nicht ab ist und dass mit der neuen, mittlerweile bereits sechsten Scheibe ein weiterer Angriff auf den Billboard-Thron gestartet wird! „The Vengeful One“ ist dann ein weiterer Song der so gewaltig daher kommt, dass man ganze Wälder ausreissen könnte! Ein Highlight dürfte dann der Song „The Light“ sein, der zwar sehr melodisch

und gefühlsvoll daherkommt, dies aber so fesselnd macht, dass sich der Song zu einer richtigen kleinen Hymne aufbaut. Auf „Never Wrong“ wird dann nochmals kräftig auf das Gaspedal gestampft, denn genau so tönen Disturbed, so haben sie schon immer getönt und hoffentlich werden sie das auch in 10 Jahren noch. Wer darin jetzt eine Schwäche sieht, weil sich der Sound der Band über die Jahre offensichtlich kaum verändert oder entwickelt hat, der ist selber schuld. Mit „Immortalized“ ist euer Geld gut investiert.

AMORPHIS Under The Red Cloud Nuclear Blast em. Amorphis sind zurück und haben „Under The Red Cloud“ im Gepäck. Ein neues, frisches und sehr dynamisches Album, welches von Anfang an mit dem gleichnamigen Track überzeugen kann. Temporeich und kraftvoll ist auch die folgende Nummer „The Four Wise Ones“. Auch hier wechseln sich cleaner Gesang mit tiefen Growls herrlich ab, während die messerscharfen Gitarren für zusätzlichen Drive sorgen. Insgesamt klingen die Finnen wesentlich weniger weichgespült als auch schon, was sehr positiv auffällt und grosse Freunde bereitet. An eingängigen und sehr starken Melodien fehlt es trotzdem nicht. Es ist diese grandiose Mischung, die es ausmacht. Man gewinnt den Eindruck, als hätten Amorphis wieder zu ihrer Ursprungsform zurückgefunden. Kompositionen wie die oben erwähnten beiden ersten Titel, das mit indischen/arabischen Klängen versehene „Death Of A King“, das unglaublich vielseitige „Dark Path“ oder auch das mit Folkeinflüssen gespickte „Tree Of Ages“ sind herrlich energiegeladen und treibend. Auch das Schlusslicht „White Night“, welches mit weiblichem Gesang auftrumpft, muss erwähnt werden, da es so ganz am Ende bestimmt auch noch den letzten Zweifler durch sanftere Strophenparts und hohem Tempo zum Refrain überzeugt. Eine Glanznummer schlechthin! „Under The Red Cloud“ ist ein tolles, opulentes Werk geworden, das jedem Anhänger der etwas härteren nordischen Musikwelt gefallen dürfte. Als Hörer bekommt man ein hohes Mass an Abwechslung, Vielseitigkeit und Spielfreude zu hören. Dieser Longplayer flacht praktisch nicht ab und gefällt vom Anfang bis zum Schluss. Genial!

SOULFLY Archangel Nuclear Blast lg. Max Cavalera, Frontmann von Soufly, hat in den nunmehr dreissig Jahren Aktivität immer neue Ziele verfolgt und den Fans seine Musik – sei es mit Sepultura, Nailbomb, Soulfly oder Cavalera Conspiracy – immer mit


Hard/Heavy/Metal grosser Hingabe und Überzeugung um die Ohren geschlagen. Mit zunehmender Karrieredauer fanden Metal-fremde Einflüsse sowie politische Themen Einfluss in die Musik bzw. Texte. Insbesondere mit Soulfly (aktiv seit Max' Austieg bei Sepultura Ende der 90er Jahre) konnte der charismatische Dreadlock-Man diesen Vorlieben frönen. Auf "Archangel", dem mittlerweile zehnten Studioalbum von Soulfly, dominiert der Thrash-Metal, welcher mit groovigen Parts versehen wird. Der langjährige Gitarrist Marc Rizzo schüttelt zusammen mit Max unzählige gute Riffs aus dem Ärmel, während Max' Sohn, Zyon, die Drumkessel mit Hingabe malträtiert. Vieles auf "Archangel" ist schon gehört, doch macht es Spass zu hören, dass Max und seine Truppe mit unbändiger Spielfreude und Kreativität am Werk ist. Während die ersten Songs auf älteren Alben von Soulfly stehen könnten, hat es doch ein paar Monstersongs, die fast schon rituell und mystisch daherkommen. Die klaren Highlights sind "Shamash", "Ishtar Rising" und "Titan". Toll und nach wie vor knüppelhart!

TURBOWOLF Two Hands Spinefarm Records mh. Turbowolf sind mit ihrem zweiten Album „Two Hands“ am Start, stammen aus Bristol, England und machen in wechselnder Besetzung bereits seit 2008 Musik. Das erste, selbstbetitelte Album aus dem Jahr 2011 wurde von vielen Medien schon fast kitschig gefeiert. Die Band scheint das nicht gestört oder unter Druck gesetzt zu haben, denn die spielt ihre Mucke kompromisslos, dreckig, eckig und ehrlich. Wenn der Sänger Chris Georgiadis loslegt, meint man fast eine junge, kräftigere und härtere Stimme von Vince Neil zu hören. Die musikalische Verwandtschaft mit Mötley Crüe ist nicht ganz von der Hand zu weisen, Turbowolf wären vermutlich dann die rotzigen Neffen von Mötley Crüe… oder ehrlicherweise fast schon die rotzigen Enkel. Mehr Power und Druck ist bei Turbowolf drin, so richtig Eier an die

Wand, ähm, also balls to the walls! (Tönt besser in Englisch.) Mit „Invisible Hand“ knallen uns Turbowolf bereits ordentlich was vor den Latz und scheinen keine Zeit vergeuden zu wollen. Ob man mit einer Hasenpfote wirklich das Glück findet, das sei mal dahingestellt, aber der Song „Rabbits Foot“ macht Lust auf mehr! Ein weiterer Anspieltipp ist der Song „Good Hand“, der eine etwas härtere fast schon punkige Spur fährt.

STORMHAMMER Echoes Of A Lost Paradise Massacre Records mv. Stormhammer wurden 1993 gegründet und sind somit auch schon länger aktiv. Allerdings sind seit dem letzten Album „Signs Of Revolution“ geschlagene 6 Jahre vergangen und die Band hatte einige Besetzungswechsel zu verkraften. Nun ist man mit neuem Line-Up und neuem Album namens „Echoes Of A Lost Paradise” zurück und will es noch einmal wissen. Durch die neuen Bandmitglieder, allen voran Shouter Jürgen Dachl (exDiabolos Dust) sowie Gitarrist Bernd Intveen (ex-The

REVIEWS

Roxx) und Drummer Chris Widmann (ex-Emergency Gate) wurde der Sound von Stormhammer einiges härter und rauer. „Echoes Of A Lost Paradise” bietet druckvollen Power Metal, der teilweise leicht trashige Anleihen aufweist, manchmal aber auch bombastisch wird und gar vor einer Ballade nicht halt macht. Abwechslung wird also gross geschrieben und mit „Holy War“, „Bloody Tears“, „The Leaving“ (geile Gitarrenarbeit) und dem Titeltrack gibt’s einige sehr starke Nummer auf dem Album, welche zu begeistern wissen. Leider sind einige Songs aber etwas sperrig geraten und die teilweise modernen Einflüsse passen manchmal nicht so ganz zur traditionellen Ausrichtung der Band. Wer also die vorangegangenen Alben der Truppe mochte, wird sich erstmal an den rauen Gesang und das neue Klangbild gewöhnen müssen. Mit Tommy Lion (ex-Drifter) hatten Stormhammer aber auch einen grandiosen Sänger in ihren Reihen, der es seinen Nachfolgern nicht gerade einfach machte. Trotz allem ist „Echoes Of A Lost Paradise” ein gelungenes Comeback, welches eine frisch motivierte und immer noch hungrige Band zeigt, die eure Aufmerksamkeit verdient hat.


Unkaputtbar Die Thrash-Metal Legende Slayer hat in den sechs Jahren seit dem letzten Album ("World Painted Blood", 2009) viel durchmachen müssen. Einserseits ist der Status von Slayer als eine der wichtigsten Extrem-Metal-Bands aller Zeiten noch klarer geworden. Die Big Four Festivals mit Metallica, Megadeth und Anthrax wurden endlich Tatsache. Andererseits warfen der tragische Tod von Gitarrist und Hauptsongwriter Jeff Hannemann (†2013) sowie der (Wieder)-Ausstieg von UrDrummer Dave Lombardo im gleichen Jahr düstere Schatten auf die Zukunft der Band. Umso erfreulicher, dass der L.A.-Vierer nun mit einem neuen Album ("Repentless", wird am 11. September 2015 veröffentlicht) in den Startlöchern steht. Sänger/Bassist Tom Araya bezog Stellung für TRACKS.

lg. Die erste brennende Frage ist denn, wie "Repentless" überhaupt tönen wird: "Es klingt typisch nach Slayer", so Tom lapidar. Das hilft natürlich nicht richtig weiter, weshalb wir Tom mit der Bemerkung konfrontieren, dass die beiden zum Zeitpunkt des Interviews bekannten Songs "Implode" und "When The Stillness Comes" gemischte Reaktionen hervorriefen: "Nun, diese beiden Songs haben wir komplett überarbeitet. Unser Produzent Terry Date (u.a Soundgarden, Pantera, Overkill, Prong, Deftones) hat einen hervorragenden Job getan. Er hat viele Emotionen in die Produktion gebracht und uns direkt gesagt, was ihm gut und weniger gut gefiel. Er hat wirklich ein sehr gutes Ohr für die Musik". Tom gibt sich somit weiterhin etwas ausweichend. Zum Einfluss von Jeff Hannemann auf das neue Album meint Tom: "Wir haben einen Song verwendet, der ein Überbleibsel der "World Painted Blood"-Sessions war und den Jeff damals geschrieben hat – das coole „Piano Wire". Bei den Texten wird Tom dann etwas konkreter: "Bei "When The Stillness Comes" handelt es sich um einen Serienmörder, der sozusagen aus

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seinem Wahn erwacht und realisiert, was er da angerichtet hat. Der (coole) Titel "Pride in Prejudice" ist eigentlich selbsterklärend, doch charakterisiert er die in den USA (und anderswo) vorherrschenden Vorurteile, und die damit verbundene Dummheit der Leute." Auf die Frage, ob Slayer nach wie vor eine gefährliche Band sei, gibt Tom zu Protokoll: "Hört einfach das Album, dann wisst ihr was ich meine. Wir sind es nach wie vor…". Ohne das Album vollständig gehört zu haben, ist es wohl schlicht unmöglich, eine Einschätzung zu geben. Im Lichte der bis und mit "Seasons In The Abyss" (1990) schlichtweg genialen SlayerDiskographie wird es schwer, einen neuen Klassiker zu kreieren, doch stehen die Zeichen bei "Repentless" gut. Der rasende und sehr tolle Titelsong (nach dem Interview vorab veröffentlicht) tut sein Übriges dazu. Somit kriegen wir sicher kein zweites "Diabolus in Musica" – der Schwachpunkt im Werk von Slayer. Der Tod von Gitarrist Jeff Hannemann (verantwortlich für


viele Hits von Slayer) war ein Schock für die gesamte Metalszene. "Sein Tod war für uns überraschend – damals war es nicht einfach, direkten Kontakt mit ihm zu haben und mit ihm zu sprechen. Für Konzerte mussten wir ihn ja bereits ab 2011 ersetzen. Klar, Jeff war nach dem Spinnenbiss reduziert, doch es kamen andere Probleme hinzu, die schliesslich zu seinem Tod führten." Offenbar war ja die Todesursache ein Leberversagen, das auf schweren Alkoholkonsum zurückzuführen war. "Nach seinem Tod war ich sehr durcheinander. Kerry King und ich haben uns zusammengesetzt und diskutiert, wie es mit Slayer weitergehen soll. Nach reiflicher Überlegung haben wir entschieden weiterzumachen. Ab diesem Zeitpunkt begannen wir mit dem Songwriting für das neue Album, welches relativ gut lief", erklärt Tom. Kurz vor dem Tod von Jeff erfolgte ein Wechsel an den Drums. Der bereits mehrmals ausgestiegene UrDrummer Dave Lombardo wollte offenbar genauere Einsicht in die Zahlen, weshalb er aus der Band flog. Tom erläutert etwas kryptisch: "Es war nicht einfach mit Dave, weshalb uns da keine Wahl blieb. Die Türe ist für ihn definitiv zu." Mit Paul Bostaph (ex-Forbidden, ex-Testament) ist nun ein Ersatz am Start, der bereits auf drei früheren Alben zu hören war und bei Slayer für knapp zehn Jahre an den Drums sass. Mit "Repentless" legt Slayer nun ein Album vor, auch welchem erstmals nur zwei Gründungsmitglieder der Band zu hören sind. Muss man Slayer nun wie ein mittleres Unternehmen mit zwei Geschäftsleitern und Angestellten verstehen? "Haha, ja diese Aussage bringt die Situation ziemlich gut auf den Punkt." Interessanterweise war Gary Holt (nun fest bei Slayer als Ersatz für Jeff Hannemann und gleichzeitig Bandleader der ThrashLegende Exodus) auf der letzten Tour von Exodus in Europa nicht mit von der Partie, was doch etwas irritiert. "Da musst Du ihn schon selber fragen. Ich kenne die Gründe nicht" antwortet Tom etwas abweisend. "Ich bin sehr froh, dass Gary nun auch bei Slayer dabei ist – er ist ein toller Kerl und wir haben eine Menge Spass. Wir kennen uns ja seit sehr vielen Jahren." Slayer treten ja sehr oft live auf und besuchen Europa auf jährlicher Basis. Auf die Frage, ob Slayer aus ökonomischen Gründen gezwungen sind aufzutreten, antwortet Tom: "Zum einen sagt unser Management, was zu tun ist, und zum anderen haben wir auch für einige Leute zu sorgen, die zur Slayer-Familie gehören, wie unsere gesamte Crew." Im Rahmen der kommenden Tour werden Slayer auch in der Schweiz Halt machen. Es drängt sich die Frage auf, wieso wieder Anthrax mit von der Partie sein werden. "Das habe ich mich auch gefragt. Aber unser Management hat da die Finger im Spiel. Mit Kvelertak haben wir eine weitere coole Band am Start. Wir treten gerne als Teil von Package Touren auf. Wäre es für Slayer denkbar, auch neben dem Überalbum "Reign In Blood" eine Klassikerscheibe aus der Vergangenheit ganz aufzuführen? "Ja, das ist eine gute Idee. Das werde ich mit Kerry King sicher diskutieren. Allerdings haben wir immer einige alte Songs in unseren Setlists, so dass sich gar nicht viel verändern würde", so Tom. Für viele Fans wäre es aber sicher ein Highlight, "Hell Awaits" oder sogar "Show No Mercy" in voller Länge live zu sehen/hören. Und Slayer sind live nach wie vor eine absolute Macht, was sie an den letzten Gigs in unseren Breitengraden bewiesen haben. "In Bezug auf die Schweiz habe ich sehr gute Erinnerungen. Wir haben viele Male im Volkshaus in Zürich gespielt – eine kleinere Venue, die aber sehr viel Atmosphäre hat. Die beste Erinnerung ist, dass wir mit Slayer 2002 am Jazz Festival in Montreux gespielt haben – ein Festival, an dem viele Legenden aufgetreten sind. Zudem sind dort Stimmung und Setting einmalig. Ich habe es geliebt, am See zu spazieren" gibt sich Tom zum Thema Schweiz sehr positiv. Auf die mit Knalleralben gespickte Diskographie von Slayer angesprochen, empfiehlt Tom dem fortgeschrittenen Slayer Fan die folgenden Scheiben: "Mit "Hell Awaits" haben wir 1985 unseren Sound gefunden. Das Album ist sehr düster und hart und die Songs rechts komplex. Auch sehr spannend finde ich unser Coveralbum "Undisputed Attitude" (1996), auf welchem wir

Foto: Ian Keates

unsere Hardcore/Punk-Wurzeln zelebriert haben". Dem Einsteiger legt Tom "Reign In Blood" (das Slayer-Referenzwerk von 1986 und ein genredefinierendes Thrash-Metal Album), "Seasons In The Abyss (das letzte klassische Slayer-Album aus dem Jahre 1990) und "World Painted Blood" (2009) nahe. Die 1981 gegründete Band Slayer hat vieles erlebt und durchgemacht. Als beste Erlebnisse mit Slayer nennt Tom "ganz klar die erste US-Tour 1984 sowie die erste Europa-Tour 1985. Niemand kannte uns richtig in Europa und als wir in Poperinge/Belgien ankamen, erwarteten uns über 10'000 Verrückte und die Post ging richtig ab. Für UFO, die nach uns auf die Bühne mussten, war es nicht ganz einfach. Und wir haben da den Gig fast verpasst – die Anreise aus England in einem MietVan und mit einer blossen Landeskarte ausgestattet, gestaltete sich nicht ganz einfach, haha." Der ganze Gig von Poperinge kann übrigens auf YouTube nachgesehen werden und zeigt Slayer mit einer unglaublichen Spielfreude… Erlebnisse aus jungen Jahren trägt man eben immer im Herzen! Heutzutage kann man froh sein, dass Legenden wie Slayer nach wie vor aktiv sind, wie andere Genregenossen keinesfalls auswimpen und den Fans auch mit "Repentless" die volle SlayerBreitseite ins Gesicht hauen werden. Daumen hoch für Slayer.

LIVE 27. Oktober 2015 Zürich, Komplex 457 Special Guests: ANTHRAX, KVELERTAK

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Trotz schwierigen Zeiten mit der Verhaftung von Sänger Randy Blythe in der Tschechischen Republik während der Europatour 2012 zum letzten Album "Resolution" und eines anschliessenden Prozesses wegen angeblicher Körperverletzung mit Todesfolge, der mit einem Freispruch endete, lassen sich die Amerikaner von Lamb Of God nicht beirren und legen mit "VII: Sturm Und Drang" ein hervorragendes und sehr abwechslungsreiches Album vor, das den Weg dieses bereits sehr erfolgreichen und sympathischen Fünfers weiter ebnen wird. Bei Gitarrist Willie Adler erkundigten wir uns nach dem Stand der Dinge. Das neue Album heisst "Sturm Und Drang". Wie kommt ihr dazu, einen deutschen Titel zu nehmen? "Mark (Morton, Git) und unser Sänger Randy kamen mit diesem Titel an, welcher wunderbar zum Thema des Albums passt. Auf "Sturm Und Drang" geht es darum, wie sich Menschen unter extremen Bedingungen verhalten, interagieren und reagieren. Wir wollten nicht bewusst einen deutschen Titel – "Sturm Und Drang" sprach uns einfach an." Was sind Deiner Meinung nach die wesentlichen musikalischen Unterscheide zwischen "Sturm Und Drang" und dem Vorgänger "Resolution"? "Das musst Du schon mir sagen – hör Dir das Album einfach an. Mit Sicherheit sind die Songs schlicht und einfach anders. Wir sind schliesslich fünf Jungs, die gerne miteinander Musik machen. Jedes Album ist ein Zeitzeuge – es zeigt auf, wo wir in kreativer und musikalischer Hinsicht zum Zeitpunkt der Aufnahmen standen. Meiner Meinung nach haben wir mit "Resolution" ein paar neue Facetten in unseren Sound eingebracht, welche wir nun auf "Sturm Und Drang" weiterverfolgen. Wir lieben es, neue Einflüsse in unseren Sound zu bringen. "Sturm und Drang" ist auf jeden Fall ein richtiges Lamb Of God-Album, das recht brutal geworden ist. Es steht für das, was wir als Band sind!" Ist "Embers" der beste Deftones Song, den die Deftones nie gemacht haben? Wie kam es überhaupt zur Zusammenarbeit mit deren Sänger Chino Moreno? "Hahaha, der war gut. Ich sehe das allerdings nicht so, liebe aber den Song. Chino hat dem Song im Schlussteil das gewisse Etwas gegeben. Sobald Chino singt, wird "Embers" in atmosphärischer Hinsicht ganz anders. Wie es zur Zusammenarbeit kam, weiss ich nicht mehr genau – jemand aus der Band kam mit der Idee an. Für uns war es ein klarer Fall, denn wir sind alle Fans der Deftones." Hat sich Lamb Of God nach den Erlebnissen von eurem Sänger Randy in der Tschechischen Republik als Band geändert? (Anm: Laut Anklage hat Sänger Randy 2010 einen Fan von der Bühne gestossen, der nach dem anschliessenden Sturz auf den Hinterkopf ins Koma fiel und starb – Randy wurde nach knapp zwei Monaten Haft schliesslich freigesprochen) "Nein, Lamb Of God sind nach wie vor wir fünf, die es lieben, zusammen Musik zu machen. Leider hat diese tragische

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Angelegenheit viele Personen schwer betroffen. Was wir nun als Band tun, soll die Tragödie, welche die Nosek Familie ertragen muss, auf keinen Fall in den Schatten stellen." Nenne uns Deine fünf liebsten Metal-Alben aller Zeiten. "Ohne spezielle Reihenfolge sieht meine Liste so aus: "…And Justice for All" von Metallica, Slayer's "Reign in Blood", dann "Vulgar Display Of Power" von Pantera, "Fabulous Disaster" von Exodus und schliesslich "Practice What You Preach" von Testament." Ist Lamb Of God nach all den Jahren und den vielen erfolgreichen Touren (u.a. mit Grössen wie Metallica, Megadeth, Slayer und Machine Head) eine gut geölte Maschine, bei welcher die Routine dominiert oder hat es Platz für neue Dinge? "Natürlich ist einiges eingespielt – insbesondere die Erfahrung, den Tour-Alltag zu meistern. Gute 80% der Zeit verbringen wir mit warten auf den Auftritt am Abend. Das kann Dich verrückt machen. Deshalb versuchen wir alle, unsere Wartezeit zu nutzen, und etwas von der Umgebung zu sehen, sofern wir die Möglichkeit dazu haben. Es liegt an jedem einzelnen, das Beste daraus zu machen." Was sind die besten und schlechtesten Erfahrungen, welche Du mit Lamb Of God gemacht hast? "Die besten Momente sind für mich, wenn wir auf der Bühne stehen: Die magischen Minuten, in denen es heisst: Lamb Of God gegen den Rest der Welt. Dies ist es wert, alle damit verbundenen Opfer zu erbringen. Das schlimmste ist, dass das Leben zuhause oftmals an einem vorbeifliesst: Wir verpassen Geburtstage, Feiertage, andere wichtige private Anlässe. Das zerreisst mir manchmal das Herz." Ihr spielt ja regelmässig in der Schweiz. Was sind Deine damit verbundenen speziellen Erinnerungen? "Ich danke Dir für die Frage. Wir haben vor kurzem auf dem Greenfield Festival gespielt. Ich habe mich sofort in Interlaken verliebt. Die Landschaft dort ist etwas vom Besten, was ich je gesehen habe. Auch die Stadt hat mir sehr gut gefallen – die Vibes haben gestimmt. Und das Alphornensemble, welches das Festival eröffnet hat, gab mir Hühnerhaut. Einfach grossartig da."


Hard/Heavy/Metal LAMB OF GOD

KRAYENZEIT

VII: Sturm Und Drang

Auf dunklen Schwingen

Nuclear Blast / Warner

Oblivion/SPV/MV

lg. Auf dem neuen Album des Quintetts aus dem Bundesstaat Virginia/USA herrscht nach wie vor moderner und aggressiver Metal vor. Das sehr facettenreiche Album bringt viel Schwung und Abwechslung, womit es die Stellung von Lamb Of God an der Speerspitze des modernen Heavy Metal zementiert. Herauszuheben sind aus dem durchweg hochklassigen Songmaterial der Track "Embers" mit Gastsänger Chino Moreno (Deftones) – ein genialer Song und ein guter Bastard aus beiden Bands – sowie der Rausschmeisser und Groovemonster "Torches" (mit Greg Puciato von The Dillinger Escape Plan am Gesang) als Gast. So muss neuer Metal klingen – abwechslungsreich, grossartig instrumentiert und mit genügend Wut im Bauch. So muss man sich keine Sorgen machen, wenn die Begründer des Thrash-Metals in Rente gehen. Die Gegenwart findet nämlich gerade hier mit Bands wie Lamb Of God statt.

em. Bands wie Saltatio Mortis, In Extremo und Subway To Sally gibt es mittlerweile im Überfluss. Ob es da eine Gruppe wie Krayenzeit auch noch braucht? Ja, das tut es. Die sieben Musikerinnen und Musiker benutzen den Mittelalter-Sound als Grundgerüst ihres Schaffens. Folk-Einflüsse, Rock- und Metal-Elemente bereichern das Ganze zusätzlich. Auch slawische und keltische Klänge sind eingewoben worden und wenn man noch kurz auf die Lyrics zu sprechen kommen möchte, sei erwähnt, dass Sänger Markus Engel und auch Gitarrist Alex Reichert über ein abgeschlossenes Literaturund Sprachstudium verfügen, was man Gott Lob auch hört. Des Weiteren kommt Krayenzeit zu gute, dass gleich mehrere Mitglieder Multiinstrumentalisten sind. Das Ganze Unterfangen „Auf dunklen Schwingen“ ist also rein technisch schon auf einem sehr hohen Niveau, das auch beim Durchhören des Albums hält was es verspricht und zwar vom Anfang bis zum

Schluss. Mit viel Kraft, Drive und Spielfreude kommen die ersten drei Songs „Krayenzeit“, „Nachtvogel“ und „Von der Fahrt übers Meer“ daher. Die Melodien bleiben angenehm im Gedächtnis während der Körper sich in irgendeiner Form mitbewegen möchte. Musikliebhaber, die nur Köpfe mitbangen lassen wollen, kommen hier ebenfalls voll und Ganz auf ihre Kosten. „Feuertanz“ beginnt mit einem eindrücklichen mehrstimmigen Acapella-Gesang, geht dann in ein Midtempo über, wechselt in präzise schnelle Gitarrenklänge und ist gespickt mit herrlichen Parts, die von verschiedensten Instrumenten dominiert werden. Ein wahres Highlight dieser Scheibe, das gleich vom nächsten („Von deinen Lenden“) gefolgt wird. Selbstverständlich dürfen auf einem Longplayer wie „Auf dunklen Schwingen“ auch balladeske Lieder nicht fehlen. „Vogelfrey“ ist ein solches Stück. Auch wenn es ruhiger zu und her geht, so fehlt es auch hier nicht an Energie und Spannung, getragen von schönen Melodien. Auf jeden einzelnen Track einzugehen ist an dieser Stelle effektiv nicht nötig, denn jeder, der Musik dieses Stils mag, kann hier bedenkenlos und blind zugreifen, was in diesem Genre leider selten geworden ist.

REVIEWS

ROYAL THUNDER Crooked Doors Relapse / Nonstop Music lg. Nach dem gut aufgenommenen Debüt "CVI" aus dem Jahr 2012, der lavaartige Black Sabbath-Riffs mit der ausdrucksstarken Stimme von MLny Parsonz vereinte, beschreiten Royal Thunder mit dem Nachfolger namens "Crooked Doors" andere Wege. Statt eine blosse Kopie von "CVI" zu machen, ist die Musik nun um einiges ruhiger geworden. Zum einen ist die wunderbare Stimme von MLny ins Zentrum gerückt worden. Andererseits driftet die Musik mehr in psychedelische Gefilde ab, ohne die alten (hard-rockigen) Einflüsse zu vergessen. "Crooked Doors" ist ein sehr songorientiertes Album geworden, das recht schnell ins Ohr geht (vor allem das Anfangstrio "Time Machine", "Forget You" und "Wake Up"). Dennoch hat man ab und an leider das Gefühl, eine der derzeit so "angesagten" Okkult-Rock-Bands mit Frauengesang zu hören. Gewisse Songs sind mit zunehmender Spieldauer leider nicht mehr als solides Mittelmass (zum Beispiel "Forgive Me, Karma) zu bezeichnen. Dennoch ein gutes Album, doch Royal Thunder können noch mehr!


REVIEWS Hard/Heavy/Metal Metal Thrashing Mad mit Laurent CHRISTIAN MISTRESS - To Your Death Das dritte Album der NWOBHMbeeinflussten Formation aus dem Nordwesten der USA um Frontfrau Christine Davis geht recht gut ins Ohr und ist jedem Anhänger des britischen Metal-/HardrockSounds der frühen Achtziger Jahre ans Herz zu legen. Die wohltuende Prise Doom-Metal tut ihr Übriges dazu. GREY SEASON - Invidia Die deutsche Band Grey Season verschreibt sich ganz dem progressiven Metal, wobei hier progressiv nicht als Soundfrickeleien zu verstehen ist, sondern vielmehr für Experimentierfreudigkeit steht. Die Songs sind gut gemacht und abwechslungsreich, doch fehlt es in diesem stilistischen Mix zwischen Math-Core, klassischen sowie jazzigen Parts und Vocals aller Art etwas an Wiedererkennungswert. Anspieltipp: "Reclusive Years". GRIFTEGARD - Four Horsemen Die Schweden von Griftegard, dessen Sänger Thomas Eriksson sich primär bei Year Of The Goat betätigt, konnten in der Vergangenheit mit hervorragenden Releases klassischen Doom-Metals überzeugen. Nach langer Funkstille und dem Tod von Drummer Jens Gustafsson wähnte man die Band in den ewigen Jagdgründen, doch melden sie sich nun mit einer sehr guten EP mit zwei Songs zurück. Für den Song "The Four Horsemen" (ein Cover der Band Aphrodite's Child) konnte man Farida (ex-The Devil's Blood) am Gesang gewinnen. Stark! KRISIUN - Forged In Fury Das brasilianische Prügelkommando um die drei Brüder Alex, Max and Moyes veröffentlicht in schöner Regelmässigkeit sehr gute Deaththrash-Alben. Auf "Forged In Fury" herrscht nicht nur High-Speed Geholze vor, sondern Tempowechsel werden grossgeschrieben, was das Hörvergnügen des Albums steigert. METAL ALLEGIANCE - Metal Allegiance Diese neue Band besteht aus folgenden Mitgliedern an den Instrumenten: Mick Portnoy (dr., u.a. ex-Dream Theater, The Winery Dogs), Dave Ellefson (bs., Megadeth) und Alex Skolnick (git., Testament). Metal Allegiance wurde vom bestens vernetzten Songschreiber Mark Menghi ins Leben gerufen – als Sänger konnten Grössen wie Chuck Billy, Phil Anselmo, Jamey Jasta oder Randy Blythe gewonnen werden. Coole AllStar Metal Scheibe. Anspieltipp: die Abrissbirne "Can't Kill The Devil" (tönt wie ein Klassiker von Testament – natürlich mit Chuck Billy am Gesang). PENTAGRAM - Curious Volume Wenn es neben Black Sabbath eine DoomLegende gibt, dann Pentagram um Sänger und Frontkauz Bobby Liebling. Die in den frühen 70er gegründete Band schaffte es erst in den 80er Jahren, zwei eher unbeachtete, aber genredefinierende DoomAlben zu veröffentlichen. Mit dem mittlerweile achten Album und dem unverwechselbaren Victor Griffin an der Gitarre machen die US-Boys keine neuartigen Sprünge, befriedigen aber ihre im Rahmen des Retro-Rock Revivals gewachsene Fanschar. Cool, dass es euch immer noch gibt.

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CHAOS MAGIC

DIMINO

Chaos Magic

Old Habits Die Hard

Frontiers Records mv. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass das ehemalige Stratovarius-Oberhaupt Timo Tolkki noch einmal so kreativ und mit viel Energie in der Szene mitmischen würde. Aber Timo scheint die Kurve tatsächlich gekriegt zu haben. Nach den starken Revolution Renaissance- und Avalon-Alben und der fantastischen aktuellen Allen/Lande-Scheibe schrieb der Finne nun ein Album für die chilenische Sängerin Caterina Nix. Diese hatte bereits auf dem letzten Avalon-Werk "Angels Of The Apocalypse" mit Tolkki zusammengearbeitet und ihn anscheinend total von ihrer grossartigen Stimme begeistert. So gibt es nun ein volles Album von und mit den beiden zu hören. Herausgekommen ist ein symphonisches Melodic-Metal Album, welches Fans von Within Temptation, Epica oder Amaranthe ansprechen dürfte. Die charismatische und sehr voluminöse Stimme von Caterina erinnert dann auch mehr als einmal an Sharon den Adel von Within Temptation. Für alte StratovariusFans werden poppige Hymnen wie „One Drop Of Blood“ vielleicht bereits etwas zu wenig Power Metal beinhalten, aber die erwähnte Zielgruppe wird das Album sicher begeistert aufnehmen. Als Anspieltipps nenne ich mal „Dangerous Game“ und „Seraphim“, welche das Album bestens repräsentieren.

KELLY KEELING Mind Radio Frontiers Records mv. Kelly Keeling wird den meisten Leuten vom Namen her wohl nicht allzu viel sagen. Dabei kennt sicher fast jeder Hard RockFan seine Stimme, schliesslich hat der Mann mit Bands wie Baton Rouge, Michael Schenker Group oder Trans-Siberian Orchestra mehr als genug bewiesen, dass er ein grandioser Sänger ist. „Mind Radio“ ist nun sein neues, zweites Soloalbum (das erste erschien vor 10 Jahren). 12 Songs lang demonstriert Kelly, dass seine beeindruckende Stimme noch nichts von ihrer Magie verloren hat. Die Musik pendelt dabei immer schön zwischen glattem AOR und melodischem Hard Rock hin- und her. Für Heavy Metal Fans ist dieser Mainstreamsound sicher nichts, aber Fans von Gruppen wie Night Ranger, Europe oder eben Baton Rouge werden sicher viel Freude an dem Album haben. Einziger Kritikpunkt: wie bei schon sehr vielen Releases des Frontiers Labels schrieb hier Haus- und Hof-Produzent/Songwriter Alessandro Del Vecchio die gesamte Musik. Der Mann wird so langsam zum Desmond Child der heutigen Zeit und kann wirklich mit Melodien umgehen. Allerdings besteht auch zunehmend die Gefahr, dass seine Songs etwas austauschbar werden. Wen das nicht stört, wird Feel-good-Hits wie „This Love Our Paradise“ oder „ Love Will Tear Us Apart” geniessen wie man auch den x-ten gleich gemischten Drink immer noch herrlich lecker finden kann.

Frontiers Records mv. Frank Dimino, ehemals Sänger und Frontmann der 70er Jahre Glam/Pomp-Rock-Legende Angel, legt mit „Old Habits Die Hard“ ziemlich überraschend ein Soloalbum vor. Und eine noch grössere Überraschung ist die Marschrichtung des Albums. Hier klingt nichts angestaubt, es gibt keinen Pomp, keinen Kitsch und keinen Glam. Dafür wird kräftig und zeitgemäss gerockt, was das Zeug hält. Mit viel Groove und mehr Härte als erwartet gibt es tollen Hard Rock zu hören, stilistisch in der Schnittmenge von Bands wie Blackfoot, Deep Purple, Lynyrd Skynyrd oder UFO. Und das Wichtigste: Dimino singt auch trotz seines mittlerweilen fortgeschrittenen Alters noch immer sehr kraftvoll und ausdrucksstark. So machen Songs wie der treibende Opener „Never Again“ oder das sehr eingängige „Rockin In The City“ mächtig Dampf in der Bude. Prominente Unterstützung gab‘s natürlich auch noch, wie das heutzutage bei Soloalben halt so üblich ist. So gaben sich hier unter anderem Rickey Medlocke (Lynyrd Skynyrd), Eddie Ojeda (Twisted Sister), Oz Fox (Stryper) und Jeff Duncan (Armored Saint) die Ehre, der knackige Sound geht zudem auf das Konto von Produzent Paul Crook (Metal Loaf).

URFAUST Apparitions Van Records lg. Die seit 2003 aktive und aus zwei Mitgliedern bestehende südholländische Formation Urfaust legt mit der EP "Apparitions" ihr bis dato ungewöhnlichstes Werk vor. Das erste ("The End Of Genetic Cycles") und das letzte Stück (das 22-minütige "The River") sind reine Ambient-Stücke, welche ohne jegliche Gitarren daherkommen. Diese beiden Songs sind sehr ausschweifend, total experimentell und können in der passenden Umgebung wohl durchaus ihre Wirkung entfalten. Der Titelsong "Apparitions" geht auch in die Richtung eines Experiments: der klare Gesang von IV zusammen mit dem betörenden Schlagzeug von VRDRBR gibt eine spannenden Mischung. Nur "The Healer" ist ein doomiger Black-Metal Song in der herkömmlichen und hypnotischen Art von Urfaust. Urfaust sind magistrale Kunst in Vollendung und nur etwas für aufgeschlossene Ohren. Gross!



Blackie Lawless, seines Zeichens einzig konstantes Mitglied sowie Sänger (mit unverwechselbarer Stimme) und Gitarrist der amerikanischen Metal-Band W.A.S.P., hat in den 80er und anfangs der 90er Jahre einige für die Heavy-Metal Gemeinde sehr relevante Alben geschaffen. Nun kehrt er nach sechs Jahren Albumpause mit dem Album namens "Golgotha" zurück, dem wiederum eine biblische Gruselgeschichte zugrunde liegt. lg. Alben wie das selbstbetitelte Debüt (1984), "The Last Command" (1985), "The Headless Children" (1989) oder die mithin facettenreichste Scheibe "The Crimson Idol" (1992) dürften jedem einigermassen sattelfesten Metal-Fan ein Begriff sein. Blackie (59), der Mitte der 70er Jahre von der Ostküste nach Los Angeles zog, um, die Welt zu erobern, tingelte zunächst nicht besonders erfolgreich durch die lokale Club-Szene. Mit seinem früheren Mitstreiter Randy Piper (git.) gründete Blackie, der aufgrund seiner dunklen Haare und seines rüden Verhalten während der Schulzeit seinen Spitznamen erhielt, die Hard-Rock/Metal Band W.A.S.P. Über die Bedeutung des Bandnamens ist viel gerätselt worden – nach wie vor ist der genaue Sinn unklar. Beeinflusst von Acts wie Kiss und Alice Cooper (und musikalisch eher noch von Twisted Sister und Quiet Riot) frönten W.A.S.P zu ihren Anfangstagen dem Shock Rock und wussten durch fiese Songtexte wie "Animal (Fuck Like a Beast") und spektakuläre Bühnenshows mit rohem Fleisch, Kreissägenblättern und massiven Pyros zu gefallen. Das Image der Band nutzte sich allerdings recht schnell ab und das dritte Album, "Inside The Electric Circus" (1986) war bereits weniger erfolgreich. Doch Blackie und seine rasch wechselnden Bandmitglieder erfanden W.A.S.P. mit "The Headless Children" (1989) neu. Es dominierten nicht mehr recht einfache Metal/Hard-Rock-Songs mit catchigen Refrains sondern die Musik wurde zunehmend progressiver und tiefgängiger – was sich auch in der Länge der Songs widerspiegelte. Den kreativen Höhepunkt erreichten W.A.S.P. dann mit "The Crimson Idol". Blackie hat das Erbe von W.A.S.P. in all den folgenden Jahren weitergeführt und blieb dem gefundenen Stil treu (ausser auf dem Industrial-lastigen Album "Kill Fuck Die"). Blackie konnte den Status von W.A.S.P. einigermassen halten und über die Jahre zahlreiche Touren und Festivalgigs absolvieren. Schon das letzte Album "Babylon" wusste sehr zu gefallen, doch die wirklich sehr gute neue Scheibe "Golgotha" toppt den Vorgänger locker. Im Herbst folgt dann eine grosse Europa-Tour (und am 1. November ein Abstecher im Z7 in Pratteln). TRACKS konnte mit Blackie Lawless ein Interview führen und der manchmal als sehr schwieriger Interviewpartner verschriene Blackie zeigte sich von seiner besten Seite. Was sind Deiner Meinung nach die wesentlichen Unterscheide zwischen "Babylon" und dem neuen Album "Golgotha"? "Für "Golgotha" hatte ich viel mehr Zeit. Der ganze Entstehungsprozess des Albums dauerte vier Jahre. Ich konnte die

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Songs wachsen lassen und sie anschliessend in Ruhe auf mich einwirken lassen (wie auch alte Songs wie "Miss You", das zu Zeiten von "The Crimson Idol" entstanden ist). So konnten die Songs reifen und ich denke, dass das Ergebnis schlicht besser geworden ist. Einige Songs, wie der Titelsong, sind regelrechte Trips geworden – so etwas kann man unter Druck nicht komponieren. Wir wurden auch durch zwei Touren unterbrochen. Zudem brach ich mir im Mai 2013 ein Bein, so dass ich für den Rest des Jahres ausser Gefecht war." Golgotha bedeutet auf hebräisch der Ort des Schädels und ist gleichzeitig der Ort, an welchem Jesus gekreuzigt worden ist. Kannst Du uns etwas über das textliche Konzept von Golgotha sagen? "Die Texte sind mir sehr wichtig seit W.A.S.P. Konzeptalben macht. Mir ist es ein Anliegen, vielschichtige Texte zu machen, die jede und jeder mit seiner eigenen Sichtweise interpretieren kann. Wusstest Du, dass Jesus gleichzeitig mit zwei anderen Personen auf Golgotha gekreuzigt wurde? Einem Gläubigen und Ungläubigen? Im Titelsong geht es um die Kreuzigung von Jesus aus der Sicht des anderen Gläubigen. Ich würde einmal sehr gerne diesen Ort besuchen. Die Texte auf "Golgotha" sind sehr stark geworden. "Shotgun" reflektiert die derzeitige Politik der USA. Wir werden ständig unterdrückt, sei es bei uns von Washington D.C., oder Europa von Brüssel. Schliesslich handelt "Last Runaway" von meiner Geschichte, als ich vor vierzig Jahren nach L.A. kam. Ich hatte grosse Angst vor diesem Schritt, doch er hat mich erlöst. Ich konnte so das schaffen, was ich wollte. W.A.S.P. hat ja eine bewegte Geschichte hinter sich und einige grossartige Alben geschaffen. Wie beurteilst Du den Status der Band? "Das sollen andere sagen. Ich weiss, dass W.A.S.P. ein Erbe zu verwalten hat und das pflegen wir als Band auch. Allerdings bin ich eine Person, die nach vorne schaut und sich vor allem im hier und jetzt bewegt. Deshalb ist mir das nicht so wichtig." Welches sind das beste und schlechteste Erlebnis, das Du mit W.A.S.P. hattest? "Es ist grossartig, dass sich W.A.S.P. so lange halten konnten. Ich bin mit der Band seit über 30 Jahren aktiv. Auch erinnere ich mich sehr gerne an unsere erste Tour im Jahre 1984. Als Newcomer, weiss man nie, wie schnell man wieder verschwindet. Ich habe es geschafft zu bleiben, trage aber auch die Last, die Band immer neu erfinden zu müssen. Jedes neue Album kann man auch als Vorband des Erbes der Band betrachten. Es wird gnadenlos in den Kontext mit den älteren Songs und grössten Erfolgen der Band gestellt. Deshalb


denke ich, dass sich bei W.A.S.P. alles die Waagschale hält und ich kein speziell schlimmes Erlebnis nennen kann." Wie bewältigst Du den Druck, immer bessere Songs schreiben zu müssen? "Ich versuche immer Songs zu schreiben, die den Hörer bewegen und in welchen ich in textlicher Hinsicht etwas zu sagen habe. Zudem habe ich keinen sehr abgehobenen und eklektischen Geschmack, so dass ich hin und wieder den Nerv der Leute zu treffen scheine, hahaha. Wie ich vorhin gesagt habe, wird ein neues Album immer als Vorband des Erbes der eigenen Band betrachtet. Deshalb muss es noch besser sein und man muss seine gesamte Energie in das Songwriting und die Produktion stecken. Ich glaube, dass mir das mit "Golgotha" einigermassen gut gelungen ist. Du giltst in der Metal-Szene als schwierige Person. Wie erklärst Du Dir das? "Ich bin halt eine Person, die NEIN sagen kann und gehe konsequent meinen Weg. Wenn Leute das nicht akzeptieren wollen und ich nicht immer der nette Kumpel von nebenan bin, dann bilden sich Leute schnell eine schlechte Meinung über jemanden und sind beleidigt." Welche drei W.A.S.P. Alben würdest Du einem Neueinsteiger ans Herz legen? "Erst mal das Debüt, weil damit alles begann. Dann "The Headless Children", das einen musikalischen Wendepunkt in der Bandkarriere darstellt. Schliesslich "The Crimson Idol", da es wohl das bis dato ambitionierteste Werk der Band ist. Schwierig ist leider der Mix von "Kill Fuck Die", obschon mir die Scheibe rein musikalisch nach wie vor gefällt. " Hast Du bestimmte Erinnerungen, die Du mit de Schweiz verbindest? «In der Schweiz lief es für uns immer verhältnismässig gut. Die Leute waren uns gegenüber immer sehr positiv gestimmt. Zudem gefällt mir, dass das Land sehr multikulturell ist."

LIVE 1. November 2015 Pratteln, Z7 W.A.S.P. Golgotha Napalm / Universal lg. Nach sechs Jahren Funkstille veröffentlichen Blackie Lawless und seine Mannen das nunmehr vierzehnte Studioalbum von W.A.S.P. "Golgotha" lebt von der unverkennbaren Stimme von Blackie sowie dem bewährten Mix zwischen schnellen, mittelschnellen Tracks und balladesken Songs. Stilistisch werden keine grossen Experimente gemacht, bleiben W.A.S.P aus L.A. doch sehr in den Achtzigern verwurzelt und leisten sich keine Ausrutscher wie zu Ende der 90er Jahre (mit Ausflügen in IndustrialGefilden). Während die ersten drei Songs "Scream", "Last Runaway" und "Shotgun" ganz okay sind, wird es ab dem langsamen vierten Songs "Miss You" richtig gut. Der fast achtminütige Song vermag zu begeistern und zeigt W.A.S.P von ihrer balladesken und epischen Seite. Auch der abschliessende Titelsong gehört zur gleichen Liga und geht als Knaller durch. Die Songs dazwischen sind allesamt gutklassig, wobei der sechste Track "Slaves Of The New World Order" heraussticht. Alles in allem ist "Golgotha" ein sehr gutes W.A.S.P.-Album geworden, welches den Vorgänger "Babylon" locker aussticht.


IRIJ

Moderne Tradition Hinter Irij steckt Meri Tadic, die vor allem in der Schweiz, und danach weltweit, durch ihr Mitwirken bei der Folk-Metalband Eluveitie bekannt geworden ist. Mit dieser Band ist Tadic jahrelang um die Welt gereist und hat Erfolge gefeiert, von denen andere Schweizer Bands nur träumen können. Vor zwei Jahren hat sich die Geigerin dazu entschlossen, Eluveitie zu verlassen um sich ganz ihrer Solokarriere zu widmen. Der Name Irij, der für ihr Projekt steht, ist in der slawischen Mythologie der Ort, zu dem die Vögel im Winter fliegen und die Seelen nach dem Tod verweilen. Störche holen dort die Kinder ab, um sie zur Geburt zur Erde zu bringen. Neben der Verbindung von Dies- und Jenseits ist Irij aber auch der Sitz der heidnischen Götter. Eine Welt also, die viele Facetten in sich birgt, um von Meri Tadic in Musik gefasst zu werden.

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ip. Die thematische Vielfalt, die Irij beherbergt, findet sich auch in Tadics Musik wieder. Die Musikerin mit Wurzeln in der Schweiz und Kroatien hat Überlieferungen und Erzählungen aus ihrer slawischen Vergangenheit als Basis für ihre Kompositionen gewählt und Traditionen und Kulturen spielen für sie eine grosse Rolle: „Tradition kann inspirieren, stärken und im besten Fall auch heilen. Wenn man sich in zwei Kulturen heimisch fühlen kann, ist das eine Bereicherung, die allerdings auch manchmal von schwierigen Phasen, Auseinandersetzungen und tiefen Sehnsüchten begleitet ist.“ Tadic zieht auch den Vergleich zur Moderne, indem sie die heutige Zeit als sehr bewegt bezeichnet: „Es wäre wichtig, ein klares Bild und einen Bezug zur „neuen“ Kultur des 21. Jahrhunderts zu schaffen. Es erstaunt und fasziniert mich immer wieder, wie hilflos wir dieser Aufgabe gegenüberstehen.“ Diese Erkenntnis allerdings nutzt sie immer wieder für ihre Musik und setzt sie somit gewinnbringend ein. So vielfältig Irij als Ort ist, so bunt gemischt sind auch Tadics persönliche musikalische Wurzeln. In ihrer Kindheit begleitete sie kroatische Musik, aber auch Soul oder Blues. Sich selbst bezeichnet sie allerdings als „Metal Kid“, das im Alter von elf auf Bands wie Pantera, Death, Cannibal Corpse oder Carcass traf und diese zu ihren Favoriten ernannte. Die Liebe zum Metal ist geblieben und hat sich über die Jahre um weitere Prog- und Rockacts erweitert. Bewusst lässt sie ihre Vorlieben zwar nicht in Irij einfliessen, aber ein gemeinsamer Nenner aus ihrer Vergangenheit mit Eluveitie lässt sich ausmachen: Der Folk. Als Kind durfte sie ihre Mutter zu den Proben eines kroatischen Folkensembles begleiten. Auch Tadics Interesse an Geschichte und folkloristischer Musik aus der ganzen Welt taten ihr Werk. „Es gibt wohl keine andere Musikrichtung, die so viel Ursprünglichkeit und Emotion in die Menschen projiziert“, fasst Tadic ihre Liebe zu diesem Genre zusammen. In ihrer aktuellen Single „High Above Sorrow“, einer schwebend ruhigen Nummer, die von elektronischen Beats getragen wird, verleihen eine akustische Gitarre und Tadics Geige folkloristische Klänge und ihr weicher Gesang legt eine wehmütige, aber doch optimistische Grundfarbe über den Song. Im Gegensatz zu ihrem Album „Same Zgode...“, das letztes Jahr herauskam und teilweise Björk-eske Ausflüge in surreale Melodien machte, scheint ihr neues Material eher etwas eingängiger zu werden. „Ich möchte meinem eigenen Genre Electro Folk Rock gerecht werden und habe dabei enorm viel Spass“, sagt Tadic. Parallelen zwischen Drum'n'Bass, der hie und da Verwendung in ihren Songs findet, und Metal, den sie lange gespielt hat, sieht sie in der Attitude und dem Archaischen. Der gemeinsame Folk-Nenner ist aber das einzige Element, das ihre Vergangenheit mit Eluveitie und ihrem neuen Weg verbindet. Einige Fans aus der Zeit mit der Metalband sind mit ihr gegangen und finden auch Irij gut. „Ich war mit Leib und Seele Geigerin von Eluveitie. Auch wenn ich nach meinem Austritt einige negative Reaktionen erhalten habe, ist das völlig in Ordnung. Irij ist nicht Eluveitie und ich habe nie daran gedacht, mich an etwas anzupassen. Sonst hätte ich wohl kaum Geige in einer Deathmetal Band gespielt“, lacht sie. Die Zeit nach dem Split beschreibt Tadic als „für mich ging alles wie gewohnt weiter“. Die Planung für „Same Zgode...“ war bereits im Gang und somit gab es auch keinen Grund, in ein Loch zu fallen. „Ich habe weder etwas bereut, noch mich vor etwas gefürchtet. Es waren elf fantastische Jahre und der Ausstieg war meine persönliche Entscheidung. Jetzt habe ich die Freiheit, mich etwas neuem zu widmen“, erklärt sie ihre Entscheidung. Vor allem die Tatsache, dass sie „Same Zgode...“ als eigenes Projekt mit einer eigenen Band promoten und darbieten konnte, war für sie wichtig. Für ihr nächstes Album stehen bereits Konzept und Songs in den Startlöchern und warten darauf, richtig umgesetzt zu werden. Damit sie sich voll auf ihre kreative Arbeit konzentrieren kann, sucht Tadic momentan einen Booker, der sie von den adminstrativen Dingen etwas entlastet, „denn es brennt mir langsam unter den Nägeln, wieder live auftreten zu können“.

ENGLISH GARDEN Same Stip Unlimited Records rp. Hinter dem Basler Duo English Garden stecken Leendert van Stipriaan (vormals Stip und Gitarrist bei Oisín), der aussieht, als wolle er sich einen Job bei den Pet Shop Boy angeln und Andy Gisler, einem Gitarristen (Stip, Bluemaxx, Dominique & The Wondertoys, Oisín, u.a.) und Produzenten. Wie der Bandname vermuten lässt, frönen die beiden Herren auf ihrem Debüt dem Pop englischer Prägung. Der Einfluss der Beatles ist herauszuhören, aber auch Tom Petty, etwas Traveling Wilburys, Sacco & Mancetti und Anleihen an Gislers alte Band Dominique & The Wondertoys, um den 1999 verstorbenen Dominique Alioth, sind zu vernehmen. Alioth hatte in den Achtzigern mit Songs wie «Irene» oder «Sleeping Round The Clock» der Basler Popmusik ein Gesicht gegeben. English Garden stehen mit feinen Songs wie «Radio Days», «Money, Money», «Stoney Road», «Holding On» oder «New Attraction» würdig in dieser Tradition.

QUIET ISLAND Same Irascible rp. Die Westschweizer Formation Quiet Island hat einen langen Weg für ihr Debüt hinter sich gelegt. Bereits 2008 fing das Quartett um Sänger Laurent Zito an, gemeinsam zu musizieren. Damals noch unter dem Namen The Postmen. Unter selbigem wurde 2012 auch das Album «Desert Of Joy» veröffentlicht. Mit ihrem Debüt als Quiet Island macht die Band einen grossen Schritt nach vorne. Die elf Songs bieten wunderbar bezaubernden Indiefolk, dessen Wurzeln zurück in die Sechziger und Siebziger zu Bands und Künstlern wie Crosby, Stills and Nash, Linda Perhacs, Forest, Fairport Convention, Tranquility und einer Spur Beach Boys (vor allem bezüglich Harmoniegesang) reichen. Songs wie «Lighthouse», «Rise», «Freedom Echoes - Exile», », «Freedom Echoes - Return», «Brothers», «Edge Of The World» oder Escape» mit ausgefeilten Harmoniegesängen, fast mystischen Momenten, teils vertrackten Strukturen und immer wieder mit Streichern veredelt, lassen die Zeit stillstehen und den geneigten Hörer in Tagträumen versinken. Quiet Island ist nach einem stressreichen Tag das richtige Mittel, um zur Ruhe zu kommen. Alles geht vergessen, man will sich nur der Musik hingeben. «Quiet Island» ist eines der Schweizer Topalben von 2015, definitiv!!

THE WILBERFORCE Origins Clapham Records rp. «Origins» ist das Debüt von The Wilberforce, um die beiden Sänger und Songwriter Oliver Jonas und Joel Micha. Die achtköpfige Bieler Band hat an den vierzehn Songs über mehrere Jahre hinweg gefeilt. The Wilberforce, deren Name vom englischen Parlamentarier und Anführer im Kampf gegen die Sklaverei und den Sklavenhandel William Wilberforce inspiriert wurde, haben mit «Origins» ein Konzeptalbum über die Sinnfragen des Lebens erschaffen. Inspiriert von n.a. Shakespeare, Albert Schweitzer und Søren Aabye Kierkegaard sinnieren die acht Herren über Verlust, Leiden, Verzweiflung aber auch über Hoffnung und Liebe. Besonders lesenswert ist «Key To Human Life», beeinflusst von algerischen Philosophen und Theologen Augustine of Hippo (Augustinus) offerieren die Zeilen eine bedingungslose Bejahung des Lebens trotz aller Widrigkeiten. Die Musik, hier leichtgewichtiger Pop, unterstützt den Text optimal. In anderen Songs ist weniger Optimismus zu vernehmen. An anderen Stellen klingen The Wilberforce auch mal dramatisch oder nachdenklich. Die Höhen und Tiefen des Lebens werden ebenso musikalisch adäquat wiedergegeben. «Origins» ist ein vielschichtiges und gelungenes Konzeptalbum über das Leben.

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AL-BERTO & THE FRIED BIKINIS Sunzal Eigenvertrieb/CWPromotion ip. Al-Berto & The Fried Bikinis. Im Ernst..? Das Promosheet verspricht „groovige Surfsongs“ und „gute Laune“ und beschreibt AlBerto als reisenden, surfenden, kletternden Weltenbummler, der komische Kauze trifft. Das darf er auch gerne machen. Ob man das aber in Musik verpacken muss, bleibt ganz weit weg dahingestellt und die versprochene gute Laune hat sich gerade unter dem Sofa verkrochen. Die Vergleiche mit Jack Johnson, dem aktuellen Laidback-Surfmusik-König, oder Manu Chao sind schlicht übertrieben, denn die Lieder, die AlBerto für „Sunzal“ aufgenommen hat, sind dafür zu dürftig. Seiner Stimme fehlt Ausdruck und Power und eine komplette Platte nur im säuselnden Hauchen aufzunehmen, lässt jeglichen Hörgenuss schon im Keim ersticken. Die Hintergrundmusik klingt wie am Computer zusammengebastelt und die paar Gitarren können die saftlosen Beats nicht aus der Misere retten. Die bis zum Exitus ausgereizten Wiederholungen in den Textpassagen in Spanisch und Englisch sind ebenso ermüdend wie Topflappenstrickmuster. Bitte, Al-Berto und deine frittierten Bikinis,

verpackt die teilweise ganz netten Ideen in eine richtige Band mit mehr Power, Dynamik und Abwechslung, wenn du Mucke für den Strand und deine Surfkumpels machen möchtest. An alle anderen: Jack Johnson oder Sublime sind die bessere Variante.

TIMOTHY JAROMIR Pacific Gold Little Jig Records kw. Das neue Album ist eine Mischung aus Folk, Pop und Rock. Dabei greifen diese verschiedenen Stilrichtungen häufig ineinander, manchmal sind sie auch klar identifizierbar. Das Letztere trifft auf das Lied “The Blame Game“ zu. Es besteht aus verschiedenen Teilen. Da ist dieser Abschnitt, wo alles ineinanderfliesst, ausgespielt und erzählt wird. Dann folgt eine klassische Rocksequenz mit E-Gitarre und Schlagzeug. Und dann gibt es noch einen Teil, der sich in die Kategorie Pop mit zusätzlichen elektronischen Extras einordnen lässt. Das macht diesen Song speziell. Andere Songs besitzen eine angenehme Nonchalance oder sind verträumt wie “Morphine“. Alles in allem ist es ganz nett. Die fünf Lieder aus “Pacific Gold“ werden aber die Schweizer Musikszene nicht in ihren Manifesten erschüttern.

JOSEF HAID & BAND

GRAND PIANORAMAX

Dreams Come True

Big Easy

Eigenvertrieb

Mental Groove Records

rp. War der Zürcher Josef Haid auf seinen ersten zwei Alben vornehmlich damit beschäftigt, Fremdmaterial (beispielsweise «Wonderful Tonight», «Knockin' On Heavens Door», «Still Got The Blues» oder «Johnny B. Goode») adäquat zu interpretieren, so präsentiert er auf «Dreams Come True» nur eigene Songs. Möglicherweise heisst das Album auch deshalb so? Die12 Songs lehnen sich musikalisch, grob betrachtet, an die Songs an, die Haid und seine Band auf seinen Vorgängeralben, die übrigens nicht im Handel erhältlich sind, präsentierte: Laid back Pop- und Rocksongs mit einer Prise Blues. Hier eine Spur Chris Rea, minus seiner kratzigen Stimme, da etwas Eric Clapton, dort auch etwas Chris de Burgh und auch ein Quäntchen Gary Moore sind zu vernehmen. Abgeschmeckt mit stimmigen Saxophonklängen, Piano und wenig Hammondorgel. Summarisch bietet «Dreams Come True» gefällige Songs mit vereinzelten Höhepunkten («Giving More Of My Love», «No Way Out», «Trust Again») und nachlesenswerten Texten über die Unebenheiten des Lebens.

rp. Grand Pianoramax ist die schweizerisch -amerikanische Zusammenarbeit zwischen Léo Tardin (Piano), Black Cracker (Sprechgesang /Gesang) und Schlagzeuger Dom Burkhalter. Alle sind auch noch anderswo aktiv, Tardin beispielsweise bei Grössen wie Roy Ayers, Toots Thielemans, Erik Truffaz und anderen. Grand Pianoramax ist so etwas wie die Spielwiese der drei. Hier können sie tun und lassen, was sie wollen. Eines scheint den drei aber wichtig zu sein: Ihr Musik muss grooven, rhythmisch glänzen. Das tut sie auf ihrem nunmehr siebten Album «Big Easy» (als Vinyl und Download erhältlich) nach vier CD-Alben und zwei Vinyl-Scheiben in jeder Weise. Manchmal gar dramatisch wie im Abschluss «A Little More», obwohl besagter wie eine Art Hip-HopLullaby beginnt. In rhythmischer Wiederholung von Groove zu Groove wie in «Lovely Day». Und nach ziemlich viel Beinarbeit verlangend im Auftakt und Titeltrack «Big Easy». Grossartiger jazzy Groove-Hop.

Am Samstag, 26. September 2015, findet im Salzhaus Winterthur die zweite Ausgabe des Drum Festival Switzerland statt. Mit folgendem Line-up treffen weltweit etablierte Künstler auf die besten Schweizer Drummer:

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Ray Luzier (Korn) Anika Nilles (Nevell) Benny Greb (Moving Parts) Dafnis Prieto (Dafnis Prieto Sextet) Gabor Dornyei (tHUNder Duo) Pat Petrillo (NYC Drummer/Educator) Massimo Buonanno (Seven) Laurent „Bio“ Biollay (Stress) Tom Beck (Paul Camilleri/Lilly Martin)

Performances Ein Tag, in dem das Schlagzeug mit all seinen Möglichkeiten im Mittelpunkt steht! Die zweite Auflage bleibt der Idee treu und stellt das Schlagzeug in den Vordergrund. Solo Performances der Künstler wechseln sich mit Play Along Sessions ab. Dabei decken die Künstler mit ihrer breiten Palette die verschiedensten Styles ab: über Pop, Rock, Funk, Hip Hop und Latin ist bis zu Jazz hin jede Richtung vertreten.

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Die Performances finden zwischen 14.00 und 22.00 Uhr statt. Jeder Künstler steht zudem nach seinem Auftritt für Unterschriften zur Verfügung.

Learning from the best Im Rahmen des Festivalprogrammes finden am Samstag Morgen von 11.00 13.00 Uhr kostenpflichtige Masterclasses statt. Tickets sichert man sich am besten frühzeitig unter: www.drumfestivalswitzerland.com/masterclasses/

Meet & Greet Zwischen 15.00 und 16.00 Uhr findet ein exklusives Meet & Greet statt, bei welchem in lockerer Atmosphäre mit den Stars geplaudert werden kann. Ein Ort, wo Tipps und Tricks ausgetauscht werden. Die Ausschreibung für das Meet & Greet erfolgt über www.facebook.com/drumfestivalswitzerland und die glücklichen Gewinner werden ausgelost.



Träume leben hh. Baschi ist ein Phänomen. Vor zwölf Jahren startete er seine Karriere aus der TVCasting-Show Music Star heraus und obwohl er als Sechstplatzierter frühzeitig ausschied, überholte er danach sämtliche Mitkonkurrenten. Inzwischen sammelt der Baselbieter Gold- und Platinauszeichnungen, wie andere Leute Briefmarken und platziert sich mit jedem Album oder jeder Single auf den vordersten Plätzen der Charts. Vor ein paar Tagen erschien sein neues Werk „Zwüsche dir und mir“. TRACKS traf den sympathischen Sänger, der inzwischen zusammen mit Gitarrist Phil Merk in Basel das Rebel Inc. Studio besitzt, zu einem Gespräch.

Du kommst jetzt mit deinem siebten Album. Lohnt es sich eigentlich heute noch für dich, ein Album aufzunehmen? Lohnen?? Ich sage mal so: Ich habe keine Ausgaben. Ich habe einen Plattenvertrag mit Universal und gehe kein finanzielles Risiko ein. Die Kosten für Band und Studio sind gedeckt. Ich kann mich musikalisch verwirklichen, wie ich das will. Aber lohnen in dem Sinn? Ich verdiene am Schluss schon etwas, aber die Zeiten, wo man sich mit einem Album ein oder zwei Jahre über Wasser halten konnte, sind vorbei. Ein Album ist ein Promotion-Tool. Ich versuche, es so gut und ehrlich wie möglich zu machen, damit es den Leuten gefällt und sie meine Musik hören und dann hoffentlich an meine Konzerte kommen. Wie unterscheidet sich aus deiner Sicht das neue Album von den Vorgängern? Der Mechanismus, also wie wir die Platte produzieren, ist gleich geblieben wie beim letzten Mal. Phil Merck (Baschis Gitarrist) und ich haben die Songs geschrieben und aufgenommen. Das ist ein Zweimann-Show. Das ist einerseits einfacher, manchmal aber auch schwieriger. Denn es gibt nur zwei Meinungen, da kommen keine Inputs von aussen. Aber weil wir jetzt ein eigenes Studio haben, konnten wir in freien Zeiten an unseren Songs arbeiten. Dadurch gab es immer wieder Pausen und ich hatte dann, wenn wir wieder an unseren Songs weiter gearbeitet haben, immer einen frischen Kopf. Auch die Arbeit im Studio mit anderen Musikern hat meinen Horizont erweitert. Wir haben dieses Mal sehr grossen Wert auf Hooklines gelegt. Wir wollten das poppigste und kommerziellste Album machen wie nur möglich, ohne meine Wurzeln zu vergessen. Das letzte Album war ein bisschen melancholisch, düster. Jetzt wollte ich wieder positiver werden. Wie läuft bei euch der Songschreiber-Prozess? Immer ganz ähnlich. Anfangs haben wir eine Melodie-Idee, die entsteht meist am Klavier. Dann baut Phil in kurzer Zeit ein Gerüst darum herum und schickt mir das. Ich mache dann den Text und Gesang und gebe das an Phil zurück. Wir addieren dann weitere Ideen und schieben uns das weiter gegenseitig zu, bis der Song fertig ist. Wir hatten dieses Mal auch keine kreativen Durststrecken. Das lief alles rund. Deshalb ist die neue Platte die natürlichste, die ich je aufgenommen habe. Zum Schluss haben Phil und ich uns die Songs dann im Gesamten angehört und waren uns einig: Das ist Baschi 2015 – besser hätten wir es nicht machen können! Hast du das Problem, dass dir keine Texte einfallen bzw. woher holst du die Ideen? Ich liebe Melodien, hasse aber Texte zu schreiben. Manchmal finde ich die selbst auch gar nicht so gut und bin dann immer wieder erstaunt, wenn Leute zu mir kommen und sagen: Da hast du mir aus dem Herzen gesprochen, dadurch habe ich wieder neue Kraft geschöpft. Ich denke, da ist schon irgendwie was dran an meiner Sprache. Ich bin in meiner Wortwahl ja sehr einfach, aber manchmal drifte ich auch etwas ab, so dass jeder seine eigenen Gedanken und Gefühle in die Songs hinein interpretieren kann. Aber ganz ehrlich, eigentlich mag ich texten überhaupt nicht. Du hast ja auch schon ein hochdeutsches Album gemacht. Ist das in Deutschland gut gelaufen? Das grosse Nachbarland zu erobern ist leider nicht passiert, aber es war ein Achtungserfolg. Für die Medien in der Schweiz war das aber der erste Misserfolg von Baschi. Aber egal, ich habe noch meine Träume und auch keine Angst davor, das nochmal zu probieren. Ich warte auf den Moment, wo ich den

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passenden Song am Start habe, den ich auf hochdeutsch machen möchte. Und dann werde ich einen Lauf haben, wo ich zehn oder zwölf Songs zusammen bekomme. Dann werde ich mir die Leute aussuchen, mit denen ich daran arbeiten will und es noch mal probieren. Du könntest ja dein neues Album einfach nochmal auf hochdeutsch aufnehmen. Das hatte ich beim letzten Mal ja ungefähr so gemacht. Aber vergiss es, das Gefühl ist nicht dasselbe. Du kannst einen Song, den du explizit auf Mundart geschrieben hast, nicht einfach ins Hochdeutsche übertragen. Das habe ich gemerkt, das war wahrscheinlich einer der grössten Fehler, die ich je gemacht habe. Nein, wenn ich ein hochdeutsches Album mache, dann mit neuen Songs. Das ist dann auch am authentischsten. Ein paar Ideen geistern da im Raum herum, aber in Planung ist derzeit nichts. Ich weiss ja auch, dass je länger meine Karriere andauert, je mehr Freiheiten ich mir nehmen kann. Wo ich mir dann auch mal zwei, drei Monate Zeit nehmen für so etwas kann. Das ist ein Privileg, denn ich sehe so viele andere Musiker, die sich Jobs suchen müssen, weil sie es sich schlicht und einfach nicht mehr leisten können nur Musik zu machen. Wenn das so weiter geht, wird es immer weniger qualitativ gute Musik geben. Denn es ist unmöglich einen 100%-Job zu machen und dann nach der Arbeit so von 6 bis 9 Uhr abends noch die geilen Ideen auszuschütten. Aber dieser Respekt vor professionellen Musikern ist in der Schweiz einfach nicht vorhanden. Dass es aber hier trotzdem immer noch Musiker gibt, die an ihre Sache glauben, liegt daran, dass sie bereit sind für ihren Glauben und ihre Träume zu leben und Dreck zu fressen. Es wird zwar so viel Musik konsumiert wie noch nie, aber so viel davon auf illegalen Wegen, dass es dem Musiker an die Existenz geht. Du gehörst ja zu den erfolgreichsten Musikern der Schweiz und hast auch gutes Geld verdient. Wie kommst du dann auf die Idee, deine ganze Kohle in ein Studio zu stecken, wo es in der Schweiz vor guten Studios ja nur so wimmelt und die schon um jeden Auftrag kämpfen müssen, weil sich die Musiker ja gar kein teures Top-Studio mehr leisten können. Ist das sinnvoll? Nun, jeder hat sich an den Kopf gefasst als Phil und ich gesagt haben, wir bauen jetzt ein Studio. Wir waren sieben Monate weg vom Schirm, weil wir das selbst gebaut haben – anders hätten wir uns das nicht leisten können. Aber das wir das gemacht haben, ist auch ein Statement und ein Liebesbeweis an die Musik, denn wir lieben die Musik. Wir setzen uns mit dem Studio auch keine Grenzen, wir nehmen alles auf von Pop über Hip Hop bis hin zu Werbe-Jingles. Wir sind uns für nichts zu schade, wer zu uns kommt hat unsere hundertprozentige Aufmerksamkeit. Wir haben es in den drei Jahren, seit es das Studio gibt, geschafft, dass wir heute die Miete nicht mehr aus der eigenen Tasche bezahlen müssen und uns ab und zu sogar einen kleinen Lohn auszahlen können. Mit dem eigenen Studio haben Phil und ich uns auch einen Traum erfüllt. Wie lange wird es Baschi noch geben, wenn Sebastian immer mehr in Studioarbeit eingebunden ist? Solange die Leute Baschi wollen. Aber ich muss nicht wie Polo vierzig Jahre lang an etwas festhalten. Das ist überhaupt nicht böse sondern mit grossem Respekt gemeint. Aber ich kann mir heute nicht vorstellen, mit 70 noch als Baschi in den Deutschschweizer Clubs zu spielen. Da habe ich ganz andere Pläne. Ich liebe es beispielsweise zu kochen, vielleicht mache ich mal ein Restaurant auf oder bringe ein Kochbuch heraus. Oder gehe mal für eine Zeit ins Ausland…



EXPENZER

WEEKEND PHANTOM

Kill The Conductor

Bad Ideas Make Great Stories

Czar Of Bullets/NonStop lg. Aus der Asche der altgedienten Pigskin aus der Region Ob. Zürichsee sind Expenzer hervorgegangen. Mit dem Sänger Tom Kapeller legt der Fünfer wütend los und orientiert sich sowohl an Sounds aus den 90er (Pantera, Machine Head, Gurd) wie auch an den alten Helden aus den glorreichen Achtziger-Jahren wie Testament und Exodus. Trotz Geschwindigkeit stehen Grooves und originelle Riffs beim Bandsound sehr im Vordergrund. Die Band agiert sehr professionell und trotz des durchwegs harten Sounds sehr abwechslungsreich. Die Songs sind kompakt gehalten, einzig "Silence Of The Amps" (geiler Titel) ist sehr getragen und bringt zusätzliche Abwechslung. Expenzer legen mit "Kill The Conductor" ein gutes und Top-produziertes Debüt vor, welches Lust auf mehr macht. Man merkt der Band die Spielfreude richtiggehend an!

SPIDERS & COCKROACHES Hard To Get By Fontastix hh. Kernigen Bluesrock mit satten HammmondSounds und rauem Gesang präsentiert das Quartett auf der von Felix Müller produzierten EP. Die vier enthaltenen Songs bringen musikalisch zwar nichts Neues, aber das ist in diesem Genre fast nicht mehr möglich. Was in diesem Bereich heute zählt, ist technisches Können, dynamisches Spiel und vor allem gute Songs. Und all das haben die Jungs allerbestens drauf. Sänger/Gitarrist Diego Wüest ist Dreh- und Angelpunkt der Truppe, überzeugt sowohl mit catchy Vocal-Melodien, einer Stimme mit hohem Wiedererkennungswert, wie auch als überdurchschnittlicher Saitenakrobat. Alle vier Songs sorgen für grossen Spass, besonders der Rockabilly angelehnte Titeltrack mit authentischem Upright-Bass Slap Intro. Toller Einstand!

Little Jig hh. Mit ihrem vor zwei Jahren erschienenen DebütAlbum konnten sich die Luzerner auf Anhieb in der Szene etablieren. Nun liegt der Nachfolger der mit Jeremy Sigrist (Alvin Zealot) zum Quartett erweiterten Truppe vor. Im Gegensatz zum Debüt haben sich die Jungs zu einer spontaneren Arbeitsweise entschlossen und die Songs in zwei LiveSessions aufgenommen. Und das war ein guter Entschluss. War das Debütalbum in seiner Gesamtheit ob des Fehlens an Überraschungsmomenten und in seinem stets gleichbleibenden Sound unter dem Strich eher langweilig, haben die Luzerner jetzt eine ordentliche Schippe zugelegt und sind fast nicht mehr wieder zu erkennen. Der Einfluss von Neumitglied Sigrist? Egal, die Band rockt amtlich mit breiten Fuzz-Gitarren und sogar der Drummer hat entdeckt, dass es ausser Toms noch mehr Teile an einem Schlagzeug gibt. Auch gesanglich sind deutliche Verbesserungen auszumachen. Am Auffallendsten sind jedoch die Fortschritte im Songwriting. Durch die härteren Rockmomente und PsychedelicEinschübe erfährt der Bandsound eine Dynamik und Spannung, die dem Debüt überwiegend fehlte. „Bad Ideas Make Great Stories“ ist durchweg gelungen, hat eine Reihe spannende Songs und weist die nötigen Ecken und Kanten auf. Von den Phantomen darf künftig noch einiges erwartet werden.

Blues-Rock, wobei sogar eine Prise Funk nicht ausgelassen wird. Da stellt sich die Frage, wen will Noesberger mit seinem Album denn nun ansprechen? Bekanntlich haben beispielsweise Punkfans nicht sehr viel mit Bluesrock oder Prog am Hut. So gesehen schreckt dieser Stilmischmasch eher ab als zu animieren. Und so klingt „Flowers“ auch, irgendwie ist das Ganze noch nicht richtig ausgegoren und zu Ende gedacht. Das macht sich besonders beim Songwriting bemerkbar. Hier wäre es besser gewesen, Nösberger hätte sich mehr Zeit für seine Songs und die Arrangements genommen, denn auch gute Ideen bleiben im Ansatz stecken. Kommt die ziemlich rudimentäre Produktion dazu (die Band-Bio sagt: 2 Proben und 3 Tage Studio mussten reichen). Was Nösberger sich mit „Flowers“ erhofft, wissen wir nicht. Aber diesem Schnellschuss fehlt es an allen Ecken, um sich gegen die nationale Konkurrenz (von der internationalen sprechen wir schon mal gar nicht) erfolgreich in Szene zu setzen. Musikalisch hätten es die Jungs ja wohl drauf, auch wenn Nösbergers gesangliche Qualitäten überschaubar sind und auch die eine oder andere Songidee hätte eine intensivere Bearbeitung verdient – aber so bleibt unterm Strich leider nur ein unfertiges Debüt.

TIPP!!!

NOESBERGER Flowers Fontastix hh. Gemessen am Alter des Zürcher Gitarristen/Sänger Daniel Nösberger hat der Mann lange mit seinem Debüt-Album gewartet. „Flowers“ heisst das Werk und beinhaltet 10 Songs. Musikalisch geht es in klassischer Trio-Besetzung heftig rockend zur Sache, wobei es schwerfällt, die Band einer bestimmten Stilrichtung zu zuordnen. Die Band-Biografie nennt denn auch praktisch alle Genres von Stoner, Punk über Prog, Grunge, Doom bis hin zum

Das Album von der neuen Band SEXY kam erst nach Redaktionsschluss rein. Und trotz des bescheuerten Bandnamens kommt hier ein Hammeralbum, das wir jedem Freund des harten Classic/Blues-Rock ans Herz legen müssen. Geile Songs zwischen Black Sabbath, Led Zeppelin und Monster Magnet. Dazu eine klasse Band mit einem herausragenden Sänger. Das Album erscheint am 21.8. und Plattentaufe ist am 19.9. in Zofingen (Verein Kultur Anlass).



REVIEWS Blues/Soul/World individuellen Stempel auf. „I'm A Woman“ kommt an „Black Velvet“ von Alannah Myles heran. Auch das soulige Stück „I Saw Your Eyes“ steht der Italienerin sehr gut.

ANA & MILTON POPOVIC Blue Room ArtisteXclusive Records

SONNY LANDRETH Bound By The Blues Provogue/Musikvertrieb ub. Sonny Landreth, 1951 Mississippi geboren, gilt als der Altmeister an der Slide-Gitarre schlechthin. Sein Stil ist deutlich von Zydeco und Cajun-Musik beeinflusst, deshalb auch der Ehrenname "The King of Slydeco". In unseren Breitengraden ist Landreth (gemäss Eric Clapton der „vermutlich meist unterschätzte Musiker auf dem Planeten“) vor allem durch Tourneen mit John Hiatt bekannt geworden. Ausserdem ist Landreth auf den besten Hiatt-Alben zu hören (z.B. auf „Slow Turning“ von 1988). Landreth spielt eine ungewöhnliche Kombination aus Slideund Grifftechnik: Interessanterweise trägt er den Bottleneck am kleinen Finger und greift mit den anderen Fingern gleichzeitig Akkorde und einzelne Töne. Das letzte (Instrumental-)Werk „Elemental Journey“ erschien vor drei Jahren. Das 12. Solo-Album „Bound By The Blues“ ist letztlich ein weiteres Beispiel von der unermüdlichen

ELIANA CARGNELUTTI Electric Woman Ruf Records

ub. In ihrer jungen Karriere spielte die rebellische junge Lady aus dem Nordosten Italiens schon neben den Besten der heimischen Blues-Szene. Ende 2013 veröffentlichte

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Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit Landreths. Mit „Walkin' Blues“ startet die aktuelle LP fulminant. Nennenswert ist auch der leichte Country-Groove von “The High Side”, der an den berühmten Tulsa Sound von J.J. Cale erinnert sowie das optimistische Instrumental “Simcoe Street”. Das Stück “Firebird Blues” ist schliesslich Johnny Winter gewidmet, der während seiner ganzen Karriere eine 63er Gibson Firebird V spielte. Neben eigenen Songs werden auch Asbach uralte Blues-Kompositionen zu neuem Leben erweckt: Stücken wie „Dust My Broom“ von Robert Johnson verleiht Landreth seine individuelle Prägung. Eine grossartige Platte!

Cargnelutti ihre erste SoloPlatte “Love Affairs”. Der Zweitling „Electric Woman“ erscheint nun erstmals über das Ruf Label und stellt das internationale Solo-Debüt dar. Die Welle reitend nach „Girls With Guitars“ (mit ihren Blues Caravan Tour-Partnerinnen Heather Crosse und Sadie Johnson), machte sich Cargnelutti sogleich an die Arbeit, schrieb acht Titel in drei Wochen und betrat selbstbewusst die Cubeaudio-Studios in Göttingen. An den Reglern sass Timo Rotten. Der US-Blueser Albert Castiglia half aus bei den Arrangements und produzierte das Album. Cargnelutti ist eine kompetente Gitarristin und beeindruckende Sängerin mit Potenzial, neben ihr spielten

angesehene Allrounder wie Jamie Little (Drums), John Ginty (Keys) sowie Bassist Roger Inniss den Long Player ein. Von der ersten Note von „Why Do I Sing The Blues“ bis zum letzten Ton des Instrumentals „Eliana's Boogie“ knallt kraftvoller und schnörkelloser Sound aus den Boxen. Die Platte klingt wie live eingespielt und kommt aus einem Guss. Teilweise hört man, dass Cargnelutti ursprünglich aus der Hardrock-Ecke stammt („Just For Me“ erinnert an Guns N' Roses). Den drei Covers von Savoy Brown („Street Corner Talking“), AC/DC („There's Gonna Be Some Rockin'“) und den Allman Brothers („Soulshine“) drückt sie ihren

hh. Im direkten Vergleich zu Eliana Cargnelutti geht es bei Ana Popvic's neuem Album gepflegter zu und her. Zusammen mit ihrem Vater Milton, ein etablierter und erfolgreicher Bluesgitarrist in Serbien, der seiner Tochter von klein auf diesen Sound infiltrierte. Dass Ana den Fussstapfen ihres Erzeugers folgte, ist somit wohl logische Konsequenz. Ana hat sich inzwischen bereits selbst einen eindrücklichen Namen in der Bluesszene erschaffen, müssig also sich hier über ihre Qualitäten als Gitarristin auszulassen. Sie kann es, das hat sie bereits zur Genüge bewiesen. Und das kommt auch auf diesem Album im Verbund mit ihrem Vater deutlich rüber. Überraschendes wird allerdings nicht serviert. Da alle Songs Cover- bzw. Fremdkompositionen sind, haben wir vielleicht nicht alle Songs aber den musikalischen Vortrag schon zig Mal gehört, mal besser, mal schlechter. Die Popovic-Familie bewegt sich durchschnittlichen Bereich dieses Genres. Fans von Clapton bis hin zu Knopfler sollten aber durchaus mal ein Ohr riskieren.

LAURENCE JONES What's It Gonna Be Ruf Records

ub. Unlängst vom British Blues Award zum „Young Artist Of The Year“ gekürt, gilt Jones als Shooting Star des britischen


Blues/Soul/World Blues. Nach dem Erstlingswerk „Thunder In The Sky“ vor drei Jahren erreichte Laurence Jones im Vorprogramm von Walter Trout erstmals ein breiteres Publikum. Nun bei Ruf Records unter Vertrag, erschien im März 2014 die Nachfolge-LP „Temptation“. Anschliessend war Jones als Teil der Blues Caravan-Tour (mit Christina Skjolberg und Albert Castiglia) in ganz Europa unterwegs. Diese Erfahrung gab dem 23-jährigen Gitarristen und Sänger ein neues Selbstbewusstsein, sodass er sich für dieses Jahr einiges vornahm: 250 LiveKonzerte will der junge Blueser bis Dezember gespielt haben und so seine dritte und aktuelle Studio-LP „What's It Gonna Be“ optimal präsentieren. Jones spielt modernen rockbetonten Blues mit satten Riffs („What's It Gonna Be“, „Don't Need No Reason“, „Being Alone“). Auch der federnde Rhythmus von „Evil“ gefällt. Obwohl „Stop Moving The House“ etwas zu sehr an das „rockende Haus“ von Stevie Ray Vaughan erinnert und die Version von Bad Companys „Can't Get Enough“ (im Duett mit Dana Fuchs) zur überflüssigen Schallala Schallali-Nummer verkommt, ist Jones' Gitarrensound und die ganze Produktion sehr solide und technisch perfekt. Die erfahrene Rhythmusgruppe mit Bassist Roger Inniss und Schlagzeuger Miri Miettinen (seit Blues Caravan seine feste Begleitband) macht einen prima Job. Einen ausdrucksstarken Charakter oder musikalisch verarbeiteten Seelenmüll darf man indes nicht erwarten, dafür ist Laurence Jones wohl noch zu jung.

grossartigen Rory Gallagher. Wie der irische Gitarrist, überträgt auch Sibun den Blues direkt und aufrichtig. Der legendäre Mike Vernon produzierte einst Sibuns Debüt „That's What The Blues Can Do“. In der Zwischenzeit produziert sich Meister Sibun selbst. Einmal mehr präsentiert er mit dem aktuellen Album „Blues Transfusion“ ein Feuerwerk aus 12 abwechslungsreichen Songs. Langeweile lässt er nie aufkommen. Die meisten Tracks wurden in Mostar mit der Crème de la Crème an Musikern aus Bosnien und Herzegowina aufgezeichnet. Mit dem Auftakt „Love Light“ lässt Sibun sogleich die Puppen tanzen. „Old Time Used To Be“ kommt als entspannter Delta Blues mit Mandoline daher, den langsam trottenden Swamp Blues “Blues For Sherman” widmet Sibun dem aus Louisiana stammenden Gitarristen Sherman Robertson. Geradeaus und kraftvoll mit einem herausragenden Hammond-Solo von Gabrijel Prusina: „One Of These Days“. Der frische und kompakte Song „Find My Way Home“ und der fetzige Rock'n'Roller “I Used To Be Your Man” animieren zum Mittrommeln. Neben zehn Eigenkompositionen enthält Sibuns neue Platte mit „I Fall Apart“ obendrein ein gebührendes Gallagher-Cover (vom 1971er-Solodebüt), als Trio mit Dzenan Mujic (Drums) und Bassist Atilla Aksoj eingespielt.

seiner Frau Laurie Wright (Gitarre), Drummer Marc Friedman und Bassist Dennis Bellinger (ex-Grand Funk Railroad) besteht. Hinter der (Hammond-)Orgel sitzt Rob Manzitti. Die RWB wurde vor gut zehn Jahren gegründet und beeindruckt seither Kritiker wie auch Musiker (Skynyrds Gitarrist Rickey Medlocke ist ein Fan). Wright wurde vom „Southern Long-Hair Blues” der Allman Brothers, Lynyrd Skynyrd oder der Marshall Tucker Band inspiriert, es wäre jedoch zu einfach, ihn lediglich in diese Ecke zu stellen. Rusty selbst ist ein Original, das die ganze Vielfalt des Blues verkörpert. Sein Repertoire reicht von schwungvollen Horn-Arrangements („Wonder Man“) bis hin zu schweren Low FidelityTracks (“Whiskey Drinkin' Woman”). Albert und Freddie King lassen grüssen bei “Ain't That The Blues” oder “Gonna Come A Day”. Der rauchgeschwängerte „Black Hat Boogie“ mit coolem Sprechgesang sowie ein Instrumental („Corvette Sunday“) vervollständigen die Platte, die Liebhabern des Blues, des Rocks sowie des Jams gleichermassen Spass bereiten wird.

SPIN DOCTORS Songs From The Road Ruf Records

RUSTY WRIGHT BAND Wonder Man Sadson Music

INNES SIBUN Blues Transfusion Blues Boulevard

ub. Jemand muss dem sträflich unterschätzten Briten endlich ein Kränzlein winden. Bereits mit dem letztjährigen Album “Lost In The Wilderness” hat Innes Sibun bewiesen, dass er eines der besten Pferde im Blues Boulevard-Stall ist. Die Faszination, die der sympathische und bodenständige BluesrockMusiker ausübt, erinnert an den

ub. Nach "This, That & The Other Thing" (2013) ist „Wonder Man“ das fünfte Album von Rusty Wright und seiner Band. Die neue Scheibe besteht aus zehn starken und abwechslungsreichen Stücken (in Bezug auf Song-Aufbau, Struktur und Stimmung) und kommt dabei ganz ohne nervtötende Balladen aus. Das Schwergewicht mit weisser Mähne aus Flint, Michigan schwört auf seine Epiphone Sheraton II, ist zudem auch Sänger und schreibt alle Songs der Combo, die ferner aus

ub. Die vorliegende Rockpalast-Aufnahme aus der Musikkneipe Harmonie wurde in der „Songs From The Road“-Reihe von Ruf Records als CD/DVDSet veröffentlicht. Mit Chris Barron (Vocals), Eric Schenkman (Gitarre), Aaron Comess (Drums) und Mark White (Bass) spielt die Originalbesetzung der Spin Doctors, die allen Ü40 bekannt sein dürfte: Die erste Studio-LP „Pocket Full Of Kryptonite“ (1991) schlug wie eine Bombe ein und war äusserst erfolgreich. (Zuvor wurde mit „Up For Grabs...Live” ein Konzert vom September 1990 veröffentlicht.) Ende der 80er in New York als Blues-Band gegründet, hatte das Quartett Anfang der neunziger Jahre mit „Little Miss Can’t Be Wrong“ und „Two Princes“ zwei Mega-Hits, die damals jedes Kind kannte.

REVIEWS

Bald wurde es jedoch sehr still um das „Zwei-Hit-Wunder“. Nach einigen Besetzungswechseln und einer kurzzeitigen Auflösung brachte die UrFormation 2005 die Platte „Nice Talking To Me“ heraus. Nach acht Jahren Pause erschien das sechste StudioAlbum „If The River Was Whiskey“, auf dem sich die Band ihrer Blues-Wurzeln besinnt. Während des Konzerts vom Oktober 2013 in Bonn beschränkt sich die Band auf Songmaterial von der ersten und der letzten Studio-LP. Ob kraftvoll in Richtung Walter Trout („Traction Blues“), etwas langsamer („Sweetest Portion“, „Scotch & Water Blues“) oder schleppend („About A Train“), der teilweise funkige Blues steht der Band ausgezeichnet. Natürlich fehlen auch die eingangs aufgeführten Gassenhauer sowie „Off My Line“ und „Jimmy Olsen’s Blues“ vom StudioDebüt nicht. Als letzte Zugabe drückt die Band mit „Yo Mamas A Pajama“ nochmals richtig ab. Absolut sehensund hörenswert.

HANS THEESSINK & TERRY EVANS True & Blue Blue Groove ub. Bereits im April 2013 lud der niederländische Bluesgitarrist und Sänger Hans Theessink zur „Birthday Bash“ ins Metropol ein (anlässlich seines 65. Geburtstages). Nun liegt ein weiteres, herrlich entspanntes Live-Manifest aus seiner Wahlheimat Wien vor. Vor vielen Jahren fuhr Theessink ans MississippiDelta und lernte dort den schwarzen Soulsänger Terry Evans kennen. 2008 erschien das gemeinsame Album “Visions”. 2012 wurde mit “Delta Time” nachgelegt (unterstützt von Ry Cooder). Auf der aktuellen Live-LP “True & Blue“ fungieren Theessink und Evans als akustisches Duo und ergänzen sich dabei hervorragend. Auch gesanglich harmonieren die beiden befreundeten Musiker perfekt. Neben sechs Eigenkompositionen von Theessink animieren fantasiereiche Neufassungen bekannter Klassiker wie “Bourgeois Blues” (Huddie Ledbetter), “Cross Road Blues” (Robert Johnson), “Maybellene” (Chuck Berry) oder J. B. Lenoirs “Talk To Your Daughter” zum Mitsingen. Zurücklehnen und geniessen. Auch für lange Autofahrten prima geeignet.

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Reviews Americana/Roots/Country ELLIOTT MURPHY

rp. Auf jeden Fall ein interessanter Ansatz. Der Aquashow Deconstructed Amerikaner Elliott Murphy hat auf «Aquashow Deconstructed» sein Debüt von 1973 neu eingeBlue Rose spielt, oder wie er es nennt: deconstructed. Murphy ist seit damals 43 Jahre älter und betrachtet die Welt und seine ersten Songs mit anderen Augen. Den Auftakt «Last Of The Rock Stars» hat der heute 66-jährige New Yorker von seinem rockigen Korsett befreit und entspannt akustisch in Szene gesetzt. Auch Murphys Stimme klingt, zwangsläufig, gesetzter, gereifter, weniger angriffig als 1973. Den zweiten Song «How's The Family» hat er mit einem dezenten Keyboardteppich zu neuer Tiefe geführt. «Hometown» hingegen klingt bis zu einem gewissen Grad abgespeckter, reduzierter als die Originalversion von 1973. Interessant tönt auch die neue Version von «Marilyn», die Murphy für Marilyn Monroe elf Jahre nach ihrem Tod verfasst hatte. Damals aus der Warte eines jungen Mannes, jetzt aus der Warte eines gereiften älter werdenden Mannes. «Aquashow Deconstructed» ist nicht nur ein Wiederaufleben der Vergangenheit sondern auch eine Reise dahin zurück.

BOB SPRING & THE CALLING SIRENS

WARREN HAYNES Ashes & Dust Provogue / MV

hh. Der Mann ist unermüdlich. Es vergehen kaum ein paar Monate und schon steht der stämmige Gitarrist mit einem neuen Produkt vor der Tür. Sei es mit seiner angestammten Band Gov't Mule oder als Soloartist. Dazu ist er noch permanent auf Tour, ein wahrer Workaholic. Mit seinem neuen Soloalbum, das Dritte bislang, har sich einen Herzenswunsch erfüllt, geht musikalisch relativ ungewohnte Pfade und zelebriert die Musik, mit der er aufgewachsen ist und die ihn tief geprägt hat. Nennen wir das im weitesten Sinn Root-/Americana/Bluegrass, denn „Ashes & Dust“ vereint all diese typisch amerikanischen CountryIngredienzien. Für dieses Album hat er sich mit der Gruppe Railroad Earth zusammengetan, die den Americana-Sound mit traditionellen Instrumenten wie Fiddle und Banjo pflegen und ebenfalls eine lockere, jam-mässige Spielart lieben. Haynes und Railroad Earth ergänzen sich hervorragend und haben ein berührendes, seelenvolles Album erschaffen. Wunderschöne Songs, die in ihrer Schlichtheit strahlen wie Diamanten und mit gefühlvollen Melodien mitten ins Herz treffen. Dazu Haynes' soulige, warme Stimme – ein tief in sich stimmiges Werk fernab von Oberflächlich- oder Austauschbarkeit. Aber diese Attribute kann man dem Ausnahmemusiker ohnehin nicht vorwerfen, gleich ob er Solo oder mit Gov't Mule, Greatful Dead oder den Allman Brothers unterwegs war/ist. Warren Haynes steht immer für hohe bis höchste musikalische Qualität – da macht „Ashes & Dust“ keine Ausnahme.

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ub. Vor zwei Jahren haben die Calling Sirens aus Zürich ihre Stimme verloren. Mit Bob Spring hat das Quartett nun eine neue gefunden. 10 Jahre Same lang war Spring Leadsänger der Rock Band Irascible Backwash. Rein optisch ist der Musiker aus Zug eine Kreuzung zwischen Tommy Lee (Mötley Crüe) und Robert Smith (The Cure), sodass der musikalische Auftakt vorerst überrascht. Mit „Before We Got So Lone“ erklingt ein fröhlicher und Line Dance-tauglicher Country Shuffle. In diesem Dark Country-Track ist jedoch von der Überwindung einer Drogensucht die Rede, „before I get myself a gun and leave us both alone“. Hinter der friedlichen Fassade brodelt es gewaltig. Spring ist ein leidenschaftlicher Texter, der abgrundtiefe und bittere Lyrics schreibt, die so gar nicht zur Musik passen wollen. Diese übermittelt über weite Strecken ein „peaceful, easy feeling“ (in Anlehnung an die Eagles), im Gegensatz zu den geradeaus ehrlichen und persönlichen Texten: Der Ohrwurm „Wrong Again“ oder das wunderbar tragende „Guess I'm Not A Friend“ enthalten selbstkritische und ungeschminkte Geständnisse des Bob Spring, der letzten Herbst gute Dutzend SoloKonzerte in den USA spielte. Zu guter Letzt werden mit „Gloria“ und „Monuments Of Our Time“ zwei Southern Rock-Songs geliefert. Unaufgeregt, aber dennoch ausgesprochen fesselnd. Es seien deshalb alle Mitglieder der Combo namentlich erwähnt: Bob Spring (Gesang, Gitarre), Silvan Stur¨ zinger (Piano), Guido Kal¨in (LapSteel-Gitarre), Michel Lehner (Bass), Andreì Kal¨in (Drums). ub. Noch eine hervorragende Neuveröffentlichung für die Fans des Alternative Country. Wer die DriveBy Truckers oder Steve Earle & The Dukes mag, wird Tombstone mit Rich Hopkins & The Luminarios allerbestens Blue Rose Records bedient. 1992 begann der 57-jährige Hopkins aus Fort Worth, Texas seine Solokarriere mit den Luminarios, die heute aus Lisa Novak (Gitarre, Gesang), Jon Sanchez (Gitarre, Keys) und George Duron (Drums) bestehen. Zusammen mit Novak schreibt und produziert Hopkins seine Stücke selbst. Das aktuelle Werk „Tombstone” wurde bereits letztes Jahr in den USA veröffentlicht und gibt es nun auch in Europa zu kaufen. Der Opener „Don't Worry“, den Hopkins innert fünf Minuten “erhielt”, sowie die tief grollende Riff-Power beim Titelstück „Tombstone“ und „Free Man“ sind echte Knaller. An verregneten Tagen ist “Hang On” zu empfehlen. Spitzenreiter bleibt jedoch “Top Of The World” mit Sprechgesang. Im Song “Private Shaw” äussert Hopkins schliesslich seine Betrübnis über die Ausrottung der ursprünglichen Kulturen Amerikas durch die europäischen Siedler. Nachdem die LP “Devolver” noch relativ sanft daherkam, knüpft “Tombstone” nun nahtlos an die letzte Platte “Buried Treasures” von 2012 an. Mit dem Unterschied, dass die Gitarren diesmal rauer und rockiger produziert wurden. Je oller, desto doller. Die Scheibe erhält somit eine glatte zehn und braucht sich im CD-Regal neben den Meisterwerken der eingangs erwähnten Künstler nicht zu verstecken.

RICH HOPKINS AND THE LUMINARIOS


Americana/Roots/Country Reviews THE STATESBORO REVUE Jukehouse Revival Blue Rose Records / MV

ub. Die dritte Platte der Texaner steigert sich nach verhaltenem Beginn und wird so zur Liebe auf den zweiten Blick. Ab „Undone“ im “Sweet Home Alabama”-Stil geht es rockiger zu und her. „Like The Sound“ und „Honkytonkin'“ gefallen mit schleppendem Groove, „Tallahassee“ mit Country Fiddle und Banjo. Wunderbar gefühlvolle Balladen werden ideal platziert („Count On Me“). Frontmann Stewart Manns Stimme hat Soul. Sein jüngerer Bruder Garrett spielt Leadgitarre. Der Countrytypisch leicht träge Drummer Kris Schoen und Ben Bradshaw am Bass bilden das virtuose Rückgrat und Fundament der Musik. Sieben Jahre lang hatte Stewart Mann erfolglos versucht, in Atlanta, Nashville und Los Angeles Fuss zu fassen. Zurück in Texas gründete er 2007 die Statesboro Revue. Für den Bandnamen bediente sich der Sänger bei einem Song des Blues-Musikers Blind Willie McTell (1901 – 1959). Das Debüt-Album „Different Kind Of Light“ (2009), produziert von David Z (Prince, Jonny Lang, Buddy Guy, Gov't Mule), war dann der Startschuss für eine vielversprechende Karriere. Im April 2013 folgte die nächste LP “Ramble On Privilege Creek”. The Statesboro Revue ist eine verdammt gute Band, die Rock und Blues mit Country geschickt verbindet. Der herrlich entspannte, variantenreiche und vielfältige Sound dürfte die Anhänger der Black Crowes oder Blackberry Smoke freuen.

ROBERT JON & THE WRECK Glory Bound Teenage Head hh. Wieder einmal eine Band, die sich für alle Southern-

/Country-Rockfans zu entdecken lohnt, die neben ihren Lieblingen Blackberry Smoke und Black Crowes nach neuem Stoff suchen. Das Quintett liefert auf „Glory Bound“ genau das richtige Futter mit allem, was dazu gehört. Fette Gitarren, satte Hammond und ein genre-typischer laid back Sound mit dem nötigen Druck. Alles zusammen in eine warme und transparente Produktion von Warren Huart (Aerosmith) gepackt – was will man mehr? Gute Songs natürlich! Und die bekommt man hier am Laufmeter, praktisch durchweg auf gleich hohem Qualitätslevel – Schwachstellen sind rar. Die Band spielt hervorragend, stets mächtig groovend und absolut songdienlich zusammen und Bandchef Robert Jon Burrison begeistert zudem mit tollen Gesangsharmonien und Hooklines. Mit dem Song „Cold Night“ gibt es zudem eine Verbeugung vor den Allman Brothers. Auch die ruhigen

Momente auf dem Album haben Klasse, sind frei von jeglichem Kitsch oder Zuckerguss und gehen nicht selten tief unter die Haut. Zwar haben Robert Jon & The Wreck (noch nicht) diese genialen Songs ihrer musikalischen Verwandten Blackberry Smoke (aber wer hat die schon), sie sind aber sehr dicht dran. Und so erstaunt es auch nicht, dass die Truppe in ihrer Heimat schon kurz nach Bandgründung bei den Orange County Music Awards 2013 den Titel „Beste Live Band“ abräumte und in den Kategorien „Best Rock“ und „Best Blues“ nominiert war. Klasse Album, klasse Band.

Rock“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Deren Stücke „Wanderins' Got Two Hands On Me“, „One Way Or Another“ und “A Long Way To Run” erinnern durch ihre Leichtigkeit an die HippieEpen „I Wasn't Born To Follow” der Byrds oder das entspannte „The Weight“ von Smith (beide aus dem Easy Rider-Soundtrack von 1969). Allgemein klingt die Musik der US-Amerikaner sehr Retro

und groovt teilweise wie der „Joker“ der Steve Miller Band („I Remember“). Den vorliegenden Zweitling „Over The Mountain” nahm die Truppe in Los Angeles mit dem Produzenten John Ryan auf. Das Songwriter-Trio der Freeway Revival wurde nach eigenen Angaben von Steve Gaines (Lynyrd Skynyrd) inspiriert und besteht aus Leadsänger Adam Clayton (nicht zu verwechseln mit dem U2Bassisten), seinem Zwillingsbruder Jonathan Clayton (Gitarre) und Joey Lee (Gitarre). Gov't Mule-Bassist Jorgen Carlsson und Fernando Sanchez (Drums) bildeten die RhythmusSektion. Die Platte verbleibt über die kurzen 34 Spielminuten knackig, originell und unterhaltsam.

RYAN BINGHAM Fear And Saturday Night Humphead Rec.

THE FREEWAY REVIVAL Over The Mountain Chicago Kid Records rp. Auf «Eden» vereinen sich ub. Southern Rock Singer/ Songwriter Henry Paul (The Outlaws) nannte den Sound der Freeway Revival „coolen organischen Hippie Country

hh. Der ehemalige RodeoCowboy wird in seiner Heimat USA der Countryszene zugerechnet, was jedoch nur bedingt stimmt. Viel eher passt er in die Singer/ Songwriter-Schublade mit einem Hang zu rockigem, folkigen Blues – allenfalls

könnte man ihm noch das Label „Rebel Country“ verpassen. „Fear And Saturday Night“ ist das fünfte reguläre Studioalbum des Oscar-, Golden Globe- und Grammy Gewinners ( für den Song „The Weary Kind“ im KinoFilm „Crazy Heart“) und das zweite ohne seine langjährige Band The Dead Horses. Bingham hat eine markante, raue, bisweilen brüchige Stimme, die man normalerweise einem älteren Sänger zuordnen würde, der vor allem die Schattenseiten des Lebens erfahren hat. Bingham ist allerdings erst Mitte Dreissig. Er ist ein herausragender Songwriter, auf dem Album sind keine schwachen Songs zu finden. Besonders durch Binghams Stimme wird jeder Song zu einem Glanzstück, denn er versteht es, damit eine Menge Gefühl zu transportieren und dem Hörer direkt unter die Haut zu injizieren. Für Fans des amerikanischen Folkrocks mit countryesken Attributen ist dieses Album ein Must Have, wie natürlich auch für Fans von Steve Earle oder Townes Van Zandt. Sehr schön!

PAUL THORN Too Blessed To Be Stressed Blue Rose hh. Der ehemalige ProfiBoxer aus Tupelo/Mississippi legt hier sein siebtes StudioAlbum vor. Geboten wird rockiger Americana-Sound mit Bluessprenkeln durchzogen und der einen oder anderen CountryrockAnleihe. Als Sohn des Südens integriert er natürlich auch ein paar Gospelzutaten. Das Gemisch funktioniert prächtig, denn Thorn ist ein überdurchschnittlicher Songwriter und seine Mitmusiker, allen voran Bill Hinds, der eine amtliche Slide-Gitarre pflegt, verstehen es hervorragend, den Songs den nötigen Schmiss und Groove zu verpassen. Bei den hier enthaltenen elf Songs ist praktisch kein Ausfall zu verzeichnen, das kommt alles wie aus einem Guss. Klasse Album für Fans von typisch amerikanischem Laid-BackRootsrock. So könnte übrigens auch „unser“ Pink Pedrazzi klingen, nicht nur stimmlich sind da einige Parallelen auszumachen.

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DVD/BluRay

25 YEARS LOUDER THAN HELL

des nächsten Billings feststeht.

Die Wacken Open Air Dokumentation UDR hh. „WAACKÖÖÖN!!!“ - wenn jeweils am ersten AugustWochenende des Jahres dieser Schlachtruf aus 85'000 Kehlen über das nördlichste deutsche Bundesland Schleswig Holstein donnert, ist es wieder soweit. W.O.A. - das grösste Hardrock/Metal-Festival der Welt geht in die nächste Runde. W.O.A. ist viel mehr als ein übliches Open Air Festival. W.O.A. ist Kult, ist Treffpunkt für Rock- und Metalheads jenseits aller Altersgrenzen aus der ganzen Welt, ist eine gigantische Party, ist positives Chaos, ist Lebensstil, ist Freiheit, ist friedlich, ist einzigartig, ist mit keinem anderen Festival zu vergleichen, ist wie die Basler Fasnacht: der Höhepunkt des Jahres für Fans, etwas, auf das man ein ganzes Jahr lang hinlebt – immer wieder!, ist Kultur, ist einfach Wacken Open Air. Zum diesjährigen 25-jährigen Jubiläum erscheint eine Dokumentation, die das Festival und seine Macher Thomas Jensen und Holger Hübner von den bescheidenen Anfängen auf einer Wiese nahe dieses kleinen Dorfs bis zum heutigen Mega-Event vorstellt. In 250 spannenden Minuten erfährt der Betrachter alles über das W.O.A., bekommt hoch informative Hintergrund-Einsichten und wird verstehen, weshalb diese Rock-Mekka so einzigartig ist, dass schon jeweils innerhalb von zwei Stunden nach Ende eines W.O.A.s die nächstjährige Ausgabe bereits ausverkauft ist – ohne das auch nur eine Band

AXEL RUDI PELL Magic Moments - 25th Anniversary SPV / Steamhammer mv. Der deutsche Ausnahmegitarrist Axel Rudi Pell feierte im 2014 nicht nur den sehr hohen Charteinstieg seines aktuellen Albums „Into The Storm“ (die Top 5 der deutschen Albumcharts wur-

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Gegliedert ist die Doku in drei Teile: The Beginning 1990 – 1999 (in dem das Festival mit riesigen finanziellen Problemen kämpfte und mehrmals vor dem Aus stand, jedoch durch den unbeirrbaren Glauben und die Liebe zum harten Rock von den W.O.A.-Machern am Leben erhalten wurde) A New Millenium 2000 – 2009 (in dem aus dem finanziellen Zitterprojekt ein immer grösseres und finanziell gesunderes Projekt erwuchs, immer wichtigere und erfolgreiche internationale Acts kamen und die Zuschauerzahlen stetig anstiegen) The Consolidation 2010 -2014 ( als sich das W.O.A. als grösstes Hardrock/Metal-Festival der Welt etablierte) Langeweile kommt in dieser Doku nie auf – im Gegenteil, auch der Nicht-Metal-Fan wird hier aufs allerbeste unterhalten. Dafür sorgen die zahlreichen Interviews mit Musikern, Machern und Einheimischen, Live-Sequenzen (viel rares Archiv-Material auch aus den Anfangstagen) und vor allem die Protagonisten, die W.O.A. zu dem gemacht haben, was es heute ist: die Fans! „25 YEARS LOUDER THAN HELL“ ist eine faszinierende, unverzichtbare Dokumentation über ein kulturelles, einzigartiges Phänomen, das längst zu einer starken eigenen Marke geworden ist. Der Wunsch eines jeden Hardrockfans, einmal im Leben nach Wacken zu reisen, wird nach dem Genuss (im wahrsten Sinn des Wortes) dieser Doku voll und ganz nachvollziehbar.

den geknackt) sondern auch das 25-jährige Jubiläum seiner Band. Und um das gebührend zu feiern, fand auf dem Bang Your HeadFestival eine ganz spezielle 3-StundenMammutshow statt, bei welcher die meisten ehemaligen Mitmusiker von Axel, aber auch viele illustre Gäste auf der Bühne mitwirkten. Dieser für die Fans denkwürdige Event wurde nun zum Glück für alle, welche das verpasst haben (oder auch als Andenken für alle Anwesenden) komplett auf CD sowie DVD und BluRay veröffentlicht. Der Beginn der Show war dann auch gleich eine kleine Sensation, denn es gab einen Steeler MiniReunion-Auftritt in der Originalbesetzung mit

Peter Burtz (v), Tom Eder (g), Roland Hag (b) und Jan Yildiral (dr). Der vier Songs umfassende Block, bei welchem Granaten wie „Call Her Princess“ oder „Undercover Animal“ für nostalgische Gefühle sorgten, dürfte einmalig bleiben und war sicher eine grosse Freude für alle langjährigen PellFans. Doch auch die darauffolgenden Axel Rudi Pell-Klassiker „Nasty Reputation“, „Warrior“ und „Fool, Fool“ mit ehemaligen Mitmusikern wie Rob Rock, Jörg Michael oder Jeff Scott Soto sorgten für Freudentränen und gehören bis heute zu den absoluten Glanztaten der langen PellHistory. Danach folgten diverse Tracks vom


DVD/BluRay aktuellen Album sowie die bei Pell-Shows bekannten Medleys und epischen Tracks wie „Mystica“ oder „The Masquerade Ball / Cashbah“, welche von der momentanen Besetzung mit Sänger Johnny Gioelli gewohnt souverän dargeboten wurden. Das Axel Rudi Pell nur erstklassige Musiker in seinen Reihen hat, braucht wohl kaum noch erwähnt zu werden. Und nochmals richtig interessant war der dritte Showblock, der sogenannte „Axel Rudi Pell and Friends“-Teil des Abends. Hier gaben sich Rockgrössen wie Doogie White, Graham Bonnet, John Lawton oder Pretty MaidsRöhre Ronnie Atkins die Ehre und machten die gespielten Coverversionen wie „Black Night“, „Sympathy”, “Tush“, „Mistreated” oder “Since You‘ve Been Gone“ erst richtig interessant. Der fulminante Schlusspunkt bildete dann das einfach nicht totzukriegende „Smoke On The Water“ mit allen Protagonisten. Nur das lange „Drum Battle“ zwischen Vinnie Appice und Bobby Rondinelli hätte man sich sicher zugunsten zwei weiterer Klassiker aus der langen History der Band sparen können, aber das ist bei all den überaus positiven Aspekten dieses Releases absolut unwichtig. Die Kameraführung ist fantastisch und teilweise atemberaubend, der Schnitt zum Glück nicht zu hektisch, so dass die Show zuhause auf dem Sofa so richtig genossen werden kann. Als Bonus hat man unter dem Titel "The Rehearsals" noch sieben Songs aus den Proben zu diesem Konzertabend auf Film gebannt. Da auch die Aufmachung und der Sound absolut top sind, kommt an diesem Live-Dokument eigentlich kein Hardrocker vorbei.

THE J. GEILS BAND House Party Live In Germany (Rockpalast) Eagle Vision

risten und Namensgeber John Geils eine der legendäre Rocknächte des WDR Rockpalasts, in der auch die total zugedröhnte Patti Smith einen unterirdischen Gig ablieferte und mit ihrem grausamen Klarinetten-Getröte auch noch fast das grandiose Konzert des Headliners Johnny Winter zerstörte. Gott sei Dank blieb die J. Geils Band von Frau Schmids Einlagen verschont und konnte so ungestört einen wahrhaft zündenden Gig abliefern, der die Besucher der gerammelt vollen Grugahalle in Essen zu nicht enden wollenden Beifallsstürmen hinriss. Mit ihrem kantigen und hart rockenden, Motown-angelehnten R&B-Gemisch brannte die Truppe ein leidenschaftliches Feuerwerk ab, das sie in dieser rauen und rohen Art und Weise künftig zu Gunsten poppigerer Klänge nicht mehr wiederholen würde – zumindest nicht in unseren Breitengraden. Ihre mehr dem Pop zugewandten Hits wie „Centerfold“ und „Freeze Frame“ sollten erst ein paar Jahre später folgen. Mit Peter Wolf hatte die Band einen charismatischen Frontmann, der die hohe Schule des Rock'n'Roll Entertainments perfekt beherrschte und mit Magic Dick einen der wohl allzeit besten MundharmonikaSpieler, dem zu recht im Live-Set jede Menge Platz eingeräumt wurde, die der Mann mit der wilden Afro-Mähne allerbestens und höchst beeindruckend zu nutzen wusste. Die Band hämmerte sich durch ein knapp 70minütiges, schweisstreibendes Set und gehörte fortan zu den grossen Entdeckungen dieser Rockpalast-Reihe, in einer Riege mit Bands wie Mother's Finest oder ZZ Top, die auch in den WDR-Rocknächten den Grundstein für ihre nachhaltigen Karrieren jenseits des grossen Teichs legten. Diese wahrhaft brennende „House Party“ ist auch 36 Jahre danach ein echter Hammer und hat nichts von ihrer Gewalt und Faszination verloren – im Gegenteil, dieses Konzert ist auch für jede zeitgenössische Rockband Anschauungsunterricht und Lehrstunde für musikalische Leidenschaft und feinstes Rockentertainment mit höchstem Spassfaktor. Essentiell und unverzichtbar.

JOE BONAMASSA Muddy Wolf At Red Rocks Provogue /MV

hh. Im April 1979 eröffnete die bis dato relativ unbekannte Bostoner Band um den Gitar-

ub. In den letzten Jahren wur-de der Blues-Fan mit guten LiveAlben und Konzertfilmen des inzwischen 38-jährigen Bonamassa geradezu überhäuft: „Live From The Royal Albert Hall“, „Beacon Theatre New

York“, „Acoustic Evening Vienna Opera House“ sowie die Serie „Tour De Force“. Die Idee hinter „Muddy Wolf At Red Rocks“ war nun eine (Charity-)Show im beeindruckenden Felsen-Amphitheater Red Rocks in Colorado zu Ehren von Muddy Waters und Howlin' Wolf. Bonamassa befindet sich auf den Spuren seiner musikalischen Vorbilder aus Mississippi, die durch Archiv-Aufnahmen auch zu Wort kommen. An diesem Abend zollt Bonamassa seinen Vorbildern Tribut, feiert jedoch ganz unbescheiden vor allem sich selbst. Der Superstar Bonamassa im schwarzen Edelzwirn hat mit den Blues-Urvätern nicht mehr viel gemein. Seine aalglatten Interpretationen von Howlin' Wolfs „Killing Floor“ oder „Spoonful“ erreichen mitnichten die emotionale Tiefe der Originale. Die Band tritt in weissen Anzügen mit schwarzen Krawatten auf, spielt technisch perfekt und widmet Muddy Waters (1913 als McKinley Morganfield geboren) den ersten Teil der unterhaltsamen Show. Ein zweiter Abschnitt beschäftigt sich mit Howlin' Wolf alias Chester Burnett (geboren 1910), bevor ein paar Bonamassa-Tracks als Nachtisch serviert werden: „Love Ain't A Long Song“ und „The Ballad Of John Henry“ sind schlussendlich die stärksten Darbietungen des gesamten Gigs. Immerhin kann die DVD dazu dienen, sich (wieder einmal) mit dem Werk zweier einflussreicher Bluesmusiker auseinanderzusetzen, denn wie hielt es Howlin' Wolf mit der Missgunst? „Anytime you thinkin' evil, you got the blues.“

THE ROLLING STONES From The Vault: The Marquee Club Live In 1971 Eagle Vision/MV hh. Und wieder mal haben die Stones ihr Archiv geöffnet und nach den beiden Konzertdokus aus der „From The Vault“-Reihe „Hampton Coliseum 1981“ und „Live In 75“ nun ein echtes Schmankerl herausgebracht. Kurz vor dem Release von „Sticky Fingers“ gaben die Stones mit ihrem neuen Gitarristen Mick Taylor ein Konzert im legendären, kleinen Londoner Marquee Club vor ausgewähltem Publikum. Jeder Stones-Fan wird dem Rock'n' Roll-Gott auf Knien danken für diesen wahrlich herausragenden Livemitschnitt. Die Stones befinden sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Gipfel ihrer Bluesrock/Rhythm'n' Blues-Phase und präsentieren sich als ultraheisse Live-Band unter Verzicht auf jeglichen Schnickschnack (sieht man von Jaggers Glitzerjacke ab). Hier zählt nur der Rock'n'Roll und sonst gar nichts, keine Showeinlagen in Form von üppigen Bühnenaufbauten oder Lichtshows – alles komplett geerdet – eine verdammt heisse Band auf einer kleinen Clubbühne. Aus Sicht des Puristen könnte man fast sagen, so gut wie hier waren die Stones weder vor- noch nachher. Einen gewaltigen Anteil an diesem tief bluesig rockenden und „down to the bone“-Auftritt hat Neuzugang Mick Taylor, der mit seinem intensiven Spiel zugleich Keith Richards hör- und sichtbar beeinflusst und ihn ebenfalls zu Höchstleistungen anspornt und inspiriert. Weshalb die Mick Taylor-Phase als die musikalisch beste der Stones gilt, ist hier in einer guten Stunde Spielzeit von A-Z nachzuvollziehen. Von ihrem herausragenden „Sticky Fingers“-Album, das erst in ca. 4 Wochen veröffentlicht werden wird, haben die Stones bereits die Songs „Brown Sugar“, „Dead Flowers“ (eine Hammerversion), „I Got The Blues“ und „Bitch“ auf der Set-Liste. Ergänzt wird die Marquee-Show mit „Live With Me“, „Let It Rock“, „Midnight Rambler“ und einer tollen Version von „Satisfaction“. Unterstützt wird die Band durch das Bläser-Duo Bobby Keys und Jim Price, die ebenfalls einen gewichtigen Anteil an dieser herausragenden Rhythm'n'Blues Darbietung haben. Im kurzen BonusTeil gibt es alternative Versionen von „I Got The Blues“ und „Bitch“ sowie einen „Brown Sugar“-Clip aus der TV-Show Top Of The Pops. Der DVD liegt eine titelgleiche Audio-CD bzw. Vinyl-LP bei.

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ReReleases, Best Of, Tributes

SPOOKY TOOTH Alte Schätze - neu entdeckt

Mit einem alle regulären Veröffentlichungen umfassenden Box-Set kommt mit Spooky Tooth nach über 40 Jahren einer der musikalisch eigenwilligsten britischen Rockacts endlich zu verdienten neuen Ehren. hh. Die britische Combo gehörte zu den zwar sehr beliebten und auch relativ erfolgreichen, jedoch im Grunde sträflich unterbewerteten Bands der Ära, als der Rock das Laufen lernte. Angeführt von den beiden Ausnahmesängern (und Keyboardern) Mike Harrison und Gary Wright pflegten Spooky Tooth einen sehr eigenwilligen rockigen Rhythm'n'Blues(Rock)-Stil, dessen Grenzen sie jedoch weit ausdehnten. So wurden Elemente aus Country und Gospel intergriert und das Ganze noch mit einem satten Psychedelic erweitert. Dominant im Sound war der Einsatz der angezerrten Hammond-Orgel und natürlich die raue, kräftige Stimme von Mike Harrison. Die Songs bewegten sich durchweg im MidTempo und im bluesigen Balladen-Bereich. Aber allen Titeln war der intensive Tiefgang gemein, der dafür sorgte, dass Spooky Tooth sich eine eingeschworene und treue Fangemeinde, vor allem auch in Deutschland erarbeiten

SPOOKY TOOTH The Island Years An Anthology 1967-1974 (9 CDs) Island/Universal

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konnte und bis heute einen legendären Ruf geniesst. Der Band gehörten zudem einige der bekanntesten Rockmusiker der britischen Musikgeschichte an, wie Keith Emerson (ELP), Greg Ridley (Humble Pie), Mick Jones (Foreigner) oder Luther Grosvenor (Mott The Hoople, Stealers Wheel, Widowmaker). In dieser ausgezeichnten Box sind alle Spooky Tooth Platten der wichtigen und erfolgreichen Zeit vereint, zudem das 1967er Album von ART („Supernatural Fairy Tales“), der VorgängerBand von Spooky Tooth, in der aber bereits alle ToothMitglieder ( Mike Harrison, Luther Grosvenor, Greg Ridley, Mike Kellie) bis auf Gary Wright versammelt waren. Mit dem Zuzug des Amerikaners Gary Wright wurde die Truppe dann in Spooky Tooth umbenannt. Das Debut-Album „It's All About“ (1968) enthielt mit „Sunshine Help Me“ und dem Nashville Teens-Cover „Tobacco Road“ zwei Songs, mit denen sich die Truppe bereits einen Achtungserfolg bescherte. Aber erst mit dem zweiten Album „Spooky Two“ (1969), das von Fans als bestes Tooth-Album bewertet wird, ging es richtig los. Hier


ReReleases, Best Of, Tributes

gibt es eine geballte Ladung an herausragenden Songs, gleich der Opener „Waiting For The Wind“ mit dem verhallten DrumIntro (zu der Zeit ein absolutes Novum im produktionstechnischen Bereich) und der massiv wummernden Hammond sowie der genialen Chorus-Hookline ist an Intensität kaum zu überbieten. Weitere Glanzpunkte des Albums sind „Evil Woman“, „I've Got Enough Heartaches“, „That Was Only Yesterday“ und vor allem das später von Judas Priest gecoverte „Better By You, Better Than Me“. Das folgende Album „Ceremony“ (1969) verstörte allerdings die gerade frisch gewonnenen Fans. Zusammen mit dem französischen Avantgarde-Künstler Pierre Henry produzierte die Band eine psychedelische Messe, die durch den intensiven Einsatz von Soundcollagen und Spezialeffekten sogar Parallelen zu Pink Floyd aufwies und im Grossen und Ganzen als relativ schwer verdaulich bewertet wurde. LSD-Freaks hatten allerdings ihre grosse Freude an diesem Werk. 1970 besann sich die Band aber wieder auf ihren bewährten Sound und lieferte ein weiteres glanzvolles Album ab („The Kast Puff“). Besonders das Beatles-Cover „I Am The Walrus“ wurde dabei ein wahrhaft legendärer Song in der Spooky Tooth Geschichte. Bassist Greg Ridley hatte inzwischen die Band Richtung Humble Pie verlassen und wurde durch den ex-Grease Band/Joe Cocker Bassisten/Keyboarder Chris Stainton ersetzt, der auch seinen Grease Band Kumpel Henry McCullough als zweiten Gitarristen mitbrachte. Die neuen Musiker harmonierten bestens mit den verbliebenen OriginalMembern zusammen, und so entstand mit „The Last Puff“ ein weiteres herausragendes Album, aber die Band löste sich auf. Das 73er Comeback-Album „You Broke My Heart So I Busted Your Jaw“ zeigte die Truppe in einem gänzlich neuen Line-Up. Nur noch Gary Wright und Mike Harrison sind noch an Bord, neu dazugekommen sind Bassist Chris Stewart (Jim Capaldi, Frankie Miller Band), Gitarrist Mick Jones (Foreigner) und Drummer Bryson Graham (Alvin Lee, Jim Capaldi, Girl). Auch wenn diese Platte nicht mehr ganz an die Grosstaten der Truppe heranreichen konnte, beinhaltet sie mit „Cotton Growing Man“ und „Self Seeking Man“ zwei echte ToothPerlen. Im gleichen Jahr erschien das Folgealbum „Witness“ , für das Original-Drummer Mike Kellie wieder zurückkehrte. Aber es macht sich immer stärker bemerkbar, dass die Luft langsam raus ist. Mit „All Sewn Up“ sind gerade noch ein herausragender und mit „Don't Ever Stray Away“ ein überdurchschnittlicher Song dabei. Der Rest hangelt sich auf durchschnittlichem Niveau dahin. Mit dem 74er Album „The Mirror“ ist dann auch endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht. Das stimmliche Aushängeschild Mike Harrison hat sich verabschiedet und wurde durch Mike Patto ersetzt. Zwar ist Patto ein ausgezeichneter Vocalist, hat jedoch nicht den typischen soulig, bluesigen Harrison-Charakter und ist mehr im straighten Rock daheim. Zudem wird der Einfluss von Mick Jones immer deutlicher, einigen Songs ist schon deutlich anzuhören, was Jones später mit Foreigner an den Start bringen wird. „The Mirror“ ist beileibe kein schlechtes Album, im Gegenteil, hat aber mit Spooky Tooth der früheren Jahre nicht mehr viel zu tun. Komplettiert wird das Box Set mit einem Live-Mitschnitt von 1973, der all die grossen Songs in erstaunlich guter KlangQualität beinhaltet (Dieser Live-Mitschnitt ist in der VinylAusgabe dieses Box-Sets nicht enthalten), sowie einem reich bebilderten und sehr informativen 50-seitigen Booklet und einem Poster mit dem Original-Cover-Artwork der „Supernatural Fairy Tales (ART)-LP. Ausserdem gibt es zu jedem einzelnen Album Bonus-Tracks. Fazit: Diese Anthologie ist ein ausgezeichnetes Stück britischer Rockgeschichte, die jeden Fan (und davon gibt es erstaunlicherweise immer noch eine ganze Menge) begeistern wird und zweifellos in keiner guten Sammlung fehlen darf. Der wahre Fan wird sich das Box-Set auf jeden Fall in der 8 LPs umfassenden Vinyl-Ausgabe besorgen, auch wenn er dabei auf den Live-Mitschnitt verzichten muss, denn Spooky Tooth entfalten ihren einzigartigen Glanz erst in der schwarzen Rille wirklich richtig.

MARVIN GAYE Volume 1 (1961-1965) Box Set 7 LPs Universal

hh. Der 1939 in Washington geborene Marvin Pentz Gay Jr. stieg im Lauf seiner musikalischen Karriere zum gefeierten R&B-Star auf und geniesst bis heute einen legendären Ruf als „Prinz des R&B“. Seine Jugend war geprägt durch einen prügelnden Vater und eine mitfühlende Mutter, die ihren Sohn stets darin bestärkte, seine Gesangskarriere voran zu treiben. Am 1. April 1984 wurde Marvin Gaye von seinem Vater erschossen. Marvin Gaye prägte das Gesicht des Tamla Motown Labels entscheidend, wo er als Session-Musiker (Drummer) begann und galt als der smoothigere Gegenpol zum kantigen Stax-Star Otis Redding. Mit Klassikern wie u.a. „I Heard It Through The Grapevine“, „How Sweet It Is To Be Loved By You“, „Mercy Mercy Me“ und „Sexual Healing“ wird Marvin Gaye auf alle Zeiten einer der stilprägendsten und erfolgreichsten Interpreten der „Black Music“ bleiben. Das hier vorliegende Box-Set ist der Auftakt einer dreiteiligen Serie, die alle Aufnahmen des SoulGiganten vereinen wird. Gaye's erstes Album, nach The Miracles „Hi, We're The Miracles“ der zweite Album-Release des noch jungen Tamla Motown Labels, „The Soulful Moods of Marvin Gaye“ bestand aus überwiegend aus Standards. Aber bereits mit seinem zweiten Release „That Stubborn Kind Of Fellow“ setzte er sich mit eigenen Songs in Szene. Dieses Album warf mit dem Titeltrack sowie den Songs „Hitch Hike“ und „Pride & Joy“ bereits drei Hits ab. Das Box-Set beinhaltet die 7 ersten Gaye-LPs: „The Soulful Moods Of Marvin Gaye“, „That Stubborn Kind Of Fellow“, „When I'm Alone I Cry“, „Hello Braodway…This Is Marvin!“, „Together (Duetts mit Mary Wells)“, „How Sweet It Is To Be Loved By You“ und die Hommage an Gaye's grosses Vorbild „A Tribute To The Great Nat King Cole“. Beigefügt ist ein Download-Code für die MP3 Versionen.

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ReReleases, Best Of, Tributes SOUNDGARDEN

geschriebene Songs, hauptsächlich B-Seiten und einer

Echo Of Miles Auswahl an Soundtracks und Scattered Tracks Across The Path–Box Set- Compilation-Tracks inkl. vor-

Universal

hh. Nun gibt es das Box Set, das bereits im letzten November als 3-CD-Set veröffentlicht wurde, als Vinyl-Paket. 3 Picture-Disc-Doppelalben, bestückt mit 50 Songs, präsentieren eine umfassende Raritäten-Sammlung, die jeden eingeschworenen Fan der Seattle-Rocker begeistern dürfte. Obwohl, beinharte Soundgarden-Fans dürften die hier enthaltenen B-Seiten, Album Bonus Tracks, EPs, Soundtracks, Compilations und Live Recordings bereits in der Sammlung haben, allerdings nicht in dieser kompakten Form. Ausserdem sind mit “Kristi” ( Outtake von der “Down On The Upside”Session 1996) und “Storm” (neuer Song aus dem letzten Jahr) zwei bislang unveröffentlichte Titel dabei. Gitarrist Kim Thayil hat diese Compilation eigenhändig zusammengestellt und hat dabei ein goldenes Händchen bewiesen. Album 1 “Originals” beinhaltet von Soundgarden

erwähnte neue Songs “Kristi” und “Storm”. Album 2 “Covers” bringt Coverversionen von Bands, von denen Soundgarden beeinflusst sind und die zu den Favoriten der Musiker gehören – als da wären The Beatles, Rolling Stones, The Doors, Black Sabbath, Jimi Hendrix, Sly And The Family Stone, The Stooges, The Ramones, Fear and DEVO. Ausserdem haben sich Cornell & Co einen Song von Spinal Tap und einen von Cheech & Chong gegönnt. Die beiden bislang unveröffentlichten Tracks auf diesem Album sind die BeatlesNummer “Everybody's Got Something To Hide…” und der Sly Stone Song “Thank You…”, die aus einer John Peel Session aus dem Jahr 1989 stammen, aufgenommen für das britische BBC 1 Radio. Album 3 “Oddities” bringt eine breitgefächerte Kombination aus Instrumentals, Remixes und Demos, die in erster Linie den beinharten Fan ansprechen werden, während der “normale” Soundgarden-Liebhaber diesen Tracks nicht allzuviel abgewinnen dürfte.

LED ZEPPELIN Presence – In Through The Out Door - Coda (Deluxe Editions) Atlantic / Warner lg. Nachdem die ersten sechs und allesamt wegweisenden Alben von Lep Zeppelin eine DeluxeHuldigung erfahren haben, folgt nun der letzte Nachschlag. Die letzten drei Alben von Led Zeppelin – "Presence" (1976), "In Through The Out Door" (1979) sowie das posthum und nach der Bandauflösung im Jahre 1980 veröffentlichte "Coda" (1982) – sind vor Kurzem neu aufgelegt worden. Alle drei Scheiben gehören nicht zu den Sternstunden der Band, doch sind sie dennoch ganz passabel und enthalten allesamt starke Momente. Interessant sind bei diesen Neuauflagen vor allem die jeweils beiliegenden Companion Discs, auf welchen rare Aufnahmen zu finden sind. "Presence", das siebte Studioalbum der Band, musste mit Sänger Robert Plant im Rollstuhl aufgenommen werden, weil dieser kurz davor einen schweren Autounfall gehabt hatte. Das Album hat weder Keyboards noch akustische Gitarren und geht recht gut ab. Der über zehnminütige Opener "Achilles Last Stand" gilt als eines der härtesten Songs von Led Zeppelin und zeigt den Einfluss der Band für den Heavy Metal. Der

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RUPERT HINE Unshy On The Skyline - Best Of Esoteric Recordings rp. Rupert Hine ist wahrscheinlich am bekanntesten durch seine Arbeit als Produzent. Er arbeitete neben vielen anderen mit Künstlern wie Tina Turner, Saga, Rush, Howard Jones, Underworld, Suzanne Vega, Chris de Burgh oder The Fixx zusammen. Seine eigene Musik ist, zu Unrecht, weniger bekannt. 1965 veröffentlichte er die erste Single «The Sound Of Silence», erst sechs Jahre später sein erstes Album «Pick Up A Bone». Nach einem weiteren Werk, «Unfinished Picture» (1973), gründete er 1975 die Jazz- und Art-RockFormation Quantum Jump. 1981 veröffentlichte er mit «Immunity» wieder ein Album unter eigenem Namen. Besagtes Werk war auch sein erfolgreichstes. Genau hier knüpft «Unshy On The Skyline» an. Die Best-Of-CD, wobei dieser Begriff hier nicht unbedingt passend ist, gewährt bloss einen Überblick über «Immunity», «Waving Not Drowning» (1982) und «The Wildest Wish To Fly» (1983). Zugegebenermassen sind dies seine besten Alben. Der zeitlos interessante Synth-Pop offenbart ein grosses Mass an eigenwilligem Talent und Eigenständigkeit. Songs wie «Surface Tension», «Samsara» , «The Curious Kind», «Another Stranger», «The Wildest Wish to Fly», «No Yellow Heart» und «One Man's Poison» verbinden gekonnt pulsierende Rhythmen, maschinelle Untertöne, die charakteristisch, leicht verfremdete und unterkühlte Stimme von Hine, elektronische Soundteppiche und einen Schuss Poesie mit Popappeal. Elektrisierend.

abschliessende Blueser "Tea For One" ist da der pure Gegenpol. "Presence" ist ein ganz okayes Album geworden. Auf der Bonus Disc sind ein anderer Mix von „Achilles Last Stand“ unter dem Titel "Two One Are Won" sowie das bis dato unbekannte und sehr legere Instrumental "10 Ribs & All/Carrot Pod Pod" hervorzuheben. Das folgende "In Through The Out Door" war das letzte Album der Band mit nur neuem Material und das letzte vor dem tragischen Tod von Drummer John "Bonzo" Bonham. Auf dieser Scheibe dominiert der Einfluss von John Paul Jones und Robert Plant – die Songs sind zwar recht rifforientiert, doch kommt auch das damals neue Keyboard von John Paul Jones stark zum Vorschein. Auf der Bonus Disc finden sich nur (durchaus hörenswerte) andere Mixes der sieben Albumsongs zu finden, womit dieses Teil doch eher für Die-Hard Sammler relevant ist. "Coda" kam nach der Bandauflösung nur aufgrund vertraglicher Verpflichtungen heraus und beinhaltete in der Originalversion acht Songs aus fast allen Schaffensphasen der Band – so sind wie der Opener "We're Gonna Groove" ein B.B.King-Cover Songs aus dem Jahre 1970 zu finden wie auch Überbleibsel der "In Through The Out Door"-Session. Deshalb wirkt "Coda"

wenig homogen. Die Deluxe-Edition kommt bei "Coda" gleich mit zwei Bonus Discs mit Extra-Material aus den Jahren 1968 bis 1974 daher, welche teilweise sehr interessantes Material enthalten: So das bluesigtreibende "Sugar Mama" (1968 aufgenommen) und "St. Tristan's Sword", ein Instrumental-Song aus den Sessions zu Led Zeppelin III. Alle Deluxe-Editionen kommen als schöne LP-Replica daher. Insbesondere "In Through The Out Door" gibt etwas für das Auge her (die Papiertütenverpackung wird originalgetreu mitgeliefert). Insgesamt kann gesagt werden, dass Gitarrist Jimmy Page bei diesen Neuauflagen wiederum ganze Arbeit geleistet hat und das Erbe einer dieser grössten und besten Bands des Erdballs mehr als würdig verwaltet. Diese Neuauflagen sind in anderen Formaten zu erwerben (Super Deluxe, Vinyl-Auflagen, StandardEditionen).


LIVE REVIEWS CAMEL Zürich, Kaufleuten 15.7.15

Foto: Tomi Palinkas

lg. Die seit zwei Jahren wieder aktive britische Progressive-Rock Legende Camel um Bandleader und einziges konstantes Mitglied Andrew Latimer (Gesang, Gitarre und Flöte) hat im Rahmen ihre Sommer Tour 2015 Zürich eine Besuch abgestattet. An diesem heissen Sommerabend fanden sich einige hundert – teilweise auch etwas ältere Semester – um der mit Unterbrüchen seit 1971 aktiven Band ihre Aufwartung zu machen. Mit den ersten vier Alben ("Camel", das bekannte "Mirage", "The Snow Goose" und "Moonmadness") haben Camel Musikgeschichte geschrieben, und die Band in eine Nische zwischen Yes, Genesis und Caravan positioniert. Die Bandgeschichte war von zahlreichen Besetzungswechseln geprägt. Auch stilistisch folgte wie bei fast allen vergleichbaren Acts Ende 70er/Anfangs 80er Jahre eine Anbiederung an den Pop/Rock-Mainstream, von welchem sich Camel seit einigen Alben zum Glück wiederum verabschiedet haben. Zudem ist Andrew Latimer seit den 90er Jahren leider krank, weshalb die Band zwischen 2003 und 2013 auf Eis lag. Camel haben sich aber erfreulicherweise zusammengerauft und neben einer Neueinspielung des dritten Albums "The Snow Goose" seit 2013 auch kleinere Touren gespielt. Ohne Vorband legte das Quintett los und wusste sofort durch das mäandrierende Gitarrenspiel von Frontmann Andrew Latimer zu begeistern. Wenn auch das Stageacting mit zwei stehenden Musikern (neben Latimer noch Bassist und Sänger Colin Bass, seit 1979 bei Camel) kam beim Publikum nie Langweile auf. Die Faxen von Andrew während seinen ausufernden Gitarrensoli waren wirklich sehenswert und liessen das Publikum spüren, mit welcher Inbrunst und Freude er am Werk war. Auch die weiteren Musiker (Ton Scherpenzeel und Jason Hart an den Keyboards sowie Denis Clement am Schlagzeug) sind absolute Vollprofis und liessen gar nichts anbrennen – Camel als Band wirkte wie aus einem Guss und präsentierte mit 15 Songs eine sehr ausgewogene Setlist, welche alle Bandphasen Revue passieren liess. Zu Beginn des

zweistündigen Konzerts ging es mit Songs aus den ersten beiden Alben los, welche das Publikum sofort begeisterten. Doch auch Songs neueren Datums wie die drei vom 91er Album "Dust And Dreams" dargebotenen Nummern fügten sich nahtlos ins Programm ein. Das Konzert ging wie im Flug vorbei und Camel liessen das Publikum begeistert zurück. Trotz stürmischen Rufen gab es leider keine zweite Zugabe. Highlights waren die beiden langen Nummern des zweite Albums "Mirage", nämlich "Lady Fantasy" und "The White Rider". Überragendes Konzert in perfekter Soundqualität!

OPENAIR ST. GALLEN 25.-28.06.2015

39. Ausgabe des Open Air St. Gallen mit richtig, richtig grossartigen Konditionen verwöhnt. Trinkfreudige Temperaturen zwischen 20-25°C, vereinzelte Wolken, viel Sonne und mit nur einem kurzen dafür heftigen Wolkenbruch am Samstagnachmittag. So ganz ohne die Abkühlung von Oben darf ja schliesslich das Open Air in St. Gallen nicht über die Bühne gehen, es gehört fast dazu, wie das Schüga, Helga und Spielereien mit dem Matsch. Frank Turner hat am Donnerstagabend die Nachtschwärmer als erstes Highlight im Tobel willkommen geheissen. Mit der Abendsonne im Gesicht hat dann am Freitag das Duo Royal Blood eindrücklich bewiesen, dass es auch zu zweit

Foto: Sandro Thaler

klappt tausende Leute zu unterhalten. Mit Rise Against fanden dann etwas härtere mh. Nach zwei Jahren mit eher mühsamem und vor allem nassem Wetter, wurden die Sittertobelgänger dieses Jahr, bei der Klänge den Weg durch Staub, Sonne und Durst. Für das St. Galler Publikum eine fast etwas zu harte Gangart, wie es schien. Mit einer halben Prise Oasis bzw. Noel Gallagher's High Flying Birds wurde der Weg geebnet für The Chemical Brothers, die Headliner vom Abend. Die Gummistiefel waren dann am Samstag doch nicht umsonst mitgeschleppt und hatten ihren kurzzeitigen Einsatz. Das Farin Urlaub Racing Team gefolgt von Placebo auf der Sitterbühne waren die grossen Namen an diesem Tag und haben nicht enttäuscht. Am Sonntag wurde es dann

nochmals richtig heiss im Tobel, fast etwas zu heiss, denn das Strohlager in der Nähe vom West-Eingang hat Feuer gefangen und ist vollständig abgebrannt. Die Feuerwehr war umgehend auf dem Platz und konnte das Feuer schnell in den Griff kriegen, damit sich danach die Leute wieder auf die Bühnen konzentrieren konnten. Die Österreicher von Wanda haben dann den Sonntag auf der Hauptbühne ausklingen lassen, gefolgt von den grossartigen Kraftklub, die eine MiniBühne in Mitten des Publikums aufgestellt hatte und von dort aus die Show begann um später in einem bandinternen CrowdsurfWettrennen zurück auf die grosse Bühne zu gelangen. Tolle Unterhaltung. Ein überraschend stimmgewaltiger Paolo Nutini hat dann die Leute schliesslich nach Hause geschickt und das Festival beendet. Somit bleibt uns wieder die Vorfreude auf die nächste Ausgabe im 2016, was das 40jährige Bestehen des Open Air St. Gallen markieren wird. Wir sind jetzt schon gespannt, was sich die Organisatoren alles einfallen lassen werden.

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KONZERTKALENDER ANDREAS GABALIER

DIANA KRALL

19.11. Basel, St. Jakob Halle

16.10. Zürich, Hallenstadion Club

20.11. Zürich, Hallenstadion

DJANGO DJANGO

ANE BRUN

23.9. Zürich, Rote Fabrik

20.11. Zürich, Kaufleuten

DORO

21.11. Bern, Bierhübeli

6.12. Pratteln, Z7

ANGELO BRANDUARDI

EISHEILIGE NACHT: SUBWAY TO

21.10. Zürich, Kongresshaus

SALLY, FIDDLERS GREEN, LETZTE

ANNIHILATOR

INSTANZ, VERSENGOLD

13.10. Pratteln, Z7

17.12. Pratteln, Z7

ANTI FLAG

EROS RAMAZOTTI

13.11. Lyss, KUFA

5.10. Zürich, Hallenstadion

ART GARFUNKEL

EUROPE

30.11. Zürich, Kongresshaus

27.11. Pratteln, Z7

ASKING ALEXANDRIA

FABIAN ANDERHUB

8.10. Luzern, Schüür

4.9. Rohrschach, Jazzclub

AUDREY HORNE, DEAD LORD

7.11. Zug, Chollerhalle

13.9. Pratteln, Z7

FAMARA

AXXIS

17.10. Wetzikon, Kulturfabrik

10.9. Pratteln, Z7

FEAR FACTORY

6.11. Zürich, Kaufleuten

26.11. Aarau, Kiff

BACKYARD BABIES

GLEN HANSARD

10.11. Winterthur, Gaswerk

13.10. Zürich, Volkshaus

BEBEL GILBERTO

GLENN HUGHES

2.10. Zürich, Kaufleuten

7.10. Luzern, Schüür

BOB DYLAN

HARDCORE SUPERSTAR

13.11. Basel, Musical Theater

27.10. Pratteln, Z7

BOY

HEATHER NOVA

12.11. Luzern, Schüür

21.10. Zürich, Kaufleuten

BULLET FOR MY VALENTINE

7.11. Lyss, KUFA

25.10. Pratteln, Z7

HECHT

CARO EMERALD

16.10. Luzern, Schüür Bar

6.11. Zürich, Kaufleuten

17.10. Zürich, Bogen F

CHILLY GONZALES

31.10. Rorschach, Treppenhaus

5.10. Luzern, KKL

7.11. Winterthur, Albani

CROSBY, STILLS & NASH

HEIDENFEST 2015: DIE APOKALYP-

30.9. Genf, Theatre du Leman

TISCHEN REITER, KORPIKLAANI,

CULCHA CANDELA

VARG, SKYFORGER, WINTERSTORM

30.10. Bern, Bierhübeli

FINNTROLL, HÄMATOM

DAN MANGAN

18.10. Pratteln, Z7

18.9. Düdingen, Bad Bonn

HELLDORADO

19.9. Aarau, Kiff

2.10. Bern, ISC

DANA FUCHS

HOGJAW

15.10. Zug, Chollerhalle

15.10. Bern, ISC

DAVE MATTHEWS BAND

16.10. Winterthur, Gaswerk

15.10. Zürich, Hallenstadion

17.10. Steinen, Pöstli

DEEP PURPLE

18.10. Trübbach, Lion Cave

8.11. Genf, Arena

IN FLAMES

9.11. Zürich, Hallenstadion

15.11. Pratteln, Z7

DELTA SAINTS

ITCHY POOPZKID

25.9. Lyss, KUFA

19.11. Luzern, Schüür


KONZERTKALENDER JAN OLIVER

NEK

SCORPIONS, WHITESNAKE

TAKE THAT

10.9. Lyss, KUFA

29.11. Zürich, X-Tra

28.11. Zürich, Hallenstadion

12.10. Zürich, Hallenstadion

JOE LYNN TURNER

NEW MODEL ARMY

SELAH SUE

TEXAS

16.9. Pratteln, Z7

8.10. Aarau, Kiff

16.10. Basel, Volkshaus

28.11. Zürich, X-Tra

JOHANNES OERDING

NICKELBACK

17.10. Zürich, X-Tra

THE BREW

28.10. Bern, Bierhübeli

23.10. Zürich, Hallenstadion

SEVEN

12.10. Pratteln, Z7

29.10. Zürich, Moods

NIGHTWISH

30.10. Bern, Bierhübeli

THE PRODIGY, PUBLIC ENEMY

30.10. Basel, Kuppel

28.11. Basel, St. Jakobshalle

6.11. Thun, KK

14.11. Zürich, Hallenstadion

31.10. Brugg, Salzhaus

OHRENFEINDT

7.11. Luzern, KKL

THE SWEET

JOHN MAYALL

22.10. Pratteln, Z7

20.11. Baden, Nordportal

29.10. Zug, Chollerhalle

21.10. Zürich, Volkshaus

PATENT OCHSNER

4.12. Basel, Volkshaus

THE WATERBOYS

22.10. Thun, Schadausaal

5.11. Lyss, KUFA

SIMPLY RED

27.9. Zürich, Kaufleuten

23.10. Amriswil, Pentorama

13.11. Winterthur, Salzhaus

11.11. Basel, St. Jakobshalle

TOWER OF POWER

JOSS STONE

14.11. Gelterkinden, Marabu

12.11. Genf, Arena

15.12. Zürich, Volkshaus

3.10. Zürich, Kaufleuten

19.+20.11. Mels, Altes Kino

SLAYER, ANTHRAX, KVELERTAK

UB 40

JOVANOTTI

21.11. Brunnen, Waldstätterhof

27.10. Zürich, Komplex 457

4.11. Zürich, Volkshaus

10.12. Zürich, Hallenstadion

26.11. Olten, Schützi

SOILWORK

UFO

KAMELOT

27.11. Stäfa, Rössli

29.11. Lyss, KUFA

31.10. Pratteln, Z7

19.9. Pratteln, Z7

28.11. Brugg, Salzhaus

STACIE COLLINS

UNLEASHED, DEHUMANIZED,

KIERAN GOSS

4.12. Luzern, Schüür

14.9. Pratteln, Z7

BEHEADED, DISENTOMB u.a.

31.10. Zug, Chollerhalle

5.12. Langnau, Kupferschmiede

STATUS QUO

19.9. Lyss, KUFA

LEAVES EYES

10.+ 11.12. Thun, Bärensaal

12.9. Zürich, Hallenstadion

WALTARI

26.10. Lyss, KUFA

19.12. Murten, Hotel Murten

ST. GERMAIN

6.10. Pratteln, Z7

LEON BRIDGES

PATTI SMITH

13.11. Zürich, Kaufleuten

W.A.S.P.

16.9. Zürich, Kaufleuten

19.9. Zürich, Volkshaus

STRATOVARIUS

1.11. Pratteln, Z7

LESLIE CLIO

POWERWOLF, ORDEN OGAN…

30.10. Pratteln, Z7

1.10. Luzern, Schüür

3.9. Pratteln, Z7

MACHINE HEAD

RAVEN

5.10. Pratteln, Z7

14.10. Luzern, Schüür

MADISON VIOLET

REPTILE YOUTH

10.10. Zug, Chollerhalle

15.10. Lyss, KUFA

MADONNA

RICH ROBINSON

12.12. Zürich, Hallenstadion

12.10. Zürich, Kaufleuten

MANFRED MANN'S EARTHBAND

ROCKABILLY FESTIVAL: BLUE CATS

16.11. Zürich, Kongresshaus

PIKE CAVALERO, JOHNNY TROUBLE

MARILYN MANSON

26./27.9. Lyss, KUFA

11.11. Zürich, X-Tra

ROISIN MURPHY

MARIUS MÜLLER-WESTERNHAGEN

10.11. Zürich, X-Tra

17.10. Zürich, Volkshaus

RYAN McGARVEY

MARIZA

7.10. Pratteln, Z7

17.11. Zürich, Kongresshaus

SALTATIO MORTIS

MELODY GARDOT

28.11. Pratteln, Z7

1.11. Zürich, Kongresshaus

SANTIANO

METAL STORM: SAMAEL, IZEGRIM,

8.10. Luzern, Messe

OMNIUM GATHERUM, END OF

9.10. Basel, Eventhalle

SILENCE, AWAKENING SUN

10.10. Zürich, Volkshaus

26.9. Luzern, Schüür

11.10. Amriswil, Petorama

MIKE CANDYS

SCHANDMAUL

19.12. Solothurn, Kofmehl

20.11. Luzern, Schüür

MOCKY

21.11. Solothurn, Kofmehl

20.10. Zürich, Kaufleuten


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DAVE MATTHEWS BAND

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15.10. Zürich, Hallenstadion

JOSS STONE 3.10. Zürich, Kaufleuten

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