Gülsah Demir - Ja, ich werde Ärztin.

Page 1

Ja, ich werde Ă„rztin. Eine wahre Geschichte von GĂźlsah Demir


Eine einzige Lehrkraft kann Lebenswege verändern. Deshalb rekrutiert Teach For Austria persönlich und fachlich herausragende HochschulabsolventInnen, die nach einer intensiven Vorbereitung für mindestens zwei Jahre als vollwertige LehrerInnen - Fellows – an urbanen Hauptschulen, Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen unterrichten. Während dieser zwei Jahre werden sie von erfahrenen TrainerInnen begleitet und erhalten eine Leadership-Ausbildung. Ziel ist es, eine Bewegung von Menschen aufzubauen, die sich für Chancengerechtigkeit im Bildungssystem durch die Förderung von Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien einsetzen. Die Fellows sind den SchülerInnen Vorbilder, inspirieren sie durch hoch gesetzte Anforderungen, entfachen Feuer für Bildung und ebnen ihnen dadurch den Weg in eine hochwertige Lehre und/oder in weiterführende Schulen. Neben diesem akademischen und laufbahnrelevanten Wissen geben die Fellows den SchülerInnen insbesondere wichtige soziale Kompetenzen und Werte mit auf den Weg wie Respekt, den Umgang mit Diversität, Konfliktlösungspotenzial, Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten.

Über die Autorin: Gülsah Demir ist zwölf Jahre alt und Schülerin an der NMS Georg-WilhelmPabstgasse, Wien Favoriten. Dort besucht sie die 2. Klasse.

Die Illustrationen stammen von SchülerInnen einer 3. Klasse des Fellows 2014 Simon Prossliner in der NMS Georg-Wilhelm-Pabstgasse, Wien Favoriten.


„Mein Name ist Gülsah Demir, ich bin zwölf Jahre

alt, und ich möchte meine Geschichte erzählen. Warum ich das mache? Weil ich anderen Kindern Hoffnung geben möchte. Den Kindern, die ich in der Schule jeden Tag sehe, die glauben, sie könnten nur Maurer oder Verkäuferin werden, den Kindern, die glauben ihre Träume sind unerreichbar. Allen Kindern, die glauben, sie schaffen es nicht, möchte ich erzählen, was ich erlebt habe. Ich bin in Wien geboren und immer gern in die Schule gegangen. Weil ich so gerne lerne und wusste, dass ich eine Ärztin werden möchte, ging ich nach der Volksschule auf ein Gymnasium. An einem Schultag, es war die letzte Stunde, hatten wir Deutsch. Ich arbeitete in Deutsch viel mit, obwohl ich mir etwas schwer tat, vor allem mit der Grammatik, weil Deutsch nicht meine Muttersprache ist. An diesem Tag sprachen wir über Berufe, meine Freunde erzählten, was sie einmal werden wollten. Ich wurde auch gefragt und sagte: „Ich will eine Ärztin sein, und zwar eine Herzchirurgin.“


Kaum hatte ich das ausgesprochen, rief meine Deutschlehrerin: „Du wirst es nie schaffen, eine Ärztin zu sein.“ Sie sprach diese Worte vor meinen Freunden, vor der ganzen Klasse aus. Damals war ich zehn Jahre alt. Ich war sehr, sehr traurig. Schon letzte Woche hatte sie meinen Vater angerufen und gesagt: „Ihre Tochter gehört nicht in diese Schule. Sie gehört in die Mittelschule.“ Obwohl ich wusste, dass meine Lehrerin mich nicht mochte, meldete ich mich oft. Ich wollte mitarbeiten


und meine Noten verbessern. Meistens nahm mich meine Lehrerin nicht dran. Einmal wurde ich aufgerufen und machte einen Artikelfehler. Meine Deutschlehrerin und meine Mitschüler haben mich ausgelacht. Danach hatte ich Angst in die Schule zu gehen, Angst, Fehler zu machen, Angst, ausgelacht zu werden. Ich nahm Nachhilfe, trotzdem sagten die anderen immer wieder: „Geh doch Deutschlernen.“ Diese Monate waren sehr schlimm für mich. Endlich kamen die Sommerferien, mein erstes Schuljahr an der AHS war vorbei. Es endete furchtbar. Ich hatte es nicht geschafft. Etwas Freude über das nächste Schuljahr hatte ich nur, weil ich nicht mehr zurück zu dieser Lehrerin, in diese Schule musste. Es war mein erster Tag in der Mittelschule. Ich kam in die Klasse hinein und sah eine wunderschöne Lehrerin, Frau Markl. Sie sah mich und lächelte. Mit ihr machte der Unterricht Spaß, sie sah jeden kleinen Fortschritt, den wir machten. Sie sagte jeden Tag, dass wir es schaffen könnten, dass jeder von uns seine Ziele erreichen kann. Sie gab uns nie auf. Sie sagte: „Gülsah, du wirst eine Ärztin sein. Du wirst es schaffen.“


Da habe ich geglaubt, dass ich wirklich eine Ärztin werde. Ich fand wieder Hoffnung. Meine neue Lehrerin redete oft mit mir und fragte mich, ob ich meine Fragen und Gedanken anderen mitteilen möchte, dass das, was ich zu sagen hatte, wichtig sei. Ich habe eine Rede geschrieben und vor vielen Menschen gehalten. Ich war stolz und glücklich. Sie und meine Eltern haben mich motiviert an mich selbst zu glauben, sie motivieren mich noch immer, eigentlich. Natürlich motiviere ich mich selber auch, denn ich weiß jetzt, dass ich das kann.


Ich bin in der zweiten Klasse und ich weiß, ich werde maturieren. Wenn ich Matura mache, werde ich mit Frau Markl hingehen und glücklich sagen: „Ich habe es geschafft.“ Als Ärztin werde ich den kranken Menschen helfen. Meine Geschichte erzähle ich um diese Hoffnung zu teilen, um zu zeigen, ja, das geht.


Teach For Austria gGmbH www.teachforaustria.at

Ja, wir brauchen Ihre Spende! Konto Nr: 121 5030 72 BLZ: 15090, Oberbank IBAN: AT 89 150 9000 121 5030 72 BIC: OB KL AT 2L

Eine Spende von... 20.000 Euro ermöglicht, dass ca. 100 Kinder von einem Fellow für zwei Jahre begleitet werden. 5.000 Euro finanziert die Qualifizierung eines Fellows während der Sommerakademie. 1.000 Euro macht eine ganztägige Fortbildung für einen ganzen Fellowjahrgang möglich. 500 Euro ermöglicht 10 SchülerInnen die kostenlose Teilnahme an der Teach For Austria-Sommerwoche. 100 Euro finanziert die Unterrichtsmaterialien für eine Schulgruppe von 10 SchülerInnen in den Sommerwochen. 50 Euro deckt die Kosten für Lernmaterialien eines Fellows in der sechswöchigen Sommerakademie.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.