Die Welt retten - so geht das.

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Die Welt retten so geht das. Eine Schulgeschichte von Mathias Kluger


Teach For Austria rekrutiert persönlich und fachlich herausragende HochschulabsolventInnen, die nach einer intensiven Vorbereitung für mindestens zwei Jahre als vollwertige LehrerInnen - Fellows – an urbanen Hauptschulen, Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen unterrichten. Während dieser zwei Jahre werden sie von erfahrenen TrainerInnen begleitet und erhalten eine Leadership-Ausbildung. Ziel ist es, eine Bewegung von Menschen aufzubauen, die sich für Chancengerechtigkeit im Bildungssystem durch die Förderung von Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien einsetzen. Die Fellows sind den SchülerInnen Vorbilder, inspirieren sie durch hoch gesetzte Anforderungen, entfachen Feuer für Bildung und ebnen ihnen dadurch den Weg in eine hochwertige Lehre und/oder in weiterführende Schulen. Neben diesem akademischen und laufbahnrelevanten Wissen geben die Fellows den SchülerInnen insbesondere wichtige soziale Kompetenzen und Werte mit auf den Weg wie Respekt, den Umgang mit Diversität, Konfliktlösungspotenzial, Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten.

Über den Autor: Mathias ist Absolvent der Wirtschaftsuniversität Wien und wirkt als Fellow an einer Neuen Mittelschule in Wien, Simmering.


Die meisten meiner Schüler und Kollegen gehen

jetzt nach Hause. Ich gehe zu den „Ökokids“, wie jeden Donnerstag um 15:50 Uhr. Vor einem Klassenzimmer sehe ich Marcel, der mit dem Klassenvorstand der 3b spricht: „Herr Weingraber, vielleicht können Sie uns ja helfen und darauf achten, dass die Heizung aus ist, wenn Sie die Klasse zumachen.“ Mein Lehrerkollege, der gerade dabei ist, die Tür abzuschließen, verharrt in der Bewegung und schaut verwundert auf. „Wir verschwenden zu viel Energie“, fährt Marcel fort. „Ich hab grad durch die Tür gesehen, dass hier noch die Heizung aufgedreht ist und die Fenster gleichzeitig gekippt sind. Wissen Sie eigentlich, wie viele Planeten wir bräuchten, wenn alle Menschen auf der Welt so leben würden, wie wir hier in Österreich?“ Mein Kollege, dessen Schlüssel immer noch halb gedreht in der Tür steckt, schmunzelt und sagt: „Nein, keine Ahnung.“


„Mehr als zweieinhalb.“ Marcel macht eine kurze Pause. „Aber wir haben nur eine einzige. Deshalb müssen wir was tun und direkt hier in der Schule anfangen.“ Ich unterrichte in Wien in einer Neuen Mittelschule neben Englisch, Turnen, Biologie auch Geografie und wollte an meiner Schule zusätzlich mit den Kindern speziell zum Thema Nachhaltigkeit arbeiten. Warum? Weil ich glaube, dass auch Elfjährige mit schlechten Startbedingungen Veränderung bewirken können. Dass jeder, ganz egal wo er ist, Verantwortung für die Umwelt trägt und sie nutzen kann, wenn er weiß, wie das geht. Deshalb habe ich eine freiwillige Übung entwickelt: die „Ökokids“. Immer am späten Donnerstag, eigentlich schon nach Schulschluss. Ich hatte nicht mit allzu viel Interesse gerechnet, doch 13 Schülerinnen und Schüler aus den zweiten Klassen sind jede Woche mit Begeisterung dabei. Wenn ich zu den Ökokids komme, herrscht meist schon emsiges Treiben. Heute knien zwei Schüler vor der Heizung und untersuchen den Thermostat. Ein paar


Kinder sitzen auf dem Boden über ein Plakat gebeugt. Andere bemalen große, grüne Zettel mit den Worten „Altpapier“ und „Restmüll“. Eine weitere Gruppe wieder unterhält sich quer durch das Klassenzimmer. Was für andere nur wie Chaos aussieht, zeigt mir, dass die Kinder sich alle schon mit ihren Aufgaben befassen. Fast unbemerkt komme ich zum Pult, und erst als Karl den andern zuzischt: „Der Herr Kluger ist da“, schauen weitere Schüler auf, rufen sofort: „Was machen wir heute?“ „Wir sprechen heute noch einmal über die Präsentation von letzter Woche. Und hallo auch erstmal.“ Die Kinder drehen sich von ihren Plätzen aus nach vorne, und wir fangen direkt an: „Erzählt mal, jetzt so mit ein paar Tagen Abstand, wie hat euch denn selbst unser Vortrag zum Ökologischen Fußabdruck in der 3b gefallen? Die sind ja immerhin ein Jahr älter als ihr.“ „Ich fand es super, dass wir so ein tolles Feedback bekommen haben, aber es gibt noch ein paar Sachen, die wir besser machen können beim nächsten Mal“, eröffnet Karl selbstkritisch.


„Dass wir da als Gruppe alle zusammen standen und präsentiert haben, das war so wie in einer echten Mannschaft“, sagt Merve. „Jeder konnte zu seinem Thema was sagen und die fünfzig Minuten waren total schnell um“, sagt Mehmet. „Gut“, sage ich, „und glaubt ihr, dass die Schüler in der anderen Klasse verstanden haben, was sie machen können, um ihren eigenen Ökologischen Fußabdruck kleiner zu machen?“ Für einen Moment herrscht Stille, dann sagt Fabia: „Also, ich glaube schon, dass die kapiert haben, dass jeder was tun kann: Müll trennen, stoßlüften statt dauerlüften, richtig ausschalten statt Stand-by-Modus, Heizung runter drehen und so. Wir waren da ja fast so kleine Öko-Sheriffs“. Die Klasse lacht. Dann von Merve: „Ich habe in der Pause gehört, dass die jetzt tatsächlich viel mehr drauf achten, dass sie in der Klasse Altpapier und Restmüll in den zwei Mistkübeln richtig trennen.“ Ich muss selbst gar nichts mehr sagen, die Ökokids diskutieren den Vortrag von letzter Woche ganz allein. Ich mache die Augen zu und lausche in die Klasse. Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „natürliche Ressourcen“,


„Problembewusstsein“ und „Ökologischer Fußabdruck“ fliegen hin und her; die Kinder benutzen sie mittlerweile ganz natürlich. Als wir uns zu Beginn des Schuljahres trafen, war das noch etwas anders. „Was machen wir denn bei den „Ökokids“ überhaupt?“, fragte Karl, als wir uns das erste Mal nach Schulschluss trafen. „Was wollt ihr denn machen? Ihr habt doch bestimmt einen Grund, weshalb ihr hier seid“, fragte ich die Schüler. „Sie haben gesagt, dass wir hier die Welt retten können.“ Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das so nie gesagt hatte, aber gut. „Die Welt retten: Habt ihr denn eine Idee, wie das geht?“ Zugegeben, eine große Frage. Aber als auch nach einer Minute noch nichts kam, gab ich ein paar Standardbeispiele, um den Schülern mit ein paar Ideen für den Start zu helfen. Ich fing an mit: „Die Sommerferien sind doch gerade erst vorbei. Wer von Euch ist denn in


den Urlaub geflogen? Wer von Euch ist mit der Bahn gefahren?“ Als ich mit der Frage fertig war, bereute ich sie auch schon. Ich hatte den Kontext meiner Schüler nicht mitgedacht. Die Antworten waren entsprechend: „Ich bin noch nie geflogen.“ „Wissen Sie eigentlich, was Bahnfahren mit einer ganzen Familie kostet?“ „Wir fahren nie in den Urlaub.“ Ich versuchte es also mit etwas anderem: „Wie oft badet ihr denn in Eurer Familie zuhause?“ Wasserverbrauch ist immer ein gutes Beispiel für den Einstieg. Erneutes Schweigen. Dann die Aufklärung durch Michael: „Herr Kluger, wir haben zuhause keine Badewanne, wir haben nur eine Dusche“. Mit diesen Antworten hatte ich nicht gerechnet. Ich war mir auf einmal gar nicht mehr sicher, ob ein Thema wie Nachhaltigkeit für meine Schüler überhaupt relevant war. Aber im Gegenteil: die Kinder fragten begeistert: „Wie können wir denn jetzt die Welt retten?“ Aus dem Bauch heraus, ohne lange zu überlegen, antwortete ich: „Wisst ihr was? Wir können hier und jetzt zusammen anfangen rauszufinden, wie das geht.“


Dann sind wir durch die Schule gegangen und haben geschaut, ob alle Mistkübel klare Schilder haben: Altpapier oder Restmüll. Wir haben geschaut, ob die Heizungen überall zugedreht sind, wenn gelüftet wird. Und dann sind wir zusammen mit dem Schulwart in den Heizungskeller der Schule gegangen, um zu schauen, wie die Schule mit dem Thema Energie umgeht und ob wir nicht auch den Ökologischen Fußabdruck der Schule verkleinern können. Und gerade dieser kleine Ausflug in den Heizungskeller hatte eine große Wirkung. Zwischen all den Rohren und Kesseln, Hebeln und Rädern wuchs bei den Schülern – auch im übertragenen Sinne – eine Vorstellung davon, dass man die Dinge auf dieser Welt tatsächlich verändern kann – wenn man nur weiß, an welchen Rädern man drehen und an welchen Hebeln man ziehen muss. Wir stiegen aus dem Heizungskeller, und die Ökokids waren sich einig: „Wir wollen allen in der Schule erzählen, wie einfach es ist, die Welt zu retten.“ So entstand die Idee einer Vortragsreihe von Schülern für Schüler zum Thema Nachhaltigkeit.


„Aber Herr Kluger“, unterbricht Mehmet meinen Gedanken, „wie fanden Sie denn selbst den Vortrag letzte Woche? Sie waren doch auch mit dabei.“ „Ich fand den Vortrag auch schon ziemlich super. Vielleicht 90 %. Beim nächsten Vortrag kommen wir aber bestimmt auf die 100%. Was ich aber viel wichtiger finde, ist, dass ihr das alles wirklich verstanden habt, was ihr da erzählt. Denn das ist sehr wichtig. Ihr wisst ja…“ „…Schüler sind die Konsumenten und Entscheidungsträger von morgen. Wenn man Dinge wirklich verändern will, muss man sie auch wirklich verstehen. Wenn man etwas verändern will, muss man bei sich selbst und seinem Umfeld anfangen“, fällt die Klasse mir geschlossen ins Wort und alle grinsen mich an. Ich frage mich, ob ich diese drei Sätze nicht vielleicht doch etwas zu oft wiederholt habe.

Plötzlich ist es schon wieder zwanzig vor fünf und die wöchentlichen fünfzig Minuten vorbei. Die Schüler kommen zu dem Abschlussritual zusammen. Wir


stehen im Kreis, halten uns an den Händen und rufen „Ökooooooo“, dann reißen wir die Hände nach oben und rufen „Kiiiiiiiiids!“ Dann stürmen alle Kinder aus der Klasse, um die Welt zu retten. So geht das.


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