Nr. 4 Saison 23/24 – Very British

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CHF 5

VERY BRITISH 22./23.11.2023 19.30 UHR

STADTCASINO BASEL

PROGR A MM-MAGAZIN NR. 4 SAISON 23/24

Sinfonieorchester Basel Daniel Hope, Violine Ivor Bolton, Leitung


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SINFONIEKONZERT

V ERY BRITISH

Liebes Konzertpublikum Im August feierte der Geiger Daniel Hope seinen 50. Geburtstag mit 50 Konzerten beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Dabei zeigte er nicht nur sein musikalisches Können in einer Bandbreite von Barockmusik über Jazz bis zu Raritäten der Neuen Musik. Hope ist auch ein begnadeter Entertainer, der nicht zuletzt mit seinen charmanten Modera­t ionen in Radio und Fernsehen omnipräsent ist. Eine Herzensangelegen­ heit ist ihm die Musikvermittlung an die nächsten Generationen. So hat er gerade mit hundert Kindern unter dem Motto ‹Die jungen Wilden› zusammen gespielt. Genauso wichtig ist ihm aber auch die eigene Familiengeschichte. In seiner Spuren­suche Familienstücke erzählt er von den berührenden Schicksalen seiner Vorfahren im 20. Jahrhundert.

Vor unserem nächsten Abonnementskonzert wird er aus seinem Buch lesen und im Anschluss Edward Elgars Violin­ konzert mit unserem Orchester unter der Leitung von Ivor Bolton zur Aufführung bringen. Lassen Sie sich diese nachträgliche Geburtstagsfeier nicht entgehen! Herzliche Grüsse

Hans-Georg Hofmann Künstlerischer Direktor

Ivor Bolton Chefdirigent


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INH A LT

Ü BERSICHT DER SY MBOL E Diese Institution verfügt über eine Höranlage Nummerierte Rollstuhlplätze im Vorverkauf erhältlich Das Sinfonieorchester Basel verwendet ­ eschlechtergerechte Formulierungen und g weist Autor*innen bei der Vergabe von ­Textaufträgen im Vorfeld darauf hin. Es steht den Autor*innen jedoch frei, ihre Texte ­i ndividuell zu gestalten.

PROGR A M M

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EDWA R D ELG A R Konzert für Violine und Orchester h-Moll

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PORTR ÄT Daniel Hope, Violine

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A N TON Í N DVOŘ Á K Sinfonie Nr. 8 G-Dur, Englische

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I N TERV IE W Ivor Bolton, Leitung

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RÜCK BL ICK

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FA MIL IENGESCHICHTEN von Sigfried Schibli

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ORCHESTER FA MIL IEN Annemarie & Dorothee Kappus

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L E X IKON DES ORCHESTERS von Benjamin Herzog

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I N ENGL ISH by Bart de Vries

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V ER EI N ‹F R EU N DESK R EIS ­S I N FON IEORCHESTER BASEL ›

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I M FOK US

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DEM NÄCHST

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VORV ER K AU F

© Daniel Waldhecker

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Der Geiger Daniel Hope ist Solist im Sinfoniekonzert ‹Very British›.

VORV ER K AUF, PR EISE U ND INFOS VORV ER K AU F

Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch Billettkasse Stadtcasino Basel Steinenberg 14 / Tourist Info 4051 Basel +41 (0)61 226 36 30 tickets@stadtcasino-basel.ch Sinfonieorchester Basel +41 (0)61 272 25 25 ticket@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch Z UG Ä NGL ICHK EIT

Das Stadtcasino Basel ist rollstuhlgängig und mit einer Induktionsschleife versehen. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.

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• Junge Menschen in Ausbildung: 50 % • AHV/IV: CHF 5 • KulturLegi: 50 % • Mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5 • Begleitpersonen von Menschen, die für den Konzertbesuch eine B ­ egleitung beanspruchen, haben f­ reien Eintritt. Die Anmeldung e ­ rfolgt über das Orchesterbüro. GEHÖRSCH U TZ

Gehörschutz ist an der Abendkasse ­ sowie am Welcome Desk im Foyer des Stadt­casinos Basel erhältlich.


PROGR A MM

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V ERY BRITISH Mi, 22. November 2023, 19.30 Uhr Do, 23. November 2023, 19.30 Uhr Stadtcasino Basel, ­Musiksaal Edward Elgar (1857–1934):

Konzert für Violine und Orchester h-Moll, op. 61 (1910) I. II. III.

Mi & Do, 18.45 Uhr, Hans Huber-Saal: ­ onzerteinführung mit Hans-Georg K ­Hofmann und Daniel Hope Mi, 22.11.: Im Anschluss an das Konzert ­ ritikerrunde mit Benjamin Herzog im K Hans Huber-Saal

ca. 48’

Allegro Andante Allegro molto

PAUSE

Antonín Dvořák (1841–1904):

Sinfonie Nr. 8 G-Dur, Englische, op. 88 (1889) I. II. III. IV.

ca. 34’

Allegro con brio Adagio Allegretto grazioso – Molto vivace Allegro, ma non troppo

Sinfonieorchester Basel Daniel Hope, Violine Ivor Bolton, Leitung

HÖR’ REIN

Konzertende: ca. 21.50 Uhr


ZUM W ER K

EDWA R D ELG A R Konzert für Violine und Orchester h-Moll

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A LLERHÖCHSTE ­A NSPRÜCHE

VON OT TO H AGEDOR N

Wer kennt sie nicht, die Melodie von Edward ­Elgars erstem Marsch aus Pomp and Circumstance? Alljährlich ist sie einer der Höhepunkte der legen­dären Londoner ‹Last Night of the Proms›.

Die Lebensverhältnisse, in denen Elgar aufwuchs, liessen seinen späteren Ruhm nicht erwarten. Sein Vater, ein Musika­ lien­händ­ler in Worcester, konnte E ­ dward keinen regel­mässigen Musik­unterricht ermöglichen. Sein Beruf aber war für den Sohn Glück im Unglück, wie der Kom­­ponist sich später erinnert: «Als ich mich entschie­den hatte, Musiker zu werden, […] blieb mir nur übrig, mich selbst zu unterweisen. Ich […] lernte einen Gross­teil über Musik durch die Flut an Musikalien, die durch die Firma meines Vaters gingen. Ich las alles, spielte alles und hörte alles, was ich be­kom­ men konnte. Ich bin ein Autodidakt auf dem Gebiet der Harmonie, des Kontra­ ­punkts, der Form und, kurz gesagt, bei allem, was das ‹Geheimnis› der Musik ausmacht.» Elgar arbeitete lange und hart an seiner Kompositionstechnik, bis sie aller­ höchs­ten Ansprüchen genügte. Erst im Alter von 42 Jahren erreichte er dieses Ziel – mit den Enigma-Variationen aus dem Jahr 1899. Dann ging es Schlag auf Schlag: Der Land of Hope and Glory-Hit folgte 1901 und wenige Jahre später die Sinfonie Nr. 1, mit der sich Elgar endgültig als bedeutendster Komponist Englands seiner Zeit durchsetzte. Als der weltweit gefeierte Geigenvirtuose Fritz Kreisler 1905 in London gastierte, gab er ein Zeitungsinterview und erstaunte die Leser*innen mit fol-


Z U M W ER K

EDWA R D ELG A R

© akg-images / UIG / Universal History Archive

genden Worten: «Wenn Sie wissen wollen, wen ich für den grössten lebenden Komponisten halte, sage ich ohne zu zögern Elgar […]. Ich stelle ihn meinen Idolen Beethoven und Brahms gleich. Er stammt aus derselben aristokratischen Familie.» Zwei Jahre später bat Kreisler den von ihm so Verehrten persönlich, ein Violinkonzert für ihn zu komponieren. Elgar fühlte sich geschmeichelt, und so konnte Kreisler 1910 als Solist in London die Uraufführung spielen. Dass das klangsüffige Werk weniger populär ist als Elgars Cellokonzert, liegt vor allem an seiner Spieldauer von rund 50 Minuten – eine Parforcetour für die Solist*­i nnen: technisch, gestalterisch und rein konditionell.

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Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Westdeutschen Rundfunks Köln (WDR)

Sir Edward William Elgar (1857–1934)

Konzert für Violine und Orchester ­h-Moll BESE TZ U NG

2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 3 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauke, Streicher ENTSTEHUNG 1907–1910 U R AU F F Ü H RU NG

10. November 1910 in London mit dem London Symphony Orchestra und Fritz Kreisler als Solist unter der Leitung des Komponisten DAU ER

ca. 48 Minuten


PORTR ÄT

DA NIEL HOPE Violine

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EIN V IRTUOSE DER HEUTIGEN W ELT

VON BENJA MI N F R A NÇOIS

Diesen August hat Daniel Hope gerade seinen 50. Geburtstag gefeiert. Der umtriebige Geiger spielt im November mit dem Sinfonieorchester Basel im Stadtcasino Basel das Konzert für Violine und Orchester h-Moll, op. 61, von Edward Elgar. Ein Porträt des enga­ gierten Weltbürgers.

Nichts hält den Music Director des Zürcher Kammerorchesters zurück: Seit September 2017 leitet Daniel Hope auch das New Century Chamber Orchestra in San Francisco. Er hat sich einen Namen gemacht als unterhaltsamer Mode­rator für Radio und Fernsehen sowie als Kurator beim Lübeck-Musikfest oder bei den Konzerten in der Dresdner Frauen­ kirche. Welche Energie treibt den Spitzengeiger an, auf so vielen Schauplätzen präsent zu sein? Die Antwort liegt zum Teil in H ­ opes familiären Wurzeln. Nach seinem Glauben gefragt, antwortet er schlagartig: «Ich bin südafrikanisch-irischer Katholik mit protestantischer sowie jüdischer Verschmelzung!» Die jüdischen Gross­ eltern mütterlicherseits waren vor den Nationalsozialisten aus Berlin ins Exil nach Südafrika geflohen. Anfang 1974 – Daniel war noch ein Dreikäsehoch – wählte die Familie zunächst Paris und dann London als neue Heimat, wo Daniels Mutter, Eleanor Hope, als persönliche Assistentin von Yehudi Menuhin arbeitete. Einige Jahre später (von 1980 bis 1996) wurde die Musik­managerin Leiterin des Menuhin Festi­vals in Gstaad. Daniel freundete sich mit Menuhins Enkelkindern an und ver­k ündete bald, er wolle Geiger werden. Der Besuch der Yehudi Menuhin School war für ihn nahe­l iegend, und er machte sich bald die Violinkonzerte von Beethoven und


Mendelssohn zu eigen. Anschliessend studierte er am Royal College of Music in London und an der Lübecker Musik­ hochschule u.a. bei Zakhar Bron (einem Schüler von Dawid Oistrach), der wie viele grosse Musiker*­i nnen an der berühmten, von Hope heiss geliebten Geigenschule Pjotr ­Stoliarskis in Odessa studiert hatte. Das Debüt von Daniel Hope liess nicht lange auf sich warten: Schon mit fünfzehn Jahren trat er in Finnland mit Mendelssohn Bartholdys e-Moll-Violinkonzert auf. Es begann eine enge Zusam­ menarbeit mit Yehudi Menuhin: In den folgenden elf Jahren traten beide gemeinsam – Menuhin als Dirigent und Hope als Solist – bei über sechzig Konzerten auf. Eine unglaubliche Erinnerung für den Solisten Hope muss Menuhins letztes Dirigat am 7. März 1999 in Düsseldorf gewesen sein, fünf Tage vor seinem Tod. 2007 erwarb Daniel Hope eine Geige des Meisters von Gennaro Gagliano aus Neapel (1769). Diese – man glaubt es gern – sei ihm sehr viel mehr wert als ihre geschätzten 250 000 Pfund. Sie hatte nicht nur sein Timbre als Solist bestimmt, sondern war ab 2002 auch sein Instrument als jüngstes Mitglied des hoch angesehenen Beaux Arts Trio. Nach über vierhundert Konzerten in seiner letzten Formation – eine der stärksten in seiner Geschichte – zog sich das Trio 2005 aus dem Konzertleben zurück, was es Hope ermöglichte, sich verstärkt solistisch zu engagieren. Doch Daniel Hope wäre nicht er selbst, wenn er sich mit seiner Virtuosität begnügte. Der international renom­ mierte Musiker initiierte eine Reihe von kühnen Projekten: Mit dem Schauspieler Klaus Maria Brandauer entstand ein Programm mit Texten von Dietrich Bonhoeffer, und er trat mit indischen Instrumenten wie der Sitar, der Tanpura oder der Tabla auf – zweifellos beein­ flusst durch die legendäre Kooperation seines Meisters Menuhin mit Ravi Shankar. In eindrücklicher Erinnerung blieben seine ‹Tu was!›-Benefizkonzerte:

DA N I EL HOPE

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© Daniel Waldhecker

P ORT R ÄT

Anlässlich des 70. Jahrestags der Reichs­ pogromnacht trat er mit Sol Gabetta, Thomas Quasthoff und Till Brönner im ehemaligen Flughafen Tempelhof auf. 2010 rief er im Rahmen der Mecklenburg-Vorpommern-Festspiele zum Handeln gegen den Klimawandel auf. Als einer der ersten Künstler*­ innen setzte sich der Weltbürger Daniel Hope im Februar 2022 für den Frieden in der Ukraine ein und veröffentlichte bereits am ersten Tag des Kriegs eine deutliche Erklärung in den sozialen Netz­werken. Drei Tage später gab er mit dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov ein erstes Friedenskonzert. Laut Hope könne Musik nicht die Lage der Welt verändern, aber sie könnte die Gesellschaft dazu bringen, einen offenen Geist zu bewahren. So entstehe der Raum für Dialoge.


ZUM W ER K

A NTONÍN DVOŘ Á K Sinfonie Nr. 8 G-Dur, Englische

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MUSIK A LISCHE U NBESCH W ERTHEIT

VON T IL L A CLÜSSER AT H

Als Antonín Dvořák 1890 und 1891 seine 8. Sinfonie präsentierte, schlug ihm gleichermassen Jubel wie Enttäuschung entgegen. Eine begeisterte Anhängerschaft begrüsste das neue Werk, das mit seiner melodischen Fülle die engen Grenzen streng gebauter Sinfonien überflügelt. Brahms dagegen sah in ihr mehr «Fragmentarisches, Neben­sächliches», keine «Hauptsachen». Ein Richtungsstreit also? Vielleicht. Zumindest steckte Dvořáks Entscheidung dahinter, sich vom Vorbild Brahms zu emanzipieren. Als er in den 1870er-­ Jahren Johannes Brahms begegnete, galt dieser als anerkannte Autorität auf sinfonischem Gebiet. Dvořák orientierte sich zunächst an Beethoven, Brahms und Wagner. Ab der 5. Sinfonie entwi-

ckelte er eine eigenständige Musik­ sprache, die zunehmend volksliedhafte Elemente seiner böhmischen Heimat integrierte. Das Jahr 1889 war fruchtbar für ihn: «Melodien fliegen mir nur so zu», schrieb er an seinen Freund Alois Göbl. Dvořák plante, «ein von meinen anderen Sinfonien verschiedenes Werk» zu schreiben, «mit individuellen, in neuer Weise ausgearbeiteten Gedanken». Die 8. Sinfonie ist berühmt für ihren entspannten Optimismus: Heiterkeit und ungebrochene Lebensfreude künden von einer glücklichen Kom­ ponier­situa­tion im Herbst 1889. Dvořák weilte wieder einmal in seiner Sommerresidenz im böhmischen Dörfchen Vysoká. Dort bestellte er den Garten, züchtete Tauben, unternahm lange Spaziergänge – und hatte ausreichend Musse zum Komponieren. Schon bei den ersten Aufführungen der 8. Sin­fonie in Prag und London bemerkte die Kritik, es sei schlicht unmöglich, «nicht zu fühlen, dass die Musik versucht, sehr verständlich von Geschehnissen ausserhalb ihrer selbst zu sprechen». Diese Phase des «musikalischen Poetisierens» in Dvořáks Schaffen (so Klaus Döge) war neu und ging einher mit einer Lockerung traditioneller Muster. So schimmert in der Achten die ­Sonatenhauptsatzform nur noch hie und da hindurch, im Finale vernetzt sie sich gar mit der Variation, rhapsodisch


Aneinandergereihtes verdrängt sinfonische Verarbeitung. Insbe­sondere die Briten schätzten Dvořák sehr: 1891 verlieh ihm die Universität von Cambridge die Ehrendoktorwürde, und 1892 wechselte der Komponist zum englischen Verlag Novello – daher der Beiname der Sinfonie ‹Englische›. Der 1. Satz beginnt mit einer kurzen moll-getrübten Introduktion. Der Eintritt des klaren Allegro-Hauptthemas in Dur wird dadurch wirkungsvoll vorbereitet: Wie eine Vogelstimme steigt in der Flöte ein gebrochener Dreiklang in die Höhe. Vorstellbar, dass hier die böhmische Landschaft imaginiert wird. Ein erzählerischer Grundton, schlichte Melodik und eine aufgelockerte Klanglichkeit bestimmen auch das träumerische Adagio, in dem Dvořák in Anlehnung an das kurz zuvor komponierte Klavierstück Auf der alten Burg das imposante Gemäuer vor dem inneren Auge aufscheinen lässt. Vor dem Finale fügt Dvořák ein Scherzo in Form eines stilisierten Walzers ein, der, zwischen schwingender Leichtfüssigkeit und verhaltener Schwermut pendelnd, in ähnlicher Form auch aus der Feder Pjotr Tschaikowskis stammen könnte. Festliche Fanfarenklänge leiten den Schlusssatz ein, der das von den Celli vorgetragene und in böhmischer Volksmusik wurzelnde Thema pointenreich variiert. Dvořák lässt auch hier keine akademische Strenge walten, sondern gestaltet ein vor Temperament schier berstendes Finale mit einem hinreissenden Schluss.

A N TON Í N DVOŘ Á K

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© Wikimedia Commons

Z U M W ER K

Antonín Dvořák (1841–1904) im Jahr 1882

Sinfonie Nr. 8 G-Dur, Englische BESE TZ U NG

2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 3 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauke, Streicher EN T ST EH U NG

1889 in Vysoká u Příbramě (Tschechien) U R AU F F Ü H RU NG

2. Februar 1890 in Prag unter der Leitung des Komponisten DAU ER

ca. 34 Minuten


INTERV IE W

I VOR BOLTON im Gespräch

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DAS W ICHTIGSTE IST DIE ‹R A ISON D’ÊTR E›

VON BENJA MI N HER ZOG

Chefdirigent Ivor Bolton zur französischen DNA des Sinfonieorchesters Basel. Zu typisch britischen Eigenschaften. Und dazu, wie es ab 2025 mit ihm und Basel weiter­gehen soll. BH Ivor Bolton, Sie sind Brite. Ver-

raten Sie mir, was typisch britisch ist?

IB Auf die Musik bezogen war Grossbritannien immer etwas isoliert. Vielleicht haben wir darum Komponisten gerne willkommen geheissen. Denken Sie an Georg Friedrich Händel oder ­Felix Mendelssohn, die gewichtige T ­ eile ihrer Karriere hier absolviert h ­ aben. BH

uch Antonín Dvořák war in A Grossbritannien häufig zu Gast.

IB Genau. Alle diese Musiker stiessen mit ihrer Musik bei uns auf offene Ohren. Eigene Komponisten hat Grossbritannien ja erst ab dem 20. Jahrhundert wieder in nennenswerter Weise hervorgebracht. Es gibt diesen Spruch: Wir hatten Henry Purcell und danach nichts mehr bis Edward Elgar oder Ben-

jamin Britten. Das ist natürlich übertrieben. Was wir allerdings immer hatten, war eine grosse musikalische Amateurkultur. Ab dem 19. Jahrhundert, als Grossbritannien durch die Kolonien zu grossem Reichtum kam, hat sich diese zusammen mit einer reichen Chorlandschaft zu etablieren begonnen. Das sicher ist typisch britisch. BH Hat

diese Offenheit auch im Violinkonzert von Elgar ihre Spuren hinterlassen?

IB Bestimmt. Nehmen Sie den deutschen Dirigenten Hans Richter, ein grosser Wagner-Dirigent, der viel in London dirigiert hat. Für ihn war Elgar der grösste Komponist der Gegenwart. Bedenkt man das, sowie seine Freundschaft mit Elgar, so hört man dieses wundervolle Werk noch einmal mit ganz anderen Ohren.

«Dvořák war bei uns Briten sehr beliebt. Ist es immer noch.» BH Wie steht es um Dvořáks 8. Sinfo­

­nie? Die hat der Komponist selbst ja noch im Jahr ihrer Urauf­f üh­ r­ung auf der Insel dirigiert.

IB Dvořák war bei uns Briten sehr beliebt. Ist es immer noch.


I VOR BOLTON

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© Pia Clodi / Peaches & Mint

I N T ERV I E W


I N T ERV I E W BH

ie Sinfonie trägt den Spitz­ D namen ‹Englische›. Wenn ich Dvořáks Sinfonie und das Violin­ konzert von Elgar nebeneinanderstelle, so höre ich bei beiden eine gewisse Melancholie. Ist das vielleicht eine britische Eigenschaft?

IB Zusammen mit Nostalgie … Ja, viel­ leicht. Elgar war als Melancholiker sicher hochbegabt. Denken Sie an das Cello­ konzert, das ja viel häufiger gespielt wird. Pure Melancholie. Aber dass das eine nationale Eigenschaft von uns ist, glaube ich eher nicht. Im Gegenteil. Wir sind oft sogar etwas überoptimistisch. BH Ihre erste CD mit dem Sinfonie-

orchester Basel, noch bevor Sie als Chefdirigent 2016 hier begon­ nen haben, war eine Aufnahme mit Musik von Hector Berlioz. Dann haben Sie drei CDs mit Musik von Gabriel Fauré aufgenommen. Französisches Repertoire – ein Herzenswunsch?

IB Da kamen mehrere Faktoren zusammen. Ich war vor Basel Chefdirigent des Mozarteumorchesters Salzburg. ­Da haben wir hauptsächlich deutschösterreichisches Repertoire gespielt. Bruckner, Schubert, Beethoven und natürlich Haydn, Mozart. Meine Liebe zu französischer Musik aber ist sehr alt. Als Cembalist habe ich früher viel Couperin oder Rameau gespielt. Als Organist Komponisten wie Vierne, Widor oder Messiaen. Mit den französischen Alben in Basel habe ich also an eine alte Liebe angeknüpft. Und das Sinfonieorchester Basel ist für französische Musik sehr geeignet. Nicht zuletzt wegen der vielen französischen Spieler*innen hier. BH

Das schlägt sich im Klang nieder?

Die Nationalität ist nicht das Wichtigste. Es ist vielmehr eine ‹Raison d’Être›, die unermüdliche Suche nach einem speziellen Klang, wie ich ihn in den hohen französischen Tenören oder Baritonen höre, in den reichen MittelIB

I VOR BOLTON 16

stimmen französischer Barockmusik. Und die Flexibilität im Tempo darf man auch nicht vergessen, ein gewisses ‹Jeu inégal›. BH Diese Saison ist Ihre vorletzte

mit dem Sinfonieorchester Basel. Wie wird es ab Sommer 2025 weitergehen?

IB Ich werde mit dem Orchester sicher weitere Projekte machen. Aber langsam wird man auch älter. (lacht) Ich werde dann 67 oder 68 Jahre alt sein. BH

as ist für einen Dirigenten doch D kein Alter!

IB Natürlich nicht. Aber ich habe die letzten Jahre schon sehr hart gearbeitet. Bis zu fünfzig Wochen pro Jahr. Da kann ich auch mal ein bisschen kürzer treten.


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© Heritage-Images / Jewish Chronicle Archive / akg-images

RÜCK BLICK

Sir Edward Elgar und Yehudi Menuhin nach der Aufnahme von Elgars Violinkonzert in h-Moll in London, bei der der Komponist selbst dirigierte (1932)


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FA MILIENGESCHICHTEN

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HOPE, MENUHIN, GSTA A D

VON SIGF R IED SCHIBL I

Wenn ich den Namen Hope höre, denke ich an Yehudi Menuhin und an Gstaad. Dieser nicht ganz selbstver­ ständliche Reflex hängt damit zusammen, dass Lord Yehudi Menuhin, der weltbekannte Geiger und Humanist, Gründer und künstlerischer Kopf des Menuhin-Festivals in Gstaad, eine enge Mitarbeiterin namens Eleanor Hope beschäftigte. Sie ist die Mutter des Geigers Daniel Hope und leitete in den späten 90er-Jahren das Gstaader Festival. Wie Menuhin hatte sie ihren Hauptwohnsitz in London, und wie dieser hatte sie sich in das Berner Ober­ land verliebt.

Menuhin hatte sich in Gstaad ein Chalet bauen lassen und bereicherte den Kultursommer in Gstaad-Saanen seit 1957, sowohl durch das Engagement namhafter Solistinnen und Solisten als auch durch seine eigene Teilnahme und das Engagement seiner Schwestern ­Hephzibah und Yaltah sowie seines Sohnes Jeremy. Das wäre auch eine musika­ lische Familiengeschichte! 1996 übergab Menuhin die Leitung des immer grösser werdenden Festivals an den Geiger Gidon ­K remer. Nach dessen Rücktritt 1998 übernahmen Peter K ­ eller und Eleanor Hope die Leitung des Festivals. Seit 2002 ist der Basler Cellist und Kulturmanager Christoph Müller erfolgreicher Chef des ‹Gstaad M ­ enuhin Festival & Academy›. Eleanor Hope ist die Mutter des Geigers Daniel Hope. Seit 1975 wirkte sie als Sekretärin, später als Managerin und persönliche Assistentin von Yehudi­ Menuhin (1916–1999), dem sie um die Jahrtausendwende als Festivalchefin nachfolgen sollte. Ihre ursprünglich jüdischen Eltern mit den Namen Klein und Valentin hatten in Berlin gelebt und wurden von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben. Sie hatten sich zwar christlich taufen lassen, doch fehlte ihnen der ‹Ariernachweis›. So wuchs Eleanor in Südafrika auf, wo Daniel­1973 geboren wurde. Anfang 1974 zog die Familie – Eleanor war mit dem Schrift-


FA M I L I ENGESCH ICH T EN

© Wikimedia Commons

HOPE , M EN U H I N, GSTA A D

Das Festival-Zelt des Gstaad Menuhin Festivals

steller Christopher Hope verheiratet – nach Paris und danach nach London. Daniel Hope zeigte von Anfang an ein starkes Interesse an der Musik und vor allem an der Geige. Als die 1946 geborene Eleanor Hope in den Dienst ­Menuhins trat, kam der musikalisch begabte Daniel ganz natürlich in den Dunstkreis des Meisters. Zwei Jahre lang besuchte er die Menuhin-Schule in der Nähe von London; ausgebildet wurde er aber nicht von Menuhin, der keine Zeit zum Unterrichten von Anfängern hatte. Erst mit sechzehn Jahren wurde Daniel Hope Menuhin-Schüler. Selbstverständlich reiste Daniel als Jugendlicher mit seiner Mutter überall­ hin, wo diese und Yehudi M ­ enuhin tätig waren, häufig auch in die Schweiz und ganz besonders nach Gstaad. Achtzehn Jahre lang habe er fast jeden Sommer im Saanenland verbracht, sagte Daniel Hope 2016 in einem Interview. Schon

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seine Vorfahren mütterlicherseits hatten enge Kontakte in die Deutschschweiz unterhalten und dort während des Nazi­ terrors vorübergehend Schutz gefunden. Darüber und über seine keineswegs einfache Familiengeschichte, die so ­t ypisch ist für das komplizierte 20. Jahr­ hundert, hat Daniel Hope ein Buch geschrieben, das durch die Genauigkeit im Ausloten der historischen Hintergründe fasziniert und weit über das Musika­ lische hinaus lesenswert ist: Familienstücke. Eine Spurensuche (Rowohlt Verlag 2007). Auch das Anekdotische kommt darin nicht zu kurz. Folgende Geschichte zeigt Lord Yehudi Menuhin von einer ungewohnten Seite: «Als die Gstaader sich einen grösseren Veranstaltungsort wünschten, weil die Kirche zu klein war, deckte sich das mit den Bemühungen des Gründers, denn er und meine Mutter hatten schon seit Jahren dafür plädiert, einen Konzertsaal zu bauen. Menuhin hatte den grossen Architekten Ieoh Ming Pei, der die Pyramide im Louvre ent­worfen hat, dafür begeistert. Pei hatte die geniale Idee, einen Konzertsaal innerhalb eines Berges zu bauen; als er aber nach Gstaad kam, hatte Menuhin seinen Besuch vergessen und war schon wieder auf Tour. Und die Gstaader hatten sich sowieso entschlossen, eine grosse Wiese zu pachten und ein Zelt aufzustellen.»


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ORCHESTER FA MILIEN

A N NEM A R IE & DOROTHEE K A PPUS im Gespräch

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DOPPELTE STÄ RK E A M ‹K A PPUS-PULT›

«Es gibt kaum eine intensivere Beziehung als diejenige zwischen gleichgeschlechtlichen Geschwistern im ähnlichen Alter.»

VON L E A VAT ER L AUS

Die Schwestern Annemarie und Dorothee Kappus sind beide langjährige Mitglieder des Sinfonie­ orchesters Basel. Ihre ­musikalische Ausbildung sowie den Anspruch an Genauigkeit und Werktreue in der Orchesterarbeit teilen sie sich zwar weitgehend, musikalisch wie privat gehen sie jedoch ihre eigenen Wege.

LV

nnemarie und Dorothee Kappus, A zwei Schwestern, dasselbe In­ strument und dasselbe Orchester, funktioniert das?

DK Ich habe mal gelesen, dass es kaum eine intensivere Beziehung gibt als diejenige zwischen gleichgeschlechtlichen Geschwistern im ähnlichen Alter, natürlich im Positiven wie im Nega­ tiven. Das kann sich auch beim Spielen bemerkbar machen. Im Orchester pflegen wir eine rotierende Sitzordnung – wir beide treffen also nur ein paar Mal jährlich am selben Pult aufeinander. Die Kollegen warnen einander dann jeweils scherzhaft vor dem ‹Kappus-Pult›. (lacht) AK Wenn man als Geschwister im selben Betrieb arbeitet, kann man sich schon mal gegenseitig auf die Nerven gehen. Dann wünscht man sich zuweilen mehr Anonymität, also keine ‹Familie› im Job ... Obwohl wir sehr nahe beiei­ nander wohnen, sehen wir uns privat nicht so häufig. Wir führen sehr unter-


A N N EM A R I E & DOROT H EE K A PPUS

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© Tim Vaterlaus

ORCH EST ER FA M I L I EN


ORCH EST ER FA M I L I EN

A N N EM A R I E & DOROT H EE K A PPUS

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erste Probe im Sinfonieorchester Basel kann ich mich noch genau erinnern: Wir spielten die 4. Sinfonie von Johannes Brahms, und ich bewegte mich als neues Mitglied engagiert zur Musik, bis ich von hinten mit einem Bogenhieb auf die Schulter dazu aufge­fordert ­w ur­de, mich «gefälligst nicht so stark zu bewegen». (lacht) Dieses Erlebnis habe ich verkraftet: Im Juni 2023 feierte ich mein 25. Jubiläum beim Sinfonieorchester Basel! LV Wie ähnlich sind Eure musika-

lischen Vorstellungen?

Wir genossen zum grossen Teil dieselbe musikalische Ausbildung, was sich bis zu einem gewissen Grade auch in unserer musikalischen Vorstellung widerspiegelt, gerade was das Stilempfinden und die Texttreue betrifft. In unserer Spielweise sind wir jedoch ziemlich verschieden. DK Persönlich fühle ich mich in der Welt der Rhetorik und der klaren ­Sprache zu Hause, ich mag Struktur in der ­Musik. Und dürfte ich heute wählen, entschied ich mich wohl für die Barockgeige mit der entsprechenden wunderbaren Literatur. AK Wenn ich zwischen Barockgeige und moderner Geige wählen müsste, würde ich mich für Letztere entscheiden, da ich für mein Empfinden dieses Instru­ ment klanglich besser ausschöpfen kann.

© Tim Vaterlaus

AK

schiedliche Leben, und wenn wir uns treffen, reden wir nicht so viel über das Orchester. LV Wer war eigentlich zuerst da?

Bereits als Studentinnen waren wir beide regelmässig Zuzügerinnen beim damaligen Radio Sinfonieorchester Basel. 1989 erhielt ich dort meine Festanstellung, vorerst mit fünfzig Prozent. Dies geschah durch einen eher ungewöhnlichen – oder sehr glücklichen – Zufall: Ich war noch mitten im Studium, und eine befreundete Studienkollegin wies mich (einen Tag vor der Deadline!) auf die Stelle hin und wollte unbedingt, dass ich mich bewerbe. Sie verfasste mir sogar noch das Bewerbungsschreiben – ich rutschte also buchstäblich da rein! Neun Jahre später trat dann Dorothee ihre Stelle im mittlerweile fusionierten Sinfonieorchester Basel an. DK Vor meiner Orchesteranstellung arbeitete ich einige Jahre freischaffend und spielte viel Kammermusik. An ­meine AK

LV

onntet Ihr einander als SchwesK tern beflügeln?

DK Ich hatte mich als Kind in die Viertelvioline von Annemarie verliebt und mich so für die Geige entschieden. Es kann zwar hemmend sein, immer eine ältere Schwester vor der Nase zu haben, die in allem zwei Jahre voraus ist, gleichzeitig kann es aber auch inspirieren. Zum Beispiel wurde ich dadurch beflügelt, dass ich durch häufige Konzertbesuche das Orchester und damit auch die Mitglieder sowie Kolleg*­i nnen meiner Schwester schon vor meiner Anstellung kennenlernte.


ORCH EST ER FA M I L I EN

A N N EM A R I E & DOROT H EE K A PPUS

Und ich lernte durch Dorothees Freelancing einige interessante Musiker*innen kennen.

mit einem Cellisten aus dem Opernhaus Zürich und einer Kollegin aus unserem Orchester.

AK

LV Feiert

Ihr Konzerterfolge gemeinsam?

DK Unterschiedlicher könnten wir hier gar nicht sein! Ich teile das Glücksgefühl nach einem Konzert gerne noch mit den Kolleg*innen in einer Bar bei einem Bier. AK Weil ich nach einem Konzert jeweils hungrig bin, geniesse ich den Abend zu Hause beim Kochen und einem Glas Wein.

«Es ging recht wild und laut zu bei uns zu Hause.» LV In Eurer Familie spielen alle ein

Instrument. Das ganze Haus voller Musik ...

Ja, es ging recht wild und laut zu bei uns zu Hause. Wir hatten auch einen Hund, der furchtbar unter diesem Lärm litt und den wir leider weggeben mussten. DK Unsere beiden Schwestern spielen Bratsche und Klavier. Wir übten oft alle gleichzeitig, und unsere Mutter pflegte ihre dreissig Klavier-, Geigen- und Block­ flötenschüler*innen jeweils im offenen Wohnzimmer zu unterrichten. Es war ein Krach von morgens bis abends. Ausserdem probten unsere Eltern zusammen mit zwei anderen Amateurmusikern regelmässig Streichquartett. AK

LV In der laufenden Spielzeit treten

beim Sinfonieorchester Basel mehrere Geschwisterpaare auf. Die Bühne zu zweit zu teilen – wäre das auch etwas für Euch?

Eine Zeit lang haben wir das gemacht und einige Duo-Konzerte auf­ geführt. DK Wir spielten auch ein paar Jahre gemeinsam Streichquartett, zusammen

AK

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«Musik beginnt da, wo die Sprache aufhört.» LV Wie kann Musik Menschen ver-

binden?

Musik besitzt eine universelle Kraft, da sie unsere Seele anspricht. Musik beginnt da, wo die Sprache aufhört. AK Wenn ich eine Zeit lang mit Menschen zusammen bin, die sich gar nicht für Musik interessieren, fühle ich mich manchmal etwas fehl am Platz. Ich bin dann bisweilen ganz froh, zurück in meiner gewohnten Umgebung zu sein, in welcher Musik eine Rolle spielt. Man spürt, wenn Musik als verbindendes Element fehlt. DK Du möchtest gerne mit Menschen zusammen sein, für die Musik eine Rolle spielt. AK Nicht nur. Aber auf die Dauer würde mir andernfalls wohl etwas fehlen. DK Mir geht es genauso. DK


LEX IKON DES ORCHESTERS

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N W IE NOTEN

VON BENJA MI N HER ZOG

Ohne Noten keine Musik? Falsch! Menschen musizieren seit Urzeiten. Die Notenschrift aber wurde erst vor etwa 1000 Jahren erfunden. Eine relativ junge Erscheinung. Bei traditioneller Musik oder bis zu einem gewissen Grad bei Jazz und Popmusik sind Noten auch heute eher die Ausnahme. Anders bei einem Sinfonieorchester. Noten braucht es, weil Sinfonien, Opern, Konzerte einen grossen Grad an Komplexität haben. Weil sie, zumindest bei ihrem Erscheinen, neu waren. Und Notendrucke ermöglichten es, Werke in der Musikwelt herumzuschicken und sie für die Nachwelt zu konservieren. Gewiss: Ein Hornist kann sein Solo wahrscheinlich auswendig, so wie die Cellogruppe eine exponierte Phrase. Das hilft der Konzentration, dem Kontakt zur Dirigentin, zum Kollegen. Doch gilt: Ohne Noten keine sinfonische Musik. Die Personen, die sich um die Noten eines Orchesters kümmern, sind die Bibliothekar*innen und Archivar*innen. Ein geflügeltes Wort sagt: «Der Bibliothekar ist wie die Luft. Er ist unsichtbar. Erst wenn er fehlt, merkt man es.» Es gibt Leihnoten und Kaufnoten. Kaufen muss nicht teurer sein als eine Ausleihe. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Die Verlage jedenfalls, so hört man aus den Bibliotheken, verleihen lieber, als zu verkaufen. Noten bestehen nicht nur

aus dem Gedruckten. In ihnen steckt, dank zahlreicher Eintragungen wie ­Bogenstrichen, dynamischen und agogischen Angaben, auch ein Stück Aufführungsgeschichte. Bei Puccini oder Mahler kann das bis zur Uraufführung zurückgehen, was einen unerhörten Wert d ­ arstellt. Bei älterer Musik dagegen, ­Mozart oder Haydn, ist bis vor wenigen Jahrzehnten aus Drucken gespielt worden, die mehr über die Ästhetik ihrer Zeit als über jene der Entstehung aussagen. Sogenannte Urtext-Ausgaben ersetzen heute solche veralteten Ausgaben. Sind sie nicht im Archiv vorhanden, müssen Noten beim Verlag bestellt ­werden. In der Regel geschieht das mit mehrmonatigem Vorlauf. Verlage haben von den Standardwerken des Repertoires immer mehrere Sätze. Eine Bruckner-Sinfonie zum Beispiel kann ja zeitgleich von mehreren Orchestern gespielt werden. Gewisse Bibliothekare erkundigen sich dann, welches Orchester zuletzt aus den Noten gespielt hat. Ein Freischütz aus Dresden, wo Carl Maria von Weber gelebt und gewirkt hat und wo das Werk seit 200 Jahren im Repertoire ist, ist wegen der zusätzlichen Eintragungen von hohem Interesse. Sind die Noten erst da, muss kontrolliert werden, ob sie komplett sind. Koordi­ niert mit der Disposition, also der Stelle, wo die Dienstpläne der Musiker*innen


N W I E NOT EN

© Janine Wiget

L E X I KON DES ORCH EST ERS

erstellt werden. Die gelieferte Besetzung und diese Dienstpläne müssen übereinstimmen. Verlangt eine Sinfonie drei Flöten, sind aber nur zwei Flöten disponiert, kann das heikel werden. Siebzig Jahre nach dem Tod des Komponisten oder der Komponistin, erlischt das Urheberrecht. Tantiemen müssen dann nicht mehr bezahlt werden. Die Noten werden gemeinfrei. So darf zum Beispiel das gesamte Werk Mozarts kostenlos aus dem Netz he­ runtergeladen und gespielt werden. Der juristische Schutz erneuert sich allerdings, wenn eine korrigierte Neuausgabe die vorherige obsolet macht. So hat der Sohn von Béla Bartók, Péter Bartók, nach dem Tod des Vaters eine Neu­ auflage des Balletts Der wunderbare Mandarin veranlasst, in der dreissig bislang fehlende Takte eingefügt wurden. 2015 (Bartok starb 1945) wäre das Urheberrecht der alten Fassung erloschen. Wer aber heute dieses Ballett aufführt, muss diese kostenpflichtige Neufassung spielen. Die Streicher*innen eines Orchesters spielen, anders als die Bläser*­ innen, chorisch. Das heisst, ihre Bogenstriche müssen koordiniert sein. Will man nicht die Striche nehmen, die bereits in den Noten stehen, braucht es hier Extraarbeit. Zunächst werden alte Bogenstriche und sonstige Eintragungen wegradiert. Mit dem Risiko, dadurch

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eine wie auch immer stimmige Tradition mit dem Radiergummi zu löschen. Die Stimmführer*innen der Violinen, Violen, Celli und Kontrabässe richten sodann die Noten in einer speziellen Probe neu ein und stimmen ihre Bogenstriche aufeinander ab. Dann gehen diese Stimmen an die Bibliothekar*­i nnen zurück, die diese Bogenstriche in die restlichen Stimmen übertragen. Zu den Eintragungen, die ebenfalls meist ausradiert werden, gehören Zeichnungen, Blödeleien oder Veränderungen in den Überschriften. So erzählt eine Geigerin, wie ihr in einer Probe des Mozart-Requiems statt des Tuba Mirum ein «Muba Tirum» entgegenblickte. Oder die Eintragung «Beim zweiten Knopf einsetzen!». Gemeint war der Hemdknopf des Dirigenten. Auch solcherlei dokumentiert, auf seine Weise, Aufführungstradition. Die Orchestermusiker*innen dürfen übrigens ihre Noten nicht mit nach Hause nehmen. Auch nicht zum Üben. Die Gefahr, dass sie jemand dort vergisst oder er oder sie krankheitsbedingt ausfällt und somit die Noten für eine*n Ersatzspieler*in nicht parat sind, ist zu gross. Deshalb fertigen Bibliothekar*­ innen digitale Kopien an, die sich jede und jeder, wo auch immer, anschauen kann, um sich vorzubereiten. Gespielt aber wird, immer noch, von Papier. Das nächste Mal: O wie Orchester


IN ENGLISH

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TO BE ENGLISH, OR NOT TO BE

BY BA R T DE V R IES

Outside England, Edward Elgar (1857– 1934) is considered to be a quintessentially British composer. His well-known composition Pomp and Circumstance may have fueled that sentiment. But in his homeland, he was regarded with suspicion until late in his career. Antonín Dvořák (1841–1904) on the other hand, was an esteemed guest in the musical and intellectual circles of Albion. His ‘English Symphony’ testifies to this, although not as much as the name suggests. After a humble musical upbringing in provincial England, Elgar struggled to establish himself as a composer. With jobs as a violinist in regional orchestras and ensembles, a teacher and a helping hand in his father’s music store, he managed to support his family. However, being a Roman Catholic turned out to be a big barrier for his musical talents. Even his wife’s contacts in the higher echelons of society didn’t help him make a name for himself. His first success came at 33 years of age, but it wasn’t the breakthrough he might have hoped for. Eight years later he still complained about lacking money, and he expressed doubts about his career choice. Fortunately, he persevered, and a year later, in 1899, his Enigma Variations brought him the triumph he had longed for. Just like the Enigma Variations – a set of fourteen variations on the socalled ‘Enigma theme’, which each portrays a friend or acquaintance – his Violin Concerto (commissioned in 1909, premiered in 1910) is believed to picture a person, a woman, although opinions are divided as to who it was. His wife Alice Stuart-Wortley is a likely candidate,

but there are others too. Some believe the musical portrait is an amalgamation of several people. The famous British music writer Donald Tovey lamented that this speculation about the person’s identity distracts from the tremendous musical qualities of the piece: “The soul of the music is musical, and we need no further external program.” The first movement is often praised for its engagement between soloist and orchestra, its rich themes (Brahms is never far), and the late but glorious ­entrance of the violin. The second slow movement is characteristically introvert­ ed, even naïve, while the closing Allegro molto is dramatic, and can lay claim on being the first piece to use the so-called ‘pizzicato tremolando’ technique, for which the violinists in the orchestra move a finger of their right hand rapidly back and forth across a string creating an enigmatic, almost sinister backdrop for the soloist. The quality of the piece, in the words of the composer himself, was “awfully emotional”, but he loved it and knew it was good. In contrast to their initial disinterest in Elgar’s work, the English met Dvořák with rapturous enthusiasm. The Czech composer ended up visiting the country nine times. In 1891, on the eve of being bestowed with an honorary doctorate from the University of Cambridge, he performed his Eighth Symphony, which is sometimes nicknamed the ‘English’. Although the thematic material leans heavily on optimistic Bohemian folk music, the symphony got its name from the fact that the composer had it published by Vincent Novello, a British house, which, incidentally, also published Elgar’s works.


V ER EIN ‹FR EU NDESK R EIS SINFONIEORCHESTER BASEL›

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MUSIK V ERBINDET – FR EU NDSCH A FT AUCH

Der Freundeskreis ist eine engagierte Gemeinschaft, die Freude an klassischer Musik sowie eine hohe Wertschätzung gegenüber dem Sinfonieorchester Basel verbindet.

Wir unterstützen die Arbeit der Musi­ ker*innen des Sinfonieorchesters Basel auf vielfältige Weise. Wir tragen dazu bei, in der Stadt und der Region Basel eine positive Atmosphäre und Grund­ gestimmtheit für das Orchester und das Musikleben zu schaffen. Unser Verein stellt für seine Mitglieder ein reichhal­ tiges Programm an exklusiven Anlässen mit dem Sinfonieorchester Basel zusam­ men. Dabei bietet sich die besondere Möglichkeit des direkten Kontakts zu den Musiker*innen. In der letzten Spiel­ zeit konnten wir erstmals zu einer fünf­ teiligen Kammermusikreihe einladen. Für diese Saison planen wir eine ganze Reihe an vergleichbaren Angeboten – eine aktuelle Vorschau finden Sie auf un­serer Website. Als Mitglied erhalten Sie jeweils per Mail Informationen zu den bevorstehenden Anlässen und An­ geboten.

© Benno Hunziker

Wir heissen Sie sehr herzlich will­kommen! ­Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: freundeskreis@sinfonieorchesterbasel.ch oder besuchen Sie unsere Website www.sinfonieorchesterbasel.ch/freundeskreis



IM FOK US

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A DV ENTSKONZERT

So, 3. Dezember 2023, 11 Uhr Stadtcasino Basel, Musiksaal Sinfonieorchester Basel Mané Galoyan, Sopran Mädchenkantorei Basel Marina Niedel, Einstudierung Mädchen ­k antorei Basel John Fiore, Leitung

Opernkomödie und Ballettmusik: Mit Werken von u.a. Nicolai, Puccini und Tschaikowski ergibt sich ein heiterer, zauberhafter Konzertabend, der die Vorfreude auf das Weihnachtsfest steigen lässt. Wir freuen uns auf die renommierte Opernsängerin Mané Galoyan sowie die Mädchenkantorei Basel unter der Leitung des Amerikaners John Fiore, der bereits das Adventskonzert der ­Saison 2021/22 im Stadtcasino Basel dirigierte.

T ICK ETS Sinfonieorchester Basel +41 (0)61 272 25 25 ticket@sinfonieorchesterbasel.ch

PROGR A M M

Otto Nicolai

Ouvertüre und Arie aus der Oper Die lustigen Weiber von Windsor (1849)

Giacomo Puccini

Arie O mio babbino caro aus der Oper Gianni Schicchi (1918)

Bryan George Kelly

Improvisations on Christmas Carols (1969)

Giacomo Puccini

Arie Mi chiamano Mimì aus der Oper La Bohème (1896)

Charles Gounod

Arie Ah! Je ris de me voir aus der Oper Faust (1859)

Pjotr Iljitsch Tschaikowski

Ein Tannenwald im Winter und Schneeflocken­w alzer aus dem Ballett Der Nussknacker (1892)

Florian Walser

Weihnachtsmedley (2022)


DEMNÄCHST W EITER ES KONZ ERT

A DV ENTSKONZERT So, 3.12.2023, 11 Uhr Stadtcasino Basel, Musiksaal Sinfonieorchester Basel, Mädchen­ kantorei Basel, Mané Galoyan, John Fiore CONCERT & CI N EM A

DR EI H ASELN ÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL Sa, 16.12.2023, 15 & 18 Uhr Stadtcasino Basel, Musiksaal Sinfonieorchester Basel, Aurelia Würsch, Adrian Prabava SI N FON I EKON Z ER T

FA N N Y & FELI X Mi, 20.12.2023, 19.30 Uhr Stadtcasino Basel, Musiksaal Sinfonieorchester Basel, María Dueñas, Ivor Bolton G ASTSPIEL

IN LÖR R ACH Do, 21.12.2023, 20 Uhr Burghof Lörrach Sinfonieorchester Basel, María Dueñas, Ivor Bolton W EITER ES KONZ ERT

SILV ESTER KONZERT So, 31.12.2023, 18.30 Uhr Stadtcasino Basel Sinfonieorchester Basel, Chor des Theater Basel, Daniela Fally, Daniel Behle, Delyana Lazarova

34 VORV ER K AU F (falls nicht anders angegeben) Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch www.biderundtanner.ch Billettkasse Stadtcasino Basel Steinenberg 14 / Tourist Info 4051 Basel +41 (0)61 226 36 30 info@stadtcasino-basel.ch Detaillierte Informationen und Verkauf: Sinfonieorchester Basel +41 (0)61 272 25 25 ticket@sinfonieorchesterbasel.ch I MPR ESSU M Sinfonieorchester Basel Picassoplatz 2 4052 Basel +41 (0)61 205 00 95 info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat Künstlerischer Direktor: Hans-Georg Hofmann Redaktion Programm-Magazin: Lea Vaterlaus Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung: Atelier Nord, Basel Illustrationen: Janine Wiget Druck: Druckerei Lutz AG Auflage: 1500 Exemplare


� BASEL Pferd frisst Hut

Musikalische Komödie von Herbert Grönemeyer nach ‹Ein Florentinerhut› nach Eugène Labiche

Musikalische Leitung: Thomas Wise Inszenierung: Herbert Fritsch Sinfonieorchester Basel theater-basel.ch/pferdfrissthut


1920

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