Programm-Magazin Liberté

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Theater Basel

21. 22. Programm-Magazin Nr. 3 | Saison 18/19

Nov.

19.30 Uhr


M i r ja M G i n s b e r G • f i n e a rT j ew e l l e ry

« NOBLES SE OB LIGE »

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Liebes Konzertpublikum

Dies und vieles mehr erfahren Sie in unserem Programm-Magazin. Viel Freude beim Lesen!

Hans-Georg Hofmann Künstlerischer Direktor

Liberté 3 Konzertprogramm 4 Nelson Goerner im Portrait 8 Frédéric Chopin Konzert für Klavier & Orchester Nr. 1 12 Krzysztof Penderecki Agnus Dei 16 Jean Sibelius Sinfonie Nr. 2 Intermezzo 21 Kolumne von Benjamin Herzog 22 Premierengeschichten, Teil 11 25 Vorgestellt Samuele Sciancalepore 30 In English Freedom Vorschau 31 Im Fokus 32 Demnächst

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Kann Musik politisch sein? Sie kann es, und sie kann es doch nicht. Musik wird bis heute immer wieder politisch missbraucht, meistens ohne Einverständnis ihrer Schöpfer, der Komponisten. In unserem dritten Abonnementskonzert stehen Werke von Penderecki, Chopin und Sibelius auf dem Programm. Krzysztof Penderecki, der einzige lebende polnische Komponist, der weltweit Anerkennung geniesst, widmete sein Agnus Dei Kardinal Wyszyński, einem grossen geistlichen Widerstandskämpfer gegen das kommunistische Regime Polens. «Ich bin kein politischer Komponist», sagt Penderecki, «aber die Stücke hatten eine politische Wirkung – nicht durch ihre politische Aussage, sondern über die Emotionen: weil man sich identifizierte.» Doch mit der ‹Kulturrevolution› unter Jarosław Kaczyński wird die polnische Unabhängigkeit momentan immer mehr infrage gestellt. So hört man von inoffiziellen Anweisungen der Regierung, dass mehr polnische und weniger russische Musik auf den Programmen der einheimischen Orchester zu stehen habe. Frédéric Chopin, dem zur Ikone stilisierten polnischen Nationalhelden, hätte das bestimmt nicht gefallen. Die Nationalsozialisten huldigten dagegen Jean Sibelius und verliehen ihm 1935 die Goethe-Medaille. Sibelius schwieg dazu, was ihm auch einige heutige Musikhistoriker noch nicht verziehen haben. Aber hat das Einfluss, wenn wir die Musik hören?

SINFONIEKONZERT


Bild: Benno Hunziker

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VORVERKAUF, PREISE UND INFOS Vorverkauf Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch oder auf www.sinfonieorchesterbasel.ch Zugänglichkeit Das Theater Basel ist rollstuhlgängig. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.

Preise CHF 90/70/50 Ermässigungen Studierende, Schüler, Lehrlinge und mit der KulturLegi: 50% AHV/IV: CHF 5 mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5 Assistenzpersonen von Menschen mit Behinderungen erhalten Freikarten, Rollstuhl-Plätze sind über das Orchesterbüro oder an der Abendkasse erhältlich (ticket@sinfonieorchesterbasel.ch).


SINFONIEKONZERT SOB

Liberté THEATER BASEL

Mittwoch, 21. November 2018 Donnerstag, 22. November 2018 19.30 Uhr 18.30 Uhr: Konzerteinführung mit Hans-Georg Hofmann im Foyer des Theater Basel Krzysztof Penderecki (*1933): Agnus Dei aus Polnisches Requiem (1981) Fassung für Streichorchester von Boris Pergamenschikow (1994)

ca. 43’

Frédéric Chopin (1810–1849): Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll, op. 11 (1830) 1. Allegro maestoso 2. Romanze: Larghetto 3. Rondo: Vivace 3

ca. 8’

PAUS E ca. 45’

Jean Sibelius (1865–1957): Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 43 (1902) 1. Allegretto 2. Tempo andante, ma rubato 3. Vivacissimo 4. Finale: Allegro moderato Konzertende: ca. 21.45 Uhr

Sinfonieorchester Basel Nelson Goerner, Klavier Michał Nesterowicz, Leitung


PORTRAIT Nelson Goerner erzählt

«La routine n’a pas de raison d’être»

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von Silvan Moosmüller

Genève-Cologny. Klaviermusik liegt in der Luft. Unter der hellgelb leuchtenden Villa erstreckt sich der Lac Léman, auf dem Hof vor dem Haupteingang ist ein blauer VW Golf geparkt. Nelson Goerner öffnet die Tür. Bescheiden, höflich, zurückhaltend sei er, wird über ihn gesagt. Das ist Nelson Goerner tatsächlich. Aber auch etwas Entschlossenes ist den markanten, gleichzeitig fast jugendlich wirkenden Gesichtszügen eingeschrieben. Wir trinken Kaffee im Salon. Am Fenster zur Zubringerstrasse stehen zwei Flügel. Bei jenem mit der Aufschrift YAMAHA ist der Deckel aufgeklappt, die weiss-schwarz blinkende Klaviatur scheinbar immer zum Spielen bereit. In Nelson Goerners gepflegtes, bedachtsam gesprochenes Französisch fliesst hin und wieder eine spanische Note ein. Von San Pedro über Buenos Aires nach Genf und wieder um die Welt Als der im argentinischen San Pedro geborene Nelson Goerner Mitte der 80er-Jahre zum ersten Mal nach Genf kam, war dies auch seine erste Reise nach Europa. Er trat sie alleine an, damals ein nicht einmal zwanzigjähriger Student. Das Kochen und Haushalten musste er von Grund auf lernen. Pianistisch war eine solide Basis bereits gelegt. Seine Lehrjahre bei Jorge Garrubba, Juan Carlos Arabian und Carmen Scalcione lagen bereits hinter ihm; soeben hatte Nelson Goerner seinen ersten wichtigen Wettbewerb,

den Franz-Liszt-Wettbewerb, in Buenos Aires gewonnen. Der Zufall wollte es, dass zur selben Zeit Martha Argerich in ihrem Heimatland Argentinien auf Konzerttournee war. Bei ihrem Auftritt in Buenos Aires verfolgte Goerner voller Bewunderung, wie Argerich hintereinander ein Beethoven-, ein Prokofjew- und ein Liszt-Konzert spielte. An einem anderen Abend waren er und seine Kommilitonen eingeladen, der grossen Pianistin vorzuspielen. Argerich war von Goerners Vortrag eingenommen und empfahl dem 17-Jährigen, sein Musikstudium bei Maria Tipo am Conservatoire de musique de Genève fortzusetzen. So reiste Nelson Goerner vor über dreissig Jahren in die Stadt am Lac Léman, wo er sich rasch akklimatisierte und Freundschaften schloss, die bis heute andauern. Sein Leben ist freilich ganz anders als damals. Heute, 49-jährig, ist Goerner Familienvater, unterrichtet am Genfer Konservatorium eine eigene Klavierklasse, gibt Kurse an der Barenboim-Said Akademie in Berlin, tastet sich von Zeit zu Zeit mit Martha Argerich durchs vierhändige Klavierrepertoire, tritt als Kammermusiker mit renommierten Partnerinnen und Partnern auf und wird von der Fachpresse als einer der interessantesten Solo-Pianisten seiner Generation gehandelt. Sein Spiel sei «genauso fähig zu einem atemberaubenden Tempo wie zu leidenschaftlicher Wärme», schrieb die englische Zeitschrift Gramophone zu Goerners


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Bild: MarcoBorggreve


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Einspielung der Hammerklaviersonate. Und das BBC Music Magazine bescheinigte dem argentinischen Pianisten, dass bei ihm «die Poesie so natürlich fliesse wie der Atem».

Diese Offenheit brauche es aber auch als Interpret, ist Nelson Goerner überzeugt: «La routine n’a pas de raison d’être.» Gleichzeitig sei die Gefahr, sich selber zu kopieren, gross – und immer vorhanden. Namentlich im Trubel des Konzertjetsets, erliege man leicht der Versuchung, das ‹Bewährte› zu reproduzieren. Für das Reifen einer Interpretation brauche es aber vor allem eines: Zeit. Zeit, in den Kosmos eines Werks einzutauchen, die Musik immer wieder von Neuem zu ergründen. Und diese Zeit sei keine physikalisch messbare Zeit. Man könne eine Interpretation nicht planen, denn man wisse nie, wohin sie einen führe. Es gebe einen Moment, den man als Interpret instinktiv ergreifen müsse. Dieser Moment aber sei wiederum das Ergebnis jahrzehntelanger, unablässiger Arbeit und Vertiefung. Eine niemals endende Begegnung der eigenen künstlerischen Persönlichkeit mit jener des Komponisten.

Das Handwerk der Kunst Bei unserem Treffen steht Nelson Goerner kurz vor der Abreise nach Warschau, wo er für zwei Wochen als Juror beim Chopin-Wettbewerb im Einsatz ist. Er, der nach dem gewonnenen Franz-Liszt-Wettbewerb 1990 auch den ersten Preis am Concours de Genève davontrug, weiss genau, was solche Wettbewerbe für einen angehenden Pianisten bedeuten. Für seine Karriere waren die gewonnenen Preise wichtige Türöffner. Doch auch das andere Extrem der Gefühlsskala ist ihm vertraut: Ausgerechnet beim Chopin-Wettbewerb schied er vorzeitig aus. An die Enttäuschung und die Leere erinnert er sich noch gut. Entsprechend verantwortungsbewusst sieht er seiner Aufgabe als Juror entgegen. Bei der Bewertung anderer Interpretationen Chopin, de nouveau neige man dazu, seinem subjektiven Mit keinem anderen Komponisten hat Empfinden zu viel Platz zu geben, sich Nelson Goerner länger und besonders, wenn man dieselben Werke intensiver beschäftigt als mit Frédéric über Jahrzehnte für sich erarbeitet habe. Chopin. Das wird aus seiner DiskograZwangsläufig bilde sich eine eigene phie genauso ersichtlich wie aus seiner Vorstellung, an der man das Gehörte Konzertagenda. Chopins Nocturnes und messe. Die Aufgabe des Jurors sei Ballades hat Goerner mehrmals auf darum ebenfalls ein Challenge. Es Tonträger eingespielt. Zuerst 1997 auf komme darauf an, sich einem oft der Debut-CD bei EMI, zuletzt 2017 bei gespielten, vertrauten Werk in der Alpha Classics. Und was fasziniert Interpretation eines anderen möglichst Nelson Goerner bis heute an Chopin? Es unvoreingenommen wieder zu öffnen. sei jene Gleichzeitigkeit von romanti-


Künstlerische Freiheit hingegen, bekräftigt Goerner auf das Konzertmotto ‹Liberté› angesprochen, bedeute für ihn einen unerschöpflichen Raum für die Interpretation, ein Sich-Befreien von bisherigen Kenntnissen, Verdiensten und Vorurteilen. Einen derart undogmatischen Zugang zur historischen Aufführungspraxis hat er beim niederländischen Dirigenten Frans Brüggen schätzen gelernt, mit dem er vor zehn Jahren weniger oft gespielte Werke von Chopin – so etwa die Variationen über La ci darem la mano, op. 2, oder die orchestrierte Fassung des Andante spianato und der Polonaise, op. 22 – auf einem Erard-Fortepiano erarbeitete. Die künstlerische Freiheit spürt Goerner auch in Chopins Erstem Klavierkonzert, das dieser als gerade einmal 20-Jähriger komponierte – eine Lebensphase, in der die wenigsten zu Borniertheit und Dogmatismus neigen. Goerner hat dieses Konzert bereits Dutzende Male gespielt. Dass er sich kopiert, ist aber nicht zu befürchten, zumal es sich beim Auftritt mit dem Sinfonieorchester Basel um eine Premiere handelt. g

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scher Emotionalität und klassischer Eleganz, letztlich eine Paradoxie, die Chopins pianistischen Kosmos regiere. In Chopins Musik spreche sich ein extrem leidenschaftlicher Charakter aus, der durch ein nobles, gleichsam aristokratisches Gespür für die Form temperiert werde. Diese Widersprüchlichkeit zieht Nelson Goerner immer wieder zu Chopin. Dabei habe sich seine Deutung über die letzten dreissig Jahre erweitert, sie sei reicher geworden, resümiert er. Wenn man die Aufnahmen der c-MollNocturne, op. 48 Nr. 1, von 1997 und 2017 vergleicht, fallen bei Letzterer vor allem der ruhigere Fluss des Melos, die geschmeidigere Phrasierung und die variantenreichere Artikulation ins Ohr, mit der Goerner Chopins Musik zugleich zum Sprechen bringt und in der Schwebe hält. Zu dieser Raffinesse hat sicherlich die Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis beigetragen. Eine weitere Chopin-Solo-CD, für die Nelson Goerner 2006 den Diapason d’Or erhielt, nahm er mit einem Fortepiano des Pariser Klavierbauers Pleyel auf, einem zeitgenössischen Instrument von 1848. Dieses Instrument habe ihm neue Horizonte hinsichtlich der klanglichen Transparenz und der Klarheit der Artikulation erschlossen. Für die historische Aufführungspraxis gilt für Goerner indes dasselbe wie für jede andere Interpretation. Sobald sie verabsolutiert werde, sich zum Dogma erhebe, mache sie blind.


ZUM WERK Frédéric Chopin Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll, op. 11

Zurückhaltender Romantiker

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von Christoph Vratz Ambrozy Mieroszewski war Maler. Vermutlich würde die Welt ihn längst vergessen haben, hätte er nicht im Jahre 1829 eine komplette Familie porträtiert. Nicht als Gruppenbild, sondern einzeln: Vater und Mutter, die drei Töchter und den Sohn, Frédéric. Dieser war Komponist und schrieb seine ersten Etüden. Dank Mieroszewski wissen wir heute, wie Chopin damals ausgesehen hat; es ist das früheste Bild, das von ihm erhalten blieb. Chopin trägt ein weites Byron’sches Cape mit überdimensionalem Kragen. Die grossen, dunklen Augen lassen das Gesicht blass in den Hintergrund treten. Die Nase erscheint seltsam gerade, war sie doch in Wirklichkeit deutlich gebogen. Mieroszewski zeigt einen feinen, vornehmen, aber auch ein wenig scheuen Chopin – ein Bild, das überrascht, vor allem wenn man es mit dem späteren Portrait von Eugène Delacroix vergleicht, auf dem Chopin mit wuschiger Mähne als kühner Romantiker dargestellt ist. Doch dieses Jugendbild verrät uns einiges über den Komponisten während seiner letzten Zeit in Warschau, kurz bevor er das Land verliess und sich nach Wien und später nach Paris begab. Etwa über die Scheu, mit der er Konzerte gab. Chopin fürchtete stets, sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Mieroszewskis Bild kündet zugleich von einem gewissen Stolz, von der Konsequenz, mit der Chopin arbeitete. Während seines letzten Studienjahres 1828/29 am Warschauer Konser-

vatorium komponierte er viel. Das Klavier stand spielbereit in seinem Zimmer, gelegen im obersten Stock, und war ihm «Zuflucht». Er schrieb unter anderem das g-Moll-Klaviertrio, das Rondo à la Krakowiak und das f-Moll-Klavierkonzert, sein eigentlich erstes, das aber später als op. 21 und damit als Nr. 2 veröffentlicht wurde. Das e-Moll-Konzert war bereits in Arbeit, als Chopin am 17. März 1830 das f-Moll-Schwesterwerk in Warschau uraufführte. Die Briefe an seinen engsten Jugendfreund Titus Wojciechowksi geben über die Entstehung Aufschluss. So schreibt Chopin am 27. März: «Übrigens beende ich vor den Feiertagen das erste Allegro des zweiten Konzerts»; zehn Tage später: «Ernemann [Professor am Warschauer Konservatorium] war bei mir, er ist der Meinung, dass das erste Allegro im neuen Konzert besser sei». Doch Chopin bleibt vorsichtig. 10. April: «ich glaube, dass mein e-Moll-Konzert in meiner Überzeugung keinen Wert haben wird, bis Du es nicht gehört haben wirst». Am 22. September schliesslich heisst es: «Ich habe mein zweites Klavierkonzert fertiggestellt und komme mir vor dem Werk ebenso unwissend vor wie zu der Zeit, als ich überhaupt noch nicht Klavier spielen konnte. Es ist so eigenartig, dass ich fürchte, es überhaupt nicht zu erlernen.» Diese Zurückhaltung entspricht Chopins Naturell, selten liefert er genauere Beschreibungen. Lediglich am 15. Mai erklärt er seinem Freund den Mittelsatz, von Chopin damals noch als


Bild: Wikimedia Commons

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Fotografie des verschollenen Gemäldes von Ambrozy Mieroszewski (1829)


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Adagio bezeichnet: «Es ist mehr romantisch, ruhig, melancholisch; es soll den Eindruck eines liebevollen Hinblickens auf eine Stätte machen, die tausende von angenehmen Erinnerungen aufsteigen lässt. Es ist wie ein Hinträumen in einer schönen mondbeglänzten Frühlingsnacht. Darum ist denn auch die Begleitung mit Sordinen.» Für den eher Musik-unerfahrenen Freund fügt Chopin hinzu: «Das ist mit Geigen, die durch eine Art von Kämmen gedämpft sind, welche die Saiten umfassen und ihnen einen nasalen, silbernen Ton verleihen.» Der Solist ist der Star Die Zartheit der Beschreibung und das Lyrische in seiner Musik verschleiern, dass es in Chopin zu dieser Zeit gärte. Er wollte weg, Polen den Rücken kehren. Am Konservatorium fühlte er sich immer unzufriedener. Gerade seine jüngsten Konzertreisen nach Wien, Berlin, Prag, Dresden und Breslau hatten ihm gezeigt, dass seine Zukunft nicht in Polen liegen würde. Chopin wollte allerdings noch die Uraufführung seines e-Moll-Konzerts abwarten. Gegenüber Titus Wojciechowksi bekennt er am 4. September: «Ich bin noch verrückter als gewöhnlich. Ich bin noch immer hier; ich habe einfach nicht die Kraft, den Tag meiner Abreise festzusetzen. Es kommt mir vor, ich werde nie mehr nach Hause kommen, wenn ich einmal fortgehe. Ich bilde mir ein, dass ich in der Fremde sterben werde. […] Ich habe das Konzert noch nicht probiert, – wie dem auch sei, vor Sankt Michael [29. September] lasse ich alle meine Schätze im Stich und

werde in Wien sein, verdammt zu ewigem Seufzen.» Am 11. Oktober gibt Chopin sein letztes Konzert auf polnischem Boden. Einen Tag später erstattet er dem Freund Bericht: «Mein gestriges Konzert ist sehr gelungen. Ich beeile mich, Dir dies zu melden. Und ferner melde ich Ihnen, mein Herr, dass ich nicht die geringste Angst hatte. Ich habe so gespielt, als wäre ich ganz allein. Der Saal war voll. Den Anfang machte die Symphonie von Görner. Dann spielte meine Hoheit das Allegro in e-moll, das auf dem Streicherschen Flügel scheinbar ganz von selbst ging. Lebhafte Bravorufe. – Soliva [der Dirigent, zugleich Professor am Konservatorium] war zufrieden. Er dirigierte dann seine Arie mit Chor […] Es folgte dann das Adagio und Rondo und dann die Pause zwischen dem ersten und zweiten Teil.» Das e-Moll-Konzert zählt, ebenso wie das Schwesterwerk, zur Kategorie der Virtuosenkonzerte; der sonst übliche ‹Wettstreit›, das differenzierte Wechselspiel zwischen Solo-Instrument und Orchester, findet hier zugunsten der besonderen Beachtung des Klaviers nicht statt. Auch was den Aufbau der einzelnen Sätze betrifft, gibt es wenig Innovatives zu verzeichnen. Der Solist ist der Star, das Orchester ordnet sich ihm unter. Es beschränkt sich lediglich darauf, zu begleiten bzw. die Vor- und Zwischenspiele des Klaviers einzuleiten. Etwa im 1. Satz, wo in der Tutti-Exposition die drei verschiedenen Themen nach klassischem Vorbild präsentiert werden. Sobald der Solist einsetzt, rückt das Orchester in


den Hintergrund. Es zeichnet den harmonischen Verlauf nach, mehr nicht. Im Vergleich zum Klavier spielt das Orchester die deutlich längeren Notenwerte, meist angeführt von den Streichern, die selten ihre Mittellage verlassen. So ergibt sich ein weicher, warmer Klang, eine Art Teppich, über den das Klavier voranschreitet.

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll, op. 11 Besetzung Solo-Klavier, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Pauken, Streicher Entstehung 1830 Uraufführung 11. Oktober 1830 in Warschau Widmung Dem Pianisten Friedrich Kalkbrenner Dauer ca. 43 Minuten

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Nie wieder nach Polen Während der erste Satz – mit seinen rund 700 Takten einer der längsten des gesamten Repertoires – auf Repräsentation zielt, auf die grosse Geste, erlaubt sich Chopin im Mittelsatz die meisten formalen Freiheiten: Das Langsame wird zum Medium seiner Empfindungen, zum emotionalen Mittelpunkt. Hier wird der Auftritt des Solisten akribisch vorbereitet – wohl auch deswegen wurde dieser Satz bei der Uraufführung separat vorangestellt. Das Klavier übernimmt die Führung, es wiederholt, variiert, verknüpft und umspielt die einzelnen Themen. Das Rondo hat indes eher die Funktion eines heiteren Ausgangs, bei dem der Solist vergnüglich zum Tanz im 2/4-Takt aufspielt – im Vergleich zum Kopfsatz ist hier stärkerer rhythmischer Feinschliff gefragt. Knapp drei Wochen nach der ersten öffentlichen Aufführung, am 1. November 1830, wurde bei den Chopins abends tüchtig gefeiert, ein Festmahl mit Gesang und Musik. Reden wurden gehalten, auf Frédérics Zukunft und auf die Zukunft Polens. Es kam zu einem symbolischen Lebewohl, als Freunde Chopin einen Silberpokal mit polnischer Erde überreichten. Anderen

Tages wartete draussen die Postkutsche. Chopin lud, in Anwesenheit seiner Eltern und Geschwister, noch die letzten Habseligkeiten auf und verliess über Breslau und Dresden sein Heimatland. Zugleich nahm er an diesem Tag Abschied von seiner wohlbehüteten Jugend. Nein, seine Ahnung hatte nicht getrogen: Chopin sollte nie wieder nach Polen zurückkehren. Und: Er sollte kein Konzert für Klavier und Orchester mehr schreiben. In Paris schien die Gattung nicht gefragt. Hier stand der Solo-Virtuose im Mittelpunkt. Seine neue Heimat wurde nicht die grosse Bühne des Konzertsaals, sondern der Salon. g


ZUM WERK Krzysztof Penderecki Agnus Dei aus Polnisches Requiem

Binnen weniger Stunden komponiert

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von Sebastian Urmoneit Krzysztof Penderecki komponierte sein Agnus Dei für achtstimmigen gemischten Chor a cappella, nachdem er am frühen Morgen des 28. Mai 1981 vom Tod seines Freundes und Förderers Kardinal Stefan Wyszyński (1901–1981) erfahren hatte. Der in Polen als ‹Primas des Jahrtausends› Bezeichnete war schon zu Lebzeiten zu einem Symbolträger des geistlichen Widerstands seines Landes gegen das kommunistische Regime geworden. Von dieser Nachricht erschüttert, setzte sich Penderecki an seinen Schreibtisch und schrieb sein Agnus Dei innerhalb weniger Stunden, sodass es bereits am Nachmittag geprobt werden und bei der Begräbnisfeier am 31. Mai in der Johanneskathedrale in Warschau erklingen konnte. Bei der offiziellen Uraufführung am 21. Juni 1982 leitete der Komponist den Chor des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart. Wie das Lacrimosa, so nahm Penderecki auch das Agnus Dei später in sein Polnisches Requiem auf. Auch andere Sätze dieses grossen Chorwerkes sind in memoriam entstanden: So komponierte er das Lacrimosa für seinen Freund Lech Wałęsa und die Solidarnosc im Andenken an den 1970 unter Jaruzelski niedergeschlagenen Aufstand der Danziger Werftarbeiter. Das Recordare, Jesu pie schrieb er 1982 anlässlich der Heiligsprechung des polnischen Franziskanermönchs Maximilian Kolbe, der 1941 freiwillig anstelle eines Familienvaters in Auschwitz den Weg

in den Tod nahm. Das Dies irae ist für die Gedenkfeiern zum 40. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto am 1. August 1944 komponiert worden. Die Anrufung des ‹Lamm Gottes› (Agnus Dei), die den Schlussteil der traditionellen Totenmesse bildet und die abschliessende Bitte um ewige Ruhe für die Verstorbenen formuliert, beginnt in Pendereckis Motette wie eine flehende Litanei mit einer anrührend einfachen Melodie in f-Moll, der Tonart, der Athanasius Kircher in seiner Musurgia universalis von 1650 «einen prächtigen und ernsthafften Affect» zusprach. Penderecki alludiert die polyphone Mehrstimmigkeit des 15. Jahrhunderts. Die Eindringlichkeit des Gebets intensiviert er nicht allein durch eine stetige dynamische Steigerung und das Emporarbeiten in die höchsten stimmlichen Lagen, sondern dadurch, dass er den Tonsatz durch chromatische Nebenstimmen anreichert und schliesslich, beim Textwort «peccata» (Sünden), auf einem 11-Ton-Cluster haltmacht, in dem aus dem chromatischen Total nur der Ton c fehlt: «quasi un grido» («wie ein Schrei»), heisst es an dieser Stelle in der Partitur. Vor der Schlussbitte um die ewige Ruhe für die Verstorbenen kommt die Musik zum Stillstand. Nach der Generalpause gehen die Bässe zu den Worten «Dona eis requiem» («gib ihnen Ruhe») an den Beginn zurück. Mit Varianten des ‹Agnus-Dei›-Motivs klingt die Motette mit den Worten «requiem sempiternam» («ewige Ruhe») ruhig aus.


Bild: Wikimedia Commons

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Das Agnus Dei entstand in der Zeit, als Penderecki seine avantgardistische Tonsprache, seine «Klangforscherzeit», längst hinter sich gelassen hatte. Mit seinen Tontrauben-Experimenten und den daraus gewonnenen Synthesen in Anaklasis für 42 Streicher war dem Komponisten in Donaueschingen im Oktober 1960 der internationale Durchbruch gelungen, doch schon sein Stabat Mater von 1962 wurde von den Vertretern der westlichen Avantgarde mit pauschalen Vorwürfen der Anbiederung und Regression quittiert.

Früher als andere Komponisten seiner Zeit hatte Penderecki erkannt, dass die Avantgarde in ihrem Experimentieren um des Experimentierens willen alt, unfruchtbar, engstirnig und steril geworden war: «Das erkundete Material ist erschöpft. Man hat alles zur Verfügung – kann aus dem Vollen schöpfen. Das ist das Faszinierende von heute: Wir können auswählen, Mittel finden, die nicht mehr neue, nie vorhandene Elemente darstellen, da in diesem Sinne Neues nicht mehr vorstellbar ist. Wir können aber beginnen, anstelle neuer


Agnus Dei aus Polnisches Requiem Besetzung Streicher Entstehung 1981, in der Nacht nach Stefan Wyszyńskis Tod (Fassung für Streichorchester von Boris Pergamenschikow 1994) Uraufführung Fassung für Streichorchester am 4. Dezember 1994 in Krakau durch die Sinfonietta Cracovia unter der Leitung von Boris Pergamenschikow Widmung Zum Tod von Kardinal Stefan Wyszyński (1981) Dauer ca. 8 Minuten

Bild: Benno Hunziker

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Klang-Gags wieder Musik zu machen.» Ausserdem wusste er, dass ein Stück, wie zum Beispiel sein den Opfern von Hiroshima gewidmetes Threnos (1960), eine andere Tonsprache erfordert, als die Vertonung eines sakralen Textes es nahelegt. Penderecki scheute sich nicht davor, Elemente der Tradition aufzugreifen. Dabei hat er, wie an Agnus Dei zu belegen ist, die Clustertechnik seiner früheren Werke nie ad acta gelegt, sondern sie ganz gezielt, zum Zwecke der Musikalisierung eines bestimmten (Text-)Gedankens, eingesetzt. Der mit Penderecki freundschaftlich verbundene Boris Pergamenschikow, 1948 in St. Petersburg geboren und am 30. April 2008 in Berlin gestorben, bearbeitete das Agnus Dei 1994 für Streichorchester. Der bedeutende russische Cellist leitete bei der Uraufführung seiner Transkription am 4. Dezember 1994 in Krakau die Sinfonietta Cracovia. Penderecki richtete dann 2007 selbst eine Fassung der Motette für acht Celli ein, um seine Trauer über den Tod Mstislav Rostropowitschs zum Ausdruck zu bringen. Der Cellist, der ab 1970 auch als Dirigent auftrat und 65 Uraufführungen moderner Musik leitete, hatte am 28. September 1984 das gesamte Polnische Requiem in Stuttgart zur Uraufführung gebracht. g


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Michał Nesterowicz. Biografie auf www.sinfonieorchesterbasel.ch/de/orchester/erster-gastdirigent


ZUM WERK Jean Sibelius Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 43

«Die Musik fängt dort an, wo das Wort aufhört»

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von Egbert Hiller Die Bedeutung der Natur kann in Finnland – dem ‹Land der tausend Seen› – kaum überschätzt werden. Auch Kunst und Musik blieben davon nicht unbeeinflusst. In Finnland entfaltete sich eine sehr eigenständige Musikkultur, für die allerdings nicht nur die Wahrnehmung von Naturphänomenen, sondern auch die geografische Lage am nordöstlichen Rand Europas samt schwieriger politischer Situation im (wechselnden) Herrschaftsbereich von Russland und Schweden eine massgebliche Rolle spielte. Erst 1917 erlangte Finnland seine Unabhängigkeit, der ein längeres Streben nach nationaler Identität vorausging. Im Zuge dieses Strebens formte der finnische Schriftsteller Elias Lönnrot das aus Volksdichtungen und -sagen zusammengesetzte Kalevala, dessen erste Ausgabe 1835 erschien und das zum Nationalepos erhoben wurde. In den Erzählungen dieses Werks, die bis in vorgeschichtliche Zeit zurückreichen, verschmolz die Natur, deren mythische Kräfte das Epos prägen, mit der finnischen Sprache. Durch das Kalevala begann das Finnische denn auch das bis dato dominierende Schwedische, welches als die Sprache der Gebildeten galt, zu verdrängen – was wiederum auf die Musik zurückstrahlte. Zum einen weist der ‹Klang› einer Sprache per se musikalische Qualitäten auf, und zum anderen geriet das Kalevala zu

einer wesentlichen Inspirationsquelle für die Musik. Die erste Komposition mit einem Sujet aus dem Epos stammt von Filip von Schantz (1835–1865). Er plante eine Oper über Kullervo, eine heldenhafte Figur aus dem Kalevala, kam aber aufgrund seines frühen Todes über die 1860 vollendete Kullervo-Ouvertüre nicht hinaus. So blieb es Jean Sibelius vorbehalten, eine ‹nationale› finnische Tonsprache zu begründen. Anfang der 1890er-Jahre, nach seiner Rückkehr von Studienaufenthalten in Berlin und Wien, vertiefte er sich in die Welt des Kalevala. Er sammelte selbst volkstümliche Melodien und schuf 1892 eine sinfonische Dichtung, in der er ebenfalls die tragische Legende um Kullervo vertonte. Mit diesem und anderen Werken reihte sich Sibelius in die Riege jener europäischen Komponisten ein, die sich um 1900 auf ihre kulturellen Wurzeln besannen – und das hing mit erstarkendem Nationalbewusstsein zusammen und wurde gerade in den Ländern virulent, die kulturell und machtpolitisch eher eine Randposition einnahmen oder unter Fremdherrschaft standen. Die Volkssagen und die mit ihnen verbundene Folklore hatten vor diesem Hintergrund eine doppelte Funktion: Sie beflügelten den nationalen Gedanken und bargen als musikalische beziehungsweise in Musik transformierte Sprache das Potenzial, die Tonkunst rhythmisch, harmonisch und melodisch mit ‹unverbrauchtem


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Bild: Wikimedia Commons


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Material› anzureichern oder zu verfremden. In diesem Punkt ist Sibelius mit Béla Bartók in Ungarn und Karol Szymanowski in Polen zu vergleichen, obwohl alle drei in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext zu einem spezifischen Klangkolorit fanden. « … mit vollen Segeln voran ... » Künstlerisch auf das Kalevala festlegen liess sich Sibelius aber nicht. Neben seinen vom finnischen Nationalepos und Naturimpressionen inspirierten Werken legte er den Schwerpunkt seines Schaffens auf Sinfonien, in denen er auf den direkten Einbezug volksmusikalischer Elemente verzichtete. Im Spannungsfeld aus unterschwelligem Nationalkolorit, unbewusster Verarbeitung von Natureindrücken und den Vorgaben der klassischen Tradition verwirklichte er in dieser Gattung sehr eigenwillige Klang- und Formvorstellungen, die ihm den Ruf eines verrätselten ‹Bruckner des Nordens› einbrachten. Er verleugnete die ‹Aura› des Nationalepos in seinen Sinfonien zwar nicht; für diese Gattung, die für ihn den Gipfelpunkt der Tonkunst markierte, lehnte er aber konkrete inhaltliche oder programmatische Vorgaben ab: «Meine Sinfonien sind», so Sibelius, «Musik, die als Ausdruck ohne jedwede literarische Grundlage erdacht und ausgearbeitet worden ist. Ich bin kein literarischer Musiker. Für mich fängt die Musik dort an, wo das Wort aufhört. Eine Szene kann in einem Gemälde, ein Drama in Worten ausgedrückt werden: eine Sinfonie soll zuerst und zuletzt Musik sein. Natürlich habe ich es erlebt, dass sich mir im Zusammenhang mit einem musikalischen Satz innerlich ganz unfreiwillig ein Bild aufdrängte, aber das Samenkorn und die Befruchtung meiner

Sinfonien lagen stets im Rein-Musikalischen.» Trotz dieser klaren Aussage wurde die angemessene Würdigung seines sinfonischen Schaffens von ins Kraut schiessenden und den Kern seiner Schöpfungen verfehlenden inhaltlichen Deutungen stark beeinträchtigt. Dazu kam noch das gnadenlose Urteil Theodor W. Adornos, der als selbsternannter ‹Philosoph der neuen Musik› die Werke von Sibelius als unzeitgemäss apostrophierte und auf die Abraumhalde für überkommenen romantischen Ballast zu verbannen trachtete. Pathetischer Zuschnitt und unmittelbare Gefühlsseligkeit sind jedoch allenfalls in der ersten Sinfonie auszumachen. Bereits in der zweiten Sinfonie kristallisierte sich das für Sibelius charakteristische organische Ineinandergreifen von motivischthematischen und formalen Prozessen heraus. Der musikalische Gehalt forderte geradezu ein individuelles Formkonzept, das klassisch-romantische Modelle von innen aushöhlte. Deutlich wird dies besonders im Kopfsatz, während sich das Finale noch in traditioneller Manier zu feierlichem Tonfall aufschwingt. Entstanden ist die zweite Sinfonie kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert. Von einem Italien-Aufenthalt nach Finnland zurückgekehrt, trug sich Sibelius zunächst mit dem Gedanken, ein Werk nach Dante Alighieri zu schreiben. Dieser Plan wurde aber nie ausgeführt. Stattdessen schrieb er seine zweite Sinfonie, zu der er erste Ideen in Italien gesammelt und skizziert hatte. Über den Fortgang der Arbeit hielt er seinen Vertrauten und Mäzen Baron Axel Carpelan auf dem Laufenden: «Ich habe in einem bitteren Kampf bei den Geburtswehen zu dieser Sinfonie gelegen. Nun ist das Bild viel klarer, und


ich komme mit vollen Segeln voran. Bald hoffe ich etwas zu haben, das ich Ihnen widmen kann, falls es Ihnen gefällt.»

Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 43 Besetzung 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Streicher Entstehung 1901/1902 Uraufführung 8. März 1902 in Helsinki unter der Leitung von Jean Sibelius Dauer ca. 45 Minuten

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« ... herzzerreissender Protest ... » Anfang November 1901 war die Sinfonie zwar so gut wie vollendet, Sibelius wollte aber kurzfristig noch umfassende Veränderungen vornehmen, sodass die für Januar 1902 geplante Uraufführung auf den März verschoben werden musste. Inwieweit politische Auseinandersetzungen zwischen seinem Heimatland und Russland Einfluss nahmen, ist schwer zu beurteilen. Schon auf seiner Italienreise hatte Sibelius von der Drohung Russlands gehört, das finnische Heer als selbstständige Einheit aufzulösen und dem russischen Oberbefehl zu unterstellen. Auch der ungeheure Erfolg, den ihm die Uraufführung der zweiten Sinfonie am 8. März 1902 und drei Folgeaufführungen in Helsinki bescherten, mag darauf hinweisen, dass das enthusiastische Publikum das Werk als Ausdruck nationalen Selbstbewusstseins empfand. Kaum anders ist zu erklären, dass der Triumph der Sinfonie zu einem der denkwürdigsten Ereignisse in der finnischen Musikgeschichte stilisiert wurde. In einem anschliessend veröffentlichten Artikel charakterisierte Robert Kajanus, ein älterer Freund von Sibelius, die zweite Sinfonie als musikalische Projektion der gegenwärtigen politischen Situation in Finnland: «Das Andante ergreift uns als ein herzzerreissender Protest gegen die Ungerechtigkeit der Gegenwart, die die Sonne ihres Lichtes und die Blumen ihres Duftes beraubt. […] Das Finale entwickelt sich auf einen jubelnden Abschluss zu, der beim Zuhörer ein

Bild von hellerer und Vertrauen erweckender Zukunft hervorruft.» Noch Jahrzehnte später hiess es, Sibelius habe in der Sinfonie den finnischen Widerstand gegen Russland in Klang übertragen. Als der Finne Georg Schnéevoigt sie in den 1930er-Jahren in Boston dirigierte, hielt er in einer Programmnotiz an dieser Deutung fest. Indes, der Komponist selbst verwahrte sich dagegen und bestritt 1939 in einem Brief an Schnéevoigt jedwede programmatische Motivation. Heute steht längst die Musik im Vordergrund, zumal die zweite Sinfonie in Sibelius’ künstlerischer Entwicklung eine Schlüsselstellung innehat. In ihr dokumentiert sich die Abwendung von früheren Vorbildern wie Tschaikowski oder Bruckner und die Ausprägung eines eigenständigen Sinfonie-Stils. Mit ihr machte Sibelius einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einem der wichtigsten Sinfoniker des 20. Jahrhunderts. g


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KOLUMNE

Am Schreibtisch mit Frédéric Chopin von Benjamin Herzog

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wenn man mit rasiertem Schnurrbart Um es nur gleich klarzustellen: Am Schreibtisch sehen Sie mich hier nicht, umhergeht oder sich unbekleidet zuhause an einen Brief setzt, so wie auch wenn da oben so etwas steht. Das da ist mein Warschauer Klavier, an dem neulich, als ich meinem teuren Titus geschrieben habe, meinem Leben, ich alle meine Sachen komponiere. meinem Alles. Und er weiss es wohl: Auch die Romanze im neuen KlavierIch bin ganz nackt und verloren ohne konzert. Ich kann nur am Klavier ihn. Wache dann auf in der Nacht und komponieren, denn die Hauptsache, bekomme keinen Atem. Oder träume das Wesentliche, die nackte Wahrheit am Tag, bis ich vor die Pferde laufe. liegt in diesem, meinem Instrument. Titus, mein teurer Studienfreund, mit Die Romanze wird wie eine Frühlingsnacht sein, in die man sich hineindem ich überhaupt erst empfinden gelernt habe, leben, lieben! Den ich bei träumt. Die Geigen spielen mit Sordijeder Handlung im Sinne habe, auch nen auf dem Steg, damit sie einen beim Komponieren. Titus – erst, wenn silbernen Klang bekommen. Silbern wie das Mondlicht. Und vor allem nicht er mein Konzert hört, kann auch ich zu laut. Denn niemand soll mir wieder mir sicher sein, dass es Wert haben wird. Ach Titus, mein Tycio ... Ja, gewiss vorwerfen, ich spiele zu leise, wie – das Fräulein Sonntag, auch sie damals nach dem f-Moll-Konzert. Und bereitete mir Vergnügen kürzlich auf falls doch, dann entgegne ich einfach: Das Orchester war zu laut, und Ende der dem elterlichen Kanapee, obwohl Diskussion. Ich mag es einfach, leise zu wir uns gewiss nicht weiter einlassen werden. Oder das Töchterlein des spielen. Das Klavier malträtieren, das Fürsten Radziwiłł, dem ich beim sollen andere. Obgleich: Donnern kann Unterricht die zarten Finger auf die ich auch. Aber es entspricht mir nicht. Tasten gestellt habe, was fürwahr recht Und wenn die Schüler schlecht vorbeangenehm war. Doch dann war da reitet in die Stunde kommen, ich wieder ihre Schwester, die mich deswegen mit Füssen stampfen und portraitieren wollte. Und was geschieht Stühle zerbrechen muss, so ist mir danach so elend und traurig zumute, dann mit so einem Portrait? Man dass ich mich am liebsten bis nach dem wickelt Butter darin ein. Nein danke. Ich bin für solches nicht geschaffen. Ich Tode verstecken würde. Nein, nein. Die Romanze, das ist eine andere Welt. Hier bin, und sei’s gegen meinen eigenen hören Sie – mich! In zerbrechlichem Willen, meine Romanze. Bin ein E-Dur. Leggierissimo, delicatissimo, Abgrund, in den, wer mich liebt, ohne Furcht alles hineinwerfen kann. Hier, legatissimo. Zu Beginn eine einfache hören Sie’s? Ein tiefes E im Bass und Tonleiter, dann im Klaviersolo eine oben ganz alleine das Gis, die Dur-Terz. Melodie, schlicht, aber mit Delikatesse So endet die Romanze. Und so fühle ich zu spielen. Das Klavier spricht schon alles aus. Alleine! Ich brauche da keine mich: nackt über dem süssesten Verkleidung. Nur dann ist es echt. Wie Abgrund. g


Teil 11

Politik – oder Natur?

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von Sigfried Schibli Als die 2. Sinfonie von Jean Sibelius 1902 in Helsinki uraufgeführt wurde, war es dort kalt und dunkel, wie eben die Tage im frühen März in Finnland waren und sind. Der damals 36-jährige Komponist stand selbst am Dirigentenpult des Orchesters der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki. Das Konzert wurde an drei weiteren Tagen im März 1902 wiederholt; alle Aufführungen waren ausverkauft. Kein anderes finnisches Werk hatte bis dahin einen solchen Erfolg verbucht. Von Anfang an war diese Sinfonie international äusserst populär – und seit jeher wurde sie politisch interpretiert. Nach der Uraufführung schrieb der finnische Komponist Oskar Merikanto, die Uraufführung habe «die kühnsten Erwartungen übertroffen». Der Kritiker Karl Flodin nannte sie «ein absolutes Meisterwerk, eine der wenigen sinfonischen Schöpfungen unserer Zeit, die in die gleiche Richtung zielen wie die Sinfonien von Beethoven». Konkreter äusserte sich der Dirigent und Komponist Robert Kajanus: «Das Andante ist wie ein niederschmetternder Protest gegen all das Unrecht, das in unserer Zeit das Licht von der Sonne zu reissen droht». Gemeint war zweifellos die Herrschaft des russischen Zarenreichs über die Provinz Finnland und insbesondere die Absicht Russlands, die finnische Kultur zu vereinnahmen und die finnische Armee in die russische einzugliedern. Einen Lichtblick sah Kajanus im Finalsatz. Dieser «spitzt sich in einem triumphierenden Ende zu,

das im Zuhörer eine Vorstellung von hellen und trostreichen Aussichten für die Zukunft erweckt». Ahnte Kajanus vielleicht, dass Finnland einmal selbstständig würde? Dies war allerdings erst 1917 der Fall. Kajanus war mit Sibelius befreundet; daher wurden seine Urteile oft als authentisch für Sibelius genommen – auch wenn es kaum Äusserungen von Sibelius gibt, die eine solche explizit politische Interpretation als ‹Sinfonie der Unabhängigkeit› stützen. Dass Kajanus bei diesem Werk Vorstellungen von Helligkeit und Sonne hatte, ist indes kein Einzelfall. Immer wieder wurden die Werke des finnischen Komponisten mit aussermusikalischen Erscheinungen in Verbindung gebracht, immer wieder suchte man nach einem ‹Programm› seiner Orchesterwerke. Besonders beliebt waren Assoziationen an Naturerscheinungen. Und es waren nicht nur naive Hörer, die in den Orchesterwerken von Sibelius Naturbilder hörten. Der Komponist Gottfried von Einem war in seinen jungen Jahren ein ausgesprochener Sibelius-Fan und widmete dem Finnen sein eigenes Adagio. Über die 2. Sinfonie von Sibelius notierte er in seinem Tagebuch: «Düster, herb, hart = 1. Satz. […] Wald, düsterer finnischer Winter = 3. Satz. Ein wundervoller Mensch dieses Genie». Noch 1950 schrieb Wendy Hall eine Studie mit dem Titel Sibelius und die finnische Landschaft, in welcher sie konkrete Parallelen zwischen einzelnen Werken und finnischen Landschaften oder Landschaftstypen zog. So sei das Oboenthema aus dem

Bild: Wikimedia Commons

PREMIERENGESCHICHTEN


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Werner Holmberg: Landschaft in Kuru im Abendlicht (1858)

Scherzo zur 2. Sinfonie (Lento e suave) ein Luftbild vom Saimaa-See. In einem anderen Thema aus diesem Werk sah die Autorin die Stromschnellen von Imatra und glaubte sogar die Stromleitungen im Hintergrund zu ‹hören›. Selbst der schärfste Kritiker von Sibelius, der deutsche Soziologe Theodor W. Adorno, bemühte die Analogie zwischen Musik und Natur, wenn er 1938 über Sibelius’ Musik, die er handwerklich unzulänglich fand, schrieb: «Sinfonien sind keine tausend Seen: auch wenn sie tausend Löcher haben». Hinter diesem Totalverriss steht die Auffassung, dass Naturstimmungen durchaus ihren

Platz in der Musik haben können, dass dies aber die Domäne des musikalischen Impressionismus von Claude Debussy sei. Die wenigsten Kommentatoren von Sibelius’ Musik wussten, dass die 2. Sinfonie grösstenteils nicht im rauen Finnland, sondern im Süden, in Rapallo und Rom, entstanden war. Als hätte er geahnt, dass ihm die permanente Suche nach Analogien zwischen Musik und Landschaft schaden könnte, hielt Sibelius trotzig dagegen: «Meine Sinfonien sind Musik – erdacht und ausgearbeitet als Ausdruck der Musik, ohne irgendwelche literarische Vorlage». g


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VORGESTELLT Samuele Sciancalepore, stv. Solo-Kontrabassist im Sinfonieorchester Basel

«Der Kontrabass kann mehr als nur bumm-bumm-bumm!» von Cristina Steinle Seit 2011 spielt Samuele Sciancalepore im Orchester. Er kommt aus Villanova d’Asti, also aus der Nähe des Ortes, wo der Spumante d’Asti herkommt. Oder der Barolo («che poesia!»). Der Italiener spielt eines der grössten Instrumente im Orchester; doch im Mittelpunkt steht er damit selten. Ob man diese Rolle bewusst wählt, wenn man sich für dieses Instrument entscheidet, wollte ich von ihm wissen.

Cristina Steinle: Du spielst ja unglaublich viele Instrumente! Was genau hat dich denn dazu bewogen, den Kontrabass als Instrument zu wählen, mit dem du auch dein tägliches Brot verdienst? Als ich fünf Jahre alt war, habe ich mich für die Trompete entschieden. Als kleines Kind dachte ich: Da hat es nur drei Knöpfe, das ist einfach und darum

Wie siehst du deine Rolle im Orchester? Ich finde es befriedigend, wenn ich dem Orchester etwas geben kann – und indem ich durch eine klangliche Unterstützung die anderen motiviere, das Beste von sich zu geben. Denn wenn das Orchester von uns Kontrabassisten einen schönen, klaren Takt bekommt, steckt das sofort an. Es geschieht etwas mit den Musikerinnen und Musikern, das kann man in ihren Gesichtern sehen. Es ist ja nicht so, dass jedes Register für sich spielt, nein, wir sind ein Team!

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Samuele Sciancalepore: Ich unterstütze gerne Menschen, der Kontrabass als Begleitinstrument passt da also gut! Wobei ich ja dreizehn Jahre lang auch Trompete gespielt habe. Ausserdem spiele ich Gitarre, E-Bass, Keyboard und Schlagzeug. Ich war Mitglied in drei Bands, in der einen spielten wir Discodance-Musik, eine andere war eine Marching Band. Im Zentrum zu stehen, mag ich nicht wirklich, aber ich bin gern ein wichtiger Teil des Ganzen. Die Rolle des Kontrabassisten scheint also perfekt für mich zu sein: auffällig, nicht zentral und doch unverzichtbar! (lacht)

genau richtig für mich! Natürlich glaube ich das heute nicht mehr. Im Verlauf der Zeit habe ich realisiert, dass ich es mag, wenn es schwierig wird. Ein Kontrabass spielt im Orchester normalerweise nicht so viele Noten wie eine Geige oder eine Flöte. Aber einen klaren, schönen Ton zu spielen, ist ziemlich schwierig. Das Kontrabassspielen bedeutet für mich also eine tolle Herausforderung. Ich mag es auch, Werke auf dem Kontrabass zu spielen, die eigentlich nicht für dieses Instrument geschrieben wurden. Wie zum Beispiel von Paganini oder andere sehr virtuose Werke. Die Möglichkeiten, die dieses Instrument bietet, sind unendlich, und ich liebe es, diese zu erkunden. Im Orchester nimmt der Kontrabass eine fundamentale Rolle ein; ich zeige dem Publikum gerne, dass der Kontrabass mehr kann als nur bumm-bumm-bumm!


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Bild: Jean-François Taillard

wegs bin, habe ich einen Moment für mich, indem ich nachdenken oder singen kann. Besonders liebe ich meine kleine Vespa – mit ihr bin ich schon Ich habe in der Arena di Verona gespielt. mal von hier nach Sizilien gefahren! Das war für mich die totale Freiheit: Ich Das Festival-Orchester zählt zehn, bin einfach meiner Nase nachgefahren manchmal sogar zwölf Kontrabassisund habe die Route nach Lust und tinnen und -bassisten. Je mehr wir Laune spontan angepasst. sind, umso voller ist der Sound. Es geht aber nicht darum, laut zu spielen; Was hat dich denn nach Basel das können ja alle. Wenn man zu gebracht? sechst oder zu zehnt spielt, ist die grösste Herausforderung, das PubliEs war schon immer mein Traum, in kum mit einem kaum wahrnehmbaren der Schweiz zu leben. Schon früh haben Pianissimo zu bezaubern. Generell mir die Leute gesagt, ich sei kein finde ich es unglaublich faszinierend, Italiener, sondern ein Schweizer! (lacht) wenn bei einem Konzert hundert Der Grund ist wohl, dass ich die Dinge, Leute auf der Bühne spielen und es die ich anpacke, gerne seriös mache. schaffen, so leise zu spielen, dass fast Und ich mag es, wenn auch andere nichts zu hören ist. Leute so sind. Als ich zum ersten Mal in Dieser volle, sonore Sound des Kontra- die Schweiz kam, hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich viele Gemeinsambasses ist für dich als Musiker aber keiten mit den Schweizern habe. Aber bestimmt auch sehr eindrücklich? schlussendlich spielt die Nationalität ja keine Rolle. Für mich ist die HauptJa klar! Dieser Sound schenkt mir ein sache, mit motivierten Leuten zu unbeschreibliches Gefühl und ganz spielen – und das habe ich hier in Basel viele Emotionen. Man bedenke, dass eine Kontrabass-Saite über einen Meter gefunden. lang ist. Das ist also viel Material, das Bleibt dir neben der Musik auch Zeit vibrieren kann. Die Kombination für andere Projekte? dieser Schwingungen mit jenen, die du als Spieler in dir hast, das ist – etwas Ich liebe es, mit den Händen zu arbeiten Unbeschreibliches! – besonders mag ich die Arbeit mit Holz, denn mein Vater ist Schreiner. Ich Verfolgst du neben deiner Orchestertätigkeit nach wie vor andere musika- habe ihm während fünfzehn Jahren in der Werkstatt geholfen. Mein Bett lische Projekte? zum Beispiel habe ich selbst gemacht. Ja, ich wirke in verschiedenen Projekten Auch kleinere Arbeiten an meinem Kontrabass und meinem Bogen erledige mit – hauptsächlich in Italien. Immer ich selbst. Ich denke, in ein paar Jahren wieder spiele ich als Solist, und ausserwerde ich meinen ersten eigenen dem unterrichte ich Masterklassen. Kontrabass bauen. Das heisst, du bist viel unterwegs? Zu Beginn des Gesprächs hast du gesagt, dass du Herausforderungen Ja, aber nicht nur aufgrund meiner magst. Welches sind die Herausfordemusikalischen Projekte, sondern rungen, die dir im Moment bevoreinfach, weil ich es liebe, Auto und stehen? Motorrad zu fahren! Wenn ich unterMacht es für dich einen Unterschied, ob ihr nur zwei oder sechs Kontrabass-Spielende seid?


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Vor ein paar Jahren habe ich mir bei einem Unfall den Finger gebrochen. Für zwei Monate musste ich eine Spielpause einlegen, und auch die Jahre danach konnte ich nicht mehr solistisch auftreten. Seitdem alles verheilt ist, möchte ich wieder so richtig Gas geben: Ich werde an einem Wettbewerb teilnehmen, und dann werde ich in Turin einen Verein gründen, der meinem verstorbenen Lehrer gewidmet ist. Seine Lehre, insbesondere die Bogentechnik, ‹La Scuola Torinese›, ist in Italien sehr berühmt. Und ich möchte seine Arbeit weiterführen.

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Ist dein Kontrabass ein spezielles Exemplar?

Das ist eine wunderbare Motivation für mich, ich will schliesslich keinen schlechten Ton auf diesem Instrument spielen! Und indem ich diesen Kontrabass spiele, bringe ich auch etwas meinen Lehrer zurück ins Leben. Hast du keine Angst, dass dem Instrument etwas zustossen könnte? Weisst du, man kann nicht alles in seinem Leben voraussehen und immer an alles denken, was schieflaufen könnte. Der Grund, weshalb man vor etwas im Leben Angst hat, wird von den eigenen Erinnerungen und Erfahrungen bestimmt. Unsere Einsicht ist deswegen mit der Vergangenheit unabdingbar verbunden. Im Gegensatz dazu gehört die Leidenschaft, die sich aus Träumen und Wünschen formt, zur Zukunft. Wir leben genau in der Mitte zwischen Vernunft und Passion. Jederzeit können und müssen wir uns entscheiden, das eine oder das andere zu ignorieren – oder etwas von beidem zu integrieren. g

Ja, er ist aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es war der Kontrabass meines Lehrers und davor von dessen Vater. Beide waren sie Solo-Kontrabassisten im RAI-Orchester, dem nationalen Rundfunkorchester. Der Vater gründete die Scuola Torinese, und mein Mentor hat diese Lehre weitergeführt. Ein solches Instrument zu Das Interview wurde auf Englisch geführt. spielen, ist etwas Besonderes. Darauf wurde schon so viel gute Musik gespielt. IMPRESSUM Sinfonieorchester Basel Steinenberg 19 4051 Basel +41 (0)61 205 00 95 info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch Möchten Sie das Programm-Magazin abbestellen? Schreiben Sie eine E-Mail an marketing@sinfonieorchesterbasel.ch Partner:

Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat Künstlerischer Direktor: Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin: Cristina Steinle Titelbild: The Wings Of A Butterfly Twin Jet Nebula seen by Hubble. Creator: NASA Goddard 26/8/2015 Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung: eyeloveyou.ch, Basel Druck: Schwabe AG, Basel/Muttenz Auflage: 5500 Exemplare


AUSSERDEM

Kultur Inklusiv

Kulturbegleiterinnen und -begleiter Sie gehen gerne ins Theater oder ins Konzert, am liebsten gemeinsam mit anderen? Sie sind bereit, eine fremde Person in eine Theater- oder Tanzvorstellung (Kaserne Basel, Theater Basel, Theater Roxy, Vorstadttheater Basel) oder in ein Konzert (SOB) zu begleiten? Sie sind bereit, diese Begleitung ehrenamtlich zu machen – sei es einmal pro Jahr, pro Monat oder häufiger? Die Eintrittskarte wird Ihnen zur Verfügung gestellt.

Kulturgeniesserinnen und -geniesser Kultur ist für alle da. Aber es gibt Menschen, die aufgrund einer physischen, kognitiven oder psychischen Beeinträchtigung nicht alleine eine kulturelle Veranstaltung besuchen können oder dies nicht wagen. Mit Begleitung aber schon! Sie gehen gerne ins Theater oder ins Konzert? Aber Sie können oder wollen nicht alleine gehen? Sie wünschen sich eine Begleitung, die Sie unterstützt und mit der Sie gemeinsam den Theater- oder Konzertbesuch geniessen können? Wildwuchs vermittelt Ihnen eine Kulturbegleiterin, einen Kulturbegleiter. Sie bezahlen Ihre Eintrittskarte selber. Im Preis inbegriffen sind unter anderem die Organisation der Tickets, falls gewünscht die Begleitung von Zuhause bis zum Veranstaltungsort, eine Begegnung und der Austausch mit jemandem, dem Sie vielleicht sonst nicht begegnen würden … Weitere Informationen gibt Ihnen gerne Corinne Eichenberger +41 (0)79 567 59 48 eichenberger@wildwuchs.ch

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Das Sinfonieorchester Basel möchte sich verstärkt für die inklusive kulturelle Teilhabe von allen Menschen einsetzen. Als Klangkörper, der zu einem grossen Teil durch Staatsbeiträge gefördert wird, und als wichtiger Player im Kulturgeschehen Basels und der Region, sieht es das Orchester als eine wichtige Aufgabe, Menschen mit Behinderungen auf verschiedenen Ebenen in das Konzertgeschehen einzubeziehen. In Zusammenarbeit mit der Fachstelle Kultur Inklusiv von Pro Infirmis möchte das Orchester mehr Sensibilität für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen schaffen. Anhand der vom Label ‹Kultur inklusiv› vorgeschlagenen Handlungsfelder will das SOB in naher Zukunft diverse Massnahmen wie eine möglichst barrierefreie Website, eine grosse Auswahl an niederschwelligen Angeboten oder eine transparente Kommunikation über die Zugänglichkeiten der Veranstaltungsorte umsetzen. In diesem Rahmen suchen wir gemeinsam mit der Stiftung Wildwuchs:


IN ENGLISH

Freedom by Bart de Vries

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Few composers have done more for the identity of their home country than Jean Sibelius (1865–1957) and Frédéric Chopin (1810–1849). While the titles of Sibelius’s compositions, like Finlandia, the Karelia-suite and Kalevala (Finnish epic poetry), speak for themselves, in Chopin’s case it is rather the type of music. The polonaises and mazurkas, both Polish dances, are at the core of his output. By contributing to the creation of a national identity Chopin, Sibelius and Penderecki, the third composer on this program, were consciously or unconsciously instrumental in the Finnish and Polish struggle against Russian domination, hence, the overarching theme – ‹Liberté› or Freedom. Chopin composed his first piano concerto in 1830, the year of the Polish revolt against its large neighbour. The heroic, climbing main theme, set out by the orchestra right at the beginning of the first movement, is assumed to be a musical impression of the revolution. However, the following melancholic modification of the same theme reveals the dark side of the uprising as well. Diverting from the struggle for independence, in the second movement Chopin reminisces about his love for the singer Konstanze Gladkowska. The main theme of the final Rondo, best heard in the piano’s first few bars and based on the Krakowiak, an upbeat, syncopated dance, is again strongly Polish in character. Later freedom fights inspired Penderecki (*1933) to write his Polish Requiem. The Lacrimosa commemorates the union protests against the puppet government at the Gdansk shipyards in the late 1970s and is

dedicated to its leader Lech Walesa. The Dies Irae honors the Warsaw Uprising of 1944. The Agnus Dei, originally for an a capella choir but here in an arrangement for string orchestra, was dedicated to cardinal Stefan Wyzyński who, standing up against both Nazis and communists, is considered to be a national hero and may symbolize the resistance against the protracted German and Russian attempts to increase their area of control by annexing parts of Poland. The piece evolves around the opening theme Agnus Dei (Lamb of God) interwoven with the immediately following theme Qui tollis peccata mundi (Who takes away the sins of the world). The concert is concluded by Sibelius’s Second Symphony, also known as the Symphony of Independence, a highly disputed epithet. While some musicologists hear the Finnish quest for independence in the grand, final movement, it is uncertain if the composer had a nationalistic program in mind. We do know that the work, Sibelius’s most performed symphony, was conceived during a period of russification which Czar Nicholas II had imposed upon the then Grand Duchy of Finland and gave rise to the reinforcement of the resistance movement. Perhaps the best proof that Sibelius may have had the struggle for freedom in his mind’s eye (or ear), can be found in the second movement. A note in the score reminds us of the encounter between Don Juan and Death while later on the name of Christ is mentioned, prompting some to believe Sibelius referred to the resurrection of his native Finland. With an assertive Russia on Europe’s eastern flank, the music is as relevant as it ever was. g


Bild: Benno Hunziker

Bild: Mats Backer

IM FOKUS

Sinfoniekonzert: ‹Fantastisch›

Unser erstes Cocktailkonzert führt Sie nach dem ‹Salon Rossini› weiter in die Welt der Pariser Salons. Heute noch kann man in der Pariser Bibliothèque Polonaise im 4. Arrondissement den Salon Chopin besuchen. Der polnische Komponist gehörte zu den gefeierten Virtuosen dieser kulturellen Zentren der 1830er-Jahre in Paris, die von einer amüsierfreudigen Elite gefördert wurden. Das wichtigste Requisit des Salons war der Flügel. Indem er sich nicht treiben liess vom Appetit der Salongesellschaft nach Neuem und Spektakulärem, Kunst und Kitsch, unterschied sich Chopin allerdings von den anderen Salonlöwen durch sein nach innen gerichtetes Spiel. Mit Mitgliedern des SOB, Domen Križaj (Bariton), Iryna Krasnovska (Klavier) und Hans-Georg Hofmann (Moderation).

Wenige Tage vor Weihnachten bescheren wir Ihnen ein Musikerlebnis der besonderen Art. Fantastisches, Unheimliches und Wunderbares treffen aufeinander: So in Luciano Berios Bearbeitung der von Boccherini komponierten nächtlichen Klangkulissen oder in Mozarts Klarinettenkonzert mit Martin Fröst als Solist und nicht zuletzt in der Symphonie fantastique von Hector Berlioz, die als musikalische Nachzeichnung eines Drogenrausches einem atemberaubenden Parcours zwischen Traum und Realität gleicht. Das Orchester wird von Chefdirigent Ivor Bolton geleitet.

Di 27. Nov. 2018 18.00/20.00 Uhr GRAND HOTEL LES TROIS ROIS, SALLE BELLE EPOQUE

Do 6. Dez. 2018 19.30 Uhr

MUSICAL THEATER BASEL

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Cocktailkonzert: ‹Salon Chopin 1›


DEMNÄCHST SA 10.11.18 16.00

mini.musik: ‹Bei der Feuerwehr› Mitglieder des SOB, Irena Müller-Brozovic, Norbert Steinwarz

SCALA BASEL

SO 18.11.18 11.00

Promenaden: ‹Intime Briefe› Werke von Haydn und Janáček Belcea Quartet

GARE DU NORD

Mi 21.11.18 DO 22.11.18 19.30

/ B2 Sinfoniekonzert ‹Liberté› Werke von Penderecki, Chopin und Sibelius SOB, Nelson Goerner, Michał Nesterowicz

THEATER BASEL

FR 23.11.18 18.00

Anlass des ‹Verein Freunde Sinfonieorchester Basel› Filmmusik – mit Michael Künstle

STUDIO ECKENSTEIN

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VVK: GAREDUNORD.CH

UM ANMELDUNG WIRD GEBETEN

Erstes Cocktailkonzert: ‹Salon Chopin 1› DI 27.11.18 18.00 / 20.00 Mitglieder des SOB, Domen Križaj, Iryna Krasnovska

GRAND HOTEL LES TROIS ROIS SALLE BELLE EPOQUE

Weihnachtskonzert zugunsten der Stiftung ‹BaZ hilft› SOB, Knabenkantorei Basel, Sängerinnen und Sänger der OperAvenir, Joseph Bastian

MUSICAL THEATER BASEL

DO 06.12.18 12.00

Musik über Mittag SOB, Ivor Bolton

MUSICAL THEATER BASEL

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SO 02.12.18 11.00

EINTRITT FREI

DO 06.12.18 19.30

Sinfoniekonzert ‹Fantastisch› Luigi Boccherini/Luciano Berio: Quattro versioni originali della Ritirata notturna di Madrid di L. Boccherini Wolfgang Amadé Mozart/Luciano Berio: Variazione sull’ aria di Papageno Wolfgang Amadé Mozart: Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur, KV 622 Hector Berlioz: Symphonie fantastique, op. 14 SOB, Martin Fröst, Ivor Bolton

MUSICAL THEATER BASEL

FR 07.12.18 19.30

Zu Gast in Lörrach Werke von Boccherini/Berio, Mozart/Berio, Beethoven und Berlioz SOB, Paul Lewis, Ivor Bolton

BURGHOF LÖRRACH

Vermittlungsprojekt: ‹Christmas Carols Sing Along Vol. 2› SOB, Mädchenkantorei Basel, Knabenkantorei Basel, Chor aus Basler Schülerinnen und Schüler

MUSICAL THEATER BASEL

DI 18.12.18 18.00

B3

VVK

VVK: BURGHOF.COM

Kulturhaus Bider & Tanner, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf: www.sinfonieorchesterbasel.ch


Vorsorglich geplant und mit Vertrauen umgesetzt Die Friedlin AG baut in Riehen ein Bad um. Das Vertrauen der Auftraggeber war so gross, dass sie die Zeit des Umbaus gleich für Ferien genutzt haben. finalen Entscheid hat uns Herr Bachofner beraten – so konnten wir auch technische Gegebenheit berücksichtigen.

WÄHREND DES UMBAUS Wie haben Sie den Umbau miterlebt? Gar nicht. Am Freitag vor Baubeginn haben wir die Schlüssel an Herrn Bachofner übergeben, dann sind wir in die Ferien geflogen.

Verena und Jean-Pierre Bonjour in ihrem neuen Badezimmer

VOR DEM UMBAU Warum wollten Sie Ihr Bad umbauen? Die alte Dusche hatte einen hohen Einstieg und die Armatur musste unbedingt ersetzt werden. Da haben wir uns entschlossen, gleich die ganze Dusche und das komplette Badezimmer zu sanieren. Das wollten wir machen, solange es uns gesundheitlich gut geht, statt später zu einer Hau-Ruck-Sofort-Aktion gezwungen zu sein.

Hatten Sie keine Bedenken? Kaum. Hätten wir nicht volles Vertrauen gehabt, wären wir sicherlich nicht so verfahren. Wie war die Rückkehr? Eigentlich hätte da der Maler am Arbeiten sein sollen. Doch der Umbau war schneller als geplant erledigt worden. Darum hatten wir die Wohnung bereits ganz für uns. Samt neuem Bad.

«Wir wollten das Bad fürs Alter vorbereiten, solange wir noch fit sind.»

Was war ausschlaggebend für die Vergabe des Auftrags an die Friedlin AG? Wir kannten die Firma von diversen Servicearbeiten und waren immer zufrieden. Darum hat das Bauchgefühl wieder «ja» gesagt.

Ein Umbau bedeutet meistens auch Staub. Wie war das bei Ihnen? Ausser ein klein wenig Staub im Wohnzimmer war alles sehr sauber. Wir waren überrascht.

Und wurden Ihre Erwartungen erfüllt? Ja, ganz klar.

NACH DEM UMBAU

Wie haben Sie die Elemente Ihres neuen Bads zusammengestellt? Zuerst haben wir uns auf eigene Faust in Ausstellungen inspirieren lassen. Beim

Möchten Sie etwas besonders erwähnen? Die anderen Stockwerkeigentümer haben uns berichtet, dass sie durch die Arbeiten kaum beeinträchtigt worden

seien. Sie waren sehr erfreut, dass das Treppenhaus und der Lift jeden Abend gereinigt wurden und sich der Baulärm auf die angekündigten Tage beschränkte. Alle waren voll des Lobes. Unser Vertrauen war absolut gerechtfertigt. Sie würden die Friedlin AG also weiterempfehlen? Das haben wir bereits mehrfach gemacht.

FRIEDLIN AG RIEHEN Rössligasse 40 4125 Riehen Telefon 061 641 15 71 www.friedlin.ch


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