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ausland

auf den

punkt

24. Juni 2008

Nahost Nicolas Sarkozy will Frieden vermitteln Festigung der französischisraelischen Beziehungen, stellte aber auch fest: «Nicht immer stimmen wir in jedem Punkt völlig überein.» Israel hat zuletzt Projekte in Siedlungen angekündigt, die es auch bei einem Friedensschluss behalten will.

Oliver Stock Journalist

Das Leben wird vorwärts ge-

lebt, aber rückwärts verstanden, sagt der Philosoph. Deswegen ist es in Ordnung, wenn sich an der Bahnhofstrasse die Beschwörungsformeln, wonach die Finanzkrise vorbei ist, im Tagesrhythmus abwechseln. Der eine sieht Licht am Ende des Tunnels, der andere wähnt sich im Auge des Hurrikans, womit er nahe legt, dass die Hälfte des Sturms vorüber ist. Schliesslich muss es ja mal wieder vorwärts gehen. Jetzt ist genug gelitten.

«Die Krise hat erst begonnen» Irgendwann werden wir

j­edoch rückwärts schauen und ­verstehen: Die Schweiz steht erst am Anfang der Krise. Die Pleite der ­Investmentbanken ist nur das eine. Das andere sind die Aussagen, zu denen US-Ermittler gerade mit nachhaltigem Druck einen Schweizer Vermögensverwalter der UBS bewegen. Der räumt ein, unter ausdrücklicher Ermunterung seines Arbeitgebers, Amerikanern beim Steuernoptimieren so sehr geholfen zu haben, dass das Ganze die Grenze des Erlaubten schrammte. Bleiben die US-Ermittler am Ball, ist damit das Geschäftsmodell des Finanzplatzes Schweiz bedroht. Es besteht nicht zuletzt darin, aus­ländisches Geld steuerschonend anzulegen.

Stimmt schon: Daran sind die ausländischen Steuersysteme nicht unschuldig. Nur nützt es den eidgenössischen Bankern wenig, das bei jeder Gelegenheit zu betonen. ­Augen nach vorn, Gegenangriff und los, ist die falsche Strategie. Das Leben wird zwar vorwärts ­gelebt, aber wer den Rücken nicht frei hat, schneidet sich vom ­Nachschub ab, denke ich mir. Oliver Stock, Journalist der Wirtschaftszeitung «Handelsblatt».

Frankreichs Präsident hat sich den Israelis als Friedensvermittler abgeboten. Gleichzeitig fordert er aber den Stopp des Siedlungsbaus. «Schaffen Sie die Bedingungen dafür, dass sich etwas bewegt», sagte Nicolas Sarkozy gestern im israelischen Parlament. «Ohne ein Ende des Siedlungsbaus kann es keinen Frieden geben.» Es war die erste Ansprache eines französischen Staatschefs vor der Knesset seit mehr als 25 Jahren. Die israelische Bevölkerung habe «wie alle Völker das Recht auf Sicherheit».

Israel könne aber erst dann in Sicherheit leben, «wenn es an seiner Seite endlich einen unabhängigen, modernen, demokratischen und lebensfähigen Palästinenserstaat geben wird». Umgekehrt müssten die Palästinenser als Voraussetzung für Frieden den «Terrorismus» bekämpfen. Sarkozy bekräftigte auch seinen Widerstand gegen das iranische Atompro-

Grenzerfahrung

Rede vor der Knesset: Nicolas Sarkozy. Bild: Key

gramm. Ein Iran mit Atomwaffen sei für Frankreich «unannehmbar», Paris werde allen «den Weg versperren», die zur Zerstörung Israels aufriefen. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert begrüsste die

In Tijuana, Mexiko, fand gestern die Aktion «Yoga ohne Grenzen» statt. Zahlreiche Menschen praktizierten dabei auf beiden Seiten des amerikanisch-mexikanischen Grenzzauns Yoga. Bild: Key

Mit Carla in Jad Vaschem Sarkozy besuchte mit seiner Frau Carla am Vormittag auch die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Heute wollte er seine Nahost-Reise mit einem Besuch in Bethlehem abschliessen, wo ein Treffen mit Paläs­ tinenserpräsident Abbas ­geplant ist. (sda)

Schweiz: Geld für Flüchtlinge

Die Schweiz stellt bis 2012 über 30 Millionen Dollar für die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon zur Verfügung. Davon kommen 2 Millionen ausschliesslich dem Wiederaufbau des vor einem Jahr zerstörten Palästinenserlagers Nahr al-Barid zugute. Dies sagte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey gestern an der Libanon-Geberkonferenz in Wien. Die Konferenz wurde von der Uno auf Bitten der libanesischen Regierung einberufen. 445 Mio Dollar nötig Insgesamt werden für den Wiederaufbau von Nahr al-Barid, wo 40 000 Palästinenser lebten, 445 Millionen Dollar benötigt, wie aus Berechnungen der libanesischen Regierung hervorgeht. Neben der Schweiz haben auch andere Länder Geld in Aussicht gestellt. Insgesamt seien bis jetzt 120 Millionen Dollar an zusätzlichen ­Mitteln für Nahr al-Barid ­zusammengekommen, hiess es am Abend. (sda)


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