gentechnik

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Prof. Dr. Árpád Pusztai | Prof. Dr. Susan Bardócz Sicherheitsrisiko Gentechnik

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Mit Beiträgen von Dr. Antônio Inácio Andrioli und Dr. Hans R. Herren Herausgegeben von Jürgen Binder

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Vorwort des Herausgebers Jürgen Binder

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Vorwort der Autoren

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Einleitung

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Grundlagen der gentechnischen Modifizierung

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Inhalt

Grußwort des Trägers des Welternährungspreises Dr. Hans R. Herren

Gentechnische Modifizierung – wie geht das? 25 | Zur gentechnischen Modifizierung verwendete Gene 29 | Methoden zur Herstellung von GM-Pflanzen 33

Tatsachen – und Behauptungen ohne wissenschaftliche Grundlage

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GM ist keine Erweiterung der traditionellen Pflanzenveredelung 37 Unerwartete Konsequenzen 45 | Genetischer Determinismus – falsche Grundannahmen 47 | Spliceosomen 48 | Postsynthetische Proteinmodifizierung 51 | Die Begleiter der Proteine – Chaperone 52 | Unvermeidliche Verluste: defekte Gene der Empfängerzelle 53 | Bestimmung der TransgenPosition 55 | Ein- und Ausschalten von Promotern und Genen 55 Horizontaler Gentransfer 58 | Tumor- und sonstige Krankheiten 61 | Blanke DNA 63 Sonstige Probleme bei der GM-Technik und wissenschaftlich nicht belegte Vermutungen 65

Ernährungswissenschaftliche Bewertung gentechnisch modifizierter Pflanzen

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Versprochene ernährungswissenschaftliche und gesundheitliche Vorteile von GM-Nahrungsmitteln 79 | Die Rolle der GM-Technologie bei der kungen des Anbaus von GM-Pflanzen auf den Einsatz von Unkraut- und Insektenvertilgungsmitteln 85 | Die Entstehung der Bt-Resistenz 86

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Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln 81 | Auswir-

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Allgemeine Bedingungen für die Genehmigung von GM-Pflanzen 91 Allergene Auswirkungen und gentechnische Modifizierung 106 | Mängel

Inhalt

Sicherheitsprüfung und Genehmigung von GM-Pflanzen

bei Sicherheitsprüfungen 113 | Können ungenehmigte GM-Lebensmittel in die menschliche Nahrungskette gelangen, und wenn ja, mit welchen möglichen Folgen? 116

Erkenntnisse aus den bisherigen Risikobewertungstests

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Die FLAVR-SAVR -Tomate 119 | Lassen sich gesundheitliche Schäden TM

ohne unabhängige, transparente und wissenschaftlich fundierte Risikobewertung ausschließen? 121 | Biologische Tests und Vorschlag für einen Versuchsplan 123 | Internationale Gesetze und Vorschriften zu GMPflanzen 128

Die Rolle multinationaler Unternehmen und Banken in der Biotechnologie

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Globale Folgen des Anbaus von GM-Pflanzen 131 | Die Kommerzialisierung der Molekular- und Biotechnologie 132 | Die Intoleranz der Biotechnologieindustrie 136 | Methoden der institutionalisierten Unterdrückung Andersdenkender 139 | Ethische Fragen im Zusammenhang mit der Einführung der Biotechnologie 141 | Welche Wahlmöglichkeiten haben wir – wohin führt unser Weg? 143

Das humanste Gengesetz der Welt

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Das norwegische Gentechnologiegesetz 151 | Das Norwegische Berater-

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Literaturverweise

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Gentechnik, Roundup und die Gesundheit Dr. Antônio Inácio Andrioli

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Nachbemerkungen und Dank

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gremium für Biotechnologie (NBAB) 152 | Genehmigung und Kontrolle von Importdokumentationen 155 | Das Cartagena-Protokoll 155

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Vorwort der Autoren

Die gegenwärtige weltweite Situation in Bezug auf Anbau und Verfütterung von gentechnisch manipulierten Organismen ist besorgniserregend. Aussagekräftige Sicherheitstests wären notwendig, finden aber praktisch nicht statt. Der Öffentlichkeit wird dennoch weisgemacht, gentechnisch veränderte Organismen seien getestet und für unbedenklich befunden – eine Aussage, die falsch ist. Wir haben dieses Buch ursprünglich im Auftrag des ungarischen Parlaments verfasst. Unsere Kollegen aus der Wissenschaft möchten wir auf unsere wissenschaftlichen Publikationen verweisen. Hier legen wir wissenschaftliche Tatsachen allgemeinverständlich dar, äußern aber auch unsere persönliche Meinung zu Fragen, die die Biotechnologie im Allgemeinen betreffen. Um in unserem Buch dem Leser die Unterscheidung zwischen wissenschaftlich anerkannten Tatsachen einerseits und Meinungen andererseits sowie zwar möglichen, aber noch nicht eingetretenen Ereignissen zu erleichtern, sind Letztere in einem leichteren Schrifttyp gesetzt. Das Gleiche gilt für detailliertere wissenschaftliche Erläuterungen und Beispiele sowie die Beschreibung von Technologien. Erst beim Verfassen des Buches wurde uns bewusst, wie schwierig es ist, wissenschaftlich komplexe Zusammenhänge allgemeinverständlich darzustellen. Zwar hatten wir uns als Wissenschaftler in den letzten Jahrzehnten mit hunderten von Aufsätzen am Fachdiskurs beteiligt, bis dahin aber noch nichts in dieser Art geschrieben. Wie sehr die gegenwärtige Diskussion über die vermeintliche Unbedenklichkeit gentechnisch modifizierter Organismen durch ideologische Anschauungen und wirtschaftliche Zwänge verzerrt ist, besorgt uns und hat uns zu diesem Schritt bewogen. Wissenschaftliche Kritik darf nicht auf den akademischen Elfenbeinturm beschränkt bleiben, sie gehört ins Zentrum unserer Gesellschaft. Furchtlos, aufrichtig und ohne Rücksicht auf mögliche negative Konsequenzen für die eigene Karriere müssen wir Wissenschaftler die Tatsachen beim Namen nennen. Bei der Beschreibung der Gentechnologie ist es schwierig, bereits anerkannte Fakten von unbegründeten Behauptungen zu trennen.

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Vorwort der Autoren

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Ein gutes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass in den einschlägigen Zeitschriften (s. Literaturhinweise) im Jahr 2004 kaum mehr als zwanzig wissenschaftliche Mitteilungen zu finden sind, in denen die gesundheitlichen Auswirkungen von genveränderten Nahrungsmitteln untersucht werden. Dies hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. So beruht die Behauptung, genveränderte Pflanzen sowie die aus ihnen hergestellten genveränderten Lebensmittel seien ungefährlich, meist lediglich auf der Meinung von Fürsprechern der Biotechnologiebranche oder bestenfalls auf Forschungsergebnissen, die geheim gehalten und selbst in der wissenschaftlichen Fachliteratur noch nicht veröffentlicht wurden. Die Frage, ob Gentechnologie für die Gesundheit oder Umwelt des Menschen eine Gefahr darstellt, lässt sich nicht so leicht beantworten. Das hat damit zu tun, dass die Biotechnologiebranche einen früher allgemein akzeptierten Grundsatz erfolgreich ausgehebelt hat: das Prinzip nämlich, nach dem für die Sicherheit eines Produkts das Unternehmen verantwortlich ist, das es herausbringt und vertreibt. Im Fall genveränderter Pflanzen befinden sich die Sicherheitsuntersuchungen auf einem Niveau, das die Mehrheit der europäischen Verbraucher beunruhigt. Ferner sind die Informationen und Fakten, anhand derer man die Sicherheit oder die gesundheitlichen Auswirkungen genveränderter Nahrungsmittel beurteilen könnte, so spärlich, dass eine zuverlässige Risikobewertung und somit eine endgültige Entscheidung der Sicherheitsfrage unmöglich sind. Mit dem vorliegenden Buch verfolgen wir das Ziel, gegenwärtige Ergebnisse der gentechnischen Modifizierung von Pflanzen, Fehler und geplante Versuche sowie Vorteile, Nachteile und Sicherheitsfragen anhand unserer Wertvorstellungen und Kenntnisse zu untersuchen und einzuschätzen – immer ausgehend vom Grundsatz der Vorsicht, der besagt, dass ein Produkt nicht in den Handel gebracht werden darf, wenn seine Sicherheit fraglich ist. Weiter möchten wir festhalten, dass wir nicht von den Dogmen der Biotechnologie ausgehen. Wir verfolgen vielmehr den Anspruch, die Tatsachen zu untersuchen und Vermarktungsstrategien von der Realität zu unterscheiden. In unserer jetzigen Lebenssituation sind wir in der Lage,

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unsere wissenschaftlichen Arbeit aus den vergangenen Jahrzehnten völlig unabhängig zu bewerten. Tatsächlich ermöglicht der derzeitige Stand der Wissenschaft kein lückenloses Verständnis der wissenschaftlichen Grundlagen gentechnischer Veränderungen. Unserer Meinung nach verpflichtet uns das Vorsichtsprinzip daher zu Kritik an der Gentechnologie, solange die Wissenschaft Grundfragen zu Theorie und Praxis der Gentechnologie auf beunruhigende Weise offen lässt und die Verantwortung für die Sicherheit der Gesellschaft auferlegt. Gegenüber Technologien mit unumkehrbaren Konsequenzen ist Handeln nach dem Vorsichtsprinzip die einzige wissenschaftlich und gesellschaftlich zu akzeptierende Vorgehensweise. Die Wirtschaft hat unserer Meinung nach nicht das Recht, der Menschheit Produkte aufzuzwingen, deren Sicherheit nicht ausreichend untersucht wurde. Indem wir in diesem Buch wissenschaftliche Fakten allgemeinverständlich darlegen, wollen wir die interessierte Öffentlichkeit in die Lage versetzen, sich ein fundiertes Bild zu verschaffen von den Tatsachen und von den Problemen, die sich bei der Einführung von genveränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln ergeben. Die biotechnologische Industrie vernachlässigt ihre Aufgabe, die Sicherheit zu überprüfen. Darum wollen wir der Kritik größeren Raum geben.

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Susan Bardócz und Árpád Pusztai Aberdeen, im Dezember 2009

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Einleitung

Als Watson und Crick Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts die Bedeutung der Doppelhelix in der DNA-Struktur erkannten und den genetischen Code entdeckten, schien der Mensch zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Blick in das Geheimnis der Schöpfung und die wichtigsten Determinanten seiner eigenen Entwicklung und Evolution erhaschen zu können. Ausgehend vom Prinzip des molekularen genetischen Determinismus vermutete man, die Struktur eines jeden einzelnen Proteins würde jeweils von einem einzigen Gen festgehalten. Nachdem wir den ersten Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Vererbung menschlicher Eigenschaften getan hatten, glaubten wir, dass die Wissenschaft mit der Zeit auch erklären würde, was uns zu Menschen macht, und was uns von den anderen Lebewesen auf der Welt unterscheidet. Anfang der Siebzigerjahre wurde die Übertragung genetischer Informationen auf Bakterien möglich. Damit nahm eine neue Forschungsrichtung ihren Anfang, die wir rekombinante DNA-Technologie nennen. Heute ist diese Wissenschaft so weit fortgeschritten, dass sich genetische Informationen von einem Organismus auf jeden anderen übertragen lassen. Großunternehmen nutzen diese Technologie, um in unserer Umwelt Lebensformen mit künstlich ergänzten Genomen zu verbreiten, die sie sich dann patentieren lassen. Sie berufen sich darauf, dass gentechnisch modifizierte Pflanzen und Tiere die Versorgung der Entwicklungsländer mit Nahrungsmitteln sicherstellen sowie zur Erzeugung gesünderer Lebensmittel und der Heilung bisher unheilbarer Krankheiten beitragen könnten. Gleich zu Einführung der rekombinanten DNA-Technologie brachen heftige Diskussionen über die Sicherheit von Versuchen mit gentechnischen Modifizierungen aus. Die Weiterentwicklung dieser Technologie erschloss schließlich immer neue Möglichkeiten für die Praxis. Gleichzeitig mehrten sich unter den Vertretern anderer Wissenschaftsbereiche aber auch die Gegner, und die Kluft zwischen einem Großteil der Genetiker, die im Bereich der Biotechnologie arbeiteten, und Populationsgenetikern, Ökologen sowie Ernährungs-

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Einleitung

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experten wurde größer. Auch verschiedene Gruppen von Bürgern äußerten immer öfter Besorgnis und Missfallen. 1998, als für jedermann offensichtlich wurde, dass ein großer Teil der westeuropäischen und amerikanischen Verbraucher unwissentlich und ungewollt in immer größerer Menge Nahrungsmittel verzehrte, die aus gentechnisch modifizierten Pflanzen hergestellt waren, wurde aus der Debatte zwischen den beiden Lagern eine wahre Schlacht. Die Verbraucher forderten, Nahrungsmittel aus gentechnisch modifizierten Pflanzen zu kennzeichnen, was sie in der EU auch durchsetzten. Daraufhin verschwanden sie größtenteils vom europäischen Lebensmittelmarkt. »Gentechnisch veränderte Pflanzen müssen im Labor ausprobiert werden, und als Versuchskaninchen darf nicht die Bevölkerung dienen«, sagte dazu Árpád Pusztai in der britischen Fernsehsendung World in Action. Erst wenn GM-Pflanzen, genmanipulierte Pflanzen also, in jeder Hinsicht als sicher betrachtet werden könnten, dürften sie für den Handel zugelassen werden. Auf den ersten Blick scheinen unsere Möglichkeiten im Rahmen des genetischen Determinismus unbegrenzt. Wenn entschlüsselt ist, welches Gen welches Protein codiert und man dieses Wissen auch nutzen kann, so erstrahlt vor uns die Möglichkeit, natürliche Lebewesen zu verändern, sie nach unseren ganz eigenen Vorstellungen oder kommerziellen Interessen zu formen. Aus diesem Grund war die Entdeckung von Watson und Crick nicht nur in theoretischer Hinsicht von großer Tragweite. Vielmehr ebnete sie auch den Weg für die Entstehung einer neuen Industrie, der Biotechnologie, die es sich zur Hauptaufgabe gemacht hat, Hefepilze, Bakterien, Pflanzen, später dann Tiere und Menschen (vornehmlich zu Heilzwecken) gentechnisch zu verändern. Indem sie das Prinzip des genetischen Determinismus anwandten, schien es den Biotechnologieunternehmen zu gelingen, die Landwirtschaft zu verändern und unter ihre Kontrolle zu bringen – mit dem Ziel, den Nahrungsmittelbedarf der ständig wachsenden Weltbevölkerung zu befriedigen und den Hunger zu besiegen, ohne Regenwälder roden und den Einsatz von umweltschädlichen Pflanzenschutzmitteln weiter erhöhen zu müssen. Die Biotechnologie verspricht außerdem, die Nährstoffzusammensetzung

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von GM-Pflanzen so zu verändern, dass ihr Nährwert vorteilhafter als der konventioneller Pflanzen sei und sie sich somit besser auf unsere Gesundheit auswirken würden. Ferner bestehe die Möglichkeit, in gentechnisch veränderten Pflanzen Heilmittel zur Stärkung des Immunsystems sowie Impfstoffe zu produzieren und auf diese Weise die Gesundheit der Menschen in bisher nie dagewesenem Maße zu verbessern. Niemand bezweifelt, dass diese Ziele edelmütig sind und nützlich für die Menschheit. Aber mit den bisherigen praktischen Ergebnissen in der Pflanzen-Biotechnologie (also den GMPflanzen der ersten Generation, die derzeit im Handel sind) werden sie bei Weitem nicht erreicht. Wir möchten in unserem Buch besonders darauf eingehen, welche gesundheitlichen Auswirkungen GM-Nahrungsmittel haben, und welche möglichen Risiken mit ihrem Verzehr verbunden sind. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen lässt sich in der Praxis allerdings nicht von den Umweltproblemen trennen, da die Auswirkungen des Anbaus von GM-Pflanzen auf die Umwelt die Gesundheit von Mensch und Tier, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt beeinflussen können. Daher kommen wir nicht umhin, diese Fragen zu behandeln. Bevor wir allerdings die mit der Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zusammenhängenden Probleme in den Bereichen Lebensmittelindustrie, Ernährungswissenschaft, Wirtschaft und Ethik erläutern, sollen einige chemische und biologische Erkenntnisse in Verbindung mit der DNA dargelegt werden.

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Grundlagen der gentechnischen Modifizierung

Gentechnische Modifizierung – wie geht das? Der menschliche Körper besteht aus Organen (Augen, Leber, Darm, Blut, Haar, Haut usw.), die Organe bestehen aus Gewebe, und dieses wiederum besteht aus Zellen sowie der extrazellulären Matrix. Die einzelnen Organe setzen sich aus verschiedenen Zellarten zusammen. Im Zytoplasma der Zellen läuft die Proteinsynthese ab, und im Zellkern befindet sich das Erbmaterial, die DNA, d.h. hier sind die genetischen Informationen für den Organismus gespeichert. Zellen bestehen aus verschiedenen Molekülen, einer Vielfalt an Kohlenhydraten (Saccharide), Fetten, Nukleinsäuren und Eiweißen, wobei Letztere alle anderen Moleküle produzieren. Eiweiße bestehen aus Aminosäuren, die, auf jeweils unterschiedliche Weise miteinander verknüpft, verschiedene Eiweiße bilden können. Kleinere Eiweiße setzen sich aus etwa einhundert Aminosäuren zusammen, während mehrere hundert oder gar tausend Aminosäuren für die Bildung von Rieseneiweißmolekülen benötigt werden. An Eiweiße sind oft weitere Moleküle gebunden – allerdings erst nach Verknüpfung der Aminosäuren. Sind entsprechende Eiweiße vorhanden, funktionieren die Zellen gut. Für die Gesundheit ist eine harmonische Funktionsweise der Organe, und hierbei der Zellen, unabdingbar. Wird diese Harmonie gestört, werden wir krank. Aus diesem Grund geben alle Lebewesen die zur Bildung der verschiedenen Eiweiße benötigten Informationen von Generation zu Generation an ihre Nachkömmlinge weiter, darüber hinaus die Information, wann und wofür eine bestimmte Zelle gebraucht wird. Enthalten sind diese Informationen im Erbmaterial, der DNA (Desoxyribonukleinsäure). Werden nun diese Informationen durch Zuführung fremden genetischen Materials auf künstlichem Wege verändert, spricht man von gentechnischer Modifizierung, auch Genmanipulation oder Genchirurgie genannt. Alle drei Begriffe haben die gleiche Bedeutung und unterscheiden sich nur in ihrer emotionalen Färbung voneinander. Dahinter verbergen sich Labortätigkeiten, bei denen Erbinforma-

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Grundlagen der gentechnischen Modifizierung: ein wissenschaftlicher Exkurs

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Die Rolle multinationaler Unternehmen und Banken in der Biotechnologie

Globale Folgen des Anbaus von GM-Pflanzen Weltweit befinden sich etwa dreißig Prozent der Rechte für die Herstellung und den Vertrieb von Saatgut im Besitz von kaum mehr als einem Dutzend multinationaler Unternehmen und ihrer Tochterfirmen. Dem Wachstum dieser Unternehmen kann offenbar nichts und niemand Einhalt gebieten. Merck, Calgene, Agracetus, Asgrow Agronomics, Sementes Agroceres (Brasilien), Holden’s Foundation Seeds, American Home Products, Unilever’s Plant Breeding International Cambridge, Mahyco (Indien), Dekalb Delta & Pine Land Company, Monsanto und Cargill International Company sind solche Unternehmen. Der Großteil der Patente mit Bezug auf gentechnische Modifizierung befindet sich in ihrem Besitz. Unter ihnen ist Monsanto hervorzuheben. Listet man alle Patente dieser Unternehmen auf, erhält man eine Vorstellung vom Ausmaß der Konzentration – dieser Konzern hält die allermeisten der der heutigen GM-Technologie-Patente: • Bollgard-Baumwolle • GM-Sojabohne (Agracetus) • Patent bezüglich glyphosatresistenter GM-Pflanzen für Mais, Reis, Weizen, Soja, Baumwolle, Zuckerrüben, Raps, Hanf, Sonnenblumen, Kartoffeln, Tabak, Luzerne, bestimmte Pappeln, Nadelbaumarten, Äpfel und Trauben. Neben den Pflanzen selbst ließ Monsanto auch die für ihren Anbau verwendeten Methoden patentieren: Unkrautbekämpfung, Aussaat und andere Tätigkeiten • das rekombinante Rinderwachstumshormon rBGH • medizinische Patente auf GM-Technologiebasis Laut Monsanto ist es das erklärte Ziel der Biotechnologieindustrie, »Lösungen für die ständig wachsenden Ernährungs- und Gesundheitsprobleme auf der Welt zu finden.« Viele sind jedoch der Ansicht, dass das wahre Ziel darin besteht, eine Monopolsituation zu schaffen, die Akzeptanz von GM-Pflanzen um jeden Preis durchzusetzen und jeden anderen Lösungsweg zu diskreditieren. Dafür kommen alle verfügbaren

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Die Rolle multinationaler Unternehmen und Banken in der Biotechnologie

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Mittel und Methoden in Recht, Wissenschaft und Werbung zum Einsatz. Auch die offizielle Politik der USA unterstützt dieses Vorhaben und greift dafür nicht nur auf übergreifende staatliche und bundesstaatliche Gesetze, sondern auch auf internationales Recht zurück. Zum Erreichen dieses Ziels benutzt man Politiker, Staatsbeamte, die Welthandelsorganisation (WTO), Lücken im Patentrecht, Landwirtschaftsverwaltungen, Gesundheits- und Umweltschutzbehörden und Organisationen zur Regulierung der Nahrungsmittelwirtschaft (USDA, APHIS, FDA, EPA usw.). Mit der Verbreitung von GM-Pflanzen, die heute kaum von unabhängiger Seite geprüft und daher auch nicht als sicher betrachtet werden können, geht man das Risiko ein, durch eine irreversible Technologie weltweite Gefahren für Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft heraufzubeschwören. Was den Anbau von GM-Pflanzen anbelangt, ist die Unumkehrbarkeit dieser Technologie der wichtigste Faktor. Wenn es nicht gelingt, diesen Prozess zu begrenzen oder zu stoppen, ist eine Transgen-Kontamination der Ackerbauflächen auf der Welt unabwendbar. Die Menschheit wird hierbei höchstwahrscheinlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Ein weltweiter Anbau von GM-Pflanzen kann dazu führen, dass Monokulturen auch dort die Felder bedecken, wo diese Anbaumethode nicht allgemein üblich ist, und die Zerstörung der Biovielfalt beschleunigen. Ein Saatgutmonopol hat zur Folge, dass die Landwirte in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. Hinzu kommt, dass sich die auf GM-Nutzpflanzen basierende Nahrungsmittelindustrie infolge des weltweiten Konsums von GM-Lebensmitteln weiter konzentriert, und es zu einer Verflechtung zwischen den dabei entstehenden, immer größeren Unternehmen und den multinationalen GM-Saatgutvertriebsfirmen kommt, was deren Macht weiter erhöhen wird.

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Die Kommerzialisierung der Molekular- und Biotechnologie Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts setzte in Großbritannien eine Entwicklung ein, bei der einige für die Wirtschaft wichtige Wissenschaftszweige kommerzialisiert wurden – zunächst langsam und dann, zu Zeiten der konservativen Regierung unter Premierministerin Margaret

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Thatcher, immer schneller. Viele werfen ihr vor, dass sie großen Schaden angerichtet hat in der britischen Grundlagenforschung, indem sie sämtliche Forschungseinrichtungen, die auf Fragen nach dem unmittelbaren praktischen Nutzen ihrer Arbeit keine zufriedenstellende Antwort geben konnten, schließen ließ. Dieser Prozess weitete sich langsam auf ganz Europa und auch auf andere Länder der Welt aus, weshalb eine Beschreibung der britischen Verhältnisse den Prozess auch ganz allgemein recht gut charakterisiert. In den Siebzigerjahren begann sich die Abhängigkeit einzelner Wissenschaftszweige und hierbei besonders der Biotechnologie von Wirtschaft und Handel abzuzeichnen. Während der Amtszeit von Premierministerin Thatcher fingen Institute und Universitäten an, immer stärker wirtschaftliche Interessen zu bedienen, und damit verlor die Wissenschaft ihre wahren Ziele aus den Augen. Auch die Wissenschaftler selbst verloren ihre Unabhängigkeit, denn von dem Zeitpunkt an war es nicht länger Hauptziel der Wissenschaft, die Welt und das Leben zu erforschen, sondern die wissenschaftliche Basis für materielle Güter und die Wirtschaft zu schaffen. In den Achtzigerjahren setzte die britische Regierung einen Ausschuss aus hoch qualifizierten Personen in führenden Positionen ein. Sie sollten Richtlinien für die Wirtschaft und das geistige Leben ausarbeiten, mit deren Hilfe die wirtschaftliche Zukunft des Landes auf ein sicheres Fundament gestellt werden kann. Eine der wichtigsten Feststellungen dieses Ausschusses lässt sich kurz zusammenfassen: Gute Wissenschaft ist die, die sich schnell zu Geld machen lässt. Wissen ist nur dann gut, wenn die Ergebnisse sofort genutzt werden können, wenn die Forschung also irgendetwas Nützliches hervorbringt, mit dem man z.B. bessere Fernsehgeräte oder schnellere Computer bauen kann. Das wäre auch gar nicht weiter schlimm. Technologische Entwicklung ist wichtig, doch nur fundierte theoretische Forschungsergebnisse können sie sicherstellen. Wird dieser Prozess jedoch auf den Kopf gestellt, und beginnt das Produkt die Wissenschaft zu steuern, nehmen die Probleme ihren Anfang. Wenn wir die Wissenschaft ausschließlich als kommerzielle Forschung betrachten, die Geschäftsinteressen bedient, verleugnen

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wir die Bedeutung der Grundwissenschaften und all das, was über Jahrhunderte hinweg treibende Kraft des Fortschritts gewesen ist. Auf kurze Sicht mag es verführerisch sein, die Wissenschaft ausschließlich in den Dienst wirtschaftlicher Interessen zu stellen, langfristig aber läuft das den Interessen der Menschheit zuwider. Bis Anfang der Neunziger hielt die britische Staatsführung eine zweckdienliche und produktorientierte Forschung für wichtig. Geld für Forschungszwecke kam zu jener Zeit noch hauptsächlich vom Staat, doch die Kosten stiegen fast exponentiell. Margaret Thatcher dachte sich darum etwas aus, um die Staatskasse zu entlasten: Wissenschaft, deren Forschungsbereiche der Industrie dienlich sein könnte, sollte nicht länger von der öffentlichen Hand, sondern von der Industrie selbst finanziert werden. Ein kluger politischer Schachzug, denn einerseits blieb das Ziel im Hinblick auf die Hauptrichtung der Wissenschaft auch weiterhin die Entwicklung von Produkten auf Basis der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, andererseits befreite sich die britische Regierung auf einen Schlag von einem Großteil ihrer Verpflichtungen zur finanziellen Unterstützung der Forschung. Im Grunde genommen hätte diese neue Finanzierung keine Probleme verursacht, wenn sich mit Einführung des neuen Systems für die Forscher nicht wesentliche Veränderungen ergeben hätten. Doch leider war genau das der Fall. Die immensen Summen für Forschung, die bis dahin der Staat (bzw. der Steuerzahler) gezahlt hatte, mussten jetzt von der Wirtschaft beschafft werden. In Wirklichkeit jedoch kaufte die Wirtschaft die Forscher, und das sollte ernste Folgen haben. Für die Grundlagenforschung wurde weniger Geld ausgegeben, da die Wirtschaft den Schwerpunkt auf Dienstleistungen und das Produkt an sich legte. Ein zweiter Aspekt, der bei diesen riesigen Veränderungen an Bedeutung gewann, ist ein Hauptmerkmal für industrielle Forschung: die Geheimhaltung. Neue Ergebnisse sollen auf keinen Fall in die Hände der Konkurrenten geraten. Im Gegensatz dazu ist Geheimhaltung der schlimmste Feind wissenschaftlicher Forschung, denn wissenschaftlicher Fortschritt beruht nun einmal auf dem freien Daten- und Gedankenaustausch unter Wissenschaftlern.

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An sich wäre die Beteiligung der Wirtschaft an der Finanzierung der Wissenschaften nicht von Schaden, wenn sie in Maßen erfolgte. Dazu müsste jedoch der kommerziellen Forschung ein entsprechender Rahmen auferlegt werden, was kein leichtes Unterfangen ist. An einem für die britischen Verhältnisse typischen Beispiel lässt sich das gut veranschaulichen. In einem Institut arbeiteten die Forscher schon seit längerer Zeit an einem medizinischen Thema. Diese Versuche kamen einem Pharmazieunternehmen zu Ohren, das die Wissenschaftler daraufhin samt ihrer Daten und Ergebnisse für eine symbolische Summe einfach kaufte. (Dies kommt immer wieder vor und wird von unseren Kollegen zum Teil heftig kritisiert. Um gerichtliche Auseinandersetzungen mit den agierenden Konzernen zu vermeiden, nennen wir hier keine Namen.) Indem das Unternehmen finanzielle Unterstützung für künftige Forschungen zusagte, bekam es die Ergebnisse aus den Jahren davor kostenlos, ohne auch nur mit einem Cent zu ihnen beigetragen zu haben. Institut und Unternehmen verfassten und unterschrieben den entsprechenden Vertrag, ohne es auch nur für nötig zu halten, die Forscher (sowie die Steuerzahler) nach ihrer Meinung zu fragen, obwohl diese von dem Tag an im Dienst der zahlenden Firma standen. Ohne Zustimmung des Unternehmens war es ihnen nicht einmal mehr erlaubt, die Ergebnisse aus der Zeit vor der Vertragsunterzeichnung zu veröffentlichen. Das Institut verkaufte die Forscher, weil es seinen kurzfristigen finanziellen Interessen diente – so sieht es aus, wenn man sich prostituiert. Ein anderes Beispiel kann aus Indien angeführt werden, wo ganze Universitätslehrstühle sozusagen »mit Haut und Haaren« von Biotechnologieunternehmen gekauft wurden – wie der Lehrstuhl für Landwirtschaft an der Universität in Bangalore, der nun einer Tochterfirma von Monsanto gehört. Wissenschaftler, die wenig über Genetik wissen und im Rahmen ihrer Arbeit zum ersten Mal mit dem Thema gentechnische Modifizierung in Berührung kommen, sind meist der Meinung, dass sie eine großartige und für die Menschheit wichtige Sache ist. Das dachten wir am Anfang auch, denn der edle Zweck begeistert die meisten Wissenschaftler. Solange man sich aber mit den Details nicht auskennt,

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kann man auch nicht mit kritischem Auge an die GM-Technologie herangehen. Auch heute meinen noch viele, dass mit der gentechnischen Modifizierung alles in Ordnung ist. Wenn jemand in diesem Bereich mit Forschungsarbeiten beginnt, und mit der Zeit Probleme auftreten, entstehen jedoch unweigerlich Zweifel, und man wird nachdenklich. Vielen kommt allerdings nicht in den Sinn, dass diese Zweifel auch Folgen haben könnten, die weit über die Forschung hinausgehen. Schließlich sind wir nicht nur Wissenschaftler und Forscher, sondern auch Bürger, die in einer sauberen, geordneten und gesunden Umwelt leben wollen. Es ist deshalb geboten, die gentechnische Modifizierung nicht nur aus wissenschaftlichem, sondern auch aus gesellschaftlichem und ethischem Blickwinkel zu betrachten. Vielen gehen erst dann die Augen auf, wenn die öffentliche Äußerung von Zweifeln schon heftige Gegenreaktionen auslöst, und man, wie wir selber, am eigenen Leib erfährt, wie weit sogar öffentliche Behörden gehen, um Stimmen der Kritik an der GM-Technologie zum Verstummen zu bringen.

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Die Intoleranz der Biotechnologieindustrie Kritik an der gentechnischen Modifizierung ertragen die Biotechnologiebranche und manche politischen Kreise. nur schwer. Dafür ließen sich ebenfalls viele typische Beispiele finden, von denen unser Fall vielleicht der frappanteste ist. 1995 beschloss das schottische Agrar-, Umwelt-, Nahrungsmittel- und Fischereiministerium (SOAEFD) die Finanzierung eines dreijährigen Forschungsprogramms mit drei Forschungsgruppen als Teilnehmer. Dieses Programm stand unter der Leitung von einem von uns, Árpád Pusztai. Hauptzweck des Programms war es, für die Behörden zuverlässige Untersuchungsmethoden zur Ermittlung eventueller Gesundheits- und Umweltgefahren von GMPflanzen auszuarbeiten. Außerdem war es unsere Aufgabe, eine Sammlung von Versuchsmethoden zusammenzustellen, die eine sichere Grundlage für Risikobewertungen darstellt. Diese sollte von Unternehmen auch akzeptiert und angewendet werden, um damit Risiken und Gefahren von GM-Pflanzen auf ein Minimum zu senken.

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Was soll nun ein Wissenschaftler tun, wenn er Beobachtungen mit Konsequenzen von so grundsätzlicher Bedeutung und Tragweite macht? Was soll man unternehmen, wenn man weiß, dass die Menschen schon Nahrung zu sich nehmen, die auf GM-Pflanzen basiert, die mit genau dieser Technologie hergestellt und bereits zugelassen wurden?

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Bei den Versuchen verwendeten wir als Modell eine GM-Kartoffel, in die ein Unternehmen das Gen des Anti-Insekten-Lektins (GNA-Protein) aus der Schneeglöckchenzwiebel übertragen hatte. Im Rahmen der Vorversuche erwies sich das Schneeglöckchenlektin für Säugetiere als ungefährlich; bei der Verfütterung des isolierten GNA stellten wir keinerlei Veränderungen fest, selbst nachdem wir der Rattennahrung das 800-fache der Menge, die in einer GM-Pflanze zu erwarten ist, beigemischt hatten. Daher schien es, als könne das GNA-Gen sicher zur gentechnischen Veränderung von Pflanzen verwendet werden. In der Geschichte der Biotechnologie war dies das erste und einzige Mal, dass nach langen Voruntersuchungen ein Transgen zur Übertragung ausgewählt wurde. Bei der Untersuchung der GNA-haltigen GM-Kartoffeln zeigte sich, dass sie Schädigungen durch Blattläuse und Bandwürmer zwar wirksam widerstanden, so wie es anhand der Voruntersuchungen auch zu erwarten gewesen war. Doch überraschenderweise stellte sich auch heraus, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen der GNA-Menge und dem Ausmaß des Schutzes des Kartoffelblattes vor Schädlingen bestand; mehrfach waren die GM-Pflanzen mit der geringsten GNA-Menge am widerstandsfähigsten gegen Milben. Gelegentlich erwiesen sich Pflanzen, die in ihren Blättern mehr GNA hatten, sogar als weniger geschützt. Eine weitere Überraschung war die Tatsache, dass die GNA-Kartoffel außer den Schädlingen auch nützliche Insekten in Mitleidenschaft zog, so z.B. den blattlausvertilgenden Marienkäfer. Im Verlauf unserer Tierversuche wurde offensichtlich, dass die mit der Nahrung aufgenommene GM-Kartoffel nicht nur Veränderungen im Darmsystem und einigen anderen inneren Organen der Säuger (Ratten) hervorrief, sondern auch die Funktionsweise des Immunsystems hemmte, und das, obwohl wir uns vorab von der Sicherheit des GNA-Proteins selbst überzeugt hatten.

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Sollen wir unser Gewissen ignorieren und schweigend weiter forschen oder unsere Mitbürger warnen vor möglicherweise gesundheitsschädigenden Auswirkungen der GM-Pflanzen, die ohne entsprechende Sicherheitsuntersuchungen auf den Markt geworfen wurden? Nach unserer Meinung sind die Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und wissenschaftliche Ethik wichtiger als Unternehmensprofite. Am 10. August 1998 war Árpád in einem Interview in der britischen Fernsehsendung World in Action zu sehen. Er äußerte sich besorgt darüber, dass die britischen Verbraucher in den vorangegangenen 18 Monaten GM-Lebensmittel konsumiert hatten, die nicht zufriedenstellend untersucht worden waren und deshalb gefährlich für die Gesundheit sein könnten. Die Fernsehsendung löste einen riesigen Medienrummel aus. Árpád wurde daraufhin von seinem Arbeitsplatz suspendiert, seine wissenschaftlichen Qualitäten wurden in Frage gestellt und unsere Arbeitsergebnisse vom Institut verleugnet. Leider ist das nicht das einzige Beispiel dieser Art. Es ist offensichtlich geworden, dass der Glaube an die Freiheit der Wissenschaft eine Illusion ist. Inkompetente und intolerante Führungskräfte in Politik und Wissenschaft, die nur den Mechanismen des Geldes gehorchen und kurzfristige profitorientierte Interessen vertreten, bringen jeden zum Schweigen. Besonders von dem nachdrücklichen Verweis auf Forschungsergebnisse, die die gentechnische Modifizierung kritisieren und mit ihr verbundene Probleme offenbaren, fühlt sich die politische und wirtschaftliche Führung, die sich der GM-Technologie verschrieben hat, unangenehm berührt. Schließlich gehen sie von der Prämisse aus, dass mit der erfolgreichen Einführung der GM-Technologie und ihrer allgemeinen Verbreitung in Zukunft für Hunderttausende neue Arbeitsplätze geschaffen und die Steuereinnahmen des Staates erhöht werden können. Deshalb tolerieren manche Politiker noch nicht einmal Skepsis. Uns erscheint die vorbehaltlose Unterstützung der GM-Technologie als ideologischer, geradezu religiöser Feldzug, bei dem jeder aus dem Weg geräumt wird, der sich gegen Akzeptanz und Vormarsch dieser neuen Industrie stellt. An die Stelle der laufend sinkenden Forschungsförderung aus öffentlicher Hand ist zum größten Teil die Finanzierung durch Banken und

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