MAG 41: Der Freischütz

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MAG 41

Lise Davidsen singt Agathe


Nacht aus. Licht an.

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Editorial

Die Jagd ist eröffnet Verehrtes Publikum, der Freischütz, mit dem wir unsere neue Spielzeit eröffnen, ist ein Herzstück des Opern­repertoires. Wir kennen ihn. Wir lieben die Musik. Aber wie wollen wir ihn eigentlich sehen? Als lodengrüne Festoper, in der frohgemut die Jägerhüte geworfen werden, der biedermeierliche Jungfernkranz gewunden wird und in der Wolfsschlucht der schwarze Eber rast? Das wäre wohl doch etwas zu harmlos. Denn der Freischütz ist auch ein böses Stück: Er handelt von einem unmenschlichen Prüfungsritual, mit dem die Liebenden schikaniert werden, von hämischer Schadenfreude, verknöchertem Obrigkeitsdenken und aggressiver Ausgrenzung. Soll die Inszenierung also alles Folklo­ ristische abräumen und den finsteren Hasskern des Stücks offenlegen? Der bedauernswerte Jägerheld Max würde mit seinem Misserfolgstrauma, seinen Versagensängsten und seinen Aussenseiternöten freilich auch den Stoff für eine tiefen­ psychologische Studie liefern. Oder muss die Regie zuallererst den Nimbus des Werks als deutsche Nationaloper reflektieren, zu dem Richard Wagner den Grundstein gelegt hat, als er Carl Maria von Weber in seiner Grabrede als den deutschesten aller Kompo­ nisten bezeichnete? Unser Zürcher Regisseur Herbert Fritsch hat einer solchen Lesart gleich bei seiner Begrüssungsansprache mit einem Witz von Harald Schmidt eine Ab­ sage erteilt: «Was wird in deutschen Stadttheatern gespielt, wenn alle in SS-Unifor­men in der Kantine sitzen? Richtig: der Freischütz.» Im Feldgrau deutscher Soldaten also wird der Jägerchor bei ihm nicht auftreten. Und was ist überhaupt mit dem deutschen Wald, den der Komponist Hans Pfitzner einst als die eigentliche Hauptperson im Freischütz ausmachte? Wollen wir den noch auf der Bühne sehen, als gemalte Kulisse, als Kunstinstallation, als Video­ projektion? Oder erhebt sich der Wald, wie Theodor W. Adorno fand, nur abstrakt als das Aufrechtstehende, Rigide, Marschierende in den Köpfen der Förstergesellschaft? Eine furchterregende Wolfsschlucht wollen wir sowieso sehen, schliesslich hat Carl Maria von Weber grandiose Musik für sie komponiert. Kann ein neuer Freischütz all den Sehnsüchten und inhaltlichen Ansprüchen, die sich um das Werk ranken, überhaupt gerecht werden? Herbert Fritsch jedenfalls fühlt sich als Regisseur wie Max: Riesig sei der Erwartungsdruck, der auf jeder Insze­ nierung laste, und dementsprechend gross seien auch seine Ängste, den einen, alles entscheidenden Schuss zu verpatzen. Aber vielleicht haben er und sein Partner am Dirigentenpult, Marc Albrecht, ja eine Freikugel geladen – nicht die siebte, die vom Teufel gelenkt wird, sondern die erste, die mitten ins Schwarze trifft. Die Premiere ist am 18. September, am Tag nach unserem grossen Eröffnungsfest, mit dem wir auch in diesem Jahr wieder die neue Saison starten. Und wir am Opernhaus Zürich sind alle voller Zuversicht, dass der neue Freischütz eine spektakuläre, aufregende und über­ raschende Neuproduktion wird. Das MAG-Team wünscht allen Opernhausbesuchern eine spannende Spielzeit 2016/17. Mit Porträts, Interviews, Essays, Kolumnen werden wir Sie auch in der neuen Saison auf unsere Premieren einstimmen und über alles informieren, was Sie sonst noch rund um das Opernhaus wissen müssen. MAG 41 / Sept 2016 Unser Titelbild zeigt Lise Davidsen, die in «Der Freischütz» die Agathe singt (Foto Florian Kalotay)

Claus Spahn

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Chefdirigent: Douglas Bostock

2016 I 2017

AARGAU IM ABO 1. ABO-KONZERT Vorhang auf: Beethoven! BEETHOVEN Symphonie Nr. 1 BERG Violinkonzert BEETHOVEN Symphonie Nr. 5 DOUGLAS BOSTOCK Leitung SOPHIA JAFFÉ Violine Aarau (18./20.09.16) I Baden (23.09.16) 2. ABO-KONZERT Feuer und Flamme LISZT Prometheus CHOPIN Klavierkonzert Nr. 2 TSCHAIKOWSKY Symphonie Nr. 4 JAMES JUDD Leitung ANDREW TYSON Klavier Aarau (06./08.11.16) I Baden (11.11.16) 3. ABO-KONZERT Vermächtnis und Erbe SCHUMANN Ouvertüre, Scherzo & Finale BRAHMS Doppelkonzert BEETHOVEN Symphonie Nr. 7 DOUGLAS BOSTOCK Leitung SEBASTIAN BOHREN Violine CHIARA ENDERLE Violoncello Aarau (22./24.01.17) I Baden (20.01.17)

4. ABO-KONZERT Neue Welt BERNSTEIN On the Town (Three dance episodes) RAVEL Klavierkonzert G-Dur DVOŘÁK Symphonie Nr. 9 RUNE BERGMANN Leitung VOLODYMYR LAVRYNENKO Klavier Aarau (19./21.03.17) I Baden (24.03.17) 5. ABO-KONZERT In der Natur BEETHOVEN Symphonie Nr. 6 HUBER Symphonie Nr. 7 DOUGLAS BOSTOCK Leitung Aarau (07./09.05.17) I Baden (12.05.17) ABO-PREISE KAT. I CHF 256.– I KAT. II CHF 212.– I KAT. III CHF 184.– info@argoviaphil.ch I 062 834 70 00 I www.argoviaphil.ch Besuchen Sie die Playlist „Live-Mitschnitte“ auf unserem YouTube-Kanal. QR-Code scannen oder www.youtube.com aufrufen und nach argovia philharmonic suchen.


Inhalt

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remiere «Der Freischütz» P Marc Albrecht und Herbert Fritsch bringen Carl Maria von Webers «Freischütz» auf die Bühne. Die beiden Künstler im Gespräch.

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Willkommen zum Eröffnungsfest Bereits zum fünften Mal eröffnen wir am 17. September die neue Saison mit einem grossen Fest! Im MAG finden Sie einen Überblick über die zahlreichen Programmpunkte.

U nsere neue Kinderoper «Gold!» Mit «Gold!» nach dem Märchen «Der Fischer und seine Frau» für Kinder ist dem holländischen Komponisten Leonard Evers ein richtiger Hit gelun­ gen. Premiere am 17. September!

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125 Jahre Opernhaus Zürich Christoph Kohler blickt auf die Ent­ stehung des Theaterneubaus 1891 zurück. Ausserdem: Liebeserklärungen unserer Mitarbeiter an «ihr» Opernhaus

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 7 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9 Die geniale Stelle – 46 Meine Rolle – 50 Kalendarium und Serviceteil – 52 Der Fragebogen – 56

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Die Bühnentechnik hebt ab Red Bull zu trinken, soll ja Flügel verleihen. Am Red Bull-Flugtag verliess man sich allerdings nicht ausschliesslich auf den Energy-Drink: 49 Teams bastelten aufwendige Flugobjekte, deren Flugfähigkeit am 16. Juli vor 48.000 (!) Zuschauern auf der Landiwiese getestet wurde. Das Team vom Opernhaus (die Bühnenhandwerker Philipp, Manuel, Jan, Christian und Pilotin Ramona im «Flying Dutchman») erreichte den 6. Platz und liess mit einer Flugweite von 36m 47 Teams hinter sich. Herzlichen Glückwunsch!


Fotos: Peter Hauser


Opernhaus aktuell

Wiederaufnahme

Einführungsmatinee

Jung

Roberto Alagna singt in «Pagliacci» und «Cavalleria rusticana»

Faszination Strawinsky

Geschichten erzählen «Der Freischütz»

Nach langer Zeit ist Startenor Roberto Alagna wieder am Opernhaus Zürich zu erleben. Er singt Turiddu in Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana an der Seite von Catherine Naglestad (Santuzza) sowie Canio in Ruggero Leoncavallos Pagliacci an der Seite von Aleksandra Kurzak (Nedda). Als Canio wurde Roberto Alagna unlängst an der Met in New York gefeiert. Daniele Rustioni dirigiert die beiden beliebten Kurzopern in der Wiederaufnahme von Grischa Asagaroffs Inszenierung. Ein emotionsgeladener Opernabend ist garantiert!

Le Sacre du printemps und Petruschka – die beiden Ballette von Igor Strawinsky stehen im Mittelpunkt der Matinee am 25. September. Vor der ersten Ballettpremiere dieser Saison spricht Dramaturg Michael Küster im Bernhardtheater mit den Choreografen Edward Clug und Marco Goecke, dem Dirigenten Domingo Hindoyan und Ballettdirektor Christian Spuck über die «Faszination Strawinsky». Sonntag, 25 Sept, 11.15 Uhr Bernhard Theater

Auszeichnung

Gold für Lou Spichtig

Wiederaufnahme 24 Sept Weitere Vorstellungen 28 Sept, 4, 9, 12 Okt

Neueröffnung

Bernhard Bar Café Seit Oktober 2014 hat das Bernhard Theater mit Hanna Scheuring eine neue künstlerische Leitung. Nun ist über den Sommer auch das Bistro beim Bernhard Theater umgebaut worden; es heisst jetzt Bernhard Bar Café und öffnet am 8. September seine Türen. In den neu gestalteten und aus unserem Theaterfundus bestückten Innenräumen lädt eine gemütliche Theateratmosphäre vor oder nach den Vorstellungen zum Verweilen bei Pizza, Flammkuchen und Grillgerichten, Wein oder Bier ein. Mittags und abends erwartet Sie ein täg­lich wechselndes Menu. Herzlich Willkommen!

Über einen wahren Preisregen konnte sich Tänzerin Lou Spichtig freuen. Die junge Schweizerin, die seit voriger Saison zum Junior Ballett gehört, wurde beim 27. Internationalen Ballettwettbewerb in Varna (Bulgarien) mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Ausserdem wurden ihr bei dem renommierten Wettbewerb der Emil Dimitrov Special Prize for Young Talent und der Sylvia Award for Promising Young Dancers verliehen. Herzlichen Glückwunsch!

Die erste Ausgabe unseres Formats «Geschichten erzählen» für 6- bis 9-Jährige dreht sich um den Freischütz von Carl Maria von Weber. Die Thematik des Schiessens und die Versa­ gens­ängste, die damit verbunden sind, passen gut zum traditionellen Zürcher Knabenschiessen, das der Erzähler Christoph Betulius zum Schauplatz seiner Freischütz-Geschichte macht: Max möchte beim Knabenschiessen beweisen, was er als Schütze drauf hat, und will damit Agathe beeindrucken. Aus Angst zu versagen, lässt er sich von seinem falschen Freund Kaspar überreden, sich mithilfe von dunklen Mächten zum Schützenkönig zu schiessen… In dieser 75-minütigen Veranstaltung bleiben die Kinder nicht blosse Zuhörer, sondern singen mit und stehen gemeinsam mit Sängern und Musikern auf der Bühne. 24, 25 Sept, 1, 2 Okt, jeweils 15.30 Uhr Studiobühne

Extras

Führungen durchs Opernhaus Das Opernhaus Zürich feiert dieses Jahr sein 125-jähriges Bestehen (lesen Sie dazu den Artikel ab Seite 40). Wenn Sie mehr über die Geschichte des Hauses erfahren oder einen Blick hinter die Kulissen werfen möchten, empfehlen wir Ihnen unsere Führungen durchs Opern­haus, die ab dem 24. September zu verschiedenen Themen angeboten werden. Informationen unter: www.opernhaus.ch/fuehrungen

Illustrationen: Anita Allemann  /  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Vorhang auf für die neue Saison Herr Homoki, wenn man sich den neuen Spielplan anschaut, fällt vor allem eine gewisse Kontinuität auf – etwa, was die Namen der Regisseure angeht. Welche Kriterien sind hier ausschlaggebend? Entscheidend ist immer die richtige Balance. Ohne eine gewisse Ab­ wechslung wird ein Spielplan eintönig, aber ohne Kontinuität wird er ge­ sichtslos. Als Regisseur habe ich natür­ lich bestimmte Vorstellungen, wie gutes Musiktheater aussehen sollte. Daher versuche ich immer, solche Kollegen einzuladen, die zwar unterschiedliche Handschriften aufweisen, in ihren künstlerischen Haltungen aber dennoch gewisse grundlegende Gemeinsam­kei­ten mit mir teilen. Für mich ist elemen­tar, Geschichten über Menschen zu er­ zählen, und zwar mit den ureigens­ten Mitteln des Theaters. Als Zuschauer möchte ich gefesselt werden und schätze es sehr, wenn ein Regisseur es schafft, mich mit einem vermeintlich bekannten Stück zu überraschen und spannend zu unterhalten. Selbstverständlich bleibt eine künstlerische Arbeit auch für den erfahrensten Regisseur immer eine Reise ins Ungewisse und beinhaltet Risiken. Ich drücke also die Daumen, dass auch die Produktionsteams der vor uns liegenden Saison am Ende eine so farbige und vielfältige Bandbreite auf die Bühne bringen werden, wie ich sie mir für ein lebendiges Musiktheater erträume. Welches sind Ihre ganz persönlichen Höhepunkte in dieser Saison? Zwei Projekte, mit denen wir die Genre-­ Grenzen noch weiter ausloten: Messa da Requiem von Verdi sowie Franz Lehárs Operette Das Land des Lächelns. Das Verdi-Requiem ist ja als Totenmesse ursprünglich nicht für die Opernbühne komponiert. Da aber Verdi auch in diesem Werk sein Theater­ blut in keiner Sekunde verleugnen kann, schreit es geradezu nach einer

szenischen Interpretation. Ich freue mich, dass Christian Spuck das Wagnis auf sich nimmt, eine spartenüber­ greifende Gemeinschaftsproduktion mit unserem Chor, seinem Ballett Zürich und nicht zuletzt vier hochkarätigen Gesangs­solisten für uns zu erarbeiten. Mit dem Land des Lächelns erfüllen wir uns und unserem Publikum endlich ei­ nen lange gehegten Wunsch und zeigen die erste Operette meiner Direktions­ zeit. Unser bisheriges Zögern liegt in dem grossen Respekt vor diesem Genre, nicht zuletzt wegen der hohen Anforde­ rungen an Leichtigkeit und Präzision, auch im Hinblick auf die Besetzung. Mit Piotr Beczala als Sou-Chong und Julia Kleiter als Lisa können wir dieses Meisterwerk endlich in einer Ideal­ besetzung präsentieren, die im besten Sinne an die Traditionen von Vorbildern wie Fritz Wunderlich und Anneliese Rothenberger anknüpfen kann. In dieser Spielzeit bilden zwei Dramen der griechischen Antike eine wichtige thematische Klammer: Médée von Marc-Antoine Charpentier und Orest von Manfred Trojahn. Was ist das Besondere an diesen Projekten? Orest von Manfred Trojahn ist ein ganz neues Stück, das erst 2011 in Amster­ dam uraufgeführt wurde und das wir als Schweizer Erstaufführung neu insze­ nieren. Ich bin sehr stolz, dass wir dafür keinen geringeren als Hans Neuenfels gewinnen konnten, der zum ersten Mal im Opernhaus Zürich arbeiten wird. Mit Médée greifen wir hingegen weit zu­rück ins bislang von uns etwas vernach­lässigte französische Barock des 17. Jahrhunderts. Ich persönlich freue mich dabei sehr auf das Wiedersehen mit dem Dirigenten William Christie, mit dem ich bereits in Aix-en-Provence eine Charpentier-Oper erarbeitet habe.

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KU LTUR ZÜRI .CH Eine Agenda für alles.

BALLETT IM KINO LIVE AUS MOSKAU PATHE DIETLIKON, ZÜRICH PATHE KÜCHLIN, BASEL PATHE WESTSIDE, BERN DAS GOLDENE ZEITALTER - 16.10. DER HELLE BACH - 06.11. DER NUSSKNACKER - 18.12. DORNRÖSCHEN - 22.01. SCHWANENSEE - 05.02. A CONTEMPORARY EVENING - 19.03. EIN HELD UNSERER ZEIT - 09.04. * Aufzeichnung

PATHELIVE

Weitere Infos auf


Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Ganz schön schief So einfach. So kompliziert. So leicht. So schwer. So spektakulär. So stellt sich das auf der Drehscheibe stehende Freischütz-Bühnenbild von Herbert Fritsch aus technischer Sicht dar. So einfach, weil es nur aus drei Elementen besteht: Ein gelbes Haus mit einem roten Dach, ein gelber Turm mit einer roten Turmspitze und ein grüner Boden. So kompliziert, weil der Turm und das Haus aus grossen dreieckigen Flächen be­stehen, die in allen möglichen Winkeln nahtlos aneinanderstossen und deren Teilungen man natürlich möglichst nicht sehen sollte. Die Komplexität einer solchen Konstruktion aus Stahl und Holz ist so hoch, dass unsere erfahrene technische Produktionsleiterin Marina Nordsiek beim Konstruieren am Bildschirm fast wahnsinnig geworden wäre: Kein Winkel gleicht dem anderen, keine Fläche liegt parallel zu einer anderen. Das bedeutet auch für die Herstellung in unseren Werkstätten, dass jedes einzelne Stahlprofil und jede Latte unterschiedliche Längen und Winkel haben und von Hand millimetergenau eingepasst werden mussten. Jede kleine Abweichung bei der Konstruktion hätte dazu geführt, dass keine Fläche mehr an die andere gepasst hätte und grosse Spalten entstanden wären. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass hunderte dieser Profile in der Konstruktion verbaut wurden, wird einem die Leistung von Marina und den Werkstätten bewusst. Die Komplexität wurde dadurch noch ver­ stärkt, dass Herbert gerne Darsteller auf das Hausdach und den Turm stellen möchte und deshalb alles sehr stabil sein muss. So leicht, weil Haus, Turm und Dach wie Marionetten an Seilen hängen und fliegen können sollen, und so schwer, weil sie bei aller optischen Leichtigkeit doch aus einer grossen Menge an Stahl und Holz bestehen. So spektakulär, weil alles extrem glänzen soll: So hochglänzend, dass wir das in einer auf Hochglanz spezialisierten Werkstatt lackieren lassen mussten. Das Ergebnis sind in satten Farben spiegelnde Wand- und Bodenflächen. Spektakulär aber auch, weil sich Herbert (während ich diesen Text schreibe) auf den Probebühnen auf den fliegenden Elementen Handlungen ausdenkt, die mir wohl noch die eine oder andere schlaflose Nacht bereiten werden...

Illustration: Anita Allemann

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Sechse treffen, sieben äffen! In Webers «Freischütz» hat der Teufel seine Hand im Spiel, und der Regisseur darf sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Ein Gespräch mit Herbert Fritsch über die diabolische Herausforderung, den «Freischütz» zugleich als farbenfrohe Choroper, burleskes Volkstheater und furchterregendes Schauerdrama auf die Bühne zu bringen.



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Herbert, wovon handelt der Freischütz? Ein grosses Thema ist die Angst des Mannes vor der Frau. Die Angst, sich einer Frau gegenüber klein und ohnmächtig zu fühlen und dann nach Hilfe zu suchen, und diese Hilfe nicht zu bekommen und daran kaputt zu gehen. So ergeht es Max. Das ist ja ein sehr heutiges Thema: Was heisst Mann sein? Was heisst stark sein? Was bedeutet es, keinen Erfolg zu haben als Mann, plötzlich immer daneben zu treffen und zu versagen?

«Für mich ist der Sänger der Mittelpunkt des Theaters. Er muss Funken schlagen und nicht die Feuer­waffenAbteilung.»

Der Misserfolg von Max bezieht sich aber im Freischütz nicht nur auf die Beziehung zu Agathe, sondern auch auf die Gesellschaft insgesamt, der er sich gegenübersieht. Die ist eng­stirnig und übt einen extremen Erwartungs- und Konformitätsdruck auf ihn aus. Absolut. Max muss alles an einem be­ stimmten Tag richtig machen. Er muss treffen. Das ist übrigens auch der Druck, unter dem ich als Regisseur stehe. Der Freischütz ist so bekannt und schon so oft gemacht worden, und es ist schwer, diesem Stück gerecht zu werden. Plötzlich spürst du als Re­gis­seur die gleiche Versagensangst wie Max. Eine stärkere Identifikation zwischen dem Regisseur und seiner Hauptfigur kann es gar nicht geben. Du bist umstellt von Erwartungen, die dich wie finstere Geister umgarnen. Und dann sollst du diesen unglaublichen Schuss machen. Wahnsinn. Kannst du die Situation von Max noch etwas genauer beschreiben? Er hat kein Vertrauen mehr, in nichts und niemanden. Man sagt ja, dass Vertrauen die Überwindung von Kom­ plexität ist. Das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt, auch beim Regie­ führen. Wenn Vertrauen da ist, kannst du die Dinge geschehen lassen. Aber Max ist überall mit Komplexität kon­ frontiert. Stärkster Ausdruck davon ist Kaspar, der macht das alles noch schwie­ riger und undurchschaubarer, als es eh schon ist. Und Max fällt auf diese Komplexität rein anstatt zu sagen: Es

ist, wie es ist. Ich schiesse jetzt halt mal und dann schauen wir weiter. Das schafft er nicht. Er hat auch das Ver­ trauen in sich selbst verloren. Er ist total allein. Furchtbar, diese Einsamkeit, der er ausgesetzt ist. Du sagst, als Regisseur kennst du die Versagensängste von Max. Was ist deine Strategie dagegen? Es gibt einen Heiligen, Josef von Copertino, er ist der Schutzpatron der Prüf­ lin­­ge. Er wird auch der heilige Einfalts­ pinsel genannt. Der ist ein grosses Vorbild für mich. Den haben im Kloster alle für den totalen Deppen gehalten, deshalb durfte er nicht zur Priester­ prüfung. Er wollte es aber unbedingt. Mit Riesenschritten – Forrest Gump hat da seinen Ursprung – rennt er nach Bologna. Gerade noch rechtzeitig kommt er zur Prüfung. Die Kardinäle stellen ihm eine hochkomplexe theo­lo­ gische Frage. Josef von Copertino denkt lange nach und sagt dann einfach nur: «Amen!» Die Kardinäle sind völlig perplex, finden aber, dass das genau die richtige Antwort sei. Sie stellen die zweite Frage, wieder sagt Josef: «Amen». Die dritte Frage, wieder: «Amen». Er hat die Priesterprüfung bestanden. Das war der heilige Josef von Copertino. Max wendet sich am Punkt grösst­ mög­licher Verzweiflung dem Dä­mo­ ni­­schen zu. Er geht in die Wolfsschlucht. Findest du, dass das Un­ heim­­liche immer noch eine wirksame Kraft ist, oder ist das nur schwarze Märchenromantik aus dem 19. Jahrhundert? Nein, das ist Realität! Wir kennen doch alle Situationen, in denen wir das Unheimliche spüren. Du stehst auf einem hohen Felsen, guckst in die Tiefe und spürst plötzlich diesen Sog, der dich nach unten zieht und musst ganz schnell weggehen, damit du dem Zwang nicht erliegst, dich vornüber zu beugen. Manche Menschen sind von Krimi­nalität fasziniert. Ihnen geht es nicht darum, Leuten Geld abzuluchsen, sondern sie fühlen sich von dem Un­ heimlichen angezogen, der Verlockung, die dem Kriminellen innewohnt.


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Oder der Abgrund der Depression: Alles finster zu sehen, alles schwarz zu malen, kann einen unglaublichen Sog entwickeln, der einen immer weiter in die Tiefe zieht. Irgendwann fängst du an, die Schwärze auszukosten und dich in der Negation zu suhlen. Im Freischütz steckt das alles drin. Und wie bringt man das Unheimliche auf die Bühne? Im Stück hat es ja seine Erscheinungsform in Gestalt von Samiel, dem Teufel. Zu Carl Maria von Webers Zeiten war das eine furchterregende Figur. Kann man ihn heute nur noch als Witzfigur auf die Bühne bringen? Nein, überhaupt nicht. Es kommt ja auch immer darauf an, was Witz bein­­hal­tet. Clowns können sehr böse sein. Der Arlecchino aus der Commedia dell’arte kann bestialisch lachen und hat in seiner Maske noch die Reste der Teufelshörner an der Stirn. Das ver­ meintlich Witzige kann sehr unheimlich sein. Aber der Witz hilft uns, in Distanz zu kommen zum Bösen. Ich finde, man darf den Zuschauern das Teuflische nicht distanzlos um die Ohren hauen wie in den humorlos aufgedonnerten Horrorfilmen. Der Witz verleiht dem Teufel Souveränität. Genau. Das beste Beispiel ist Mephisto. Fragst du einen Schauspieler, ob er lieber Faust oder Mephisto spielen will, wird er immer Mephisto wählen. Der sahnt nämlich ab beim Publikum. Ich selbst habe auf dem Theater immer gerne die abgefeimten, bösen Typen gespielt. Das stachelt die Schauspieler­ lust an. Ich kann es gar nicht genau erklären, worin die Faszination solcher Figuren liegt. Über Harlekine mit richtig bösem Humor haben die Leute geschrien vor Lachen, aber sie mussten auch damit rechnen, hingerichtet zu werden. Und die Teufelsdarsteller wur­ den nicht auf dem Friedhof begraben, sondern dahinter. Der Freischütz ist ein aufwendiges Aus­stattungsstück. Da gibt es Jäger, Gewehre, heruntergeschossene

Adler, von der Wand fallende Ahnengemäl­de, Wolfsschluchtfelsen usw. Wie gehst du damit um? Ich räume das alles ab. Nicht nur im Freischütz, sondern immer in meinem Theater. Ich finde, dass man sich frei machen sollte von diesem ganzen Ballast, gerade in der Oper. Für mich ist der Sänger oder der Schauspieler der Mittelpunkt des Theaters. Er muss mit Energie aufgeladen sein, er muss Funken schlagen und nicht die Feuer­ waffen-Abteilung. Für mich ist das die Grundsituation: Ein Darsteller singt oder erzählt eine Geschichte mit solcher Spannung und Konzentration, dass ich alles leibhaftig vor mir sehe. Dazu brauche ich keine Requisiten. Aus der Einfachheit des Theaters erwächst die Magie! Das ist ja gerade der Trick im Theater, dass die Zuschauer auf der Bühne Dinge sehen, die gar nicht pas­sie­ren. Und davon handelt ja auch der Freischütz, insbesondere in der Wolfsschlucht. Was heisst das konkret, wenn etwa im Freischütz geschossen wird und es keine Gewehre gibt? Der ganze Chor schreit «Peng!». So einfach, wie du sagst, ist dein Theater aber gar nicht. Was du auf die Bühne bringst, lebt auch von der Lust am Verschwenderischen: Du liebst die grosse Körpergeste, spektakuläre Artistik, übertriebene Aussprache, opulente Kostüme. Immer wenn ich die Körper in einen Zustand des Überschwangs bringe, wenn Energie vergeudet wird, entsteht etwas Spannendes. Die Schauspieler sagen manchmal zu mir: Herbert, wenn wir die ganze Zeit mit dieser extrem hochgefahrenen Energie spielen, können wir am Ende nicht mehr. Ich sage aber: Wenn das Herz offen ist und man voll in den Wahnwitz geht, wird man am Ende noch viel mehr Energie haben als vorher. Da bauen sich grosse Glücks­ momente auf, weil man spürt, wozu der Körper fähig ist, wie er strahlen kann. Ich bin total begeistert von den Solisten und dem Chor hier in Zürich, von der Kraft und der Lust und der


14 Der Freischütz

Unsere Fotostrecke von Florian Kalotay zeigt Florian Anderer, den Samiel im «Freischütz», und Herbert Fritsch

Offenheit, mit der sich alle in die Arbeit schmeissen. Ich versuche immer die Trennung zwischen Musik und Schau­ spieldramatik aufzuheben. Von meinen Schauspielern erwarte ich, dass sie singen, wenn sie sprechen, und tanzen, wenn sie sich bewegen, und bei den Sängern umgekehrt. Wir haben hier viele Sänger im Ensemble, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, was im deutschen Singspiel oft als Problem empfunden wird. Ich finde es aber gerade interessant, eine Norwe­ gerin, einen Engländer, eine Französin, einen Bulgaren und einen Russen deutsche Dialoge sprechen zu lassen. Ich bin voller Respekt, mit wieviel Leiden­schaft sie sich den Texten wid­ men, und geniesse es, dass sie mit starkem Akzent sprechen. Sie bringen dadurch unglaublich viel an Persönlich­ keit ein. Natürlich nehme ich sie streng in die Pflicht, was Aussprache, Betonung usw. angeht, aber da entsteht eine grosse Energie. Ist das nicht auch eine Form der viel beschworenen Integration, um mal einen Modebegriff der Gegenwart ins Feld zu führen? Im

Schauspel wird ständig über migran­ tisches Theater diskutiert, in der Oper ist das selbstverständlich. Du propagierst ein direktes, um­ stands­loses Theater, das die Dinge gerne Karl-Valentin-haft beim Wort nimmt. Das aber wird als sehr künstlich wahrgenommen. Wie ist das zu erklären? Ich hatte mal ein Schlüsselerlebnis, als ich die Traviata-Aufnahme aus der Scala mit der Callas und Di Stefano gehört habe. Da war ich an einer hochdramati­ schen Stelle regelrecht geschockt vor Ergriffenheit, als ob ich einen Verkehrs­ unfall erlebt hätte. Als ich die Aufnahme dann noch einmal mit Distanz gehört habe, ist mir klar geworden: Die Emo­ tio­nen sind total gespielt, hergestellt, künstlich. Von da an wusste ich, dass das ganze method-acting, der vermeintliche Realismus, der aus tiefer emotionaler Einfühlung erwachsen soll, völlig balla­ balla ist. Durch rein mechanische Vorgänge, die man ganz präzise und am besten übertrieben ausführt, entsteht wesentlich mehr. Ist es Realismus, wenn


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sich ein Schauspieler auf der Bühne eine Zigarette anzündet, ein Bier trinkt und dabei einen Monolog spricht, oder ist es realistischer, wenn einer den Text ganz bewusst in einer falschen, künstlichen Tonlage spricht? Es gibt ja diese typischen Situationen an den Schau­spielschulen: Der Schüler macht etwas Ungelenkes, und der Lehrer sagt: Das glaube ich dir jetzt nicht. Furchtbar. Anstatt dass man aus der interessanten Verrenkung etwas entwickelt! Das The­ ater ist künstlich. Ich kann die Worte «ehrlich» und «bescheiden» im Zu­sam­ menhang mit dem Theater nicht hören! Wir sind doch auf der Bühne und nicht im Kloster! Und wir sind nicht ehrlich. Die Leute dürfen ruhig wissen, dass sie im Theater reingelegt werden. Theater ist Betrug! Wie Nietzsche in Jenseits von Gut und Böse sagt: Warum soll es immer um die Wahrheit gehen, warum nicht um die Unwahrheit? Die Leute sind von der Unwahrheit fas­ ziniert, nicht von der Wahrheit. Theater lebt von der Verarschung. Wenn ich hinter die Bühne gehe, sehe ich ein Ku­ lissenteil, auf dem «Wolfsschlucht» steht. Manche Leute glauben, du würdest dich lustig machen über die Stücke. Das ist aber gar nicht so. Nimmst du dieses Missverständnis in Kauf? Das muss ich. Ich kann den Zuschauern ja nicht vorschreiben, wie sie meine Stücke wahrzunehmen haben. Natürlich kenne ich das: Es gibt Leute, die un­ter­­ stellen mir, ich würde puren «Klamauk» machen, und meine Bühnen sind nicht farbig, sondern «quietschbunt». Warum werden die Werke der modernen bil­ denden Kunst nie als quietschbunt be­ schrieben? Weil im Kontext von Theater immer noch Kategorien wie Wahrhaftig­ keit und Bescheidenheit ins Feld geführt werden. Dann wird es natürlich schwierig, wenn man etwas Knalliges macht und Sachen überbetont. Das ist dann gleich eine Karikatur, und es wird gar nicht wahrgenommen, dass es zunächst Gestaltung ist, bewusste, klar gesetzte Gestaltung. Es ist der Ver­ such, das Gewöhnliche hinter sich zu lassen und in eine andere Welt vorzu­ dringen.

In deiner King Arthur-Inszenierung hier am Opernhaus gab es in der Premiere einen Zwischenruf. Einer hat vom Rang gebrüllt: «Geht’s auch mit Niveau?» Was hat sich deiner Meinung nach da Luft verschafft? Jeder hat einen anderen Begriff von Niveau, und der Zwischenrufer fand, dass sein Begriff missachtet wurde. Ich kann das nachvollziehen. Über der Oper liegt viel mehr noch als über dem Schauspiel eine Aura des Andächti­ gen mit diesen vielen eingespielten Ritualen. Die Kunst wird mit heiligem Ernst zelebriert, und – seien wir ehrlich – dieser Ernst überspielt manchmal auch eine gewisse Routine. Wenn man das mit Fratzenschneiden unterläuft, wird es als niveaulos empfunden. Die Kon­ ventionen zu stören, hat aber auch eine Qualität, man könnte auch sagen: Niveau. Aber halt ein anderes. Störung ist in unserer Welt nicht erwünscht. In unserer allgemeinen Coolness wird es als übertrieben und niveaulos emp­ funden, wenn einer zu zappeln anfängt. Bloss nicht ausrasten im Supermarkt, weil wieder mal nur eine Kasse besetzt ist! Immer blank face. Warum? Womit wir wieder beim Freischütz wären: Auch Max soll immer schön in der Spur laufen und sich in die Realität der wohlgeordneten Försterwelt fügen. Und genau das macht ihn kaputt. Im Freischütz ist die Frage nach der Realität ein ganz wichtiges Thema. Das Auge, das für den Jäger so wichtige Sinnes­ organ, wird ständig getäuscht. Was ist Realität für Max? Für Agathe? Für Kaspar? Für uns? Und wer bestimmt eigentlich die Realität da draussen in der Welt? Wenn ich aus dem Fenster gucke, sehe ich Sachen, die ich nicht möchte. Also ist das nicht meine Realität. Ich will aber meine Realität! Als Künstler hast du das Privileg, dir auf der Bühne deine eigene Reali­ tät zu schaffen. Ich finde, jeder sollte sich seine eigene Realität schaffen. Das Gespräch führte Claus Spahn

Der Freischütz Oper von Carl Maria von Weber Musikalische Leitung Marc Albrecht Inszenierung und Bühne Herbert Fritsch Kostüme Victoria Behr Lichtgestaltung Torsten König Choreinstudierung Jürg Hämmerli Dramaturgie Claus Spahn Fürst Ottokar Oliver Widmer Kuno Pavel Daniluk Agathe Lise Davidsen Ännchen Mélissa Petit Kaspar Christof Fischesser Max Christopher Ventris Ein Eremit Wenwei Zhang Kilian Yuriy Tsiple Samiel Florian Anderer Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Premiere 18 Sept 2016 Weitere Vorstellungen 21, 25 Sept, 2, 5, 9, 13, 16, 19, 22 Okt 2016 Partner Opernhaus Zürich


Das Grauen und das Lachen In der Wolfsschlucht des «Freischütz» herrscht das Grauen. Aber wo das Grauen herrscht, ist auch das Lachen nicht weit. Denn Grauenhaftes kann lachhaft sein und Lachen grauenerregend. Sie sind Gegensätze und gehören doch zusammen: Eine kleine Dämonologie des Grauens und des Lachens und wie sie vielleicht zusammenhängen. Von Georg Seesslen


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or langer, langer Zeit lebte in den Menschen ein Dämon. Er war fest einge­ schlossen und hielt sich ruhig, bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem die Menschen glaubten, vom Baum der Erkenntnis essen zu müssen. Keine gute Idee. Ein schlecht gelaunter Kerl mit einem Flammenschwert trieb sie hinaus, damit sie Fleiss und Industrie entfalteten, Kapital und Arbeit, und jede Menge Ärger mit der Rollenverteilung. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass sich der eingeschlossene Dämon befreite. Wie konnte er das? Indem er sich teilte. Was einst ein umfassendes und mehr oder weniger schlummerndes Wesen war, das wurde nun zwei. Der eine Dämon nannte sich: Das Lachen. Der andere: Das Grauen. Das Lachen und Das Grauen wussten natürlich, dass sie ursprünglich ein einziges, richtig geiles Dämonendings gewesen waren, und dass sie das nie wieder werden würden. Das machte sie ganz wild. Unglücklich. Deprimiert. Zornig. Und böse. Vor allem böse. Das Lachen und das Grauen wussten nicht, ob es besser wäre, sich irgendwann wieder zu vereinen, oder wenn einer den anderen verjagen würde. Wenn das Lachen die Menschen schüttelt, soll das Grauen verjagt sein. Und wenn das Grauen sie packt, soll für das Lachen kein Platz sein. Geklappt hat natürlich weder das eine noch das


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andere. Die Nachkommen von Adam und Eva nannten dies «das unglückliche Be­ wusstsein». Es wurden viele kluge Bücher darüber geschrieben, aber die Fragen waren nicht zu beantworten: Sollen wir über die Welt lachen oder uns vor ihr grauen? Soll ich über mich selbst lachen oder soll es mir vor mir selber grauen? Soll es mir vor mir selbst grauen, damit ich über die Welt lachen kann? Oder soll es mir vor der Welt grauen, damit ich über mich selbst lachen kann? Schon die Grammatik wird zum Problem. Und weil die Grammatik von Grauen und Lachen nie einen vernünftigen Aussagesatz zu bilden imstande war, suchte man sich parallele Dinge, Wesen und Welten, auf die man die verdammten zwei Dämonen loslassen konnte: Götter, Kar­ neval, Opern… Seitdem ist immer was los, wenn es um das Lachen und um das Grauen geht. Nur mit der Erlösung will und will es nicht klappen.

–– Es gibt jede Menge Modelle, das vielleicht verbreitetste (und leider auch trivialste) lautet: Das Grauen ist das Problem, und das Lachen ist die Antwort. Es gibt ein Ich, das dem Grauen das Lachen gegenüber stellt. Dann haben wir entweder einen la­ chenden Helden, oder einen Helden, der einen Lachen-Macher bei sich hat. Das Böse will den Helden Angst machen. Da Helden vor beinahe nichts Angst haben, muss es schon das Grauen sein. Das Grauen hat drei Ursachen: Das, wovor man Angst hat, ist nicht von dieser Welt (Himmel und Hölle brechen herein). Das, wovor man Angst hat, übersteigt das menschliche Mass (Können dies wirklich Menschen anderen Men­ schen antun?). Das, wovor man Angst hat, ist selbstwidersprüchlich (Wurde jener zum Schlächter, gerade weil er den Menschen Gutes bringen wollte? Ist jener Mensch, den ich am meisten begehrte, der, den ich am meisten fürchten muss?). Dummerweise aber steckt in der Verkörperung des Grauens (die immer eine Abmilderung ist, denn das eigentliche, das richtige Grauen hat kein Bild und keinen Namen) immer auch wieder das Lachen. Entweder lacht das Monster – es tendiert dazu, schrill, laut und unaufhörlich zu lachen –, oder es ist selbst zum Lachen. Der Killerclown ist eine aktuell beliebte Figur des lachenden Grauens. Natürlich verhält es sich auch andersherum. Was treibt einen lachenden Helden denn in der Welt herum? Warum bestellt er nicht seine Felder und liest am Abend die Zeitung? Warum sucht er die Gefahr, die ihn zum Lachen bringt? Genau. Weil ihn das Grauen treibt. Weil ein Held das Grauen lieber vor sich hat als in sich. Klar, dass wir von hier aus ein dialektisches Modell entwickeln: Grauen und Lachen überwinden einander, indem sie sich aufheben. Sie bezwingen einander nur, indem sie sich per­ petuieren. Man mag zudem nach einem Umschlagpunkt suchen: Wer einfach nicht mehr aufhören kann zu lachen, erregt Grauen. Wer so viel Grauen akkumuliert, dass ihn nicht einmal die Götter beruhigen können, muss lachen.

–– Grauen und Lachen entstehen aus dem Mythos und sind subjektive Empfindun­ gen. Das eine hat mit dem anderen zu tun. Ich könnte mein Grauen nicht benennen, wenn es dafür nicht Vorbilder gäbe. Ist dies nicht ein grauenvoller Zusammenhang? Mir graut, weil anderen schon vor mir gegraut hat. Lachen und Grauen sind nicht nur in Mythos und Subjekt verborgen, sondern es sind auch Kulturtechniken. Es gibt ein Lachen, das verbindet, und eines, das trennt. Ein Friedenslachen und ein Kriegs­ lachen. Es gibt ein Grauen, mit dem man allein nicht zurechtkommt, und ein anderes, das wohlige Schauer macht. Zeit, das Lagerfeuer zu entzünden. Und grausige Ge­ schichten zu erzählen. Lachen und Grauen sind da, schon länger als es Menschen gibt, wie wir sie kennen; Lachen und Grauen sind in jedem Menschen; Lachen und Grauen müssen aber auch gelernt werden. Wer darf wann und unter welchen Umständen über etwas lachen? Und wer darf sich wann und unter welchen Umständen vor etwas grauen? Lachen und Grauen müssen kontrolliert werden. «Erwachsen» und «frei» ist, wer Lachen und Grauen kontrollieren kann. Weil niemand je wirklich erwachsen und frei


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wird, müssen wir («die Gesellschaft», «der Staat») ein wenig nachhelfen. Eine Ge­ meinschaft besteht aus Menschen, die miteinander lachen und sich miteinander grauen. Eine Gesellschaft muss mehrere Lachkulturen und mehrere Kulturen des Grauens in sich vereinen. Leicht ist das nicht.

–– Lachen und Grauen haben die selben Ursachen, meistens. Etwas ist nicht, was es scheint. Etwas ist undeutlich und uneins, nicht gestern und nicht heute, nicht da und nicht fort, nicht gesagt und nicht beschwiegen, nicht Bild und nicht Zeichen. Etwas, das ganz sein sollte, ist nur in Teilen da (Splatter) und etwas, das in Teilen funktionieren sollte, tut es als Ganzes nicht (Slapstick). Lachen und Grauen erheben sich, wo die Sinnsysteme Lücken aufweisen. Sie treten auf, wo Menschen mit grössten Mühen Sinn herzustellen versuchen. Alle Menschen, deren Beruf es ist, Sinn herzu­ stellen, gibt es in einer lächerlichen und in einer grauenhaften Variante. Das Böse versucht, das Zerbrochene von Lachen und Grauen auf seine Weise wieder herzustellen. Es bastelt, wo Götter schöpfen. Aber meistens ist es nicht so einfach. Das Grauen im Herz der Finsternis ist so jedenfalls nicht zu erklären. Na klar! Das Verdrängte! Lassen Sie mich doch in Ruhe mit dem Verdrängten. Da lache ich doch. Da graust es mir. Der kluge Mann mit der Couch aus Wien hat freilich auch nur einen neuen Begriff für den Ort gefunden, an dem sich Grauen und Lachen im Geheimen verabreden, um zu sehen, ob sie es nicht doch noch einmal miteinander versuchen.

–– Es ist vernünftig, das Grauen und das Lachen ernst zu nehmen. Das fällt uns zunehmend schwer. Es ist einfach zuviel von dieser «Ironie» unterwegs. Es gibt Leute, die glauben, dass man das Lachen und das Grauen in Ironie auflösen könnte. Als könnte man über das lachen, worüber man lachen soll. Lachzwang für die niederen Stände! Ironie für die kulturell Bessergestellten! Nein, sagen die beiden Dämonen (sie sind sich eben dann doch in vielem einig), so wird das nichts! Wir lassen uns von euch keinen dritten Dämon aufschwatzen, dieses Dämönchen namens Ironie verspei­ sen wir bei der kleinsten Krise, ihr postmodernen Heuchler. Weil es nämlich keineswegs so ist, dass das, worüber man lacht, etwas ist, das man nicht ernst nimmt. Mit solchen Rationalisierungen kommt man den Dämonen nun wirklich nicht bei. Das Grauen liegt jenseits der Angst, und das Lachen liegt jenseits der Lust.

–– Das Lachen will hinaus. Es explodiert und steckt an. Es ist, sagt man, einem Orgasmus verwandt. Gott, wie peinlich! Das Lachen verrät einen ja immer, hören Sie sich doch dieses hysterische Gekicher der Weiber an, oder das dumpfe männerbün­ dische Höhöhö. Da lache ich doch lieber gleich gar nicht, wenn Lachen einen so entblösst. Das Grauen will hinein. Es implodiert und macht einen stumm. Es ist, sagt man, einem Tod verwandt. Hölle, wie schrecklich! Das Grauen verrät einen ja immer, sehen Sie dieses Kreischen vor der Maus, diese Angst vor der Mutter. Das Grauen zersetzt den Körper. Im Lachen spielt das Es, im Grauen das Über-Ich verrückt. Vielleicht ist es auch umgekehrt. Jedenfalls wird Lachen leicht Musik, und Grauen wird leicht Text. Wäh­ rend sich also im Vordergrund auf der Bühne Lust und Angst begegnen, balgen sich im Hintergrund Lachen und Grauen. (Auch das kann man natürlich einmal herum­ zudrehen versuchen.) Kein Wunder, dass die Katastrophe auf der Bühne als Erlösung gesehen wird. Erst einmal. Das Happy End von Lachen und Grauen ist meistens fad. Oder es ist eigentlich gar keines. Denn dies ist der Stand des unglücklichen Bewusst­ seins: Dass der Mensch dringend sein Lachen und sein Grauen zusammenbringen muss. Und dass dabei fast nie etwas Gescheites herauskommt. Es sei denn, dieses


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Bewusstsein wäre seines eigenen Unglücks, nun ja, bewusst. So entsteht die Poesie des Lachens. So entsteht die Poesie des Grauens. So entsteht die Poesie der unver­ söhnbaren Einheit von Lachen und Grauen.

–– Die Verteilung von Lachen und Grauen ist auch eine Frage der Macht. Das Lachen den Mächtigen, das Grauen den Ohnmächtigen, so hätten sie es gern. Das Lachen wie das Grauen sind auch als Waffen zu gebrauchen. Leute, die gelernt haben, die beiden Dämonen als Kulturtechniken zu domestizieren, konnten auch lernen, dass sich in Lachen und Grauen Machtverhältnisse abbilden lassen. Das geht auf sehr einfache Weise, im Lachen über des Kaisers neue Kleider, oder im Grauen vor dem Vampir, der eigentlich die rachsüchtige Wiederkehr des entmachteten Fürsten ist. Aber es wird immer komplizierter, je feiner man die Waffen justiert. Wenn man sie beide in Bezug miteinander einsetzt, bekommt der gespaltene Dämon einen neuen Namen. Er heisst jetzt: Kritik.

–– Aber vergesst die Gefühle nicht. Und vergesst die Körper nicht! Ist es nicht so, dass man sich beides mal, im Lachen wie im Grauen, «angefasst» fühlt? Etwas Körper­ loses greift nach dem Körper: es streicht über die Oberfläche, es piekst, es kitzelt, es reisst. Der Körper kann nicht einer bleiben unter dem Anfassen dieser Dämonen. Er macht die Spaltung der Dämonen nach. Was lacht und was graut, will sich lösen. So muss aus dem Lachen wie aus dem Grauen jeweils ein Genre werden. Im Genre sind diese drei Dinge, der Mythos, die Wahrnehmung, der Körper, aufgehoben; auf eine Poetik von Lachen und Grauen folgt eine Semantik. Wir können das Lachen nicht und nicht das Grauen vollständig kontrollieren und «kultivieren». Aber mit den Zei­ chen des Lachens und mit den Zeichen des Grauens ist das etwas anderes. Ja, so müsste es gehen: Das Lachen und das Grauen werden an die semantische Leine des Genres genommen. Da weiss man, was man darf, was man soll, was einen erwartet. Und dass man immer wieder zurück kann. Denn Lachen und Grauen sind immer auch epidemisch. Sie wollen sich in der Zeit ausdehnen. Man kann einfach nicht aufhören zu lachen und sich zu grausen. Es ist mächtiger als ich. Es überkommt mich. Es ergreift Besitz von mir. Es ist die Frage, ob die Androiden, Roboter, Postmenschen nicht lachen und nicht sich grausen dürfen, oder ob sie beides lernen müssen, um wirklich die Geschichte der Menschen fortsetzen zu können. Algorithmen lachen nicht. Drohnen graust vor nichts. Daran müssen wir noch arbeiten. Am Tag, als der paranoide Androide zum ersten Mal schallend lachte, begann es ihn vor seiner Zukunft dermassen zu gruseln, dass er den Selbstzerstörungsmechanismus aktivierte. Tricky, nicht wahr? Es bedeutet: Das Grauen und das Lachen gehören zum Menschen; sie machen ihn erst dazu. Wir sind in unserer Geschichte durch Lachen und Grauen verbunden. In Bruch und Kontinuität. Der deutsche Buchautor, Filmkritiker und Essayist Georg Seesslen schreibt für DIE ZEIT, SPIEGEL, taz, Jungle World und andere. Er hat Bücher über Kinoregisseure wie David Lynch, Quentin Tarantino, Lars von Trier und Michael Haneke veröffentlicht und ein Buch über die Geschichte und Mythologie des Horrorfilms geschrieben.



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Ein frischer Blick

Marc Albrecht, gehört der Freischütz zu den Opern, bei denen man als Dirigent sofort zugreift, wenn man sie angeboten bekommt? Ich habe ganz früh zugegriffen, mit 28 Jahren, ausgerechnet in Dresden am Pult der Staatskapelle, wo der Freischütz zum Allerheiligsten gehört. Ich kam als Novize, habe – ganz ohne Proben – einige Repertoirevorstellungen dirigiert und festgestellt, dass es unter diesen Umständen nahezu unmöglich war, meine eigene Auffassung der Partitur auch nur annähernd durchzusetzen. Bei so bekannten Werken, die ganz tief

in der DNA aller Beteiligten verankert sind, holt man sich als junger Dirigent schnell eine blutige Nase. Denn jeder – von den Musikern über den Chor bis zu den Solisten – weiss oder glaubt zu wissen, wie das Stück geht. Jeder pocht auf liebgewonnene Gewohnheiten, und viele neigen dazu, gar nicht mehr richtig hinzuhören. Um den Freischütz von dieser Routine wegzubekommen, braucht es einen knallharten Proben­ prozess, in dem alles auf den Prüfstand kommt – jedes Tempo, jeder Wechsel in der Artikulation, jede melodische Verbreiterung. Alles muss dem Partitur-­

Foto: Marco Borggreve

Marc Albrecht dirigiert den neuen Zürcher «Freischütz». Die Konventionen dürfe man nicht bedienen in einem Werk, das jeder so gut kennt, sagt der Deutsche. Jedes musikalische Detail müsse dem Partiturtext neu abgewonnen werden.


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Text neu abgewonnen werden und nicht irgendwelchen Konventionen. Das setzt natürlich auch beim Dirigenten einen gründlichen Überlegungsprozess voraus. Warum hast du jetzt ausgerechnet für Zürich zugesagt? Weil ich grosse Lust auf einen neuen Freischütz habe und sehr zuversichtlich bin, dass hier in Zürich bei allen Be­ teiligten die Offenheit da ist, einen frischen Blick auf das Stück zu wagen. Hat sich dein Blickwinkel auf die Par­ titur in der Zwischenzeit ver­ändert? Ja, sehr. Ich habe das gesamte Wagnerund Strauss-Repertoire dirigiert, viel Modernes und viele Opern, die stilge­ schichtlich um den Freischütz herum liegen. Dadurch ist die Partitur für mich jetzt ganz anders in persönliche Er­ fahrungen eingebettet. Ausserdem bin ich älter und hoffentlich reifer geworden und kann heute viel freier mit rhetori­ schen Formulierungen in der Musik um­ gehen. Das ist gerade im Freischütz wichtig, denn es gibt darin grosse, nicht notierte Gestaltungsspielräume, die man als Dirigent nutzen muss. Carl Maria von Weber hat oft nur das Notwendige niedergeschrieben und viele Details offen gelassen. Man sieht an seiner Hand­schrift, dass er bei aller Kühnheit der musikalischen Ideen sehr zügig gearbeitet hat. Vieles ist flüchtig notiert: Dynamikangaben findet man oft nur in einer Stimme, bei den parallel ver­dop­ peln­den Instrumenten dann nicht mehr. Weber schreibt etwa «col fagotto», das heisst, die Anweisungen sollen auch für die mitlaufenden Celli gelten. Und da, wo er tatsächlich ausnotiert, be­­ ginnen dann die Streitfragen: Gilt der Legato-Bogen in der Flötenstimme auch für die unisono geführten Violinen, ob­wohl er dort nicht notiert ist, oder ist diese Differenzierung genau so gewollt? Und wie lautet die Antwort? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Weber die unterschiedlichen Artikulationen wollte. Diese Ausdifferenzierung führt zu einer spannenden Aufrauhung des Klangbildes. In der Wolfsschlucht etwa verlangt er an einer Stelle einen

c-Moll-Akkord für das ganze Orchester im Fortissimo, nur die drei Posaunen sind piano notiert. Man hört sie also ei­ gentlich kaum, sie sind nur wie ein Schatten präsent. Das halten viele Di­ rigenten für einen Notationsfehler. Aber ich bin überzeugt, dass Weber diese Dynamik ganz bewusst eingesetzt hat. Er wollte keinen durchhomogenisierten, polierten Klang. Die Freischütz-Partitur lässt Beethoven und die Klassik hinter sich, führt uns mitten hinein in die Hochromantik und weist Komponisten wie Wagner und Berlioz den Weg. Geht dein interpretatorischer Blick eher von Wagner auf das Werk zurück oder von Beethoven aus voraus? Man muss beides im Blick haben. Die musikalische Dämonie, die Weber im Freischütz entwickelt, war für die da­ malige Zeit unglaublich innovativ, ein Geniestreich. Es gibt Klänge, Natur­ laute, die bis zu Gustav Mahler vor­aus­ weisen, und das muss man in einer Aufführung auch hören. Ich finde es spannend, solche Momente expressiv zu­ gespitzt zu spielen, mit all unserem Wissen um die klanglichen Möglichkei­ ten des modernen Orchesters. Dem­ gegenüber zeigt die Musik allerdings auch eine grosse Einfachheit, wenn das amabile, das Kantable und Liedhafte sich ausspricht. Auch dem muss man ge­ recht werden mit wenig Vibrato im Streicherklang, fliessenden Tempi und schönen agogischen Momenten. Es ist enorm, welche Breite des Ausdrucks Weber im Freischütz angelegt hat, und jede Sphäre braucht ihren eigenen Stil, ihren eigenen Tonfall. Ich möchte das noch unterstützen, indem ich die dramatischen Teile mit voller Be­setzung, die liedhaften aber mit reduzierter Streicherbesetzung spielen lasse. Wo es geboten ist, muss man alles an Dramatik mobilisieren, und wo die Partitur in zarten Pastelltönen malt, mit Leichtig­ keit und Transparenz agieren. Worin besteht denn der, wie du sagst, Geniesteich, der Weber im Frei­schütz gelungen ist? Was macht die Wolfsschlucht so besonders?


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Weber ist es hier faszinierend gelungen, die Farbe Schwarz in Klang zu ver­ wandeln. Das Unheil scheint bereits in der Ouvertüre auf, greift dann Raum in der grossen Max-Arie und entwickelt einen immer stärkeren Sog. Es sickert regelrecht in das Stück ein, und in der Wolfsschlucht merkt man dann, wo die Reise ihr Ziel hat. Dieses schwärzes­ ­te Schwarz, das Weber in der Wolfs­ schlucht geschaffen hat, hat damals alle verzückt – Berlioz, Wagner und viele ande­re mehr. Verblüffend dabei ist: Weber erzeugt die Dämonie mit ein­ fachs­ten Mitteln. Fis-Moll, tiefe Klari­net­ ten und Posaunen haben auch schon andere Komponisten verwendet. Aber ihre Kom­bination ist hier unerhört. Weber verbindet die hohlen Töne der Klarinetten und die Pizzicati von Celli und Bässen mit einem erstickten Paukenklang, und sofort kriegt man Gänsehaut. Die Hörner stehen eigent­ lich für Naturklang und Jägerstolz, aber in der Wolfsschlucht beginnen sie plötzlich fratzenhaft zu quieken. Oder der Charakter des Kaspar: Er ruft den Teufel an – eine unglaubliche An­ massung eigentlich –, und der kommt tatsächlich. Weber fasst dann den enor­ men Druck, unter dem Kaspar steht – seine Lebenszeit läuft morgen ab – in Töne: Die Musik beginnt zu stammeln und zu haspeln, kaum eine Note er­ klingt mehr auf der «Eins», dem Schwer­ punkt des Taktes. Das metrische Gefüge kippt total aus der Balance. Nur Samiel setzt mit seinen Worten kräftige «Einsen» – eine Demonstration von Ruhe und Macht. Grossartig, welche ex­ tremen Zustände Weber da mit ein­ fachsten musikalischen Mitteln kreiert.

«Grossartig, welche extremen Zustände Weber mit einfachsten Mitteln kreiert»

Vor 200 Jahren war die Wolfsschlucht ein Faszinosum. Wie ist das heute? Können wir aufgeklärten modernen Menschen das Unheimliche des Waldes überhaupt noch nachvollziehen? Man muss nur einmal selbst in die Berge gehen und kann erleben, dass Natur auch Gewalt und Bedrohung bedeuten kann. Wer je im Hochgebirge in ein Gewitter geraten ist, weiss, was ich meine. Der Mensch sieht sich plötzlich

schutzlos mit einer lebensbedrohlichen, feindlichen Kraft konfrontiert. Das, was eben noch idyllisch war, schlägt um, sodass man denkt: Es geht doch nicht mit rechten Dingen zu! Und sind nicht grosse Gletscherspalten tatsächlich der Eingang zur Unterwelt? Suchst Du selbst solche Erfahrungen? Ja, ich finde, es tut gut, wenn man sich diesen elementaren Kräften immer mal wieder ausliefert, um sie zu spüren. Am besten, wenn man ganz alleine ist. Dann kann man auch viel über sich selbst lernen. Es gibt im Gebirge keine Sicherheit, und wir sind dort bestenfalls nur geduldet. Der Komponist Hans Pfitzner schrieb, die Hauptperson des Freischütz sei der deutsche Wald. Adorno hat dieser Naturverklärung, Elias Canetti zitierend, ein anderes Bild vom deutschen Wald entgegengesetzt, indem er «das Rigide und Parallele der aufrecht stehenden Bäume» und den «marschierenden Wald» auf den Freischütz bezog. Die Frage nach dem Wald war im 20. Jahrhundert immer wieder eine Kampfstätte interpre­ tatorischer Auseinandersetzungen. Ist sie das heute auch noch? Ach ja, der Wald. Ich bin, ehrlich gesagt, froh, dass der nun nicht mehr so im Vordergrund steht. Ob der Wald auf der Bühne steht oder nicht, spielt für den Abend keine entscheidende Rolle. Ich halte das Thema für ausgereizt. Das Stück hat glücklicherweise sehr viel mehr Facetten. Und der andere Kampfplatz: Die Frage nach dem Deutschen und Nationalen im Freischütz? Ist die für dich heute noch von Relevanz? Herbert Fritsch hat zu Probenbeginn den Harald-Schmidt-Witz erzählt: Was wird gespielt, wenn in der Theater­ kantine alle in SS-Uniformen herum­ sitzen? Richtig: Der Freischütz! Das hat mir gut gefallen, denn das sagt viel über die Freischütz-Rezeption der ver­ gangenen vierzig Jahre aus. Ich glaube, man muss die Diskussionen um das Deutsche in dieser Oper kennen, um


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sich davon frei machen zu können. Wir haben genug Deutungen erlebt, die das thematisiert haben. Muss man den Freischütz deutsch dirigieren? Du bist ja ein deutscher Dirigent. Für mich ist das keine Kategorie. Ich wüsste gar nicht, wie das gehen soll. Mehr Pathos? Mit mehr Nachdruck? Deutsche Tiefe? Was soll das sein? Ich habe das Gefühl, dass das Stück oft zu schwerfällig gespielt wird. Das hat mich immer gestört, denn da geht sehr viel verloren. Die Ausdifferenzierung der Sprache als Ausdrucksmittel bei­ spiels­weise ist im Freischütz unglaublich reich. Es gibt hier viel mehr, als den gesprochenen Dialog und die klassische Arie. Das Rezitativ ermöglicht vor allem Max und Agathe Momente be­ sonderer Ausdrucksfreiheit: das Tempo richtet sich hier allein nach dem Aus­ druck des Textes, die Sänger sollen wirklich frei und unabhängig vom Or­ chester phrasieren. Dann das Melodram, das einen wichtigen Teil der Wolfs­ schluchtszene darstellt, als ausserge­ wöhn­liches Moment der Interaktion von Text und Musik, und es gibt das Lied. Weber arbeitet also mit einer maximal grossen Palette an Ausdrucksformen der menschlichen Stimme. Die muss man musikalisch nutzen. Wir sprachen über die existenziellen Abgründe des Unheimlichen, die sich im Freischütz auftun. Aber am Ende wenden Weber und sein Librettist Friedrich Kind das Stück wieder ins Geordnete und Gott­ gläubige. Ist dieser Schluss glaubwürdig? Die Oper handelt von Versagensangst und Einsamkeit. Max wird von der Gesellschaft aussortiert, schon bevor er den Skandal des nächtlichen Kugel­ giessens gesteht. Misserfolg macht ein­ sam. Max wird aus der Gemeinschaft verbannt, und Fürst Ottokars «Hinweg, hinweg aus meinem Blick» markiert für mich den eigentlichen Schluss des Stücks. Ein böser Schluss. Was danach kommt, wirkt auf merkwürdige Weise angehängt. Der Eremit erscheint und

macht einen Vorschlag zur Beilegung des Konflikts, der auch irgendwie vergiftet ist. Das Probejahr, das er vor­ schlägt, wird sicher kein Erfolg. Dafür offenbart die Freischütz-Ge­sellschaft zu viele üble Züge: Sie besitzt einbeto­ nierte hierarchische Strukturen und Obrigkeitsdenken, enormes Aus­grenzungspotenzial, Häme und Schadenfreude. Max bleibt stigmatisiert, und auch das Paar hat schweren Schaden genommen. Sie müssten wohl anderswo ganz von vorn beginnen. Der ins Positive gewendete Schluss ist eine Konzession an die politische Situation der Uraufführungszeit. Weber und Kind mussten Rücksicht nehmen auf das reaktionäre Klima der Metternich-Zeit. Die Gesellschaft durfte in ihren Grundfesten nicht in Frage gestellt werden. Die Volkssage, die als Vorlage des Librettos diente, endet nicht gut: Agathe wird tatsächlich erschossen und Max landet im Irrenhaus. Das schwarze Ende zu schreiben, haben sich Weber und Kind nicht getraut. Aber die Umkehrung ist wenig überzeu­ gend. Ich finde, das Stück erholt sich nicht mehr von dem Knacks des Ausgrenzungsurteils, das über Max ge­ sprochen wird. Und es ist gossartig, dass Weber in seiner Musik doch dazu Stel­ lung bezieht. Die Freischütz-Welt be­ wegt sich harmonisch den ganzen Abend über in C-Dur, F-Dur, dem E-Dur von Agathe, dem D-Dur der Volksszenen und dem fis-Moll der Wolfsschlucht. Und dann kommt im dritten Akt plötz­ lich nach dem Auftritt des Eremiten das in diesem harmonischen Umfeld sehr weit entfernte H-Dur! Die Tonart wirkt an dieser Stelle und im Kontext des Stücks total entrückt. Max und Agathe singen von der neuen Chance, die ihnen nun gegeben wird. Aber Weber wählt dazu den schwankenden 6/8 Takt in einer «unerreichbar» fernen Tonart. Da fliegt das Stück weg und mit ihm jede Hoffnung. Die vermeintliche Harmonie des grellen C-Dur, das ganz am Ende steht, bleibt Behauptung. Das Gespräch führte Claus Spahn

«Ich habe das Gefühl, dass das Stück oft zu schwerfällig gespielt wird, da geht viel verloren.»


26 Volker Hagedorn trifft…

Lise Davidsen Lise Davidsen stammt aus Norwegen. Grosse Erfolge beim Operalia-Wettbewerb in London und dem Königin-­Sonja-Musik­ wettbewerb in Oslo verhalfen der jungen dramatischen Sopranistin zu internationaler Beachtung. Nach Debüts an der Bayerischen Staatsoper München und der Oper Frankfurt ist sie als Agathe im «Freischütz» erstmals am Opernhaus Zürich zu erleben.

Wenn das keine Sängerin ist, bin ich Automechaniker. Es gibt eine Haltung, ein Profil, eine Art, sich zu bewegen, die nicht nur in der Nähe eines Opernhauses das Berufe­ raten leicht macht. Aber ist die Frau, die da vor dem Künstlereingang der Oper Frank­ furt langsam und ernst auf und ab geht, die junge, just entdeckte Norwegerin, mit der ich verabredet bin? Die erst vor einem Jahr bei drei Wettbewerben nacheinan­der ab­räumte und im Royal Opera House zu London die Leute von den Sitzen riss, als sie im Finale von «Operalia» die Hallenarie der Elisabeth sang? Eine 29-jährige New­ comerin stellt man sich, so dumm das sein mag, irgendwie zerbrechlich vor. Und diese Frau da könnte, wäre sie Brünnhilde, einen Siegfried übers Knie legen. Es ist Lise Davidsen. «Brünnhilde?», meint sie wenig später im Café gegenüber der Oper, wo sie die Wotanstochter Freia singt. «Bis dahin habe ich viel zu lernen. Es ist ein grosser Schritt zu den bigger ladies.» Aber sie weiss, dass sie den tun wird, bei aller Bescheidenheit. In all der Ruhe, die sie hier verbreitet, dem Lärm von der Strasse zum Trotz. Fürs erste bleibt sie «jugendlich Dramatische», wie das Stimmfach heisst, und wird als Agathe im Zürcher Freischütz debütieren. Von all dem hätte sich die dunkelhaarige Norwe­ gerin vor sechs Jahren nichts träumen lassen. Da freute sie sich noch auf eine Mezzo­ laufbahn in der Barockoper, ein Leben unterhalb des hohen C und mit der Musik vor 1750. Bis zu dem Tag in Kopenhagen, als jemand sie «durchschüttelte» und sagte: «Du bist kein Mezzo, sondern ein Sopran. Und du bist definitiv kein Barocksopran.» Aber fangen wir an in Stokke. Das ist ein Städtchen von 12000 Einwohnern nah am Oslofjord, wie Stockholm knapp oberhalb des 59. Breitengrads gelegen, es hat drei Baumstämme im Wappen, die vom wichtigsten Rohstoff der Gegend künden, und aus dem war auch das Instrument gebaut, für das Lise sich zuerst interessierte: die Gitarre. «Ich komme aus einer Familie, in der keiner Musiker ist», sagt sie, «nicht mal als Amateur, auch wenn mein Vater als junger Mann in einer Brassband spielte. Wir spielen alle Handball und interessieren uns für Sport. Aber ich sang gern, in der Schule, und ging in den Chor.» Da entdeckte sie die Gitarre und die Barockmusik. «Es fing an mit Bach. Ausserdem schrieb ich meine eigenen Lieder und wollte so eine Art singer and songwriter werden.» Ein paar Sommer arbeitete sie auch, wie ihre Mutter, mit Behinderten, und erwog das als Beruf: «Es ist auf völlig andere Weise bereichernd.» Doch dann wurde sie von der Grieg-Akademie in Bergen angenommen und fo­ kus­­sierte sich aufs barocke Mezzofach. Sie hörte, wie Kommilitonen von Susanna Eken in Kopenhagen schwärmten, einer der wichtigsten europäischen Gesangslehrerinnen, Autorin des Buchs Die menschliche Stimme. «Jeder wollte zu ihr, sie galt als Guru, und jeder kam zurück mit einem Aha-Erlebnis. Ich wartete lange, bis ich zu ihr ging. Da­ nach dauerte es ein bisschen, bis ich noch mal kam…» Warum? «Die erste Begegnung war schrecklich! Sie war sehr aufrichtig und direkt und streng, ich weinte tagelang. Dabei sagte sie auch Gutes über meinen Gesang, aber man merkt sich ja immer die bad things. Ich hatte trotzdem Lust, daran zu arbeiten, hörte mir meine Aufnahmen an, und als ich wieder zu ihr kam, war sie viel netter. Wir fingen an mit «Dich, teure Halle», der Arie der Elisabeth. Sie wollte wissen, was möglich ist.» Sie fand eine Menge. So begann die Metamorphose vom Mezzo zum Sopran. Ist das wirklich so eine Umwälzung? «Ich nehme an», fragt sie zurück, «wenn Sie Bratsche spielen, haben Sie doch auch eine Art von Identität?» Oh ja. Geige käme nicht in Frage! «Es ist dasselbe mit der Stimme. Du hast eine Mezzo-Identität, und wenn das jemand ändert, musst du eine neue aufbauen, zusammen mit einem anderen Repertoire. Das ist eine Riesenaktion. Aber wenn ich zurückblicke, fühlt sich das alles an wie eine natürliche


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Entwicklung. Ich bin sehr glücklich, dass der Wechsel nicht früher kam, denn dann hätte ich den Mezzoteil meiner Stimme nicht so ausgebaut, der eine gute Basis für die Sopranpartien ist.» Wer ihren Londoner Auftritt mit der «Hallenarie» auf Youtube erlebt, stellt fest, dass der «Mezzoteil» auch eine emotionale, intellektuelle Basis ist. Elisabeth grüsst ja nicht nur strahlend den «geliebten Raum» auf der Wartburg, sie erinnert sich, in tieferer Lage, auch an den «düstren Traum» nach der Trennung von Tannhäuser. Und da kann sich Lise Davidsen melancholisch fallen lassen in eine dunklere Glut, die dem Glanz nicht nachsteht, man hört keinen Registerwechsel, keine pflichtschuldig vor­ getragene Facette, man erlebt einen ambivalenten Menschen. So eine kann auch die Ariadne ausloten, die Einsame, die sich in den Worten von Hofmannsthal und den Tönen von Strauss nach dem Totenreich sehnt. Mit einer jungen Diva, die dem Rampenlicht entgegenfiebert, hat sie jedenfalls nicht die geringste Ähnlichkeit, und über ihre Wettbewerbserfolge anno 2015 spricht sie ganz pragmatisch. «Die Wettbewerbe waren meine einzige Wahl. Ich hatte keine Jobs im Sommer und dachte, okay, ich flieg dahin und gucke, was passiert.» Sie lacht. »Was dann passierte, war überwältigend.» Stört es sie nicht, dass bei einem Turnier wie in London das Repertoire gerade mal von 1816 bis 1867 reicht und keine Expe­ rimente erlaubt? «Wenn man andere Musik hören will, sollte man da nicht hingehen. Für mich hat ein Wettbewerb nicht viel zu tun mit Musik und Kunst, er ist der einzige Weg, von so vielen wichtigen Leuten gesehen werden zu können. Und wenn man keinen Erfolg hat, they don’t care, es ruiniert nicht den Ruf. Man steuert dann eben aufs nächste Mal zu.» Als Norwegerin ist sie gross geworden in einer Gesellschaft, in der man sich gegenseitig unterstützt. «Es gibt eine Menge Chöre und guter Leute, und wir sind stolz, wenn ein Norweger was Gutes macht, Kunst, Musik, Schach, was auch immer. Und es gibt das ungeschriebene Gesetz: Du sollst nicht gut über dich sprechen.» Wie geht sie um mit dem Hinweis auf Kirsten Flagstad, den sich kaum ein Rezensent ver­ kneift? Schliesslich kam auch die, 1895 geboren und eine der grössten Wagner-­Sän­ ge­rinnen des 20. Jahrhunderts, aus einem norwegischen Städtchen. «Ich finde das sehr nett, eine riesige Ehre, dass die Leute das kombinieren. Aber ich bin ich, und sie sang ein paar Jahre vor mir. Ich tue das in meine happy box und sage thank you. Es wäre für mich irritierender, mit jemandem von heute verglichen zu werden...» Und nun wird sie sich in Agathe verwandeln. Eine von den Gestalten, die ergeben auf die Männertaten warten. Als «Zeugnisse aus der Dämmerung der Voraufklärung» hat wegen solcher Frauenrollen jüngst Sibylle Berg die klassischen Opern abgetan. Wie sieht das eine selbstbewusste Sängerin? «Wir können nicht von der Oper einen Charakter erwarten, der alles spiegelt, was wir heute haben. Aber viele weibliche Cha­raktere haben Gefühle und Geschichten, die wir auch in unserer Zeit finden. Was Desdemona passiert, passiert vielen Frauen heute auch. Man muss aber auch akzeptie­ ren, dass der Freischütz ein Märchen ist, und Märchencharaktere sind oft eindimen­ sional. Da schüttelt es mich auch ein bisschen, ich kann schon verstehen, dass manche das abschreckt. Agathe ist ein potentielles Opfer, während ich ein woman fighter bin.» Aber gerade diese Spannung fordert sie heraus. «Ich frage mich, wie kann die bloss so sein? Es geht ihr nur um Max, sie wartet auf das, was passiert. Sie kann ihm auch nicht sagen, schiess nicht mit diesen Kugeln. Sie weiss nichts. Dann sage ich mir, Lise, du musst jetzt diesen Teil von dir finden. Auch wenn er most definitely weit entfernt ist.» Ich gestehe, ganz froh zu sein, dass diese Agathe mal keine zierliche Opferfrau ist. Sie lacht: «Dann hätte die Operndirektorin sie anders besetzen müssen.» Ohnehin erwartet sie von Oper nicht Realitätsnähe, sondern «etwas, wofür es im täglichen Leben keinen Raum gibt. Wenn ich sehe, was in der Welt heute passiert… vielleicht können die Leute etwas von der Oper mit hinausnehmen, vielleicht sich in ihr öffnen, um etwas anderes zu fühlen als sonst. Wir sollten nie damit aufhören.» Volker Hagedorn


Er รถffn ungs fest


«Babar, der kleine Elefant» für Kinder «Spiel mir diese Geschichte», sagte die kleine Nichte zu ihrem Onkel, dem Komponisten Francis Poulenc, und stellte ihm Jean de Brunhoffs Buch vom kleinen Elefanten Babar aufs Klavier. Poulenc begann zu improvisieren und schrieb die Motive auf, die seiner Nichte gefielen. So entstand nach und nach eine musikalische Version der be­ rühmten Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten, der in die grosse Stadt gelangt und dort versucht, wie ein Mensch zu leben. Beim Eröffnungsfest spielen Mitglieder der Orchesterakade­ mie eine Fassung von Poulencs Musik für kleines Orchester. Die Geschichte erzählt Christoph Betulius. Für Kinder ab 4 Jahren.

Hauptprobe von Gounods «Faust» Noch einmal jung sein und sich dem Genuss hingeben, das ist Fausts grosser Wunsch! Da erscheint der Teufel höchstselbst, und los geht die Reise... Erleben Sie die letzte Probe vor der Wiederaufnahme von Charles Gounods Faust in der Inszenierung von Jan Philipp Gloger mit Charles Castronovo (Faust), Kyle Ketelsen (Méphistophé­ lès), Anita Hartig (Marguerite) u.a. Am Pult der Philharmonia Zürich steht Philippe Augin.

Fotos: Frank Blaser

Ballettproben und -workshops Bevor es an die künstlerische Erarbei­ tung der Choreografien geht, beginnt der Tag für die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich jeweils mit einem ge­meinsamen Training. Unter der Anleitung eines Ballettmeisters werden dabei jeden Morgen die Grund­ lagen des klassischen Tanzes trainiert. Wie schon in vergangenen Jahren findet das Balletttraining beim diesjährigen Eröffnungsfest öffentlich auf der Haupt­ bühne statt und wird live moderiert.

Ausserdem bieten wir den Tanzbegeis­ terten unter Ihnen zwei öffentliche Ballettproben mit dem Choreografen Filipe Portugal und der Ballettmeisterin Eva Dewaele an. Für Kinder gibt es extra auf sie zugeschnittene Ballettwork­ shops, für Jung und Alt dann das be­ liebte Balletttraining auf dem Sechse­läu­ ten­platz mit unserem neuen Ballett­ meister Daniel Otevrel.

DAS Kostüm- und Technikspektakel Tausende von Kostümen haben sich im Fundus des Opernhauses mit der Zeit angesammelt. Für das diesjährige Eröffnungsfest hat unsere Kostüm­ abteilung eine schillernde und ausge­ fallene Auswahl getroffen, die wir im Rahmen unseres grossen Kostümund Technikspektakels auf dem Lauf­ steg präsentieren werden. Unsere Technikcrew wird dazu ein Feuerwerk von Bühnen-, Licht- und Spezial­ effekten zünden, und DJane Prinzessin in Not legt live ihren eigens für die Show kreierten Sound auf. Dieses Spektakel sollten Sie sich nicht entgehen lassen!

Grosses Chorkonzert «All together» Zu den wirkungsvollsten Momenten einer Opernaufführung gehören zweifel­ los die grossen Chorszenen. Im Vorfeld des diesjährigen Eröffnungsfests haben wir begeisterten Laiensängern die Möglichkeit angeboten, eine Woche lang selber Opernchöre zu erlernen. Die Anmeldungen haben unsere Er­wartungen und Möglichkeiten weit über­troffen – trotzdem konnten wir 400 Sängerinnen und Sängern zusagen. Gemeinsam mit dem Chor des Opern­ hauses Zürich und dem Kinderchor wird dieser temporäre Chor im Rahmen des Eröffnungsfests auf der Haupt­ bühne auftreten und das Opernhaus mächtig zum Klingen bringen. Ein Fest für alle Chorliebhaber!

Eröffnungsfest Samstag, 17 Sept ab 10.00 Uhr Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Für die einzel­ nen Veranstaltungen werden jeweils 1 Stunde vor Veran­ staltungsbeginn vor dem Opernhaus kostenfreie Tickets abgegeben. Gastronomisches Angebot im Bistro, Restaurant Belcanto und rund ums Haus. Das detaillierte Programm zum Fest erfahren Sie in Kürze auf unserer Website: www.opernhaus.ch Wir danken unseren Partnern

ab


30 Eröffnungsfest

Der Schauspieldirektor Mozarts Komödie für Musik Der Schauspieldirektor ist nach dem grossen Er­ folg vom letzten Jahr noch einmal beim Eröffnungsfest zu sehen. Inszeniert hat die turbulente Backstage-Comedy um eine Truppe mässig begabter Schau­ spieler, selbsternannter Performance-­ Künstler, zickiger Operndiven und lie­bes­toller Tenöre Rüdiger Burbach, Intendant des Theaters Kanton Zürich, mit dem wir diese Aufführung auch koproduziert haben. Die musikalische Leitung hat Thomas Barthel, es spielen: Katharina von Bock, Daniel Hajdu, Miriam Wagner, Andreas Storm, Stefan Lahr, es singen: Rebeca Olvera, Florie Valiquette und Spencer Lang.

Kammermusik Auch in diesem Jahr ist der Spiegelsaal wieder ein Ort für musikalische Lecker­bissen. Den Anfang machen die Pianisten Anna Hauner und Andrea Del Bianco mit Oper vierhändig: In einem musikalischen Ritt durch die aktuelle Spielzeit erklingen Ausschnitte u.a. aus Don Giovanni, Der Freischütz, Werther, Faust, Lohengrin und dem Verdi-­Requiem. Schon eine feste Institu­ tion beim Eröffnungsfest sind The Blues Brothers: Edward Deskur (Natur-/ Ventilhorn) und Christophe Barwinek (Klavier) mit ihren Blues und anderen Wermutstropfen. Wie eine frische Som­ merbrise klingt das Klaviertrio Nr. 1 von Camille Saint-Saëns – interpretiert wird es von Hanna Weinmeister (Violine), Sebastian Bonhoeffer (Violon­ cello) und Ann-Katrin Stöcker (Klavier). Das Klarinettenensemble der Phil­ harmonia Zürich spielt dann unter dem Titel Bach Goes into Town ein kunter­ buntes Programm von Bach, Mozart, Ragtime bis Tango. Eine ganz be­son­de­re Formation verbirgt sich hinter dem Titel The Extremes: originelle Werke für Piccolo, Kontrafagott und Klavier spielen Pamela Stahel, Elisabeth Göring und Carrie-Ann Matheson. Wer Musik gerne unter freiem Himmel geniessen möchte, hat die Möglichkeit, unsere

Orchesterakademie als charman­te Kurkapelle auf der Open-Air-Bühne zu erleben. Und wer es lieber perkussiv mag, ist bei Dominic Herrmann und Sergi Sempere Ramos gut aufgehoben: Die beiden Schlagzeuger erfüllen den Sechseläuten-Platz mit Vibraphonund Marimbaphonklängen.

Chorsolo- und Arienprogramm Gesang in seiner reinsten Form erklingt am Eröffnungstag auch auf der Studiobühne. Hier singen Sopranistin Hamida Kristoffersen, Mezzosopranistin Yulia Mennibaeva, Tenor Iain Milne, Bariton Ruben Drole und der Bass Ildo Song die schönsten Arien und Ensembles aus Faust, Les Pêcheurs de Perles, Die Zauberflöte, Rusalka, Werther und La bohème. Am Klavier werden sie von Yulia Levin begleitet. Aber auch die Mitglieder unseres Chores sind hervor­ ragende Solisten: Sie stellen ihr Können im Bernhardtheater unter Beweis.

Das IOS im Dreivierteltakt Prinz Orlofsky lädt ins Bernhardtheater ein! Hier präsentieren die neuen Mit­ glieder des Internationalen Opernstudios ein schwungvolles Operettenprogramm, das von der Fledermaus («Ich lade gern mir Gäste ein») über die Csárdásfürstin und den Bettelstudenten bis zur Lustigen Witwe («Lippen schweigen») reicht. Prosit!

Magic Opera Als Vorgeschmack auf unsere diesjährige Märchenoper Der Zauberer von Oz wird auch schon beim Eröffnungsfest gezaubert, was das Zeug hält. Unter der Anleitung einer erfahrenen Zauber­ künst­lerin dürfen Kinder ab 5 Jahren im Work­shop Magic Opera zuerst ihren ei­genen Zauberhut basteln, bevor sie lernen, wie man daraus einen Hasen hervorzaubert. Mit Liedern rund um


Eröffnungsfest 31

die Zauberei wird in diesem Workshop ausserdem auch musiziert.

Offene Werkstätten

Wer wissen möchte, wie viel es braucht, um eine so spektakuläre Partitur wie Strawinskys Petruschka zum Klingen zu bringen, hat jetzt die einmalige Gelegen­heit, an einer Probe der Phil­ harmonia Zürich teilzunehmen. Das riesig besetzte Orchester leitet der aus Venezulea stammende Dirigent Domingo Hin­­doyan, der ursprünglich als Geiger im venezolanischen Musikerziehungs­programm El Sistema angefangen hat. Die Veranstaltung findet am Vormittag in unserem Proben­ lokal am Kreuzplatz statt. Bestimmt hören und sehen Sie danach unsere Ballett-Premiere Petruschka (ab 8. Okt.) in der Choreografie von Marco Goecke mit ganz anderen Augen und Ohren!

OPER IM KINO

Photo © Kristian Schuller

Werfen Sie einen Blick in unsere Werk­stätten, in denen unsere Schreiner, Metallbauschlosser, Theaterplastiker, Tapezierer, Maler und viele andere fleis­ sige Handwerker mit viel Liebe an den Dekorationen unserer Bühnenbilder arbeiten, oder lassen Sie sich auf einem Parcours von der Welt der Kos­ tüm­ab­teilung verzaubern. Für die Kinder haben wir wie jedes Jahr ein grosses Bastelprogramm vorbereitet: Es können wiederum Burgen gebaut oder Kostüm­figurinen an­gefertigt wer­ den. Ausserdem kann man sich dieses Jahr im Büchsenwerfen üben. Das be­ liebte Kinderschminken findet in diesem Jahr von 10.00 –13.00 Uhr statt.

Orchesterprobe Petruschka

LIVE AUS NEW YORK PATHE DIETLIKON, ZÜRICH PATHE KÜCHLIN, BASEL PATHE WESTSIDE, BERN

TRISTAN UND ISOLDE - 08.10. DON GIOVANNI - 22.10. L’AMOUR DE LOIN - 10.12. NABUCCO - 07.01. ROMEO UND JULIA - 21.01. RUSALKA - 25.02. LA TRAVIATA - 11.03. IDOMENEO - 25.03. EUGEN ONEGIN - 22.04. DER ROSENKAVALIER - 13.05.

PATHELIVE


32 Gold

Jacob und der Fisch Am Eröffnungsfest präsentieren wir auf der Studiobühne eine Premiere für Kinder: die Kammeroper Gold! des holländischen Komponisten Leonard Evers nach dem Märchen Vom Fischer und seiner Frau der Gebrüder Grimm Text Beate Breidenbach

W

as wäre, wenn man sich auf einmal etwas wünschen dürfte – etwas, nach dem man sich schon lange gesehnt hat – und der Wunsch ginge dann auch wirklich in Erfüllung? Wäre man dann zufrieden? Oder würde man von dem Gedanken gequält, dass man sich, wo es doch so einfach war, vielleicht etwas Grösseres, Wertvolleres hätte wünschen sollen? Und wenn das dann in Erfüllung geht, vielleicht etwas noch Grösseres... und dann noch etwas... und dann...? Jacob ist so arm, dass er nicht einmal Schuhe hat, und wohnt mit seinen Eltern in einem Erdloch unter einem Baum. Als er zum ersten Mal alleine fischen geht, zappelt plötzlich ein grosser Fisch an seinem Angelhaken. Jacob freut sich; doch als er den Fisch aus dem Wasser ziehen will, fängt der Fisch auf einmal an zu sprechen: «Bitte sehr, wirf mich rein ins Meer, wirf mich rein und lass mich leben, was du wünschst, will ich dir geben!» Im ersten Moment weiss Jacob gar nicht, was er sagen soll; er wirft den Fisch ins Meer zurück, und schon ist er wieder verschwunden. In der Nacht dann ist Jacob kalt, vor allem an seinen nackten Füssen friert er sehr, und er beschliesst, am nächsten Tag wieder zum Meer zu gehen, den seltsamen Fisch noch einmal zu rufen und sich Schuhe zu wünschen. Kaum hat Jacob seinen Wunsch ausgesprochen, da hat er auch schon Schuhe an, und zwar genau die, die er sich schon immer gewünscht hat! Seine Eltern befürchten, Jacob könne die Schuhe gestohlen haben; als er ihnen versichert, er habe sie von einem Fisch bekommen, dem er das Leben geschenkt hat, bittet die Mutter ihn, doch auch für die Eltern Schuhe zu wünschen. Und weil es eben so kalt ist, am liebsten gleich auch noch eine Decke. Und dazu ein Bett. Oder warum nicht gleich ein ganzes Haus... Kein Problem ist das für den Fisch. Mutter, Vater und Jacob sind glücklich. Eine Zeit lang jedenfalls. Denn wenn man es sich genau überlegt, ist das Haus doch ein bisschen klein. Und weil das Wünschen so einfach geht, hätte Jacobs Mutter lieber ein Schloss, mit einem grossen Tor und Türmen, jeden Tag köstlichen Speisen und Bediensteten, die sich um alles kümmern. Das Meer ist dunkelviolett, der Himmel


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Illustration: Carole Bolli

bewölkt, und ein Sturm zieht auf, als Jacob wieder nach dem Fisch ruft; doch kaum hat er seinen Wunsch ausgesprochen, sind Vater und Mutter auch schon stolze Schlossbesitzer. Ein herrliches Leben ist das! Jeder bewohnt mindestens drei Zimmer, Essen gibt es im Überfluss, und draussen wartet ein Chauffeur mit einem schicken Wagen. Noch schöner wäre jetzt nur eine grosse Urlaubsreise... Wieder muss Jacob zum Fisch; das Meer ist schwarz, das Wasser schäumt und tobt, und grosse Wellen peitschen ans Ufer. Diesmal soll Jacob den Fisch um drei Flugzeuge bitten, die ihn, seine Mutter und seinen Vater in die Ferne bringen sollen – Jacob in einen Vergnügungspark, seinen Vater nach Afrika und an den Südpol und seine Mutter nach Thailand und auf den Mond! Über Jacob jagen grosse schwarze Wolken hinweg, er muss die Augen zumachen, sonst fliegt Sand hinein, und der Fisch ist ziemlich dünn geworden, wie es Jacob scheint. Trotzdem erfüllt der Fisch alle Wünsche, und die Urlaubsreisen werden grossartig. Als alle drei wieder zurück sind, jammert die Mutter darüber, dass in den fernen Ländern und sogar auf dem Mond schon andere Menschen sind, die viel zu viel Lärm machen und sie schrecklich stören! Also soll Jacob dem Fisch eine letzte Bitte ausrichten: «Ein Wunsch noch, dann ist’s vorbei: Die ganze Welt nur für uns drei!» Tiefschwarz ist der Himmel, als Jacob zum Meer kommt, es blitzt und donnert, haushohe Wellen rollen bedrohlich auf ihn zu. Jacob hat furchtbare Angst vor dem Sturm. Mit Tränen in den Augen schreit er seine letzte Bitte in den Wind hinaus. Da kommt eine gewaltige Welle auf das Ufer zugerollt, verschlingt Jacob und reisst alles mit sich. Als Jacob wieder auftaucht, sieht er ein grosses Stück vom Schlossdach neben sich im Wasser schwimmen, ausserdem ein halbes Flugzeug, eine Schachtel mit Pralinen und seine Schuhe... Alles treibt zurück ins Meer. Sehr erleichtert und glücklich sind seine Eltern, als sie Jacob wieder in den Armen halten. Da spürt Jacob ein Kitzeln unterm Hemd – es ist der Fisch, ganz abgemagert und grau. «Bitte sehr, wirf mich rein ins Meer, wirf mich rein und lass mich leben, was du wünschst, will ich dir geben!», sagt der Fisch. Das Meer ist wieder spiegel­glatt. Sehr behutsam hält Jacob den Fisch in der Hand. Dann gibt er ihm einen dicken Kuss, sagt «Danke, lieber Fisch!» – und wirft ihn zurück ins Meer. Das bekannte Märchen der Gebrüder Grimm Vom Fischer und seiner Frau hat Flora Verbrugge in ein Opernlibretto für Kinder verwandelt, und dem holländischen Komponisten Leonard Evers ist mit Gold! ein regelrechter Hit gelungen: Mit seinem grossen Instrumentarium, das auch visuell aufregend ist, kann ein einzelner Schlagzeuger unterschiedlichste Atmosphären und Geräusche zaubern. Die Mezzosopranistin Deniz Uzun schlüpft (im Wechsel mit Carmen Seibel) nicht nur in die Rolle des kleinen Jacob, sondern auch in die der Mutter und einiger anderer Figuren. Ein ideales Stück, um Kinder ab sechs Jahren ans Musiktheater heranzuführen!

Gold! Kinderoper von Leonard Evers Libretto von Flora Verbrugge nach «Der Fischer und seine Frau» von den Gebrüdern Grimm Musikalische Leitung Ann-Katrin Stöcker Inszenierung Nina Russi Bühnenbild und Kostüme Marianna Helen Meyer Lichtgestaltung Dino Strucken Dramaturgie Beate Breidenbach Jacob Deniz Uzun/ Carmen Seibel Schlagzeug Luca Borioli/ Laszlo Karoly Tömösközi Erzähler Norbert Gubser/ Bruno Kocher Premiere 17 Sept 2016 (im Rahmen des Eröffnungsfestes, Eintritt frei) Weitere Vorstellungen 18, 21, 28 Sept, 5, 6 Nov 2016, 4 Feb, 8, 15 März 2017 Studiobühne Unterstützt von


34 Anna Karenina

In der Höhle des Löwen Christian Spucks «Anna Karenina» begeistert in Moskau Text Michael Küster

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s gibt Geschichten, die einen nicht loslassen. Auch 140 Jahre nach seinem Erscheinen hat Lew Tols­ tois Roman Anna Karenina nichts von seiner Faszination verloren, fiebern und leiden Leser in aller Welt mit Anna, der schönen Titelheldin, die als Frau eines zaristischen Beamten alles zu besitzen scheint, was glücklich macht. Doch als sie auf den attraktiven Grafen Wronski trifft, verfällt sie ihm rettungslos. Der Rest ist bekannt. In bedingungsloser Hingabe opfert Anna alles: den Ehemann, den ge­ liebten Sohn, sogar die Achtung der Ge­ sellschaft, in der sie lebt. Doch ihre Liebe scheitert und endet in Eifersucht, Hass und Verzweiflung. Annas Tragödie wird bei Tolstoi zum faszinierenden Porträt der adligen Gesellschaft im Russland des 19. Jahrhunderts. In viele Sprachen ist das Buch übersetzt worden, das in Russ­ land bis heute ein nationales Heiligtum ist. Nicht zuletzt durch die zahlreichen Verfilmungen hat Anna Karenina ein Millionenpublikum gefunden, und längst hat sie auch die Ballettbühnen erobert. Christian Spucks 2014 für das Ballett Zü­ rich entstandene Choreografie hat nicht nur an der Limmat, sondern auch an der koproduzierenden Norwegischen Natio­ naloper in Oslo für volle Häuser gesorgt. Doch ohne Igor Zelenski, den Ballettchef am Moskauer Stanislawski-­Theater, wäre der Zürcher Ballettdirektor wohl kaum auf die Idee verfallen, sich ausgerechnet mit Anna Karenina geradewegs «in die Höhle des Löwen» zu wagen. Zelenski jedoch, der seit dieser Saison auch die Ge­schicke des Bayerischen Staats­balletts

lenkt, war so begeistert von der Zürcher Produktion, dass er sie unbedingt dem Moskauer Publikum präsentieren wollte. Das Akademische Stanislawski-Ne­ mirowitsch-Dantschenko-Musiktheater, wie es mit ganzem Namen heisst, ist eine der traditionsreichsten russischen Theater­ institutionen. Nur einen Steinwurf vom geschäftigen Tverskaya Boulevard ent­ fernt, liegt das etwa 1500 Plätze zählende Haus mit dem unverwechselbaren, in dunklem Blau gehaltenen Zuschauerraum an der Bolschaya Dimitrovka Uliza. Ne­ ben dem altehrwürdigen Bolschoi-The­ater ist es die zweite wichtige Adresse für die Moskauer Ballettfans. 1941 von den bei­ den grossen sowjetischen Theaterre­for­ mern Konstantin Stanislawski und Wla­ di­ mir Nemirowitsch-Dantschenko ge­ grün­det, steht es in Moskau heute für spannen­des Musiktheater und präsentiert einen ab­wechslungsreichen Spielplan aus gros­sen Opernproduktionen und oft mo­ dernen, zeitgenössischen Ballettauf­füh­ run­gen. Angesichts eines dicht gefüllten Bal­ lettspielplans in Zürich kam nur der Som­ mer 2016 für eine Aufführung von Anna Karenina in Moskau in Betracht. Doch weit früher begannen die technischen Vorbereitungen, und bereits ein Jahr vor­ her war auch Christian Spuck in Moskau, um die für ihn neue Compagnie kennen­ zulernen und die Hauptrollen für sein Ballett zu besetzen. Ein Jahr später wird es richtig ernst. Im Juni 2016 beginnt das Ballettmeisterteam, Eva Dewaele, Birgit Deharde und Ivan Gil-Ortega, mit der Einstudierung der Choreografie, und

Christian Spuck und Dirigent Paul Conelly beim Schlussapplaus für «Anna Karenina» in Moskau


Anna Karenina 35

Christian Spuck und Eva Dewaele beim Proben mit Tänzern des Stanislawski-Theaters

während in Zürich bereits die Ferien an­ gefangen haben, reisen Christian Spuck, Kostümbildnerin Emma Ryott, Bühnen­ bildner Jörg Zielinski und Lichtdesigner Martin Gebhardt ein weiteres Mal in die russische Hauptstadt, um die Endproben zu begleiten. Mitte Juli ist es dann so weit. An drei aufeinander folgenden Abenden kommt Christian Spucks Erfolgschoreo­ grafie in Moskau heraus. Nicht nur in einer, sondern in gleich drei Premieren – in drei unterschiedlichen Besetzungen, die den Vergleich jedoch nicht zu scheuen brauchen und mit starken Rollenporträts beeindrucken. Erst 21 Jahre alt ist Xenia Ryzhkowa, die die Anna Karenina in der ersten Vorstellung tanzt. «Es ist eine schwere, anspruchsvolle Rolle», sagt sie. «Nicht nur tänzerisch, sondern auch als Darstellerin muss ich wirklich alles geben. Auch um auszugleichen, was mir vielleicht an eigener Lebenserfahrung fehlt. Für mich ist es eine Riesenherausforderung, macht mir gleichzeitig aber sehr viel Freu­de». Und ganz schnell gerät sie ins Schwärmen: «Ich war überrascht, wie aus­ sergewöhnlich Christian die russische Seele in Tanz übersetzt hat. Für einen

Nicht-Russen ist das absolut nicht selbst­ verständlich. Wenn du im klassischen Ballett ‹Ich liebe dich› sagen willst, wirkt das oft sehr abstrakt. Aber bei Christian rea­gie­ren wir wie im wirklichen Leben». Das wirkliche Leben? Bis zu ihrem ersten Auftritt muss sich Xenia an ihrem Premierenabend gedulden. Ihre Vorstel­ lung beginnt mit zwanzig Minuten Ver­ spä­tung, da die Tochter von Wladimir Putin nicht pünktlich eingetroffen ist. Wir sind in Moskau... Christian Spucks Lesart des grossen Tolstoi-Klassikers begeistert das Publikum, das die Compagnie und das Inszenierungs­ team mit minutenlangen Ovationen feiert. Und auch das Echo bei den Kritikern fällt positiv aus. «Ein massstabsetzendes Ballet, das sich würdig in die Reihe grosser Hand­ lungsballette einfügt», lobt zum Beispiel die Zeitung Iswestija. Schon jetzt sind die Folgevorstellungen im September restlos ausverkauft. Danke, Moskau!

Plakat zur russischen Erstaufführung von Christian Spucks «Anna Karenina» am Moskauer Stanislawski-Theater


36 Wiederaufnahme

Nach der begeisterten Aufnahme in Moskau ist Anna Karenina ab Ende September auch wieder in Zürich zu sehen. Das Schicksal der Titelheldin stellt Christian Spuck in den Mittel­ punkt seines Balletts, widmet sich aber auch den Lebensentwürfen der weiteren Hauptfiguren. Zu Sinfonik und Kam­ mer­musik von Sergej Rachmaninow und Witold Lutosławski übersetzt er das Schicksal von Tolstois Romanhelden in eindringliche choreografische Bilder. Neben Filipe Portugal als Karenin geben bei den Vorstellungen im September Anna Khamzina und William Moore ihre Rollendebüts als Anna und Wronski. Paul Conelly dirigiert die Philharmonia Zürich. Unser Foto zeigt Viktorina Kapitonova und Filipe Portugal. Wiederaufnahme 22 Sept 2016 Weitere Vorstellungen 30 Sept 2016, 15, 18, 20, 21 Jan, 22, 25 Feb, 1 März, 28 Juni, 1 Juli 2017

Foto: Monika Rittershaus

Anna Karenina



Durch Bürgergunst geweiht der Kunst Vor 125 Jahren öffnete das heutige Opernhaus seine Türen. Bei der Frage nach dem Standort und der Finanzierung des neuen Musentempels betrat erstmals auch die Zürcher Politik die Theaterbühne. Warum eigentlich? Text Christoph Kohler


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reidebleich soll Theaterpräsident Kisling gewesen sein, als er am 1. Januar 1890 inmitten der Vorstellung im Zürcher Aktientheater auf die Bühne trat und das Publikum aufforderte, das Gebäude ruhig, aber zügig zu verlassen. Draussen trauten die Theatergäste ihren Augen kaum. Das Theater stand lichterloh in Flammen! Bange Minuten verstrichen, bis der Theaterpräsident als letzter «unter dem Hagel der fallenden Dachziegel» (NZZ) ins Freie gelaufen kam. Immerhin ver­ meldete er, dass weder Tote noch Verletzte zu beklagen seien. So dramatisch der Theaterbrand war, so nüchtern fielen die Zeitungskommentare dazu aus. «Nun ist der alte Kasten tot. Wir danken dir, Herr Zebaot», dichtete der Schreiberling des Schweizer Illustrierten Extrablattes. Es war ein offenes Geheimnis, dass das alte Aktientheater, untergebracht in einem ehemaligen Kornspeicher an der «Untern Zäunen», den repräsentativen Bedürfnissen des Zürcher Bürgertums nicht mehr genügte. Bereits 1879 hielt eine von der Theater AG eingesetzte Kommission zur Prüfung eines Theaterneubaus fest, «dass das gegenwärtige Theater mit Rücksicht auf seine Lage, Zugänglichkeit, Ausdehnung und innere Ausstattung bei weitem nicht mehr der Entwicklung Zürichs, der Verschiebung seiner geschäftlichen Mittelpunkte und, es sei offen gesagt, seiner geistigen Bedeutung entspricht». Zehn Jahre später, 1889, schlugen die Zürcher Architekten Chiodera und Tschudy in ihrem Essay «Zur Tonhalle- und Theaterfrage» einen monumentalen Neubau vor, der sowohl der The­ ater AG als auch der Tonhallegesellschaft als neues Heim dienen sollte. Allein die Finanzierung war umstritten: Während die Theater AG immer vehementer ein finan­ zielles Engagement der Stadt forderte, sah diese keinen Grund für eine staatliche Ein­mischung in kulturelle Angelegenheiten.

Zürich ohne Theater Diese Pattsituation änderte sich mit dem Theaterbrand auf einen Schlag. «Heute steht Zürich vor der Tatsache, dass es kein Theater besitzt» – so der nüchterne Kom­ mentar des Stadtrates. Die Theaterfreunde erkannten die Chance, den Druck auf die Behörden zu erhöhen. Zürich brauche ein Theater, schrieb ein Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung, und sei ohne diese Kunstanstalt gewissermassen dekapitalisiert und zu dem Range eines Provinzialstädtchens herabgesunken. Am 5. Januar 1890 wurde die so genannte Theaterfrage sogar zur Glaubensfrage, als der populäre Pfarrer Wiss­ mann in der St. Peterskirche zur Predigt «Das Theater im christlichen Volke» ansetzte und dabei auf die Gemeinsamkeiten zwischen kunstvollem Theater und Christentum hinwies: Beide dienten letztlich der «Veredlung des menschlichen Geschlechts». Einen Tag nach der Predigt verschickte der Vorstand der Theater AG eine Ein­ ladung zur ausserordentlichen Generalversammlung. Am 18. Januar 1890 traf man sich im Zunfthaus zur Zimmerleuten, wo die Aktionäre dem Vorstand einstimmig die Vollmacht erteilten, mit den städtischen Behörden über einen «Bauplatz und entspre­ chende Subventionen» zu verhandeln. Treibende Kraft des Theatervorstands war Robert Schwarzenbach, dazumal einer der mächtigsten und reichsten Seidenfabrikan­ ten der Welt. Von einem Theaterprovisorium im Börsensaal wollte er nichts wissen, das würde nur der endlich entflammten Theaterfrage den Sauerstoff entziehen. Dafür versprach er den Aktionären bis spätestens zur Spielzeit 1891/92 ein neues Theater. Um den ambitionierten Zeitplan einzuhalten, musste die Theater AG nun rasch drei Hürden nehmen: die Finanzierung klären, einen Standort finden sowie den passenden Architekt. Die Finanzierungsfrage war heikel. Natürlich hätte die Theater AG den Konkurs beschliessen und die Ära des privat geführten Theaters in Zürich beenden können. Doch das wäre kaum im Interesse der Theateraktionäre gewesen. Schliesslich garan­ tierte das privat organisierte Theater auch Privilegien: Die Aktionäre hatten pro Aktie das Mietrecht auf zwei Plätze in der Galerie oder in den Logen sowie das Vor­ zugsrecht bei der Auswahl der Abonnementsplätze. Auch deshalb kündigte der


40 Jubiläum Opernhaus

Vorstand 1890 an, nur die Theater AG selbst dürfte die Initiative zum Theaterneubau ergreifen. Das nötige Geld sollte durch eine Erhöhung des Ge­sellschaftskapitals von 116.000 Franken auf 1,5 Millionen Franken beschafft werden. Dazu mussten neben den bestehenden 250 Theateraktien 750 neue mit einem Nomi­nalwert von 1500 Franken gezeichnet werden. Das entsprach damals dem doppelten Jahresgehalt eines Seidenwebers in einer von Robert Schwarzenbachs Fabriken. Zwar richtete sich die Emission nicht an Proletarier, doch selbst für gut situierte Bürger waren 1500 Fran­ ken happig. Deshalb forderten einige Aktionäre, den Preis auf 500 Franken zu redu­ zieren – vergeblich. Die Mehrheit der Theater AG wollte keine unnötig breite Ab­ stützung im Aktionariat. Schliesslich wäre die Theaterleitung bei einer Emission von 3000 Aktien «auf unübersteigliche Schwierigkeiten gestossen in der Ausübung der eingeräumten Vorrechte bei der Bewerbung um Plätze für die Theatervorstellungen». Es folgte die Ernüchterung: Zwei Tage vor Ende der Zeichnungsfrist hatten erst 190 Personen 500 Aktien gezeichnet, so dass die Theater AG die Ausschreibung um zwei Wochen verlängern musste. Spott erreichte Zürich aus der Provinz: «Zürich steht vor der beschämenden Tatsache, dass es, einem Notschrei der Theatergesellschaft nach dem andern zum Trotz, kaum die 750 Aktien zu 1500 Franken zusammenbringt, ohne deren Zeichnung von einem Bau keine Rede sein kann», schrieb die Neue Glar­ner Zeitung. «Zürich will Grosstadt sein und bringt nicht einmal ein Schauspielhaus wie Basel – geschweige denn wie Genf zustande.» (NZZ 18.4.1890) Das war allerhand aus dem Glarnerland. Eine Woche später waren alle 750 Aktien gezeichnet.

Die Theaterplatzfrage Nachdem die Aktienemission erfolgreich über die Bühne gegangen war, stellte sich die Frage nach dem Standort des Musentempels. Und nun kam die Theater AG nicht mehr an der Stadt vorbei, denn nur diese verfügte über Landreserven für einen freistehenden, repräsentativen Bau. Der Stadtrat hiess das Gesuch der Theater AG gut mit der Begründung, die Stadt dürfe als eifrige Dienerin der Künste die Hände nicht sinken lassen, wenn es gelte, der Musik und der Schauspielkunst eine unentbehr­liche Stätte der Betätigung einzuräumen. Das genügte vorerst, um die Theaterplatzfrage in die Öffentlichkeit zu tragen. Nachdem eine erste romantische Idee aus Theater­ kreisen, das neue Haus einer Akropolis gleich auf dem Lindenhof zu errichten, fallen­ gelassen worden war, blieben zwei realistische Bauplätze: der Heimplatz, wo heute das Kunsthaus steht, und der Dufourplatz am Utoquai. Nun begann ein Wettbieten zwischen den angrenzenden Ausgemeinden, die sich von einem Theaterbau in ihrer Nähe wirtschaftliche Vorteile erhofften. Das erkannte der Stadtrat, der der Gemeinde Riesbach im März 1890 unverblümt mitteilte, dass im Falle der Annahme dieses Platzes «von Seite Riesbachs eine ökonomisch Entschä­ digung gewärtigt» würde. Prompt beschloss der Gemeinderat Riesbach, der Stadt Zürich eine Subvention von 50.000 Franken zu zahlen, sofern das Theater auf dem Dufourplatz gebaut würde. Davor hatte sich bereits Enge zu einer Subvention von 25.000 Franken verpflichtet. Hottingen und Fluntern boten zusammen «nur» 45.000 Franken. Das Stadtzürcher Parlament entschied sich für den Dufourplatz. Am 20. Mai 1890 traf sich die Theater AG mit städtischen Beamten zu Vertrags­ verhandlungen. Da es sich bei der Schenkung des Grundstücks und der Übernah­me der Tiefbauarbeiten um öffentliche Werte von immerhin rund 400.000 Franken han­ delte, wollte die Stadt die Leistungen an Bedingungen knüpfen. Sie verlangte von der Theater AG, ein vom Stadtrat bezeichnetes Mitglied in ihren neunköpfigen Vorstand auf­zunehmen. Zudem wollte Gemeinderat Bodmer die Theater AG dazu zu verpflich­ ten, «alle 14 Tage Vorstellungen gediegenen Inhaltes, seien es Opern oder Schauspiele, zu ermässigten Preisen abhalten zu lassen». Dadurch würde das Theater auch denje­ nigen Bevölkerungsschichten Zürichs geöffnet, die sich bislang kaum einen Theater­ eintritt hatten leisten können. Der Antrag wurde im Gemeinderat abgelehnt.


Jubiläum Opernhaus 41

Theaterarchitektur ab Stange Eine «ungewöhnlich belebte Diskussion» (NZZ) entfachte sich im Mai 1890 bei einer Veranstaltung des Zürcher Ingenieur- und Architektenvereins. Es war publik geworden, dass die Theater AG bereits zwei Wochen nach dem Theaterbrand zwei Wiener Architekten mit dem Neubau des Theaters beauftragt hatte – sehr zum Unmut der einheimischen Architektengilde. Warum hatte es keine öffentliche Ausschreibung gegeben? Stadtpräsident Pestalozzi hatte einige Wogen zu glätten: Natürlich habe die städtische Baukommission eine Konkurrenz gewünscht, jedoch sei die Stadt in diesem Fall nicht Bauherrin, sondern die Theater AG. Eine Ausschreibung hätte zudem das Bauprojekt verzögert. Unterstützt wurde Pestalozzi vom Architekten Gull, der den einheimischen Architekten ohnehin das für die Erbauung eines Theaters notwendige Knowhow absprach. Das liess sich von den beiden Wiener Architekten Fellner und Helmer nicht behaupten. Zu dem Zeitpunkt, als die Theater AG sie mit dem Bau beauftragte, hatten Fellner und Helmer bereits 17 Theater- und Opernhäuser in ganz Europa gebaut. Sie waren regelrechte Theaterkonfektionäre. Dass die beiden erfolgsverwöhnten Archi­tekten 1889 den Wettbewerb für einen Theaterneubau in Krakau verloren, entpuppte sich für die Theater AG als Glücksfall. Es reichten einige Änderungen am bestehenden Entwurf, um das für Krakau geplante Bauwerk an die Zürcher Bedürfnisse anzupassen.

Die Mäzene verewigen sich Die Finanzierung der Bauarbeiten hatte etwas Symbolisches: Während die Stadt mit den öffentlichen Geldern die aufwändigen Tiefbauarbeiten im feuchten Morast finanzierte, bezahlte die Theater AG das eigentliche Bauwerk. Und den grossbürger­ lichen Mäzenen schliesslich war die Ausschmückung des Theaters mit Putten, Fresken und Figuren vorbehalten. So konnten die Leserinnen und Leser der Festschrift zur Eröffnung des Stadttheaters wenig später lesen, dass die beiden neoklassischen Figu­ ren links und rechts der Eingangstreppe «ein beredtes Zeugnis der Generosität des Herrn Bodmer» (Festschrift zur Eröffnung des neuen Stadttheaters in Zürich 1891) waren. Damit nicht genug: Weitere 14.500 Franken spendete das frisch gewählte Vorstandsmitglied zur Ausschmückung des Theaters. Man ahnt es schon: Bodmer von Muralt war wie Vorstandskollege Schwarzenbach «von Beruf: Seidenfabrikant; aus Passion: Theaterverwaltungsrat». Auch die beiden imposantesten Figuren der Haupt­ fassade, die Dichtkunst und die Musik, gingen auf die Kosten eines «hochherzigen Kunstmäzens, der sich bereits durch seine Beteiligung bei der Aktienzeichnung grosse Verdienste erworben hatte». Kostenpunkt: 20.000 Franken. Und auch die übrigen Verwaltungsräte der Theater AG begnügten sich nicht damit, unentgeltlich 125 Bausitzungen abzuhalten, sondern spendeten gemeinsam die vier Deckengemälde im Auditorium des Stadttheaters für 11.000 Franken. Kleine Randnotiz: Die Kunsthand­ werker für die üppigen Gipsarbeiten, die neobarocken Plastiken, Fresken und Vergol­ dungen fanden die Theateraktionäre nicht in der demokratischen Schweiz, sondern im höfischen Wien.

Epilog Als das Stadttheater am 30. September 1891 mit einem Festspiel von Carl Spit­ teler eröffnet wurde, konnte das Zürcher Bürgertum stolz sein. In einem 21 Monate langen Kraftakt hatte es Zürich ein Theaterhaus beschert, das den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchte. Mit gutem Grund liess die Theater AG die Worte «Durch Bürgergunst geweiht der Kunst» in die Fassade des Seitenflügels meisseln.


42 Jubiläum Opernhaus

Dr. Christoph Kohler ist Historiker und Partner der Widmer Kohler AG.

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Zu vier Fünfteln hatten Private den rund 2 Millionen Franken teuren Bau finanziert. Und das war auch richtig so. Denn ein mehrheitlich über Steuergelder finanzier­ tes Institut hätte bedingt, dass dieses allen Bevölkerungsschichten hätte offen stehen müssen. Davon aber war das Stadttheater 1891 weit entfernt. Eine Opernvorstellung kostete in der Saison 1891/92 zwischen 1 Franken und 6 Franken, ein Theaterstück zwischen 80 Rappen und 5 Franken. Um sich und seiner Gattin einen Abend im Stadttheater zu ermöglichen, hätte ein Fabrikarbeiter damals einen Tageslohn opfern müssen. So war das Theater am Dufourplatz weit weg von der Welt des gemeinen Volkes. Deren Welt, das waren die Arbeiterquartiere jenseits der Sihl, wo seit 1876 ein eben­ falls monumentales, wenn auch weniger einladendes Gebäude stand: die Kaserne. Hier, in Wiedikon und Aussersihl, feierten die sozialistischen Arbeiter 1890 erstmals in Zü­ rich den 1. Mai. Hauptredner war Robert Seidel, Sozialdemokrat und Chefredakteur der Arbeiterstimme. War es Zufall, dass er just in dem Jahr, in dem die Theater AG so eifrig den Neubau ihres Musentempels plante, in der 1. Mai-Rede auf die Kunst und Kultur zu sprechen kam? «Wer liest und versteht unsere Klassiker? Das Volk nicht. Wer geniesst die Kunstschätze? Das Volk nicht.» Warum? «Weil das Volk unter skla­ vischer Arbeit seufzt und für die Pflege von Kunst und Wissenschaft keine Zeit, keine Kraft und keine Mittel hat.» Nichts bringt die geistige Entfernung des Stadttheaters zur Kultur der Massen, zu den ersten Massendemonstrationen, zu den übervölkerten Arbeiterquartieren, zu den lärmigen Fabriken, zur «Psychologie der Massen» (Gustave Le Bon) besser zum Ausdruck als das Titelbild der Festschrift zur Eröffnung des Stadttheaters. Das Theater präsentierte sich hier als ein Ort der Wenigen. Als Gegenraum zum Raum der Massen. Jedes Anzeichen von Urbanität wurde ausradiert. Ein Theater auf dem Lande. Trotzdem: Der Grundstein für eine Theaterpolitik war 1891 gelegt. Seitdem hat die Stadt Zürich jede Erhöhung der Theatersubvention von zwei Dingen abhängig gemacht: Erstens von einer Vergrösserung des staatlichen Mitspracherechts – in Form von Gemeindevertretern im Verwaltungsrat der Theater AG. Zweitens von einer Erhöhung der Vorstellungen zu vergünstigen Preisen, den Volksvorstellungen. Ging die erste Volksabstimmung zur Erhöhung der Theatersubventionen 1901 noch verlo­ ren, legitimierten seit 1908 drei erfolgreiche Volksabstimmung jede Subventionser­ höhung – bis 1928 die Mehrheit des Verwaltungsrates durch die öffentliche Hand bestimmt wurde. Diese Regelung gilt bis heute sowohl für die Opernhaus Zürich AG als auch für die Schauspielhaus AG. Und wenn sich heute jemand über die immer noch horrenden Eintrittspreise des Opernhauses erhitzt, so kann das Personal an der Kasse beruhigt auf die zahlreichen Volksvorstellungen und Opernhaus-Tage verweisen. Dann ist die Oper nicht teurer als das Kino.


Jubiläum Opernhaus 43

Das Opernhaus wird 125! Einige Liebeserklärungen

RE

H

Andreas Homoki

Marc Linke

Intendant

Bühnenmeister

Im Vergleich mit anderen international aufgestellten Opernhäusern ist unser Zu­ schauerraum mit seinen 1100 Plätzen aus­ gesprochen klein, und von Karteneinnah­ men anderer Häuser mit 2000 bis 4000 Plätzen können wir nur träumen. Ein fi­ nanzieller Nachteil, den wir trotz ver­ gleichs­weise hoher Kartenpreise nur durch das grosszügige private Engagement un­ serer Gönner und Sponsoren kompensie­ ren können. Dennoch liegt der Reiz dieses Hauses gerade in dieser grossen Intimität und Nähe zum Bühnengeschehen. Meist nimmt die Öffnung der Bühne die gesam­te Breite des Zuschauerraums ein, dann hat man das Gefühl, regelrecht in die Auffüh­ rung einzutauchen. Ein jedesmal über­ wältigendes Erlebnis, das es so nirgendwo sonst auf der Welt gibt!

Als ich zum ersten Mal nach Zürich ins Opernhaus kam – das war vor mittlerweile 20 Jahren –, arbeitete ich noch als Bühnen­ meister am Staatstheater Karlsruhe, einem Theater mit einer mächtig grossen Bühne von über 20 Metern Portalbreite. Zürich wirkte dagegen ziemlich klein auf mich, und obwohl das Haus damals schon einen sehr guten Ruf hatte, fragte ich mich bei meinem ersten Rundgang, was man auf dieser kleinen Bühne wohl überhaupt machen kann... Inzwischen ist Zürich Heimat für mich, und ich habe längst er­fahren, dass wir zwar räumlich einge­ schränkt sind – unsere Bühne hat keine Seitenbühne wie andere grosse Opern­ häuser, wo man ein Bühnenbild auf der Seitenbühne aufbauen und es dann fertig aufgebaut auf einem Bühnenwagen auf


44 Jubiläum Opernhaus

Ins 1/3 OSKA

die Hauptbühne fahren kann. Auch in der Vorbereitung müssen wir ganz anders arbeiten, denn wir müssen uns viel mehr Gedanken darüber machen, wie die Büh­ nenbilder konstruiert werden müssen, damit die schnellen Auf- und Abbauten überhaupt zu gewährleisten sind. Gleich­ zeitig sind wir aber im ganzen deutschen Sprachraum eines der modernsten Opern­ häuser, was unsere Technik anbelangt; Ober- und Untermaschinerie ebenso wie die Beleuchtungstechnik sind vom Feins­ ten, und auch finanziell sind wir vergleichs­ weise gut ausgestattet. Mindestens genau so wichtig ist unsere extrem effiziente Technik – eine solche technische Mann­ schaft habe ich in Deutschland noch nir­ gends erlebt. Produktionen wie Wozzeck oder Juliette wären an anderen Opern­ häusern so nicht möglich. Die Bühnen­ techniker, die hier arbeiten, sind sehr gut geführt und äusserst motiviert, das macht wirklich grossen Spass! Mein Lieblingsort ist die Kuppel di­ rekt über dem Kronleuchter. Hier sitzen die Kollegen der Beleuchtung, die für die Ver­folger verantwortlich sind. Den Aus­ blick von hier oben mag ich unheimlich gern: Man schaut auf die Bühne, aber auch auf die Zuschauer und fühlt sich ein bis­ schen so, als würde man wie der Glöckner von Notre-Dame auf dem Kronleuchter reiten.

Christian Berner Kaufmännischer Direktor

Für mich persönlich bedeutet dieses Haus sehr viel. Schon während meines Studiums an der Universität St. Gallen habe ich hier viele Vorstellungen besucht; der 2. Rang im Opernhaus Zürich war fast mein zwei­ tes Zuhause. Als ich für meinen ersten Job nach Zürich zog, kaufte ich mir gleich ein Premieren-Abo, ebenfalls im 2. Rang, das war einigermassen erschwinglich. Dadurch habe ich seit bald 30 Jahren so ziemlich alle Premieren im Opernhaus gesehen; und es gab über die Jahre viele unglaub­ lich tolle Erlebnisse und Highlights. Man­ che Vorstellungen vergisst man nie! Die Atmosphäre in diesem Haus mochte ich schon immer, diesen schönen kleinen Zu­ schauerraum, in dem man eigentlich von

überall noch das Gefühl hat, nah an der Bühne zu sein. Hier bekommt man in ei­ nem intimen Rahmen grossartiges Musik­ theater auf Weltklasseniveau. Ganz abge­ sehen davon ist das Opernhaus für mich das schönste Gebäude in Zürich! Dass dieser Bau auch Nachteile hat, ist mir eigentlich erst bewusst geworden, seit ich am Opernhaus tätig bin. Für viele Veranstaltungen fehlen uns schlichtweg die festlichen, repräsentativen Räumlich­ keiten und Foyers, wie sie beispielsweise die Staatsopern in München und Wien besitzen, die für feudalistische Herrscher errichtet wurden; in Zürich ist das Opern­ haus dagegen vergleichsweise bürgerlich-­ puritanisch geraten. Trotz des Erweite­ rungsbaus aus den 80er Jahren ist die räumliche Enge für uns immer noch ein grosses Thema, wenn man zum Beispiel ans Ballett denkt, das den ganzen Tag in den Ballettsälen im Keller verbringt. Da wird man längerfristig über andere Lösun­ gen nachdenken müssen, denn obwohl die Werkstätten, der Kostümfundus oder die Probebühnen bereits an andere Orte ausgelagert sind, haben wir immer noch viel zu wenig Platz. Und trotzdem muss man sagen: Das Haus funktioniert!

Fabio Luisi Dirigent

Das Opernhaus hat durch seinen zentra­ len Standort nach aussen, aber auch drin­ nen im Saal eine sehr positive und ange­ nehme Ausstrahlung. Die Ausmasse des Gebäudes, die im Vergleich mit anderen internationalen Opernhäusern eher klein sind, motivieren zu einer sehr intimen Arbeitsweise. Insbesondere die Zusam­ men­arbeit von Regie und Musik funktio­ niert in diesem Raum sehr gut, da alles dicht beieinander ist, und jeder Zuschauer durch die Nähe zur Bühne viele Details mitkriegt. Ein intimer Raum bedeutet aber, dass man auch dementsprechend musi­zieren muss. Es reicht nicht aus, auf einen schönen, breiten Klang zu setzen; man muss bereits in der Einstudierung der Werke analytisch vorgehen und immer auf die Transparenz achten. Bei den Sän­ gern hat das den Vorteil, dass hier auch feinere Stimmen, die kein riesiges Volumen


Jubiläum Opernhaus 45

«Für mich ist das Opernhaus kein Objekt, sondern ein lebendiges Wesen mit einer Seele.» Liliana Nikiteanu

haben, gut durchkommen. Schwierig wird es, wenn die Werke für sehr grosse Orches­ terbesetzungen und grosse Stimmen ge­ schrieben wurden: Stücke wie Richard Strauss’ Elektra, Salome oder Puccinis Turandot bringen uns manchmal an un­ sere Grenzen, weil wir versuchen müssen, die natürliche Lautstärke, die ein solcher Klangapparat mit sich bringt, einzudäm­ men. Trotzdem haben wir diese drei Wer­ke in den letzten Jahren gespielt – und das ist auch ganz klar unser Ziel. Wir möchten ein vielseitiges Repertoire haben und stel­ len uns diesen Herausforderungen. Zu­ dem haben wir in den letzten Jah­ren be­ reits daran gearbeitet, Mängel der Akus­tik zu verbessern: Das Haus wur­de ursprüng­ lich als Schauspielbühne entworfen, wes­ halb die Akustik etwas trocken ist. Durch einen speziellen Boden im Orchestergra­ ben, der mitschwingt und dadurch einen wärmeren Klang erzeugt, haben wir uns da schon sehr geholfen. Wichtig ist es mir, noch einmal die Intimi­tät des Opernhau­ ses zu betonen: Durch sie entsteht hier ei­ ne enge Verbindung zwi­ schen den Künst­lern und dem Publikum, die in vie­ len anderen Häusern verlo­ren geht. Das schätze ich sehr!

Liliana Nikiteanu Sängerin

Seit 125 Jahren minus 100 singe ich nun in Zürich – und ich bin noch immer ganz verliebt in dieses Opernhaus: Klein, aber fein, von aussen ein Tempel und von innen sehr übersichtlich, man braucht kein GPS!! Die trockene Akustik hier in Zürich ist manchmal schwierig, hat aber auch einen Vorteil: Wenn die Stimme problemlos über das Orchester geht, dann hat man den Be­weis dafür, dass mit der Gesangstechnik alles in Ordnung ist. Wenn hingegen die Stimme in diesem Haus nicht trägt, dann hat das mit der Grösse der Stimme nichts zu tun, sondern es bedeutet, dass mit der Gesangstechnik etwas nicht stimmt und man da­ran arbeiten muss. Es gibt aber ei­nen Punkt auf der Bühne, an dem alle Tenöre ihre Arien gesungen haben und immer noch singen, denn wenn man an diesem Punkt steht, dann wird aus der nor­­malen Akustik eine freundliche Akus­

tik. Dieser Punkt – von manchen auch «Callas-Punkt» genannt – ist vom Zu­ schauer­raum aus gese­hen etwa einen Me­ ter Richtung Bühnen­mitte vom linken Portal entfernt. In Puri­tani singe ich als Enrichetta di Francia eine Stelle, die ich sehr liebe, genau dort – zu­fällig hat sich das während der Regiearbeit so ergeben... Für mich ist das Opernhaus kein Objekt, sondern ein lebendiges Wesen mit einer Seele, die ich jedes Mal spüre, wenn ich ins Haus komme. Dieses Gefühl entsteht natürlich auch durch die Men­ schen, die hier arbeiten. Aber ich spüre diese Seele auch unabhängig davon. Ich habe die Ehre hier zu sein, um zu dienen, um für das Haus da zu sein, für die Musik, das Schauspiel, die Teamdynamik. La multi ani, Opernhaus! (Rumä­ nisch: Lang lebe das Opernhaus!)

Marija Duric Platzanweiserin

Seit 21 Jahren arbeite ich am Opernhaus und bin jeden Abend hier. Krank war ich noch nie. Ich liebe dieses Kribbeln im Haus einfach! Während der Vorstellungen sitze ich meistens draussen auf meinem Stuhl auf der rechten Parkettgalerie-Seite. Ich höre die Opern durch die Türen, sehe alles vor mir, erahne, wie es den Sängern gerade geht. Manchmal habe ich sogar Angst, zu atmen. Mein Lieblingsort ist in der Parkettgalerie, da dürfen wir uns ab und zu reinsetzen. Ich sage immer, das ist mein Thron. Das Schönste für mich ist, wenn die Leute in die Pause gehen und voller Emo­ tionen sind, vielleicht sogar Tränen in den Augen haben. Bei Schülervorstellungen bekomme ich immer eine Gänsehaut, wenn die Kinder zum ersten Mal die Treppen hochsteigen und den Marmor mit der Hand streicheln, wenn sie in der Pause mit roten Backen ihren Proviant auf den Treppen essen und später mit leuch­ tenden Augen aus den Vorstellungen kommen. Wow!



Die geniale Stelle 47

Magdeburger Hochzeit Ein Takt in Carl Maria von Webers «Freischütz»

Nacktes Grauen schüttelt Max, wenn er in die Wolfsschlucht hinuntersteigt, wo der Teufel sein Unwesen treibt. Wer sich mit dem einlässt, riskiert nicht nur sein Leben, sondern das ewige Seelenheil. Er hat keine Wahl: Wenn er beim Probeschuss versagt, darf er seine Agathe nicht heiraten. Nun hat der sonst so gute Schütze seit einiger Zeit immer fehlgeschossen, so dass er mit dem Schlimmsten rechnen muss. Die Ret­ tung aus der Not hofft er in der Wolfsschlucht zu finden: Dort sind Freikugeln zu bekommen, die immer ins Ziel treffen. Also macht er sich auf den Weg zum Schre­ ckensort, wo er gemeinsam mit seinem zwielichtigen Kameraden und mit der Hilfe des Teufels die rettenden Kugeln giesst. Er ahnt nicht, dass er damit in eine gefähr­ liche Falle tappt und am Ende dem schlimmsten Unheil nur knapp und nur durch einen glücklichen Zufall entgehen wird… Der Librettist hat diese Szene mit einer Fülle an gespenstischen Vorgängen und Horror-Effekten ausgestattet und damit seinen Beitrag zum Sensationserfolg der Oper geleistet. Die Wolfsschlucht-Szene hat Weber zu einer Musik inspiriert, die auch dem heutigen Zuhörer noch hin und wieder einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Allerdings wird ein erstaunlich vielsagendes musikalisches Detail leicht überhört, auf das ich etwas näher eingehen will: Beim Abstieg in die Wolfsschlucht beschreibt der verängstigte Max, was er um sich herum sieht, wohl um seine Angst zu vertreiben und sich klarzumachen: Es sind keine Geister, keine Gespenster, nur Bäume, Äste, Felsen, was ihn in Schrecken ver­ setzt. Beim Aufschrecken einiger Nachtvögel erklingt im Orchester ein Trillermotiv, das scheinbar nur das unheimliche Geflatter illustrierend wiedergibt. Aber genau dieses Motiv ist schon im ersten Akt und in einem ganz anderen Zusammenhang aufgetaucht, nämlich im Refrain von Kaspars Trinklied. Der schrille Klang der Picco­ loflöten, in den es dort gekleidet war, verwies auf die Musik der Landsknechte, von denen Kaspar das Lied gelernt hatte, und damit auf seine Vergangenheit: Als «Milch­ bart», also vielleicht mit 15 Jahren, war er schon Soldat und hat den «Magdeburger Tanz» miterlebt, jenes schlimmste Verbrechen des Dreissigjährigen Krieges, bei dem das einst blühende Magdeburg bis auf die Grundmauern zerstört und seine Bevölke­ rung von den Horden der entmenschten Landsknechte nahezu ausgerottet wurde. Ein Vorfall, der ganz Europa entsetzte und noch zu Webers Zeiten als eine unfassbare Grausamkeit in aller Munde war. Indem Weber das Motiv an dieser Stelle zitiert, konkretisiert er das Gespenster­ treiben der Wolfsschlucht als das Grauen des Krieges, das wenige Jahre nach Kriegs­ ende (laut Textbuch die Zeit der Handlung) noch allzu gegenwärtig ist, wenn auch zunehmend verdrängt in die düsteren Schluchten des Unbewussten. Auch die Frei­ kugeln gehören in diesen Zusammenhang: Auch Kaspar hatte keine Wahl: Er wollte nichts als leben, den Krieg überleben, und darum brauchte er die unfehlbaren Kugeln, für die er sich auf den Teufelspakt einlassen musste. So kam er mit heiler Haut davon – aber mit versehrter Seele. Einen Takt nur braucht Weber, um diesen Zusammenhang herzustellen und den Chor Lügen zu strafen, der da behauptet, Kaspar sei «von je ein Bösewicht» gewesen. Und darum steht eine der ergreifendsten Passagen der Oper gerade an der Stelle, wo Kaspars Leichnam in die Wolfsschlucht geworfen wird, als ein kleines Requiem für die «Mörder, denen viel Leides geschah» (Bertolt Brecht). Werner Hintze


48 Wiederaufnahme

Faust Noch einmal eine Chance haben, noch einmal jung sein, sich noch einmal dem Genuss hingeben! Das ist Fausts grosser Wunsch. Da erscheint der Teufel und verspricht, genau das zu liefern, wenn Faust ihm dafür anschlies­send seine Seele vermacht... In dieser Wiederaufnahme singt Charles Castronovo die Titelrolle (Sergey Ro­ manovsky, 7. Oktober), seinen Ge­gen­ spie­ler Méphistophélès gibt, wie auch schon in der Premiere, Kyle Ketelsen, und in der Rolle der Marguerite ist die Sopranistin Anita Hartig zum ersten Mal in Zürich zu erleben. Mit Philippe Auguin, Musikdirektor der Washington National Opera, dirigiert ein Spezialist für das französische Repertoire. Wiederaufnahme 20 Sept 2016 Weitere Vorstellungen 23, 25 Sept, 2, 7 Okt 2016


Foto: T & T Fotografie / Tanja Dorendorf


50 Meine Rolle

Am liebsten der Böse

Kyle Ketelsen hatte am Zürcher Opernhaus zuletzt einen grossen Erfolg als Golaud in Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von «Pelléas et Mélisande». Für die Wiederaufnahme von Gounods «Faust» kehrt er nach Zürich zurück.

Auf der Bühne den Bösewicht zu spielen, macht mir unglaublich viel Spass. Méphisto­ phélès in Gounods Faust kommt mir da sehr entgegen. Es ist toll, zumindest auf der Bühne allmächtig zu sein: Ich muss nur mit den Fingern schnipsen, und schon kann ich alle möglichen Visionen heraufbeschwören, mit denen ich Faust und die anderen Figuren der Oper manipulieren kann. In der Darstellung des teuflischen Mephisto darf ich natürlich auf keinen Fall übertreiben. Es ist ja alles schon in der Musik! Ich versuche, realistisch zu spielen, ich würde sogar fast sagen, veristisch, obwohl ja in dieser Oper sehr viel Surrealistisches oder besser: Übernatürliches passiert. Zum ersten Mal sang ich diese Rolle vor bald 12 Jahren in Detroit, danach auch in Minneapolis und 2009 an der Lyric Opera Chicago. Sängerisch ist sicher die be­ rühm­te Arie «Le veau d’or» die grösste Herausforderung. Wenn eine Rolle sehr dra­ ma­tischen Charakter hat, dann läuft man Gefahr, auch stimmlich zu forcieren, was man aber in jedem Fall vermeiden muss. Früher sang ich die hohen Töne in dieser Partie sehr offen. Seit ich einmal mit Samuel Ramey, dem «Teufel vom Dienst», ge­ arbeitet habe, versuche ich seinem Rat zu folgen und in der hohen Lage die Töne mehr abzudecken. Das hilft auch, nicht zu forcieren. Als wir vor drei Jahren die Zürcher Faust-Inszenierung erarbeiteten, hatte ich am meisten Respekt vor den vielen Umzügen: Ich habe insgesamt sieben verschiedene Kostüme, und die Umzüge müssen sehr schnell gehen. Aber die Idee, dass Mephisto sich in unterschiedlichsten Gestalten zeigt, gefällt mir gut, denn dadurch wird auch deutlich, dass er die Macht hat, immer genau so zu erscheinen, wie es seiner Absicht am besten dient. In vielen Aufführungen ist die Walpurgisnacht komplett gestrichen, für die Zür­ cher Aufführung haben Regie und Dramaturgie unter Verwendung von originalem Material eine neue Fassung dieser Szene erstellt, die mir sehr gefällt. Denn es macht mir grossen Spass, Teil dieser Choreografie zu sein; zwar sehe ich mich nicht als Tän­ zer, aber ich bewege mich sehr gern mit den Tänzern zusammen. An Gounods Interpretation der Mephisto-Figur gefällt mir, dass er ein durchaus spielerischer Charakter ist – verspielt und leicht, aber immer mit einem unheimlich-dro­ henden Unterton, denn natürlich verkörpert er das Böse schlechthin, und das wird auch sichtbar gegen Ende des Stückes, zum Beispiel in der Szene mit Marguerite, die er am liebsten ohne jedes Erbarmen direkt in die Hölle schicken möchte. Vor allem am Anfang jedoch zeigt Mephisto auch andere Seiten, das mag ich, und das ist in kaum einer anderen Bearbeitung dieses Stoffes so. Manche sind nicht so begeistert von Gounods Musik. Das verstehe ich nicht – die beiden Arien von Méphistophélès gehören zu meinen absoluten «favorites», und die zweite grosse Arie «Vous qui faites l’endormie» ist wirklich ein «crowd pleaser», den man auch erst mal schreiben können muss! Mich bewegt diese Musik, ich bin ein grosser Fan von Gounods Faust. Bevor ich nach Zürich komme, singe ich noch einmal Leporello in Santa Fé, das liegt 2200 Meter über dem Meer, und das beeinflusst das Singen sehr. Dann freue ich mich auf Zürich, nicht zuletzt, weil es nur 400 Meter hoch liegt! Kyle Ketelsen

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Kyle Ketelsen freut sich auf Méphistophélès in Gounods «Faust»



52 Kalendarium

September 2O16 17 Sa Eröffnungsfest

ab 10.00

Musikalisch-szenische Überraschungen in bekannten und unbekannten Räumen des Opernhauses. Eintritt frei

Gold! Premiere 11.00

Kinderoper von Leonard Evers ab 6 Jahren, Studiobühne Eintritt frei

Gold! 13.00

Kinderoper von Leonard Evers ab 6 Jahren, Studiobühne Eintritt frei

18 So Gold! 14.00

Kinderoper von Leonard Evers ab 6 Jahren, Studiobühne, CHF 50 / 35

Gold! 16.00

Kinderoper von Leonard Evers ab 6 Jahren, Studiobühne, CHF 50 / 35

Der Freischütz Premiere

19.00

Oper von Carl Maria von Weber Premieren-Abo A, Preise F

2O Di Faust Wiederaufnahme

19.00

Oper von Charles Gounod Dienstag-Abo A, Preise E

21 Mi Gold!

14.00

Kinderoper von Leonard Evers ab 6 Jahren, Studiobühne, CHF 50/35

Der Freischütz

19.00

Oper von Carl Maria von Weber Premieren-Abo B, Preise E

22 Do Anna Karenina Wiederaufnahme

19.30 Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von

Lew Tolstoi, Preise H AMAG-Volksvorstellung

23 Fr Faust 19.00

Oper von Charles Gounod, Freitag-Abo A, Preise E

24 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Geschichten erzählen «Der Freischütz»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Cavalleria rusticana / Pagliacci 19.00 Wiederaufnahme

Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo Samstag-Abo, Ital. Oper-Abo, Preise E

25 So Einführungsmatinee Petruschka / Sacre 11.15

Der Freischütz

14.00

Bernhard Theater, CHF 10

Oper von Carl Maria von Weber Preise H AMAG-Volksvorstellung

Geschichten erzählen «Der Freischütz»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Faust

20.00

Oper von Charles Gounod Sonntag-Abo C, Preise E

28 Mi Gold!

14.00

Kinderoper von Leonard Evers ab 6 Jahren, Studiobühne, CHF 50 / 35

Cavalleria rusticana / Pagliacci

19.00

Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo Mittwoch-Abo A, Freunde-Abo, Preise E

3O Fr Anna Karenina

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Roman von Lew Tolstoi, Ballett-Abo Gross, Preise D


Kalendarium 53

Oktober 2O16 Sa Geschichten erzählen «Der Freischütz» 1

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

So Faust 2

14.00

Oper von Charles Gounod Sonntag-Abo B, Preise E

Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com

Geschichten erzählen «Der Freischütz»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Der Freischütz

20.00

Oper von Carl Maria von Weber Sonntag-Abo D, Deutsche Oper-Abo, Preise E

20.00

Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo Dienstag-Abo B, Preise E

Mi 5  Führung Werkstätten

15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Der Freischütz

19.00

Oper von Carl Maria von Weber Mittwoch-Abo B, Preise E

Fr 7  Führung Kostümabteilung

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Faust

19.00

Oper von Charles Gounod Misch-Abo A, Franz. Oper-Abo, Preise E

Sa 8  Petruschka / Sacre Premiere

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Premieren-Abo A, Preise D

So 9  Cavalleria rusticana / Pagliacci

14.00

Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo Preise H AMAG-Volksvorstellung

Der Freischütz

20.00

Oper von Carl Maria von Weber Misch-Abo C, Kombi-Abo, Preise E

Di 11  Petruschka / Sacre

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Premieren-Abo B, Preise C

Light Nerzcape reversible H/W 2016/2017

Di 4  Cavalleria rusticana / Pagliacci

12 Mi Cavalleria rusticana / Pagliacci

19.00

Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo Misch-Abo B, Verismo-Abo, Preise E

13 Do Der Freischütz

20.00

Oper von Carl Maria von Weber Donnerstag-Abo B, Preise E

14 Fr Petruschka / Sacre

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Freitag-Abo B, Preise C

15 Sa Führung Opernhaus 15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Le nozze di Figaro Wiederaufnahme

18.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Mozart-Abo, Preise E

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


54 Serviceteil

Billettkasse

Billettpreise und Platzkategorien

Öffnungszeiten: Mo–Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1.5 Stunden vor Vorstellungsbeginn resp. 1 Stunde bei kleinen Produktionen. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.00 – 18.00 Uhr / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

1

2

3

Preisstufe A

92

76

65

43

16

AMAG-Volksvorstellungen

Preisstufe B

141

126

113

56

20

Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-­ Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feier­tag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person.

Preisstufe C

169

152

130

56

20

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

230

192

168

95

35

Preisstufe F

270

216

184

98

38

Preisstufe G

320

250

220

98

38

Preisstufe H

75

59

44

25

15

Kinderoper K

60

50

40

30

20

Preisstufe P1

95

80

65

50

35

Legi (Preisstufen A-C + K + P1) 35

25

20

18

13

Legi (Preisstufen D-F)

33

25

20

15

Opernhaus-Tag  Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50 % Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

45

4 5

Alle Preise in CHF

Club Jung Stark vergünstigte Tickets, Probenbesuche, interessante Einblicke hinter die Kulissen und mit Gleichgesinnten die neuesten Opern- und Ballettproduktionen besuchen: All das und mehr bietet der Club Jung für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und unverbindlich (einmalige Aufnahmegebühr von CHF 20). Club Jung-Mitglieder erhalten Last-Minute-Karten ab 30 Minuten vor der Vorstellung für CHF 15. Auch stehen ihnen bereits im Vor­ verkauf Karten zum Preis von CHF 15 für ausgewählte Vorstellungen zur Verfügung. Spezielle Veranstaltungen wie Probenbesuche oder Workshops geben einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen und sind für Clubmitglieder kostenlos. Der Club Jung-Newsletter informiert regelmässig über die aktuellen Angebote und Aktionen. Details zur Mitgliedschaft im Club Jung und zum aktuellen Programm finden Sie auf www.opernhaus.ch/clubjung.

WILD BUNCH & STUDIO GHIBLI präSeNTIereN IN ZUSammeNarBeIT mIT WHY NOT prODUCTIONS

UN CERTAIN REGARD

PRIX SPÉCIAL

Ermässigungen  Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

MAG Abonnieren  MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

ab 25. September im Kino


Serviceteil 55

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki

Partner

ab

Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit

Produktionssponsoren

Notenstein La Roche Privatbank AG

Evelyn und Herbert Axelrod

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

Freunde der Oper Zürich

Else von Sick Stiftung

Walter Haefner Stiftung

Swiss Casinos Zürich AG

Swiss Re

Van Cleef & Arpels

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG Förderer Projektsponsoren

Confiserie Teuscher

AMAG Automobil- und Motoren AG

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

Baugarten Stiftung

Garmin Switzerland

Familie Christa und Rudi Bindella

Horego AG

René und Susanne Braginsky-Stiftung

Sir Peter Jonas

Clariant Foundation

Luzius R. Sprüngli

Freunde des Balletts Zürich

Elisabeth Stüdli Stiftung

Ernst Göhner Stiftung

Zürcher Theaterverein

Max Kohler Stiftung

Fotografie Stefan Deuber Danielle Liniger Florian Kalotay

Ringier AG

Bildredaktion Christian Güntlisberger

Zürcher Kantonalbank

Anzeigen Nathalie Maier Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Swiss Life Zürcher Festspielstiftung

Gönner Abegg Holding AG Accenture AG Josef & Pirkko Ackermann Alfons’ Blumenmarkt Allreal Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Landis & Gyr Stiftung Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Mercator Schweiz Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG


Christopher Ventris Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Ich komme direkt von den Bayreuther Festspielen. Dort habe ich in diesem Sommer den Siegmund im Ring von Frank Castorf gesungen, den Marek Ja­nowski dirigiert hat. Es war grossartig für mich, nach dem Parsifal von Stefan Herheim in einer weiteren gros­ sen Tenorpartie in Bayreuth auf­treten zu dürfen. Bayreuth ist einfach etwas Besonderes, die grosse Wagner-­ Tradition, der einzigartige Akustik im Festspielhaus – ich liebe das.

zwei davon! Für mich ist Domingo einer der grössten Sänger aller Zeiten. Immer wenn wir uns sehen, nehmen wir uns Zeit zum Plaudern.

Auf was freuen Sie sich in der Zürcher Freischütz-Produktion? Jetzt den Max zu singen, passt ideal, denn nach so viel Wagner hält diese Partie die Stimme flexibel und frisch. Und was die Produktion angeht: Wir sind ja schon mitten in den Proben. Die Arbeit mit Herbert Fritsch ist wunderbar, weil er nicht nur Regisseur ist, sondern auch seine SchauspielFähig­keiten einbringt. Deshalb spielen wir bei ihm die oft gestrichenen Dia­ loge. Wenn wir es gut hinkriegen, wird das dem Stück eine ganz neue Farbe hinzufügen.

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Ohne meine Hifi-Anlage kann ich nicht leben! Ich liebe es, den Sound in meinem Wohnzimmer voll aufzudrehen: Bruckner, Beethoven, Richard Strauss, aber auch viel Jazz und Blues.

Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Schon von Kind an wollte ich Sänger werden und glücklicherweise haben mich meiner Eltern dabei sehr unter­ stützt. Ich habe im Schulchor an­ge­­ fangen, wo wir eine Oper von Gilbert und Sullivan aufführten, und die Jungs auch die Frauenrollen sangen. Über einen lokale Opern-Gesellschaft hab ich dann den Sprung an die Royal Academy in London geschafft und dort studiert. Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben? Ich habe mal unter der Leitung von Plácido Domingo gerabeitet. Er hat die Klavierauszüge, aus denen wir sangen, signiert und uns als Premierengeschenk überreicht. Ich habe glücklicherweise

Welche CD hören Sie immer wieder? Das AlbumWesbound des Gitarristen Lee Ritenour – eine Hommage an den letzten grossen Jazz-Gitarristen Wes Montgomery. Ich besitze selbst einige Gitarren, und wenn ich mehr Zeit habe, werde ich mich daran machen, sie richtig spielen zu lernen.

Mit welchem Künstler würden Sie gerne essen gehen und über was würden Sie reden? Mit Malvina und Ludwig Schnorr, die in der Bayreuther Uraufführung Tristan und Isolde gesungen haben. Was muss das für eine Herausforderung gewesen sein, diese Musik zum ersten Mal ein­­ zustudieren bei all den Schwierigkeiten? Mit Fritz Wunderlich, Maria Callas und Elvis Presley würde ich allerdings auch gerne mal ein Steak essen und einen guten Wein trinken. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Es ist immer besonders schön, wenn ich Ferien mit meinen Kindern mache. Wir haben gerade gemeinsame Tage am Genfer See. Da gehen wir schwimmen, radfahren oder in die Berge. Grossartig.

Der englische Tenor Christopher Ventris singt den Max im neuen Zürcher «Freischütz»


BERLIOZ FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH

BRUCKNER FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH Symphony No. 8

Symphonie fantastique

WAGNER FABIO LUISI PHILHARMONIA ZÜRICH

R ACHMANINOV FABIO LUISI LISE DE LA SALLE PHILHARMONIA ZÜRICH

Preludes and Interludes

Piano Concertos 1–4 Rhapsody on a Theme of Paganini

ER S C

G

N EU Erhältlich im Opernhaus Zürich, unter www.philharmonia-records.ch und weltweit im Handel.

UN

H EI N


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