MAG 19: Il ritorno d’Ulisse in patria

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 10

Eine Drehscheibe zu bauen ist einfach: Man schweisst ein paar hundert Kilo Stahlrohre zu Kreisringen zusammen, schraubt Rollen darunter und oben eine paar Holzplatten als Boden darauf. Die Mitte der Scheibe wird so am Boden fixiert, dass sich die Scheibe zwar drehen kann, sich aber dabei nicht von der Stelle bewegt. Von aussen drücken – von Motoren angetriebene – Räder an den Rand der Scheibe und setzen diese wunschgemäss in Bewegung. Dazu sind noch nicht einmal besonders starke Motoren nötig. Eine Schräge zu bauen ist noch einfacher: Man schneidet Bretter zu Keilen und schraubt Holzplatten oben drauf. Regisseur Willy Decker und Bühnenbildner Wolfgang Gussmann indessen wollten beides: Das Bühnenbild zu Il ritorno d’Ulisse in patria besteht aus einer schräg gestellten Drehscheibe, denn dies ermöglicht dem Zuschauer eine bessere Sicht auf die Fläche der Scheibe. Wir bauten also «einfach» eine Drehscheibe und stellten diese auf die «einfach» gebaute Schräge. Natürlich haben wir aus Rücksicht auf das Orchester den Drehpunkt in der Mitte etwas stabiler ausgeführt, als wenn die Scheibe gerade stehen würde. Die Scheibe sollte ja auf keinen Fall die Schräge hinab in den Orchestergraben rauschen... Aber sonst haben wir nicht viel drüber nachgedacht.

Das rächte sich in dem Augenblick, als Willy Decker eine etwas grössere Personenansammlung auf eine Seite der schräg stehenden Scheibe platzierte. Da setzte sich die Scheibe plötzlich selbstständig in Bewegung! Das Gewicht der Personen reichte aus, um die Reibung der Rollen, Getriebe und Motoren zu überwinden: Die Scheibe drehte nach unten weg. Weitere Versuche brachten zu Tage, dass auch der Druck, den die antreibenden Räder auf die Scheibe ausüben, nicht ausreichte, um mehr als zehn Darsteller nach oben zu drehen. Bei einer Drehscheibe, die auf einem ebenen Boden aufgebaut ist, passiert dies natürlich beides nicht. Unsere Erfahrung mit Drehscheiben war hier eher ein Problem als eine Hilfe: Wir dachten, es sei alles ganz einfach, und haben uns zu wenig damit beschäftigt. Die Lösung: Wir haben den Druck der Räder auf den Scheibenrand erhöht, nun drehen diese nicht mehr durch. Zusätzlich werden wir in den nächsten Tagen Bremsen an die Motoren anbauen, so dass die Scheibe auch bei starkem Ungleichgewicht still steht. Dann dreht sie sich nur noch, wenn sie soll. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

Illustration Laura Jurt

Dreht sich, dreht sich nicht


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