oead.news 104

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1 Nummer 104 | November 2017

Digitalisierung in der Bildung

IT- und Kommunikationstechnik in Klassenzimmer und Hรถrsaal


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Inhalt G. Koppensteiner | W. Lepuschitz | M. Merdan 28 iBridge: Brücke zwischen den Generationen

Stefan Zotti 03 Editorial

aller Kürze 04 InKurzmeldungen

Winkler 30 Gabriele SOLA − Simple Open Learning Advancement

Maier-Rabler 06 Ursula Digitalisierung und Bildung

Bammer 31 Miriam Responsible Science: Gemeinsam Verantwortung

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Jörg Dräger Für jeden das Passende

Martin Bauer 10 Der digitale Mehrwert in der Schule 4.0 12

Alexander Kohler Digitale Kompetenzen in der hochschulischen Lehre

Anderson | Elena Tegovska 14 AJulierenewed EU agenda for higher education

übernehmen

Paul Glück | Martin Kocher 32 Mit Mut und guter (Aus-)Bildung in die Digitalisierung Groiss 33 Florian Eine Unterrichtsstunde im digitalen Zeitalter Ruffeis 34 Dominik Vom Wissen, dem Handy und der Landwirtschaft

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Bernhard Göschlberger 16 Social MicroLearning

Delattre 18 Felix Digitale Karten, die verändern

Maarit Novak | Valerie Weidinger 20 Niina Digitalisierte Chancen

Dániel Ramírez-Schiller | Andreas Koreimann 22 Carin Digitale Kompetenz sichert Teilhabe

Hackl | Elske Ammenwerth 24 Werner Medizinisches Informationsmanagement

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Christian F. Freisleben-Teutscher Digitalisierung als Motor für Deeper Learning

Jandrokovic 26 Mario ConClip, das Mehrzweck-Online-Lerntool

Preusche 27 Ingrid Qualitätssicherung von E-Prüfungen

Doris Bauer »Bist du digital nicht auffindbar, bist du unsichtbar«

Lichtkoppler 36 Julia Kooperation im ungleichen Raum Brosch | Barbara Sutrich 38 Jana Erasmus+ Erfolgsprojekte aus Österreich Publikation 40 Neue Grenzen überschreiten − Hochschulmobilität | Erasmus+ Hochschultagung 2017 41 OeAD Internationale Mobilität und Qualität Kamptner | Naomi Morishita 42 Carina Summer Schools zu nachhaltiger Wirtschaft und

ökologischem Bauen

Aichner 44 Regina OeAD beim Europäischen Forum Alpbach 2017

Sutrich 46 Barbara 30 Jahre Erasmus − Menschen in Bewegung 48 OeAD Events


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Stefan Zotti

Editorial die Digitalisierung hat unsere Welt in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig verändert: Oftmals unbemerkt und in ihren langfristigen Auswirkungen noch weitgehend unerkannt, haben sich nicht nur die Wirtschaft (Industrie 4.0), sondern auch unsere Kommunikation, unser Freizeitverhalten und nicht zuletzt unser Verständnis von Bildung selbst verändert. In Zeiten, in denen Information jederzeit zugänglich ist, in der man jedes Faktum einfach googeln kann – was bedeutet dann Bildung eigentlich? Mehr denn je geht es wohl um Verstehen, um die Möglichkeit, Information zu bewerten – es geht um Orientierungswissen in einer Zeit der Fake News und um die Ermächtigung (junger) Menschen, sich in einer immer unübersichtlicheren Welt zurechtzufinden. Wenn wir über Digitalisierung in der Bildung reden, kann es also nicht bloß um den Einsatz neuer digitaler Lehr- und Lernmedien und die entsprechende didaktische Einbettung dieser neuen Medien gehen, wiewohl in beiden Feldern noch deutlicher Nachholbedarf besteht, sondern vor allem um die Frage, welche Kompetenzen Lernende (und Lehrende) heute brauchen und erwerben müssen, um in der digitalen Welt bestehen zu können. Digitalisierung bietet natürlich auch eine hervorragende Möglichkeit, die Internationalisie-

rung des österreichischen Bildungssystems weiter zu treiben: Programme wie eTwinning oder der wachsende Markt für BildungsOnlineangebote zeigen, wie niedrigschwellige Angebote Zugänge zur Bildung oder Kooperationen im Bereich von Bildung, Wissenschaft und Forschung befördern können. In einer kürzlich veröffentlichen Studie hat der British Council Internationalisierung als einen von zehn Megatrends in der Bildung identifiziert. In den vergangenen Jahren konnten hier substanzielle Fortschritte erreicht werden, gerade auch durch die wachsende Teilnahme österreichischer Einrichtungen an europäischen Programmen. Es ist zu hoffen, dass auch die neue Bundesregierung diesen Weg weitergehen wird und auch den Mut hat, neue Impulse im Bereich der Internationalisierung des österreichischen Bildungssystems setzt. Die OeAD-GmbH steht mit ihrer Expertise und Kompetenz dafür gerne als Partner zur Verfügung!

© OeAD | Sabine Klimpt

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ihr Stefan Zotti

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In aller Kürze

Neue Leitung Vorstudienlehrgang Wien

Großes Ehrenzeichen für Dir. Kernegger vom VWU Wien

Sonja Winklbauer leitet seit 1. Juli 2017 den Vorstudienlehrgangs der Wiener Universitäten (VWU). Sie folgt damit Margarete Kernegger nach, die in den Ruhestand getreten ist. Sonja Winklbauer war zuletzt an der österreichischen Schule Budapest (2013–2017) als Lehrerin für Deutsch und Französisch tätig, davor leitete sie von 2006–2013 das Sprachenzentrum der Universität Wien. Sie ist seit mehr als zehn Jahren in der Lehrendenausund -weiterbildung tätig und ist ehrenamtlich im österreichischen Verband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache (ÖDaF) tätig. Weiters ist sie österreichische Expertin im Vorstand des internationalen Deutschlehrerinnen- und Deutschlehrerverbands (IDV). Die OeAD-Vorstudienlehrgänge in Wien, Graz und Leoben sind studienvorbereitende Einrichtun-

Wir gratulieren herzlich!

gen für internationale Studierende. Wir begrüßen Dir. Mag. Sonja Winklbauer herzlich und freuen uns auf die Zusammenarbeit. www.vwu.at

Areeka – erstes Schulbuch mit Augmented Reality in Österreich Das österreichische Start-up Amlogy GmbH stellt mit der Marke Areeka das erste auf Augmented- und Virtual-Reality-Technologie bauende Schulbuch vor: »Optik und Physik des Wassers« wurde in Zusammenarbeit mit dem Verlag Morawa entwickelt und bietet zusätzliche virtuelle Lerninhalte, die ein intensives und nachhaltiges Verstehen unterstützen sollen. Die kostenlose Areeka-App, als Beta-Version auf allen iOS- und Android-Geräten verfügbar, ruft Grafiken, Animationen oder Audioinhalte ab, die auf Smartphones oder Tablets abgespielt werden können. So wird aus der zweidimensionalen Grafik der Mondfinsternis eine dreidimensionale Animation des Mondes, der um die Erde kreist. www.areeka.net

The Digital Academic Critical Perspectives on Digital Technologies in Higher Education Academic work, like many other professional occupations, has increasingly become digitised. This book brings together leading scholars who examine the impacts, possibilities, politics and drawbacks of working in the contemporary university, using digital technologies. Contributors take a critical perspective in identifying the implications of digitisation for the future of higher education, academic publishing protocols and platforms and academic employment conditions, the ways in which academics engage in their everyday work and as public scholars and relationships with students and other academics. The book includes accounts of using digital media and technologies as part of academic practice across teaching, research administration and scholarship endeavours, as well as theoretical perspectives. The contributors span the spectrum of early to established career academics and are based in education, research administration, sociology, digital humanities, media and communication. More details: www.routledge.com/The-Digital-Academic-Critical-Perspectives-on-Digital-Technologies-in/ Lupton-Mewburn-Thomson/p/book/9781138202580

© Amlogy

Am 30. Juni wurde Margarete Kernegger vom Bundespräsidenten das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Margarete Kernegger war seit 1980 beim Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten tätig, seit 1994 war sie die Direktorin des VWU. Das Ehrenzeichen wurde in einem Festakt von MR Dr. Friedrich Fröhlich vom Bundesministerium für Bildung überreicht, seitens des OeAD bedankte sich der Abteilungsleiter und Prokurist Ulrich Hörmann für ihre Leistungen und Bemühungen für die akademische Mobilität und besonders für ihr Engagement für Studierende aus Entwicklungsländern. Margarete Kernegger trat Ende Juni 2017 in den Ruhestand, wir wünschen ihr alles Gute.

© Sonja Winklbauer | privat

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The future of jobs, Studie des World Economic Forums, 2016

Begriffserklärungen − What are we talking about? Digital Roadmap Austria 2017 präsentierte die Bundesregierung ihr Strategiepapier zur Zukunft der Digitalisierung in Österreich. Die Roadmap definiert zwölf Leitprinzipien, darunter die bereits frühzeitige digitale Bildung sowie die Stärkung von Wissenschaft und Forschung. Grundsätzlich sollen alle Österreicher/innen an der Digitalisierung teilhaben können, Förderziel ist unter anderem kompetenter, kritischer und reflektierter Umgang mit Technologien und Medien. Vorgesehen ist auch die laufende inhaltliche Weiterentwicklung der Roadmap. Im Internet: www.digitalroadmap.gv.at

Schule 4.0 Die ebenfalls 2017 vorgestellte Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Bildung baut auf vier Säulen: digitale Grundbildung, digital kompetente Pädagog/innen, Infrastruktur und IT-Ausstattung sowie digitale Lerntools. Die Strategie umfasst die gesamte Schullaufbahn und adressiert ein breites Portfolio an Kompetenzen, von Medienkompetenz über kritischen Umgang mit Informationen und Daten bis hin zu Sicherheit im Netz, Wissen über Technik, Coding und Problemlösung. Im Internet: www.bmb.gv.at

Blended Learning Blended Learning oder integriertes Lernen bezeichnet das Verknüpfen von E-Learning und Präsenzunterricht in einer didaktisch möglichst sinnvollen Form. Durch die Kombination der Vorteile werden die Nachteile der jeweils anderen Technik aufgehoben, die Lernenden erhalten viel Freiraum und können das gemeinsame Curriculum im eigenen Tempo erarbeiten. Eine mögliche Variante ist der Inverted Classroom, in dem die Schüler/innen die Lerninhalte eigenständig außerhalb des Klassenzimmers erarbeiten und dann gemeinsam mit einer Lehrperson üben.

Open Access Open Access bezeichnet das Konzept des freien, kostenlosen Zugangs zu Forschungsergebnissen und wissenschaftlicher Literatur über das Internet. Ziel ist die möglichst weite inhaltliche Verbreitung wissenschaftlichen Wissens, unterschiedliche Lizenzmodelle können auch eine weitergehende Nutzung spezifischer Daten wie Primärdaten erlauben. Auch die OeAD-GmbH hat sich Open Access verschrieben und bietet ihre Publikationen auf issuu an. https://issuu.com/search?q=oead

Industrie 4.0 Der Begriff Industrie 4.0 für »die vierte industrielle Revolution« geht auf ein Projekt der deutschen Bundesregierung zurück und bezeichnet die wachsende Vernetzung, Automatisierung und Optimierung moderner Produktionsverfahren. Die dafür nötige Infrastruktur wird als Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) bezeichnet, ein Zusammenspiel von Informations- und Kommunikationstechnologien, das die Bereitstellung und Verknüpfung von Informationen ermöglichen bzw. erleichtern soll. Je nach Ausstattung und Bedarf sind solche »smarten Objekte« auch netzwerkfähig und erfassen, speichern und leiten Daten weiter; fortgeschrittene Systeme können selbstständig Informationen verarbeiten, Entscheidungen treffen und ihre Umwelt beeinflussen. Kritiker/innen monieren (neben dem zunehmenden Stromverbrauch) vor allem Probleme in den Bereichen Privatsphäre, Datenschutz und -sicherheit und bemängeln den »gläsernen Menschen«.

© iStock | Brian Jacksol

It is estimated that »65 percent of children entering primary school today will ultimately end up working in completely new job types that don’t yet exist«.


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Ursula Maier-Rabler

Digitalisierung und Bildung Digitalisierung ist kein ausschließlich technisches Phänomen, sondern ein zutiefst soziokulturelles.

Ass.-Prof. Dr. Ursula MaierRabler ist stellvertrende Leiterin der Abteilung Center for Information and Communication Technologies & Society an der Universität Salzburg.

Die Digitalisierung stellt einen der zentralsten gesellschaftlichen Metatrends dar, der alle Bereiche unserer Gesellschaft erfasst hat. Somit ist die Digitalisierung kein ausschließlich technisches Phänomen, sondern ein zutiefst soziokulturelles. Die Bildungspolitik muss daher verstärkt auf die Veränderung der herrschenden Bildungskultur hinarbeiten, die nach wie vor an linearen, kollektiven und antwortfixierten Praktiken orientiert ist. Wir erleben die fortschreitende Individualisierung als dominierendes Konzept in der digitalen Gesellschaft. Alte Kollektive (Vereine, Parteien, Kirchen etc.) verlieren an Bedeutung und die Individuen befinden sich im Stress ständiger Selbstoptimierung und dem Zwang zum Identitätsmanagement. Vor allem für Kinder und Jugendliche würde eine Reflexion im Unterricht zu mehr Gelassenheit und Resilienz gegenüber den negativen Begleiterscheinungen wie Cybermobbing und Bullying bringen. Individualisierung bedeutet jedoch auch eine Abkehr von der One-Size-Fits-All-Mentalität, auch in der Bildung. Digitalisierung erlaubt es erstmals, mit maßgeschneiderten Lerninhalten und Bildungszielen auf unterschiedliche Voraussetzungen bei den Lernenden einzugehen und bessere Lernerfolge zu verzeichnen. Und drittens bedeutet Individualisierung im Bildungskontext auch individualisierte Bildungsbiografien. Die traditionelle Abfolge von Pflichtschule – Lehre bzw. Matura – Studium – Beruf wird von einem Mix aus formalen und informellen Bildungsbausteinen, mit Auszeiten wie Sabbaticals und einem Wechsel zwischen Berufs- und Bildungserfahrungen, abgelöst. »Abschlüsse« – alleine der Begriff klingt in Kontext digitaler Netzwerke widersinnig – verlieren an Bedeutung und müssen immer wieder aktualisiert bzw. ergänzt werden. Neben der Individualisierung gilt das Vernetzungsprinzip als ein weiteres dominierendes Charakteristikum der Digitalisierung. Einschlägige

Autor/innen sprechen von »Networked Individualism« und bringen dabei zum Ausdruck, dass isolierte Individuen (aber auch Institutionen, Organisationen, Unternehmen) in der digitalen Gesellschaft kaum überlebensfähig sind. Das Teilen und Nehmen von Informationen (Sharing) zur Veredelung von Information zu Wissen ist die Grundformel für die vorherrschende informationelle Ökonomie. Wirtschaftlicher Erfolg in der digitalen Ökonomie ist also durch die Fähigkeit begründet, aus Informationen Wissen zu generieren. Dazu bedarf es Menschen, die Informationen nicht einfach glauben, sondern kritisch hinterfragen und Gegebenes nicht als unabänderlich betrachten. Durch die Kompetenz zur Vernetzung widersprüchlicher Informationen über geografische und kulturelle Grenzen hinweg entsteht Innovation – die Triebfeder der digitalen Ökonomie. Teamarbeit statt isolierter Leistungsbeurteilung, institutionenübergreifende und projektbasierte Bildung zwischen Schule, Unternehmen, Kultur, Universitäten, Sport, Alltagswelt etc. bereiten auf diese Herausforderungen vor. Von einer antwortfixierten zu einer fragenorientierten Schule Schule und Bildung sind immer noch vom vergangenen Zeitalter der Informationsknappheit mehr geprägt als vom aktuellen Zeitalter der Überfülle. Die antwortfixierte Schule muss einer fragenorientierten Bildung weichen. Man könnte diese Entwicklung auch als Paradigmenwechsel in der Bildung bezeichnen. Vom »Was muss ich wissen?« zum »Was muss ich nicht wissen?«, im Sinne einer individualisierten und problemzentrierten Bildung. Dieses Empowerment der Lernenden spielt auch im Hinblick auf weitere Phänomene der Digitalisierung eine wichtige Rolle, nämlich jenen der Konnektivität, Mobilität, Beschleunigung und Globalisierung. Obwohl alle


© Susanne Reisenberger-Wolf

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Phänomene eine eigene Dynamik aufweisen, werde ich sie hier auf das Phänomen der Dauererreichbarkeit bzw. des »always on« reduzieren. Die Tatsache, dass wir mit unseren mobilen Geräten permanent online sein können und es in der Regel auch sind, verlangt nach Kompetenzen, um mit dieser zeitlichen und räumlichen Entgrenzung umzugehen. Digitale Resilienz Digitale Bildung bedeutet also eine ganze Menge nicht-technisches Erfahrungswissen, welches auf der Basis von individuellem Empowerment entsteht. Ich möchte es hier als digitale Resilienz bezeichnen. Wobei der Begriff Resilienz in diesem Zusammenhang nicht als die passive Befähigung etwas auszuhalten, etwas zu ertragen und zu überleben verstanden werden darf, sondern Resilienz im Sinne einer aktiven Kraft aus Chancen, etwas für sich zu machen und potenzielle Risiken zu minimieren. Noch niemals zuvor hat es so viel Zugang zu Information und Wissen gegeben wie im Zeitalter der Digitalisierung. Die Bildung muss neue inklusive Zugänge schaffen, die individuelle, räumliche, zeitliche und kulturelle Begrenzungen aufbrechen und auch die Grenzen zwischen formalen und informellen Angeboten überwinden, ja, miteinander integrieren. Noch nie konnten sich so viele Menschen beteiligen, mitmachen, Informationen miteinander teilen und sich in neuen Kollektiven organisieren. Dennoch gefährden Filterblasen und individuelle Isolierung unsere Demokratie. Partizipation muss gelernt sein und funktioniert nicht von selbst. Partizipatives Lernen, die Wertschätzung gegenüber anderen Meinungen und Ideen sind wertvolle Bildungsziele und sind insbesondere im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung unverzichtbar. Schüler/innen, die partizipatives Lernen erfahren haben, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, auch

als Erwachsene engagiertere Bürger/innen zu werden. Zeitliche und räumliche Flexibilität sowie neue Arbeits- und Produktionsformen sind die Voraussetzungen für die digitale oder informationelle Ökonomie. Unsere nach wie vor vorwiegend an der maria-theresianischen Kasernenarchitektur orientierten Schulgebäude bilden sehr gut die Anforderungen einer hierarchisch geprägten industriellen Gesellschaft ab. Hier lernen wir, zu bestimmten Zeiten an einem klar definierten Ort vorgegebene Aufgaben zu erledigen. Die zukünftigen Gestalter/ innen der digitalen Netzwerkgesellschaft brauchen jedoch andere Erfahrungen, die nur aus projekt­ orientierter Teamarbeit mit flexiblen Zeit- und Raumstrukturen entstehen können. Wir wissen, dass auch die Digitalisierung klaren ökonomischen Prinzipien folgt und dass Daten das neue Gold oder besser das neue Öl der digitalen Ökonomie sind. Wissen über die Entstehung der Daten, kritische Einschätzungskompetenz, ethische Verantwortung und Wissen über das Potenzial von Kontrolle und Überwachung in digitalen Netzwerken sind eine Grundvoraussetzung, damit wir in Kombination mit obigen Kompetenzen besser mit Roboterjournalismus (z. B. Social Bots) und Social-Media-Plattformen umgehen können. Deshalb stellen für mich Programmierkenntnisse keine Geheimwissenschaft für Informatiker/innen dar, sondern gelten als vierte Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen und sollten bereits im Kindergarten und in der Volksschule als CodingSpiele u. ä. vermittelt werden. Wir leben bereits mitten in der digitalen Gesellschaft und es ist daher geboten, diese Bildungsziele nicht nur flächendeckend in den formalen Bildungsinstitutionen vom Kindergarten bis zur Universität umzusetzen, sondern auch in Firmen, Behörden und Organisationen sowie in sämtlichen Bildungsinstitutionen.

Wir wissen, dass auch die Digitalisierung klaren ökonomischen Prinzipien folgt und dass Daten das neue Gold oder besser das neue Öl der digitalen Ökonomie sind.


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Jörg Dräger

Für jeden das Passende Wenn wir digitale Werkzeuge im Unterricht richtig nutzen, bleibt mehr Zeit für das Wesentliche: individuelle Förderung und Persönlichkeitsbildung.

Dr. Jörg Dräger ist seit 2008 Bildungsexperte im Vorstand der Bertelsmann Stiftung und verantwortet dort die Bereiche Bildung und Integration. Weiters ist er Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Zuvor war der promovierte Physiker Wissenschaftssenator in Hamburg. Im September 2015 ist Drägers Buch »Die digitale Bildungsrevolution« erschienen.

© pokemon | Pixabay

Vor allem Kinder aus bildungsferneren Familien brauchen Unterstützung von ihrer Schule, damit sie moderne Medien nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zum Lernen nutzen.

In einem riesigen Raum der New Yorker David-A.Boody-Schule lernen etwa 90 Schüler/innen jahrgangsübergreifend Mathematik an wechselnden Stationen. Die einen schauen Videos, die anderen nutzen Lernsoftware, andere arbeiten in Gruppen oder sprechen mit dem/der Lehrer/in. Alle Schüler/innen können in ihrer Lerngeschwindigkeit und auf ihrem Leistungsniveau arbeiten. Basierend auf den Leistungen errechnet eine Software nachts ein individuelles Curriculum für jede/n Schüler/in. Ein Schüler kommt morgens in die Schule und sieht auf dem Bildschirm: »Aha, ich muss an Station Sieben noch Bruchrechnen wiederholen«, während andere Schüler/innen der Klasse schon an ganz anderen Lektionen arbeiten. Kommt eine/r der Schüler/innen mit dem Lernprogramm nicht weiter, erhält der/ die Lehrer/in automatisch einen Hinweis und kann gezielt helfen. Das geht nicht für alle Schüler/innen gleichzeitig, aber für diejenigen, die gerade Hilfe nötig haben. Lehrer/innen werden so zu Lernbegleiter/innen. Sie verwenden weniger Zeit darauf, Standardwissen zu vermitteln, und mehr, um auf den Einzelnen einzugehen. Die David-A.-BoodySchule ist Teil der Initiative »New Classrooms« in den USA. Unterschiedliche Talente, Kenntnisse und Erfahrungen – so verschieden wie der Mensch ist, so individuell lernt er auch. Die heutigen Bildungssysteme können darauf aber zu wenig Rücksicht nehmen. Egal ob Schule, Hochschule oder Weiterbildung: Alles ist weitgehend standardisiert und vereinheitlicht. Diese Standardisierung ist Konsequenz und Preis einer der größten Errungenschaften unserer Gesellschaft – des Bildungszugangs für alle. Bis Wilhelm von Humboldt die Bildung demokratisierte, ließen Adel und wohlhabende Bürger/innen ihre Kinder von Privatlehrer/innen erziehen, der Rest der Gesellschaft blieb unwissend. Die einen lernten somit äußerst personalisiert, die anderen gar nicht. Humboldt wollte mehr Gerechtigkeit: Das Modell Privat-

lehrer/in ließ sich aber nicht für alle verwirklichen, weder gab es dazu genug Pädagog/innen, noch war das auch nur ansatzweise finanzierbar. So entstand unser allgemeines Schulwesen. Die Schulpflicht führte jedoch zwangsläufig zu einer Vereinheitlichung der Inhalte, Lernwege und Vermittlung. Aus der einst persönlichen Förderung für wenige durch Privatlehrer/innen wurde notgedrungen eine Massenbildung für alle. Damit die damit einhergehende Heterogenität der Lerngruppen nicht zum Problem wird, will die moderne Pädagogik individueller fördern: Jede/r Schüler/in bekommt einen persönlichen Lernplan mit zugeschnittenen Aufgaben. Das allerdings ist sehr aufwendig und geht meist einher mit Forderungen nach mehr Personal und kleineren Klassen. Entsprechend langsam setzt sich die individuelle Förderung in der analogen Welt durch. Deswegen individualisieren Eltern das Lernen ihrer Kinder oft auf eigene Faust mit Nachhilfe, privaten Lernangeboten am Nachmittag, Sprachurlauben oder dem Internatsbesuch. Während sich die einen so ein besseres, persönlich zugeschnittenes Angebot verschaffen, bekommen andere weiterhin Bildung von der Stange. Doch jetzt können digitale Hilfsmittel allen Schüler/innen personalisiertes Lernen ermöglichen. Weniger Wissensvermittlung Das Konzept »New Classrooms« verbessert die Chancen von Schüler/innen, wie an der David-A.Boody-Schule, wo 80 Prozent aus sozial schwachen Familien kommen. Bevor dort das Konzept Einzug gehalten hatte, lag die Leistung der Sechstklässler/ innen knapp unter dem Durchschnitt vergleichbarer Schulen. Als dieselben Kinder die achte Jahrgangsstufe absolvierten, waren ihre Prüfungsergebnisse bereits elf Prozent besser als der Durchschnitt. Heute lernen die Schüler/innen von »New Classrooms« beinahe anderthalbmal so viel pro Jahr wie Schüler/-


9 Digitalisierung in der Bildung

© Arne Weychardt

Jörg Dräger: »Wie können wir Kinder und junge Menschen dazu bringen, moderne Medien nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zum Lernen zu nutzen?«

innen im nationalen Mittel. Das gelingt durch den zielgerichteten Einsatz digitaler Werkzeuge als Hilfsmittel für ein pädagogisches Konzept, das sich an einzelnen Schüler/innen orientiert. Lehrer/innen mehr Zeit verschaffen Denn genau dafür haben Lehrer/innen heute in der Regel wenig Möglichkeiten: In typischen Unterrichtssituationen kümmert sich eine Lehrperson etwa 20 Prozent der Zeit um das einzelne Kind und steht zu 80 Prozent vor der Klasse und vermittelt Standardwissen, während die Schüler/innen meist schweigen und zuhören. Schweigen und zuhören kann man auch, wenn man sich ein gutes Lernvideo vor dem Unterricht ansieht. Dann ließe sich diese 20/80-Teilung in ein 80/20-Verhältnis umdrehen. Die Lehrer/innen würden sich im Klassenzimmer überwiegend um ihre Schüler/innen kümmern, sie individuell beim Lernen und ihrer persönlichen Entwicklung begleiten. Die Erklärung von Standardwissen überließen sie öfter anderen Medien wie Lernvideos oder einer Software – das sogenannte Flipped-Classroom-Konzept. Abseits von wenigen Pilotschulen werden digitale Mittel in deutschen Klassenzimmern bisher kaum genutzt. Das Gefühl der Dringlichkeit fehlt. Die Lehrer/innen kämpfen zwar mit mangelnder Disziplin und Konzentration der Schüler/innen, mit großen und immer heterogeneren Klassen, mit Inklusion, Personalmangel und schlechter Betreuung; sie klagen über zeitfressende Verwaltungsaufgaben und wünschen sich mehr Raum für individuelle Förderung. Doch die Erkenntnis, dass digitales Lernen keine zusätzliche Belastung, sondern ein Teil der Lösung ist, hat sich noch nicht durchgesetzt. Diese Zurückhaltung ist keine angemessene Antwort auf die Herausforderungen. Schon heute funktionieren Kommunikation, alltäglicher Wissenserwerb und Arbeit nicht mehr ohne Smart-

phones und Tablets. Kinder und Jugendliche wachsen wie selbstverständlich damit auf. Doch der Kontrast zwischen ihrer digitalen Lebenswirklichkeit und dem analogen Schulkosmos ist riesig. Schulen, die ihrem Bildungsauftrag gerecht werden wollen, können die digitale Dynamik um sie herum nicht länger ignorieren. Andernfalls riskieren sie eine soziale Spaltung. Gebildete Eltern wissen Nützliches und Schädliches besser zu sortieren, versorgen ihren Nachwuchs eher mit sinnvollen digitalen Lernmaterialien als mit unsinnigen Spielen. Gerade Kinder aus bildungsferneren Familien brauchen Unterstützung von ihrer Schule. Dass die Digitalisierung gerade Kindern helfen kann, die bisher wenig Zugang zu Bildung hatten, helfen kann, zeigt das Beispiel von Khadija Niazi: Mit zwölf Jahren absolvierte das Mädchen aus dem pakistanischen Lahore einen Einführungskurs in künstliche Intelligenz an der Stanford University – kostenfrei über das Internet. 2013 sprach sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos über die Möglichkeiten, die digitales Lernen Schüler/innen weltweit eröffnet – vorausgesetzt, sie haben einen Computer, schnelles Internet und viel Durchhaltevermögen. Richtig genutzt ermöglichen digitale Werkzeuge einen Unterricht, der jeder/jedem das Richtige und nicht allen das Gleiche bietet – egal ob in Lahore, New York oder in Frankfurt, egal ob Mathe-Genie oder mit Deutsch-Förderbedarf. Eine Lehrerin, die Lernsoftware einsetzt, bringt es auf den Punkt: »Seitdem ich digitale Medien nutze, muss ich nicht mehr Standardwissen vermitteln, sondern kann Kinder unterrichten.« Die Digitalisierung gibt allen Beteiligten mehr Zeit fürs Wesentliche – ein Allheilmittel ist sie nicht. Natürlich können siebenminütige Lernvideos keine Persönlichkeitsbildung ersetzen und Computertechnik nicht die Bindung zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen. Was sie jedoch können: Freiräume genau dafür schaffen.

Es geht darum, jeder Schülerin und jedem Schüler das Richtige und nicht allen das Gleiche zu bieten.


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Martin Bauer

Der digitale Mehrwert in der Schule 4.0

»Schule 4.0« ist ein ganzheitliches Konzept, das die gesamte Schullaufbahn umfasst.

Mag. Martin Bauer, MSc ist Leiter der Abteilung II/8 (IT-Didaktik und Medien) im Bundesministerium für Bildung.

© BKA - Bundespressedienst | Regina Aigner

Informatik und digitale Bildung sind in der NMSi Feuerbachstraße besonders wichtig.

Die Welt, in der wir leben, die Art, wie wir arbeiten, unsere Freizeit gestalten, miteinander kommunizieren und uns informieren, ändern sich rasant. Neue Technologien überholen sich innerhalb kürzester Zeit. Welche Innovationen bereits in zehn Jahren Teil unseres Alltags sind, ist heute kaum abzuschätzen. Wie bereiten wir uns als Gesellschaft darauf vor? Welche Fähigkeiten, welches Wissen erfordert die Arbeitswelt von morgen? Eines steht fest: Die Zukunft ist digital. Um sie mitgestalten zu können, sind nicht nur Innovation und Kreativität wichtig, sondern auch technisches Know-how. Aufgabe der Schule ist es, unseren Kindern und Jugendlichen das nötige Werkzeug in die Hand zu geben, um auf die zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen vorbereitet zu sein. »Unser gemeinsames Ziel ist es, die digitale Kluft zu schließen und allen Menschen die Chance zu geben, an der Digitalisierung teilzunehmen – unabhängig vom Geldbörsel«, so Bildungs-

ministerin Sonja Hammerschmid anlässlich der Vorstellung der OECD-Digitalisierungsstudie am 20. Juli 2017. »Schule 4.0« ist ein ganzheitliches Konzept, das die gesamte Schullaufbahn umfasst − von der Volksschule bis zur Reife- und Diplomprüfung. Mit der Umsetzung der Strategie erhalten die Schüler/innen in Österreich digitale Grundbildung und lernen, sich kritisch mit digitalen Inhalten auseinanderzusetzen. Pädagog/innen werden außerdem in digitalen Kompetenzen weitergebildet und der Aufbau von Netzwerk-Infrastruktur und IT-Ausstattung wird gefördert – Stichwort Breitbandoffensive und Laptops/Tablets für Österreichs Schüler/innen. Die vierte Säule im »Schule 4.0«-Konzept sind digitale Lerntools, die über eine Eduthek kostenfrei und einfach zugänglich gemacht werden. Mit der Digitalisierungsstrategie »Schule 4.0 – jetzt wird's digital« legt das Bundesministerium für Bildung ein umfassendes Konzept vor, das die gesamte Schullaufbahn umfasst. Mit der Umsetzung der Strategie erwerben alle Schüler/innen in Österreich digitale Kompetenzen und lernen, sich kritisch mit digitalen Inhalten auseinanderzusetzen. Dabei geht es um ein breites Portfolio an Kompetenzen: von Medienkompetenz und kritischen Umgang mit Informationen und Daten über Sicherheit im Netz bis hin zu Wissen über Technik, Coding und Problemlösung. Vermittlung digitaler und informatischer Kompetenzen Im Rahmen der digitalen Grundbildung werden Schüler/innen alle notwendigen Kompetenzen vermittelt, um Technologien bewusst, produktiv und reflektiert für die eigene Weiterentwicklung einzusetzen oder in entsprechenden zukunftsträchtigen Berufsfeldern Fuß zu fassen. Hierbei ergänzen einander digitale Kompetenz, Medien-


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© BKA – Bundespressedienst | Regina Aigner

Digitalisierung in der Bildung

Bundesministerin Sonja Hammerschmid besucht die NMSi (Neue Mittelschule mit Schwerpunkt Informatik) Feuerbachstraße in Wien 2.

kompetenz sowie informatische Kompetenzen. In der Sekundarstufe 1 wird die verbindliche Übung »Digitale Grundbildung« eingeführt. 178 Schulen pilotieren das neue Fach im Schuljahr 2017/18, ab 2018/19 erfolgt die flächendeckende Umsetzung an allen NMS und AHS-Unterstufen. Überblick über geplante Lehrinhalte: ÆÆ Gesellschaftliche Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung Digitalisierung im Alltag, Chancen und Grenzen der Digitalisierung, geschichtliche Entwicklung, Gesundheit und Wohlbefinden ÆÆ Informations-, Daten- und Medienkompetenz Suchen und finden, vergleichen und bewerten, organisieren, teilen ÆÆ Office-Anwendungen Grundlagen des Betriebssystems, Textverarbeitung, Präsentationssoftware, Tabellenkalkulation ÆÆ Mediengestaltung Digitale Medien rezipieren, produzieren und Inhalte weiterentwickeln ÆÆ Digitale Kommunikation und Social Media Interagieren und kommunizieren, an der Gesellschaft teilhaben, digitale Identitäten gestalten, zusammenarbeiten ÆÆ Sicherheit Geräte und Inhalte, persönliche Daten und Privatsphäre schützen ÆÆ Technische Problemlösung Technische Bedürfnisse und entsprechende Möglichkeiten identifizieren, digitale Geräte nutzen, technische Probleme lösen ÆÆ Computational Thinking Mit Algorithmen arbeiten, einfache Programme erstellen, kreative Nutzung von Programmiersprachen Als begleitende Maßnahmen zur Umsetzung der verbindlichen Übung sind mehrstufige Kompe-

tenzüberprüfungen (digi.check 8) zur Selbstüberprüfung für Schüler/innen sowie zur Überprüfung der Lehrzielerreichung geplant. Dazu gibt es ergänzend Angebote von Unterrichtsmaterial (Schulbuch) und Beispielsammlungen (OER) sowie von Fortbildungen für Pädagog/innen (PHen, Virtuelle PH) und von virtuellen Online-Lehrveranstaltungen (MOOCs). Digitale Schulentwicklung unter dem Dach von eEducation Austria Die Schule-4.0-Initiative »eEducation Austria« des Bundesministeriums für Bildung verfolgt das Ziel, digitale und informatische Kompetenzen für Schüler/innen und Lehrer/innen in alle Klassenzimmer Österreichs zu tragen. Schulen, die sich der Wichtigkeit des Themas aktiv annehmen wollen, den Unterricht sowie den Schulstandort »digi-fit« zu machen, sind herzlich eingeladen, Mitglied von »eEducation Austria« zu werden. Im Schuljahr 2016/17 hat sich das eEducation-Netzwerk auf über 1.600 teilnehmende Schulen erweitert. Lehrende benachbarter ExpertSchulen sowie Mitarbeiter/innen des Bundeszentrums »eEducation Austria« an der PH OÖ und Bundeslandbetreuer/innen begleiten mit Fortbildungsmaßnahmen, individueller Entwicklungsberatung und passenden Materialien den digitalen Schulentwicklungsprozess. Im Mittelpunkt der Aktivitäten von »eEducation Austria« steht der didaktisch sinnvolle Einsatz digitaler Medien – mit Maß und Ziel – in allen Gegenständen sowie die Steigerung der digitalen und informatischen Kompetenzen von Schüler/innen. Es geht um Einsatzszenarien, die einen Mehrwert für das Lernen und Lehren generieren bzw. die Schüler/innen darauf vorbereiten, digitale Technologien am Arbeitsplatz kompetent zu benutzen.

Mit der Umsetzung der Strategie erwerben alle Schüler/innen in Österreich digitale Kompetenzen und lernen, sich kritisch mit digitalen Inhalten auseinanderzusetzen.

Weitere Informationen: www.bmb.gv.at/schulen/schule40 www.eEducation.at www.digikomp.at


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Alexander Kohler

Digitale Kompetenzen in der hochschulischen Lehre

2017 wurde der »Ars Docendi – Staatspreis für exzellente Lehre« erstmals in der Kategorie »Digitale Lehre« vergeben.

Mag. Alexander Kohler ist Mitarbeiter im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und dort dort koordinierend für die PädagogInnenbildung NEU und Leistungsvereinbarungen zuständig.

Die Zukunftsfähigkeit unserer Bildungssysteme wird maßgeblich durch die Chancen mitbestimmt, welche die digitalen Medien in der Lehre und der Forschung eröffnen, ebenso wie dem nachhaltigen Erwerb digitaler Kompetenzen. Im Bewusstsein um diese Herausforderungen wird auf hochschulpolitischer Ebene ebenso wie seitens der einzelnen Hochschulen in Europa eine Vielzahl von Strategien und Maßnahmen umgesetzt. Die Europäische Kommission weist in ihrer jüngsten Mitteilung über eine europäische Modernisierungsagenda für die Hochschulbildung (Mai 2017) auf ein Missverhältnis zwischen erforderlichen und vorhandenen Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung hin. Studierende sollten, ungeachtet ihrer Fachdisziplin, über hohe digitale Kompetenzen verfügen. Um solche Kompetenzen zu beschreiben und zu bewerten, wurde auf europäischer Ebene ein »Digital Competence Framework for Citizens«1 entwickelt, das fünf Kompetenzfelder (information and data literacy, communication and collaboration, digital content creation, safety, problem solving) unterscheidet. Der Kompetenzrahmen findet bereits Einsatz in nationalen Bildungssystemen2, etwa für die Kompetenzbeurteilung und -zertifizierung (z. B. Frankreich) oder

als Referenzrahmen in der Lehrer/innenbildung (z. B. Norwegen, Spanien). Zur Sichtbarmachung digitaler Kompetenzen wurde außerdem der europäische Lebenslauf Europass um die genannten Kategorien ergänzt. In ihrer Mitteilung sieht die Kommission zudem Nachholbedarf bei der Nutzung offener Bildungsressourcen (Open Educational Resources, OER) und stellt Unterstützung in Form eines Digitial-Readiness-Modells für Hochschulen und eines digitalen Schwerpunkts in Erasmus+ Studierendenpraktika in Aussicht. Viele europäische Staaten haben bereits nationale Strategien und Initiativen entwickelt. In Deutschland begleitet beispielsweise das »Hochschulforum Digitalisierung« die Hochschulen bei der Strategieentwicklung und -umsetzung, unterstützt die Kompetenzentwicklung von Lehrenden und erarbeitete Empfehlungen u. a. zur Curriculumsentwicklung im Kontext der digitalen Lehre. Handreichungen und Qualifizierungsangebote werden auch in den Erasmus+ Projekten »D-Transform« und »Effect« entwickelt und angeboten. Mit dem Forum Neue Medien (fnm) verfügen die österreichischen Hochschulen über eine Interessensvertretung und ein Netzwerk, in dem Informations- und Erfahrungsaustausch unterstützt

Weitere Informationen: www.fnm-austria.at

Die Preisträger/innen des »Ars Docendi − Staatspreis für exzellente Lehre an den öffentlichen Universitäten Österreichs« 2017. Die feierliche Preisverleihung fand am 26. Juni 2017 in der Aula der Wissenschaften in Wien statt.

© BMWFW/Martin Lusser

1 http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC106281/web-digcomp2.1pdf_ (online).pdf 2 http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId= 15688&langId=en


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und Projekte finanziell gefördert werden. Das fnm hat ein mehrstufiges Verfahren zur Zertifizierung von Hochschullehrenden und Hochschulen beim Einsatz von OER entwickelt, das ab 2018 operativ umgesetzt wird. Im Juli 2017 wurde der Ars Docendi – Staatspreis für exzellente Lehre in der Kategorie »Digitale Lehre« an Dagmar Archan (Fachhochschule Campus 02, Graz) verliehen, die mit dem Lehrprojekt »Technical English« traditionelle Lehrformen mit digitalen Methoden auf höchst gewinnbringende Weise verbindet und das Inverted Classroom Konzept ideal umsetzt. Anerkennungspreise in dieser Kategorie erhielten Stefan Oppl von der Universität Linz und Gregor Reautschnig von der FH Campus 02, Graz. Viele weitere Beispiele finden sich auf der Webseite www.gutelehre.at. Dem Einsatz digitaler Technologien und Kulturtechniken an den österreichischen Universitäten misst das BMWFW im Rahmen der kommenden Leistungsvereinbarungsperiode 2019–2021 große Bedeutung bei. Daher werden die Universitäten dazu aufgefordert sein, eigene Digitalisierungsstrategien für Lehre, Forschung und Verwaltung zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln. oead.news im Gespräch mit Dagmar Archan, Preisträgerin des Ars Docendi für »Digitale Lehre«

oead.news: Frau Archan, Sie haben in der Kategorie »Digitale Lehr- und Lernelemente in Verbindung mit traditionellen Vermittlungsformen« für Ihr BlendedLearning-Konzept den Staatspreis Ars Docendi 2017 gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Wie dürfen wir uns Ihre Lehre vorstellen? Dagmar Archan: Vielen Dank! Es ist mir ein Anliegen, das Interesse der Studierenden für mein Fach zu wecken und einen Bezug zwischen den Lehrinhalten und den Lebenswelten der Studierenden herzustellen. Der Einsatz von authentischen, online verfügbaren Materialien erleichtert dies, weil die Studierenden sich mit Themenbereichen aus-

© FH Campus 02 | Daniel Gossmann

MMag.a Dagmar Archan ist seit 2007 an der FH Campus 02 als Fremdsprachenkoordinatorin und Lektorin tätig. Ihre Lehrveranstaltung »Technical English I« wurde mit dem ersten Lehrpreis der FH Campus 02 zum inhaltlichen Schwerpunkt »Moderne Technologien sinnvoll einsetzen – Lernergebnisse verbessern« sowie dem Ars Docendi in der Kategorie »Digitale Lehr- und Lernelemente in Verbindung mit traditionellen Vermittlungsformen« ausgezeichnet.

einandersetzen können, die für sie relevant sind. Die Online-Phasen unterstützen mich außerdem bei meinem Bestreben, individuelles Feedback zu geben, zum Beispiel durch Screencasts. Nicht zuletzt versuche ich auch in den Präsenzeinheiten die Studierenden z. B. durch Online-Quizzes aus der Reserve zu locken. Insgesamt ist es wohl der Mix aus gut aufbereitetem Präsenzunterricht und didaktisch sinnvollem Einsatz digitaler Medien, der den Unterricht für Studierende und Lehrende spannend macht. oead.news: Bietet der Mix aus digitaler und Präsenzlehre tatsächlich mehr Flexibilität für Studierende? Gibt es einen Mehrwert für Studierende, die Hochschule und die Lehrenden? Dagmar Archan: Vor allem berufsbegleitend Studierende schätzen die Möglichkeit ortsunabhängigen und individualisierten Lernens; allerdings werden die E-Learning-Phasen subjektiv oft als Mehraufwand empfunden. Hier gilt es, Aufklärungsarbeit zu leisten. Für die Hochschule selbst ist die Planung von Kursen mit geringem Präsenzanteil aus organisatorischer Sicht einfacher. Was die Lektor/innen betrifft, so gilt, dass Onlinephasen meist nicht weniger, sondern tendenziell mehr Aufwand bedeuten, schließlich ist eine gute Vorbereitung und nicht zuletzt die Betreuung der Studierenden sehr zeitintensiv, aber auch durchaus lohnend. oead.news: Kann Ihr Lehrkonzept auch für andere Disziplinen angewendet werden? Wo sehen Sie Möglichkeiten und Grenzen? Dagmar Archan: Regelmäßiges Lernen in kleinen Dosen ist besonders im Sprachunterricht sinnvoll. Ich bin der Meinung, dass mein Konzept des Inverted Classrooms natürlich auch in anderen Fächern eingesetzt werden kann, allerdings müssen jene Inhalte, die von den Studierenden selbst erarbeitet werden, sorgsam gewählt werden und die Unterstützung des Lektors/der Lektorin in den E-Learning-Phasen muss gewährleistet sein.

»Digitalisierung ist längst Realität, in der die Hochschulen mit vielen Einzelinitiativen angekommen sind. Doch sind die Hochschulen heute noch ›digital immigrants‹. Wir müssen alles daran setzen, dass sie für die kommenden Studierenden-Generationen zu ›digital natives‹ werden.« Sektionschef Elmar Pichl, BMWFW


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Julie Anderson | Elena Tegovska

A renewed EU agenda for higher education in the digital age How can we help higher education institutions, their staff and students to implement digital learning strategies.

Elena Tegovska and Julie Anderson are currently working as Policy Officers in the European Commission's Higher Education unit in DG Education and Culture. Elena previously worked for the international relations office of a Brussels-based university. Julie worked for the Irish Department of Education and Skills, most recently as the Education and Skills Attaché in the Permanent Representation of Ireland to the EU, in which role she was Chair of the EU's Education Committee during the Irish EU Presidency and led the negotiations with the European Parliament and the Commission on Erasmus+.

On 30 May the European Commission published an education package1, which contains actions spanning from early childhood education and care to higher education. In higher education, this consists of a renewed EU agenda for higher education2, which sets out our strategic agenda for the coming years around four priorities and contains 20 follow-up actions to support higher education systems and institutions in reforming their higher education systems. Those priorities are: ÆÆ Tackling future skills mismatches and promoting excellence in skills development; ÆÆ Building inclusive and connected higher education systems; ÆÆ Ensuring higher education institutions contribute to innovation; and ÆÆ Supporting effective and efficient higher education systems. Digitalisation is a multifaceted issue that is relevant to all of the four key priorities and triggers several actions. The main objective is to address the challenge of digital transformation of education in the wider context of societal and economic change facing education systems in the digital age. In this respect the future of learning is going to be digital, with collaborative learning between students and focusing on data systems that are interoperable. So, what are we doing to support higher education institutions in this area? First, supporting teaching staff in their own competence development is vital. The Internet, mobile devices and other technologies are changing both how higher education is delivered and how students participate in it. This is bringing in1 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1401_en.htm 2 https://ec.europa.eu/education/sites/education/files/hecom-2017-247_en.pdf

novation to a sector where pedagogical training has traditionally been less valued than research output in academics' career development. In some cases digitalisation has spurred higher education institutions to develop specific training for staff delivering courses online, while in others it is happening alongside the mainstream pedagogical training. Through Erasmus+ we will provide support for higher education teachers, doctoral candidates and postdoctoral graduates to develop pedagogical and curriculum design skills, including in digital learning. Moreover, in cooperation with the Joint Research Centre, we are developing and testing a digital readiness model to help higher education institutions, their staff and students implement digital learning strategies and exploit the potential of technology. Work on this model, building on a model first developed by the European Institute of Innovation and Technology (EIT), will commence at the beginning of 2018. Second, achieving academic excellence and allowing most students to benefit from an international experience cannot be reached without a digital transformation. This means digitalising the entire mobility cycle by transferring cumbersome and paper-based workflows into more resource efficient processes. In the framework of the Erasmus+ programme this translates into having the management processes of Erasmus+ mobility digitalised – from student selection to recognition and diploma supplement. And this cannot be made from one day to another. We need all actors on board: higher education institutions, Erasmus+ National Agencies, student organisations and IT companies. Erasmus+ is currently supporting several projects such as Erasmus without Papers3,

3 www.erasmuswithoutpaper.eu/


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Online learning agreements4 and the European Student Card5, all going in this direction. The launch of the Erasmus+ Mobile App6 in 2017, designed for students, vocational learners and participants in youth exchanges, is a first step to making their Erasmus+ experience easier. It allows Erasmus+ participants to easily track their progress in the different administrative steps, share and vote for their preferred tips to help others integrate into the local community and improve their language skills via a direct link to the Erasmus+ Online Linguistic Support platform. Digital tools also offer great potential for improving access to higher education by under-represented groups and providing personalised, flexible learning paths. However, to date this social inclusion potential has not yet been met, with more people who already have degrees engaging in digital learning than people without. The European Commission will promote the development and testing of flexible and modular course design, with the objective of improving inclusion, permeability and flexibility within our higher education systems. Last but not least, in the framework of discussions on the future Erasmus+ programme, the digitalisation topic is very high on the agenda. Different options are currently being discussed: Providing support for a Europe-wide online learning hub ÆÆ For setting up of virtual classrooms as spaces where universities/companies/research centres from different countries could organise joint virtual interactive classrooms, allowing 4 https://learning-agreement.eu/start/ 5 http://europeanstudentcard.eu/fr/ 6 https://ec.europa.eu/programmes/erasmus-plus/video-gallery/ introducing-erasmus-app_en

groups of students, teachers and professionals to collaborate and interact with one another on specific topics and engage with resources in work groups. ÆÆ For providing a space where SMEs could submit their projects and universities/groups of students from various disciplines and countries could apply for working on them (using the virtual classroom) – or vice versa. ÆÆ For teachers to exchange best practices in innovative pedagogies. A call for proposals for a pilot project in this area is part of the 2018 work programme. Boosting blended learning (mix of short period abroad with virtual mobility): ÆÆ For better preparing students before they go on mobility (with intercultural classes, exchanges with alumni to demystify the fears before going abroad), for a better monitoring during the mobility and to keep a sustainable cooperation after the mobility. ÆÆ Or as a complement to a study programme allowing students to follow part of the course online before, during or after his/her physical mobility of a short period (less than two months). This could also be organised as part of a project with partners abroad, or as part of a project on enhancing the worked-based learning by making students work on specific projects proposed by enterprises. If you are you interested in sharing your ideas about this (or other) topics regarding the future of Erasmus+, join the Erasmus+ generation online meeting point7 and take part in the ongoing discussions to shape the new programme!

7 https://app.wetipp.com/erasmusplusgeneration/wall/

The future of learning is going to be digital.


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Bernhard Göschlberger

Social MicroLearning: Lernen außerhalb formaler Bildung Social MicroLearning versucht, in Zeiten des Social Web neue Formen informellen Lernens sichtbar zu machen. Bernhard Göschlberger ist seit September 2014 Doktorand für Technische Wissenschaften – Computer Science an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Er hat sowohl ein Masterstudium für Recht und Wirtschaft für Techniker an der JKU abgeschlossen als auch für Software Engineering an der Fachhochschule Oberösterreich, Campus Hagenberg. Göschlberger ist seit 2011 auch für die Research Studios Austria FG tätig, wo er unter anderem in dem von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützten Projekt »SOIL – Social Interactions in E-Learning« mitarbeitet. Göschlberger absolviert derzeit im Rahmen eines Marietta Blau-Studiums einen siebenmonatigen Aufenhtalt an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Weitere Infos unter www.goeschlberger.com

© Mikhail Fominykh

In unserem Kulturkreis wird der Begriff Bildung im Zuge von Bildungsdebatten regelmäßig auf Schule und Hochschule reduziert. Die Diskussion um die Digitalisierung der Bildung stellt hierbei keine Ausnahme dar. Das Für und Wider und die potenziellen Folgen der Nutzung von Tablets in Schulklassen, digitalen Schulbüchern und freien »Massive Open Online Courses« (sogenannten MOOCs) renommierter internationaler Universitäten stehen im Fokus der Aufmerksamkeit. Weder wird dies dem umfassenden Bildungsbegriff gerecht, der weit über Wissenserwerb hinausgeht, noch dem enger gefassten Begriff des Lernens. Schule, Universität und Weiterbildungseinrichtungen gehören jenem Bereich der Bildung an, den man unter dem Begriff formales Lernen zusammenfasst. Der überwiegende Teil menschlichen Lernens ist jedoch informell: Die Bandbreite reicht vom Lernen aus sozialer Interaktion über das Lernen aus Erfahrungen bis hin zum selbstgetriebenen Lernen. Letzteres findet oft spontan, aus einem unmittelbaren Bedürfnis nach einem bestimmten, in der aktuellen Situation benötigten Wissen statt. MicroLearning nutzt oftmals diesen Impuls und stellt Lernenden kleine, interaktive Lerninhalte (Wissens-Nuggets) zur Verfügung, die den akuten Wissensbedarf stillen, und koppelt diese Lernaktivität mit Mechanismen zur Festigung des Wissens im Langzeitgedächtnis. Diese Form des Lernens erfreut sich auch in Unternehmen als »Workplace Integrated MicroLearning«

wachsender Beliebtheit. Längst findet dort die digitale Transformation statt und digitale Lernformen erweitern und ergänzen das Bildungsangebot im Unternehmen. Lernende Communities Doch auch hierin lässt sich eine zu enge Sichtweise auf das Thema Lernen erkennen. Meist werden qualitätsgesicherte Inhalte von zentralen Stellen erstellt und Wissen hierarchisch von »oben« nach »unten« ausgerollt. Social MicroLearning folgt einem anderen Paradigma und stellt das Wissen aller in den Vordergrund. Anstelle klar verteilter Rollen von Lehrer/innen und Schüler/innen treten lernende Communities, die gemäß den eigenen Interessen voneinander lernen. Im Unternehmenskontext soll so ein integriertes Wissensmanagement gelingen, während im offenen globalen Einsatz sogenannte »Communities of Practice« frei Expertise und Wissen austauschen. George Siemens führt in seinem 2005 veröffentlichten Artikel »Connectivism: A Learning Theory for the Digital Age« dazu das Konzept des persönlichen Lernnetzwerks ein. Zentrale These dabei ist, dass menschliches Lernen in Netzwerken stattfindet: Menschen treten miteinander in Beziehung und Lernen voneinander. Meist geschieht dies über Artefakte (z. B. ein Buch oder einen Blog-Post), die als Mittler fungieren und Teil des Netzwerks sind (i. e. Akteur/in-Artefakt-Netzwerk). Social MicroLearning setzt interaktive Micro-Lerninhalte (z. B. Multiple-Choice-Quizfragen mit Erklärung) als Wissensartefakte ein. Lernende erstellen diese Inhalte, teilen sie oder suchen nach ihnen. Aus der Beobachtung der Interaktionen der Lernenden mit diesen Artefakten kann ein Teil ihres Lernnetzwerks modelliert werden. Social MicroLearning nutzt Bernhard Göschlberger ist als Forscher und Entwickler im MobileKnowledgeLab in Linz tätig.


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Migration − Integration − Bildung

dieses Netzwerk, um neue interessante und relevante Inhalte zu empfehlen – ein Mechanismus, den auch Facebook für seine Timeline nutzt. Anerkennung informellen Lernens Viele erfolgreiche Beispiele von Social Software und Community-Informationssystemen zeigen Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen für Social MicroLearning: So offenbaren etwa der rasante Erfolg der Web-2.0-Enzyklopädie Wikipedia und die rasante Verbreitung der zugrunde liegenden Wiki-Software als Wissensmanagement-Tool in Unternehmen das Potenzial; Problemfelder sind der Autor/innenschwund und die niedrige aktive Beteiligung. Ein jüngeres Beispiel, das insbesondere im Bereich der Software-Entwicklung zum Standardwerk avancierte, stellt »Stack Overflow« dar: Die soziale Frage-Antwort-Plattform nutzt konsequent sogenannte »Wisdom of the crowd«-Mechanismen für Qualitätssicherung von Fragen, Antworten und Kommentaren, belohnt Partizipation mit Reputationskapital, welches prominent unter dem Namen des/der Autor/in ausgewiesen wird. Stack Overflow schuf damit eine Währung, die branchenintern anerkannt und auf so manchem Lebenslauf ausgewiesen wird. Damit gelingt Stack Overflow in einer Branche teilweise, was OECD-Initiativen bisher nur als hehres Ziel zu definieren vermochten: die Anerkennung informellen Lernens. Social MicroLearning nutzt viele Konzepte sozialer Software, die auch Stack Overflow einsetzt, wie etwa die konsequente Qualitätssicherung durch Bewertung vieler, oder den Erwerb und die Sichtbarmachung von Reputationskapital sowie die semantische Kategorisierung durch Social Tagging (i. e. Folksonomy). Der wesentliche Unterschied von Social MicroLearning zu allen anderen Formen sozialer Wissensaustauschplattformen ist jedoch, dass interaktive Inhalte für Lernaktivitäten im Zentrum stehen. Dadurch sollen einerseits die drei Lernparadigmen

»monologisch« (Wissensakquisition), »dialogisch« (direkte soziale Interaktion) und »trialogisch« (kollaboratives Erstellen von Wissensartefakten) unterstützt werden, anderseits aber auch der Entwicklung des individuellen Lernenden von der Novizin/dem Novizen zum/zur Expertin Rechnung getragen werden. Diese Entwicklung führt, durch die Interaktion mit bestehenden Inhalten, von der Aneignung bestehenden Wissens zur Entwicklung neuen Wissens. Da dieses neue Wissen wiederum als Lernobjekt angelegt wird, entwickelt sich so auch das (erlernbare) Wissen der Community weiter. Während MicroLearning längst ein etabliertes, ausgereiftes Konzept ist, steht Social Micro Learning aktuell noch am Anfang und ist Gegenstand der Forschung. In meiner Dissertation beschäftige ich mich insbesondere mit den Herausforderungen, die mit wachsenden Nutzer/innenzahlen und der Zunahme der produzierten Inhalte einhergehen. Das entscheidende Erfolgskriterium dabei ist, Lernenden nur jene Informationen anzuzeigen, die für sie auch tatsächlich relevant, interessant und nützlich sind. Ziel ist es, diese Information aus den persönlichen Lernnetzwerken zu erschließen. Zur qualitativen Optimierung dieser Forschung ist die Zusammenarbeit mit internationalen Forscher/innen unerlässlich und so sei an dieser Stelle auch das Marietta Blau-Stipendium der OeADGmbH, finanziert aus Mitteln des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, dankend erwähnt, das mir aktuell vor Ort den Austausch mit Forscher/innen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen ermöglicht. Weiterführende Literatur: Latour, Bruno: »On recalling ANT.« The Sociological Review 47.S1 (1999): 15-25. Siemens, George: »Connectivism: A learning theory for the digital age.« (2014). Paavola and Hakkarainen: »The knowledge creation metaphor – An emergent epistemological approach to learning.« Science & Education 14.6 (2005): 535-557.

Die soziale Plattform »Stack Oberflow« nutzt konsequent »Wisdom of the crowd«Mechanismen für Qualitätssicherung von Fragen, Antworten und Kommentaren und belohnt Partizipation mit Reputationskapital.


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Felix Delattre

Digitale Karten, die verändern Mit OpenStreetMap entsteht eine interaktive und frei zugängliche globale Geodatenbank.

Die Inhalte von OpenStreetMap werden von den Nutzer/innen interaktiv erstellt.

Die OpenStreetMap

Für die Schülerinnen Taalaikul (15), Ulsana (16) und ihre Lehrerin Kaiyrgul aus dem entlegenen Dorf Jani-Talap, welches am Rande des Daches der Welt – am Himalaya in den Tien-Shan-Bergen in Kirgisistan – liegt, ist Wasser das zentrale Thema. Im Frühjahr wird die Gegend regelmäßig während der Schneeschmelze überschwemmt, aber schon nach wenigen Wochen ist das breite Flussbett, das am Rande des Dorfes vorbeiführt, für den Rest des Jahres ausgetrocknet. Das Umfeld des Dorfes erscheint im Sommer trocken und karg, im Winter verschneit. Die Bescheidenheit der Menschen, aber auch ihre Armut ist in dem Dorf zu spüren und zu sehen. Die Leute machen mit beeindruckender Geduld das Beste daraus und arbeiten gemeinsam an der Verbesserung der Lebensumstände in diesem fast vergessenen Dorf, das kaum auf irgendeiner Karte zu finden ist. Die neuen Medien und offene Kollaborationsformen über das Internet bergen viele Möglichkeiten, ehemals professionelle Aufgaben nun einfach selbst in die Hand zu nehmen. Das reicht von Citizen Science, also der Idee, dass jede Person wissenschaftliche Beiträge erbringen kann, über das gemeinsame Zusammentragen und Schreiben der größten, strukturierten Wissensansammlung der Welt – Wikipedia –, aber auch selbstgefilmten Videostars auf YouTube bis hin zur Erstellung einer genauen Weltkarte von inzwischen Millionen von Menschen aus allen Ländern dieser Erde.

© OpenStreetMap.org contributors

Felix Delattre ist Berater für digitale Medien und Geoinformationssysteme für Organisationen der Internationalen Zusammenarbeit. Sein Fokus liegt auf Innovation durch offene Daten, freie Software und Mitmach-Technologien. Zudem engagiert er sich im gemeinnützigen Verein Humanitarian OpenStreetMap-Team (hotosm.org) darum, Hilfskräften offene, geografische Daten im Katastrophenfall bereitzustellen. www.felix.delattre.de

Eine dieser Initiativen ist ein Citizen-Science-Projekt zum Thema Umweltpädagogik der University of Central Asia: Dort partizipieren Schüler/innen und Lehrer/innen aus zehn Dörfern in den Tien-ShanBergen, darunter auch die bereits erwähnten Schülerinnen aus Jani-Talap. Von Universitätslehrkräften und Student/innen lernen sie alles über Wasser, Umweltkreisläufe, die Messung von Wasserqualität, um es zu filtern und möglichst brauchbar zu machen. Natürlich drehen sich viele Fragen bei den analytischen Untersuchungen um das »Woher«, also die Herkunft des Wassers. Allerdings fehlten zum Bearbeiten dieser Fragestellung meist geografische Karten der betreffenden Dörfer und ihres Umfelds. Mit den offenen Kartentechnologien rund um das OpenStreetMap-Projekt (www.openstreetmap. org) konnten Taalaikul, Ulsana, Kaiyrgul und weitere dreißig Schüler/innen und Lehrer/innen selbst zu Geograf/innen werden und so die Basis für ihre wissenschaftlichen Untersuchungen schaffen – eine Karte ihres Dorfes. OpenStreetMap funktioniert ähnlich wie Wikipedia: Auch dort gibt es einen einfachen Editierknopf, welcher einen Karteneditor im InternetBrowser öffnet. Jede/r kann dort über ein Satellitenbild Straßen einzeichnen, Punkte hinzufügen und bekannte Informationen bereitstellen. Zudem gibt es eine Vielzahl von weiteren Möglichkeiten, vor Ort Daten aufzunehmen − auch ohne InternetVerbindung, sei es mit Papier und Stift oder Smartphones mit GPS-Ortungssystem. Für das Vorgebirge des Himalaya gab es nur wenige geografische Daten auf der offenen Weltkarte von OpenStreetMap. Zumindest aber waren die Hauptstraßen eingezeichnet, wenn auch ungenau. Brauchbare Satellitenbilder der einzelnen Dörfer zu bekommen war oft unmöglich. Mit einer guten Portion Spaß am Lernen setzten sich die Schüler/innen und Lehrer/innen mit der Thematik der Karten und den offenen technischen Werkzeugen rund


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© Felix Delattre

Digitalisierung in der Bildung

Im Rahmen des Citizen-Science-Projekts erstellen Schüler/innen aus Kirgisistan eine Karte ihres Dorfes am Himalaya.

Die Citizen Scientists in Kirgisistan erstellten so innerhalb weniger Tage eine detaillierte Karte ihres jeweiligen Dorfes. Damit gaben sie diese Informationen als offene Daten in die Wissensallmende der Menschheit. Alle Daten in OpenStreetMap sind für jede Person nicht nur zugänglich, es ist auch explizit erlaubt, sie herunterzuladen, weiterzuverwenden oder weitere Analysen, Karten oder Computerprogramme zu erstellen. Zudem gibt es bereits ein ganzes Ökosystem von mobilen Applikationen, Computerprogrammen, Programmbibliotheken und geografischen Informationssystemen – freie Software, die von allen ohne Diskriminierung oder Kosten verwendet werden kann. In den Tien-Shan-Bergen sind nun die geografischen Informationen dieser Dörfer zum ersten Mal auch in digitaler Form vorhanden und bieten dadurch zusammen mit der bereits existierenden Software weitreichende Anwendungsmöglichkeiten. Konkret konnten die Citizen-Science-Projekte anhand der erstellten Karten den Zugang zu sauberem Trinkwasser in Kirgisistan untersuchen: Woher kommt das Wasser? Welche Quellen sind akzeptabel? Wie weit muss man es tragen? Wer trägt es? Und welche Methoden werden angewendet, um es trinkbar zu machen?

Durch die Veröffentlichung auf OpenStreetMap ist auch sichergestellt, dass die Informationen weiterhin Kontinuität besitzen und immer von allen möglichen Personen aufgegriffen, angereichert und verbessert werden. So erhoffen sich die Bewohner/innen der Dörfer, den Tourismus zu stärken und die lokale Wirtschaft anzukurbeln. In der Hauptstadt Bischkek haben sich beispielsweise die Taxifahrer/innen zusammengetan und die bereits existierende Karte in OpenStreetMap verbessert, um sie nun per Smartphones selbst zu nutzen. So finden sie schwer auffindbare Adressen und können den Kund/innen einen besseren Service bieten. Die offenen Geoinformationen können der Forschung und der wirtschaftlichen Entwicklung dienen und jeder Person ermöglichen, zur Verbesserung des Umfelds beizutragen. In Extremfällen können sie sogar Leben retten: Das Humanitarian OpenStreetMapTeam ist eine weltweit agierende Nichtregierungsorganisation, die Kartendaten im Katastrophenfall generiert und diese Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder Ärzte ohne Grenzen zur Verfügung stellt. Besonders in den entlegenen und gefährdeten Gegenden unserer Erde sind aktuelle und detailreiche Karten rar. Gerade nach Naturkatastrophen wollen viele Freiwillige helfen, und über OpenStreetMap können so kollektiv, oft in wenigen Tagen, ganze Landstriche auf neuen Karten erfasst werden – was zur Rettung der Bevölkerung beitragen kann. Auch während der Ebolafieber-Epidemie 2014 in Westafrika wurden die freien Geodaten von tausenden Freiwilligen aufgenommen und somit die wahrscheinlich beste Karte der Region erzeugt. Diese wurde umfassend von den Hilfsorganisationen eingesetzt und hat direkt zum effektiven Arbeiten und dem Gelingen der Mission beigetragen. Dieser konstruktive Aspekt der Digitalisierung, also die Möglichkeit, mit neuen Technologien etwas zu erschaffen, was ohne diese nicht möglich gewesen wäre, bedeutet eine Demokratisierung von Wissen und Fähigkeiten. Das ist nur eine Zutat, um unsere Welt zu einer besseren werden zu lassen.

Bild 1: OpenStreetMaps können auch für GPS-Ortungssysteme genutzt werden. Bild 2: Im Citizen-Science-Projekt in Kirgisistan untersuchten Schüler/innen den Zugang zu sauberem Trinkwasser.

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um OpenStreetMap auseinander. Die analytischen Überlegungen und Lebenserfahrungen der Lehrer/innen vermengten sich auf wunderbare Weise mit der Faszination an Technik und einer unbändigen Neugierde und Lust nach Veränderung.


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Niina Maarit Novak | Valerie Weidinger

Digitalisierte Chancen Der Einsatz digitaler Materialien in der Bildung verbessert die Chancen von Roma-Kindern.

Niina Maarit Novak, MSc ist Universitätsassistentin am Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien. Sie hat Wirtschaftsinformatik sowie Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien studiert. Ihre aktuellen Forschungsthemen sind im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Informatik angesiedelt und umfassen: Semantic Web, Linked Data, E-Commerce, Innovation und Entwicklung. MMag. Valerie Weidinger ist Projektmitarbeiterin des Vereins »Offenes Lernen«. Sie hat Kultur- und Sozialanthropologie sowie Internationale Entwicklung an der Universität Wien studiert und ist international in der nonformalen Bildung für Jugendliche und Erwachsene tätig.

Im Rahmen des Erasmus+ Schulbildungsprojekts »Head in the Clouds: Digital Learning to Overcome School Failure« implementiert ein internationales Team von Partnern, koordiniert von der Technischen Universität Wien, ein Bildungsprojekt mit Kindern und Jugendlichen, die v. a. aus RomaGemeinden stammen. Das Projekt wird an drei Standorten in der Slowakei, Rumänien und im Kosovo durchgeführt. Durch den Einsatz der SOLEMethode (Self Organised Learning Environment), gestützt von digitalen Materialien und Zugängen, lassen sich Steigerungen in transversalen Kompetenzen, vor allem Digital Literacy, beobachten. In der heutigen Arbeitswelt, im sozialen Leben, im Zurechtfinden an einem neuen Ort, beim Erlernen einer neuen Sprache und in vielen anderen Bereichen, die zu einem erfolgreichen Leben beitragen, sind digitale Kompetenzen von zentraler Bedeutung. Ein kompetenter Umgang mit Smartphones, Computern, Tablets etc. und ein Verständnis derer Funktionen sowie ein selbstbewusstes und kompetentes »Bewegen« in der Online-Welt und in Programmen wie Microsoft Office sind daher unverzichtbar in der Überbrückung sozialer und ökonomischer Grenzen. Gerade Kinder und Jugendliche aus sozial ärmeren Gruppen, Familien mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge oder Angehörige einer Minderheit (wie Roma) stoßen häufig an diese Grenzen. Die digitalen Methoden und Inhalte des Bildungsprojekts »Head in the Clouds« sind gezielt ausgewählt worden, um diese Grenzen zu mindern. Die Teilnehmer/innen werden unterstützt, Kompetenzen zu entwickeln, die sie für Bildung und Arbeitswelt benötigen und die ihnen zu einem positiven Schulabschluss (oder auch höheren Bildungsweg) sowie zu wirtschaftlicher Stabilität aufgrund einer Arbeitsstelle verhelfen können. Roma – die größte Minderheit Europas Im Zuge des »EU Framework for National Roma Integration Strategies up to 2020« wurde das

Projekt »Head in the Clouds« speziell für Kinder und Jugendliche aus Roma-Bevölkerungsgruppen konzeptioniert. Roma repräsentieren Europas größte ethnische Minderheit (rund zehn bis zwölf Mio. Roma leben in Europa, davon rund sechs Mio. innerhalb der EU als EU-Bürger/innen). Trotz unterschiedlicher Strategien und Aktionspläne zur Verbesserung der Grundrechte und sozialen Integration von Roma leben diese noch immer zumeist in starker Armut, werden hochgradig sozial ausgegrenzt, diskriminiert und können ihre Grundrechte nicht ausüben. Diese sozialen Umstände wirken sich auf den Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, Wohnverhältnisse und den Gesundheitszustand der Roma-Bevölkerung aus. 89 Prozent der Roma brechen die Schulausbildung frühzeitig ab. Die Resultate der PISA-Studien zeigen, dass ein Großteil der romanisprachigen Schüler/innen aufgrund mangelnder Bildungszugänge geringe Aussichten auf qualifizierte Beschäftigung haben bzw. die komplexen Anforderungen der heutigen Gesellschaft kaum bewältigen können (vgl. http://ec.europa.eu/justice/policies/discrimination/docs/com_2011_173_en.pdf). »Head in the Clouds« – Das Projekt Die TU Wien als Projektkoordinator arbeitet im Rahmen des Projekts mit sechs Partnern aus fünf Ländern zusammen: TU Košice (Slowakei), Verein »Offenes Lernen« (Österreich), GAIA (Kosovo), Fundaţia Creştină Diakonia Filiala Sfântu Gheorghe (Rumänien), SZS-Súkromná základná škola (Slowakei) und SCIO (Tschechien). Projektziele sind die gemeinsame Entwicklung von Materialien und Methoden für einen alternativen Unterrichtszugang als Vorbeugungsmaßnahme und zur Verhinderung von frühzeitigen Schulabbrüchen, die Entwicklung grundlegender und übergreifender (transversaler) Kompetenzen und die Verbesserung der digitalen Bildung. Mithilfe von speziell entwickelten SOLEBoxen sollen die Kinder nach dem Prinzip des


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© GAIA, Kosovo

© Fundaţia Creştină Diakonia Filiala Sfantu Gheorghe

Digitalisierung in der Bildung

entdeckenden Lernens Aufgaben lösen. Das Konzept von SOLE basiert auf der Forschung von Sugata Mitra, der zu dem Schluss kam, dass Kinder sich alles selber erarbeiten können, wenn sie Zugang zu Internet haben (wie z. B. www.theschoolinthecloud.org). So wie der Konstruktionismus (Vertreter u. a. Seymourt Papert, Mitchel Resnick) arbeitet also auch dieser Zugang mit einem Lernen, das schülerzentriert und auf dem eigenen Entdecken und Erarbeiten aufbaut (wie z. B. www.learning-theories.com/educational-roboticsand-constructionism.html). Jede der insgesamt sechs SOLE-Boxen widmet sich einem bestimmten Themengebiet: (1) Videoaufnahme und -schnitt, (2) Informationstechnologie (IT 101), (3) Englisch, (4) Umwelt, (5) Programmierung, (6) alltägliche Herausforderungen. Jede Box beinhaltet eine Sammlung an Aufgaben in Form von Aufgabenblättern, welche mittels QR-Code mit einer Online-Abgabe-Applikation verbunden sind. Die Aufgaben haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und richten sich an unterschiedliche Altersgruppen, weil alle am Projekt teilnehmenden Gruppen altersmäßig gemischt sind. Jede Box ist jeweils zwei Monate lang in den Schul- und Nachmittagsbetreuungszentren der Partner GAIA, SZS-Súkromná základná škola und Fundaţia Creştină Diakonia Filiala Sfântu Gheorghe im Einsatz und wird anschließend evaluiert. Digitale Kompetenzen Durch einen gezielten Einsatz von Methoden und Ressourcen steigern alle SOLE-Boxen die digitalen Kompetenzen der Teilnehmer/innen, zwei Boxen sind in diesem Zusammenhang jedoch besonders hervorzuheben: IT 101 und Programmierung. Im Rahmen der IT-101-Box werden die Mini-Computer »Raspberry PI« eingesetzt, um den Kindern und Jugendlichen ein Basisverständnis von Computern, Office-Programmen und Internet-Diensten (Google, Google Maps, Wikipedia, YouTube, Cybersecurity etc.) beizubringen. In einem weite-

Die Projektpartner entwickeln gemeinsam Materialien und Methoden für einen alternativen Unterrichtszugang als Vorbeugungsmaßnahme und zur Verhinderung von frühzeitigen Schulabbrüchen.

ren Schritt lernen die Teilnehmer/innen mithilfe der grafischen Programmiersprache Scratch, erste Programme und Animationen zu entwickeln. Im Rahmen der Programming Box werden, basierend auf dem Wissen der IT-101-Box, unter anderem Ozobots (http://ozobot.com), MakeyMakeys (http:// makeymakey.com), LEGO WeDo (https://education. lego.com) und das bekannte Open-World-Spiel Minecraft (https://minecraft.net) eingesetzt, um Programmieren spielerisch zu erlernen. Die Robotik ist in diesem Zusammenhang mit den Ozobots, die sich sowohl ganz ohne Computer mit Filzstiften durch eine Abfolge von verschiedenen Farben als auch mit Tablets programmieren lassen, auch in den SOLE-Boxen vertreten. Damit können neben den fachlichen Kompetenzen in den MINTFächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) auch übergreifende Fertigkeiten wie Teamfähigkeit und Sozialkompetenz geübt werden. Das Feedback von Kindern, Jugendlichen und Pädagog/innen ist durchgehend positiv und sehr vielversprechend.

89 Prozent der Roma brechen die Schulausbildung frühzeitig ab. Aufgrund der mangelnden Bildungszugänge bestehen geringe Aussichten auf qualifizierte Beschäftigung

Vielseitig einsetzbar Den Einsatzmöglichkeiten des innovativen Bildungsvorhabens sind keine Grenzen gesetzt. Die Projektpartner sehen keine Alternative zum herkömmlichen Unterricht, sondern vielmehr eine Erweiterung, die es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, getrieben von Neugierde und Wissbegierde, auf spielerische und selbsterklärende Weise neue Lerninhalte zu erarbeiten. Gleichzeitig stellt »Head in the Clouds« einen erneuten Zugang zu Bildung für Kinder und Jugendliche dar, die nicht mehr Teil des Schulsystems sind, der sie zurück zum Lernen führen kann. Der Einsatz der SOLE-Boxen ist also sowohl im herkömmlichen Schulunterricht, im Rahmen von Nachmittagsbetreuungsprogrammen, Ferienprogrammen oder Kindertagesstätten möglich und richtet sich an Kinder und Jugendliche, unabhängig von Herkunft und Bildungsniveau im Alter von sieben bis 16 Jahren.

Weitere Informationen: www.brainsintheclouds.eu


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Carin Dániel Ramírez-Schiller | Andreas Koreimann

Digitale Kompetenz sichert Teilhabe an der Gesellschaft der Zukunft Eine Konferenz ging der Frage nach, welchen Beitrag die Erwachsenenbildung leisten kann. Dr. Carin Dániel RamírezSchiller ist Leiterin des Bereichs »Erasmus+ Erwachsenenbildung und Querschnittsthemen« in der Nationalagentur Erasmus+ Bildung.

© OeAD-GmbH/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Mag. Dr. Andreas Koreimann ist zuständig für die nationale Koordinierungsstelle für EPALE, die in der Nationalagentur Erasmus+ Bildung ansässig ist.

Digitalisierung ist ein Megatrend, der in Wirtschaft und Gesellschaft und auch im Programm Erasmus+ angekommen ist. EPALE (Electronic Platform for Adult Learning in Europe), die elektronische Plattform für Erwachsenenbildung in Europa, gibt Zeugnis dafür ab. EPALE wurde 2014 von der Europäischen Kommission gestartet und hat sich mittlerweile als das bedeutendste europäische Wissensmanagement-Tool in der Erwachsenenbildungslandschaft etabliert. EPALE verlinkt Strategie und Praxis in der europäischen Erwachsenenbildung und bietet neue Möglichkeiten, dass alle gleichermaßen von der digitalen Entwicklung profitieren können. Die Erwachsenenbildung ist gefordert, Bürgerinnen und Bürger fit für die neuen Herausforderungen zu machen. Dies hat die nationale EPALE-Koordinierungsstelle zum Anlass genommen, im Rahmen der heurigen Themenkonferenz »Digital Participation: Digitale Bildung zur Teilhabe an der Gesellschaft der Zukunft« (Wien, 22. Juni 2017), Potenziale und Herausforderungen des Einsatzes neuer digitaler Technologien aufzuzeigen.

Nationale und internationale Expertinnen und Experten der Erwachsenenbildung diskutierten über digitale Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Den Anfang machte Graciela Sbertoli, Vorsitzende des European Basic Skills Network (EBSN). Sie legte in ihrer Keynote den Fokus auf neu Zugewanderte und beschrieb aktuelle Entwicklungen aus europäischer und norwegischer Sicht. Um einen raschen Zugang in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu gewährleisten, sei die »digitale Kompetenz« sowohl Werkzeug als auch Ziel, so Sbertoli. Die Expertin stellte die Frage, wie Online-Elemente erfolgreich in Trainingsprozesse integriert werden können: »Wenn Menschen lernen, mobile Geräte und andere digitale Tools zu benutzen, so macht dies auch grundlegende Lernprozesse flexibler, adäquater und effizienter.« – Voraussetzung sei freilich, dass die Lehrenden diese Tools beherrschen. In der Basisbildung und Alphabetisierung sei es möglich, dass Erwachsene mithilfe von IT-Tools lesen und schreiben lernen. Anschließend thematisierte Birgit Aschemann, CONEDU Aus- und Weiterbildungsentwicklung, in ihrem Vortrag »Erwachsenenbildung und Digitalisierung: neue Chancen und neue Verantwortung« den Zyklus, dem die Nutzung digitaler Lernangebote folgt. Aschemann erklärte, welche Chancen digitale Lernangebote in der Erwachsenenbildung eröffnen, welche Rolle Erwachsenenbildner/innen in Bezug auf digitale Lernangebote spielen und welche Möglichkeiten großflächige Weiterbildungen (MOOCs – Massive Open Online Courses) bieten.

Übung »Mind the gap – mind the link« mit Moderatorin Hermine Steinbach-Buchinger auf der EPALE und Erasmus+ Erwachsenenbildung Themenkonferenz 2017.


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© OeAD-GmbH/APA-Fotoservice/Hörmandinger © Mörtl privat

Responsible Science

Die Vortragenden der Themenkonferenz 2017 gemeinsam mit dem Team von EPALE Österreich und der Nationalagentur Erasmus+ Erwachsenenbildung sowie Vertreter/innen von EPALE-Koordinierungsstellen aus Luxemburg, Norwegen und Estland.

Bei den anschließenden drei »Ideenpools« konnten sich die rund 100 Teilnehmer/innen aus Österreich und Europa zu Projekten und Initiativen austauschen und Kontakte mit Erwachsenenbildner/innen anderer europäischer Länder knüpfen. Diskutiert wurden neue Wege in der Weiterbildung von Erwachsenenbildner/innen, digitale Lernressourcen in der Basisbildung sowie digitale Angebote zum Lernen am Arbeitsplatz in den unterschiedlichen Ambienten. Auch die Erwachsenenbildung muss sich weiterbilden »Die qualitativ hochwertige Weiterbildung der Erwachsenenbildner/innen ist hierbei ein Schlüsselfaktor«, so Signe Briķe, Leiterin der Abteilung für Projektmanagement der Baltic Computer Academy (Lettland). Projektkoordinatorin Gabriele Winkler vom BFI Oberösterreich und Ana Landeta von udimas (Spanien) unterstrichen aufgrund ihrer Erfahrungen aus ihrem Erasmus+ Projekt »Simple Open Learning Advancement − SOLA«: »Online lernen unterstützt Arbeitnehmer/innen beim Erwerb von Wissen, Fähigkeiten und Kom-

petenzen, durchzeit- und ortsunabhängige Lernsettings, die mit Präsenzphasen gut ergänzt werden können.« Neben der digitalen Vernetzung und den Expertisen aus Österreich und anderen europäischen Ländern bot die EPALE-Konferenz 2017 viel Raum für persönlichen Austausch zum Thema Digitalisierung (und darüber hinaus) und diente so als Basis für mögliche künftige Erasmus+ Projekte. Rückblick und Blog − EPALE-Konferenz »Digital Participation« https://ec.europa.eu/epale/de/node/37317 Fotos von der EPALE-Konferenz »Digital Participation« www.apa-fotoservice.at/galerie/9344

EPALE, die E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

EPALE ist eine EU-Initiative zur Verbesserung der Qualität der Erwachsenenbildung und Teil des EU-Programms Erasmus+ Bildung. Die elektronische Plattform will qualitätsvolle Arbeit in der Erwachsenenbildung unterstützen, einen starken europäischen Erwachsenenbildungssektor aufbauen und neue Impulse für den Austausch mit anderen europäischen Bildungseinrichtungen geben. Die nationale EPALE-Koordinierungsstelle ist im OeAD, der Österreichischen Austauschdienst-GmbH, angesiedelt und liefert einen essentiellen Beitrag zur Weiterentwicklung der europäischen Erwachsenenbildung.


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Werner Hackl | Elske Ammenwerth

Medizinisches Informationsmanagement Data Literacy und Health Information Management gelten als Schlüsselqualifikationen für Health Professionals der Zukunft.

Ass.-Prof. DI Dr. Werner Hackl ist Wissenschaftler an der UMIT und Dozent im Universitätslehrgang Health Information Management. Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth leitet das Institut für Medizinische Informatik der UMIT, der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik in Hall in Tirol, und ist verantwortlich für den Universitätslehrgang Health Information Management.

© Dieter Schütz | Pixelio

Weitere Informationen zum Studiengang »Health Information Management« unter www.umit.at/him.

Technologisierung und Digitalisierung sind eng miteinander verwoben und durchdringen unaufhaltsam alle Lebensbereiche. Auch das Gesundheitswesen ist einem rasanten Wandel unterworfen und alle darin agierenden Akteur/innen sind sowohl mit den Chancen konfrontiert, die diese Entwicklungen bieten, als auch mit einer Fülle von Herausforderungen. Data Literacy, die Fähigkeit, mit all den neuen Daten umgehen zu können, wird eine wichtige Schlüsselqualifikation für Health Professionals der Zukunft werden. Neben dem eigentlichen, hoch spezialisierten Fachwissen in der medizinischen Domäne müssen Health Professionals der Zukunft auch umfangreiches Wissen im medizinischen Informationsmanagement besitzen, um sich im wuchernden Informationsdschungel zurechtzufinden. Die Digitalisierung verändert auch die Bildungslandschaft Angesichts der Fülle der Ausbildungsinhalte in den medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Fächern hat die Vermittlung dieser wichtigen Inhalte aber kaum in den entsprechenden Curricula Platz. Wer hier Kenntnisse erwerben will, muss postgraduale Ausbildungsschienen belegen, die sich oft nur schwer mit den beruflichen Verpflichtungen vereinbaren lassen. Hier bietet die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Online-gestützte Lernformate ermöglichen größere zeitliche und örtliche Flexibilität und kommen so insbesondere den Bedürfnissen berufsbegleitend Studierender entgegen. Damit diese neuen Online-Lernformate aber funktionieren, müssen sie kompetenzorientiert und zielgruppenspezifisch geplant und didaktisch speziell aufbereitet werden. An der Tiroler Health & Life Science Universität UMIT startet daher im Herbst 2017 der online-gestützte Universitätslehrgang »Health Information Management« (www.umit.at/him). Dieser ist gezielt interdisziplinär ausgerichtet und bietet Health

Professionals aus allen Bereichen sowie Personen mit technisch-informatischem Hintergrund die Möglichkeit, sich die nötigen Kenntnisse und Kompetenzen in Health Information Management zu erarbeiten. Der Universitätslehrgang basiert auf einem wissenschaftlich fundierten, praxiserprobten und positiv evaluierten, modernen didaktischen Konzept, welches das intensive gemeinsame Lernen ermöglicht, ohne Präsenzzeiten an der Universität zu erfordern. Unter dem Motto »Gemeinsam Kompetenzen entwickeln« bearbeiten die Studierenden hierbei wöchentliche Lernaufgaben, die praxisnah und anwendungsorientiert Kompetenzen vermitteln und dabei auch den regelmäßigen Austausch in der Lerngruppe fördern. Der gewählte didaktische Ansatz betont dabei das kooperative Lernen, weil dies nachweislich zu besserem Lernerfolg und weniger Abbruchquoten führt. Chancen der Digitalisierung nutzen und flexibel gemeinsam studieren Flexibilität ist entscheidend, um ein Studium auch neben beruflichen und privaten Verpflichtungen zu ermöglichen. Die Studierenden des Universitätslehrgangs können ihre Lernzeiten frei wählen. Wie Erfahrungen zeigen, wird dies auch gerne genutzt. So sind einige Studierende früh morgens aktiv, andere am Abend, und wieder andere studieren verteilt über den Tag. Eine moderne und komfortable OnlineLernumgebung und Kommunikationsplattform unterstützt die Studierenden dabei. Didaktisch speziell geschulte, international renommierte Wissenschaftler/innen stellen die Aufgaben, begleiten Diskussionen, unterstützen bei Fragen und geben ergänzenden fachlichen Input. So entstehen spannende und lehrreiche Diskurse, die dazu dienen, die Digitalisierung im Gesundheitswesen besser zu verstehen, sie beherrschbar und, vor allem, nutzbar zu machen.


25 Digitalisierung in der Bildung

Christian F. Freisleben-Teutscher

Digitalisierung als Motor für Deeper Learning im Hochschulbereich Deeper Learning fördert kritisches Denken, Zusammenarbeit und selbstbestimmtes Lernen.

Ähnliche Schritte wurden allerdings schon rund um die Jahrtausendwende als »dringend notwendig« bezeichnet. Und auch in vielen aktuellen Diskussionen geht es oft stärker um Befürchtungen als um konkrete Umsetzungsschritte. Positiv stimmt die Zusammenfassung des deutschen »Hochschulforums Digitalisierung«, das in einem umfassenden Prozess zu »The digital turn – Auf dem Weg zur Hochschulbildung im digitalen Zeitalter« gearbeitet hat. Dort wird deutlich, dass bei vielen Hochschulen die Potenziale digitaler Werkzeuge und Kommunikationsmöglichkeiten intensiv für Lehre und Forschung genutzt werden. Weiters werden konkrete Empfehlungen vorgestellt, um hier weitere Schritte zu setzen. Der renommierte NMC Horizon-Report 2016 definiert als mittelfristigen Trend in der internationalen akademischen Aus- und Weiterbildung einen »Paradigmenwechsel zu Deeper-LearningMethoden«. Gemeint ist damit die ewige Her-

ausforderung, wie es in der Lehre gelingen kann, oberflächliches Lernen (Surface Learning), das sich auf Reproduzieren von Informationen beschränkt, in Richtung von tiefgehendem Lernen (Deeper Learning) zu transzendieren. »Deeper Learning« zielt auf die Förderung von kritischem Denken, Dialogorientierung, Problemlösungsmethoden, Zusammenarbeit und selbstbestimmtem Lernen. Digitale Werkzeuge und Kommunikationsmöglichkeiten spielen hier eine zentrale Rolle: Sie unterstützen den Zugang zu Informationen genauso wie zu Expert/innen aus verschiedensten Feldern. Gleichzeitig ist es wesentlich einfacher, selbst zum/ zur Produzent/in multimedialer Informationen zu werden. Das Finden, Bewerten und Anwenden von Informationen sowie Produktions- und Publikationsprozesse sind ganz wesentliche Aspekte, die Deeper Learning ermöglichen und vorantreiben.

Mag. Christian F. FreislebenTeutscher ist an der Fachhochschule St. Pölten Fachverantwortlicher für den inverted classroom in der Abteilung SKILL (Serviceund Kompetenzzentrum für Innovatives Lehren und Lernen).

Fachkompetenzen und überfachliche Kompetenzen sind wichtig Studierende erwerben und vertiefen dabei sowohl Fachkompetenzen als auch überfachliche Kompetenzen. Weiters lernen sie, Verantwortung nicht nur für eigene Lernprozesse zu übernehmen, sondern beschäftigen sich ebenso mit aktuellen, gesellschaftsrelevanten Themen: Engagement in diesen Feldern ist somit ein weiterer, wichtiger Aspekt von Deeper Learning. Damit Deeper Learning mehr als ein Buzzword in theoretischen Diskursen ist, braucht es konkrete Maßnahmen, wie sie etwa in der E-Learning-Studie des fnm-a und den Empfehlungen des Hochschulforums Digitalisierung beschrieben werden. Ein unverzichtbarer Ausgangspunkt sind dafür sicherlich strategische Konzepte. Ebenso wird nötig sein, dass hier die öffentliche Hand mit weiteren Anschubfinanzierungen Umsetzungen und Leuchtturmprojekte fördert. http://skill.fhstp.ac.at

© Pixabay

Digitalisierung ist ein sehr weiter und gleichzeitig viel diskutierter bzw. kritisierter Begriff. Besonders gilt dies für den Bereich Bildung – sowohl im sekundären Bereich als auch in der Hochschule. Ein konkreter Fokus ist das Feld E-Learning. In der im Vorjahr veröffentlichten E-LearningStudie des fnm-a (Forum Neue Medien in der Lehre Austria) finden sich folgende Empfehlungen für die Weiterentwicklung des E-Learning im heimischen tertiären Bildungsbereich: 1. E-Learning strategisch planen 2. Anreizsysteme schaffen 3. Lehrende weiter qualifizieren 4. Innovative Lehr-/Lernformen forcieren 5. Forschungsaktivitäten zu E-Learning ausbauen 6. Hochschulübergreifende Zusammenarbeit fördern 7. Ressourcen bereitstellen (Bratengeyer et al., 2016, S. 89)


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Mario Jandrokovic

ConClip, das Mehrzweck-OnlineLerntool für die Baustelle Die wichtigsten Arbeitsschritte für den Bau eines Passivhauses werden in einem Video aufgezeigt.

Mag. Mario Jandrokovic hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist beim Energieinstitut der Wirtschaft für Kommunikation und Projektmanagement zuständig.

Alle Fotos © ConClip /Energieinstitut der Wirtschaft

Mit dem universellen Lerntool ConClip können Handwerker/innen neue Arbeitstechniken auf einfache Weise erlernen.

Vor einem Jahr wurde das EU-Projekt ConClip abgeschlossen, realisiert wurde es im Rahmen des Erasmus+ Vorgängerprogramms Lebenslanges Lernen. Inzwischen haben schon 100.000 Personen die Videos gesehen, in denen auf einfache Weise wichtige Arbeitsschritte für den Bau von Passivhäusern erklärt werden. ConClip sollte ein möglichst vielfältig einsetzbares Lernwerkzeug werden – ein Medium, das etwa Auszubildenden auf kurzem Wege Orientierungshilfen gibt, um Arbeitsaufgaben zu lösen. Dieses Medium sollte gut zugänglich sein, auch für ältere oder wenig ausgebildete Arbeitskräfte. Österreich belegt – mit der höchsten Dichte an Passivhäusern weltweit – zwar einen Spitzenplatz bei nachhaltigen, energieeffizienten Gebäuden, doch gibt es gerade im Bauwesen oft Differenzen zwischen den Ansprüchen an hohe Planungsqualität und dem praktischen Wissen derjenigen, die diese Planungen umsetzen sollen. Als beste Lösung für diese Herausforderungen an ein universelles Lerntool boten sich Videos an. Die einzelnen ConClips, Filme von etwa drei Minuten Länge, widmen sich einzelnen Arbeitsaufgaben, die für den Bau von Passivhäusern ausschlaggebend sind und bei denen es erfahrungsgemäß zu Ausführungsmängeln kommen kann – etwa der Vermeidung von Wärmebrücken bei der Gebäudedämmung, dem Einbau von Fenstern oder der fachgerechten Abdichtung um Kabel und Rohre. Der Arbeitsvorgang wird Schritt für Schritt gezeigt, ein Sprecher erklärt den Ablauf in kurzen, prägnanten Sätzen und Texteinblendungen geben zusätzlich Schlüsselinformationen. Mit ConClip steht auch Polierern oder Bauleitern ein Online-Lernwerkzeug zur freien Verfügung, um direkt auf der Baustelle grundlegende Arbeitsschritte praktisch zu erklären. Die Filme gibt es in neun Sprachen – einerseits in jenen, die oftmals Arbeiter/innen am Bau sprechen, wie

Polnisch und Türkisch, und andererseits in den Sprachen der Projektpartner: Dänisch, Deutsch, Englisch, Flämisch, Französisch, Kroatisch und Serbisch. Via Smartphone kann das Mehrzweck-OnlineLerntool auch direkt am Bau eingesetzt werden. Ausbildner/innen stehen vertiefende Materialien zur Verfügung. Zu jedem der Filme gibt es ein kurzes Quiz, mit dem die Nutzer/innen die Inhalte der Videos auf spielerische Weise vertiefen können. Entwickelt wurde das Lifelong-Learning-Projekt unter Federführung des Energieinstituts der Wirtschaft, das Projekte zur Stärkung und Vermittlung von Klimaschutz und Energieeffizienz im betrieblichen Bereich durchführt. Partner in Österreich waren die Bauakademie Salzburg und die Donau­universität Krems, darüber hinaus Institutionen aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Kroatien und Serbien, die auf die Berufsbildung im Bau sowie auf Passivhausbau spezialisiert sind. Dass die Filme praktisch weltweit bereits 100.000 Mal aufgerufen wurden, mag den Bedarf an einem Lerntool zeigen, das zwar nicht auf detaillierte Bauauflagen einzelner Länder eingehen kann, aber Nutzer/innen zu einem allgemeinen Grundverständnis verhilft. Das Konzept ist gut ausbaufähig – die bestehenden ConClips können in weitere Sprachen übertragen werden – etwa Arabisch oder Farsi. Mit zusätzlichen Filmen in diesem Bereich kann Fachwissen – beispielsweise zu Holzbauweise – besser gestreut werden. ConClip ist auch in anderen Branchen einsetzbar, für die Wissensvermittlung bei unzureichend geschulten Arbeitskräften genauso wie für Querschnittsthemen, die für die Integration eine Rolle spielen. Weitere Informationen zum Projekt: http://conclip.eu/de


27 Digitalisierung in der Bildung

Ingrid Preusche

Qualitätssicherung von E-Prüfungen Die Veterinärmedizinische Universität Wien setzt bei Prüfungen auf Qualitätssicherung und Transparenz.

die Einhaltung dieser Regeln unterstützt. Im Rahmen des Prüfungsreviews werden die Lehrenden über die Verwendung ihrer Frage(n) in einer bestimmten Prüfung informiert und um Bestätigung der Angemessenheit der Verwendung (Zustimmung bzw. Ablehnung) gebeten. Zusätzlich erfolgt hier noch eine technische Überprüfung. Der technische Prüfungsreview ist ebenso regelhaft etabliert und die Erfahrungen zeigen, dass dieser auch eine weitere wesentliche Bedeutung für die Qualitätssicherung einnimmt.

© Michael Bernkopf | Vetmeduni Vienna

Mit dem Start des kompetenzbasierten Curriculums »Veterinärmedizin« an der Vetmeduni Vienna im Jahr 2014 wurde auch die elektronische Prüfungsplattform (Q-Exam®) zur Qualitätssicherung von E-Prüfungen eingeführt. Diese wird routinemäßig zur standardisierten Fragenerstellung sowie zur standardisierten Zusammenstellung und Durchführung von Prüfungen genutzt. Die Vetmeduni Vienna setzt dabei bei allen Prüfungen auf einen standardisierten Review von Prüfungsfragen, sowohl vor (Pre-Review), während (Prüfungsreview) und nach der Prüfung (Post-Review).

… zur Prüfungsabhaltung … Von der Erstellung der Prüfungsfrage … Aufgrund des kompetenzbasierten Curriculums sind verschiedene Disziplinen an einer Lehrveranstaltung beteiligt und somit bringen auch unterschiedliche Lehrende Fragen für eine Prüfung ein. Lehrende erstellen diese Prüfungsfragen dabei direkt in der Prüfungsplattform und verorten ihre Frage mit den Lehrzielen, der Lehrveranstaltung und der Prüfung. Es folgt ein verpflichtendes Sechs-Augen-Review für jede Frage (einmal formal durch die Vizerektorin für Lehre, zweimal fachlich – durch Expert/innen der eigenen Organisationseinheit (OE) und durch Expert/innen einer durch die/ den Fragenautor/in zu wählenden »fremden« OE). Neben der Qualitätssicherung der Fragen selbst unterstützt dieses Review-System die Vernetzung Lehrender auch über Organisationseinheitsgrenzen hinaus, was auch in Bezug auf die Abstimmung von Lehrinhalten in der gemeinsamen Lehre positive Effekte hat. Derzeit stehen in der Prüfungsplattform mehr als 7.700 solcher prüfungsbereiten Fragen zur Verfügung. ... über die Prüfungszusammenstellung … Prüfungskoordinator/innen stellen aus diesem Fragenpool Prüfungen anhand von BlueprintRegeln zusammen, wobei die Prüfungsplattform

Die Prüfungen selbst werden in zwei dafür ausgestatteten PC- Räumen standardisiert durchgeführt, bei Hauptterminen wird in Hörsälen und mit Leihlaptops getestet. Die Ergebnisse stehen meist noch am selben Tag zur Verfügung. … bis zum Abschluss immer qualitätsgesichert! Nach der Prüfung wird den Studierenden – ebenfalls elektronisch – eine Einsichtnahme zu festgelegten Terminen gewährt. Innerhalb des PostReviews, welcher der Qualitätssicherung der Prüfung und der Fragen dient, werden in der Einsichtnahme abgegebene Anmerkungen der Studierenden sowie der statistischen Item-Analyse behandelt. Dabei unterstützt die Verwendung der Prüfungsplattform die Verarbeitung des Post-Review-Prozesses mit der transparenten und nachvollziehbaren Dokumentation von Entscheidungen (Manipulationen von Prüfungsergebnissen, Verbleib/Ausschluss von Fragen in der Datenbank). Fazit: Die Erfahrungen zeigen, dass die einzelnen Review-Prozesse gut etabliert sind. Lehrende haben den Schritt von papier-basierten Prüfungen zu E-Prüfungen sowie die damit verknüpften Prozesse gut bewältigt, für die meisten Studierenden sind E-Prüfungen bereits alltäglich.

Dr. rer. nat. Ingrid Preusche studierte Psychologie in Wien. Seit 2014 Mitarbeiterin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, leitet sie das Zentrum für Studienangelegenheiten. Preusche ist Ansprechpartnerin für die Prüfungsplattform Q-Exam® und für Qualitätssicherung im Prüfungswesen und zuständig für die Koordination von schriftlichen und mündlichen Prüfungen sowie Medical Education Research.


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Gottfried Koppensteiner | Wilfried Lepuschitz | Munir Merdan

iBridge: IKT und Robotik als Brücke zwischen den Generationen Neu entwickelte Technologien und Programme müssen altersgerecht, benutzerfreundlich und barrierefrei bedienbar sein. DI (FH) Mag. Dr. Gottfried Koppensteiner ist Obmann des Forschungsvereins PRIA (Practical Robotics Institute Austia) und Abteilungsvorstand für Informationstechnologie am Technologischen Gewerbemuseum (TGM). DI Wilfried Lepuschitz ist wissenschaftlicher Leiter des Vereins PRIA und verantwortlich für dessen operative Leitung.

© TGM

Dr. Munir Merdan leitete vormals eine Forschungsgruppe im Bereich kognitive Automation am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien und ist derzeit Vizeobmann und Senior Researcher beim Verein PRIA.

Das Sparkling-Science-Projekt »iBridge« ist ein generationsübergreifendes Projekt. Es soll das Interesse von Kindern und Jugendlichen an technologieorientierter Forschung in einem sozial- und kulturübergreifenden Szenario steigern und ihren Bezug zu Naturwissenschaft und Technik durch das Thema »soziale Assistenzrobotik« vertiefen. Rund 1,9 Mio. Menschen in Österreich sind über 60 Jahre alt, das sind 23,5 Prozent der Bevölkerung. Der Bevölkerungsanteil der Menschen im Alter von 60+ wird in den kommenden Jahren rasant steigen – bis 2030 auf 30 Prozent und bis 2045 sogar auf 33 Prozent. Der Pflegenotstand wird sich dadurch dramatisch erhöhen. In Zukunft werden innovative Produkte und Dienstleistungen sowie neue Berufsbilder und -felder entstehen, die auf die Zielgruppe der älteren Menschen ausgerichtet sind. Ein spannender Zukunftsmarkt entwickelt sich daher in den assistierender Technologien. Serviceroboter sind eine Möglichkeit, älteren Menschen Hilfestellung für die Aktivitäten des täglichen Lebens zu bieten. Bereits heute sind technische Assistenzsysteme in Entwicklung, die älteren Personen mit nachlassenden geistigen und körperlichen Kräften das selbstbestimmte Leben in den eigenen vier Wänden wesentlich erleichtern. Dafür ist es notwendig, sich mit den Bedürfnissen und Ängsten älterer Menschen auseinanderzusetzen und ihre Wünsche und Bedenken im Zusammenhang mit neuen Technologien und Entwicklungen zu berücksichtigen. Älteren Menschen fällt es aufgrund ihrer nachlassenden Sinnesfähigkeiten (Sehen und Hören) oftmals schwerer als ihren nachfolgenden Generationen, neue Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu nutzen. Neben den körperlichen Beeinträchtigungen kann auch das Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten die Nutzung dieser Technologien erschweren. Obwohl seit vielen Jahren Erkenntnisse über Probleme der Bedienung, Handhabung, Funktionalität, Komplexität sowie über entsprechende

Verbesserungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sind nur wenige neu entwickelte Technologien und Programme altersgerecht und entsprechend benutzerfreundlich gestaltet oder barrierefrei bedienbar. Diese Problematik ist auch auf die Robotik übertragbar. Zahlreiche Projekte beschäftigen sich bereits mit dem noch jungen Thema »soziale Assistenzrobotik«, dennoch gibt es für diesen Forschungsbereich immer noch eine Vielzahl offener Fragen: 1. Welche Funktionalität muss ein Roboter bieten, um wirklich nützlich zu sein, damit sich Senior/innen zu Hause sicher und unterstützt fühlen? 2. Wie sollte der Roboter aussehen und interagieren, damit er auf lange Sicht als Heim­assistent akzeptiert wird? 3. Welche Nutzungsbarrieren gibt es, aufgrund derer ein Roboter den Einzug in die Lebenswelt der Senior/innen gar nicht erst vollzieht? Das Sparkling-Science-Projekt »iBridge« stellt sich der Herausforderung, Senior/innen für assistierende Technologien und insbesondere Assistenzrobotik anhand eines sensitiven Kuscheltier-Prototypen zu sensibilisieren und in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen. Die Basis stellen generationenübergreifende Co-Design-Workshops zwischen Jung und Alt dar – eine neue innovative Methode des partizipativen Designs. Das Projektteam, bestehend aus Forscher/innen des Forschungsvereins Practical Robotics Institute Austria (PRIA) und des Instituts für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) der TU Wien, setzt auf die folgende Herangehensweise: ÆÆ Um das Interesse der Kinder und Jugendlichen an Forschung und Technologie zu wecken, kommen das innovative Konzept des »sensitiven Kuscheltiers«, die Programmierung von Servicerobotern (autonome Staubsauger) und die Robotik zur Unterstützung


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© TU Wien

Digitalisierung in der Bildung

älterer Personen (z. B. der Assistenzroboter »Hobbit«, entwickelt vom ACIN der TU Wien) zum Einsatz. ÆÆ Auf der anderen Seite des Altersspektrums bemühen sich HTL-Schüler/innen durch PC-/Internetkurse in den Pensionistenklubs der Stadt Wien, die ältere Generation beim Umgang mit modernen Technologien zu unterstützen und dabei die Bedürfnisse dieser Generation kennenzulernen. Vor allem die Jugendlichen – die Digital Natives – sollen davon profitieren. Sie sollen Wissen aufbauen, auf die Probleme älterer Menschen aufmerksam und schlussendlich für sichere und barrierefreie Technologien begeistert werden. ÆÆ Nachdem das Interesse der Kinder und Jugendlichen geweckt und die ältere Generation für das Arbeiten mit modernen Technologien sensibilisiert wurde, finden generationsübergreifende Co-Design-Workshops statt. Über einen praxisorientierten Zugang konzeptionieren Gruppen von Jugendlichen und Pensionist/innen Roboter für den Pflegebereich. Die Umsetzung der einzelnen Konzeptteile auf Basis des »sensitiven Kuscheltiers« und des Serviceroboters »Hobbit« wird dann wiederum durch mehrere HTL-Schüler/innengruppen durchgeführt. ÆÆ Anschließend wird ein Prototyp entwickelt und von den Senior/innen getestet, um notwendige Verbesserungen an der Hard- und Software zu identifizieren. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Evaluierung sollen neben weiteren technischen Verbesserungen auch in die Erstellung eines Benutzer/innenhandbuchs einfließen. Durch die vielen unterschiedlichen Thematiken und Schwerpunkte (Workshops mit Kindern/ Jugendlichen/älteren Menschen, Forschung und Entwicklung in den Bereichen IKT und Mechanik) soll den teilnehmenden Schüler/innen die Mög-

© TGM

Nicht nur Jugendliche, auch ältere Personen sollen im Umgang mit neuen Technologien unterstützt werden.

lichkeit gegeben werden, in die wissenschaftliche Welt einzutauchen. Die Schüler/innen können beispielsweise ihre HTL-Ausbildung mit einer entsprechenden Abschlussarbeit in der Forschung abschließen. Besonders engagierte Jugendliche dürfen ihre Ferialpraxis an der TU Wien oder im Forschungsverein PRIA absolvieren, um ihre Begeisterung für das Projekt zu vertiefen. Weitere Informationen: www.pria.at

Sparkling Science – wenn Schule und Wissenschaft gemeinsam forschen Sparkling Science ist ein Programm des BMWFW, das hochwertige Forschung mit voruniversitärer Nachwuchsförderung verbindet, indem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Seite an Seite mit Schülerinnen und Schülern an aktuellen Forschungsfragen arbeiten. Im Rahmen der sechsten Ausschreibung waren 2016 alle Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingeladen, gemeinsam mit Schulen Anträge zur Förderung von Forschungsvorhaben einzureichen. Seit Juli 2017 starten nun 39 neu geförderte Projekte, an denen 45 Forschungseinrichtungen, 86 Schulen bzw. Schulzentren und 34 Partner aus Wirtschaft und Gesellschaft beteiligt sind. Die Forschungsprojekte sind breit gefächert und beinhalten alle wissenschaftlichen Disziplinen – von Naturwissenschaften, Technik und Informatik über Medizin und Gesundheit bis hin zu Sozial- und Geisteswissenschaften. Insgesamt stehen im Rahmen der sechsten Ausschreibung 6,5 Mio. Euro zur Verfügung.


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Gabriele Winkler

SOLA − Simple Open Learning Advancement SOLA setzt Blended Learning für nachhaltigen Tourismus und Green Skills in der Berufsbildung ein.

Mag. Gabriele Winkler, BA studierte Betriebswirtschaft, Gesundheits- und Sozialmanagement und derzeit angewandtes Wissensmanagement in Linz und Hamburg. Nach internationalen Projekten im IT-Bereich ist sie seit 2012 am BFI OÖ angestellt und Mitarbeiterin der Abteilung »Wirtschaft – Technik – Sprachen«. Sie ist zuständig für die Lernplattform SOLA, Online-Lernen und Wissensmanagement. Winkler ist an verschiedenen EU-Projekten zum Thema E-Learning beteiligt.

© BFI OÖ | Gumpenberger

Das SOLA-Projektteam erarbeitet digitale Inhalte für Trainer/innen und Auszubildende.

SOLA soll die digitalen Fähigkeiten und Kompetenzen von Lernenden und von Lehrenden in der Berufsbildung verbessern. Der Fokus des Erasmus+ Projekts lag neben der Konzeption von OnlineKursen mit Blended-Learning-Elementen auf nachhaltigem Tourismus und Green Skills. Weitere Ziele waren Beiträge zur Bereitstellung und Weiterentwicklung offener Bildungsmaterialien (OER), die Vernetzung europäischer Unterrichtsräume sowie die Installation und Verwendung digitaler Werkzeuge und Inhalte. Durch das aktive Miteinbeziehen des sozioökonomischen Feldes von Lehrenden, Studierenden und anderen Teilnehmer/innen wurde letztlich die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Bildungseinrichtungen gefördert. Unter der Federführung des Berufsförderungsinstituts Oberösterreich arbeiteten Institutionen aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen, Portugal und der Tschechischen Republik daran, Kurse und Materialien für Lehrende und Ausbildende im Bereich der beruflichen Bildung (Vocational Education and Training – VET), Fachleute aus dem Bereich Tourismus und Vertreter/innen und Interessierte aus der Tourismusbranche zu schaffen. Im Laufe des Projekts wurden verschiedene Testszenarien mit verschiedenen Zielgruppen durchgeführt. Einerseits wurden die erstellten Inhalte auf Praxistauglichkeit getestet, anderseits galt es, Erfahrungen mit Online- und BlendedLearning-Szenarien zu sammeln. Eine wesentliche Erkenntnis war,

dass die Blended-Learning-Methode sich sehr gut zur Vermittlung von Inhalten eignet und ein qualitativ hochwertiges Lehren ohne Grenzen ermöglicht, während die Verwendung audiovisueller Inhalte zugleich die IKT-Kompetenzen und die digitalen Kompetenzen fördert. Allgemein war zu beobachten, dass der Lernprozess in einem virtuellen Unterrichtsraum in Bezug auf Raum und Zeit eine weniger definierte Bildungsstruktur darstellt, allerdings eine, die sich systematisch und intensiv neuer Technologien bedient. Didaktische Inhalte können mithilfe der IKT unterstützt und soziale Interaktion kann telematisch umgesetzt werden. Zudem können viele arbeitsplatzbezogene Inhalte mittels Online-Tools abgebildet werden, was dem Arbeitgeber Ausgaben wie Reisekosten und Seminargebühren erspart. Die Rolle der Trainer/innen beschränkt sich mittlerweile nicht länger auf die bloße Vermittlung von Wissen, sondern wird viel weiter gefasst. Hier ist die Verwendung und Steuerung des Lernens durch IKT ein Kerngebiet. In diesem Sinne muss die Weiterbildung der Bildungsfachkräfte klar auf die internen Ausbildungsprogramme der Bildungseinrichtung abgestimmt sein, aber auch das Potenzial haben, über den gegebenen Rahmen hinauszuwachsen. Ein Projekt wie SOLA erfüllt mit dem Train-the-TrainerAnsatz diese Anforderungen. Eine Literaturrecherche ergab, dass mehrere Autor/innen in der Wissensgesellschaft eine Modell­änderung, also einen Paradigmenwechsel, sehen. In der aktuellen Situation ist es erforderlich, fachübergreifende Kompetenzen wie Kreativität und Innovation zu fördern, und genau das war eines der wichtigsten Ziele von SOLA. Die große Herausforderung, die sich in der Bildung stellt, ist, die unterschiedlichen Kenntnisse und Wissensbestände in den digitalen Bereichen herauszufinden und darauf aufbauende Weiterbildungsprogramme zu entwickeln. Zum Projekt: www.sola-project.eu


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Miriam Bammer

Responsible Science: Gemeinsam Verantwortung übernehmen Mitglieder der Allianz für Responsible Science diskutierten neue Ansätze und stellten Pilotprojekte vor.

Responsible Science durch Beispielprojekte fassbarer zu machen, war zentrales Thema der Veranstaltung. V.l.n.r.: SC Mag. Barbara Weitgruber, MA, Prof. Dr. Klement Tockner, Dr. Marie Céline Loibl, DDr. Christoph Thun-Hohenstein, Mag. Petra Siegele, Univ.-Prof. Dr. Hanna Mayer, Univ.-Prof. Dr. Anton Zeilinger, Dr. Katharina T. Paul, Mag. Anna Steiger, Dr. Christian Smoliner, Mag. Gerald Czech

Von der Wissenschaftscommunity mit Spannung erwartet wurden die angekündigten Ausblicke auf eine neue Fördermaßnahme, die dem Forschungsförderprogramm Sparkling Science, das Ende 2019 ausläuft, folgen soll. Ein erster Aufruf zur Einreichung von Projektvorschlägen soll 2018 veröffentlicht werden. Den inhaltlichen Abschluss der Veranstaltung bildete ein Podiumsgespräch zum Thema Responsible Science, bei dem Prof. Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Klement Tockner, Christoph Thun-Hohenstein, Generaldirektor und wissenschaftlicher Geschäftsführer MAK, Prof. Hanna Mayer, Vorständin des Instituts für Pflegewissenschaften der Universität Wien, Marie Céline Loibl, Programmleitung Sparkling Science im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, sowie Prof. Christian Köberl, Generaldirektor NHM Wien, die Situation in Österreich diskutierten.

Mag. Miriam Bammer ist seit Juni 2016 Mitarbeiterin der Abteilung Public Science in der OeAD-GmbH.

© OeAD-GmbH | APA-Fotoservice/Schedl

Vor knapp zwei Jahren wurde im Rahmen einer exklusiven Feier im Media Tower Wien die »Allianz für Responsible Science« aus der Taufe gehoben. Zu den ersten 13 Gründungsmitgliedern kamen in den vergangenen zwei Jahren 25 Einrichtungen hinzu, die nun gemeinsam die forschende Bewegung im Land vorantreiben und auf diese Weise auch die gesellschaftliche Wertschätzung für Wissenschaft und Forschung steigern wollen. Am 22. Juni dieses Jahres lud nun das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zur nächsten gemeinsamen Veranstaltung der Allianz für Responsible Science. Ziel war es, das Konzept von Responsible Science durch spannende Beispielprojekte greifbar zu machen und einen Ausblick auf kommende Fördermaßnahmen in diesem Bereich zu geben. Prof. Klement Tockner, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, sprach in seiner Keynote zum Thema »Wissenschaft in Zeiten der Ignoranz« von den Veränderungen in der Forschungslandschaft und hob hier den Stellenwert des zunehmenden Dialogs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft hervor. Anschließend stellte Katharina T. Paul vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien ihr Projekt »CODE IT! Schüler/innen lesen mit – Impfpolitik gemeinsam erforschen« vor. Gerald Czech vom Österreichischen Roten Kreuz präsentierte das Pilotprojekt »Team Österreich Digital – Katastrophen mittels Smartphone gemeinsam bewältigen«.


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Paul Glück | Martin Kocher

Mit Mut und guter (Aus-)Bildung vorwärts in die Digitalisierung IHS rechnet damit, dass rund neun Prozent aller Jobs direkt durch die Digitalisierung bedroht sind. Prof. Martin Kocher ist Direktor des Institut für Höhere Studien (IHS). Seit 2011 hat Kocher eine Professur für Volkswirtschaftslehre an der LMU München. Kochers Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Verhaltsökonomie und der experimentellen Wirtschaftsforschung. Paul Glück arbeitet als PR- und Kommunikationsberater für das Institut für Höhere Studien.

Die Diskussion über die möglichen Folgen der voranschreitenden Digitalisierung ist längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Einzig die Einschätzungen darüber, was in Zukunft alles »digital« sein wird und für wen dies dramatische Konsequenzen hat, gehen auseinander. So haben die US-Wissenschaftler Frey und Osborne 2013 erstmals das Automatisierungspotenzial der einzelnen US-Berufe untersucht. Das Ergebnis ihrer Berechnungen war, dass fast die Hälfte aller Jobs mittelfristig durch die Digitalisierung verloren geht. In einer Reihe von methodischen Zwischenschritten hat ein wissenschaftliches Team am Institut für Höherer Studien (IHS) unter Leitung von Gerlinde Titelbach1 nun erstmals belastbare Ein-

schätzungen für den österreichischen Arbeitsmarkt vorgenommen. Das Ergebnis: Voraussichtlich sind es rund neun Prozent aller Jobs – das sind in absoluten Zahlen rund 360.000 – die direkt und akut durch die Digitalisierung bedroht sind. Job ist nicht gleich Job Der Grund für diese stark abweichenden Ergebnisse liegt in einem erheblich differenzierteren Blick auf die einzelnen Berufe. In der IHS-Studie ist es der Tätigkeitsmix in einem Beruf, der als Grundlage des Automatisierungspotenzials herangezogen wird. So kann beispielsweise eine Tischler/in kunstvoll verzierte Bauernkästen anfertigen, ein anderer aufwendige CAD-Pläne für gesamte Innenausbauten entwickeln. Was auf jeden Fall gilt, ist, dass jene Jobs, in denen Kreativität, Social Skills und ein hohes Ausbildungsniveau gefragt sind, auch in

1 Nagl, Titelbach, Valkova: Digitalisierung der Arbeit: Substituierbarkeit von Berufen im Zuge der Automatisierung durch Industrie 4.0; Studie im Auftrag des Sozialministeriums, 2017.

Erwerbstätige je Berufsgruppe (ISCO-08) mit geringer und hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit (AW) Anteil geringe AW – unter 30 Prozent

Anteil hohe AW – über 70 Prozent

Führungskräfte Akademiker/innen Techniker/innen Bürokräfte Dienstleistungsberufe Land- und Forstwirt/innen Handwerker/innen Maschinenbediener/innen

0

Hilfsarbeiter/innen

0 Quelle: PIAAC 2012, Berechnungen und Darstellung IHS


33 Digitalisierung in der Bildung

Florian Groiss

Eine Unterrichtsstunde im digitalen Zeitalter Plattform zur Themenfindung

Zukunft sicher sein werden. Wirklich schlecht sieht es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, die lediglich über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Am stärksten vom potenziellen Verlust ihrer Stelle durch Digitalisierung betroffen sind Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter bzw. Handwerkerinnen und Handwerker, die gemeinsam über 50 Prozent der insgesamt gefährdeten Stellen ausmachen. Die Studie des IHS kann allerdings nicht berechnen, wie viele neue Jobs aufgrund der Digitalisierung entstehen. Dazu müsste man die Technologie der Zukunft kennen.

Mit der Young Science-Themenplattform bietet das Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule Jugendlichen seit 2014 ein besonderes Unterstützungstool für Vorwissenschaftliche Arbeiten (VWA) bzw. Diplomarbeiten. Auf dieser finden sich, ausgehend von aktuellen Forschungsprojekten, tausende Themenvorschläge. Zusätzlich gibt es Literaturhinweise, Links und Kontaktmöglichkeiten zu Forschungsteams, die Jugendliche bei ihrer Arbeit unterstützen möchten.

Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefordert

Seit Jahresbeginn 2017 setzt das Young ScienceZentrum auf ein digitales Medium, um Jugendlichen und Lehrpersonen die Themenplattform näherzubringen: Webinare. Inhalte der Webinare sind einerseits die Möglichkeiten und Funktionen der Themenplattform, andererseits werden den Jugendlichen auch weitere Angebote aus wissenschaftlichen Einrichtungen präsentiert, die ihnen beim erfolgreichen Schreiben weiterhelfen. Durch kommunikative Elemente verwandelt sich eine Webinar-Session in einen digitalen Workshop. So sind die Teilnehmer/innen nicht nur passive Zuhörer/innen, sondern gestalten die Workshops auch aktiv mit. Die Webinare werden den Schulen als Ergänzung zu den Vorbereitungsstunden für Vorwissenschaftliche Arbeiten und Diplomarbeitsprojekte angeboten. In den vergangenen Monaten konnte das Young Science-Zentrum bereits zwölf Webinare mit 204 Teilnehmer/innen abhalten. Das Feedback ist dabei durchaus positiv und zahlreiche Lehrpersonen waren begeistert von der Idee, ihren Schüler/innen eine abwechslungsreiche und nicht ganz alltägliche Unterrichtsstunde bieten zu können.

Wie finde ich das richtige Thema?

Weitere Infos: www.youngscience.at/webinare

© Manfred Gerber | Pixelio

Aus Sicht des IHS sind Investitionen in möglichst treffsichere Qualifikationsprogramme und ein die Digitalisierung antizipierendes Bildungssystem der Schlüssel dazu, dass per Saldo in Österreich sogar Jobs geschaffen werden können. Es sind also Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefordert. Gerade in Branchen, die in den kommenden Jahren mit größeren Digitalisierungsschüben rechnen müssen, ist es notwendig, innerhalb der Betriebe vorzusorgen und die Belegschaft durch sehr spezifische Weiterbildungen fit für den Wandel zu machen. An Schulen und Universitäten geht es verstärkt um »IT- und Online-Literacy« – neue Hardware und ständig bessere, vielseitigere Programme finden Eingang in bislang weitgehend analoge Lebensbereiche. Das bedeutet, dass immer mehr an digitalem Know-how in immer mehr Berufen nötig sein wird. Dies gilt es zu vermitteln. Von Gesundheit über Bildung, von Technik bis zu Kommunikation, von Handwerk bis zu Geisteswissenschaft: Die Digitalisierung bietet, wenn man sich rechtzeitig – also jetzt – möglichst gut darauf vorzubereiten beginnt, eine Chance für die allermeisten von uns. Die Studie als Download: www.ihs.ac.at/fileadmin/ public/2016_Files/Documents/20170412_IHSBericht_2017_Digitalisierung_Endbericht.pdf

Florian Groiss, BA ist seit Dezember 2013 Mitarbeiter des Young ScienceZentrums in der OeAD-GmbH.


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Dominik Ruffeis

Vom Wissen, dem Handy und der Landwirtschaft Wie moderne IKT die Kommunikation verändert und die Anwendung neuer landwirtschaftlicher Technologien in Kenia verbessern kann. DI Dr. Dominik Ruffeis ist für die Universität für Bodenkultur (Institut für Hydraulik und landeskulturelle Wasserwirtschaft) in der internationalen Zusammenarbeit tätig und Mitkoordinator des APPEAR-Projekts SCARA.

© SCARA

© Dennis Theuri

Farmer müssen in den Prozess der Generierung von Wissen eingebunden werden, damit ihr traditionelles Wissen und ihre speziellen Anforderungen an Technologien Berücksichtigung finden.

»Informationen über Wetter, Düngung, Saatgut und den Markt, die ich benötige, beziehe ich aus verschiedenen Quellen, wie Infoblättern, öffentlichen und privaten Beratungsservices, Radio und dem Internet. Es ist aber oft schwierig, die Menge an Informationen zu filtern, zu verstehen und zu wissen, was glaubwürdig ist. Eine persönliche Beratung ist sehr wertvoll, aber schwer zu erreichen, weil es zu wenig Berater gibt. Das Mobiltelefon hat aber vieles vereinfacht, auch die Kommunikation mit Beratern.« (Sarah George, Landwirtin aus Rongai, Kenia) Forschungsergebnisse zeigen, dass effektives Wissens- und Informationsmanagement im landwirtschaftlichen Bereich dann erzielt wird, wenn Landwirt/innen auf relevante Informationen zur richtigen Zeit in einer nutzerfreundlichen Weise zugreifen können. Daher müssen Farmer in den Prozess der Generierung von Wissen eingebunden werden, damit ihr traditionelles Wissen und ihre speziellen Anforderungen an Technologien Berücksichtigung finden. Mobile Kommunikation bietet die Chance, Peer-to-Peer-Interaktion und Lernprozesse zwischen allen Stakeholdern zu erleichtern. Der horizontale und vertikale Informationsfluss wird zu einem wechselseitigen Kommunikationsprozess, von dem alle Beteiligten profitieren. Der Schwerpunkt in dem durch APPEAR geförderten Projekt SCARA (Strengthening capacities for agricultural education, research and adoption in Kenya), durchgeführt von der Egerton University (Kenia) und der BOKU Wien, liegt in den Bereichen Capacity Building und Entwicklungen im IKT-Sektor. Der Fokus liegt einerseits in der Anwendung von IKT im Bereich des Lernens und der Interaktion zwischen Key Playern und andererseits in der Entwicklung neuer relevanter landwirtschaftlicher Technologien. IKT soll dabei helfen, für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern maßgeschneiderte Technologien zu entwickeln und so die Anwendungs-

rate zu erhöhen. Dabei spielen die Verfügbarkeit der landwirtschaftlichen Technologien in der »Public Domain« und die Demokratisierung von Information eine wesentliche Rolle. Landwirt/innen berichteten im Rahmen dieses Projekts von ihren Erfahrungen, die sich mit aktuellen Forschungsergebnissen decken. Als größte Herausforderungen für die Nutzung von IKT, und im Speziellen von Mobiltelefonen, gelten hohe Kosten, unzureichende Infrastruktur, Sprachbarrieren und niedrige Basisbildung. Ebenfalls genannt werden nicht aktuelle und ortsrelevante Marktinformationen, schlechte Kollaboration zwischen Stakeholdern und inadäquate Fördermaßnahmen für Frauen. Zugang zu den Technologien und somit auch der daraus resultierende Vorteil ist in hohem Maße von Einkommen, Bildung und soziokulturellem Hintergrund abhängig. Speziell Frauen aus ländlichen Gebieten sind mit einer besonderen Einschränkung des Zugangs zu Kommunikationsmöglichkeiten und Informationen konfrontiert. Um landwirtschaftliches Wissen für Landwirt/innen, unabhängig von agrarindustriellen Konzernen, frei zugänglich zu halten, kommt Bildungsinstitutionen wie Universitäten und Schulen eine zentrale Rolle zu. Das Ziel eines freien Zugangs zu Informationen im Agrarsektor, unabhängig vom soziokulturellen und ökonomischen Status, kann durch flexible und unterstützende Strategien und Regulative erreicht werden. Lokale und regionale IKT-Bildungs- und Infrastrukturprogramme können einen wesentlichen Beitrag leisten, diese Ungleichheiten zu beseitigen. APPEAR ist das Hochschulkooperationsprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Weitere Informationen: https://appear.at/scara; http://scara.boku.ac.at Twitter: @scara_appear Facebook: @scara.appear


35 Digitalisierung in der Bildung

Doris Bauer

»Bist du digital nicht auffindbar, bist du unsichtbar« Open Access als Chance für Wissenschaftler/innen aus dem globalen Süden zur Partizipation am globalen Wissenschaftsdiskurs. In Zeiten der Digitalisierung ist vermeintlich alles im Internet auffindbar, sämtliche Fragen können in kurzer Zeit vom eigenen Smartphone oder Tablet beantwortet werden. Findet man die Antwort nicht, ist man verstört. Denn das Internet weiß »alles«. Im Umkehrschluss stellt sich die Frage, welchen Stellenwert eine Sache hat, wenn sie im World Wide Web nicht auffindbar ist. Auf persönlicher Ebene ist es unangenehm, in einem global agierenden Feld wie der Wissenschaft ist es ein irreversibler Nachteil. Möchte man im globalen Wissenschaftsfeld agieren, ist es unabdingbar zu publizieren. Denn die globale Kommunikation in der Wissenschaft findet über Publikationen in akademischen Fachzeitschriften statt. Weltweit gibt es unzählige dieser Academic Journals. Wer zitiert wird, dessen »Journal Impact Factor« steigt im internationalen Ansehen. Wer zitiert wird, wird gefunden, gelesen – und im besten Fall weiter zitiert. Hoch bewertete Fachzeitschriften sind begehrt, darin zu publizieren ist teuer. Auch der Zugang zur Lektüre ist nicht billig und bleibt deshalb zumeist Forscher/innen im globalen Norden vorbehalten. Insbesondere jüngere Universitäten und Forschungseinrichtungen im globalen Süden verfügen demgemäß nicht über die Möglichkeit, an diesem globalen Wissenschaftsdiskurs umfassend teilzunehmen. Der vielzitierte und nach wie vor oft präsente Elfenbeinturm der Wissenschaft hält sich über dieses System der Privilegierten aufrecht und schließt kategorisch jene aus, die nicht die erforderlichen Mittel aufbringen können: um zu publizieren, zu rezipieren und insbesondere zu agieren und zu reagieren. An diesem Punkt kommt als Gegenstrategie Open Access ins Spiel. Open Access, also der freie Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln im Internet bzw. Open Data, die völlige Offenlegung der zugrundeliegenden Daten, nahm seinen Anfang in den frühen 1990ern. Seit den 2000ern, mit steigen-

der Nutzung des Internets, wird Open Access immer stärker thematisiert. Richtet man den Blick nun in den globalen Süden, zum Beispiel auf Subsahara-Afrika, kann Open Access als eine (von vielen) Antwort(en) auf den erschwerten Zugang in und zu wissenschaftliche/r Literatur gesehen werden. Denn insbesondere in Subsahara-Afrika ist die Dichte an Publikationen in globalen Academic Journals signifikant niedriger als im globalen Norden. Nicht, dass nicht publiziert wird, aber nicht in akademischen Fachzeitschriften. Zudem steigt die Anzahl der Publikationen aus dem globalen Norden signifikant, womit jene aus dem globalen Süden in Rankings (aufgrund der quantitativ geringeren Outputs) zurückfallen.1 Damit nimmt sich die Wissenschaft die Möglichkeit, lokales Wissen in den globalen Wissensdiskurs aufzunehmen und verzerrt den Blick nach außen.2 Forschung und Wissenschaft erscheinen als Phänomen der industrialisierten, der »entwickelten« Länder. Allerdings ist auch die Veröffentlichung in einem Open-Access-Journal mit teils hohen Kosten verbunden. Daher verfolgt die Kommission für Entwicklungsforschung (KEF) die Strategie, in den von ihr geförderten Projekten die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen als Open Access besonders zu fördern. So können Projektpartner/innen aus dem Süden und dem Norden bis zu zwei Jahre nach Projektende um eine Zusatzförderung für eine Open-Access-Publikation ansuchen. Für wissenschaftliche Publikationen, die aus durch APPEAR (Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development) finanzierten Projekten resultieren, ist dies obligatorisch. 1 Vgl. Kell, C., Czerniewicz, L.: Visibility of Scholarly Research and Changing Research Communication Practices: A Case Study from Namibia (http://open.uct.ac.za/handle/11427/23990, 20.9.2017). 2 Vgl. Vortrag von L. Czerniewicz (University of Cape Town) auf der Konferenz »An Open Digital Global South« Mai 2017 in Kalifornien (Videostream www.youtube.com/watch?v=NUAJo-2GgrI, 21.9.17).

Mag. Doris Bauer ist Mitarbeiterin der Abteilung Bildung und Forschung für internationale Entwicklungszusammenarbeit in der OeAD-GmbH.


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Julia Lichtkoppler

Kooperation im ungleichen Raum Ein Bericht von der EADI Nordic Konferenz 2017 zum Thema globale Ungleichheit.

MMag. Julia Lichtkoppler ist Mitarbeiterin der Abteilung Bildung und Forschung für internationale Entwicklungszusammenarbeit in der OeAD-GmbH.

© OeAD-GmbH | Andreas Obrecht

Beeindruckende Fjorde, Wälder und bunte Häuser formten die Kulisse der EADI Nordic Konferenz.

Zwei Arbeiter einer Fabrik bekommen am Ende des Arbeitstags ihren Lohn. Jedoch: einer bekommt sechs US-Dollar, der andere null US-Dollar. Wie finden Sie das? Diese Frage stellte Bertil Tungodden von der Norwegian School of Economics einer Stichprobe von 1.000 US-amerikanischen und 1.000 norwegischen Proband/innen. In seinem Experiment versuchte er in einem möglichst realen Setting zu erforschen, wie Menschen Disparitäten wahrnehmen und welche Ungleichheiten sie als (un)gerechtfertigt empfinden. Die Antwort? Kommt auf die Ursache an. Ist die Lohndisparität durch Pech oder ungleiche Ausgangsbedingungen begründet, wird die Ungleichverteilung großteils als unfair empfunden. Ist der Grund für den divergierenden Lohn auf Unterschiede in der Leistungserbringung zurückzuführen, ist die auseinanderklaffende Bezahlung für die Mehrheit der Proband/innen in beiden Ländern in Ordnung. Das Beispiel klingt banal. Auf der Makroebene zeigt sich Bertil Tungodden während seines Vortrags auf der EADI Nordic Konferenz 2017 jedoch verwundert darüber, dass unsere Gesellschaft extreme Einkommensscheren zulasse, seien doch Einkommen und Vermögen im überwiegenden Teil davon bestimmt, wo und in welchen familiären Verhältnissen wir geboren werden. Denn während extreme Armut laut Weltbank-Daten im Jahr 2015 erstmals global unter die Zehn-Prozent-Marke fiel, stehen dieser Statistik Zahlen von Oxfam International gegenüber, die die Lücke zwischen Arm und Reich plakatieren: Demnach hält das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr Vermögen als der Rest der Welt zusammen. Die acht reichsten Männer der Welt besitzen mehr als 3,6 Mrd. Menschen, die die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. Diese Lücke zwischen Arm und Reich zu verringern ist notwendig, um die Erde als einen Raum zu erhalten, der auch für die nächsten Generationen lebenswert ist. So scheint es als gesichert, dass zu große Disparitäten in Einkommen und Besitz nicht nur Armut manifestieren, sondern auch Treiber von

politischer Instabilität und Konflikt sind und sich negativ auf Umwelt und Lebensraum auswirken. Nicht zuletzt ist die Reduktion der Einkommensund Vermögensschere auch im Sinne der technologischen Erneuerung und damit des gesamtwirtschaftlichen Erfolgs, gibt es doch einen empirisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen einem relativ geringen Maß an Einkommensunterschieden und der Einführung technologischer Innovationen. Auch um ihren eigenen Fortbestand zu sichern, muss sich daher eine kapitalistische Gesellschaft darum bemühen, die Kluft zwischen Arm und Reich zu reduzieren und alle Gesellschaftsschichten im Rahmen eines starken Sozialstaats an Bord zu holen. »Niemanden zurücklassen« »Niemanden zurücklassen« lautet auch der Auftrag der Sustainable Development Goals (SDG), die von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im September 2015 verabschiedet wurden. SDG 10 ist der Reduzierung von Ungleichheit innerhalb und zwischen Ländern gewidmet und setzt sich als ersten Punkt zum Ziel, die untersten 40 Prozent der Einkommen schneller wachsen zu lassen als die jeweils nationalen Durchschnitte. Darüber hinaus sollen Maßnahmen ergriffen werden, die Chancengleichheit (Equal Opportunity) ermöglichen, und die Disparitäten in tatsächlichen Lebensbedingungen (Inequalities of Outcome) verringern. Denn um globale Ungleichheiten fassen und bewältigen zu können, müssen, wie auch der World Social Science Report (WSSR) 2016 »Challenging Inequalities: Pathways to a Just World« ausführt, die sozialen, politischen, ökologischen und räumlichen Dimensionen von Ungleichheit miteinbezogen werden. Auch die Generierung von und der Zugang zu Wissen sind von Ungleichheit geprägt. Wie der WSSR betont, stammen über 80 Prozent der von ihnen erhobenen sozialwissenschaftlichen Publikationen zu Ungleichheit aus dem globalen Norden. Aus diesem Grund spricht sich der Bericht für


© OerAD-GmbH | Andreas Obrecht

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V.l.n.r.: Prof. Isa Baud (ehemalige EADI-Präsidentin), Dr. Maria Wurzinger, Dr. Zena Mnasi Mabeyo, Kacana Sipangule, Doris Bauer, Dr. Tiina Kontinen und Julia Lichtkoppler nach dem OeAD-Panel zu Kooperation in Forschungspartnerschaften.

Netzwerke und Kooperationen aus, um gemeinsam und über Grenzen und Disziplinen hinweg Wege zu mehr Gleichheit zu finden. Der Versuch, Ungleichheit zu verstehen und sich ihr aus den Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen und Länder anzunähern, wurde bei der EADI Nordic 2017 unternommen. Die Konferenz mit dem Titel »Globalisation at the Crossroads: Rethinking Inequalities and Boundaries« versammelte im August knapp 500 Teilnehmer/innen aus Wissenschaft und Praxis aus aller Welt in Norwegen. Drei Tage lang wurde das Thema Ungleichheit in den Mittelpunkt gestellt und aus unterschiedlichen Richtungen beleuchtet. Selbstreflexion und Respekt Verschiedene Perspektiven wurden auch in der vom OeAD organisierten Podiumsdiskussion eingebracht. Das Academic Panel thematisierte den Aspekt der Kooperation in Forschungspartnerschaften zwischen Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen, die in Ländern mit unterschiedlichen Einkommensverhältnissen angesiedelt sind. In Kooperationen geht es darum, einen guten Modus der Zusammenarbeit zwischen den Partner/innen und mit wichtigen Akteur/innen, speziell der lokalen Bevölkerung, zu finden. Dies ist besonders bei Kooperationen zwischen Ländern der Fall, die große Unterschiede in Einkommen und Vermögen aufweisen, im wissenschaftlichen Kontext häufig als Nord-Süd- oder Süd-NordForschungspartnerschaft bezeichnet. Dennoch beschränkt sich die Bewertung und Verwertung von Forschungskooperationen meist auf inhaltliche Ergebnisse und Auswirkungen. In der Podiumsdiskussion wurde daher der Blick auf die Art der Zusammenarbeit gerichtet. Es wurde illustriert, wie Kooperation funktionieren kann, welche Hürden es zu bewältigen gibt, und welche Chancen eine grenzen- und disziplinenüberschreitende Zusammenarbeit in der Beforschung globaler Heraus-

forderungen ermöglicht. Es gab Beiträge von Zena Mnasi Mabeyo, die aus ihren Erfahrungen im Rahmen des APPEAR-Projekts »Professional Social Work in East Africa – Towards Sustainable Impact« berichtete, von Maria Wurzinger, die das KEF-Projekt »Strengthening Llama Production in the Central Andes of Peru« leitet und in ein APPEAR-Projekt in Nicaragua involviert ist, und von Kacana Sipangule, die für das »Poverty Reduction Equity and Growth Network« tätig ist. Der gemeinsame Tenor war eindeutig: Forschungskooperationen, die unterschiedliche strukturelle und soziokulturelle Gegebenheiten zusammenführen, sind eine große Herausforderung, bedeuten jedoch auch eine Überschreitung eigener disziplinärer und kontextueller Limitationen. Fragen der globalen Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven und Wissenszugängen zu betrachten, ist anspruchsvoll, erfordert kontinuierliche Selbstreflexion und bringt bürokratische Prozesse mit sich. Gleichzeitig bergen sie das Potenzial, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, die über die Vorstellungskraft eines Einzelnen hinausreichen und von allen Beteiligten mitgetragen werden. Dazu bedarf es eines engagierten Teams, das, gestützt auf gegenseitigen Respekt, bereit ist, von anderen zu lernen und die eigenen Positionen und Denkmuster zu relativieren. Es bedarf eines Fördergebers, der seine eigene Rolle reflektiert und Netzwerke aus gleichberechtigten Partner/innen anstrebt. Und es bedarf nationaler und internationaler Strukturen, die eine grenzüberschreitende Kooperation erleichtern. Auch die SDGs erkennen die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und bekräftigen mit SDG17 eine Stärkung der globalen Partnerschaft. Wie der neugewählte Präsident der EADI, Prof. Henning Melber, in einer ersten Initiative ausführt, darf die weltweite Partnerschaft »niemanden zurücklassen«. Im ungleichen Raum müssen wir darauf Wert legen, diejenigen einzubinden, denen der Zugang zum internationalen Diskurs bisher weitgehend verwehrt blieb.

EADI (European Association of Development Research and Training Institutes) ist ein europäisches Netzwerk von Institutionen, Forscher/innen und Studierenden im Bereich Entwicklungsforschung. www.eadi.org


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Jana Brosch | Barbara Sutrich

Erasmus+ Erfolgsprojekte aus Österreich

Jana Brosch , MA ist Mitarbeiterin der Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeAD-GmbH.

© Gennady Pozniyakov | Fotolia

Mag. (FH) Barbara Sutrich ist in der OeAD-Abteilung Kommunikation, Information und Marketing tätig.

Expert/innen der Generaldirektion Bildung, Jugend, Sport und Kultur der Europäischen Kommission haben unter allen abgeschlossenen Erasmus+ (und Vorgänger-)Projekten jene ausgewählt, deren Ergebnisse und Umsetzung am meisten beeindruckt haben. Unter den gekürten Projekten finden sich auch fünf aus Österreich. Die Erasmus+ Success Stories haben sich durch Unterstützung bei der Umsetzung bildungspolitischer Zielsetzungen, innovative Ergebnisse und/oder ihren kreativen Zugang hervorgehoben und sollen künftige Projektträger/innen inspirieren. Success Stories aller Mitgliedsstaaten sind auf der »Erasmus+ Projects Results Platform« der Europäischen Kommission zu finden: http://ec.europa.eu/programmes/ erasmus-plus/projects Wir freuen uns darüber, dass in Österreich koordinierte Projekte so großen Anklang finden und gratulieren den Projektmitarbeiter/innen zu diesem Erfolg. Die österreichischen Success Stories im Überblick:

[Schulbildung] »Ecological, what else? Sustainable schools on the fast lane in Europe!« Projektkoordinator: BHAK/BHAS Gänserndorf, Projektpartner in Italien, Portugal, der Slowakei, Tschechien, der Türkei Ökologische Nachhaltigkeit und ein gewissenhafter Umgang mit Ressourcen in Schulen standen im Fokus dieses Erasmus+ Projekts, in dem auch eTwinning eingesetzt wurde. Auf der Agenda standen unter anderem Recycling, Müllvermeidung, effizienter Energieverbrauch und Gesundheit. Die BHAK/BHAS Gänserndorf hat für dieses Engagement die ÖKOLOG-Urkunde erhalten. http://ecoproject-erasmusplus.eu/index.html

© Gianmaria Gava| OeAD

Die Europäische Kommission zeichnet fünf österreichische Projekte als Success Stories aus.


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[Erwachsenenbildung]

»My way«

»GenderStrat4EQuality«

Projektkoordinator: Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH, Steiermark Projektpartner in Deutschland, Italien, Malta, Polen, Spanien Assoziierter Partner: Österreichisches Bundessozialamt (AT)

Projektkoordinator: Frauenreferat des Amtes der NÖ Landesregierung Projektpartner in Island, Kroatien, Litauen

Das Projekt verhalf Schulabbrecher/innen sowie jungen Menschen mit besonderem Bildungsbedarf oder mit schwierigem sozioökonomischen Hintergrund zu besseren Perspektiven am Arbeitsmarkt. Junge Menschen wurden dazu motiviert, selbst Entscheidungen über ihre Weiterbildung zu treffen. Hauptaugenmerk lag auf jungen, besonders gefährdeten Menschen – NEETS (Not in Education, Employment oder Training). www.mywayproject.eu

[Berufsbildung]

Gender Equality Trainings gibt es viele. Einheitliche qualitative Ausbildungsstandards gab es bisher noch nicht. Daher erarbeitete das Frauenreferat des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung einheitliche Qualitätskriterien und europäische Standards für Gender Equality Trainings. Gemeinsam mit ihren Partnern entwickelten sie auch ein Curriculum-Portfolio, das aus mehreren Modulen besteht und für eine breite Zielgruppen einsetzbar ist. www.noe.gv.at/genderstrat

[Hochschulbildung]

»EQF meets ECVET«

»Astrophysics / Astromundus«

Projektkoordinator: Gesellschaft für Arbeit und Bildung der Chance B GmbH, Steiermark Partner in Belgien, Deutschland, Italien, Litauen, Slowenien Assoziierte Partner: Bundesministerium für Bildung und Frauen (AT), Center Republike Slovenije za poklicno izobraževanje (SI), Regione Toscana – Settore Formazione e Orientamento (IT)

Projektkoordinator: Universität Innsbruck Partneruniversitäten in Deutschland, Italien, Serbien Vier Partnerinstitutionen in Deutschland, Italien Assoziierter Partner: Serbien

Das Projekt soll Personen mit besonderen Bedürfnissen, Lernschwierigkeiten, schwierigem sozioökonomischen Hintergrund und Schulabbrecher/innen besser in die Berufsausbildung integrieren und hat so einen Beitrag zur inklusiven Berufsausbildung geleistet. Das Projektteam hat zwei Handbücher hervorgebracht, die auf der Projektwebseite heruntergeladen werden können. www.eqfmeetsecvet.eu

Astrophysics ist ein Erasmus Mundus Joint-Master-Degree-Programm für Astronomie und Astrophysik, das die Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der Universität Padua, der Universität Rom, der Georg-August-Universität Göttingen sowie der Universität Belgrad durchführt. Der Master bietet den Studierenden eine fundierte Grundlage in Astrophysik und Einblick in die moderne astrophysikalische Forschung. www.astromundus.eu

Alle Bilder dieser Seite © Gianmaria Gava | OeAD-GmbH

[Berufsbildung]


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Neue OeAD-Publikation

Grenzen überschreiten Facetten und Mehrwehrt von qualitätsvoller Auslandsmobilität in der Hochschulbildung

Der OeAD und das BMWFW ha»An eine der Top 20 Unis zu kommen, ist beinahe unmöglich, es sei ben mithilfe österreichischer denn, es gibt eine Kooperation. Die Kooperation zwischen der FH Hochschulen ein NachschlageCampus Wien und dem King’s College ist wirklich Gold wert«, sagt werk zu Beispielen guter Praxis Christoph Salzlechner. Während seines Auslandspraktikums konnte von Auslandsmobilität und der er in der internationalen Forschungscommunity wichtige Kontakte Reflektion von interkulturellen knüpfen und forscht heute am King’s College im Rahmen seiner PhDErfahrungen vor Ort gestaltet. Arbeit zur Gewebsregeneration von Knochen und Knorpeln. Das Handbuch bietet für jeden etwas: für Studierende, LehKooperationen betreuen oder Internationalisation rende, junge Forscher/innen und das allgemeine at home praktizieren, wie auch jene, die in diesen Hochschulpersonal gleichermaßen wie für die Bereichen gerne aktiver werden möchten. Hochschulleitungen. Es spricht sowohl HochschuDer vorliegende Band bietet Anregungen, len an, die seit Jahren erfolgreich Mobilitäten und zeigt aktuelle Beispiele auf und soll Diskussionen anstoßen. Er gliedert sich in zwei Teile: Namhafte Bildungsexpert/innen und Reiseerfahrene teilen im ersten Teil ihr Know-how und diskutieren den Mehrwert und die positiven Effekte von Mobilität und Austausch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Der zweite Teil ist als Nachschlagewerk gedacht. Hier geben Hochschulen einen spannenden Einblick in ihre tagtäglichen Grenzüberschreitungen. Die Autor/innen skizzieren das umfassende Verständnis von Qualität in der Mobilität und reflektieren über den Wert persönlicher Auslandserfahrungen oder interkultureller Begegnungen. Die dargestellten Spielarten eines qualitativen Mobilitätsverständnisses bieten einen Einblick in die österreichische Hochschullandschaft – und darüber hinweg. Denn klar ist: Neben individueller Kompetenzerweiterung bzw. Persönlichkeitsentwicklung kann eine ganze Abteilung, Hochschuleinrichtung − ja sogar eine Stadt oder die damit verbundene Region profitieren. Erschienen im Eigenverlag im Oktober 2017 Exemplare können hier bestellt werden: https://oead.at/publikation Im Sinne von Open Access wird die Publikation auch via issuu zur Verfügung stehen: https://issuu.com/oead.worldwide


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Hochschultagung 2017: OeAD und Erasmus+

Internationale Mobilität und Qualität Trends, Facetten, Herausforderungen 13. bis 15. November in Salzburg

Programm

© Pixabay

Zum Auftakt der Hochschultagung 2017 spricht Nicolai Netz vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in einer Keynote über den »Beitrag von Auslandserfahrung für den Berufsweg«. Anschließend diskutieren Barbara Bittner, Rektorin des FH Campus Wien, Sylvia Hahn, Vizerektorin der Paris-Lodron-Universität Salzburg sowie Elvira Welzig vom AIT Austrian Institute of Technology zum Thema »Qualität in der internationalen Mobilität und ihr Mehrwert für Individuen und Institution«. Darauf folgt die Präsentation der Publikation »Grenzen überschreiten. Facetten und Mehrwert von qualitätsvoller Auslandsmobilität in der Hochschulbildung« (siehe Seite 40).

In sieben Foren werden schließlich die einzelnen Aspekte der internationalen Hochschulmobilität vertiefend behandelt: ÆÆ Forum 1: Internationale Mobilität für alle und Alternativen zur Mobilität ÆÆ Forum 2: Qualitätssicherung in der Mobilität ÆÆ Forum 3: Skills und Soft Skills: Mehrwert für den Berufsweg ÆÆ Forum 4: Im Osten viel Neues ÆÆ Forum 5: Staff Mobility ÆÆ Forum 6: Globaler Faktor von Mobilität ÆÆ Forum 7: Die Rolle der Incomings für die Internationalisierung der Hochschulen

© Christopher Futcher | iStock

Die OeAD und Erasmus+ Hochschultagung, die von 13. bis 15. November 2017 an der Universität Salzburg stattfindet, thematisiert Nutzen, Mehrwert und Auswirkungen von hochschulischer Mobilität – für Hochschuleinrichtungen als Institution, für ihre Mitarbeiter/innen und für die Studierenden. Mit welchen Trends und Herausforderungen sehen sich die Akteur/innen der internationalen Hochschulmobilität konfrontiert und welche Folgen ergeben sich daraus? Die Hochschultagung richtet sich an alle interessierten Akteur/innen hochschulischer Mobilität. Erstmals finden 2017 die Jahreskonferenzen von OeAD und Erasmus+ Hochschulbildung in einer gemeinsamen Veranstaltung statt.

100.000 österreichische ErasmusStudierende Der erste Tag der Hochschultagung klingt mit dem Festakt »30 Jahre Erasmus in Europa – 25 Jahre Erasmus in Österreich – 100.000 Erasmus-Studierende« und der Auszeichnung von Studierenden durch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) und der Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeADGmbH aus. Praxis der internationalen Hochschulmobilität Am zweiten Tag stehen vertiefende Themen aus der Praxis der internationalen Hochschulmobilität auf dem Programm. Neben einem Vortrag zu »Änderungen im Fremdenrecht« werden Einblicke in »30 Jahre Erasmus – 25 Jahre Erasmus in Österreich: Highlights, Statistiken und Analysen« sowie in den »Euraxess – Meeting Point Vienna – die neue Vernetzungsplattform für internationale Forscher/innen in Wien« gewährt. Im weiteren Tagesverlauf sollen Themeninseln, Schulungen sowie Praxisberatungen zu aktuellen Themenbereichen das Praxiswissen der Tagungsteilnehmer/innen erweitern.

Weitere Details: www.oead.at/hochschultagung


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Carina Kamptner | Naomi Morishita

Summer Schools zu nachhaltiger Wirtschaft und ökologischem Bauen 100 Personen aus 50 Ländern nahmen an den Sommerprogrammen der OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH teil. Mag. Carina Kamptner, BA ist Projektmanagerin der AEMS Summer School. Sie hat Soziologie und Exportmanagement studiert und diverse Weiterbildungen in Projektmanagement und interkultureller Kommunikation absolviert. Dipl.-Ing. Naomi Morishita, BArchSci ist Projektmanagerin der GBS Summer School und Forscherin an der TU Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind energieeffiziente Gebäude, Nachhaltigkeit in Architektur und Bauphysik.

Das Interesse an den beiden Summer Schools der OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH steigt von Jahr zu Jahr. 100 Personen aus 50 verschiedenen Ländern aller Kontinente nahmen heuer an der »Green.Building.Solutions.« (GBS) und der »Alternative Economic and Monetary Systems »(AEMS) teil. Die beiden Sommerprogramme stellen den Nachhaltigkeitsgedanken in den Mittelpunkt und versuchen, anhand von Praxisbeispielen diesen auch greifbar zu machen und Lösungen zu entwickeln.

(University of Southampton) konnten wieder international anerkannte Experten aus dem Bereich gewonnen werden. Die Teilnehmer/innen erhalten nach erfolgreichem Abschluss der Summer School fünf ECTS-Punkte der BOKU Wien. »The lecturers have been outstanding and the people taking part are from all around the world. I really like that environment.« Alex Lantos, London School of Economics, UK.

Alternative Economic and Monetary Systems

Die Teilnehmer/innen der »Green.Building. Solutions.« konnten die ökologischen, ökonomischen, technischen und gesellschaftlichen Aspekte nachhaltigen Planens und Bauens hautnah erleben. Ihre Unterkunft befand sich in einem OeADGästehaus in Passivhaus-Bauweise und es wurden Exkursionen zu den OeAD-Studentengästehäusern in der Seestadt Aspern durchgeführt. Sie besichtigten dort das »GreenHouse«, ein EnergiePlus-Haus, und die »PopUp dorms«, ein mobiles Studentenheim in Passivhaus-Bauweise aus mo-

»There is no alternative!«, wird uns oft suggeriert. Doch tatsächlich gibt es viele Alternativen zum aktuellen Wirtschafts- und Finanzsystem. Die AEMS legt ihren Fokus auf alternative und innovative Ideen und präsentiert Reformvorschläge für das Wirtschafts- und Geldsystem, die eine intakte Umwelt und soziale Gerechtigkeit miteinschließen. Mit Christian Felber (Gemeinwohl-Ökonomie), Bernard Lietaer (Club of Rome) und Richard Werner

Green.Building.Solutions.


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dernen Holzcontainern. Im Rahmen ihrer Projektarbeit »Smart Living Design Study« planten die internationalen Teilnehmer/innen selbstständig ein energiesparendes, ökonomisches und sozial nachhaltiges Studentenheim in Wien. Alle Entwürfe förderten ein gesellschaftliches Miteinander und gleichzeitig ein energieautarkes Wohnhaus. Parallel dazu haben zwölf Teilnehmer/innen des Sto-Stiftungs-Workshops (www.sto-stiftung. de) zwei Arten von Wänden im Passivhaus-Standard mit ihren eigenen Händen gefertigt. Nach erfolgreichem Abschluss der GBS erhalten die Teilnehmer/innen sieben ECTS-Punkte der BOKU Wien. »Regarding participants, they were outward and friendly that I felt we were one big family. I had a good time interacting with them.« Pem Lepcha, Bhutan. AEMS 2018: 25. Juli bis 10. August 2018 GBS 2018: 21. Juli bis 12. August 2018 Bild linke Seite: 54 Teilnehmer/innen aus 30 Ländern waren dieses Jahr bei der Summer School »Alternative Economic and Monetary Systems« dabei. Im Rahmen diverser Gruppen- und Projektarbeiten definieren die Studierenden ein wirtschaftliches, soziales und/oder ökologisches Problem und präsentieren Lösungsvorschläge dazu. Gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Fußballspielen oder Walzertanzen sind wichtig für das Teambuilding.

Alle Bilder der Doppelseite © OeAD-WV

Bild rechts unten: Die 46 GBS (Green.Building.Solutions.)-Studierenden aus 30 Ländern zelebrierten zusammen mit den Professor/innen und Organisator/innen ihren Programmabschluss im Kuppelsaal der TU Wien.


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Regina Aichner

OeAD beim Europäischen Forum Alpbach 2017 – Nachlese Retreat zum Thema »Erasmus+ nach 2020«

Mag. Regina Aichner, M.E.S. ist in der OeAD-GmbH für die Bologna-Servicestelle verantwortlich.

Bild 1: OeAD-Geschäftsführer Stefan Zotti lud Martine Reicherts, Generaldirektorin für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission, und die europäischen Bildungsagenturen zu einem gemeinsamen Brainstorming über die kommende Erasmus+ ­Programmgeneration ein. Bild 2: Franz Fischler, Präsident des Europäischen Forums Alpbach, begrüßte die Vertreter/innen der Bildungsagenturen aus Europa und bekräftigte die Relevanz der Bildung für den zukünftigen Zusammenhalt in der EU. Bild 3: Fünf OeAD-Lektor/innen gewannen ein Stipendium und konnten so an der Alpbacher Seminarwoche teilnehmen: Natalia Starowicz, Claudia Merz, Cezar Constantinescu, Ian Innerhofer, Moritz Lenglachner.

»Kooperation und Konflikt« lautete heuer das Generalthema des Europäischen Forums Alpbach (EFA) – ein Thinktank, der seit 1945 in einem abgelegenen Tiroler Alpendorf Raum für Wissensaustausch über Kulturen und Grenzen hinweg bietet. Zwischen 16. August und 1. September 2017 kamen mehr als 5.700 Menschen aus über 100 Nationen, um Zukunftsfragen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zu diskutieren, davon 720 Stipendiatinnen und Stipendiaten unter 30 Jahren. Aufgrund einer erstmals stattfindenden Kooperation zwischen OeAD und EFA konnte die langjährige Expertise des OeAD im Rahmen einer Klausur eingebracht werden: Erasmus+ nach 2020 − ein Retreat mit den europäischen Mobilitätsagenturen im Beisein der Generaldirektorin für Bildung der Europäischen Kommission, Martine Reicherts. Bereits jetzt startet die Diskussion zur Programmgeneration Erasmus+ ab 2021. Der Geschäftsführer des OeAD, Stefan Zotti, lud Martine Reicherts sowie europäische Bildungsagenturen nach Alpbach, um die Zukunft des Programms Erasmus+ zu diskutieren. Die Vertretungen der Bildungsagenturen zeigten auf, welche nationalen Initiativen rund um Erasmus+ besonderen Anklang finden und gemeinsam ausgebaut werden können. Ernst Gesslbauer, Leiter der Nationalagentur Erasmus+ Bildung in Österreich, wird sich demnach im Oktober 2018 den bereits bestehenden »#ErasmusDays«

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der französischen Bildungsagentur anschließen. Zur Diskussion standen zudem meist kulturell bedingt variierende Herausforderungen in der strategischen Verankerung, Gewichtung und Abwicklung von Erasmus+ in den einzelnen Ländern. Der Re-treat endete mit den »Alpbach Conclusions on next steps for EU programmes post-2020«. Diese setzen sich einerseits mit angestrebten Kooperationen zwischen den Bildungsagenturen, andererseits mit thematischen und abwicklungstechnischen Wünschen auseinander. Darunter fallen z. B. Bildung und Mobilität als wesentliche Integrations- wie auch Inklusionsfaktoren für Migrant/innen, Digitalisierung, verständlichere Vertragsvorlagen, einfachere Prozesse oder eine flexiblere Aufenthaltsdauer. Zotti befürwortet einen erweiterten Zugang zu Erasmus+: »Vor allem der Zugang für Einzelpersonen, Schulen und Kindergärten und kleinere Institutionen muss einfacher werden«. Weiterbildungs- und Vernetzungsmöglichkeit für OeAD-Lektorinnen und Lektoren Fünf OeAD-Lektor/innen, die mittels eines Bewerbungsschreibens ausgewählt worden sind, hatten die Möglichkeit, am Herzstück des EFA, der Alpbacher Seminarwoche, teilzunehmen. Arnulf Knafl, langjähriger Leiter des OeAD-Lektoratsprogramms, zeigt sich begeistert: »Der Austausch im Rahmen einer flachen Hierarchie ermöglicht

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spontane, interdisziplinäre Zugänge zu renommierten Vortragenden sowie Querdenkern. Das internationale Klima, in dem sich unsere Lektor/innen seit jeher bewegen, erleben sie auch in Alpbach.« Und wie kommentieren die Lektor/innen selbst ihren Aufenthalt? Ian Innerhofer, ehem. Lektor der deutschen Sprache, der Literatur und Landeskunde Österreichs an der Universität in Nitra: »Ich entschied mich für das Seminar ›Konflikt um öffentliche Güter‹ unter der Leitung von Shalini Randeria und Alessandra Quarta. Das sehr lebendige Seminar behandelte mit der Allmende grundlegende Fragen einer alternativen Gesellschaftsordnung. Im zweiten Seminar ›Klimawandel und Bevölkerungsdynamiken‹ wurden ebenfalls globale Schlüsselfragen erörtert. Ein Highlight war die Exkursion auf das Wiedersbergerhorn, auf dessen Gipfel Christoph Matulla von der ZAMG einen Pistenarbeiter zum Klimawandel in den Bergen interviewte. Zum Abschluss konnten wir im Rahmen des OeADRetreats bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Martine Reicherts ein anregendes Gespräch über den Stellenwert und die Zukunft von Bildung in der EU führen.«

auf internationalen akademischen Austausch verstärkt. Für OeAD-Chef Zotti ermöglicht dies auch neue Perspektiven für den OeAD: »Das Europäische Forum Alpbach schafft den Rahmen, die Blickwinkel und Ideen, um eine neue, junge Generation Chinas in die gemeinsamen Überlegungen zur Zukunft Europas mit einzubeziehen.«

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Pläne für 2018: »Diversity and Resilience« Der EFA-Präsident und ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler wünscht sich 2018 unter dem Generalthema »Diversity and Resilience« eine Weiterführung der Kooperation, und somit des strategischen Retreats mit bildungspolitischen Vertretungen der Europäischen Kommission und den Bildungsagenturen. Auch die u. a. für die Alpbacher Hochschulgespräche verantwortliche Vizepräsidentin Prof. Sonja Puntscher Riekmann zeigte sich bei einem gemeinsamen Mittagessen mit den chinesischen Stipendiat/innen von deren Engagement, Kooperationswillen und Fremdsprachenkenntnissen beeindruckt. OeAD-Geschäftsführer Stefan Zotti strebt eine Fortsetzung der gemeinsamen Kooperation für 2018 im Zuge der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft an.

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OeAD-Stipendium für Studierende aus China 2017 fand zudem zum ersten Mal das »China Scholarship Programme« statt. Alexandra Wagner, Leiterin des OeAD-Koperationsbüros Shanghai, war u. a. gemeinsam mit Prof. Richard Trappl von der Universität Wien an der Gestaltung und Umsetzung des Auswahlverfahrens beteiligt. Die letztendlich 21 ausgewählten chinesischen Studierenden bewarben sich am Foreign Affairs Office ihrer jeweiligen Heimathochschule. Die Auswahlinterviews wurden von einer Jury durchgeführt, »das Interesse an Alpbach war äußerst rege«, so Wagner. »Die besondere Förderung von Bildung und Wissenschaft sind zentrale Schwerpunkte in Chinas Politik«, sagt sie. Aktuell werde der Fokus

Bild 1: Vertreter/innen der europäischen Bildungsagenturen diskutierten in Alpbach über die Zukunft von Erasmus+. Bild 2: Neben Gesprächen über Wissenschaft, Politik und Wirtschaft steht Alpbach für wunderschöne Landschaft. Bild 3: 21 chinesische Stipendiat/innen waren teilweise zum ersten Mal in Europa und stellten Fachwissen und Fremdsprachenkenntnisse unter Beweis. Bild 4: Einer der Workshops mit den europäischen Bildungsagenturen befasste sich unter der Leitung von Ernst Gesslbauer, Leiter der NA Erasmus+ Bildung (links im Bild), mit konkreten Kooperationsmöglichkeiten in der kommenden Erasmus+ Programmgeneration. Bild 5: Maria Unger berät über die Stipendien- und Förderprogramme der OeAD-GmbH.

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Barbara Sutrich

30 Jahre Erasmus − Neun Millionen Menschen in Bewegung Bei der Jubiläumsveranstaltung in den Wiener Sofiensälen wurden die Leistungen von Erasmus+ ins Rampenlicht gerückt. Kaum eine Aktion hat so viele Personen bewegt wie das EU-Programm Erasmus+ und seine Vorgängerprogramme: Mehr als neun Mio. Menschen – darunter mehr als 240.000 Österreicher/innen – haben sich seit 1987 daran beteiligt, mehr als eine halbe Mio. Projekte wurden europaweit umgesetzt. Gefeiert wurde das Jubiläum heuer in allen 33 Programmländern. 31

Am 9. Mai luden die vier zuständigen österreichischen Bundesministerien gemeinsam mit den Trägerorganisationen OeAD-GmbH und Interkulturelles Zentrum zu einer Jubiläumsveranstaltung in die Wiener Sofiensäle. Beim Erasmus+ Tag am 10. Mai präsentierten eine Vielzahl von Einrichtungen in ganz Österreich ihre internationalen Aktivitäten. 4

Alle Bilder der Doppelseite © OeAD-GmbH | APA-Fotoservice/Hörmandinger

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Bild 1: Einführungsrunde mit Christina Engel-Unterberger (Interkulturelles Zentrum), Stefan Zotti (OeAD-GmbH), Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (BMB), SC Samo Kobenter (BMLS), SC Elmar Pichl (BMWFW) und Jugendministerin Sophie Karmasin (BMFJ)

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Bild 2: Kein EU-Programm ist so erfolgreich wie Erasmus+, das mit seinen Vorgängerprogrammen seit 30 Jahren für die internationale Verständigung durch gemeinsames Arbeiten und Lernen steht. Bild 3: Ali Mahlodji, Gründer von whatchado.com, erzählt über die Hindernisse während seiner Gründerphase und erinnert sich daran, dass die EU-Kommission »an mich geglaubt hat, als niemand an mich geglaubt hatte« und ihm eine Projektförderung gegeben hat. Eine Gebärdendolmetscherin begleitet die Veranstaltung. Bild 4: EU-Kommissar Johannes Hahn sprach von Erasmus+ als wertvolles Investitionsvehikel, das den Teilnehmer/innen und Europa gute »Renditen« bringt. Vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs sieht er das EU-Programm als Treiberkette für bessere Zusammenarbeit im Hochschulbereich.


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2 Bild 1 (v.l.): SC Elmar Pichl (BMWFW), Gerhard Moßhammer (Interkulturelles Zentrum), Christina Engel-Unterberger (Interkulturelles Zentrum), SC Samo Kobenter (BMLVS), Stefan Zotti (OeAD-GmbH), EU-Kommissar Johannes Hahn (Europäische Kommission), Sophie Karmasin (BMFJ), Sonja Hammerschmid (BMB) und Ernst Gesslbauer (OeAD-GmbH) Bild 2: Die Leiter der Erasmus+ Nationalagenturen Gerhard Moßhammer (Nationalagentur »Erasmus+: Jugend in Aktion« im Interkulturellen Zentrum) und Ernst Gesslbauer (Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeAD-GmbH) – im Bild mit Moderatorin Corinna Milborn – erzählen von ihren Erfahrungen in den vergangenen Jahren rund ums Erfolgsprogramm.

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Bild 3 (v.l.): Ali Mahlodji (whatchado.com), Wolfgang Stockinger (KADA), Simrit Sandhu (Kapsch Public TrafficCom GmbH), Corinna Milborn, Karin Bonelli (Wiener Philharmoniker), Nadja Bernhard (ORF), Kurt Wachter (fairplay Initiative) (vlnr) teilen ihre Erfahrungen mit dem beliebten Austauschprogramm. Bild 4: Allen Grund zum Feiern: Zwischen 2014 und 2016 sind insgesamt rund 83 Mio. Euro an EU-Fördermittel nach Österreich geflossen. Damit konnten in Österreich in den ersten drei Jahren von Erasmus+ über 50.000 Auslandsaufenthalte und knapp 1.600 Projekte gefördert werden.

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EU-Kommissar Johannes Hahn sprach von


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OeAD-Events

Veranstaltungskalender Der OeAD bietet Plattformen zur öffentlichen Diskussion rund um Mobilität und Internationalisierung. Details und Infos zur Anmeldung finden Sie unter www.oead.at/events.

14. November 2017 | Innsbruck Verein Multikulturell | Andreas-Hofer-Straße 45 | 6020 Innsbruck Migration und Integration im Fokus nachhaltiger Erwachsenenbildung Erwachsenenbildung ist für die Aufnahme und Integration von Menschen essentiell. Sie bietet die Chance, die Werte einer Gesellschaft kennenzulernen und will im Kontext der Migration und Integration die Weiterentwicklung jedes einzelnen vorantreiben. 14. bis 15. November 2017 | Salzburg Unipark Nonntal | Erzabt-Klotz-Straße 1 | 5020 Salzburg Hochschultagung 2017: OeAD und Erasmus+ Hochschule: Internationale Mobilität – Trends und Facetten Im Zentrum der Veranstaltung stehen Nutzen, Mehrwert und Auswirkungen von hochschulischer Mobilität – für Hochschuleinrichtungen als Institution, für ihre Mitarbeiter/innen und für die Studierenden. 17. bis 19. November 2017 | Graz Karl-Franzens-Universität | Universitätsplatz 3 | 8010 Graz 7. Österreichische Entwicklungstagung 2017: Sozialökologische Transformationen jetzt! Die Österreichische Entwicklungstagung widmet sich der Frage: Welche sozial-ökologischen Transformationen sind notwendig, um die nachhaltigen Entwicklungsziele umzusetzen? Am 17. November findet zudem die Verleihung des Österreichischen Preises für Entwicklungsforschung durch die Kommission für Entwicklungsforschung (KEF) aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) statt. 20. November 2017 | Wien Wirtschaftskammer Österreich | Wiedner Hauptstr. 63 | 1040 Wien New Skills »2 x 3 macht 4«

Die diesjährige New-Skills-Veranstaltung thematisiert »Aufholbedarf der MINT-Fächer – Wie können Bildung und Wirtschaft gemeinsam reagieren?« und befasst sich mit der Bedeutung von mathematischen und naturwissenschaftlich-technischen Kompetenzen in der heutigen und zukünftigen Arbeitswelt.

21. November 2017 | Wien Großer Festsaal der Univ. Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien Verleihung des Citizen Science Award 2017 Von 1. Mai bis 30. Juni 2017 waren Interessierte eingeladen, bei acht Citizen-Science-Projekten mitzuforschen. Im Rahmen der Festveranstaltung, zu der das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gemeinsam mit der OeADGmbH einlädt, werden die engagiertesten Schulklassen und Einzelpersonen mit Preisen ausgezeichnet. 28. November 2017 | Wien OeAD-Haus | Ebendorferstraße 7 | 1010 Wien Informationsveranstaltung »Citizen Science goes Horizon 2020 – Fördermöglichkeiten in 2018–2019« Das beim OeAD angesiedelte Zentrum für Citizen Science und die Östereichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) informieren gemeinsam zu Citizen Science Calls im Rahmen von »Science with and for Society« in Horizont 2020. Hierzu geben (Inter-)nationale Expert/innen Einblick in Ausschreibungsthemen, Einreichprozesse und Erfahrungen. 30. November 2017 | Wien Großer Festsaal der Univ. Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien Verleihung Erasmus+ Award 2017 Bildung Die österreichische Nationalagentur Erasmus+ Bildung vergibt zum dritten Mal den Erasmus+ Award und zeichnet damit Projekte von herausragender Qualität sowie außergewöhnlich engagierte Projektträger/innen aus.


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