oead.news 108 | 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

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1 Nummer 108 | März 2019

Doktoratsstipendien im Ausland

10 Jahre Marietta-BlauStipendium


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Inhalt Calice 03 Jakob Editorial

Zinner 04 Lucas Internationale Forschungserfahrungen:

Eva Müllner 24 Frauen in Österreichs Wissenschaft

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Pflichtprogramm für die Karriere

Ertl 06 Peter Hin und zurück: Eine nie enden wollende

Forschungsreise oead.news im Gespräch mit Barbara Weitgruber Ein Stipendium mit Mehrwert – das Marietta Blau-Stipendium

08

Panuschka | Petra Siegele 26 Ursula ... der OeAD macht wieder Schule!

28 Gemeinsam digitale Lernmittel gestalten

Plandor 29 Carina Das war der Citizen Science Award 2018

Schedl 10 Michael Das Marietta-Blau-Stipendium

Rudig 14 Stefanie Von Tolkiens Baum bis Mittelerde und wieder zurück

Spies 16 Martina Was wäre unsere Welt ohne Spielplätze?

Brunner 18 Lukas Extreme Hitzewellen und späte Kälteeinbrüche.

Ist das normal?

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Petra Sumasgutner Als Stadtökologin um die Welt

Die erste Rektorin der Fachhochschulen geht in Pension | NEU: Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten

Plandor 30 Carina Citizen Science Award 2019 Staber 32 Franziska Erasmus+ (2021–2027) Günther Jedliczka 34 Anerkennung für nachhaltiges Bauen Michlits | Cathrine Seidelberger 36 Rita Hochschulkooperationen regional, national

und international

Austria wird mit 1.1.2020 in die 38 KulturKontakt OeAD-GmbH integriert

Reisenbauer 22 Simon Inklusiver Unterricht in Äthiopien, Thailand und

Fulterer 23 InWerner besserer Gesellschaft: Der selbstgerechte Blick auf

40 European Forum Alpbach

Österreich

die Anderen

39 Veranstaltungskalender


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Jakob Calice

Internationale Forschungserfahrungen zu sammeln, gehört heute zum absoluten Pflichtprogramm einer wissenschaftlichen Karriere. Auslandsaufenthalte erweitern nicht nur den Horizont, eröffnen neue Perspektiven und tragen wesentlich dazu bei, neues fachspezifisches Wissen zu erwerben. Häufig wird ein wissenschaftlicher Auslandsaufenthalt mittlerweile als eine Grundvoraussetzung für eine fixe Anstellung an einer Universität verlangt. Mit dem Marietta-Blau-Stipendium für Doktoratsstudierende aus Österreich leistet der OeAD daher einen wichtigen Beitrag für die forschungsbezogene Mobilität am Anfang der wissenschaftlichen Karriere. Das diesjährige zehnjährige Jubiläum des Stipendienprogramms bietet daher einen guten Anlass, um über seine Wirkung zu reflektieren und in dieser Ausgabe der oead.news einige Stipendiatinnen und Stipendiaten mit ihren Erfahrungen zu Wort kommen zu lassen. Ihre Berichte lesen Sie auf den Seiten 14 bis 23. Nicht nur das Marietta-Blau-Stipendium feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen. Auch der OeAD in seiner heutigen Rechtsform als GmbH des Bundes wird 2019 zehn Jahre alt. Es freut mich daher ganz besonders, dass ich genau zu diesem Zeitpunkt die Leitung des OeAD übernehmen darf. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, wie erfolgreich diese zehn Jahre nicht nur für den OeAD selbst, auch für seine Wirkungsbereiche gewesen sind. Das zeigt sich an den sehr guten Bewertungen der Programmabwicklung – etwa des Erasmus+ Programms. Und man sieht es auch an dem gewachsenen Aufgabengebiet des OeAD, etwa im Bereich der Nationalen Koordinationsstelle für den Nationalen Qualifikationsrahmen oder die Schulprogramme

im Bereich »Young Science«. Gleichzeitig waren es zehn herausfordernde Jahre, weil sich der OeAD in seiner heutigen Form erst etablieren und konsolidieren musste. Mit der Integration von KulturKontakt Austria ab Jänner 2020 wird sich der OeAD einmal mehr weiterentwickeln. Er weitet dadurch sein Portfolio im Schulsektor um zwei zentrale Bereiche aus: Einerseits ist es eine inhaltliche Verbreiterung um die Vermittlung von Kunst und Kultur an Schulen – ein Bereich der zentral ist, wenn es darum geht, Schülerinnen und Schüler mit Kompetenzen des 21. Jahrhunderts auszustatten. Und zugleich bedeutet das eine regionale Ausweitung, weil dadurch mehrere Standorte am Westbalkan und in Osteuropa dazukommen, die hochgeschätzte Partner/innen in der Entwicklung der Bildungssysteme vor Ort sind. Der OeAD wird also noch mehr als bisher den gesamten Wissenschafts- und Bildungsstandort im Blick haben. Ein Bereich, der sich durch permanenten Wandel auszeichnet. Daher werden das sicherlich nicht die letzten Veränderungen gewesen sein. Aber bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre dieser OeAD-News. Jakob Calice

Impressum: Medieninhaber & Herausgeber: OeAD (Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft mit beschränkter Haftung | Austran Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH) | 1010 Wien, Ebendorferstraße 7 | T +43 1 534 08-0 | F DW 999 | info@oead.at | www.oead.at | Sitz: Wien | FN 320219 k | Handelsgericht Wien | Chefredaktion und für den Inhalt verantwortlich: Eva Müllner, unter Mitarbeit von Michael Schedl, KIM – Kommunikation, Information, Marketing | Schlussredaktion: Christian Jahn, Rita Michlits, Barbara Sutrich | Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Lukas Brunner, Jakob Calice, Peter Ertl, Werner Fulterer, Günther Jedliczka, Rita Michlits, Eva Müllner, Ursula Panuschka, Carina Plandor, Simon Reisenbauer, Stefanie Rudig, Michael­Schedl, Cathrine Seidelberger, Petra Siegele, Martina Spies, Franziska Staber, Petra Sumasgutner, Lucas Zinner | Grafisches Konzept: Fineline, erweitert Rita Michlits & Eva Müllner | Layout: Eva Müllner | Coverfoto: © Pixabay | Druck: AV+ASTORIA Druckzentrum GmbH | Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung | Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und müssen sich nicht mit der des Herausgebers decken. | P.b.b. | Erscheinungsort Wien | Verlagspostamt 1010 Wien | GZ: 02Z032 994M | Wien, März 2019 OFFENLEGUNG GEMÄSS § 25 MEDIENGESETZ: Unternehmensgegenstand: Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (§3. (2) OeAD-Gesetz) | Geschäftsführer: Jakob Calice | Prokurist: Ulrich Hörmann | Mitglieder des Aufsichtsrates: Edeltraud Hanappi-Egger, Hanspeter Huber, Teresa Indjein, Kurt Koleznik, Marlies Krainz Dürr, Harald Malainer, Bernhard Mazegger, Bernhard Muzik, Elmar Pichl, Franz Salchenegger, Barbara Sporn, Eva Weixler | Die OeAD-GmbH steht zu einhundert Prozent im Eigentum des Bundes (§1.(2) OeAD-Gesetz) | Grundlegende Richtung: Information zu Bildungsmobilität & Bildungskooperation – national und international

© Philipp Monihart, OeAD

Editorial


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Lucas Zinner

Internationale Forschungserfahrungen: Pflichtprogramm für die Karriere Die internationale Vernetzung in der Doktorand/innenausbildung ist besonders wichtig. Lucas Zinner leitet die Abteilung Forschungsservice und Nachwuchsförderung der Universität Wien. Nach einer Dissertation in Mathematik, drei Jahren Postdoc in Österreich und Schweden und einer zweijährigen Tätigkeit im FWF war er ab 2004 an der Universität Wien mit dem Aufbau einer zentralen Einheit für Forschungsdienstleistungen und Technologietransfer beschäftigt. Er war am Reorganisationsprozess der Doktorand/innenausbildung in Europa und an der Universität Wien beteiligt und baute dort 2008 das Doktorand/innenzentrum auf. Im Jahr 2017 gründete er die PRIDE Network Association for Professionals in Doctoral Education und ist aktuell Vorsitzender des Vorstands.

Die stetig zunehmende Internationalisierung im Hochschulbereich schafft gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs neue Chancen und Vorteile, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich. Dazu konstatieren Bhandari & Blumenthal (2009), dass die internationale akademische Mobilität jener Aspekt der Internationalisierung ist, der sich am stärksten in Bezug auf seinen Umfang und seine Auswirkung bemerkbar macht. Mobilität ist im Wissenschaftsbetrieb freilich nichts Neues. Studierende und Wissenschaftler/innen sind seit Jahren, ja seit Jahrhunderten mobil. Wie Musselin (2004, S. 55) schreibt: »Die akademische Mobilität hat in Europa eine lange Tradition, die mit der Gründung der europäischen Universitäten im Mittelalter begann« (eigene Übersetzung). Das Aufkommen der Globalisierung, gemeinsam mit dem Bolognaprozess in Europa und den damit verbundenen Politiken haben aber die Nachfrage nach und die Bedeutung der Mobilität von Studierenden wesentlich verstärkt. Speziell auf Bachelor- und Masterebene kann Europa stolz auf sein Erasmus-Programm sein. Seit 1987 konnten mehr als vier Mio. Studierende dank Erasmus international akademische Erfahrungen sammeln können. Dass internationale Vernetzung auch besonders in der Doktorandenausbildung wichtig ist, sei es durch Forschungsaktivitäten in internationalen Konsortien, in Form von Doppel- und Joint-DegreeProgrammen oder selbstorganisierten Forschungsaufenthalten im Ausland, ist auch in den Principles for Innovative Doctoral Training (EU, 2011) festgeschrieben. Als anerkanntes Referenzdokument hat dieses für Ministerien, Fördereinrichtungen und Universitäten gleichermaßen Bedeutung. Zahlen zu den Mobilitäten im Doktorat, aber auch Studien zu den Vor- und Nachteilen, die mit den längeren Aufenthalten an einer ausländischen Universität im Rahmen des Doktorats verbunden sind, sind weniger leicht greifbar. Dies hängt sicher damit zusammen, dass derartige Mobilitäten weniger mithilfe festgeschriebener Kooperations-

vereinbarungen stattfinden, sondern vielmehr der Logik wissenschaftlicher Kooperationen folgen und oft von den Doktorand/innen selbst, idealerweise unterstützt von ihren Betreuer/innen organisiert werden. Umso wichtiger wäre es, mehr Forschung zu den tatsächlichen Erfahrungen mit Auslandsaufenthalten von Doktorand/innen durchzuführen und Daten verfügbar zu haben, die den Impact solcher Mobilitäten auf künftige Karrierewege aufzeigen, um die verbreitet positiven Assoziationen, die in der Regel anekdotischen Charakter haben, mit harten Daten abzugleichen. Eine Studie (Kyvik et al, 1999) aus Norwegen aus dem Jahr 1999 zeigte, dass die Vorteile im Zusammenhang mit solchen Aufenthalten bei weitem überwiegen. Schwierigkeiten wie Verzögerungen bei der Arbeit an der Dissertation, schlechte Einbettung in die ausländischen Institutionen oder familiäre und soziale Probleme sollten aber nicht ausgeblendet werden. Um Mobilitätshindernisse abzubauen (vgl. dazu Netz et al, 2017) und Nachteile abzufedern, braucht es auf Ebene der Institutionen sowohl bei den sendenden als auch empfangenden Einrichtungen mehr Unterstützung in der Vorbereitung und Planung, Durchführung und wohl auch in der Nachbereitung der Mobilität. Um Auslandserfahrungen aber für viele Doktorand/innen in Österreich überhaupt erst zu ermöglichen, braucht es Förderagenturen und Programme wie das Marietta-Blau-Stipendium des OeAD, welches junge Wissenschaftler/innen auch finanziell bei längeren Aufenthalten an einer ausländischen Universität oder bei internationalen Forschungsaktivitäten unterstützt und damit erst die Basis für eine erfolgreiche Mobilität schafft. Ein zweiter positiver Effekt des Stipendiums ist auch sein kompetitiver Charakter, bringt doch das Stellen von Anträgen wertvolle Erfahrungen und erfolgreiche Bewerbungen Pluspunkte für die weitere Karriere. Die internationale Mobilität bringt auf unterschiedlichsten Ebenen vielfältige Vorteile. Auf individueller Ebene kann sie dazu beitragen, dass Dokto-


5 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

© Jan Botha

Lucas Zinner: »Leider gibt es kaum Forschung zu den tatsächlichen Erfahrungen mit Auslandsaufenthalten von Doktorand/innen, um den Impact solcher Mobilitäten – mit allen Pros und Contras – auf künftige Karrierewege aufzuzeigen.«

rand/innen dank ihrer internationalen Vernetzung in ihrer Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung und für ihre jeweiligen Karrieren gestärkt werden. Dies bestätigt beispielhaft Gerlinde Steininger, Doktorandin an der Universität Wien, die dank eines Marietta-Blau-Stipendiums des OeAD am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Justus-Liebig-Universität Gießen forschte, in einem Interview mit dem Doktorand/innenzentrum der Universität Wien, wenn sie sagt: »Ich habe auf sehr vielfältige Weise von meinem Aufenthalt in Gießen profitiert. […] Wertvoll war für mich insbesondere auch das Feedback der Expert/innen und promovierenden Kolleg/innen zu meinem Projekt. Der Aufenthalt war nicht nur der Weiterentwicklung meines Projekts förderlich, sondern auch meiner persönlichen Entwicklung als Wissenschaftlerin – ein Doktoratsstudium umfasst weitaus mehr als das Verfassen einer Dissertation.« Studien legen nahe, dass internationale Mobilität oft auch mit einer Erhöhung der wissenschaftlichen Produktivität einhergehen (vgl. IDEA Consult, 2013). International engagierte Doktorand/innen reifen als Persönlichkeiten und bekommen dank ihrer Erfahrung eine globale Perspektive zur Produktion, zum Austausch und zum Transfer von Wissen. Zusätzlich bereichert die akademische Mobilität die persönlichen Erfahrungen der Doktorand/innen, indem sie interkulturelles Bewusstsein und ein tieferes Verständnis für das akademische Arbeitsumfeld entwickeln. Auch gilt die physische internationale Mobilität als Katalysator für den individuellen beruflichen Erfolg. Wegen dieser möglichen Vorteile braucht es Programme wie das Marietta-Blau-Stipendium, damit zukünftige Forscher/innen bereits in ihrer wissenschaftlichen Qualifizierungsphase, also dem Doktorat, Auslandserfahrung sammeln. Auf institutioneller Ebene erhalten die Universitäten nicht nur durch die internationale Mobilität ihrer Doktorand/innen globale Bekanntheit und neue akademische Kooperationspartner, sondern profitieren auch von international vergleichenden Perspektiven, neuen

Methoden oder aktuellen Forschungsansätzen, die die zu ihren Heimatinstitutionen zurückkehrenden Doktorand/innen mitbringen. Aus nationaler Perspektive leistet die akademische Mobilität »einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung und zur Stärkung des Wissenschafts-, Forschungs- und Wirtschaftsstandorts Österreich«, wie im Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan 2019–2024 (S. 33) nachzulesen ist. Aber auch in der transnationalen Wissenschaftspolitik nimmt die internationale Mobilität eine Schlüsselrolle ein, weil sie Wissenstransfers zwischen Volkswirtschaften befördert und damit deren Innovationsfähigkeit stärkt. Das Marietta-Blau-Stipendium des OeAD erfüllt somit aus unterschiedlichsten Betrachtungswinkeln eine wichtige Rolle, auf Individualebene für den wissenschaftlichen Nachwuchs, auf struktureller Ebene für den Wissensstandort. In diesem Sinne sind dem Programm mehr Mittel und mehr Nachfrage zu wünschen, um mehr Doktorand/innen internationale Forschungserfahrungen zu ermöglichen und Österreichs Universitäten durch deren Erfahrungen reicher zu machen. Bhandari, R., & Blumenthal, P. (2009): Global student mobility: Moving towards brain exchange. Higher education on the move: New developments in global mobility, S. 1–14 IDEA Consult et al. (2013): Support for continued data collection and analysis concerning mobility patterns and career paths of researchers. Final report MORE2, Brüssel Kyvik, S., Karseth, B., & Blume, S. (1999): International mobility among Nordic doctoral students. Higher Education, 38(4), S. 379–400 Musselin, C. (2004): Towards a European academic labour market? Some lessons drawn from empirical studies on academic mobility. Higher Education, 48(1), S. 55–78 Netz, N., Schirmer, H., für Hochschul, D. Z., & Laube, L. (2017): Internationale Mobilität von wissenschaftlichem Nachwuchs (Begleitstudie B6). Studien im Rahmen des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017

Um Auslandserfahrungen für Doktorand/innen in Österreich überhaupt erst zu ermöglichen, braucht es Förderagenturen und Programme wie das Marietta-BlauStipendium des OeAD.


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Peter Ertl

Hin und zurück: Eine nie enden wollende Forschungsreise »Meine Auslandsaufenthalte haben mich als Mensch verändert und als Forscher geprägt.«

Peter Ertl studierte Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien, absolvierte sein Doktorat in Chemie an der University of Waterloo, Kanada und verbrachte mehrere Jahre als Postdoc an der University of California in Berkeley. Nach dem Aufbau eines Biotech-Start UpUnternehmens kehrte Ertl 2005 nach Österreich zurück, wo er als Senior Scientist am Austrian Institute of Technology Lab-ona-Chip-Systeme entwickelte. Wissenschaftliche Aufenthalte an der UC Berkeley, Nanyang Technological University in Singapur und am Medical Center UC San Francisco sowie eine Habilitation im Fachbereich Nanobiotechnologie folgten. Sein Fachgebiet an der Technischen Universität Wien umfasst die Entwicklung von Lab-on-a-Chip-Technologien für die Biowissenschaften. Ertl ist Mitglied von Ascina (www.ascina. at), dem Netzwerk österreichischer Wissenschaftler/innen in den USA, Kanada und Mexiko.

Als ich mich nach meinem Diplomstudium in Wien auf den bevorstehenden Wechsel nach Kanada vorbereitete, um an einem internationalen Ph.D.-Programm teilzunehmen, ahnte ich noch nicht, dass mich dieser Entschluss über den Zeitraum von 20 Jahren an vier Universitäten in vier Ländern und durch drei Kontinente führen sollte. Ich erinnere mich noch gut an die Freude, das rigide Aufnahmeverfahren der kanadischen Universität positiv abgeschlossen zu haben, aber auch an die Unsicherheit, ob ich die zusätzliche finanzielle Belastung und die akademischen sowie sozialen Herausforderungen bestehen werde. Damit meine ich sowohl den Verlust der sozialen und finanziellen Sicherheit als auch die auf Konkurrenz basierende nordamerikanische Forschungsstruktur, in der ein Studienabbruch ein reales Szenario darstellte. Ohne ein zweijähriges Doktoratsstipendium vom Ministerium hätte ich wohl den Sprung über den Atlantik nicht gewagt, um mich in einem vierjährigen Doktoratsprogramm zu bewähren. Rückblickend kann ich feststellen, dass wir an Österreichs Hochschulen eine sehr gute und fundamentale Ausbildung genießen, die jungen Forscher/innen definitiv das Rüstzeug mitgibt, um in Europa, Asien und Nordamerika erfolgreich zu sein. Im Zuge meiner Forschungsaufenthalte konnte ich viele junge österreichische Wissenschaftler/innen kennenlernen, die sich in der amerikanischen Forschungsszene sehr erfolgreichen durchsetzen. Obwohl der Weg zu einer Dissertation in Nordamerika in vielen Aspekten unterschiedlich ist, bin ich fest davon überzeugt, dass das Niveau in Österreich durchaus vergleichbar ist. Ob die Dissertation an einer renommierten ausländischen Universität letztendlich die Qualität meiner Forschungsarbeiten an der Technischen Universität Wien verbessert hat, möchte ich daher nicht kommentieren, da ich großartige wissenschaftliche Leistungen bei meinen Kolleg/innen hier in Österreich sehe. Es ist aber

doch so, dass meine Auslandsaufenthalte mich als Mensch verändert und als Forscher geprägt haben. Sich ständig mit den Besten messen zu müssen, ein soziales und wissenschaftliches Netzwerk von Grund auf aufzubauen, Geduld und Arbeitswillen aufzubringen sowie kulturelle bzw. sprachliche Toleranz zu üben, hat mich sicher offener, wettbewerbsorientierter und kommunikationsfreudiger gemacht. Meine erworbene globale Kompetenz und Netzwerkfähigkeiten haben sich durchaus positiv auf meine Forschungskarriere ausgewirkt und zu einer besseren Positionierung im internationalen wissenschaftlichen Arbeitsumfeld geführt. Ich spüre heute noch eine gewisse Rastlosigkeit und den Wunsch nach weiteren Forschungsaufenthalten sowie ein Interesse an Interdisziplinarität, was sich mittlerweile zum Innovationsmotor meiner Forschungstätigkeiten entwickelt. Da akademische und industrielle Forschung immer »globalisierter« wird und wissenschaftliche Kooperation sich zusehends in transnationalen Netzwerken organisiert, müssen heimische Forscher/innen zukünftig einen noch höheren Grad an Flexibilität und Mobilität zeigen. Das bedeutet, dass Akademiker/innen viel früher in ihrer Karriere global gültige Kompetenzen erlangen sowie ein internationales Netzwerk aufbauen müssen, um sich an transnationalen Forschungsaktivitäten beteiligen zu können. Eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber diesen internationalen akademischen Trends ist schon seit Jahren in Österreich erkennbar, da sich Universitäten, Fördergeber und Ministerien intensiv mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen auseinandersetzen, damit junge Forscher/innen erfolgreich international arbeiten können. Neben einer finanziellen Absicherung eines Forschungsaufenthalts für Nachwuchswissenschaftler/innen mittels Förderprogramme benötigen wir, meiner Meinung nach, weitere Anreize, um die Mobilität unserer Diplomand/innen,


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Dissertant/innen und Postdocs zu erhöhen. Dass finanzielle Aspekte nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist besonders an der geringen Zahl von Studierenden aus den MINT-Fächer ersichtlich, die sich für einen Auslandsaufenthalt interessieren und sich für ein Auslandsstipendium bewerben. Ähnliches wird auch an der Technischen Universität Wien beobachtet, wo die Zahl der Outgoing-Erasmusstudierenden im einstelligen Prozentbereich liegt und der Anteil der Incoming-Erasmusstudierenden mittlerweile massiv überwiegt. Diese Schieflage deutet einerseits auf ein gutes Ausbildungsniveau in Österreich hin und andererseits auf fehlende Anreize für Studierende, einen Auslandsaufenthalt während des Studiums zu planen. Offensichtlich sind sich unsere Studierenden über die vielfältigen Vorteile eines Auslandsaufenthalts nicht bewusst oder sehen diesen als unnötige Zusatzbelastung, die zu einer potenziellen Verzögerung ihres Studiums führen könnte. In vielen Gesprächen mit meinen Studierenden wurden mir auch die logistische Organisation des Auslandsaufenthalts und familiäre Hindernisse bzw. partnerschaftliche Beziehungen als Hinderungsgrund genannt. Möchte man den Anteil der mobilen Studierenden in Österreich erhöhen, so müssen die Maßnahmen in den technischen Fächern weitreichender als z. B. die Verbesserung der finanziellen Ausstattung sein. Es gibt zweifelsohne ein mangelndes Bewusstsein, dass fachbezogene Auslandsaufenthalte und postgraduale Studien wichtige Grundsteine für einen erfolgreichen Berufseinstieg und eine wissenschaftliche Kariere darstellen. Tatsache ist aber auch, dass Absolvent/innen von MINT-Fächer für den beruflichen Einstieg noch keine Auslandserfahrungen benötigen, wie sich aus den Berufseinstiegschancen leicht erklären lässt. Hier fehlt neben dem beruflichen Druck, da es offensichtlich zurzeit ein adäquates Angebot an qualitativen technischen Stellen gibt, auch das

nötige Wissen über die potenziellen Vorteile von Auslandsaufenthalten und internationalen Netzwerken. Um die Internationalisierungswilligkeit unserer Studierenden und Nachwuchswissenschaftler/innen zu forcieren, muss es einen breiten Dialog mit allen an Internationalisierung interessierten Personen von akademischen Institutionen und Industrievertreter/innen geben, da offensichtlich Förderprogramme alleine nicht ausreichen. Aus meiner Sicht ist die gesellschaftliche Erwartungshaltung an Studierende, sich international zu profilieren, noch viel zu gering. Den Studierenden werden die positiven Langzeitfolgen eines Auslandsaufenthalts zu wenig vermittelt. Fairerweise muss ich abschließend auch anerkennen, dass es seitens der Lehrenden, Eltern und Studierenden kaum ein Interesse bzw. Raum gibt, um über das Thema Internationalisierung, Forschungsaufenthalte und akademische Mobilität zu diskutieren. Um das Verhalten von Studierenden maßgeblich zu verändern, benötigt es neben Richtlinien, Förderprogrammen und Bewusstseinsbildung auch greifbare Anreize, die z. B. Studienabschluss, Berufseinstieg und Karriereschritt vereinfachen.

»Um die Internationalisierungswilligkeit unserer Studierenden und Nachwuchswissenschaftler/innen zu forcieren, muss es einen breiten Dialog mit allen an Internationalisierung Interessierten aus Forschung und Industrie geben.«

© Gianmaria Gava | OeAD

© ertl

»Es gibt zweifelsohne ein mangelndes Bewusstsein, dass fachbezogene Auslandsaufenthalte und postgraduale Studien wichtige Grundsteine für einen erfolgreichen Berufseinstieg und eine wissenschaftliche Kariere darstellen.«


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oead.news im Gespräch mit Barbara Weitgruber

Ein Stipendium mit Mehrwert Das Marietta-Blau-Stipendium ist ein Beitrag zum Europäischen Forschungsraum.

»Die Attraktivität von Auslandsaufenthalten während des Studiums ist generell ungebrochen«, sagt Mag. Barbara Weitgruber MA, Leiterin der Sektion Wissenschaftliche Forschung und internationale Angelegenheiten im BMBWF.

oead.news: Seit zehn Jahren vergibt der OeAD im Auftrag des BMBWF das Marietta-Blau-Stipendium. Sind Sie mit der Entwicklung des Stipendiums zufrieden? Werden die Förderziele des Programms erreicht? Barbara Weitgruber: Das Programm wurde – wie auch die stabilen Bewerbungszahlen zeigen – sehr gut angenommen. Und die Qualität der Anträge ist erfreulich hoch – das bestätigen uns die großteils hervorragenden Bewertungen der Projekte im Rahmen der Fachgutachten. Die Abschlussberichte zeigen ganz klar, dass diese gezielten Auslandsaufenthalte einen deutlichen Mehrwert nicht nur für die Dissertation selbst, sondern auch hinsichtlich Vernetzung und Anbahnung von wissenschaftlichen Kooperationen bringen. Im Beobachtungszeitraum von zehn Jahren konnten wir auch sehen, dass das Marietta-Blau-Stipendium dazu beigetragen hat, zeitliche und denkerische Freiräume zu schaffen, die im Forschungsalltag oft nur eingeschränkt verfügbar sind. Schließlich hat sich auch gezeigt, dass sich für viele unserer Marietta-Blau-Stipendiatinnen und -Stipendiaten aufgrund ihres Stipendienaufenthalts Angebote für anschließende Forschungsbzw. Lehrtätigkeiten ergeben haben. Der Wert des Stipendiums reicht demnach weit über das Doktoratsstudium hinaus, in vielen Fällen in Richtung internationale wissenschaftliche Karriere. oead.news: Was die Auslandsmobilität der österreichischen Studierenden und Forscher/innen betrifft, gibt es sicher noch Luft nach oben. Was muss getan werden, um die Attraktivität eines Auslandsaufenthalts für Doktoratsstudierende zu steigern? Barbara Weitgruber: Die Attraktivität von Auslandsaufenthalten während des Studiums ist generell ungebrochen, das zeigen die beeindruckenden und noch immer wachsenden Zahlen von Erasmus+, sowohl hinsichtlich der Partizipation als auch des Budgets. Wer sich um ein Marietta-BlauStipendium bewirbt, war in der Regel bereits mit Erasmus bzw. Erasmus+ mobil. Zudem darf man

© OeAD | APA-Fotoservice, Scjedl

Interview: Eva Müllner

nicht übersehen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Doktoratsstudierenden an österreichischen Universitäten aus dem Ausland kommt – d. h. sie sind schon durch ihre Entscheidung, an einer österreichischen Universität ein Doktoratsstudium zu absolvieren, mobil geworden. Es gibt viele Faktoren, die die Mobilität erschweren – persönliche, familiäre, finanzielle oder auch strukturelle. Um zusätzlich zum finanziellen Aspekt das Mobilwerden im Rahmen eines Marietta-Blau-Stipendiums zu erleichtern, ist das Stipendium flexibel gestaltet, sodass die Konsumation z. B. zeitlich aufgeteilt werden und so bestmöglich in das Doktoratsstudium bzw. in die unterschiedlichen Lebensrealitäten integriert werden kann und mit möglichen beruflichen Verpflichtungen kompatibel bleibt. oead.news: Viele Doktorand/innen – und das sehen wir auch bei den Marietta-Blau-Stipendiat/innen – finden nach dem Studium keine weiterführende Postdoc-


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© Bonnie Henders | MorgueFile

Nachhaltige Entwicklung und Bildung

Stelle an österreichischen Universitäten. Einige nehmen Postdoc-Stellen im Ausland an, andere verlassen nach dem Doktorat die akademische Community. Welche Maßnahmen wären notwendig, um österreichische Absolvent/innen mit ihrer Auslandserfahrung an den heimischen Universitäten zu halten? Barbara Weitgruber: Seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags 2009 ist der Europäische Forschungsraum (EFR) ein vertragliches Ziel der Europäischen Union, festgelegt im Artikel 179 Absatz 1 AEUV. Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, zur Verwirklichung dieses Europäischen Forschungsraums beizutragen. Eine wichtige Säule des EFR ist die Freizügigkeit von Forschenden, wodurch ein offener Arbeitsmarkt für Forschende entsteht. Karrieren von Forschenden sind davon geprägt, an unterschiedlichen Hochschul- und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland Erfahrungen zu sammeln. Wichtig ist, dass es im Sinne von Brain Circulation ein ausgewogenes Verhältnis von abund zuwandernden Forschenden gibt. Darüber hinaus stehen Forschenden vielseitige Perspektiven offen – Karrieren in Wissenschaft und Forschung, universitär und außeruniversitär, in Unternehmen oder als Gründerinnen und Gründer. oead.news: Manche Stimmen meinen, Österreich investiere zu wenig in Forschung und sehen wenig Karriereperspektiven für Jungwissenschaftler/innen. Sehen Sie das auch so und was kann diese Situation verbessern? Barbara Weitgruber: Ganz im Gegenteil – Österreich investiert sehr viel in F&E – mit einer For-

schungsquote von 3,19 Prozent im Jahr 2018 liegen wir nicht nur über den in der EU bis 2020 angestrebten drei Prozent, sondern nach Schweden auf dem zweiten Platz in der EU. Was Karriereperspektiven in Österreich betrifft, möchte ich vor allem auf die Weiterentwicklung der Karrieremodelle an den Universitäten und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, den Auf- und Ausbau der IST Austria sowie die Steigerung des Budgets für die Universitäten im Rahmen der Leistungsvereinbarungen von 2019–2021 und die dadurch in Lehre und Forschung entstehenden Perspektiven hinweisen. oead.news: Es gibt seitens der österreichischen Universitäten und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen großteils eigene Stipendien und Förderungen für Doktorand/innen. Welche Bedeutung hat daher ein für alle Disziplinen offenes Stipendium wie Marietta Blau? Barbara Weitgruber: Als wir das Programm konzipierten, holten wir auch Feedback der Universitäten ein. Diese bestätigten unsere Wahrnehmung, dass es zu der Zeit eine Förderlücke im Bereich der Outgoing-Mobilität für Doktoratsstudierende gab. Selbstverständlich beobachten wir weiterhin die Entwicklungen an den Universitäten sowie die Angebote der Fördergeber – national und europäisch – im Sinne eines möglichst optimalen Systems der Unterstützung von Doktorandinnen und Doktoranden. Die Förderung internationaler Mobilität während eines Doktoratsstudiums in Österreich hat sich jedenfalls als attraktiv und relevant erwiesen.

Karrieren von Forscher/innen sind davon geprägt, an unterschiedlichen Hochschulund Forschungseinrichtungen im In- und Ausland Erfahrungen zu sammeln.


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Michael Schedl

Das Marietta-Blau-Stipendium Das OeAD-Stipendium für österreichische Doktoratsstudierende feiert das zehnjährige Bestehen.

10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium Vor zehn Jahren im Herbst 2009 wurde zum ersten Mal das Marietta-Blau-Stipendium durch den damaligen Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Dr. Johannes Hahn, ausgeschrieben. Das Programm feiert damit heuer sein zehnjähriges Bestehen, neben dem Ministerium und den Universitäten war der OeAD von Anfang an in die Konzipierung des Programms eingebunden und ist seit damals mit der administrativen Abwicklung beauftragt. Beim ersten Einreichtermin für das Stipendium am 1. Februar 2010 gingen bereits 19 Anträge über die OeAD-Online-Einreichung ein. Neun Stipendien wurden von dieser ersten Runde für Auslandsaufenthalte im Studienjahr 2010/11 vergeben. 19 Antragsrunden und zehn Jahre später blicken wir auf ein erfolgreiches und gut angenommenes Stipendienprogramm zurück. 325 Personen konnten mit dem Stipendienprogramm einen Forschungsaufenthalt im Rahmen des Doktoratsstudium absolvieren, insgesamt hat die OeAD-GmbH über 3.000 Stipendienmonate ausbezahlt und administriert. In den nachfolgenden Artikeln wollen wir die Bedeutung dieses Outgoing-Programms für österreichische Doktoratsstudierende hervorheben, aber vor allem unsere MariettaBlau-Stipendiatinnen und -Stipendiaten mit ihren Berichten zu den Aufenthalten in den Mittelpunkt stellen (siehe S. 20–29). Michael Schedl ist stv. Leiter des Zentrums für Internationale Kooperation und Mobilität bei der OeAD-GmbH und u. a. für das Marietta-BlauStipendium zuständig.

Jedes Jahr um Weihnachten und kurz vor dem Sommerbeginn herrscht ein nervöses Treiben im Wartebereich des 3. Stocks im OeAD-Haus. Es ist der halbjährliche Höhepunkt der Auswahlphase für das Marietta-Blau-Stipendium, angespannt warten die einzelnen Kandidaten und Kandidatinnen auf ihre Stipendieninterviews. Alle Antragstellerinnen und Antragsteller, deren Anträge die bisherigen formalen und fachlichen Prüfungen erfolgreich bestanden haben, werden zu zwanzigminütigen Einzelgesprächen mit einer Kommission eingeladen, bei denen sie ihr Thema nochmals kurz vorstellen und Fragen zu ihrem beantragten Auslandsvorhaben beantworten. Dieser letzte Schritt der Auswahlphase jeder Antragsrunde ist auch für uns im OeAD – in unserer Rolle als Administratoren und Moderatoren der Interviews – jedes Mal ein Höhepunkt unserer Arbeit. Wir kennen

die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten aus diversen Informationsveranstaltungen, aus Telefonaten und Beratungsgesprächen bzw. durch ihre schriftlichen Antragsunterlagen und fiebern daher dementsprechend mit. Beeindruckend sind jedes Mal die hervorragenden Dissertationskonzepte österreichischer Doktoratsstudierender, vor allem die Bandbreite der Forschungsvorhaben und die spannenden Forschungsthemen begeistern. Internationale und fachliche Vernetzung Das Marietta-Blau-Stipendium ist ein vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung finanziertes Stipendienprogramm. Ziel der Förderung ist es, Doktoratsstudierende österreichischer Universitäten bei längeren Forschungsvorhaben im Ausland zu unterstützen, ihre Dissertationsvorhaben zu verbessern und die eigenen wissenschaftlichen Interessen zu steigern. Die Doktoratsstudierenden sollen dabei erste Erfahrungen in einem internationalen Forschungsumfeld sammeln können und dadurch auch ihre Berufschancen optimieren. Von der internationalen und fachlichen Vernetzung der Doktorandinnen und Doktoranden im Ausland profitieren in weiterer Folge auch ihre Institute an den österreichischen Heimatuniversitäten. Weltweite Forschungsnetzwerke und Partnerschaften können so von den Universitäten initiiert, ausgebaut und verstärkt werden. Das Programm feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen, die OeAD-GmbH war von Anfang an in die Konzipierung des Programms eingebunden und ist mit der administrativen Abwicklung beauftragt. Um die strategischen Ziele zu erreichen, bietet das Stipendium bei einer Aufenthaltsdauer zwischen sechs und zwölf Monaten den Studierenden größtmögliche Flexibilität. Die Bewerbung steht allen PhD-Studierenden an österreichischen


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Marietta Blau, Pionierin der Kernphysik

© CC BY-NC-ND 4.0

akkreditierten Hochschulen mit Doktoratsstudium offen und hat keine Schwerpunktsetzung bezüglich Studienfächer. Weiters können die Ziel- bzw. Gastinstitutionen im Ausland frei gewählt und dem Forschungsvorhaben entsprechend ausgesucht werden, bzw. kann das Stipendium zudem auch für Feldarbeit im Ausland genutzt werden, eine Anbindung an eine Gastuniversität ist dabei nicht zwingend vorgeschrieben. Auch muss sich der Aufenthalt nicht an bestehenden Partnerverträgen der Heimatuniversitäten orientieren und kann auf mehrere Zielinstitutionen bzw. Gastländer aufgeteilt werden. Das Stipendienkontingent ist offen: Es gibt keine fixe Zuerkennungsquote, das Auswahlverfahren orientiert sich an der Qualität der jeweiligen Anträge. In der Regel konnten in der Vergangenheit mit dem vorhandenen Budget alle als sehr gut bzw. ausgezeichnet eingestuften Anträge auch gefördert werden. Die Förderquote hat sich in den letzten Studienjahren bei ca. 45 Prozent eingependelt, im laufenden Studienjahr 2018/19 wurden von 92 Anträgen 41 Vorhaben als förderwürdig eingestuft.

Am 8. November 2004 wurde an der Fassade des Gymnasiums Rahlgasse in 1060 Wien eine Gedenktafel enthüllt. Sie erinnert an die jüdische Physikerin Marietta Blau, die an diesem Gymnasium maturierte.

© Eva Müllner

© Eva Conners | TU Wien

Marietta Blau (1894–1970) studierte an der Universität Wien Physik und Mathematik. Bis 1938 arbeitete sie als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und absolvierte Forschungsaufenthalte in Deutschland und Frankreich. Als sie vor dem Nationalsozialismus flüchten musste, ging sie zunächst nach Oslo. Albert Einstein vermittelte sie wenig später an die Technische Hochschule in Mexiko-Stadt, von wo sie 1944 in die USA übersiedelte. 1960 kehrte Marietta Blau nach Wien zurück und erhielt 1962 den Erwin-Schrödinger-Preis. Ihr ganzes Leben widmete diese hochbegabte österreichische Wissenschaftlerin der Spitzenforschung, in Summe wurde sie dreimal für den Nobelpreis vorgeschlagen. Durch dieses Stipendienprogramm soll Marietta Blau für ihre herausragenden wissenschaftlichen Verdienste und Leistungen geehrt werden.

Im 22. Gemeindebezirk in Wien wurde eine Gasse nach Marietta Blau benannt, 2004 wurde eine Erläuterungstafel dazu angebracht. Die Tafel ehrt Blau als Physikerin, lässt jedoch ihre Verfolgung aus antisemitischen Gründen und Vertreibung ins Exil während des nationalsozialistischen Regimes unerwähnt. Als Jüdin musste Marietta Blau mit dem Einmarsch der deutschen Truppen Österreich und das Radiuminstitut, in dem sie fünfzehn Jahre lang gearbeitet hatte, im März 1938 verlassen.

21+34+46+35+46+34+30+38+41 Anzahl der zuerkannten Stipendien pro Studienjahr

46

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21

46

35

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38

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2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 2016/2017 2017/2018 2018/2019


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Zahlen und Fakten. Das Marietta-Blau-Stipendium 2009–2019 (Quelle: OeAD, Stand 2018)

Anzahl der zuerkannten Stipendien:

325 Anzahl der zuerkannten Stipendienmonate:

Ausbezahlte Fördersumme bisher: über

3.030 (252 Jahre)

3.800.000 Euro

Marietta-Blau-Stipendium – Key Facts Zielgruppe: exzellente Doktorandinnen und Doktoranden österreichischer Universitäten Förderart: Auslandsstipendium Zielländer: weltweit Dauer: sechs bis zwölf Monate Stipendienbeitrag: bis zu 1.500 Euro pro Monat Kontingent: offen Einreichtermine: zwei Einreichtermine pro Jahr Antragsstellung und Ausschreibung: www.grants.at Weitere Informationen: www.oead.at/marietta-blau

Top zehn Universitäten

Nach Fachbereichen Geisteswissenschaften

148

Sozialwissenschaften

57

Naturwissenschaften

47

Technische Wissenschaften

42

Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften

20

Kunst Agrarwissenschaften, Veterinärmedizin

9 2

Universität Wien

152

Universität Innsbruck

41

Universität Graz

30

Technische Universität Wien

19

Medizinische Universität Wien

11

Universität für Bodenkultur Wien

11

Medizinische Universität Graz

10

Akademie der bildenden Künste Wien

9

Johannes Kepler Universität Linz

9

Universität Salzburg

7


13 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

Marietta-Blau-Stipendiatinnen und -Stipendiaten und ihre häufigsten Zielländer

– Schweden – Kanada

– UK

– Russische Föderation

– Dänemark – Niederlande

– USA – Deutschland – China

– Frankreich – Schweiz – Spanien – Mexiko – Costa Rica

– Italien

– Ungarn

– Indien

– Serbien – Libanon – Israel

– Ecuador – Brasilien

– Kenia

– Chile

– Thailand – Indonesien

– Australien

– Mosambik – Madagaskar – Südafrika

– Argentinien

– Japan – Korea Republik

– Neuseeland

Rückmeldung unserer OeAD-Stipendiat/innen Nach Beendigung des jeweiligen Stipendienaufenthalts werden alle Stipendiat/innen eingeladen, anonym Feedback zu ihrem Aufenthalt und zur Betreuung seitens der OeAD-GmbH im Rahmen einer OnlineUmfrage zu geben.

»Das Marietta-Blau-Stipendium ist weiblich«

63+37+

205 weiblich 63 % 120 männlich 37 %

»Ohne diesen Aufenthalt und das Stipendium wäre es mir finanziell und logistisch kaum möglich gewesen, meine Feldforschung in Ecuador durchzuführen. Ich wirkte an einer interdisziplinären Forscher/innengruppe mit, hatte mir diese Mitarbeit jedoch selbst organisiert. Auch meine Aufenthalte im Amazonasgebiet organisierte ich eigenständig. Ich glaube aber, dass meine Arbeit hier einen Sonderfall darstellt, weil ich weniger universitär verankert war, sondern viel mehr im Feld geforscht habe. Ich bin dankbar über die Möglichkeit, meine Forschung durch das Stipendium so gestalten zu können, wie ich sie für optimal halte und habe einen reichen Erfahrungsschatz gewonnen.« »Die Entscheidung, mich für das Marietta-Blau-Stipendium zu bewerben, war definitiv richtig und jede Mühe im Bewerbungsprozess wert. Durch den Austausch mit anderen Forscher/innen konnte ich meine Arbeit und die Methoden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und verbessern. Durch das Stipendium konnte ich das Ziel der Optimierung meiner Dissertation erreichen. Außerdem konnte ich nicht nur fachlich und beruflich, sondern auch persönlich meine Kompetenzen erweitern. Ich kann jedem Doktoranden und jeder Doktorandin einen Forschungsaufenthalt (über das Marietta-Blau-Stipendium) nur wärmstens empfehlen.«


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Stefanie Rudig

Von Tolkiens Baum bis Mittelerde und wieder zurück »Das Marietta-Blau-Stipendium ermöglichte mir Forschungsaufenthalte an der Universität Oxford und an der Victoria University of Wellington in Neuseeland.«

Bundespräsident Heinz Fischer mit Sub-auspiciis-Doktorin Stefanie Rudig, 2016.

Am Anfang war die Neugierde. Nach einem kurzen Ausflug in die Rechtswissenschaften hatte ich mit achtzehn das Privileg, aber auch den Mut, meine Studien ausschließlich aufgrund meiner Interessen auszuwählen, ohne mir dabei den Kopf über die spätere berufliche Vermarktung zu zerbrechen. In meinem Umfeld stießen meine beiden philologischen Diplomstudien (Anglistik & Amerikanistik und Romanistik) allerdings auf Unverständnis. Wie so oft in meinem beruflichen Werdegang entschied der Zufall. Nach Abschluss meines ersten Studiums wurde mir eine Karenzvertretung am Institut für Anglistik an der Universität Innsbruck angeboten. Überraschend schnell wechselte ich die Seiten von Studentin zu Lektorin. Das einzige »Problem« war die Dissertationsvereinbarung, die die Stelle mit sich brachte. Ein Doktoratsstudium war nie geplant gewesen. Welches Thema würde mich begeistern, sodass ich mich über längere Zeit intensiv damit beschäftigen konnte? Konnte ich in meiner Disziplin einen brauchbaren Beitrag für die Wissenschaft leisten? Im Zuge der Vorbereitungen für mein Proseminar über viktorianische Literatur und Kultur entdeckte ich einen Fachaufsatz über alleinstehende Frauen, die in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von Großbritannien nach Australien und Neuseeland auswanderten. Ich war sofort gefesselt von der Thematik und fasziniert von diesen wagemutigen Frauen, die alles Bekannte hinter sich ließen, um ein neues Leben am anderen Ende der Welt zu beginnen. Nachdem ich selbst mehrere Auslandsaufenthalte erlebt hatte (u. a. als Erasmusstudentin in Wales, UK und als Austauschstudentin in Indiana, USA), wusste ich, wie prägend es ist, im Ausland zu leben. Natürlich lässt sich eine Weltenwanderung in unserer heutigen globalisierten, ver© Universität Innsbruck

Stefanie Rudig studierte ab 2004 Anglistik und Amerikanistik, ab 2006 Romanistik an der Universität Innsbruck. 2012 erlangte sie einen Mastertitel an der University of Oxford. Ihr Doktoratsstudium der Literaturund Kulturwissenschaft an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät schloss sie 2015 ab. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit sammelte sie zahlreiche Berufserfahrungen im In- und Ausland. In ihrer Dissertation widmet sich Rudig den literarischen Werken von Migrantinnen im 19. Jahrhundert. Seit 2018 ist Stefanie Rudig Hochschullektorin am MCI (Management Center Innsbruck).

netzten Welt mit günstigem Flugverkehr, E-MailKontakt und Internettelefonie nicht mit den Erfahrungen vergleichen, die Emigrantinnen vor 150 Jahren gemacht haben. Schon allein die Schiffsüberfahrt nach Ozeanien dauerte mehrere Monate und kostete zahlreiche Menschenleben aufgrund von Krankheiten oder Bränden an Bord sowie Schiffsbrüchen, vor allem in der Tasmanischen See zwischen Australien und Neuseeland. Ein spannender thematischer Kontext war gefunden, nun stellte sich die Frage nach geeigneten Rahmenbedingungen, um eine Dissertation zu verfassen, die internationalen Standards entsprach. Als Fremdsprachenphilologie erlaubt ein Anglistikstudium im deutschsprachigen Raum meist nicht, in die nötige Tiefe zu gehen, um mit Doktorand/innen aus dem angloamerikanischen Raum mithalten zu können. Aus diesem Grund erschien mir ein einjähriges, spezialisiertes Masterstudium im Ausland die ideale Lösung und Vorbereitung für mein Doktorat. Da man sich die Ziele bekanntlich hoch stecken soll, bewarb ich mich an der Universität Oxford und erhielt eine positive Studienplatzzusage. Daraufhin folgte das bereicherndste Jahr meines Lebens. Vom ersten bis zum letzten Tag ging ich ganz beseelt in der Bodleian Library ein und aus. Ständig kam mir der Gedanke, dass ich womöglich auf dem gleichen Platz saß, wo schon Literaturgigant/innen wie Jonathan Swift, Percy Bysshe Shelley, C.S. Lewis oder V.S. Naipaul lernten. Wenn ich meine morgendlichen Runden durch die Christchurch Meadows lief, sinnierte ich, ob Lewis Carroll wohl hier die Idee zu Alice im Wunderland entwickelte. Gleich nebenan im botanischen Garten erblickte ich den berühmten Baum, dem nachgesagt wird, dass er J.R.R. Tolkien als Inspiration für die fiktiven Wesen der »Ents« in seiner Herr-der-Ringe-Trilogie diente. Ich persönlich ging gerne in den Gärten vom Magdalen College spazieren, um die Menschen beim Bootfahren, dem typischen »punting«, zu beobachten und konnte mir gut die Eskapaden von Oscar Wilde in seinem College vorstellen.


15 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

© Stefanie Rudig

Mein Aufenthalt an der Victoria University of Wellington in Neuseeland war für mein Forschungsprojekt zum Thema Migrantinnen im 19. Jahrhundert unerlässlich.

Oxford war für mich wie ein Traum, insbesondere im akademischen Sinne. Der Austausch mit führenden Akademiker/innen lieferte permanente intellektuelle Stimulation, die im Normalfall beim gemeinsamen Mittagessen mit Kommilitonen im College weitergeführt wurde. Außerdem wurde man mit Ressourcen verwöhnt. Zum Beispiel durfte ich mir in der Bibliothek das First Folio von Shakespeare ausleihen und konnte es kaum fassen, ein knapp 400 Jahre altes Buch in den Händen zu halten. Unter solchen Umständen konnte ich auch beträchtliche Fortschritte mit meinem Dissertationsvorhaben machen. Durch Stöbern in den Schätzen der Bodleian Library war es mir möglich, bereits ein vorläufiges Textkorpus an Primärtexten für meine Dissertation zu erstellen. Ich war mir sicher, innovative Forschung betreiben zu können. In einigen der Romane aus dem neunzehnten Jahrhundert, die ich analysieren wollte, waren nämlich noch nicht einmal die Buchseiten aufgeschnitten. Ich erinnere mich, zirka drei Stunden in der Bibliothek nur damit verbracht zu haben, lediglich ein Drittel der Seiten eines Buches mit einem Papiermesser aufzuschneiden. Am allermeisten profitierte aber meine eigene Forschung von der Gelegenheit, mit renommierten Literaturwissenschaftler/innen, Historiker/innen und Soziolog/innen mein Dissertationsprojekt besprechen zu können. Die Betreuerin meiner Masterarbeit, Professorin Elleke Boehmer, eine Expertin für postkoloniale Literaturen und Migrationsforschung, verhalf mir maßgeblich, meinen Forschungsschwerpunkt für meine Doktorarbeit zu definieren. Sie half mir des Weiteren, erste Kontakte für zukünftige Kooperationen in Neuseeland zu knüpfen. So traumhaft das alles klingen mag, so utopisch wäre mein Studien- und Forschungsaufenthalt in Oxford ohne finanzielle Unterstützung gewesen. Konkret für die Zeit, die ich explizit meinem Dissertationsprojekt widmete, konnte ich das Marietta-Blau-Stipendium des Österreichischen Austauschdienstes beziehen. Meiner Ansicht nach

bezweckte mein Aufenthalt genau, worum es in diesem Stipendium geht: die inhaltliche und methodische Optimierung der Doktoratsarbeit, die internationale Vernetzung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie wertvolle Auslandserfahrung für die berufliche Zukunft. In meinem Fall stückelte ich das Marietta-BlauStipendium und bezog die zweite Hälfte für einen weiteren Forschungsaufenthalt, diesmal an der Victoria University of Wellington in Neuseelands Hauptstadt. Da ich den geografischen Fokus auf Neuseeland gelegt und mit meinem Dissertationsthema tatsächlich eine kaum erforschte Nische gefunden hatte, hielt ich einen längeren Aufenthalt dort für unerlässlich. Dank meiner Kontakte in Oxford bekam ich die Betreuungszusage einer Professorin, die zu den sehr wenigen Forscher/innen gehört, die spezifisch zu meinem Forschungsprojekt arbeiten. Hätte ich diese Reise nach Neuseeland nicht unternommen, bin ich überzeugt, dass meine Dissertation nicht die nötige Relevanz und Aktualität in Bezug auf den Forschungsstand hätte aufweisen können. Für die persönliche Bereicherung, die mir mehrere Monate im wunderschönen Neuseeland beschert haben, fehlt hier leider der Platz, um ins Detail zu gehen. In aller Kürze möchte ich noch über meinen weiteren Weg berichten. Ich konnte das Doktoratsstudium mit einer Promotion sub auspiciis praesidentis abschließen. Im Anschluss folgte eine berufliche Selbstfindungsreise: Vom Europäischen Parlament in Straßburg über eine Stelle als Executive Assistant in der Privatwirtschaft (überbezahlt und intellektuell unterfordert), darauffolgend als Flüchtlingsbetreuerin (unterbezahlt und emotional überfordert) bis zum European University Institute in Florenz als postdoktorale Forschungsassistentin und schließlich zurück in die Heimat als Hochschullektorin führte mich meine weitere berufliche Reise. Grundlegend für den Beginn dieser Reise war ein Stipendium, das den Namen einer wissenschaftlichen Pionierin trägt: Marietta Blau.

Oxford war für mich wie ein Traum, insbesondere im akademischen Sinne.


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Martina Spies

Was wäre unsere Welt ohne Spielplätze? Ein Projekt über gebaute Lebensräume und ihren Einfluss auf soziale und kulturelle Besonderheiten.

Martina Spies ist promovierte Architektin, Baumeisterin und Aktivistin. 2013 gründete sie mit ihrem Vater die Organisation Anukruti (www. anukruti.org), welche Spielplätze auf urbanen Brachflächen innerhalb von Slums in der Megacity Mumbai baut. Zwischen 2013 und 2016 war Martina Spies als Forschungsleiterin des KEF-Projektes »Ground Up – A Dwellers’s Focused Design Tool for Upgrading Living Space« in Dharavi, Mumbai tätig. Momentan arbeitet Spies am vom KEF geförderten Forschungsprojekt »The Culture and Development of Children’s Play. The socio-cultural influences of playgrounds on the development of children and communities with case studies in Mumbai« als Forschungsleiterin. Von Oktober 2012 bis September 2013 war sie mit einem MariettaBlau-Stipendium am RIZVI College of Architecture Mumbai, Indien.

Martina Spies möchte mit ihrem Verein Anukruti in Mumbais informellen Siedlungen weitere Spielplätze, sogenannte »Stadtblumen«, errichten.

Ich erinnere mich gut, als ich als kleines Kind gemeinsam mit meinem Vater in unserem Garten einen Spielplatz samt Baumhaus baute. Damit wurde mir eine Welt eröffnet, die prägend für meine weitere berufliche Laufbahn wurde. Seit meiner Kindheit war ich interessiert an Schaukeln, Spielplätzen und sozialen Räumen, und an der Verbesserung der Lebensumstände durch die Kraft einer (sozialen) Architektur. Ich wurde nicht nur Baumeisterin wie mein Vater, sondern auch Architektin und engagierte Aktivistin. Während meines Marietta-Blau-

Stipendiums erhielt ich die einmalige Gelegenheit, erstmals in die Welt der komplexesten informellen Siedlungen der Welt einzutauchen: Das Forschungsgebiet für meine Doktorarbeit war Dharavi und lag mitten in der Megacity Mumbai. Wesentlich für meine Feldforschung vor Ort war der ethnografische und stadtsoziologische Forschungsansatz: Die Bewohner/innen selbst wurden als Hauptakteur/innen und Architekt/innen ihrer gebauten Umwelt wahrgenommen, ihre Lebenswelten wurden durch eine Vielzahl von Gesprächen vor Ort rekonstruiert. Denn die dort lebenden Menschen planen, bauen und verändern ihre Häuser selbst und aus eigener Kraft, und zwar gänzlich ohne unterstützende Maßnahmen der Regierung. Sie gestalten ihre bauliche Umwelt nach ihren Bedürfnissen, jeweils entsprechend der zur Verfügung stehenden Mittel und der räumlichen Gegebenheiten. Innovativ an meiner Dissertation »Plätze und Identitäten« und am von KEF geförderten Projekts »Ground Up – A Dweller´s Focused Design Tool for Dharavi, Mumbai« ist, dass der gebaute Lebensraum und die unmittelbare Umgebung insbesondere der Kinder und der weiblichen Bevölkerung unter Berücksichtigung ihrer sozialen und kulturellen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebensgrundlagen untersucht wurde. Denn das Stadtviertel lässt sich mit Aufmaßplänen und demografischen Daten alleine nicht erfassen. Mittels der Zoom-In-Methode haben wir in einer Untersuchung sorgfältig ausgewählter räumlicher


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Alle Fotos der Doppelseite © Martina Spies

10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

Detailausschnitte und mittels Intensivbefragungen – insbesondere der Frauen und Kinder – das Phänomen Dharavi von innen betrachtet, abgebildet und verständlich gemacht. Informelle Siedlungen wie Dharavi sind Ausdruck der Identität und der Bedürfnisse ihrer Bewohner/innen und dienen als Grundlage für städteplanerische Bottom-up-Planungsansätze und praxisbezogene Hands-on-Projekte: Zielgerichtet auf eine Umsetzung und Fortführung meiner wissenschaftlichen Arbeit, welche insbesondere den Frauen und Kindern in Slums von Mumbai zugutekommen soll, gründete ich 2013 gemeinsam mit Sozialwissenschaftler/innen, Soziolog/innen, Architekturtheoretiker/innen, Baumeister/innen und Sozialarbeiter/innen den gemeinnützigen Verein »Anukruti«, was auf Hindi »kleine, kreative Räume« bedeutet. Durch meine langjährige Forschungstätigkeit vor Ort lernte ich besonders viele Frauen und Mädchen kennen. Genau sie waren für mich die Hauptakteur/innen, da meine Arbeit auf die Gespräche mit ihnen und ihren Erlebnissen aufbaut. Aus den anfangs zögerlichen Konversationen ging bald hervor, dass insbesondere die weiblichen Bewohner keinen öffentlichen Platz zum Treffen und Spielen haben. Diese Tatsache war eine starke Motivation für mich, eine unbürokratische Hands-onOrganisation zu gründen, die Kommunikationsflächen und Spielplätze besonders für die Frauen in den Slums von Mumbai baut und ihr einen sicheren Sozialraum zur Verfügung stellt. Denn Buben spielen mit ihren Freunden Kricket in den kleinen Straßen, während die Mädchen keine geschützten Spielflächen zur Verfügung haben und stattdessen

ihren Müttern bei der Hausarbeit helfen. In nur drei Jahren wurden bereits neun permanente bzw. temporäre Spiel- und Kommunikationsflächen errichtet, die den Frauen und Kindern Raum zum Treffen und Spielen geben. Diese Spiel- und Sozialräume werden »Stadtblumen« genannt, die es je nach Platzangebot in den Größen small, medium und large gibt. Denn beim Spielen entwickeln besonders die Mädchen in Slums Selbstwertgefühl, Selbstbestätigung und Selbstvertrauen. Sie üben ihre Denkfähigkeit und Kreativität. Sie lernen Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Sie erwerben Einfühlungsvermögen und Verständnis für andere. Für die Frauen bedeutet eine gebaute Kommunikationsfläche innerhalb ihrer Nachbarschaft ein Loslassen-Können, eine Unterbrechung ihres Alltags. Sie ist sicheres Podium und soziale Insel des Austauschs mit Freund/innen und Nachbar/innen. Genau hier schafft das von KEF finanzierte Forschungsprojekt »The Culture and Development of Children’s Play. The socio-cultural influences of playgrounds on the development of children and communities with case studies in Mumbai« Anknüpfungspunkte für eine hohe wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz und setzt bewusst Akzente für eine Verbesserung der Lebenssituationen der jungen, »informellen« Bevölkerung, die meist unsichtbar bleibt: Innerhalb Mumbais wurden unterschiedliche informelle Nachbarschaften untersucht, um gesellschaftspolitische Themen wie die Kultur des Spielens und der Zugang zu Spielplätzen in den Vordergrund zu stellen und öffentlich sichtbar zu machen. Denn: Was wäre unsere Welt ohne Spielplätze?

Spielplätze oder sichere Freiflächen sind in den Slums von Mumbai rar. Spielen ist ein Grundbedürfnis aller Kinder dieser Welt und ein wichtiger Baustein in der Entwicklung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen.

»Gerade beim Spielen entwickeln Kinder Selbstwertgefühl, Selbstbestätigung und Selbstvertrauen.«


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Lukas Brunner

Extreme Hitzewellen und späte Kälteeinbrüche. Ist das normal? Mit einem Marietta-Blau-Stipendium von Graz nach Oslo und weiter – ein Erfahrungsbericht

Weiterführende Informationen: CICERO (Englisch): www.cicero.oslo.no/en Doktoratskolleg Klimawandel: https://dk-climate-change.uni-graz.at ETH Zürich: www.iac.ethz.ch/group/climatephysics.html Deutsche Erklärung von Blocking mit Abbildungen: www. unwetterzentrale.de/uwz/365.html

Von April bis September 2017 konnte ich – unterstützt durch ein Marietta-Blau-Stipendium – einen Forschungsaufenthalt am norwegischen Center for International Climate Research (CICERO) in Oslo absolvieren. Ich möchte hier kurz das wissenschaftliche Projekt beschreiben, meine Erfahrungen schildern und versuchen, auf die Bedeutung dieses Auslandsaufenthalts für meine spätere Karriere einzugehen. Im Frühjahr 2018 habe ich an der Karl-FranzensUniversität Graz im Fachbereich Klimaphysik promoviert. Mein Studium war Teil des interdisziplinären Doktoratskollegs Klimawandel und wurde vom österreichischen Forschungsfonds (FWF) finanziert. Meine Dissertation beschäftigt sich mit der Untersuchung von atmosphärischen Hochdrucklagen für die in der Fachsprache meist der englische Begriff »Blocking« verwendet wird. Blocking ist ein Phänomen mit besonderer Wichtigkeit für die Entwicklung von Kälte- und Hitzewellen, da es die normale Abfolge von Hoch- und Tiefdruckgebieten tage- bis wochenlang unterbrechen kann. Prominente Beispiele dafür sind die extreme Hitzewelle in Europa und Russland im Sommer 2010, die auf einen besonders starken Block zurückzuführen ist.

Dank eines Marietta-Blau-Stipendiums konnte Lukas Brunner an seiner Wunschdestination, dem renommierten CICERO (Center for International Climate Research) in Oslo, forschen.

Ebenso der späte Kälteeinbruch im Frühling 2016, der in Teilen Österreichs zu erheblichen Ernteausfällen geführt hat und wesentlich von einem Block mitverursacht war. Ziel meiner Forschung war es zu untersuchen, ob ein neuer Datensatz, der am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz prozessiert wird, für die Erforschung von Blocking geeignet ist. Der Datensatz basiert auf der GPSRadio-Okkultationsmethode (RO), die die Brechung von GPS-Signalen in der Erdatmosphäre ausnützt um Rückschlüsse auf, z. B. Druck und Temperatur zu erlauben. Untersucht habe ich au­ßer­ dem , wie Auftreten, Dauer und Stärke von Temperaturextremen an der Erdoberfläche von Blocking beeinflusst werden. Meine Wunschdestination bei der Bewerbung für das Marietta-Blau-Stipendium war das CICERO in Oslo. Das CICERO ist ein international renommiertes Forschungsinstitut, das, anders als die universitäre Forschung in vielen Ländern, zu 100 Prozent aus Drittmitteln finanziert ist (was für mich einen sehr interessanten Kontrast zu mir bekannten Forschungseinrichtungen darstellte). Ich konnte dort mit der bekannten Klimaforscherin Jana Sillmann zusammenarbei-

© Lukas Brunner

Lukas Brunner studierte Physik an der Universität Graz. Derzeit ist er am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich tätig. Von April bis September 2017 war er mit einem Marietta-Blau-Stipendium am Center for International Climate and Environmental Research in Oslo, Norwegen.


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© Pixabay

Nachhaltige Entwicklung und Bildung

Spezialisierung und Networking Neben der wissenschaftlichen Unterstützung war der Aufenthalt am CICERO vor allem für mein professionelles Netzwerk von enormer Bedeutung. Sillmann und ihre Gruppe arbeiten an verschiedenen internationalen Projekten unter anderem mit Kolleg/innen in Großbritannien, Kanada und der Schweiz. Als PhD-Student ist es zwangsläufig erforderlich, sich auf ein sehr enges Feld zu spezialisieren und umso wichtiger sind Kontakte mit anderen Expert/innen. So hat Sillmann zum Beispiel den Kontakt zu einem kanadischen Kollegen hergestellt, der sich für Fragen zum Kanadischen CanESM2-Modell als äußerst hilfreich erwiesen hat. Auch wissenschaftlich war der Auslandsaufenthalt für mich ein Erfolg. Ich konnte gemeinsam mit Kolleg/innen in Oslo und Kanada einen Artikel zu unserer Arbeit im renommierten Fachjournal Geophysical Research Letters publizieren.

Wie wichtig dieses Networking ist, wurde mir erst in den letzten Monaten meines PhDs wirklich bewusst. Ich wurde noch während des Schreibens meiner Dissertation von internationalen Kollegen auf zwei offene Postdoc-Positionen in meinem Bereich aufmerksam gemacht, die ich zu diesem Zeitpunkt andernfalls wohl übersehen hätte. Eine davon war eine Stelle in der Climate Physics Gruppe von Prof. Reto Knutti an der ETH Zürich, die ich – nach einer erfolgreichen Bewerbung – auch angenommen habe. Heute weiß ich, dass die Eigenständigkeit in der Durchführung meines Forschungsprojekts am CICERO ein wichtiger Grund für meine erfolgreiche Bewerbung in Prof. Knuttis Gruppe war. Ein weiterer Grund war sicher, dass meine Bewerbung von Jana Sillmann unterstützt wurde. Da sie regelmäßig mit Mitgliedern von Prof. Knuttis Gruppe zusammenarbeitet, hatte ihre Empfehlung natürlich noch zusätzliches Gewicht – womit ich wieder auf die Bedeutung von Netzwerken im jeweiligen Forschungsfeld zurückkomme. Inzwischen arbeite ich seit knapp einem Jahr in Prof. Knuttis Gruppe. Im Rahmen eines Horizon 2020 Projekts beschäftige ich mich seitdem hauptsächlich mit der Entwicklung von verlässlichen Vorhersagen des europäischen Klimas für (politische) Entscheidungsträger/innen. Das Projekt hat also einen starken Fokus auf Daten der neuesten Klimamodelle, sodass die Erfahrungen, die ich am CICERO sammeln konnte, für meine Arbeit hier sehr wertvoll sind. In diesem Sinne freue ich mich schon auf die kommenden Herausforderungen und Erfahrungen.

Forscher/innen an der ETH Zürich liefern neue Erklärungen für das Entstehen von Hitzewellen. Für extreme Wetterlagen in Europa sind häufig stationäre Hochdrucklagen, sogenannte »atmosphärische Blocking-Lagen«, verantwortlich.

© Pixabay

ten, die sowohl Expertise im Bereich Blocking als auch in der Arbeit mit Klimamodellen hat. Durch die exzellente (IT-)Infrastruktur am CICERO und die Hilfe von Sillmanns Gruppe war es sehr einfach, Ergebnisse eines globalen Klimamodells (second Canadian Earth System Model – CanESM2) zu erhalten. Für meine Untersuchung, die sich mit der Verbindung von Blocking zu Hitze- und Kältewellen in Europa beschäftigte, verwendete ich eine Konfiguration von CanESM2 bestehend aus einem historischen Teil, beginnend 1950 und einer Projektion in die Zukunft bis 2100, getrieben vom Hochemissonsszenario RCP8.5.


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Petra Sumasgutner

Als Stadtökologin um die Welt Die Forscherin spannt eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und angewandtem Naturschutz.

Petra Sumasgutner seilt sich mit einem Kronenadlerküken aus dem Horstbaum ab.

Ich habe mich für eine akademische Karriere entschieden, als ich das Turmfalkenprojekt Wien als mein Promotionsprojekt ins Leben gerufen habe. Seitdem haben mich meine Liebe zur Natur und die Neugierde als Forscherin in die Tropen, nach Nordfinnland, Südafrika und in die Steppen der Mongolei gebracht. Ich entwickle meine Forschungsideen hauptsächlich während Feldbeobachtungen, wenn ich Verhaltensweisen oder biogeografische Muster zu verstehen versuche. Als Freilandbiologin ist es manchmal eine Überwindung, aus der Natur in das Labor zu gehen, oder vor einem Computer zu arbeiten, doch erlauben mir Biostatistik und Methoden aus der Genetik, Physiologie und Toxikologie meine Forschungsfragen zu beantworten. Meine erste Möglichkeit, als Wissenschaftlerin in einem Projekt außerhalb von Österreich zu arbeiten, war ein Marietta-Blau-Stipendium (2013). Diese Finanzierung hat es mir erlaubt, ein Kapitel meiner Doktorarbeit an der renommierten Universität Turku zu verfassen. Unter der Betreuung von Prof. Erkki Korpimäki durfte ich eine Freilandsaison in Lappland verbringen und in einer aktiven Arbeitsgruppe von Postdocs und anderen PhD-Studierenden lernen. Damals wurde mir auch bewusst, dass solche Auslandsaufenthalte Türen öffnen, weil lange Freundschaften geknüpft werden, die später auch wertvolle Kollaborationen werden können. Ich interessiere mich vor allem dafür, welche Auswirkungen wir Menschen auf die Tierwelt haben. Durch Lebensraumverlust und Fragmentierung lassen wir wenig Platz für unsere Wildtiere übrig. Dennoch schaffen es manche, sich an uns anzupassen und sogar in unsere Städte vorzudringen. Greifvögel stehen an der Spitze der Nahrungskette, weshalb sich ökologische Veränderungen in ihnen schnell zeigen. Das berühmteste Bei© Wade Whitehead

Petra Sumasgutner studierte Zoologie an der Universität Wien. Derzeit forscht sie am FitzPatrick Institute of African Ornithology, Universität Kapstadt. Von Jänner bis September 2013 war sie mit einem Marietta-Blau-Stipendium an der University of Turku in Finnland.

spiel ist wohl die DDT-Krise die zu einem Zusammenbruch der Wanderfalkenpopulation geführt hat. Die Umweltgifte haben sich in den Falken angesammelt und zu enorme Brutausfällen geführt. Ähnlich die Geierkrise in Asien, wo Diclofenac, das in der Veterinärmedizin eingesetzt wird, zu einem Massensterben von Geiern geführt hat. Die Folgen sind verheerend; in Indien wurde ein klarer Zusammenhang zwischen dem Zusammenbruch der Geierpopulationen und dem Ausbruch von Tollwut gezeigt – ganz einfach, weil die natürliche Gesundheitspolizei fehlt. Derzeit arbeiten wir am FitzPatrick Institute of African Ornithology, einem Kompetenzzentrum für Ornithologische Forschung, an dem ich seit 2014 als Postdoc tätig bin, gegen die nächste Greifvogelkrise. In Afrika sind es vor allem Vergiftungen, denen viele Greifvögel zum Opfer fallen. Ein anderes Problem ist der Muti- Markt (schwarze Magie und traditioneller Glaube/Heilkunde), wo zu Pulver geriebene Knochen und Symbole wie Köpfe und Fänge zum Einsatz kommen. Ich habe seit meinem Marietta-Blau-Stipendium sehr umfangreiche und vielseitige Post-docErfahrungen im Ausland gesammelt, die mir jetzt ermöglichen, meine eigenen Projekte zu gestalten. Es sind vor allem Greifvögel in der Stadt, die mich nach wie vor zutiefst faszinieren. Stadtökologie ist ein wachsendes Forschungsfeld, da wir durch die Verstädterung Evolution im Schnelldurchlauf miterleben. Leider in einer Rate, die auch signifikant zum Artensterben beiträgt. In diesem Forschungsfeld können wir viele offene Forschungsfragen bearbeiten, es handelt sich um ein globales, jedoch ungeplantes Experiment (Zitat Prof Marc Johnson, University of Toronto) mit Replikaten in allen Städten der Welt. Das bietet sehr viele Möglichkeiten, Mechanismen zu verstehen, aber auch entschärfende Maßnahmen zu entwickeln und so zum Artenschutz beizutragen. Mit dem globalen Bevölkerungswachstum und der Verstädterung steigt auch der Bedarf an Energie, die jedoch nachhaltig gewonnen werden soll. Neben Umweltverschmutzung und globaler


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Bild 1: Studierende bei einer BlackSparrowhawk Beringung in Kapstadt.

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© Stephen Wessels

einer webbasierten Plattform einer breiten Interessensgruppe zugänglich zu machen. Das Marietta-Blau-Stipendium hat es mir ermöglicht, erste Erfahrungen an einer akademischen Institution außerhalb Österreichs zu sammeln und meinen Forschungshorizont zu erweitern. Seitdem habe ich zahlreiche Projektanträge geschrieben, einige Absagen in Kauf nehmen müssen, aber auch große Erfolge gefeiert – mit Projekten von denen ich lange geträumt habe und für dessen Verwirklichung ich großartige Kollaborationspartner gewinnen konnte. Ich bin sehr dankbar, für diese Förderung ausgewählt worden zu sein, und würde jedem Studierenden empfehlen, sich für derartige Auslandsfinanzierungen zu bewerben.

Bild 2: Kronenadler-Horstbaum mit etwa 75 Tage altem Nestling. Bild 3: Genetische Probensammlung eines Steinadlers in der Mongolei. Bild 4: Petra Sumasgutner und Shane McPherson bei einer Kronenadler-Beringung in Durban.

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© Wade Whitehead

Erwärmung ist die erforderliche Infrastruktur problematisch: Habitat-Fragmentierung und Habitat-Verlust machen vielen Arten zu schaffen. Zerschneidende Elemente wie Stromleitungen führen zu zahlreichen Kollisionen, insbesondere für Zugvögel oder Individuen während der Jugenddispersion. Auch Formen der nachhaltigen Energiegewinnung stellen diesbezüglich Herausforderungen dar. In meinem aktuellen Projekt, finanziert über L’ORÉAL UNESCO, For Women in Science, möchte ich molekulare Methoden mit hochauflösender GPS-Technologie kombinieren, um die genetische Vielfalt und Phylogeographie einer bisher wenig erforschten Unterart des Steinadlers zu verstehen. In einem internationalen Team verschneiden wir (hochauflösende) Flugverhalten mit der Raumnutzung, um das Kollisionsrisiko der Adler mit (Wind)Energie-Infrastruktur zu modellieren. In Windparks sind Mortalitäten oft auf einige wenige Turbinen zurückzuführen, die an einem ungünstigen Standort angebracht sind. Wenn die Steinadler-Unterart Aquila chrysaetos daphanea tatsächlich genetisch distinkt ist, könnte die Bedrohung durch Windparks oder einzelne Turbinen in den großen Steppengebieten der Mongolei verheerend sein. Auch in Österreich steigt der Bedarf an erneuerbaren Energien - was wir im Steinadlerprojekt lernen können, kann daraufhin in einem breiten Artenspektrum angewandt werden. In Österreich sind Offenlandarten wie der östliche Kaiseradler (IUCN-Status gefährdet) und Seeadler (erst 2005 auf nicht gefährdet eingestuft) von der schnellen Windparkentwicklung betroffen. Es wäre jedoch nicht möglich, eine Studie mit einer ausreichenden Stichprobengröße lokal durchzuführen, da wir mit der geringen Anzahl an Brutpaaren keine ausreichende statistische Aussagekraft erzielen würden. Darüber hinaus ist es viel sensibler, innerhalb einer instabilen Population zu agieren, als den weit verbreiteten Steinadler zu verwenden, der ähnliche Verhaltensweisen und Raumnutzungsanforderungen aufweist. Ziel ist es, das entwickelte Kollisionsrisiko-Modell auf

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© Jacques Sellshop

© Lisa Nupen

10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium


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Simon Reisenbauer

Inklusiver Unterricht in Äthiopien, Thailand und Österreich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Pädagogik Simon Reisenbauer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien Er studierte Erziehungswissenschaft an der Universität Wien, arbeitete als Projektkoordinator bei Licht für die Welt im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit an den Themen Inklusion, Bildung und Behinderung. Simon Reisenbauer ist aktuell MariettaBlau-Stipendiat an der Addis Ababa University in Äthiopien und der Srinakharinwirot University in Bangkok (Thailand).

Beide Fotos dieser Seite © Simon Reisenbauer

Center for Students with Disability der Addis Ababa University mit dem Team Barrierefrei der Universität Wien in Addis Abeba im Rahmen des Projekts INEDIS

Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung gilt als eines der zentralen internationalen Ziele und Herausforderungen. Durch Bildung sollen Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Hintergründen Möglichkeiten und Fähigkeiten erhalten, ihre Zukunft und die ihrer Familie positiv zu gestalten. Unterstützt durch das Marietta-Blau-Stipendium erforsche ich das pädagogische Handeln von Lehrpersonen in inklusiven Grundschulen in Addis Abeba, Bangkok und Wien. In den letzten Jahren hat sich der Zugang zur Grundschule in den meisten Ländern erheblich verbessert. Dadurch rückt international verstärkt der Aspekt der Qualität in den Mittelpunkt und in Folge die pädagogische Arbeit der Lehrpersonen. In meinem Forschungsprojekt untersuche ich das pädagogische Handeln von Lehrpersonen in heterogenen Grundschulklassen. Von Interesse ist dabei wie Lehrer/innen ihre Schüler/innen individuell unterstützen können, ohne bereits durch das eigene Handeln Lebensläufe negativ zu prägen. Um diese Frage aus internationaler Perspektive zu beantworten, arbeite ich mit Lehrpersonen der 1. bis 4. Schulstufe in Addis Abeba, Bangkok und Wien. Das Marietta-Blau-Stipendium ermöglichte es, in einem ersten viermonatigen Aufenthalt in Addis Abeba und Bangkok den Unterricht umfassend zu beobachten und mittels Videographie aufzuzeichnen. Die Videos dienten als Grundlage für Reflexionsgespräche mit den Lehrpersonen. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich in allen drei Kontexten ähnliche pädagogische Herausforderungen ergeben. Zwei weitere Aufenthalte sind nun zur gemeinsamen Analyse der Videoaufzeichnungen vorgesehen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf das pädagogische Handeln der Lehrpersonen im Detail auszuarbeiten. Neben den Forschungsergebnissen besteht für Lehre/innen durch die Mitarbeit am Projekt die Möglichkeit, den eigenen Unterricht reflexiv zu betrachten. Sie nehmen ihre Schüler/innen und sich selbst aus der Beobachtungsperspektive

wahr. Durch den länderübergreifenden Fokus des Projekts erhalten alle Lehrer/innen darüber hinaus Einblicke in Schule und Unterricht in den jeweils anderen Kontexten. Dabei werden gemeinsam mit den Lehrpersonen Vorschläge erarbeitet, die auch in anderen Länder Lehrer/innen dabei unterstützen können, die Vielfalt der Schüler/innen positiv zu fördern. Lehrer/innen erhalten Anregungen im Umgang mit Schüler/innen, die sie als auffällig wahrnehmen, für die Arbeit mit Eltern als auch für Materialien für ihren Unterricht. Zusätzlich zu meiner Forschung kam es zu Synergien mit dem APPEAR-Projekt »Inclusion in Education for Persons with Disabilities« (INEDIS)1. Im Projekt kooperieren neben der Addis Ababa University zwei weitere Universitäten in Äthiopien. Ziele der Forschungskooperation sind, die Situation von (weiblichen) Studierenden mit Behinderungen an Hochschulen zu verbessern und der Aufbau eines Post-Graduate-Programms für Community-based Inclusive Development. Durch die langen Feldaufenthalte konnte ich mit meinen äthiopischen Kolleg/innen sowohl in meiner Forschung als auch im Projekt INEDIS vertieft zusammenarbeiten und wertvolle Forschungserfahrungen in Äthiopien und Thailand sammeln. Darüber hinaus entstanden gemeinsame Publikationsvorhaben und Tagungsteilnahmen sowie Projektideen für zukünftige Kooperationen. 1 siehe www.appear.at/inedis. Finanziert durch APPEAR, ein Programm der Austrian Development Cooperation, Project167.

Buddhistischer Religionsunterricht in Bangkok


23 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

Werner Fulterer

In besserer Gesellschaft: Der selbstgerechte Blick auf die Anderen Die Marietta-Blau-Stipendiatin Laura Wiesböck offenbart einige unangenehme Wahrheiten über uns alle. Ein Lesetipp. Auto gegen Rad, vegan gegen omnivor, links gegen rechts: Wie gehen wir mit Menschen mit anderer Einstellung oder Lebensführung um? Macht eine andere Gesinnung jemanden zum Menschen zweiter Klasse? Wie machen wir uns bewusst, dass Meinungen keine absolute Wahrheit kennen und das Produkt der jeweiligen Lebenssituationen sind – ohne dabei andere zu entmündigen? Diese Fragen untersucht Laura Wiesböck in ihrem Buch »In besserer Gesellschaft. Der selbstgerechte Blick auf die Anderen«. Als Allgemeinplatz gilt, dass vor allem »Verlierer/innen« aller Art es nötig hätten, sich durch ein Herabschauen auf andere aufzuwerten. Die Realität ist aber, dass die bewusste oder unbewusste Herabsetzung in allen Milieus allgegenwärtig ist. Dies gilt auch für sogenannte »Eliten«, die sich beispielsweise über einen bewusst nachhaltigen (oder gerade besonders luxuriösen) Lebensstil definieren oder im Bewusstsein ihres formal höheren Bildungsstands über die »dummen Wähler/innen populistischer Parteien« lustig machen. Der Akt der (Selbst-)Zuschreibung und Abgrenzung von anderen Menschen, Denkmustern, Bevölkerungsgruppen oder Verhaltensweisen ist uns allen gemein. Als »Distinktion«, also die mehr oder weniger bewusste Grenzziehung zwischen »Uns« und »Anderen« anhand einer schier unerschöpflichen Vielzahl von Merkmalen, ist sie ein Entwicklungsprinzip sozialer Gemeinschaften und dient durch die eigenen Gruppenzugehörigkeiten gleichzeitig zur Identifikation und als Orientierungshilfe beim Betrachten einer komplexen Welt. Sehr einfach gesagt: Über das Konsumverhalten wird der eigene Status definiert, der Beruf stiftet Identität, und politische Andersartigkeit schafft Feindbilder. Das Selbstbild wird dabei möglichst positiv gehalten. Dieser Prozess wird erheblich verkompliziert durch den situationalen Charakter vieler Grup-

penzugehörigkeiten, durch ihren permanenten Fließzustand und den Umstand, dass sie oft auch für persönliche Konflikte verantwortlich gemacht werden. Ein wahres Problem entsteht aber erst, wenn daraus eine Ideologie der Ungleichwertigkeit bestimmter Bevölkerungsteile erwächst und zur Aberkennung von Empathie, Würde oder Solidarität, aber auch von Rechten führt; ein klassisches Beispiel ist etwa der gesellschaftliche Umgang mit Arbeitslosen und Ausländer/innen. Laura Wiesböck durchleuchtet auf sehr schlüssige und unterhaltsame Weise entlang der Themen Geschlecht, Arbeit, Einwanderung, Armut und Vermögen, Kriminalität, Aufmerksamkeit, Konsum und Politik die Bandbreite der Schwachstellen, die uns kollektiv verfolgen – unhinterfragte Vorurteile, unkritische Wahrnehmungen, die Unfähigkeit oder auch der Unwillen, sich auf fremde Standpunkte einzulassen. Denn darin sind wir alle gleich, und nur ein regelmäßiges Bewusstmachen kann uns immer wieder auf eine gemeinsame Dialogebene zurückholen. »In besserer Gesellschaft. Der selbstgerechte Blick auf die Anderen«. Kremayr & Scheriau, 2018, 192 Seiten. Die Soziologin Laura Wiesböck lehrt an der Universität Wien und forscht u. a. zu sozialer Ungleichheit, Armut und Ausgrenzung. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Theodor-Körner-Preis und dem Bank Austria Forschungspreis ausgezeichnet. Neben wissenschaftlichen Artikeln publiziert sie regelmäßig in Medien wie Zeit, Standard oder ORF Science. Für ihre Dissertation forschte sie mithilfe eines MariettaBlau-Stipendiums des OeAD an der renommierten Oxford University.

Werner Fulterer ist Mitarbeiter der Abteilung KIM (Kommunikation, Information, Marketing) im OeAD.


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Eva Müllner

Frauen in Österreichs Wissenschaft 34 Prozent der Wissenschaftler/innen in Österreich sind weiblich, der Frauenanteil in der EU liegt bei 41 Prozent.

Eva Müllner ist stv. Leiterin der Abteilung KIM (Kommunikation, Information, Marketing) im OeAD.

Von den insgesamt 283.000 Wissenschaftler/innen und Techniker/innen in Österreich sind 34 Prozent weiblich. Das geht aus den Daten von Eurostat hervor, die anlässlich des »Internationalen Tags der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft« von den Vereinten Nationen veröffentlicht wurden. Damit liegt Österreich im europäischen Vergleich unter dem EU-Schnitt: Von den rund 18 Mio. Wissenschaftler/innen und Techniker/innen in der gesamten EU sind 41 Prozent weiblich. In fünf EU-Ländern stellen die Frauen die Mehrheit, angeführt von Litauen mit einem Anteil von 57 Prozent, gefolgt von Bulgarien und Lettland mit jeweils 53 Prozent, Portugal mit 51 und Dänemark mit knapp über 50 Prozent.

Quellen: Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung in Österreich, Publikation des BMBWF, Wien 2018. https://tinyurl.com/yxpauc4x

In Österreich stellen Frauen seit Ende der 1990er Jahre die Mehrheit unter Studierenden. Trotz einer stetigen Zunahme unter Absolvent/innen eines PhD- oder Doktoratsstudiums ist das Geschlechterverhältnis mit einem Frauenanteil von 41,8 Prozent (BMBWF 2018) noch nicht ganz ausgeglichen. Frauen sind in Österreich in Wissenschaft und Forschung nicht nur deutlich unterrepräsentiert, sie erhalten im Durchschnitt ein Einkommen, das um 19,5 Prozent unter dem Einkommen von Männern liegt (bezogen auf durchschnittliche Stundenlöhne). Der Gender Pay Gap liegt damit über dem EUDurchschnitt von 17,9 Prozent. Daher muss es Ziel der Frauenpolitik sein, den Anteil von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen und Gremien zu erhöhen und herausragende Forscherinnen sichtbarer zu machen.

Eurostat: Women in science and technology https://tinyurl.com/yxh38cav

57+53+53+51+50+48+41+41+35+34+33+29+25+25 Frauen in Forschung und Technik

Ausgewählte EU-Länder, Anteil in Prozent, 2017

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© Florian Schulte, IMC

Die erste Rektorin der Fachhochschulen geht in Pension

Eva Werner hat sich vor allem für die Qualität der Lehre und für die Internationalität der Hochschule eingesetzt. Zahlreiche Kolleg/innen vom OeAD waren beim Fest zu Ehren Eva Werners dabei. V.l.n.r.: Ulrich Hörman, Lydia Skarits, Gerhard Volz, Eva Müllner, Eva Werner, Rita Michlits, Elmar Harringer, Margit Dirnberger und Katharina Cepak.

Eva Werner wurde 2009 zur Rektorin der FH Krems bestellt. Das war eine Besonderheit im österreichischen Hochschulbereich, war sie doch die erste Frau, die an der Spitze einer Fachhochschule stand. Eva Werner war in vielen Bereichen Vorreiterin – sie war auch die erste BolognaExpertin für Fachhochschulen, die Internationalisierung der österreichischen Hochschulen war ihr immer ein wichtiges Anliegen. Eva Werner studierte Anglistik und Romanistik an der Universität Wien und der Sorbonne Paris. Sie lehrte am Modul Wien, an der Wirtschaftsuniversität

Wien und an der Donauuniversität Krems. Seit der Gründung 1994 war sie in vielen Bereichen an der Entwicklung der FH Krems maßgeblich beteiligt. Knapp 25 Jahre lang war sie an der IMC FH Krems tätig, acht Jahre davon als Rektorin. Zurecht erhielt sie 2015 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Zwischen Eva Werner und dem OeAD gab es viele Berührungspunkte – sei es bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, bei der Etablierung des internationalen Hochschulmarketings oder bei Fragen zur Qualität in der Bildung. Ihr wertschätzender Umgang, ihre fachliche Kompetenz und ihre Fähigkeit zu motivieren waren Teil ihres Erfolgs. Unter dem Motto »Merci Eva« fand am 31. Jänner ein großes Abschiedsfest für Rektorin Eva Werner statt. Seitens des OeAD möchten wir und herzlich für die langjährige und gute Kooperaton bedanken.

Die Bertha von Suttner Privatuniversität wurde kürzlich durch die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) akkreditiert und wird mit März 2019 den Studienbetrieb starten. Mit den Studiengängen »Psychosoziale Interventionen« (Bachelor) und »Psychotherapie« (Master) trägt die Bertha von Suttner Privatuniversität zur Akademisierung der Psychotherapieausbildung bei. Der Studiengang »Soziokulturelle Arbeit« im Department Humanwissenschaften befähigt Absolventinnen und Absolventen, den vielfältigen Anforderungen komplexer Gesellschaften kreativ zu begegnen und damit die Zukunft aktiv mitzugestalten. Mit diesem neu konzipierten Studienprogramm reagiert die Bertha von Suttner Privatuniversität auf bisher fehlende Angebote in der österreichischen Bildungslandschaft. Eigentümer der Privatuniversität sind zu 50 Prozent der Österreichische Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG) und zu 50 Prozent die Hochschulen-Holdinggesellschaft, eine 100-prozentige Tochter der Stadt St. Pölten. Bertha von Suttner war eine österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin, sie wurde 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ihr Name steht für gesellschaftliches Engagement, für größtmögliche Distanz zu Nationalismen und für Frauenrechte. Die Bertha von Suttner Privatuniversität soll nicht nur für St. Pölten, sondern für ganz Österreich eine neue attraktive Privatuniversität mit innovativen und zukunftsweisenden Studienangeboten sein. Weitere Informationen: www.suttneruni.at Über die Akkreditierung der Bertha von Suttner Privatuniversität freuen sich Bürgermeister Matthias Stadler, Kanzlerin Silvia Weigl, Rektor Peter Pantuček-Eisenbacher, ÖAGG-Generalsekretär Markus J. Daimel und FH-Geschäftsführer Gernot Kohl.

© Josef Vorlaufer

NEU: Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten


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Ursula Panuschka | Petra Siegele

… der OeAD macht wieder Schule! Wie verändert die Digitalisierung Schule und Unterricht?

Ursula Panuschka leitet den Bereich Erasmus+ Schulbildung im OeAD. Petra Siegele leitet die Abteilung Public Science im OeAD.

© Pixabay

Der digitale Unterricht hat auch in Österreichs Klassenzimmern Einzug gehalten.

In den letzten Jahren hat sich die OeAD-GmbH nicht nur einen Namen als Servicestelle für europäische und internationale Mobilität und Kooperation gemacht, vielmehr ist der Österreichische Austauschdienst zunehmend zu einem FullService-Provider für alle Lebensphasen des Lernens geworden. Aus diesem Grund wird seit 2012 ein Fokus auf alle Angebote für den schulischen und vorschulischen Bildungsbereich im Rahmen einer abteilungsübergreifenden Initiative »OeAD macht Schule« gelegt. Nach zweijähriger Pause durchleuchtet die diesjährige Fachtagung – in bewährter Kooperation mit der Vienna Business School, 1080 Wien und erstmals auch mit Kulturkontakt Austria (KKA) – das spannende Thema der Digitalisierung und bietet allen Pädagog/innen und am schulischen Bildungsbereich Interessierten eine Plattform zum Austausch und zum Wissenserwerb: Wie fit sind Österreichs Schulen für die digitale Welt? Was unterstützt Lehrkräfte bei der (Weiter-) Entwicklung von digitalen Kompetenzen für einen zukunftsorientierten Schulunterricht?

Wie wichtig die Behandlung dieses Thema ist, zeigen u. a. folgende Ergebnisse einer Studies des Meinungsforschungsinstituts OMG im Auftrag der Innovationsstiftung für Bildung im Sommer 2018: Drei von vier Pädagoginnen und Pädagogen fühlen sich schlecht bzw. eher schlecht auf die Verwendung digitaler Lehr- und Lernmedien vorbereitet. Selbst jede fünfte Lehrkraft unter 30 Jahren ist der Meinung, dass der Digitalisierung in der Ausbildung zu wenig Rechnung getragen wird. Basierend auf diesen Ergebnissen fokussiert die OeAD macht Schule-Fachtagung 2019 auf die Stärkung digitaler Kompetenzen von Lehrkräften: Was brauchen Pädagoginnen und Pädagogen, um digitale Medien kritisch und selbstbestimmt im Unterricht einzusetzen? Welche technischen oder didaktischen Kompetenzen sind erforderlich? Welche innovativen Methoden und Ansätze benötigen Lehrkräfte, um die Veränderungen durch Digitalisierung in den Unterricht zu integrieren? In der Auseinandersetzung mit den Chancen der Digitalisierung im Unterricht ist darauf zu achten, dass es zu keiner digitalen Spaltung kommt. Auch die Bildungsexpertin Dr. Angela Borgwardt weist in ihrer Studie »Digitalisierung und Wissenschaft« darauf hin, dass digitale Spaltungstendenzen sich vor allem zwischen Jung und Alt, Männern und Frauen sowie zwischen Menschen mit verschiedenen Bildungsherkünften und sozialen Hintergründen zeigen. Digitale Plattformen werden immer stärker für Bildungsangebote eingesetzt und vernetzen die Schulcommunity. Deutlich wird eine Tendenz zur Internationalisierung und Ökonomisierung von Bildung. Dabei stellt sich parallel dazu auch verstärkt die Frage nach Qualitätssicherung und Standards: Werden auch wirklich gute Inhalte angeboten? Woran kann Qualität erkannt werden? Im Rahmen der Fachtagung beleuchten eingeleitet durch eine Videobotscahft der Europäischen Kommission die beiden Keynote-Speaker Heike Schaumburg von der Humboldt-Universität Berlin und Kurt Söser von der BHAK Steyr den Einfluss


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© Designed by macrovector | Freepik

E-Learning gewinnt auch in der österreichischen Bildungslandschaft zunehmend an Bedeutung. Mit Hilfe digitaler Medien werden Materialien, Lerninhalte und Ergebnisse verteilt sowie Informationen und Ansichten darüber ausgetauscht.

digitaler Medien auf den Unterricht sowie personalisierte Lehr- und Lernmethoden. Während des gesamten Tages können die Tagungsteilnehmenden sowohl in ausgewählten Fachkreisen als auch in der Mittagspause an Hands-on-Stationen digitale Unterrichtselemente kennenlernen und ausprobieren. Am Nachmittag haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, diese und weitere Themen vertiefend mit Expertinnen und Experten in folgenden acht Fachkreisen zu diskutieren: ÆÆ F achkreis 1 Games, Gamification und spielerische Technologienutzung im Unterricht Fares Kayali, Universität Wien, Zentrum für Lehrer/innenbildung ÆÆ F achkreis 2

Gamification, Nudging und eine Brise Blockchain. Vorstellung und Einsatzmöglichkeiten im edukativen Bereich Alexander Pfeiffer, Donau-Universität Krems, Zentrum für Angewandte Spieleforschung

ÆÆ F achkreis 3 Internet – aber sicher! Barbara Buchegger, SaferInternet

Fachtagung: OeAD macht Schule: Was Lehrkräfte bei der (Weiter-)Entwicklung von digitalen Kompetenzen unterstützt – Hilfestellungen und Best-Practice-Beispiele für einen zukunftsorientierten Schulunterricht 30. April 2019 | 10:00–17:00 Uhr Vienna Business School Hamerlingplatz Hamerlingplatz 5–6 | 1080 Wien Weitere Informationen und die Online-Anmeldung finden Sie auf www.oead.at/oeadmachtschule (Anmeldefrist: 23. April 2019).

ÆÆ F achkreis 4 Reality Check der Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte Andreas Riepl, Bundes- und Koordinationszentrum eEducation Austria ÆÆ F achkreis 5 Digitale Grundbildung integrativ - Computational thinking in allen Fächern Corinna Kröhn, MINT-Didaktik, School of Education, Linz ÆÆ F achkreis 6 Computational Thinking im Rahmen der digitalen Grundbildung Maria Grandl, TU Graz, Institute of Interactive Systems & Data Science und Katharina Hohla, TU Graz, Abt.für Lehr- und Lerntechnologien

ÆÆ F achkreis 8 Kulturelle Bildung, Kunst und digitale Medien Künstler/innenkollektiv MukaTo Weitere Informationen: Angela Borgwardt: Digitalisierung in der Wissenschaft. Schriftenreihe des Netzwerk Exzellenz an Deutschen Hochschulen. S. 16 https://library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/14620.pdf

© Pixabay

ÆÆ F achkreis 7 Futurespace – Das Planspiel zum Thema Digitalisierung für Schulen Martin Hollinetz, Otelo eGen


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Gemeinsam digitale Lernmittel gestalten Lehrkräfte sind eingeladen, gemeinsam mit ihren Schüler/innen digitale Lehr- und Lernmittel zu acht Querschnittsthemen weiterzuentwickeln!

Seit Februar gibt es für Lehrkräfte und Schüler/innen aller Schulstufen sowie für Lernende in der Erwachsenenbildung die Möglichkeit, digitale Lernunterlagen weiterzuentwickeln, mitzugestalten und Feedback zu geben. Mitmachen ist bis September möglich, wobei die Zeitfenster von Projekt zu Projekt variieren. Die acht Projekte im Überblick ÆÆ Digitale Minerale im Naturhistorischen Museum Wien: In diesem Projekt wird die digitale Ausstellung »Evolution der Minerale« inklusive einem Online-Game weiterentwickelt. ÆÆ Grundwortschatz Lernpakete: Die Erarbeitung und Festigung des Grundwortschatzes stehen im Mittelpunkt des von der Education Group geleiteten Projekts. ÆÆ TeaTime4App: Die AGES (Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit) wird – basierenden auf der Tea-Bag-IndexMethode – eine Bildungs-App erstellen. ÆÆ GriSu: Die FH Kärnten entwickelt innovative Settings der Lehr-

und Lernmethodik für die Gruppenkommandanten-Ausbildung der Feuerwehr. ÆÆ Interact – Reflect: Die Österreichische Gesellschaft für Kinderphilosophie lädt ein, digitale Lehrmittel der Zukunft mitzugestalten. ÆÆ App ins Holz! Im Rahmen dieses Projekts von proHolz Steiermark kann ein digitales Forscherheft rund um den Wald und Holz erstellt werden. ÆÆ Wir lernen jetzt selbst! Der Verein Lernen im Aufbruch ermöglicht in diesem Projekt selbstständiges Lernen von Schüler/innen mit digitalen Lernmedien in einem Lernbüro-Setting. ÆÆ YC² – You can code: Im Rahmen dieses Projekts der TU Graz kann ein eBook zum Thema »Einsatz von Educational Robotics im Unterricht« mitgestaltet werden. Weitere Informationen auf: www.eduthek.at/mitmachen Die Weiterentwicklung der Lernmittel wird von der Innovationsstiftung für Bildung gefördert und von der Abteilung Public Science im OeAD abgewickelt.

Du hast dein Thema für die VWA oder Diplomarbeit auf der Young Science-Themenplattform gefunden?

Young Science

Inspiration Award

Vielleicht inspirieren deine Ideen die Forschung und du wirst für den Young Science Inspiration Award nominiert! Es warten Geldpreise von insgesamt 1.000,- Euro. Was du tun musst? Lade einfach deine fertige Arbeit bis 30. April hoch.

www.youngscience.at/ysia


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Carina Plandor

Das war der Citizen Science Award 2018 Knapp 2.000 interessierte Personen forschten mit.

And the winner is Ursula Koch, Lehrerin an der VS Wildbach: Die VS Wildbach nimmt bereits seit dem ersten Citizen Science Award im Jahr 2015 erfolgreich an Forschungsprojekten teil. Wie schon in den letzten Jahren warteten die Schülerinnen und Schüler bereits gespannt auf eine neue »Mitforsch-Aufgabe«, die im Rahmen des Citizen Science Awards 2018 gestellt wurde. Als die Kinder, Eltern und wir Lehrerinnen vom Projekt »Faszinierende Vielfalt Hummeln« des Naturschutzbund Österreich hörten, konnten wir uns noch nicht vorstellen, welch interessantes Tier die Hummel für uns werden würde. Die Begeisterung am Fotografieren der Hummeln war bei allen Beteiligten sehr groß und einige Schülerinnen und Schüler unserer Klasse entwickelten sich zu wahren Hummelexpertinnen und -experten. Dieser Enthusiasmus motivierte uns, das Thema in den gesamten Unterricht zu integrieren: Hummelhotels bauen, Bildern malen, Lieder singen, Texten und Dichten im Deutschunterricht und sogar im mathematischen Bereich fanden sich Möglichkeiten, sich mit dem Thema zu befassen. Höhepunkte waren sicher alle Erkundungen im Freien, wie zum Beispiel die »Fotojagd« mit iPads auf unserer Schulwiese. Für unser Video, das das Mitforschen am Projekt dokumentierte, durften wir bei der Verleihung der Citizen Science Awards den Sonderpreis über 3.000 Euro entgegennehmen. Die Freude darüber war riesengroß! Die Teilnahme am Projekt brachte uns – Kindern, Lehrerinnen und auch den Eltern – die Natur und ihre Besonderheiten näher. Da wir dieses Projekt in vielen Bereichen des Unterrichts einbauen konnten, war der Informationsertrag für die Kinder besonders groß und unser Video wird sie immer an die interessante Arbeit erinnern. Wir freuen uns bereits auf den Citizen Science Award 2019 und neue spannende Projekte! © OeAD-GmbH/APA-Fotoservice/Hörmandinger

© Ursula Koch

Im Mai und Juni 2018 hatten Interessierte im Rahmen des Citizen Science Awards erneut die Möglichkeit, bei sechs Projekten in ganz Österreich mitzuforschen. Knapp 2.000 Personen, davon etwa 1.500 Schülerinnen und Schüler, folgten der Einladung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) und nutzten ihre Freizeit und Ressourcen, um zu messen, zu dokumentieren oder Forschungsfragen zu stellen. »Seit 2015 forschten bereits fast 12.000 Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Citizen Science Awards an 28 Projekten mit – das Interesse an Citizen Science wächst und davon profitieren beide Seiten«, freut sich Petra Siegele, Leiterin der Abteilung Public Science, in der das Zentrum für Citizen Science angesiedelt ist, über das wachsende Interesse an Citizen Science. Im Rahmen einer Festveranstaltung am 12. November 2018 zeichnete das BMBWF dann die engagiertesten Hobbyforscherinnen und Hobbyforscher mit Sach- und Geldpreisen von bis zu 1.000 Euro aus. Den Sonderpreis für das kreativste Video der Teilnahme an einem Forschungsprojekt in Höhe von 3.000 Euro holte sich die Volksschule Wildbach. Projekte und Preisträger/innen: www.zentrumfuer citizenscience.at/de/citizen-science-award-rueckblick

Carina Plandor arbeitet seit Dezember 2017 in der Abteilung Public Science des OeAD. Sie ist im Zentrum für Citizen Science und im YoungScience-Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Gesellschaft und Schule tätig.

Glückliche Preisträger/innen bei der Verleihung der Citizen Science Awards 2018


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Carina Plandor

Citizen Science Award 2019 Sieben Projekte laden vom 1. April bis 5. Juli zum Mitforschen ein.

Carina Plandor arbeitet seit Dezember 2017 in der Abteilung Public Science des OeAD. Sie ist im Zentrum für Citizen Science und im Young-ScienceZentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Gesellschaft und Schule tätig.

2019 findet der Citizen Science Award bereits zum fünften Mal in ganz Österreich statt. Erneut sollen Bürgerinnen und Bürger aus dem ganzen Land für Forschung und Innovation begeistert und der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft vertieft werden. Interessierte, vor allem aber Schülerinnen und Schüler, sind wieder eingeladen, bei sieben spannenden Projekten aus den Naturwissenschaften, den Geisteswissenschaften und den Sozialwissenschaften mitzuforschen. Alle sieben Projekte eignen sich für Schulklassen, fünf Projekte richten sich aber auch an Einzelpersonen. Mitgeforscht werden kann in diesem Jahr bereits vom 1. April bis zum Ende des Schuljahres am 5. Juli 2019. Geld- und Sachpreise für die engagiertesten Citizen Scientists

© Fotosammlung Volkskundemuseum Wien

In der Fotoausstellung im Volkskundemuseum Wien können historische Bilder vom Leben auf dem Land analysiert werden (Projekt »Stadt – Land – Bild«).

Bereits traditionell holt das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) die engagiertesten Citizen Scientists jährlich im Herbst vor den Vorhang und würdigt deren Mitarbeit durch die Verleihung der Citizen Science Awards. Einzelpersonen können tolle Sachpreise gewinnen, Schülerinnen und Schüler sich über bis zu 1.000 Euro für die Klassenkassa freuen. Zusätzlich werden in diesem Jahr zwei Sonderpreise zu je 2.000 Euro an je eine Schulklasse vergeben, einmal für die kreativste Videodokumentation des Mitforschens und einmal für jenes Video, das die kreativste Integration eines Projektthemas in den Unterricht zeigt. Alle Gewinnerinnen und Gewinner werden am 19. November 2019 ab 16 Uhr im Rahmen einer Festveranstaltung im neu renovierten großen Festsaal der Universität Wien ausgezeichnet. Von 9 bis 15 Uhr lädt das Zentrum für Citizen Science gemeinsam mit den Forschungseinrichtungen zu Führungen, Workshops und Mitmachstationen im Rahmen des Citizen Science Award-Tages ein.

Die sieben Forschungsprojekte Sieben ausgewählte Forschungsprojekte bieten Jung und Alt spannende Möglichkeiten, Einblicke in die heimische Wissenschaft zu erhalten und Forscherinnen und Forscher bei ihren Projekten zu unterstützen. Bürgerinnen und Bürger aus ganz Österreich, denen die Umwelt am Herzen liegt, können im Rahmen des Projekts »DreckSpotz« in der Natur gefundenen Müll mittels App dokumentieren und kategorisieren – und dann auch richtig entsorgen, um die Natur so ein Stück sauberer zu machen. Die Daten sollen zur Bewusstseinsbildung, aber auch zur Entwicklung langfristiger Lösungen für die Müllproblematik beitragen. Tierfreunde sind gefragt, wenn es darum geht, die Nester der Rauch- und Mehlschwalben im Bezirk Tulln in Niederösterreich zu erfassen und zu fotografieren. Das Projekt »Flugkünstler gesucht« möchte erstmals einen möglichst umfassenden Überblick über das Vorkommen der beiden Schwalbenarten erhalten, die jeden Sommer nach Mitteleuropa zurückkehren und ihre Jungtiere in kunstvoll gebauten Nestern an Haus-, Hof- und Stallwänden aufziehen. Ebenfalls mit Tieren beschäftigt sich das Projekt »NestCams«. Um Zusammenhänge zwischen den Verhaltensmustern und dem Bruterfolg aufzuzeigen, untersucht die Universität Wien die Brut und die Aufzucht von Jungtieren zweier Vogelarten: Graugänse und Waldrappen. Citizen Scientists sollen dafür kurze Videosequenzen von den brütenden Vögeln ansehen und beschreiben (= kodieren). Das Projekt »food_history@exploreAT« lädt junge Hobbyhistorikerinnen und -historiker ein, die Geschichte des Themas »Essen« zu erforschen: Materialien und Erzählungen, wie z. B. handgeschriebene Rezepte oder Fotos von Küchengeräten aus vergangener Zeit, sollen gesammelt und in eine Online-Topothek hochgeladen, beschlagwortet und damit für die Nachwelt gesichert werden.


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Citizen Scientists sollen sich in Tulln, NÖ, auf die Suche nach den Nistplätzen von Rauch- und Mehlschwalben begeben (Projekt »Flugkünstler gesucht«, Bild 1) oder die Sprachen und Dialekte an öffentlichen Plätzen in ganz Österreich erforschen (Projekt »Deutsch in Österreich«, Bild 2).

© Barbara Heinisch

© Mark Hinsta | Flickr

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Wer viel in Wien unterwegs ist, kann dabei helfen, die schönsten Plätze der Stadt zu finden. Beim Projekt »CityOases« tragen Bürgerinnen und Bürger über eine App Orte ein und bewerten diese hinsichtlich Wohlbefinden, Sauberkeit, möglichen Aktivitäten usw. Die gesammelten Daten ermöglichen Stadtplanerinnen und Stadtplanern eine stärker auf die Nutzenden ausgerichtete Gestaltung. Ebenfalls in Wien hinterfragt eine Ausstellung im Volkskundemuseum die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land durch die Analyse der Wirkung von (Heimat-)Bildern. In kurzen Workshops untersuchen und reflektieren Schülerinnen und Schüler beim Projekt »Stadt – Land – Bild« die Fotografien

über eine multimediale Installation aus weitläufigen Touch-Screen-Wänden direkt im Museum. Nicht zuletzt können Citizen Scientists dazu beitragen, die Sprachlandschaft Österreichs zu erforschen: Wie wird Sprache in Österreich verwendet? Und welche Sprachen und Dialekte sind im öffentlichen Raum verschriftlicht? Mittels App können Citizen Scientists beim Projekt »Deutsch in Österreich« Fotos von Schrift im öffentlichen Raum (z. B. Schilder, Plakate, Sticker) samt Ortsangabe hochladen und mit Zusatzinformationen versehen. Weitere Informationen zum Award und alle Möglichkeiten zum Mitforschen: www.zentrum fuercitizenscience.at/de/citizen-science-award-2019


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Franziska Staber

Erasmus+ (2021–2027) Erfahrungen aus der österreichischen Ratspräsidentschaft

© Andy Wenzel , BKA

Franziska Staber ist seit 2015 Bildungsattachée an der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU und hat während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft als Vorsitzende des Bildungsausschusses die Verhandlungen zum Erasmus+ Nachfolgeprogramm geleitet.

Mit Erasmus (2021–2027) geht eines der erfolgreichsten und beliebtesten EU-Programme in seine nächste Programmperiode. Erasmus+ verbessert nicht nur Sprachkompetenzen und erhöht Jobchancen, wie eine Studie der Europäischen Kommission zeigt, sondern schafft auch einen Raum, in dem junge Menschen und Lehrkräfte Neues kennenlernen und dadurch ihre persönlichen und interkulturellen Kompetenzen verbessern können. Bislang verbindet ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger das Schlagwort »Erasmus« vorrangig mit Studienaufenthalten im Ausland. Das Programm bietet darüber hinaus zahlreiche andere Möglichkeiten, von Praktika für Schülerinnen und Schülern und Lehrenden z. B. in Schweden, Portugal oder Serbien1, innovativen Projekten an denen Schulen oder Jugendeinrichtungen aus mehreren Ländern beteiligt sind, bis hin zu virtueller Mobilität. Durch Erasmus+ können wir über Grenzen hinweg voneinander lernen, zusammenarbeiten, Vorurteile abbauen und es stärkt das Zugehörigkeitsgefühl zur EU. Die Verhandlungen im Rat Ich hatte während der österreichischen Ratspräsidentschaft die ehrenvolle Aufgabe, die Verhandlungen zur gemeinsamen Position der Mitgliedsstaaten im Bildungsausschuss des Rates zu leiten. Den Vorschlag der Kommission haben wir zwischen Juli und Oktober 2018 in zehn Sitzungstagen im Bildungsausschuss diskutiert und mehrfach überarbeitet. Die Position der 28 Mitgliedsstaaten wurde schließlich im November von den Bildungsministerinnen und -ministern im Rat bestätigt. Die Kompromissfindung im Rat war aus unserer Sicht weitgehend friktionsfrei, da der Vorschlag der Kommission von den Mitgliedsstaaten durchwegs 1 Serbien nimmt seit Anfang 2019 am Programm teil. Insgesamt gibt es neben den EU-Mitgliedsstaaten sechs weitere Länder, die in vollem Umfang an Erasmus+ teilnehmen.

Erasmus+ (2021–2027) Stand der Verhandlungen • Veröffentlichung des Vorschlags der Europäischen Kommission – Mai 2018 • Position des Rates – November 2018 • Bericht des Europäischen Parlaments – April 2019 Was ist neu? • Mehr Auslandsaufenthalte von Schülerinnen und Schülern • inklusivere Programmumsetzung • Small-scale Partnerships • Europäische Hochschulen und Zentren der beruflichen Exzellenz • Ausweitung der Mobilität mit Drittstaaten • Budgetsteigerung (abhängig von den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen) • Jean Monnet für alle Bildungsbereiche Weitere Schritte • Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament ab Herbst 2019 • Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen Start des Programms 2021 positiv bewertet wurde. Die Kommission hat die Programmstruktur des derzeit laufenden Programms in ihren Vorschlag übernommen und weiterentwickelt. Die Mitgliedsstaaten haben sich daher darauf geeinigt, die Architektur des Programmes, wie von der Kommission vorgeschlagen, mit den drei Bereichen Bildung, Jugend und Sport sowie der Untergliederung in drei Schlüsselaktionen beizubehalten. Ein weiterer Faktor für die vergleichsweise rasche Einigung war dem Umstand zuzuschreiben, dass das Gesamtbudget aus den Verhandlungen ausgeklammert werden musste. Die Verhandlungen dazu verantworten in letzter Instanz die Staats- und


© European Union

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Neuerungen im zukünftigen Programm Grundsätzlich ist es das Ziel der Kommission und der Mitgliedsstaaten, mehr jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, an Mobilitätsaktivitäten teilzunehmen und das künftige Programm inklusiver zu gestalten. Dies soll durch kleinere Partnerschaftsprojekte, kürzere Auslandsaufenthalte, flexiblere Formate (u. a. blended oder virtuelle Mobilität) und mehr Auslandsaufenthalte für ganze Schulklassen realisiert werden. Kleinere Partnerschaftsprojekte (sog. small-scale partnerships) sollen durch vereinfachte Antragstellung und geringere Hürden vermehrt auch kleinere Einrichtungen sowie Neulinge zum Programm ansprechen. Weiters werden im neuen Programm nun auch Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, individuell einen Auslandsaufenthalt zu verbringen und es sollen vermehrt auch Lehrlinge einen Teil ihrer Ausbildung in einem Betrieb oder einer Schule in einem anderen Mitgliedsstaat absolvieren. Uneinig zeigten sich die Mitgliedsstaaten darüber, ob die von der Kommission forcierte Aktion »DiscoverEU« (Interrailtickets für 18-jährige) dem Konzept eines Bildungsprogrammes wie Erasmus+ entspricht und aufgenommen werden sollte. Die Kooperation mit Drittstaaten soll nun auch im Bereich der Berufsbildung möglich werden und die Jean-Monnet Aktionen werden für alle Bildungsbereiche geöffnet. Weiters sieht das neue Programm zwei innovative Kooperationsinitiativen vor, deren Pilotierung bereits im laufenden Programm gestartet hat: Das Programm greift eine Idee auf, die ursprünglich von Frankreich initiiert wurde – die Initiative der Europäischen Hochschulen, ein ehrgeiziges Projekt, bei der Hochschulen der Programmstaaten enger zusammenarbeiten und gemeinsame Studienprogramme ausarbeiten sollen. Weiters sind

sog. Zentren der beruflichen Exzellenz geplant, die den Stellenwert der beruflichen Bildung in Europa stärken und Synergien zwischen Bildungseinrichtungen, Sozialpartnern und Unternehmen fördern. Das zukünftige Programm soll auch die Innovationskapazität der Union durch gezielte Förderung von Partnerschaftsprojekten in zukunftsorientierten Fachbereichen stärken. Die Kommission setzt sich insgesamt zum Ziel, Synergien zwischen den verschiedenen EU-Programmen und Instrumenten (z. B. ESF oder Horizon Europe) zu nützen. Ausblick Kommissionspräsident Juncker hat bereits Ende 2017 beim Sozialgipfel in Göteborg angekündigt, dass die Mittel für das Programm aufgestockt werden und »keinerlei Mittelkürzungen hingenommen werden« sollen. Ob das Ziel einer Verdreifachung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie es sich die Kommission wünscht, auch tatsächlich erreicht werden kann, wird hauptsächlich vom zur Verfügung stehenden Budget abhängen. Das Europäische Parlament hat mehrfach eine Verdreifachung des derzeitigen Programmbudgets von 15 auf 45 Mrd. Euro gefordert. Derzeit verhandeln die Mitgliedsstaaten den Mehrjährigen Finanzrahmen unter rumänischem Ratsvorsitz weiter. Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 können die sog. Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission beginnen. Mit vorsichtig positivem Ausblick sollte das Programm in Zukunft mehr Mittel für Mobilitätsund Kooperationsprojekte bereithalten. Aufgrund der zu erwartenden Mittelsteigerung wird eine noch intensivere Promotion des Programms erforderlich sein, insbesondere auch um mehr Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge zu erreichen. Eine wichtige Herausforderung für die zukünftige Programmperiode wird es sein, Schulen in geographischen und sozialen Randlagen zu motivieren, sich an Erasmus+ zu beteiligen.

Ziel der Kommission und der Mitgliedsstaaten ist es, mehr jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, an Mobilitätsaktivitäten teilzunehmen und das künftige Programm inklusiver zu gestalten.

© European Union

Regierungschefs und werden von der zuständigen Arbeitsgruppe für den Mehrjährigen Finanzrahmen vorbereitet.

Im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft wurde das Nachfolgeprogramm für Erasmus+ im Bildungsausschuss des Rates diskutiert.


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Günther Jedliczka

Anerkennung für nachhaltiges Bauen Die OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2018 zurück.

Günther Jedliczka ist Geschäftsführer der OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH.

Die OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH (OeADWVGmbH) ist seit Jahren dafür bekannt, den ökologischen Fußabdruck bei all ihren Projekten zu berücksichtigen. Sie ist stets bedacht, in allen Bereichen nachhaltig zu agieren. Diese Bemühungen wurden auch im Jahr 2018 wieder mit einigen Preisen und Auszeichnungen belohnt!

Unternehmen, Privatpersonen, Ingenieur/innen, Architekt/innen, Eigentümer/innen von Anlagen sowie an Organisationen und Journalist/innen vergeben, die sich um die Nutzung der Sonnenenergie im besonderem Maße verdient gemacht und somit neue Anstöße zur Breiteneinführung gegeben haben. Eurosolar ist in zwölf europäischen Staaten vertreten.

Eurosolar Austria

© AAP-Architekten

Im Oktober 2018 durfte die OeAD-WVGmbH über eine weitere Trophäe jubeln – das OeAD-Gästehaus PopUp dorms wurde mit dem FIABCI Prix d‘ Excellence 2018 ausgezeichnet. In der Kategorie Wohnen/Neubau war die OeAD-WVGmbH sogar mit zwei Projekten nominiert: mit dem OeAD-Gästehaus mineroom in Leoben und dem OeAD-Gästehaus PopUp Dorms in der Seestadt Aspern in Wien. Die PopUp Dorms wurden gemeinsam mit dem Heimträger Home4Students realisiert und konnten sich als Sieger durchsetzen; den zweiten Platz belegte das OeAD-Gästehaus mineroom in Leoben.

© J.Konstantinov

Eurosolar Austria vertritt das Ziel, atomare und fossile Energie vollständig durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Das OeAD-Gästehaus mineroom in Leoben erhielt die Trophäe in der Kategorie »Solares Bauen«.

Fiabci Prix d‘Excellence

Ende September 2018 durften sich die beiden Architektinnen Alexandra Frankel und Martina Feirer (aap.architekten) des OeAD-Gästehauses mineroom in Leoben über den Preis für Solares Bauen freuen. Dieser wurde im Festspielhaus in Bregenz verliehen. Seit 1994 werden von Eurosolar Austria herausragende innovative Projekte und Initiativen von Anwendungen erneuerbarer Energien in verschiedenen Preiskategorien ausgezeichnet, die eine konsequente und dezentrale Energiewende verfolgen. Der österreichische und europäische Solarpreis wird von Eurosolar an Gemeinden, kommunale


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© FIABCI

Die OeAD-Gästehäuser PopUp Dorms in der Seestadt Aspern waren unter den Siegerprojekten des Fiabci Prix d‘Excellence Awards 2018. Der hochkarätige Preis wird für herausragende österreichische Immobilienprojekte mit Innovationscharakter und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit vergeben.

Sustainable Development Goals-Award Im Dezember 2018 durfte ich als Geschäftsführer der OeAD-WVGmbH am Mondsee den Sustainable Development Goals-Award entgegennehmen. Im Rahmen eines feierlichen Festakts des Senats der Wirtschaft wurde der Preis in der Basilika von Schloss Mondsee verliehen. Mit dieser Auszeichnung sollen Unternehmer/nnen geehrt werden, die eine Vorbildfunktion hinsichtlich

1. Reihe v.l.n.r.: Kurt Weinberger (Österreichische Hagelversicherung VVaG), Alice Alsch-Harant (Mitglied des Ethikbeirats), Michaela Latzelsberger (Coloplast Austria GmbH), Sepp Eisenriegler, (Reparatur- und ServiceZentrum R.U.S.Z), Arthur Primus (Europlast Kunststoffbehälterindustrie GmbH), Günther Jedliczka (OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH) 2. Reihe v.l.n.r.: Pater Nikolaus Thiel, Jochen Ressel (Senat der Wirtschaft), Hans Harrer (Senat der Wirtschaft), Johannes Linhart (Senat der Wirtschaft), Günther Bergauer, (Bankhaus Schelhammer & Schattera)

Unternehmenskultur und nachhaltiger Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene einnehmen. Auch das Jahr 2019 beginnt spannend Die Central European University (CEU) wechselt ihren Standort von Budapest nach Wien und hat ab dem Studienjahr 2019/2020 Bedarf an zirka 225 Heimplätzen für die erstsemestrigen Studierenden angemeldet. Das akademische Jahr ist bei der CEU im Gegensatz zum österreichischen Modell in Trimester eingeteilt, was uns vor neue Herausforderungen stellt. Es wurden hierfür zunächst sämtliche Plätze im OeAD-Gästehaus Sechshauser Straße reserviert, weitere Optionen werden geprüft. Jedenfalls freuen wir uns über die Kooperation mit einem neuen spannenden Partner.

© Senat-Österreich

Der Fiabci Prix d‘Excellence Austria ist ein hochkarätiger Preis für herausragende österreichische Immobilienprojekte mit Innovationscharakter und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Im Rahmen einer vierstündigen Gala in der Grand Hall am Erste Campus Wien wurden am 18. Oktober 2018 fünf herausragende österreichische Immobilienprojekte mit einem Award ausgezeichnet. Die insgesamt fünf Sieger des ersten Fiabci Prix d‘Excellence Austria nehmen nun auch am internationalen Fiabci World Prix d‘Excellence am 28. Mai 2019 in Moskau teil.


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Rita Michlits | Cathrine Seidelberger

Hochschulkooperationen regional, national und international Rückschau Hochschultagung 2018

Rita Michlits leitet seit September 2013 die Kommunikationsabteilung im OeAD. Sie hat Publizistik und Kunstgeschichte an der Universität Wien studiert. Cathrine Seidelberger ist Mitarbeiterin der Abteilung KIM (Kommunikation, Information, Marketing) im OeAD.

Regionale, nationale und internationale Hochschulkooperationen waren das Kernthema der Jahrestagung von OeAD und Erasmus+ Hochschule. Rund 250 Vertreter/innen aus Hochschulen, Bildungsinstitutionen und Politik trafen am 20. und 21. November an der FH Campus Wien zusammen, um Vielfalt, Chancen und Herausforderungen von Kooperationen in USA/Kanada, China und den Ländern des Kaukasus zu diskutieren. Beim Abendempfang wurde Jakob Calice als neuer Geschäftsführer von OeAD-GmbH und KulturKontakt Austria ab 2019 vorgestellt. Internationalisierung durch internationale Curricula fördern Zum Auftakt der Konferenz forderte Eva EgronPolak von der International Association of Universities zur Zusammenarbeit auf. »Wir alle sind Nachbarinnen und Nachbarn, wir alle bewohnen denselben Planeten«, so Egron-Polak. »Lernen und Lehren kennt keine Grenzen. Hochschulen und Bildungsinstitutionen auf der ganzen Welt müssen Grenzen überwinden – sowohl die nationalen als auch die fachlichen, um die Herausforderungen unserer Gesellschaft zu meistern.« Eine qualitätsvolle Bildung für alle, wie sie die Vereinten Nationen im Ziel 4 der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) formulieren, baut auf eine offene, inklusive und diverse Gesellschaft.

1 Bild 1: Eva Egron-Polak (International Association of Universities) argumentierte in ihrem Vortrag, dass Hochschulinternationalisierung der Gesellschaft dienen müsse. Bild 2: Die zweite gemeinsame Jahrestagung von OeAD und Erasmus+ Hochschule fand 2018 am FH Campus Wien statt.

»Um in Zukunft zu bestehen, darf Internationalisierung kein Luxus für einige wenige Hochschulen sein, sondern muss allen Hochschulen und der Gesellschaft dienen«, bekräftigte Egron-Polak. Weniger als drei Prozent aller Studierenden sind laut Egron-Polak heute mobil. Die OECD erwartet im Jahr 2025 zirka 260 Mio. Studierende weltweit, der Anteil werde sich nur wenig steigern, sagte sie: »Wir müssen unseren Blick daher auf die Curricula richten – und die müssen internationaler werden.« Expert/innen aus und für China, USA und dem Kaukasus diskutierten bei der Tagung, was Hochschulkooperationen brauchen, um erfolgreich zu sein. Alexandra Wagner (OeAD-Büro Shanghai), Lika Glonti (National Erasmus+ Office, Georgien), Clemens Mantl (OSTA Washington DC), Edeltraud Hanappi-Egger (WU Wien), Elgrid Messner (PH Steiermark) und Doris Kiendl (FH Joanneum) brachten ihre Erfahrungen aus der Praxis ein und formulierten Wünsche an Politik und OeAD. Einig zeigte sich das Podium darin, dass Englisch als Sprache der Wissenschaft ein Schlüssel für erfolgreiche Hochschulkooperationen sei. Erasmus 2021–2027: Neue Möglichkeiten für Europas Hochschulen Vanessa Debiais-Sainton, Head of Unit für Erasmus+ Hochschulbildung in der Europäischen Kommission, betonte bei ihrem Vortrag, dass bei der

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© C. Cavalotti, OeAD

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© K. Hausberger, OeAD

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Soweit nicht anders angegeben, alle Fotos der Doppelseite © OeAD | Godany, APA-Fotoservice

Auswahl der EU-geförderten Projekte ein besonderes Augenmerk auf geografische, thematische und institutionelle Balance gelegt werde. Bei der konkreten Ausgestaltung der Netzwerke sollen auch alternative Mobilitätsformen wie etwa »virtual« oder »blended mobility« neben dem klassischen Austausch zur Anwendung kommen. Die Gestaltung der internationalen Dimension der Zusammenarbeit mit weltweiten Partnerländern unter dem Nachfolgeprogramm von Erasmus+ hänge stark vom Budget ab, so Debiais-Sainton. Klar sei jedoch schon jetzt, dass die Kooperation mit Partnerländern auch im neuen Programm ab 2021 eine wesentliche Rolle spielen werde. Auch die Hochschulvertreter/innen unterstrichen den Stellenwert der weltweiten Zusammenarbeit mit außereuropäischen Hochschulen. Elmar Pichl, Sektionschef im BMBWF, zitierte jüngste Programmstatistiken und wies darauf hin, dass bei Fortbildungsmobilitäten von Hochschulpersonal das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft sei. Zudem seien Studierende aus sozial benachteiligten Gruppen unter den Erasmus+ Teilnehmer/innen nach wie vor unterrepräsentiert. In sieben Foren wurden Details zum Schwerpunktthema Kooperationen in Kleingruppen diskutiert. Weiters wurden bei der Veranstaltung die Datenbank www.oead.at/einreise sowie die Website cee-you.eu vorgestellt. Die Datenbank zur Einreise und Aufenthalt soll Forscher/innen und Student/innen bei der Suche nach dem für sie passenden Visum bzw. Aufenthaltstitel unterstützen. Die Website cee-you.eu informiert über die bilateralen Förderprogramme »Aktionen« zwischen Österreich und den drei Nachbarländern Slowakei, Tschechien und Ungarn. Bei einem Festakt übergab Stefan Zotti die OeAD-Geschäftsführung symbolisch an Jakob Calice. Überraschungsgast EU-Kommissar Johannes Hahn würdigte die Leistungen von Stefan Zotti und wünschte der neuen Leitung des OeAD alles Gute.

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Bild 3: Bei der Podiumsdiskussion zum Thema »Was brauchen Hochschulkooperationen, um erfolgreich zu sein?« diskutierten Alexandra Wagner (OeADKooperationsbüro Shanghai), Elgrid Messner (PH Steiermark), Clemens Mantl (OSTA Washington DC), Eva Egron-Polak (Inter. Association of Universites), Barbara Weitgruber (BMBWF), Andreas Obrecht (OeAD), Edeltraud Hanappi-Egger (WU Wien), Doris Kiendl (FH Joanneum), Lika Glonti (National Erasmus+ Office, Georgien). Bild 4: Vanessa Debiais-Sainton (Head of Unit Erasmus+ Higher Education, EK), Ernst Gesslbauer (Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeAD-GmbH) und Eva Bliminger (Österreichische Universitätenkonferenz) erörtern bei der Podiumsdiskussion Erasmus 2021–2027 neue Möglichkeiten für Europas Hochschulen. Bild 5: In sieben Foren widmeten sich die Teilnehmer/innen den verschiedenen Aspekten von Hochschulkooperationen: Die Themen reichten von Hochschulkooperationen mit USA/Kanada über Nachhaltigkeit und Impact von Kooperationsprojekten bis hin zur Roll der OeADLektor/innen.

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Bild 6: Elmar Pich (BMBWF), Johannes Hahn (Europäische Kommission), Martin Netzer (BMBWF), Barbara Weitgruber (BMBWF), Stefan Zotti (GF OeAD-GmbH bis Ende 2018), Jakob Calice (Geschäftsführer der OeAD-GmbH ab 2019) bei der feierlichen Übergabe der Geschäftsführung. Bild 7: Jakob Calice und Stefan Zotti beim Abendempfang anlässlich der Übergabe der OeAD-Geschäftsführung an Jakob Calice ab 2019.


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KulturKontakt Austria wird mit 1.1.2020 in die OeAD-GmbH integriert Rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen die vielfältigen Programme um: KulturKontakt Austria fördert den Austausch und die Kooperation zwischen Bildungsinstitutionen in Ost- und Südosteuropa und Österreich zur nachhaltigen Unterstützung von Bildungsreformen. KulturKontakt Austria unterstützt die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen in Österreich. KulturKontakt Austria bietet internationalen Kulturschaffenden im Rahmen des Artists-inResidence-Programms Stipendien- und Gastatelieraufenthalte in Österreich. Am 1. Jänner 2020 wird KulturKontakt Austria in die OeAD-GmbH integriert. www.kulturkontakt.or.at

© Pixabay

KulturKontakt Austria hat sich seit seiner Gründung vor 30 Jahren zu einem wichtigen europäischen Kompetenzzentrum in den Kernbereichen der Kulturvermittlung mit Schulen in Österreich, der internationalen Bildungskooperation und dem Artists-in-Residence-Programm für Künstlerinnen und Künstler aus dem Ausland entwickelt. Der Verein entwickelt und implementiert seine Programme im Auftrag und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung und des Bundeskanzleramtes. KulturKontakt Austria ist durch seine fundierte Expertise und seine Projekte in Österreich und Europa ein wichtiger Akteur.


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OeAD-Events

Veranstaltungskalender Der OeAD bietet Plattformen zur öffentlichen Diskussion rund um Mobilität und Internationalisierung. Details und Infos zur Anmeldung finden Sie unter www.oead.at/events.

5. bis 6. April 2019 | Wien Literaturhaus Wien | Seidengasse 13 | 1070 Wien Franz-Werfel-Tagung und Wendelin-Schmidt-Dengler-Lesung Die diesjährige Tagung der ehemaligen und aktuellen WerfelStipendiat/innen steht unter dem Thema »Leichte und schwere Literatur.« Im Rahmen der Tagung findet am 5. April um 19 Uhr die 11. Wendelin-Schmidt-Dengler-Lesung statt. Es liest: Wolf Haas. 30. April 2019 | Wien Vienna Business School | Hamerlingplatz 5-6 | 1080 Wien OeAD macht Schule: Was Lehrkräfte bei der (Weiter-)Entwicklung von digitalen Kompetenzen unterstützt Im Zentrum der Fachtagung steht die Stärkung digitaler Kompetenzen von Lehrkräften. Die Pädagog/innen können gemeinsam mit Bildungsexpert/innen innovative Methoden und Ansätze diskutieren sowie digitale Unterrichtselemente kennenlernen und ausprobieren. 4. Juni 2019 | Wien Universität für Musik und darstellende Kunst | Anton-von-Webern-Platz 1 | 1030 Wien Bologna-Tag 2019: 20 Jahre Europäischer Hochschulraum: Reflexion – Gegenwart – Zukunft Der Bologna-Tag 2019 lädt zu einer gemeinsamen Reflexion inklusive Impulse für die Zukunft über den Europäischen Hochschulraum und dessen Rolle hinsichtlich akademischer Freiheit, Mobilität und Internationalisierung, Studienarchitektur, Qualitätssicherung, Kompetenzorientierung und Förderung einer heterogenen Studierendenschaft ein. 4. bis 6. Juni 2019 | Wien Aula der Wissenschaften | Wollzeile 27a | 1010 Wien Jugend Innovativ Bundes-Finale 2019 Bei Österreichs größtem Schulwettbewerb für innovative Ideen werden die besten Projekte aus sechs Kategorien in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Höhepunkt ist die feierliche Preisverleihung, bei der die Innovationsstiftung für Bildung zum zweiten Mal die Sonderpreise in der Kategorie »Digital Education« und zwei Publikumspreise vergibt.

13. Juni 2019 | Wien SkyDome | Schottenfeldgasse 29 | 1070 Wien EPALE-Themenkonferenz Die EPALE-Themenkonferenz richtet dieses Jahr den Fokaus auf politische (Erwachsenen-)Bildung, Demokratiebildung und Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Erwachsenenbildung. Im Rahmen von Ideen- und Networkingpools werden Projekte und Methoden aus Österreich und Europa vorgestellt. 13. bis 14. Juni 2019 | Wien Europahaus | Linzerstraße 429 | 1140 Wien Internationale eTwinning-Konferenz zur Donauraumstrategie Die eTwinning-Veranstaltung ermöglicht den Austausch zwischen Pädagog/innen aus den Ländern des Donauraums. Die Ziele umfassen die Anbahnung zukünftiger grenzüberschreitender Projekte, das Kennenlernen der EU-Strategie für den Donauraum sowie das Vorstellen der eTwinning-Plattform unter fachlicher Anleitung.

26. bis 28. Juni 2019 | Tirol Universitätszentrum| Gaisbergweg 5 | 6456 Obergurgl 5. Österreichische Citizen Science-Konferenz Die von der Universität Innsbruck und dem Citizen Science Network Austria veranstaltete Konferenz steht heuer unter dem Motto »Grenzen und Übergänge. Das im OeAD angesiedelte Zentrum für Citizen Science wird die Workshops »Über (fehlende) Citizen Science-Incentives & Anerkennung – Was motiviert & was hindert Forschende?« und »Citizen Science-Förderungen: Erwartungen von Forschenden vs. Möglichkeiten von Fördergebern« ausrichten.


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Liberty & Security European Forum Alpbach 14.8. – 30.8.2019 | #efa19 www.alpbach.org


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