oead.news 102

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1 Nummer 102 | März 2017


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Inhalt Stefan Zotti 03 Editorial

aller Kürze 04 InKurzmeldungen zu Bildung, Forschung, Wissenschaft

international

einem belagerten Land

Tibor Navracsics 06 Erasmus+: Bessere Fördermöglichkeiten für

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Doris Bauer Die Radiosendung »Welt im Ohr« jubiliert

Europas künftige Generationen

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oead.news im Gespräch mit Christian Krenthaller, BMB, und Elmar Pichl, BMWFW Von Erasmus zu Erasmus+: Das Bildungsprogramm feiert 30 Jahre

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Stefan Zotti Die Innovationsstiftung für Bildung

Obrecht 54 Andreas Gaza – Energieeffizientes Bauen in

Hartl | Franz Gramlinger 60 Sigrid Ein ARQA-VET-Projekt im Rahmen von Erasmus+

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Michael Glatzl OeAD verhandelt neues Programm in Teheran

Ernst Gesslbauer 30 Jahre … und dann?

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Armin Thaler | Moritz Töllner Summer Universities zu Nachhaltigkeit in Wien

Josef Leidenfrost 16 Erasmus 30 – na und?

63

Ausstellung und Lesungen 25 Jahre Franz Werfel-Stipendium

18−21

Erasmus+ Schulbildung Die europäische Dimension in der Schule

24−27

Erasmus+ Berufsbildung Die österreichische Berufsbildung in einer europäischen Zukunft

30−41

Erasmus+ Hochschulbildung Erasmus+ fördert Hochschullehre und Studium weltweit

44−47

Erasmus+ Erwachsenenbildung Erwachsenenbildung und europäische Bildungsprojekte

Dippelreiter 64 Michael Karriere mit Lehre im Ausland

66

OeAD-Events Veranstaltungskalender

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Rafaela Mazal | Catherine Seidelberger Verleihung der Citizen Science Awards 2016

Michlits | Eva Müllner | Cathrine Seidelberger 68 Rita 26. OeAD-Hochschultagung

72

European Forum Alpbach Apply for a scholarship


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Stefan Zotti

Europa ringt wieder einmal um seine Identität und seine Zukunft. Die zunehmenden Spannungen im Euroraum, der Brexit und das Erstarken rechts- und linkspopulistischer Kräfte, welche die Integration rückabwickeln wollen, stellen eine substanzielle Herausforderung für das Friedensprojekt Europa dar. Umso wichtiger sind gemeinsame Symbole und Referenzpunkte, welche das Gemeinsame ins Blickfeld rücken und mithelfen, Identität zu stiften. Das Programm Erasmus zählt im Regelfall zu den ersten, wenn es darum geht, Erfolgsprojekte zu benennen. Wie kaum einem anderen Programm gelang und gelingt es dem Programm Erasmus+ und seinen Vorgängerprogrammen, den Mehrwert des gemeinsamen Europa sichtbar und erlebbar zu machen. Neun Millionen Geschichten über individuelle Erlebnisse spannen mittlerweile ein Netz über Europa und haben uns eine »Generation Erasmus« beschert, die zu den Zeugen und Boten des neuen Europa geworden sind. Erasmus hat wesentlich dazu beigetragen, Mobilität zu einer Selbstverständlichkeit in der Bildungskarriere zu machen. Die auch heute noch stetig wachsenden Teilnahmer/innenzahlen am Erasmus-Programm dürfen aber nicht den Blick auf die zumindest ebenso wesentliche Frage nach der Qualität der Mobilität und der Rolle, die internationale Erfahrung in der Bildung generell spielen soll, verstellen. Welche Mobilität wollen wir, was soll damit – über die Erweiterung des persönlichen

Horizonts hinaus – erreicht werden? Wie können wir Internationalität auch für jene zugänglich und erfahrbar machen, denen, aus welchen Gründen auch immer, keine Auslandsaufenthalte möglich sind? 30 Jahre Erasmus haben aber auch die Art und Weise der bilateralen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten verändert. Dieses Jahr wäre ein guter Anlass, kritisch Bilanz zu ziehen über die Vielzahl an Kooperationsprogrammen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind und zu fragen, wie sich diese heute in die Entwicklung und Vertiefung des europäischen Hochschulraums einfügen. Wir wollen uns im Laufe des heurigen Jubiläumsjahres mit Ihnen gemeinsam vieler dieser Fragen stellen und damit Perspektiven für die nächsten Jahre und die nächste Programmgeneration entwickeln. Die vorliegenden oead.news sind eine erste Einladung, uns auf diesem Weg zu begleiten, mit uns zu feiern, aber auch gemeinsam darüber nachzudenken, wohin sich Erasmus und der europäische Hochschulraum entwickeln.

© OeAD | Sabine Klimpt

Editorial

Ihr Stefan Zotti

Impressum: Medieninhaber & Herausgeber: OeAD (Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft mit beschränkter Haftung | Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH) | 1010 Wien, Ebendorferstraße 7 | T +43 1 534 08-0 | F DW 999 | info@oead.at | www.oead.at | Sitz: Wien | FN 320219 k | Handelsgericht Wien | Chefredaktion und für den Inhalt verantwortlich: Eva Müllner, KIM – Kommunikation, Information, Marketing | Schlussredaktion: Rita Michlits | Lektorat: Michael Dippelreiter, Christian Jahn, Irmgard Schmoll, Barbara Sutrich | Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Andrea Bauer, Doris Bauer, Rupert Beinhauer, Gerhard Bisovsky, Michael Dippelreiter, Ernst Gesslbauer, Michael Glatzl, Franz Gramlinger, Sigrid Hartl, Franz Heffeter, Dimitris Karagiannis, Josef Leidenfrost, Karin Luomi-Messerer, Rafaela Mazal, Rita Michlits, Eva Müllner, Tibor Navracsics, Andreas Obrecht, Attila Pausits, Franz Schimek, Catherine Seidelberger, Michael Stadler-Vida, Armin Thaler, Moritz Töllner, Gerhard Volz, Eva Werner, Stefan Zotti | Grafisches Konzept: Fineline, erweitert von Rita Michlits und Eva Müllner | Layout: Eva Müllner | Fotos: Wenn nicht gesondert vermerkt, im Eigentum der OeAD-GmbH | Druck: one2print/DI Hans A. Gruber KG | Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft | Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und müssen sich nicht mit der des Herausgebers decken. | P.b.b. | Erscheinungsort Wien | Verlagspostamt 1010 Wien | GZ: 02Z032 994M | Wien, März 2017 OFFENLEGUNG GEMÄSS § 25 MEDIENGESETZ: Unternehmensgegenstand: Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (§ 3. (2) OeAD-Gesetz) | Geschäftsführer: Stefan Zotti | Prokurist: Ulrich Hörmann | Mitglieder des Aufsichtsrats: Elmar Pichl, Hanspeter Huber, Teresa Indjein, Gottfried Schellmann, Heinz Fassmann, Kurt Koleznik, Marlies Krainz-Dürr, Barbara Sporn, Franz Salchenegger, Eva Weixler, Bernhard Muzik, Harald Malainer | Die OeAD-GmbH steht zu einhundert Prozent im Eigentum des Bundes (§ 1. (2) OeAD-Gesetz) | Grundlegende Richtung: Information zu Bildungsmobilität und Bildungskooperation – national und international


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Ein OnlineUniversum für Studierende Erstmals bündelt das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft alle 15 bestehenden Webseiten zu den diversen Studieninformationen unter einer Website. Das neue Portal www.studiversum.at erleichtert den Zugang für (angehende) Studierende zu finanzieller Unterstützung, zu Studien- und Promotionsmöglichkeiten, Zulassungsfristen und Mobilitätsprogrammen. Auf der Website sind alle österreichischen Hochschulen zu finden, es gibt Tipps zu Jobs und Wohnen und zu einem Studium im Ausland mit Links zu den Online-Angeboten der OeAD-GmbH.

Wissenschaftsbuch des Jahres 2017 »Vor 70.000 Jahren war der Mensch zum ersten Mal in der Lage, etwas zu denken, was es nicht gibt: Es ist die Geburtsstunde der menschlichen Kultur. Heute steht der Mensch kurz vor seiner größten Erfindung: sich selbst.« Dieser Auszug stammt aus »Die Erfindung des Menschen«. Die Biochemikerin Renée Schroeder erhielt dafür die Auszeichnung »Wissenschaftsbuch des Jahres«. Auch die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak mit dem Buch »Politik mit der Angst« und der Ökonom Gernot Wagner mit »Klimaschock« dürfen sich über diese Auszeichnung freuen. In der Kategorie Junior-Wissen geht der Preis nach Polen, an den bildenden Künstler Piotr Socha für das Buch »Bienen«. »Wissenschaftsbuch des Jahres« ist eine gemeinsame Aktion des Wissenschaftsministeriums mit dem Magazin Buchkultur und der österreichischen Buchbranche. Die Aktion wurde im Jahr 2007 ins Leben gerufen, um den Stellenwert des wissenschaftlichen Sachbuchs deutlich zu machen. www.wissenschaftsbuch.at

Im Rahmen der »Nationalen Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung« will das BMWFW als eine von vielen Maßnahmen das Beihilfensystem weiter verbessern. Zu den derzeit 200 Mio. Euro sollen zusätzlich 25 Mio. Euro jährlich in die Anhebung der Studienbeihilfen investiert werden.

© Residenz Verlag

Mehr Chancengleichheit

© CCO Public Domain | Pixabay

In aller Kürze

Citizen Science Award 2017: Acht Projekte laden zum Mitforschen ein Schulen und Einzelpersonen sind von 1. Mai bis 30. Juni 2017 eingeladen, bei acht Forschungsprojekten mitzuarbeiten. Es werden Sach- und Geldpreise von bis zu 3.000 Euro vergeben! Die Themen und Fragestellungen der Projekte sind vielfältig: Wie viele Eichhörnchen leben in Österreichs Landeshauptstädten? Welche Möglichkeiten der politischen Partizipation gibt es? Wie steht es um die Wasserqualität in Österreichs Bächen? Citizen Scientists können aber auch das Leben und Schicksal der jüdischen Bevölkerung Niederösterreichs untersuchen, Amphibien- und Reptilienfunde melden, den Völkerverlust des heimischen Bienenbestands dokumentieren, Entwicklungsauffälligkeiten beim fragilen X-Syndrom bei Kindern beobachten und Möglichkeiten für den Datenschutz erforschen. Alle Infos unter zentrumfuercitizenscience.at/de/ Award2017

© Engelbert Hosner | Pixelio

Erasmus+ Tag am 10. Mai 2017 – feiern Sie mit! Die Nationalagentur Erasmus+ Bildung (OeAD-GmbH) nimmt das 30-Jahr-Jubiläum des EU-Programms Erasmus zum Anlass, gemeinsam mit allen Projektträger/innen, interessierten Institutionen und Personen am 10. Mai 2017 den Erasmus+ Tag zu feiern. Die Organisation will damit die Leistungen und Errungenschaften von Erasmus+ ins Rampenlicht rücken und das europäische Erfolgsprogramm noch bekannter machen. Das aktuelle Programm mit allen Veranstaltungen und Aktivitäten finden Sie auf www.bildung. erasmusplus.at/erasmus30. Hier informieren wir laufend zur Jubiläumskampagne »Von Erasmus zu Erasmus+«. Und auch auf www.facebook.com/erasmus30, unserer Facebook-Seite zu »30 Jahre Erasmus«, halten wir Sie auf dem Laufenden.


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Neue OeAD-Website ist online

© OeAD | Gianmaria Gava

Wir freuen uns, dass unsere neue Website www.oead.at online ist. Die neue Seite ist nach den großen Mobilitätsthemen »Nach Österreich« und »Ins Ausland« gegliedert und bietet darüber hinaus Informationen über Projektförderung und unsere Expertise – vom Nationalen Qualifikationsrahmen über die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Schule und Gesellschaft bis zu Entwicklungsforschung. Auch das Bildkonzept der neuen Website zeigt die ganze Breite der OeAD-Services. Der Fotograf Gianmaria Gava und die Künstlerin Christiane Peschek haben es für uns umgesetzt. Wir danken auch den Schüler/innen des BRG9, den Mitarbeiter/innen der OeAD-GmbH und unseren Stipendiat/innen, die uns als Modelle zur Verfügung standen. Wir wünschen uns, dass Sie sich auf der neuen Seite gut zurecht finden und wir Sie stets über unsere Services, laufende Ausschreibungen und andere Neuigkeiten auf dem Laufenden halten. Und oead.at ist barrierefrei und natürlich responsive, Sie können die Seite auf all Ihren mobilen Geräten nutzen.

Relaunch Euraxess-Websites Euraxess, ein europaweites Netzwerk, das die Mobilität und Karrieren von Forscher/innen im europäischen Forschungsraum fördert, hat seine Webseiten einem Relaunch unterzogen: Die neue österreichische Plattform www.euraxess.at ging Anfang des Jahres ebenso online wie die europäische Seite und die Euraxess-Websites weiterer Länder Europas. Forscher/innen finden auf den Websites Informationen zum Umzug sowie zu Karrierebedingungen. Hochschulen und Forschungseinrichtungen können ihre vakanten Forschungsstellen international ausschreiben. In Österreich wird die Initiative vom BMWFW koordiniert. Die Euraxess Service Centres – der OeAD, die FFG sowie viele österreichische Hochschulen und Forschungseinrichtungen – sind Teil dieses europäischen Netzwerks und bieten den Forscher/innen neben Information auch persönliche Beratung vor Ort.

© Andreas Hermsdorf | Pixelio

Neue Stipendiensätze für OeADStipendien ab Studienjahr 2017/18 Erfreuliche Nachricht für Fördernehmer/innen: Die Monatsraten für OeAD-Stipendiaten/innen wurden im Studienjahr 2017/2018 auf 1.050 Euro für Postgraduates und 1.150 Euro für Postdocs erhöht. Die Reisekostenzuschüsse für Stipendiaten/innen aus außereuropäischen Entwicklungsländern wurden ebenfalls angepasst. Darüber hinaus wurden die monatlichen Stipendiensätze der OeAD-Outgoing-Förderung »Marietta Blau-Stipendium« auf 1.500 Euro angehoben. Nähere Informationen zu den Stipendienprogrammen finden Sie auf Österreichs größter Datenbank für Stipendien und Forschungsförderung www.grants.at.


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Tibor Navracsics

Erasmus+: Bessere Fördermöglichkeit für Europas künftige Generationen »Wir werden auf der Popularität dieses Programms aufbauen, um noch mehr Menschen zu erreichen.«

© Wolfgang Stöttinger

Tibor Navracsics ist seit 2014 EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport.

Als das Erasmus-Programm 1987 ins Leben gerufen wurde, war das grenzüberschreitende Studieren oder Arbeiten die Ausnahme – nicht die Selbstverständlichkeit, die es heute ist. Es gab sogar Widerstand und Skepsis, ob es sich überhaupt lohnen würde, in ein Mobilitätsprogramm auf europäischer Ebene zu investieren. Dreißig Jahre und neun Mio. Teilnehmer/innen später ist klar, dass die Skeptiker falsch lagen. Dank Erasmus und Erasmus+, dem derzeitigen Programm, haben junge Europäer/innen ihre Horizonte erweitert, indem sie von und miteinander lernen. Sie sind von ihren Auslandsaufenthalten mit neuen Fähigkeiten zurückgekommen, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht sind. Tatsächlich zeigt jede dritte Erasmus-Praktikant/in so ein hohes Maß an Kompetenz, dass die Gastfirma ihr oder ihm nach dem Praktikum eine Stelle anbietet. Ebenfalls dank Erasmus haben junge Europäer/innen Freundinnen und Freunde in anderen Ländern gefunden und neue Sprachen entdeckt. Sie haben erkannt, dass sie nicht nur Wienerinnen oder

Londoner sind – oder Schwedinnen oder Rumänen. Sie sind auch Europäer/innen. Sie haben damit gezeigt, dass unsere Gesellschaften auf gemeinsamen Werten aufgebaut sind, wie Solidarität, Freiheit und gegenseitigem Respekt. Diese Werte machen schon immer das Wesentliche der Europäischen Union aus. Aber ich glaube, dass es gerade jetzt, in einer Zeit, in der Europa große Herausforderungen zu meistern hat, wichtiger denn je ist, sie zu stärken. Deshalb ist Erasmus+ entscheidend für Europa. Als das Programm der EU für alle Bereiche der allgemeinen und beruflichen Bildung, Jugend und Sport ist es nicht auf den Austausch von Studierenden beschränkt. Das Programm bietet vielmehr eine Fülle von Möglichkeiten, Menschen sowie Bildungs- und andere Organisationen aus allen Teilen Europas und darüber hinaus zusammenzubringen. Erasmus+ hilft uns, die großen Herausforderungen zu meistern, vor denen wir heute stehen. Es zielt darauf ab, junge Menschen in der Ausbildung zu halten, ihren Übergang in die Arbeitswelt zu erleichtern sowie soziale Integration und aktive Bürgerschaft zu fördern. Erasmus+ ist um einiges größer als seine Vorgängerprogramme, nicht nur in Bezug auf das Budget, sondern auch was die Offenheit und Unterstützung für Teilnehmer/innen angeht. Daher erreicht das Programm auch junge Menschen aus benachteiligten Verhältnissen. Tatsächlich wäre

EU-Kommissar Tibor Navracsics (rechts im Bild) mit dem Geschäftsführer der OeADGmbH Stefan Zotti beim University Business Forum der WKO 2016.


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© Europäische Union, 2015

© ms privat

Responsible Science

Das Programm Erasmus+ bietet eine Fülle von Möglichkeiten, Menschen sowie Bildungs- und andere Organisationen aus allen Teilen Europas und darüber hinaus zusammenzubringen.

es ohne finanzielle Unterstützung durch das Programm für jeden Zehnten unserer mobilen Teilnehmer/innen schwierig gewesen, von Erasmus+ zu profitieren. Mit der Schaffung des Europäischen Solidaritätskorps wurde die Rolle von persönlichem Engagement und sozialer Integration in Erasmus+ weiter gestärkt. Diese neue Initiative wird jungen Menschen in Europa die Möglichkeit bieten, eine gewisse Zeit ihres Lebens Mitmenschen zu widmen, zum Beispiel dadurch, dass sie sich für die Integration von Flüchtlingen engagieren – während sie gleichzeitig wichtige Fähigkeiten entwickeln und neue Erfahrungen sammeln. Ich bin den Menschen dankbar, die Erasmus+ und dessen Vorgängerprogramme geschaffen haben. Fast so lang wie es diese Programme gibt – 25 Jahre – ist Österreich ein aktives Mitglied, nachdem es mit fast 900 Studierenden begonnen hatte. Ich danke dem Österreichischen Austauschdienst OeAD und dem Interkulturellen Zentrum. Ihre wertvolle Unterstützung hat dazu beigetragen,

Erasmus+ erfolgreich zu machen. Ich danke auch österreichischen Einrichtungen und Organisationen für ihr Engagement. Sie haben junge Menschen inspiriert und ermutigt, so dass seit 1992 mehr als 240.000 Österreicher/innen ins Ausland gegangen sind, um dort einen Teil ihres Studiums oder ihrer Ausbildung zu absolvieren, Freiwilligenarbeit zu leisten oder Berufserfahrung zu sammeln. Das ist Österreichs Beitrag zur Erasmus-Generation. Und ich zähle auf diese Generation. Ich ermuntere Sie alle, Ihre Geschichten zu teilen. Der Welt zu erzählen, wie Erasmus Ihr Leben verändert hat – so wie es diejenigen getan haben, deren Erfahrungen Sie in dieser Ausgabe der oead.news lesen können. Ich möchte, dass die Erasmus-Generation sich einmischt, dass sie hilft, das Programm voranzubringen, Europa voranzubringen. Denn diese Generation hat eine entscheidende Rolle zu spielen in der Schaffung eines stärkeren, besseren Europas. Die Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum bieten eine wunderbare Gelegenheit, einen Dialog dazu zu starten, wie wir dieses Europa bauen.

www.ec.europa.eu/erasmus30

Erasmus+ hilft uns, die großen Herausforderungen zu meistern, vor denen wir heute stehen.


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oead.news im Gespräch mit Christian Krenthaller, BMB, und Elmar Pichl, BMWFW

Von Erasmus zu Erasmus+: Das Bildungsprogramm feiert 30 Jahre In der Bildung funktioniert die europäische Zusammenarbeit wie nirgendwo anders. Interview: Eva Müllner Ing. Mag. Christian Krenthaller studierte Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist seit 2016 Gruppenleiter in der Präsidialsektion C/Bildungssteuerung im Bundesministerium für Bildung. Mag. Elmar Pichl ist seit 2013 Leiter der Hochschulsektion im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Er studierte Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität in Graz und ist seit 2011 Aufsichtsratsvorsitzender der OeAD-GmbH.

oead.news: Das EU-Bildungsprogramm gibt es seit nunmehr 30 Jahren – welche Erinnerungen verbinden Sie an dessen Einführung in Österreich? Christian Krenthaller: Die Einführung der ersten EU-Bildungsprogramme vor 30 Jahren und die Möglichkeit, im europäischen Ausland mobil zu werden, sehe ich persönlich im historischen Kontext rund um den Fall des Eisernen Vorhangs und den später erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Durch diesen Prozess, der mit der EU-Osterweiterung 2004 seinen Abschluss fand, ist Österreich sozusagen vom Rande Europas in seine Mitte gerückt. Mit der Einführung der EUMobilitätsprogramme waren wir also zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Programme waren so erfolgreich, dass wir mittlerweile von einer ErasmusGeneration sprechen, die sich an den Kalten Krieg gar nicht mehr erinnern kann. Für sie ist Europa eine gelebte Selbstverständlichkeit. Erasmus+ ist Katalysator dieser wunderbaren Entwicklung. Und wenn wir auf die politischen Ereignisse der vergangenen Monate und Jahre blicken, ist die Relevanz der EUBildungsprogramme mehr denn je gegeben. Elmar Pichl: Ich kann mich erinnern, weil ich es in den Medien verfolgt habe, wie der damalige Bundesminister Busek 1992 symbolisch den ersten Erasmus-Studierenden am Westbahnhof verabschiedete. 1992/93 waren es nur 893 »Pioniere«, die einen Studienaufenthalt an einer europäischen Hochschule wagten, heute sprechen wir von bisher insgesamt über 93.000 Erasmus-Studierenden. Das Erasmus-Programm hatte von Beginn an großen Einfluss auf die Hochschuleinrichtungen und war Anstoß für einige Reforminitiativen im Hochschulwesen. Viele Rahmenbedingungen, die heute selbstverständlich sind, mussten erst geschaffen werden. So war die Mobilität Anstoß für die Einrichtung von »Auslandsbüros«, weiters wurde der akademischen Anerkennung durch die Anpassung des Studienrechts Rechnung getragen.

Das Erasmus-Programm löste aber auch die Modernisierung der Hochschulbildung aus und spielte eine führende Rolle bei der Internationalisierung des Hochschulwesens. Nicht zu vergessen, dass Erasmus die treibende Kraft für den BolognaProzess war. oead.news: Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung von Erasmus+ in Österreich? Elmar Pichl: Die Integration vieler verschiedener Programme, im Hochschulbereich nicht nur das Programm für Lebenslanges Lernen, sondern auch die ausgelaufenen und damals sehr erfolgreichen EU-Drittstaatenprogramme wie Tempus oder Erasmus Mundus, Alfa, Edulink und das Kooperationsprogramm mit den industrialisierten Staaten, brachte neben Vorteilen auch einige Herausforderungen mit sich. Auf der einen Seite ist die von der Europäischen Kommission zugesagte Verwaltungsvereinfachung leider bis heute nicht bei den Endbegünstigten, also Studierenden, Lehrenden oder Hochschuleinrichtungen, angekommen. Komplizierte Antrags- und Evaluierungsmechanismen sowie Vorschriften, die sich ständig ändern, bewirken, dass der Zeit- und Arbeitsaufwand für die Teilnehmer/innen ständig steigt. Die neu eingeführten IT-Tools, die zum Teil bis heute nicht reibungsfrei funktionieren, führten zu großer Verärgerung und Unmut. Andererseits gab es speziell bei der Studierendenmobilität sehr positive Änderungen: Die Erasmus-Auslandsaufenthalte sind nun mehrmals pro Studierendem möglich und Praktika können schon ab zwei Monaten in Anspruch genommen werden. Dies waren österreichische Forderungen bei den Verhandlungen des Programms. Trotz aller Herausforderungen freut es mich aber, sagen zu können, dass sich die österreichischen Hochschuleinrichtungen zahlreich und auch sehr erfolgreich am Programm beteiligt haben und weiterhin beteiligen.


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© Justsmilepics

© BMB

30 Jahre Erasmus

Christian Krenthaller: Die Komplexität des Programms ist in der Tat immens. Insgesamt 33 Länder nehmen an Erasmus+ teil, neben den 28 EU-Mitgliedsstaaten auch Länder wie Norwegen oder die Türkei. Hinzu kommen weitere Partnerländer, sei es auf dem westlichen Balkan oder auch im südlichen Mittelmeerraum. Inhaltlich vereint Erasmus+ die Bereiche allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport. Alle Teilbereiche des Programms und alle teilnehmenden Länder haben eigene Traditionen, rechtliche Vorgaben und praktische Rahmenbedingungen, in manchen Ländern auch noch innerhalb föderaler Systeme, wie z. B. in Deutschland. Gerade in Bezug auf die Verwaltungsvereinfachung hatten wir uns in der Tat mehr erhofft. Dass das Programm in Österreich dennoch mehr als erfolgreich umgesetzt wird, zeigt die Zahl der Teilnehmer/innen. Allein im Jahr 2016 wurden über 13.000 Mobilitäten und mehr als 400 Projekte genehmigt. Das Engagement der Projektträgerinnen und Projektträger ist also ungebrochen. Da ist es an der Zeit, Danke zu sagen! oead.news: In welcher Weise kann Erasmus+ für Österreich wichtige bildungspolitische Themen unterstützen? Inwieweit trägt Erasmus+ zur Innovation in der Bildung bei? Christian Krenthaller: Internationale Erfahrungen bringen neue Ideen. Man vergleicht das Eigene mit dem neu Erlebten. Jede/r Teilnehmer/in kann zu Hause die Innovationen einbringen, die sie/er woanders erlernt hat. Insofern trägt Erasmus+ niederschwellig, aber nachhaltig zur Innovation bei. Auf systemischer Ebene wird durch Erasmus+ die Vergleichbarkeit erhöht – auch dies ist ein Impuls für Innovationen. Das laufende Arbeitsprogramm der Bundesregierung sieht die Internationalisierung des österreichischen Bildungswesens als wichtiges Ziel und die stärkere internationale Verankerung Österreichs als Wissenschafts-, Forschungs- und

Christian Krenthaller und Elmar Pichl verantworten das EU-Bildungsprogramm Erasmus+ im Bildungsund im Wissenschaftsministerium.

Innovationsstandort als eine wesentliche Aufgabe. Die Zielsetzungen von Erasmus+ ergänzen und unterstützen die nationalen bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen. Die Internationalisierung und die Förderung der europäischen Dimension sowie die Mobilität im Bildungsbereich haben in Österreich eine Breitenwirkung entfaltet, die ohne die EU-Bildungsprogramme nicht denkbar wäre. Die Auswirkungen von Erasmus+ und seiner Vorläuferprogramme sind nachhaltig und gehen quer durch alle Bildungsebenen und -sektoren. Elmar Pichl: Auch im gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan, in der Hochschulmobilitätsstrategie des BMWFW oder in der derzeit in Ausarbeitung befindlichen Strategie zur sozialen Dimension finden sich Eckpunkte, die durch die Erasmus+ Maßnahmen nachhaltig unterstützt werden. Für die österreichische Hochschulpolitik ist es ein erklärtes Ziel, eine bestmögliche Positionierung und Profilierung unserer Hochschuleinrichtungen im internationalen Umfeld sicherzustellen. Denn die damit einhergehende internationale Wettbewerbsfähigkeit und die globale Kompetenz stellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Forschung und Lehre dar. Demzufolge ist es wichtig, Österreichs junger Generation eine Hochschulbildung zu bieten, die die Fähigkeit des vernetzten und innovativen Denkens sowie die Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen und darüber hinaus fördert. Durch die Stärkung des Wissenschafts- und Innovationsstandorts Österreich sollen aber auch bewusst die besten Köpfe für unser Land gewonnen werden. oead.news: Eine der wichtigsten Zielsetzungen der europäischen Bildungszusammenarbeit ist die Vergleichbarkeit und die Durchlässigkeit von Qualifikationen. Ziel erreicht oder nicht? Christian Krenthaller: Die europäischen Bildungsprogramme haben sicher einen Anteil daran, dass

Die Internationalisierung des österreichischen Bildungswesens ist ein wichtiges Ziel im Arbeitsprogramm der Bundesregierung.


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© Schnarr Ulrich | APA picturedesk.com

Erhard Busek verabschiedet am 23. September 1992 am Wiener Westbahnhof die ersten österreichischen Erasmus-Student/innen. Österreich hat Mitte Februar 1991 gemeinsam mit den anderen fünf EFTA-Ländern bilaterale Abkommen mit der EG paraphiert, die die Teilnahme am Erasmusprogramm ab 1992/93 ermöglichte.

Elmar Pichl: »Mit Erasmus+, das seit 2014 läuft und alle Bildungsbereiche vereint, ist europäische Zusammenarbeit geglückt.«

es heute leichter ist, mit erworbenen Qualifikationen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat zu leben und zu arbeiten. Die Mobilität der Lernenden zeigt uns beispielsweise auf, wo es bei der Anerkennung von Qualifikationen eventuell noch hakt. Darauf hat Europa mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) reagiert, der die Vergleichbarkeit von Qualifikationen und Kompetenzen bereits erhöht hat. Der EQR wiederum hat den Anstoß zum Nationalen Qualifikationsrahmen bei uns in Österreich gegeben. Somit ist nun ein Rahmen für Anerkennungsverfahren von Lernergebnissen aus verschiedenen Settings geschaffen: Es soll egal sein, wo man gelernt hat, ob es in der Schule ist, in der Arbeit oder zu Hause. Elmar Pichl: Eine europäische Zusammenarbeit unter Einbeziehung aller Bildungsbereiche ist sicherlich mit dem seit 2014 laufenden Programm Erasmus+ geglückt, denn es umfasst Mobilitätsund Kooperationsmöglichkeiten beginnend mit dem Kindergarten über Schulen und Berufsbildungs- sowie Erwachsenenbildungseinrichtungen bis zur Hochschulbildung. Vieles war zwar auch schon davor im Programm für Lebenslanges Lernen möglich, mit Erasmus+ kamen aber auch internationale Aktionen sowie der Jugend- und der Sportbereich dazu. Die durch den Bologna-Prozess vorangeschrittene Idee eines europäischen Hochschulraums wird seit 1999 mit nun bereits 48 Ländern weiterentwickelt und umfasst unter anderem Transparenzinstrumente wie Diploma Supplement, Qualitätssicherungsmaßnahmen und das European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS). Diese tragen wesentlich zur Erleichterung der Anerkennung und damit zur Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit der Qualifikationen bei. oead.news: Stichwort Soziale Dimension: Personen aus bildungsfernen Bevölkerungsgruppen nehmen seltener an Mobilitätsprogrammen teil als solche aus bildungsnahen Familien. Welche Maßnahmen sind nötig, um diese Gruppe zu mobilisieren? Christian Krenthaller: Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung bekommen, unabhängig von ihrer Herkunft. Um das zu erreichen, kann man nicht früh genug ansetzen. Zu Beginn der europäischen

Bildungsprogramme stand die Studierendenmobilität. Später kamen auch die anderen Bildungsbereiche hinzu: die Schulbildung, die Berufs- und die Erwachsenenbildung. Diesen Weg müssen wir weitergehen. Erstens müssen wir die Menschen so früh wie möglich erreichen und zweitens diejenigen gezielt ansprechen, die nicht ohnehin schon an Internationalität interessiert sind. Elmar Pichl: In der Mobilität setzt sich fort, was wir auch beim Zugang und der Teilhabe an Hochschulbildung sehen, und zwar dass die Studierwahrscheinlichkeit für Studierende aus bildungsnahem Elternhaus (mindestens ein Elternteil hat Hochschulbildung) rund 2,4 Mal höher ist als für jene aus bildungsfernen Bevölkerungsgruppen. Das BMWFW setzt daher bereits auf konkrete Maßnahmen: So wurden in der 2016 veröffentlichten »Hochschulmobilitätsstrategie des BMWFW« Empfehlungen verankert, um gezielte Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um unterrepräsentierte Gruppen besser in Mobilitätsangebote einzubeziehen. Des Weiteren wurde im vergangenen Jahr die »Nationale Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung – für einen integrativeren Zugang und eine breitere Teilhabe« erarbeitet und kürzlich veröffentlicht. Hier ist beispielsweise die Entwicklung und Erprobung von Mobilitätsformaten vorgesehen, die auf die soziale Dimension fokussieren. Der Bologna-Tag im März 2017, zu dem Vertreterinnen und Vertreter aller Hochschulen eingeladen sind, stellt bereits die erste Veranstaltung zur Umsetzung der Strategie zur sozialen Dimension dar. Ein Workshop wird sich mit Beispielen befassen, um unterrepräsentierte Gruppen besser einzubeziehen. Aber auch Erasmus+ bietet Fördermöglichkeiten: Studierende, die mit Kind bzw. Kindern einen Erasmus-Auslandsaufenthalt absolvieren, werden mit nationalen Mitteln unterstützt. Spezielle Unterstützung gibt es auch für Studierende mit Behinderungen oder chronischer Krankheit. oead.news: Wie können mehr ältere Menschen motiviert werden? Christian Krenthaller: Angesichts der großen Diversität älterer Menschen, die nicht zwingend eine geschlossene Zielgruppe bilden, ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Aufgrund


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der demografischen Entwicklung und des immer schnelleren Wandels unserer Gesellschaft – Stichwort Digitalisierung – wächst die Bedeutung des lebenslangen Lernens aber natürlich stetig an. In Bezug auf das Erasmus+ Programm sind hier aus meiner Sicht die Projektträgerinnen und Projektträger im Bereich der Erwachsenenbildung gefordert, niederschwellige Angebote zu erstellen, die sich gezielt an die Bedürfnisse älterer Menschen richten. Elmar Pichl: Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Donau-Universität Krems als Weiterbildungsuniversität verweisen, die eine breite Palette von Projekten und Aktivitäten für Akademikerinnen und Akademiker sowie Fachund Führungskräfte jedes Alters anbietet. Aber auch andere Hochschuleinrichtungen setzen auf Weiterbildungsmöglichkeiten, z. B. in Form von Universitätslehrgängen oder Lehrgängen zur Weiterbildung an Fachhochschulen, die auch neben dem Beruf realisiert werden können. Und nicht zuletzt wird durch die Teilnahme von Hochschuleinrichtungen an Projekten im Bereich der Erwachsenenbildung ein Beitrag zur Stärkung dieses Bereichs geleistet. oead.news: Derzeit wird viel von der Krise Europas gesprochen. Inwieweit kann Erasmus+ die europäische Integration stärken? Christian Krenthaller: Reisen bildet. Lernende verbessern durch eine Auslandserfahrung oder ein länderübergreifendes Projekt ihre sprachlichen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen. Zusätzlich wird ein erhöhtes Bewusstsein für ein gemeinsames Europa und ein tieferes Verständnis für soziale, sprachliche und kulturelle Vielfalt geschaffen. Bei der europäischen Integration geht es nicht nur um wirtschaftliche Konvergenz, sondern vor allem auch um das Verständnis für andere Kulturen und Traditionen. Auf dieser Grundlage kommen wir in der EU zusammen und arbeiten an Lösungen gemeinsamer Probleme oder der Beilegung von Unstimmigkeiten. Erasmus+ bietet genau das im Kleinen und Individuellen. Das Programm ist die gelebte Essenz unseres europäischen Miteinanders. Elmar Pichl: Auch ich bin der Meinung, dass Mobilität wesentlich zur Integration beiträgt, indem sie den Respekt vor der Vielfalt und die Fähigkeit zum Umgang mit anderen Kulturen erhöht und verbessert. Hierzu möchte ich nur ergänzen, dass im Programm Erasmus+ auch ganz spezifische Maß-

nahmen verankert wurden, um die Integration ankommender Migrantinnen und Migranten ins europäische Bildungswesen zu erleichtern. Nennen möchte ich speziell den »Online Linguistic Support for Refugees«, wo Lizenzen für Online-Sprachkurse an Flüchtlinge weitergegeben werden können. oead.news: Ein Blick in die Zukunft: Was möchten Sie im Nachfolgeprogramm umgesetzt wissen? Christian Krenthaller: Derzeit arbeiten wir an der Zwischenevaluierung des Programms, der ich nicht vorgreifen möchte. Die Vereinigung der verschiedenen Bereiche unter dem gemeinsamen Dach Erasmus+ im Jahr 2014 war ein großer Schritt, der viele Synergien geschaffen und uns sicher auch vor manche Herausforderungen gestellt hat. Unser Ziel für das Nachfolgeprogramm ist es, notwendige Verbesserungen vorzunehmen und gleichzeitig das Bewährte zu stärken. Wir müssen nicht mit jeder Programmgeneration das Rad neu erfinden. Wir möchten die von mir angesprochene Essenz des Programms – den Austausch von Erfahrungen – auf individueller sowie institutioneller Ebene für möglichst viele erfahrbar machen. Das bedeutet mehr Möglichkeiten zur Mobilität für Schülerinnen und Schüler, Lehrlinge und Personen aus der Erwachsenenbildung. Ein Programm für möglichst viele Zielgruppen – unabhängig von Herkunft und Bildungshintergrund – ist unser Ziel. Und das bedeutet mehr und auch kleinere Projekte, die ohne zu großen bürokratischen Aufwand auch von kleineren Bildungseinrichtungen umgesetzt werden können. Elmar Pichl: Auch im Hochschulbereich wünschen wir uns die Möglichkeit der Teilnahme kleinerer Hochschuleinrichtungen an niederschwelligeren Projekten. Wie bereits eingangs gesagt, eine Verwaltungsvereinfachung – ein explizites Ziel der Kommission und der Mitgliedsstaaten bei den Verhandlungen zum Erasmus+ Programm – wurde aus heutiger Sicht leider nicht erreicht. Daher müssen wir im Rahmen der Verhandlungen zur neuen Programmgeneration darauf achten, dass für alle Beteiligten, also auch für die Endbegünstigten wie die Hochschuleinrichtungen vor Ort, eine deutliche Vereinfachung erzielt wird. Ebenso notwendig wäre eine bessere Mittelausstattung seitens der Europäischen Kommission etwa für strategische Partnerschaften, die wichtige Auswirkungen auf individueller und institutioneller Ebene haben und zudem wesentlich zu den nationalen und europäischen bildungspolitischen Zielen beitragen.

© Schmuttel | Pixelio

30 Jahre Erasmus

Christian Krenthaller: »Erasmus+ ist die gelebte Essenz unseres europäischen Miteinanders.«


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Ernst Gesslbauer

30 Jahre … und dann? Das Bildungsprogramm Erasmus+ wird auch in Zukunft für Europa und seine Menschen eine wichtige Rolle spielen. Eine berufliche Betrachtung mit persönlichen Erfahrungen.

Mag. Ernst Gesslbauer ist 48 Jahre alt, seit 2004 Direktor europäischer Bildungsprogramme in Österreich und war vor mehr als 20 Jahren mit Erasmus in Großbritannien und Belgien.

1. Mai 2004, Tag der großen EU-Erweiterung, am Kinderspielplatz des Wiener Karlsplatzes: Für einen Sonntagvormittag befinden sich überraschend viele Eltern mit ihren Kindern dort. Auffallend die vielen Sprachen, die an diesem Vormittag gesprochen werden. Viele Menschen aus der Slowakei, Tschechien und Ungarn sind gekommen, um mitten in der Europäischen Union zu sein, wenn ihre Länder der Gemeinschaft offiziell beitreten. Ein berührender Moment, als meine damals dreijährige Tochter als junge Engländerin mit Kindern aus anderen Mitgliedsstaaten spielen konnte. Die europäische Zusammenarbeit mit den zehn neuen Mitgliedsstaaten 2004 war zum Beitrittsdatum 1. Mai in bestimmten Politikfeldern bereits etabliert, nahmen doch insbesondere die mittelund osteuropäischen Länder seit Ende der 1990er Jahre an den Programmen Leonardo und Sokrates teil. In der Vorbereitung auf den Beitritt spielten die Bildungsprogramme eine wichtige Rolle und die Teilnahme an den Programmen war mehr als bloß ein Testlauf für die spätere Wirklichkeit: Man konnte praktisch ausprobieren, was Zusammenarbeit für beide Seiten bedeutet. Die Verlässlichkeit der Vertragspartner stand damit für Europa in den frühen 2000ern außer Zweifel. Zwischen den Menschen entwickelte sich zunächst Vertrauen und schließlich verlässliche Partnerschaften.

Die Entwicklung der europäischen Bildungsprogramme Dreißig Jahre bedeuten, dass rund neun Mio. Menschen bisher an Erasmus+ und seinen Vorgängerprogrammen teilnahmen. Angeblich stammen eine Mio. Kinder aus Erasmus-Verbindungen. Wichtiger als diese Zahlen erscheinen die Erfahrungen, Möglichkeiten und Karrieren, die sich aus den europäischen Programmen ergaben.

Phase 1: Neue persönliche Erfahrungen gewinnen Zugegeben: Meine schriftliche Arbeit »The Child Witness – What Role Do They Play In Court Proceedings?« im Rahmen meines ErasmusAufenthalts an der Universität Sheffield fand samt den zugehörigen Prüfungen keine Anrechnung in meinem Studium. Von meinen damaligen Erfahrungen profitiere ich nach wie vor, und meine Erasmus-Freundschaften bestehen bis heute. Im Jahr 1987 wurde ein neues Programm aus der Taufe gehoben, das persönliche Entwicklungen von jungen Studierenden unterstützen sollte, das European community action scheme for the mobility of university students, kurz: Erasmus. Tatsächlich nahmen im Studienjahr 1987/88 dreitausend Studierende aus elf Ländern teil. Viel hing von der Initiative Einzelner ab: Lehrende und Studierende, die auf den Wert internationaler Erfahrungen setzten, legten den Grundstein, dass sich Politik und Hochschulen dem rasch wachsenden Vorhaben stellen mussten. Schnell wurde klar, dass eine solche breite Initiative auch von institutioneller, struktureller und rechtlicher Seite einer Unterstützung bedarf. Das europäische Credit Transfer System ECTS startete 1989. Auf nationaler Ebene mussten sich Rahmenbedingungen ändern, damit die internationalen Lernerfahrungen auch in die nationalen Curricula passten. Österreich beteiligt sich seit 1992 an dem europäischen Bildungsprogramm, zunächst mit knapp 900 Menschen, im Jahr 2016 beteiligten sich insgesamt 13.400 Österreicher/innen an Erasmus+. Eine Bewertung der Berufsbildungspraktika unter Erasmus+ (2014 und 2015) ergibt, dass 91 Prozent der jungen Teilnehmer/innen aus Österreich meinen, sie konnten berufliche Kenntnisse erwerben, die sie in ihrem Ausbildungsumfeld in


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30 Jahre Erasmus

Österreich nicht hätten erhalten können. Die nationalen Rahmenbedingungen – auch aufgrund der europäischen Programme – ermöglichen Anerkennung und Anrechnung dieser Auslandsaufenthalte.

Phase 2: Partnerschaft und Vertrauen Unser Strafrechtsprofessor an der Universität Graz meinte vor unserer Entsendung: »Geht nach Sheffield. Mit der Uni arbeiten wir schon seit zwei Jahren zusammen. Die haben dort ein exzellentes Department für Kriminologie.« So war es dann auch. Mit den Vereinbarungen zwischen Bildungseinrichtungen, die aufgrund der europäischen Programme erforderlich waren, bildete sich in der ersten Programmgeneration von Sokrates und Leonardo bis zum Jahr 2000 eine breite, sich ständig weiterentwickelnde Partnerschaft zwischen Einrichtungen in allen Bildungsbereichen. Diese Zusammenarbeit benötigte ein Vertrauen in die Qualität der Partner, welches sich durch langfristige fachliche und inhaltliche Zusammenarbeit formte: Die österreichische Berufsreifeprüfung, die seit 1997 gesetzlich verankert ist, wurde von einer breiten europäischen Partnerschaft begleitet und in ihrer Entwicklung unterstützt. Auch der europäische Computerführerschein (ECDL) war Ergebnis einer europäischen Kooperation. Die Wechselwirkungen von Erasmus-Programm und Bologna-Prozess stärkten in vielen Auseinandersetzungen das Vertrauen zwischen Institutionen und beteiligten Personen über nationale Systeme hinweg.

Phase 3: Profilentwicklung Die finanzielle Unterstützung einzelner Projekte und Initiativen war in den Bildungsprogrammen begrenzt. Überlegung dahinter: Der finanzielle

Gesamtrahmen war überschaubar, man wollte mit den Mitteln jedoch eine möglichst breite Zugänglichkeit sicherstellen. Der Anspruch war kein Exzellenzprogramm, sondern ein Programm für möglichst viele Menschen mit ganz klaren Qualitätsstandards in Bezug auf Auswahl und Ergebnisse. Die breite Wirkung sollte mit der Vielzahl der Projekte und der Teilnehmer/innen erzielt werden. Vor allem junge Menschen und Menschen, die in Bildungseinrichtungen an wichtigen Stellen arbeiteten, wie Lehrende oder Ausbildner/innen, sollten mobil werden. Mobilität von lernenden Erwachsenen hingegen wurde zugunsten von Innovationsentwicklung und -transfer in der Erwachsenenbildung beschränkt. Eine wesentliche Voraussetzung für Mobilität und erfolgreiche Zusammenarbeit funktioniert seit wenigen Jahren über Online-Sprachkurse.

Phase 4: Bildungssysteme und Reformen Dienstreise nach Litauen im Jahr 2002: Im Land weiß man sehr gut über Berufsbildung in Österreich Bescheid, insbesondere über die auf internationaler Ebene heute so gepriesene duale Ausbildung. Diese fand später Eingang in das litauische Bildungssystem. Aufgrund der geografischen Lage Österreichs hatten Bildungseinrichtungen großes Interesse und Erfolg in der Kooperation mit unseren Nachbarländern. Als die Kooperationen im Hochschulbereich mit den mittel- und osteuropäischen Staaten über Erasmus liefen, war die Anrechnung der Studienleistungen im Ausland gut etabliert. Für österreichische Studierende bot daher ein Aufenthalt in Rumänien oder Bulgarien neben ein wenig vermeintlichem Abenteuer auch ausreichende Sicherheit, dass das Studium an der ausländischen Hochschule auch zuhause als Erfolg gewertet werde.


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Webseite 30 Jahre Erasmus www.ec.europa.eu/erasmus30

Nationale Politik spielt unverändert die zentrale Rolle in der Bildung. Europäische Programme werden jedoch gemeinsam von Mitgliedsstaaten und den europäischen Institutionen entwickelt. Auf Umsetzungsebene ist zu beobachten, dass sich auch nationale Politik europäischer Initiativen bedient, um nationale Entwicklungen voranzutreiben, sozusagen Reformen »über die europäische Bande« spielt. Ein Blick auf die Genese nationaler Qualifikationsrahmen in vielen Mitgliedsstaaten legt nahe, dass ohne einen Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen und die daraus resultierenden Projekte in den europäischen Bildungsprogrammen bestimmte Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten nicht geschehen wären.

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Nächste Phase: Aktuelle Entwicklungen und langfristige Wirkung Europäische Zusammenarbeit befindet sich in einer schwierigen Phase. Auch die europakritische Politik scheint jedoch einen wichtigen Wert im Programm Erasmus+ zu sehen. Ungeachtet der Überlegungen, innereuropäische Mobilität zu beschränken und Grenzübertritte für Private und Arbeitskräfte zu erschweren, besteht offensichtlich kein Zweifel an grenzüberschreitenden Kooperationen und Lernmobilitäten im Programm Erasmus+. Selbst der britische »Brexit-Minister« David Davis beeilte sich, im Jahr 2016 zu betonen, dass das Vereinigte Königreich auch weiterhin am Programm teilnehmen wolle. Es geht jedoch nicht nur um Kooperationen und physische Mobilität von Menschen. Europa und die Welt sehen sich mit Entwicklungen konfrontiert, die weder in ihrer Form noch in ihrer Dramatik vorhersehbar waren. In den vergangenen Jahren wurden europäisches Citizenship, aktive Beteiligung an politischen und demokratischen Aktivitäten eher als positive Nebeneffekte, denn als zentrale Aufgaben eines europäisches Programms für Bildung, Jugend und Sport gesehen. Hier ist ein Umdenken erfolgt: Die

Erklärung der europäischen Bildungsminister/innen in Paris im März 2015 stellt die Wichtigkeit politischer Bildung, Freiheit, Toleranz und Nichtdiskriminierung in den Mittelpunkt und beschließt deren Förderung unter anderem durch das Programm Erasmus+. Politik und Programmverantwortliche sehen auch, dass Erasmus+ ein Programm ist, das Europa den Bürgerinnen und Bürgern, die an den europäischen Institutionen zweifeln, näher bringt als viele andere Initiativen. Das untermauern auch Befragungen unter Teilnehmer/innen. Erasmus+ muss sich aber auch anderen Herausforderungen stellen: Bis 2020 steigen die Fördermittel beträchtlich, dennoch gibt es aus ganz unterschiedlichen Gründen Schranken für die physische Bildungsmobilität. Erasmus+ wird eine Diskussion darüber zu führen haben, wie und inwieweit virtuelle Mobilität Teil des Programms ist und wo die positiven Effekte physischer Mobilität durch andere Maßnahmen ersetzt werden können. Nach dreißig Programmjahren und mehr als zwanzig Jahren weitgehend unveränderter Förderstrukturen tut sich für die Programmphase ab 2021 eine Reihe von Fragen auf, darunter: ÆÆ Soll es für Industrie und Unternehmen – bisher unterrepräsentiert – ein eigenes Teilnahmeinstrument geben? ÆÆ Geht das Programm ausreichend auf Bedürfnisse und Möglichkeiten der »Digital Natives« ein? ÆÆ Um ausreichende Breite zu erreichen, muss nicht zum derzeit rein institutionellen Zugang auch ein Zugang für einzelne Menschen geschaffen werden? … und dass es ohne meine 15-jährige Tochter anstelle der kolportierten 1.000.000 ErasmusKinder nur 999.999 wären, ist eine völlig andere Geschichte.


15 30 Jahre Erasmus

Facts and Figures: Von Erasmus zu Erasmus+ Genehmigte Projekte und Mobilitäten 2000 bis 2020 Sokrates II und Leonardo da Vinci II 2000 bis 2006 Projekte

3.381

Mobilitäten

58.909

Programm für lebenslanges Lernen 2007 bis 2013 Projekte

2.855

Mobilitäten

99.130

Mobilitäten

115.663

Erasmus+ 2014 bis 2020 Vorausschau* Projekte

3.627

* Zahlen ab 2017 wurden aufgrund von Vorausschauzahlen zu Gesamtförderbugdets für Erasmus+, die die Europäische Kommission bekanntgegeben hat, hochgerechnet.

83.098

10.355

österreichische Studierende waren von 1992 bis 2015 mit einem Erasmus-Stipendium im Ausland

österreichische Studierende haben von 2007 bis 2016 ein Erasmus-Praktikum im Ausland absolviert

Mobilität von Hochschulangehörigen (gesamt einschließlich 2015/16)


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Josef Leidenfrost

Erasmus 30 – na und? Erinnerungen von Josef Leidenfrost, von 1991 bis 1994 indirekt, von 1995 bis 2001 direkt für Erasmus in Österreich (mit)verantwortlich.

Dr. Josef Leidenfrost, MA ist seit 1988 im Wissenschaftsministerium tätig. Seine Berufslaufbahn begann er 1982 als TV-Journalist bei »Österreich II« und »Österreich I« (Hugo Portisch und Sepp Riff). Er studierte Geschichte an der Universität Wien. Ab 1991 war Leidenfrost Leiter der »Verbindungsstelle für universitäre Auslandsbeziehungen« beim Verein ÖAD, von 1994 bis 2001 als Leiter der SokratesNationalagentur verantwortlich für die Implementierung dieses EU-Bildungsprogramms in Österreich. Seit 2001 ist er Leiter der Studierendenanwaltschaft im Wissenschaftsministerium (2012 als »Ombudsstelle für Studierende« gesetzlich verankert).

Heute würde man wohl von einem Start-up-Unternehmen sprechen … Die Spuren zu Erasmus vor 30 Jahren verlieren sich in den Nebeln des bildungspolitischen Europa, das damals eigentlich weder »bildungspolitisch« noch »Europa« (das Europäische Unions-Europa der 28, bald minus eins) war. Aber: Erasmus war, ist und bleibt eine innovative Geschäftsidee mit starkem Wachstumspotenzial, ein strukturierter − damals noch ungegendert − Studierendenaustausch, mit rasch wachsendem Markt. Mitte der 1980er selbst in der Privatwirtschaft tätig und gerade mit dem Studium fertig, war ich mit einem von meinem Dissertationsvater vermittelten Stipendium fast ein Jahr »im Ausland« gewesen: für mich die prägendste Zeit (meine eigenen »Roaring twenties«) mit Eindrücken und Freundschaften für ein Leben lang. Internationale Mobilität im Studium also? Absolut ja! Erasmus damals: noch nicht erfunden! Bewusst geworden ist mir Erasmus Ende 1990, ich war damals im Wissenschaftsministerium am Minoritenplatz tätig. Dort arbeitete auch Lutz Musner in der Hochschulsektion. Zum Mentor von Erasmus für Österreich wurde der damalige Wissenschaftsminister Dr. Erhard Busek, der die Bedeutung verschiedener anderer Initiativen auch für Noch-EFTA-Staaten wie COMETT, SPES, SCIENCE, erkannte. Sie mussten konzeptiv und reell für Österreich aufbereitet werden. Lutz Musner tat dies zunächst bar jeglicher Infrastruktur (er durfte das Faxgerät der ministeriellen Presseabteilung mitbenutzen) und bürokratisch gehemmt (zu seiner ersten Brüssel-Dienstreise, Eintagesflug um rund 9.000 Schilling, sollte er, so das »Präsidium« des Ministeriums, mit der Bahn reisen!). In der sogenannten »Verbindungsstelle für universitäre Auslandsbeziehungen beim Österreichischen Akademischen Austauschdienst« ist im Frühjahr 1991 eine ausgelagerte Verwaltungs- und Betreuungseinheit mit leichteren als den ministe-

riellen Reglements geschaffen worden. Das Büro für europäische Bildungskooperation, BEB, geleitet von Lutz Musner, war ein Teil davon. Klientel der Überzeugungsbemühungen waren die 18 UOG-1975-Universitäten (mehr gab es damals nicht)1. Wie macht man Hochschulleute und Studierende mobil, wenn man bei Null anfangen muss (i. e. klassische Start-up-Ausgangsposition)? Man braucht Verbündete. Das waren damals die »Koordinatoren« und die im Aufbau befindlichen Auslandsbüros. Deren Motivation erfolgte in intensiver Überzeugungsarbeit quer durch Österreich in Rekordzeit. Der Knotenpunkt aller Aktivitätsstränge war die Reichsratsstraße 17, eine vom legendären ÖAD-Generalsekretär Ludwig Koller zum Spottpreis aufgetriebene Edelrealität hinter der »Hauptuni«. Die umgebaute Wohnung war heimelig, die Computerausstattung retrospektiv betrachtet IKT-vormittelalterlich unheimelig. Aber der Alltag war, wie man heutzutage so schön sagt, »handlebar«. Die seinerzeitigen Pädagogischen Akademien, Kurzbezeichnung Pädaks2, unterstanden dem Unterrichtsministerium. Sie sollten über Auftrag vom damaligen Minister Dr. Rudolf Scholten bald von einer absolut pro-europäischen Kärntner Pädak-Professorin, Margit Heissenberger, mit dem Erasmus-Programm vertraut gemacht werden. Mit viel Verve, der einen oder anderen Sonderermächtigung und der Einführung von Telebanking in die ÖAD-Verwaltung ist ihr das auch gelungen, genau so wie für den späteren Programmteil Comenius. Zum Erasmus-Stipendium gab es vom Start weg quasi staatliches Start-up-Geld in Form nationaler Zusatzfinanzierung. Auch die Studienförderung wurde europareif gemacht, übrigens auch 1 Fachhochschulen wurden ab 1994 etabliert, akkreditierte Privatuniversitäten gibt es in Österreich seit 2000. 2 Heute Pädagogische Hochschulen genannt.


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... a sentimental logo journey

Leidenfrost: »Erasmus ist ein noch immer expandierendes Geschäftsmodell. Das Start-up-Unternehmen von 1987 lebt wie eh und je …«

Erasmus das Studienrecht. Über die österreichische Programmteilnahme befand ein Beirat. Damit waren alle Anspruchsgruppen an einem (Verhandlungs-) Tisch und bestimmten konsensual Wegmarken der Weiterentwicklungen. Aufgrund beruflicher Veränderungen Lutz Musners übernahm 1993 Barbara Weitgruber, schon seit 1988 autodidaktisch Auslandsbüroleiterin der Karl-Franzens-Universität Graz, seinen Job in Wien. Ein zeitnaher weiterer Weitgruberscher Karrieresprung in das Wissenschaftsministerium ließ schließlich mich selbst (als Nächstverfügbarem) direkt in den »Erasmus-Orbit« eintreten: Nolens volens an der Ecke Liechtensteinstraße/ Berggasse in Wien IX. an einem Herbstnachmittag 1994 ernannte mich der damalige ÖAD-Präsident Winfried Platzgummer, sekundiert vom erwähnten ÖAD-General Koller, auf offener Straße zum neuen BEB-Leiter. Interimistisch sagte ich zu.

Drei Wegbereiter der akademischen Mobilität in Österreich im Jahre 1996: Mag. Barbara Weitgruber (Abteilungsleiterin im Wissenschaftsministerium), Dr. Ludwig Koller (†, Generalsekretär des Vereins ÖAD) und Dr. Josef Leidenfrost (Leiter der SokratesNationalagentur)

Little did I know! Eine öffentliche Ausschreibung der Position folgte nie. Ich machte den Job schließlich bis März 2001. Danach schickte mich die damalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer auf eine neue berufliche Reise.3 Im Stakkato kurz das zweite Jahrfünft der 1990er Jahre: Es war gekennzeichnet von der Entwicklung einer Erasmus-Verwaltungsdatenbank, der Hereinholung der neu etablierten Fachhochschulen ab 1994/95 in das Programm, der Einführung des sogenannten »Institutionellen Vertrages« ab 1995/96, dem Beginn der Internet-Präsenz, dem Auf- und Ausbau eines informellen Nationalagentur-Netzes, der Öffnung des Programms für Noch-Nicht-EU-Staaten Mittel- und Osteuropas ab 1998/99, der Vorbereitung der zweiten Programmphasen ab 2000 – es gibt nicht genügend Platz hier, alles nur zu erwähnen. »Du Papa/Mama! Was hältst Du eigentlich davon, wenn ich mit Erasmus ins Ausland gehe?« So etwa werden Eltern(teile) wohl oft und immer wieder in den letzten 30 Jahren, seit 1991 auch österreichische Erziehungsberechtigte, gefragt worden sein und werden dies immer noch gefragt. So auch ich von meinem 20-jährigen Sprössling, Alumnus an Österreichs größter Universität am Wiener Universitätsring. »Raus mit Dir!«, ist die logische Antwort. 30 Jahre Erasmus? Ein noch immer expandierendes Geschäftsmodell, das Start-upUnternehmen von 1987 lebt wie eh und je …

Der Name des Programms entstand als Apronym von European community action scheme for the mobility of university students.

Sokrates Das Sokrates-Programm war ein Aktionsprogramm der Europäischen Union zur Förderung der transnationalen Zusammenarbeit im Bildungsbereich.

© Renate Apostel

BEB-Büro für europäische Bildungskooperation 3 Seither betreue ich, zuerst als Studierendenanwalt, dann als Hochschulombudsmann Studierende und Hochschulinstitutionen bei verschiedensten Anliegen aus dem Hochschulalltag, übrigens im Unter-Fünf-Prozent-Bereich auch (hinausgehende und hereinkommende) Erasmus-Studierende.

Das BEB wurde 1991 eingerichtet, um über die europäischen Bildungsprogramme zu informieren.


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Franz Schimek zu Erasmus+ Schulbildung

Die europäische Dimension in der Schule Schüler/innen und Lehrer/innen sind Schlüsselfaktoren zur Förderung der europäischen Integration. Mag. Dr. Franz Schimek ist Inspektor der Europäischen Schulen und Vorsitzender der Österreichisch-Amerikanischen Schul- und Bildungskooperation.

»Wir haben eine Vision, und diese Vision heißt Europa. Allerdings sind Visionen unbequem, anders als Utopien! Für den Eintritt einer Utopie ist niemand verantwortlich, weil sie gar nicht eintreten kann, für die Erfüllung von Visionen sind wir es selbst.« Bundespräsident der BRD Roman Herzog (†), vor dem Europäischen Parlament am 10. Oktober 1995 in Straßburg Die Grundintentionen der Europäischen Union, nämlich das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Zusammenarbeit der europäischen Bürger/innen zu vertiefen und zu fördern, hat entscheidende Bedeutung für schulische Bildung. Durch die zunehmende Globalisierung erscheint es umso mehr erforderlich, sich auch in den nationalen Bildungswesen der EU-Staaten auf diese entscheidenden Veränderungen einzustellen. Die Schüler/innen und Student/innen sollten im zunehmenden Maße befähigt werden, sich weit über den eigenen Lebensraum hinaus zu behaupten und verstärkt jene Einstellungen, Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, die es ihnen ermöglichen, sich als europäische Bürger/innen zu fühlen und zu handeln. Diese Vertiefung der europäischen Dimension wird daher zum zentralen Anliegen des Bildungsprozesses und ist auch richtungsweisend für zukünftige Entwicklungen. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Kooperation mit Drittstaaten außerhalb der EU zu fördern. Exemplarisch sei die Vertiefung der österreichisch-amerikanischen Zusammenarbeit im Bildungsbereich angeführt. Grenzüberschreitende kooperative Maßnahmen können nur durch konkrete Schritte in allen Bereichen des Bildungsprozesses verwirklicht werden. Eine Vielzahl von Projekten im Rahmen der Bildungsprogramme der Europäischen Union haben verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, welche konkrete Schritte gesetzt werden können, um die angesprochene Entwicklung voranzutreiben. Es ist die Aufgabe der nationalen Bildungseinrichtungen, die gewonnenen Ergebnisse aufzugreifen, sie

auf nationaler Ebene weiterzuentwickeln, gesetzliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und für die Multiplikation auf breiter Ebene zu sorgen. Die EU-Fördermaßnahmen verfolgen das Ziel, nationale Initiativen, wie z. B. in dem so wichtigen Diversity-Management, auf den unterschiedlichen Ebenen des Bildungsprozesses zu fördern. Die nachfolgende punktuelle Auflistung zeigt die Vielfältigkeit der eröffneten Möglichkeiten: ÆÆ Entwicklung und Förderung europäischer strategischer Vorhaben und Evaluation der gesetzten Maßnahmen im Bildungsbereich Die Europäisierung der Bildungsstrategie und ihrer Evaluierung unterstützt nationale Entwicklungen sowohl auf gesamtstaatlicher als auch auf regionaler Ebene und trägt somit maßgeblich zur Qualitätsentwicklung der Bildung in der EU bei (vgl. dazu strategischer Rahmen zur allgemeinen und beruflichen Bildung). ÆÆ Entwicklung europäischer/transnationaler Unterrichtsmaterialien Die Vermittlung europäischer Bildungsinhalte wird im besonderen Maße durch Unterrichtsmaterialien, die in transnationalen Arbeitsgruppen entwickelt werden, gefördert. Diese Materialien bieten einerseits die Möglichkeit, Unterrichtsinhalte aus verschiedenen Sichtweisen zu behandeln, und andererseits unterschiedliche methodische Ansätze bei der praktischen Umsetzung zu wählen. ÆÆ Durchführung europäischer Bildungskooperationsprojekte Eben dieses europäische Bewusstsein wird im besonderen Maße durch europäische Bildungskooperationsprojekte gefördert. Sie sind auch das zentrale Anliegen der Bildungsprogramme »Sokrates«, »Lifelong Learning« und aktuell im Bildungsprogramm »Erasmus+«. Folgende Ziele sollen dadurch erreicht werden:


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© Stephanie Hofschläger | Pixelio

30 Jahre Erasmus

Neben dem Sprachenlernen steht der Ausbau moderner Kommunikationswege im Vordergrund. Denn junge Menschen erleben Europa durch gemeinsames Kommunizieren und Handeln.

• Öffnung der Bildungseinrichtungen in Bezug auf die anderen europäischen Staaten • Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit Schüler/innen bzw. Student/innen anderer europäischer Länder • Aufbau von gemeinsamen europäischen Einstellungen • Auseinandersetzung mit einem Thema unter Berücksichtigung der europäischen Dimension • Verwirklichung der gemeinsam mit den Partner/innen aus den anderen Staaten gesetzten Projektziele • Entwicklung gemeinsamer Projektprodukte mit den Partner/innen aus den anderen europäischen Staaten • Kennenlernen anderer Formen des Lernens durch den Informationsaustausch mit den Partner/innen der anderen europäischen Staaten • Interkulturelles Lernen, Erkennen und Bewusstwerden der eigenen und der anderen Kulturen • Erziehung zur europäischen Unionsbürgerschaft und damit Förderung des Zugehörigkeitsgefühls zu Europa ÆÆ Förderung der Mobilität von Schüler/innen und Student/innen Wenn man davon ausgeht, dass wir Europa für alle öffnen wollen, dann dürfen ökonomische Gründe nicht ausschlaggebend sein, dass Schüler/innen und Studierende eine Chance haben, Europa jenseits der Grenzen des eigenen Landes zu erleben. Die Bildungsprogramme der Europäischen Union bieten dazu eine Vielzahl an Möglichkeiten. ÆÆ Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung von Bildungsfachleuten im europäischen Kontext Eine Schlüsselfunktion in diesem europäischen Bildungsprozess nimmt dabei das Lehrpersonal

ein. Wenn Lehrer/innen der Blick für Europa geöffnet wird und sie sich als europäische Lehrer/innen fühlen, dann werden sie dieses Bewusstsein auch weitervermitteln. Der Blick über den Tellerrand relativiert das eigene Berufsfeld und hilft, neue Perspektiven aufzubauen. Die Initiativen im Rahmen der Bildungsprogramme der Europäischen Union bieten für Lehrer/innen eine Fülle von Möglichkeiten, Erfahrungen mit Kolleg/innen aus anderen europäischen Staaten auszutauschen und gemeinsame Projekte durchzuführen. Gerade in der »Lehrer/innenbildung Neu« gibt es dafür sicherlich eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten. ÆÆ Aufbau und Förderung interaktiver Netzwerke mit Unterstützung durch moderne Informationstechnologien Neben der Sicherstellung der Kommunikationsbasis durch vertieftes Sprachenlernen steht auch der Ausbau moderner Kommunikationswege im Vordergrund. Vernetztes Denken, Handeln und Kooperieren setzen rasches vernetztes Kommunizieren voraus. Moderne Kommunikationstechnologie macht den spontanen Zugriff auf Information, die Übermittlung von Information und spontane Kommunikation in »no time« möglich. Im Hinblick auf die europäische Bildungskooperation ergeben sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten auf Ebene von Expert/innen, Lehrer/innen und Schüler/innen und Studierenden. Ein hervorragendes Beispiel dazu ist die sehr erfolgreiche Initiative »eTwinning«. »Wir haben eine Vision, und diese Vision heißt Europa.« Diese Aussage von Roman Herzog wird durch viele Bildungsprojekte, initiiert und gefördert in den europäischen Bildungsprogrammen, Wirklichkeit. Junge Menschen erleben Europa durch gemeinsames Kommunizieren und Handeln.

Wenn Lehrer/innen der Blick für Europa geöffnet wird und sie sich als europäische Lehrer/innen fühlen, dann werden sie dieses Bewusstsein auch weitervermitteln.


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Andrea Bauer

YEEF – Young European Entrepreneurs of the Future Ziel des YEEF-Projekts ist es, das wirtschaftliche Wissen der Schüler/innen im europäischen Kontext zu stärken.

Mag. Andrea Bauer ist Lehrerin am Theresianum in Wien. Sie hat federführend für das Theresianum das Projekt YEEF umgesetzt.

»Schülerinnen und Schüler sollen ihr Potenzial voll entwickeln und entfalten sowie zu weltoffenen Europäerinnen und Europäern werden, die bereit sind, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen«, liest man auf der Website des Theresianums. Logische Konsequenz ist die europäische Projektzusammenarbeit.

Das Prinzip der europäischen Schulpartnerschaften ist rasch erklärt: Lehrer/innen und Schüler/innen aus verschiedenen europäischen Staaten wählen gemeinsam ein Thema und setzen dazu Aktivitäten. Das Arbeiten in einem internationalen Kontext ist überaus spannend und die positiven Auswirkungen auf die Schulqualität liegen auf der Hand: Wie gehen andere Schulen mit ähnlichen Problemen um? Wie gestaltet sich der Alltag für Schüler/innen und Lehrer/innen? Wie wird der Unterricht gehalten? Welche Kenntnisse haben Schüler/innen aus unterschiedlichen Ländern über bestimmte Sachverhalte? An dem Projekt, das von 2012 bis 2014 lief, waren sieben Partnerinstitutionen aus Finnland, Schweden, Polen, Spanien, Italien, Ungarn und Österreich beteiligt. Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Europa und der problematischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt, die besonders die Chancen der jungen Menschen betreffen, wollten wir das wirtschaftliche Wissen der Schüler/innen in einem europäischen Kontext stärken und herausfinden, wie Schulen in unterschiedlichen Ländern die Jugendlichen auf ihre Zukunft in einem internationalen Umfeld vorbereiten. Verschiedene Mobilitäten gaben uns Gelegenheit, im direkten Kontakt miteinander Erfahrungen zu teilen, gemeinsame Aktivitäten zu setzen und Best-Practice-Beispiele auszutauschen, um die Qualität von Entrepreneurship Education im Unterricht zu verbessern.

© Theresianum Wien

Start in Mantua Am Anfang des ersten Projektjahrs stand ein Arbeitstreffen der Koordinator/innen in Mantua (Italien), wo die Vertreter/innen aller Partnerschulen das gemeinsame Vorgehen planten. Im Vordergrund stand die Einführung in die Thematik, die sprachliche Vorbereitung und die Analyse

der wirtschaftlichen Lage der beteiligten Staaten. Unter anderem besuchten die Schüler/innen erfolgreiche Jungunternehmer/innen in ihrem Land und lernten, wie Unternehmensgründung funktioniert. Im Projekttreffen »Young European Entrepreneurs' Week I« verglichen und diskutierten sie ihre Ergebnisse und lernten so die Gegebenheiten anderer Länder kennen. Im zweiten Jahr arbeiteten Schüler/innenTeams einen Businessplan für ihre eigene Geschäftsidee aus und präsentierten ihn im Projekttreffen »Young European Entrepreneurs' Week II« vor einer Jury von Expert/innen. Zahlreiche Fächer beteiligten sich an diesem Projekt, das es möglich machte, die unterschiedlichen Zugänge zu Entrepreneurship in der Schule auf europäischer Ebene zu vergleichen und zu verbessern. Im »Young European Entrepreneurs' Guide« wurden am Ende alle Resultate publiziert und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Durch das EU-Projekt knüpfte das Theresianum zahlreiche Schulkontakte im Ausland. Außerdem entwickelten sich ergänzende, bilaterale Austauschprojekte sowie individuelle Mobilitäten von Schülerinnen und Schülern. Der berühmte »Blick über den Tellerrand« ist nicht nur interessant und motiviert zum Lernen fremder Sprachen: Die Ergebnisse der Fortbildungsseminare und Unterrichtserfahrungen an verschiedenen Schulen in Europa beeinflussen das eigene Verhalten im Schulalltag und tragen so zu einer Verbesserung der Schulqualität bei. Der Umgang mit Menschen aus verschiedenen Ländern bildet nicht nur fachlich, sondern lässt ein tieferes Verständnis für die Vielfalt Europas reifen. Wir alle blicken zurück auf neue Erfahrungen, sprachliche Herausforderungen, interessante Einsichten, besondere Begegnungen und originelle Ideen der »Young European Entrepreneurs of the Future«.


21 30 Jahre Erasmus

oead.news im Gespräch mit Roswitha Zeger

Lernerlebnisse mit internationalem Flair Kooperationsprojekte mit europäischen Schulen bieten für Schüler/innen und Lehrer/innen wichtige Erfahrungen.

oead.news: »Look out of your window« war der Titel Ihres Erasmus+ Projekts 2014: Erzählen Sie davon! Roswitha Zeger: Das Projekt beschäftigte sich mit Materialien, die die Kinder täglich benutzen: Wasser, Papier und Erdöl(Plastik). In jedem Jahr wurde der Schwerpunkt auf ein anderes Material gelegt. Es gibt drei Eckpfeiler: Zuerst holten wir Information über das zu behandelnde Material ein (Rethink), anschließend überlegten wir, wie wir sparsam damit umgehen könnten (React) und zuletzt, wie dieses Material noch eingesetzt werden kann (Rejoice). Wir führten Experimente mit Wasser durch, besuchten eine Kläranlage, erkundeten unseren Nationalpark Neusiedler See, besuchten das Museum für angewandte Kunst (MAK) und zauberten aus Papier Kleider. Gemeinsam mit unseren Partnern schrieben wir eine Geschichte über die Reise eines Wassertropfens, stellten unser eigenes Papier her, gestalteten mit einer Künstlerin ein Gemeinschaftsbild aus Papierschnipsel und erfuhren im

ZOOM Kindermuseum Wichtiges über Plastik. Ganz besonders begeistert sind die Kinder, wenn sie mit anderen Schüler/innen skypen. Es nimmt ihnen die Angst vor dem Benutzen einer anderen Sprache und unterstützt ihr Selbstbewusstsein. oead.news: Stichwort Nachhaltigkeit: Welche konkreten Ergebnisse haben Sie erzielt? Wie fließen diese in den Schulalltag ein? Wie verbreiten Sie die Ergebnisse? Roswitha Zeger: Das Lehrer/innenteam bemüht sich, seinen Kopierverbrauch zu überdenken. Das Gleiche gilt für den Verbrauch des Wassers in der Schule. Eine nette Aktion ist das Basteln von Weihnachtsschmuck aus gebrauchtem Papier, und heuer aus Plastikflaschen. Dieser Schmuck wird an alle Partner geschickt, ein Christbaum wird gekauft und in die Schule geschleppt und in der Aula damit geschmückt. Es ist ein besonderer Moment für die Kinder, das Päckchen zu öffnen, den Inhalt zu bestaunen und dann den Baum damit zu schmücken. Die Ergebnisse und Aktivitäten werden in der Schule, in den lokalen Medien und über die Stadtpresseabteilung präsentiert. Weiters wird mit Artikeln auf der Schul-Website und in der Schulzeitung berichtet, bei Veranstaltungen werden auch die Eltern auf dem Laufenden gehalten.

Was verrottet am schnellsten? Zeitungspapier, Illustrierte oder eine Cola-Flasche? Diese und ähnliche Fragen stellen sich die Schülerinnen und Schüler der Volksschule Am Tabor in Neusiedl/See bei ihren Projekten.

Roswitha Zeger ist Pädagogin an der Volksschule Am Tabor in Neusiedl am See. Die erfahrene Projektkoordinatorin hat bereits mehrere Preise für ihr Engagement erhalten. 2016 wurde sie mit dem Erasmus+ Award als Botschafterin im Schulbereich ausgezeichnet.

© Volksschule Am Tabor, Neusiedl/See

oead.news: Frau Zeger, wie kam es zu den ersten Kooperationen mit europäischen Schulen? Roswitha Zeger: Angefangen hat alles 1989 bei einem Kontaktseminar in Alden Bisen (Belgien). Ich sollte Projektpartner finden. Schwerpunkt war die Kommunikation per E-Mail und die Einbeziehung von IKT. Ich war nicht sehr begeistert, denn meine IKT-Kenntnisse beschränkten sich auf das Ein- und Ausschalten des Computers. Seitdem habe ich Feuer gefangen und ununterbrochen an Kooperationsprojekten mit europäischen Schulen mitgearbeitet. Durch die Kooperationen ist man ständig bemüht, IKT-mäßig auf dem Laufenden zu bleiben, sich die neuesten Tools anzueignen und diese auch im Unterricht einzusetzen. Die Schüler/innen werden motiviert, eine Fremdsprache zu nutzen. Für die Lehrer/innen an unserer Schule bedeutet die Zusammenarbeit in einem internationalen Team eine wichtige Erfahrung.


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Und was sagen unsere Kund/innen Josef Brunsteiner, Europagymnasium Salzburg-Nonntal: »Der Mehrwert der Projekte ist neben dem sprachlichen Zugewinn vor allem Weltoffenheit und Toleranz, die unsere Schüler/innen auf diesem Weg erfahren. Es ist bei jedem Projekt eine Freude, zu sehen, wie aus Partnerschaften Freundschaften werden – sowohl unter Schüler/innen als auch unter Lehrpersonen!« Als Koordinator für Erasmus+ Projekte am Europagymnasium Salzburg-Nonntal kennt Josef Brunsteiner die Vorteile von Mobilitätsprojekten. Die Schule ist stark Europa- und sprachenorientiert. Internationale Projekte und Kontakte sind zur Horizonterweiterung und für eine umfassende Sprachausbildung von großer Bedeutung. Brunsteiner nutzt alle Möglichkeiten, die die europäischen Programme bieten. Das Europagymnasium sendet z. B. Schüler/innen im Rahmen von »Long Term Mobilities« bis zu sechs Monate an Partnerschulen im Ausland. Aktuell werden zudem auch Projekte für Lehrpersonen durchgeführt – internationale Fortbildungen und Job Shadowings an Schulen stehen auf dem Programm.

Maria Pichlbauer, LSR Steiermark, Servicereferat EU/Internationalisierung »Ich nutze Erasmus+ als Instrument der Schul- und Unterrichtsentwicklung. Im Austausch mit europäischen Bildungsexpert/innen können wir auf bereits bewährte Strukturen, Methoden und Lösungen zurückgreifen. Dieses Potenzial ist großartig und noch nicht annähernd ausgeschöpft. Gerade habe ich eine französische Bildungsdelegation sechs intensive Tage lang betreut. Fazit: Drei neue Schulpartnerschaften sind im Entstehen, weitere Zusammenarbeit auf Ebene der Schulbehörden und gemeinsame kulturelle Pläne von Nizza und Graz. Vive l'Europe!« Maria Pichlbauer ist im Servicereferat EU/Internationalisierung des Landesschulrats Steiermark tätig und seit 2003 begeisterte Akteurin in den Bildungsprogrammen der Europäischen Kommission. Sie hat bereits zahlreiche Projekte im Schulbereich durchgeführt bzw. daran teilgenommen und engagiert sich auch weiterhin.

Wussten Sie, dass … … sich Schulen für laufende und abgeschlossene Aktivitäten und Initiativen zum Thema Spracherwerb für den Wettbewerb »Europäisches Sprachensiegel« bewerben können? Der Wettbewerb wird in Österreich alle zwei Jahre durchgeführt. Nähere Informationen finden Sie auf www.bildung.erasmusplus.at. … Ihnen im Schulbereich zur Partnersuche und Vernetzung auf europäischer Ebene spezielle Portale zur Verfügung stehen? Sowohl eTwinning (für Lehrkräfte) als auch der School Education Gateway bieten Suchfunktionen zur Partnersuche an. An »Transnationalen Kontaktseminaren« (TCA) können Sie Vertreter/innen von Partnerschulen kennenlernen. TCAs sind themenspezifisch und werden von den Mitgliedsstaaten angeboten. Informieren Sie sich auf unserer Website! … Erasmus+ Schulpartnerschaften den Austausch guter Praxis und die Mobilität junger Menschen fördern? Kurzfristige Lernaufenthalte (fünf Tage bis zwei Monate) ermöglichen Schüler/innengruppen in Begleitung ihrer Lehrkräfte einen Arbeitsbesuch in ihrer(n) Partnerschule(n). Ab einem Mindestalter von 14 Jahren können Schüler/innen sogar für zwei bis zwölf Monate einen individuellen Lernaufenthalt an einer Gastschule absolvieren. … eingereichte Projekte einen klaren Bezug zur EU-Strategie »Europa 2020« aufweisen müssen? Zu den schulrelevanten Themen zählt die Senkung der Quote der Schulabbrecher/innen, die Verbesserung von Schlüsselkompetenzen junger Menschen, die Stärkung von beruflichen Kompetenzen von Lehrkräften und Schulleitungen sowie die Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung.


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© Gianmaria Gava | OeAD

30 Jahre Erasmus – Schulbildung


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Franz Heffeter zu Erasmus+ Berufsbildung

Die österreichische Berufsbildung in einer europäischen Zukunft Das Erfolgsmodell Erasmus (seit 2014 mit einem +) braucht neue Instrumente der Qualitätssicherung für eine dynamische und internationale Lernumwelt.

© TS Klessheim/Andrea Fagerer

Hofrat Mag. Dr. Franz Heffeter ist Wirtschafts- und Sozialhistoriker. Er leitet und entwickelt seit 1985 berufsbildende Schulen in Österreich, zuletzt die Tourismusschule Klessheim, und im Ausland. Er ist Partner und Projektleiter in mehreren Leonardo- und aktuellen Erasmus+ Projekten. Seit 2011 ist er Mitglied des nationalen ECVET Expertenteams und unterstützt beratend Erasmus+ Projekte.

Vor knapp 260 Jahren, am 11. Jänner 1758, wurde in Wien durch ein Dekret Kaiserin Maria Theresias die erste berufsbildende Schule Österreichs gegründet. Im ersten Jahrgang der »k.u.k. CommercialZeichnungsakademie« wurden sechs Schüler ausgebildet, ausschließlich Burschen natürlich.1 Erst mehr als 100 Jahre später, 1874, wurde die erste staatliche Ausbildung für junge Frauen geschaffen, die »Staatliche Erwerbsschule für Frauen und Mädchen«. Seit 1987 gibt es mehr Maturantinnen und Maturanten im berufsbildenden Schulwesen als in der AHS. Dies hat sich auch durch die Einführung der Zentralmatura (»teilzentralisierte Reife- und Diplomprüfung«) 2015/2016 nicht geändert. In berufsbildenden höheren Schulen waren im Schuljahr 2015/16 133.447 Schüler/innen eingeschrieben.2 Kamen früher viele Schüler/innen aus der Hauptschule in das berufsbildende Schulwesen, so hat sich das Verhältnis zwischen Hauptschule und AHS in den letzten Jahren nahezu angeglichen.

Neue Wege – Internationalisierung und Akademisierung Der Prüfbericht der OECD schwelgte bereits 1979 über das berufsbildende Schulwesen in seiner Einzigartigkeit in den höchsten Tönen: »Es gibt kein anderes Land, das sich so sehr wie Österreich durch die Errichtung eines berufsbildenden Schulwesens für die Berufsvorbereitung auszeichnet (...) es ist das Juwel in der Krone des Bildungswesens: Sorgfältig durchdacht, gut strukturiert, stark gefördert, umfassend und differenziert …«3 1 Christian Dorninger, Jürgen Horschinegg, Berufsbildende Schulen: Lernvielfalt seit 250 Jahren. In: Wissen-Plus 08, 2009. S. 11-13. 2 Statistik Austria, Formales Bildungswesen 2015/16 (www. statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/ bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/schulen_ schulbesuch/index.html, eingesehen 2017-01-25). 3 OECD-Prüfbericht zum österreichischen Schulwesen. 1979.

Das hat sich seither nicht geändert, im Gegenteil. Vor allem die Geschlechtergerechtigkeit wird aktuell besonders hervorgehoben.4 Auch die objektiven Beschäftigungsraten zeigen die hohe Qualität der Ausbildungen auf Sekundarstufe II oder nicht-universitären zwei- bis dreijährigen »Short Cycle Programmes« (Kollegs, Lehrgänge). Ein Jahr nach dem Bildungsabschluss liegt Österreich bei der Beschäftigungsrate auf Rang drei, zwei Jahre danach führt Österreich das Ranking an.5 Germany

One year 85

Two years 86

Iceland

84

83

Austria

84

89

Netherlands

82

81

Finland

78

68

Denmark

76

78

Luxembourg

76

62

Sweden

75

81

Switzerland

74

86

Slovenia

67

58

United Kingdom

64

72

Belgium

62

68

OECD average

61

67

Die Abschlüsse der BHS haben seit 1994 durch die EU ein fachhochschulwertiges Niveau bestätigt bekommen6, was sich auch in der geplanten NQR-Einstufung in Niveau 5 (gegenüber Niveau 4 für den reinen Maturabschluss an der AHS) nieder4 www.oecd.org/austria/Education-at-a-glance-2015-Austria-inGerman.pdf (eingesehen 2017-01-22). 5 OECD http://dx.doi.org/10.1787/888933283658 (eingesehen 2017-01-22). 6 Anhang D zur Ausbildungsrichtlinie 92/51/EWG und Richtlinie 95/43/EG.


25 30 Jahre Erasmus

schlägt. Auf die Durchlässigkeit im Bildungssystem hat dies paradoxerweise in Österreich selbst kaum Auswirkungen, wie einschlägige Untersuchungen des Bildungsministeriums zeigen, während im Ausland zwei bis vier Semester der Ausbildungen für einschlägige Bachelor-Studien angerechnet werden.7

Die Herausforderungen an den Qualitätsanspruch in der Berufsbildung In ganz anderer Weise als die AHS, welche in erster Linie die Studierfähigkeit als Ausbildungsziel hat, steht die berufsbildende Schule seit jeher vor der Herausforderung, dass ihre Ausbildung auch den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werden muss. Dabei hat sie eine enorme Spanne abzudecken: Die Jugendlichen sind bei Eintritt in fünfjährige Ausbildungsformen zumeist 14 oder 15 Jahre alt. Um nach der Matura jene verantwortlichen Stellen anzutreten, die sie gemäß Lehrplan zum Ausbildungsprofil haben8, brauchen sie zumindest weitere fünf Jahre. Lehrpläne und deren konkrete Umsetzung müssen daher rund zehn Jahre in die Zukunft schauen. Seit Anfang der 1990er Jahre wurden auf Initiative des damaligen Sektionschefs Walter Heuritsch erste Initiativen zur Qualitätssicherung unternommen. In einem internationalen Zertifizierungsvergleich schnitt das Modell einer virtuellen »HLW Austria«, das nach dem Qualitätsverfahren der European Foundation for Quality Management EFQM aufgebaut war, als bestes ab.9 Die Evaluation der Wirtschaftsgerechtigkeit der Ausbildung an berufsbildenden höheren Schulen wurde seit 1998 durch das Institut für Organisational Behaviour und der daraus hervorgegangenen Unternehmensberatung Heffeter in mehreren Studien vorgenommen. Ein wesentlicher Schritt zur Qualitätssicherung war die Entwicklung der Bildungsstandards für einzelne Fächergruppen, aber auch schularten7 Vgl. bes. die empirisch mit umfangreichem Datenmaterial hinterlegte Studie zur Durchlässigkeit für Handelsakademieabsolvent/ innen von Brigitte Heffeter u. a. (verfügbar auf www.heffeter.com, eingesehen 2017-01-19). Die Tourismusschulen Klessheim sind Spitzenreiter bei den Vereinbarungen mit internationalen Universitäten und haben verschiedene Partner in Großbritannien, den Niederlanden, den USA, Australien, Hongkong und Deutschland. 8 Die aktuellen und auch historische Lehrpläne der berufsbildenden Schulen findet man auf www.bmb.gv.at. 9 Ruth Ankerl, Franz Heffeter, Adelinde Schletz u. a., Total Quality Management in der HLW Austria. Modell zur Selbstbewertung nach der European Foundation for Quality Management. Wien, 1996. S. 76..

übergreifend für die berufsbildenden Schulen.10 So bedeutsam dieser Schritt in Richtung OutputOrientierung war, birgt er weiterhin große Entwicklungpotenziale. Eine Vereinheitlichung der angewendeten Modelle für eine europäische Beurteilung wäre wertvoll. Das im Bereich der Berufsbildung international als Standard anerkannte Modell von Anderson und Krathwohl auf Basis der Bloomschen Taxonomie11 sollte dafür durchgängig angewandt werden. Es korreliert auch mit den Dimensionen und Niveaus des NQR.

ECVET kommt ins Spiel Zwar wurde das European Credit System for Vocational Education and Training bereits seit 2004 entwickelt und dessen rasche Umsetzung 2009 von der Kommission empfohlen. Die Durchdringung in den nationalen Bildungssystemen hat immer noch Potenzial. Die in Österreich im Rahmen eines Projekts eingerichtete Expert/innengruppe konnte es gemeinsam mit den Mitarbeiter/innen des OeAD erreichen, dass der Anteil an Projekten, welche sich ECVET für die Qualitätssicherung in Erasmus+ Mobilitäten bedienen, deutlich erhöht werden konnte. Gleichzeitig zeigten sich in den Projektberatungen aber auch die zu bewältigenden »Stolpersteine«, die vor allem in Kompatibilitätsproblemen von ECVET zum Hochschulsystem ECTS liegen. Ist das akademische System rein workloadbasiert, so ermöglicht das output-zentrierte ECVET jegliche Form des Wissenserwerbs, der zum Erwerb der angestrebten Qualifikation führt. Die Philosophie von ECVET stellt daher einen wesentlichen Schritt zur Anerkennung von non-formalem und informellem Wissenserwerb dar, der auch in Österreich eine immer höhere gesellschaftspolitische Bedeutung erhalten sollte, nicht zuletzt in Zusammenhang mit den Qualifikationsanerkennungen von Migrant/innen und Asylwerber/innen. Der visionäre Ansatz bedarf aber noch der Zusammenführung mit den anderen genannten Qualitätssystemen und vor allem im Mobilitätsbereich einer tieferen Durchdringung im Schulsystem.

10 Alle verfügbar auf www.bildungsstandards.berufsbildendeschulen.at/home.html. 11 Z. B. Lorin W. Anderson, David Krathwohl e.a., A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing: A Revision of Bloom›s Taxonomy of Educational Objectives. Complete Edition. 2005; Abridged Edition. Pearson, 2013.

Ein wesentlicher Schritt zur Qualitätssicherung war die Entwicklung der Bildungsstandards für einzelne Fächergruppen.


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Karin Luomi-Messerer

Transfer-Modell für die Berufsbildung Mit dem Vocational-Qualification-Transfer-Modell können Qualifikationen aus verschiedenen Ländern abgebildet und miteinander verglichen werden.

Mag. Karin Luomi-Messerer ist Mitarbeiterin bei der 3s Unternehmensberatung GmbH und koordiniert dort das 3s Research Laboratory.

© Helenesouza | Pixelio

Das VQTS (Vocational Qualification Transfer System)-Modell ermöglicht die transparente Darstellung von arbeitsbezogenen Kompetenzen.

Die Entwicklung des VQTS-Modells war eng an der Erprobung von ECVET, dem Europäischen Leistungspunktesystems für die Berufsbildung, orientiert. Es wurde im Projekt VQTS I entwickelt (2003 bis 2006, Programm »Leonardo da Vinci«), das von 3s koordiniert und gemeinsam mit Partnereinrichtungen aus acht Ländern umgesetzt wurde. Weiterentwickelt wurde das VQTS-Modell im Innovationstransferprojekt VQTS II (2007 bis 2009, Programm für lebenslanges Lernen). Mit dem VQTS-Modell wurden die konzeptionellen Grundlagen für ein Referenzinstrument entwickelt, mit dessen Hilfe Qualifikationen aus verschiedenen Ländern abgebildet und miteinander verglichen werden können. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, den Stand der Kompetenzentwicklung von Lernenden zu verschiedenen Zeitpunkten während ihrer Ausbildung sichtbar zu machen. Die Kernelemente des VQTS-Modells sind Kompetenzmatrix und Kompetenzprofile: Eine Kompetenzmatrix stellt die Kompetenzen bezogen auf Kernarbeitsaufgaben (Kompetenzbereiche) in einem speziellen Berufsfeld (z. B. Mechatronik, Elektronik/ Elektrotechnik) und den Fortschritt der Kompetenzentwicklung (Stufen der Kompetenzentwicklung) in strukturierter Form in einer Tabelle dar. Kompetenzprofile werden aus den einzelnen Teilen dieser Kompetenzmatrix erstellt. Dies erfolgt durch die Identifizierung der Kompetenzen, die in einem bestimmten Ausbildungsprogramm oder einer bestimmten Qualifikation enthalten sind bzw. durch die Identifizierung der bisher von einer Person in Ausbildung bereits erworbenen Kompetenzen. Insbesondere können in der Matrix die im Rahmen eines Mobilitätsaufenthalts erworbenen Kompetenzen abgebildet werden. Das VQTS-Modell kann aber auch zur Entwicklung von Qualifikationen, Ausbildungsprogrammen und Berufsprofilen sowie bei der

Personalplanung, der Zuordnung von Qualifikationen zu Qualifikationsrahmen oder der Erhöhung von Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Ausbildung sowie in Validierungsprozessen verwendet werden.

Die Resonanz: Auszeichnungen und Innovationstransfer Das erste VQTS-Projekt wurde mit dem Helsinki Award 2006 und dem Lifelong Learning Award 2007 ausgezeichnet. Die Ergebnisse der VQTSProjekte werden in ECVET-bezogenen Veröffentlichungen als Beispiele guter Praxis präsentiert (z. B. »Get to know ECVET better – Questions and Answers«1, »ECVET-Toolkit2«) und der VQTS-Ansatz wurde und wird in einer Reihe von europäischen Projekten weiterverwendet. In manchen davon wurden VQTS-Kompetenz-Matrizen auch für andere Bereiche entwickelt.3 So z. B. in dem aktuellen Erasmus+ Projekt »HealthCareEurope«4, in dem solche Matrizen für die Berufsbereiche »Nursing« sowie »Elderly Care« erstellt werden. Sie sollen dazu beitragen, die Anerkennungsprozesse für die Migration von Gesundheits- und Pflegefachkräften zu vereinfachen und zu beschleunigen und somit Problemen von »Skill Mismatches« im Gesundheitssektor entgegenzuwirken. Die Kooperation mit Partnereinrichtungen aus unterschiedlichen europäischen Ländern bei der Erstellung von Kompetenz-Matrizen kann dabei sicherstellen, dass die beschriebenen Kompetenzbereiche und Kompetenzen von länderübergreifender Relevanz sind. 1 www.ecvet-secretariat.eu/de/system/files/documents/14/ questions-answers-about-ecvet-21/04/2010.pdf 2 www.ecvet-toolkit.eu/ 3 Beispiele sind hier zu finden: www.vocationalqualification.net/ 4 www.project-hceu.eu/


27 30 Jahre Erasmus

oead.news im Gespräch mit Elisabeth Schmid und Ulrike Münst-Xander

»HLW lives Europe« Mobilitätsprojekte sind schon lange ein fixer Bestandteil der Schulkultur an der HLW Rankweil.

oead.news: Was war ausschlaggebend dafür, an Programmen wie Leonardo da Vinci und Erasmus+ teilzunehmen? Ulrike Münst-Xander: Ausbildungsschwerpunkte an unserer Schule sind neben allgemeinbildenden und wirtschaftlichen Fächern auch Fremdsprachen und Hotel- und Restaurantmanagement. Das im Lehrplan zwischen dem 3. und 4. Jahrgang vorgesehene dreimonatige Pflichtpraktikum wird aufgrund der großzügigen finanziellen Unterstützung von einem Großteil unserer Schüler/innen in einem ausländischen Hotelbetrieb absolviert. Mit dem Jahr 2017 haben ca. 1.050 Schüler/innen an diesem Auslandsprojekt unserer Schule teilgenommen. oead.news: Was hat sich an Ihrer Schule durch die internationale Projektarbeit verändert? Elisabeth Schmid: »HLW lives Europe« ist ein Teil unseres Schulleitbildes. Die schulische Ausbildung wird durch dieses Mobilitätsprojekt bekannt und mit anderen Berufsbildungssystemen vergleichbar. Die HLW Rankweil konnte sich in den letzten Jahren ein Netzwerk mit fast 50 ausländischen Partnerbetrieben aufbauen. Die Schüler/innen nehmen verstärkt an Sprachwettbewerben teil und erwerben Sprachzertifikate mit ausgezeichneten Ergebnissen. oead.news: Wie profitieren Ihre Schüler/innen konkret? Elisabeth Schmid: Sie verbessern ihre Fremdsprachenkompetenz wesentlich und sind motiviert, Sprachen zu lernen. Sie lernen verschiedene Arbeitsbereiche und die Organisation eines Hotelbetriebs kennen. Diese Erfahrung spielt für das zukünftige Berufsleben eine große Rolle. Dank des

Auslandsaufenthalts werden die Schüler/innen offener für neue Kulturen und Menschen, sie bauen Vorurteile und Ängste ab, identifizieren sich als EU-Bürger/innen, lernen Europa als wichtigen Arbeitsmarkt und Lebensraum kennen und erwerben internationale Kompetenzen. oead.news: Was würden Sie rückblickend als Ihren schönsten Erfolg bezeichnen? Elisabeth Schmid: Jedes Mobilitätsprojekt ist mit schönen Erfolgen verbunden, weil die Schüler/innen mit Begeisterung von ihrem Praktikum berichten. Einige werden dadurch auch inspiriert, nach dem Abschluss der Schule bzw. des Studiums beruflich im Ausland Fuß zu fassen. Die Verleihung des Erasmus+ Awards 2016 und des Lifelong Learning Awards 2009 war für das Projektteam eine Bestätigung für die Qualität ihrer Arbeit.

Ulrike Münst Xander ist Direktorin der HLW Rankweil Elisabeth Schmid ist Fachvorstand für den ernährungswirtschaftlichen und haushaltsökonomischen Fachunterricht an der HLW Rankweil Die Auslandsaufenthalte fördern sowohl die beruflichen als auch die persönlichen Kompetenzen der Schüler/innen der HLW Rankweil.

.

oead.news: Was hat Ihnen die europäische Projektarbeit persönlich gebracht? Elisabeth Schmid: Die Projektarbeit hat sowohl zur beruflichen als auch zur persönlichen Weiterentwicklung der Mitglieder des Projektteams beigetragen. Wir haben uns mit Projektmanagement und Fremdsprachen auseinandergesetzt. Und persönlich gesehen, war es ein bereichernder Erfahrungsaustausch und ich konnte internationale Freundschaften mit ausländischen Projektpartnern knüpfen. oead.news: Wenn Sie jemand, der noch nie ein Projekt durchgeführt hat, fragen würde, warum gerade Ihre Projekte so erfolgreich sind, was würden Sie antworten? Elisabeth Schmid: Diese Projekte sind ein fixer Bestandteil unserer Schulkultur und werden sowohl von den Lehrer/innen als auch von den Eltern mit viel Engagement mitgetragen. Durch diese Unterstützung wird mit Freude und Motivation an den Projekten gearbeitet.

© HLW Rankweil

oead.news: Wie lange beteiligt sich Ihre Einrichtung an europäischen Projekten? Ulrike Münst-Xander: Das Kuratorium der HLW Rankweil nimmt seit dem Jahr 2003 an europäischen Mobilitätsprojekten teil.


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Und was sagen unsere Kund/innen

Marlies Auer Botschafterin Berufsbildung, BFI OÖ: »Ich habe persönlich viel durch Erasmus und Erasmus+ gelernt, insbesondere die Offenheit für neue Erfahrungen und Situationen, Improvisations- und Erfindergeist und die Freude am Entdecken von Neuem.« Marlies Auer entwickelt, leitet und koordiniert seit 2009 Erasmus+ Projekte am BFI Oberösterreich. Derzeit ist sie Projektleiterin der Erasmus+ Projekte »migobi« und »digi.job.id« und arbeitet am Erasmus+ Projekt »youthcoach« mit. Ein persönliches Highlight für Auer war das Projekt »Culture Pilots«, bei dem das Projekt Kulturlots/innen des BFI OÖ in vier andere Länder transferiert wurde. Auers Erfahrung als Erasmus-Studentin in London 1996 hat sie geprägt: In der Weltstadt hat sie gesehen, wie bereichernd Diversität ist.

Günther Prommer HLW St. Veit, »Klub der Köche« Kärnten: »Der Mehrwert eines Auslandspraktikums besteht darin, die gelernte Sprache vor Ort zu vertiefen, ein berufliches und privates internationales Netzwerk aufzubauen und andere europäische Kulturen kennenzulernen.« Günther Prommer war als Fachvorstand in der HLW St. Veit für das Betriebspraktikum der Schüler/innen verantwortlich. Rund 1.700 Schüler/innen und 250 Lehrer/innen konnten seit 1997 durch Leonardo da Vinci- bzw. Erasmus+ Projekte einen Aufenthalt im Ausland verbringen und dort wichtige Erfahrungen für das Berufsleben sammeln. Prommer berät und motiviert zudem im Auftrag des Kärntner Landesschulrates Schulen dabei, an Mobilitätsprojekten teilzunehmen.

Wussten Sie, dass … ... pro Jahr über 3.500 Österreicher/innen mit Erasmus+ Berufsbildung Auslandspraktika und Auslandsaufenthalte zur beruflichen Weiterbildung absolvieren? ... jährlich mehr als 2.500 Schülerinnen und Schüler Auslandspraktika in Europa machen und damit ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern? ... bereits über 7.000 Lehrlinge Auslandspraktika mit Erasmus+ und den Vorgängerprogrammen absolviert haben? ... in Österreich fast zwei Mio. Euro jährlich für Innovationsprojekte in der Berufsbildung zur Verfügung stehen? ... bereits acht Mio. Euro pro Jahr für Berufsbildungsprojekte aus EU-Mitteln zur Verfügung stehen?


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© Gianmaria Gava | OeAD

30 Jahre Erasmus – Berufsbildung


30

Eva Werner zu Erasmus+ Hochschulbildung

Erasmus+ für österreichische Hochschulen: Lob der Vielfalt

© Fachhochschulkonferenz

Ob Mobilität, Verständnis für Vielfalt oder Entwicklung von neuen Formen der Zusammenarbeit: Erasmus+ wirkt.

Rektorin Prof. (FH) Mag. Eva Werner studierte an der Universität Wien. Sie ist seit 1994 im Fachhochschulsektor tätig und begleitete sowohl den Internationalisierungsweg der österreichischen Fachhochschulen als auch die Entwicklung von Erasmus in Österreich und die Umsetzung des Bologna-Prozesses.

Als Österreich 1992 dem Erasmus-Programm1 beitrat und mit Studienjahr 1992/93 die ersten mobilitätswilligen Studierenden ins europäische »Ausland« reisten, um Studien- und Lernerfahrungen zu sammeln, erschien im Le Monde eine erste Fünfjahresbilanz zum europäischen Mobilitätsprogramm unter dem etwas kritischen Titel: »Le dilemme de mobilité estudantine: les portes de l'Europe sont ouvertes, mais personne n'y veut passer« (in deutscher Übersetzung: Das Dilemma der studentischen Mobilität: Die Tore Europas sind offen, aber niemand möchte sie durchschreiten), in der die bis dahin etwas unter den Erwartungen gebliebene Akzeptanz des europäischen Mobilitätsprogramms analysiert wurde. Wer glaubte, damit auch die Auguren für Österreich apostrophieren zu können, wurde rasch eines Besseren belehrt: Nach fünf Jahren war die Zahl der mobilen österreichischen Studierenden bereits von anfänglichen 893 auf 2.475 angewachsen, und mit der Gründung des Fachhochschulsektors (1994) erfuhr die Entwicklung von Erasmus einen weiteren Impuls. Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union sowie die Implementierung des Bologna-Prozesses und der damit verbundenen Ziele und Auswirkungen für Österreichs Hochschulen waren weitere wesentliche Antriebsmotoren für das Programm. Heute – 25 Jahre später – zählt Österreich im Bereich der Studierendenmobilität nicht nur zu den Top-Performern der nunmehr 33 Programmländer, sondern ist Erasmus mit all seiner Vielfalt nicht mehr aus dem österreichischen Hochschulsektor wegzudenken: Erasmus ist zu einem wichtigen Faktor der hochschulischen Internationalisierungsstrategien mit all ihren Ausprägungen sowie des Hochschulalltags insgesamt geworden. Auch wenn Erasmus noch immer vorwiegend als Synonym für Auslandserfahrung von Studierenden gesehen wird, so entfaltet das Programm mit all seinen Facetten und seinen in den vergangenen Jahren 1 Damals noch als Sokrates-Programm geführt.

durchgeführten Veränderungen und Weiterentwicklungen weit mehr »Impact« als nur eine Förderung der Mobilität bei den Studierenden.

Internationalisierung der Hochschulen Basierend auf dem Verständnis, dass jede Hochschule auf Grund der Ubiquität des Wissens Internationalität als intrinsisches Element aufweist, wird Internationalisierung der Hochschulen als Bündel all jener Maßnahmen verstanden, die zu einer stärkeren Internationalität der jeweiligen Institution beitragen. In diesem sowohl nach außen als auch nach innen gerichteten Prozess leistet Erasmus mit seinen Programm- und Aktionslinien einen wichtigen Beitrag. Physische Mobilität wirkt als Motor für ein »international mindset«, das wiederum Offenheit und Verständnis für andere Kulturen sowie den berühmten »Blick über den Tellerrand« und dadurch auch die Verankerung von Internationalisierung in der Hochschule fördert. Mobile Studierende, Lehrende und Mitglieder des Hochschulpersonals werden somit zu wichtigen Promotoren der Internationalität einer Institution. Dass dabei nicht nur quantitative Faktoren und die damit vielleicht verbundenen institutionellen Ziele bedient werden, sondern ein substanzieller Mehrwert für die beteiligten Personen in Form von Kompetenz- und Erfahrungsgewinn generiert wird, der wiederum der gesamten Institution zu Gute kommt, unterstreichen sowohl persönliche Erfahrungsberichte als auch zahlreiche in den vergangenen Jahren durchgeführte Studien. Durch Mobilität im Erasmus-Kontext werden aber nicht nur geografische, sondern auch kulturelle Grenzen überwunden, denn gemeinsames Arbeiten, Lehren und Forschen führen auch zu einem besseren Verständnis anderer akademischer Kulturen sowie zum Wissenstransfer zwischen den beteiligten Institutionen. Die Aktionslinien der strategischen Partnerschaften und Allianzen und


31 30 Jahre Erasmus

Im Zentrum von Erasmus – die Studierenden Auch wenn sich die Ausprägungsformen von Erasmus in den vergangenen Jahren verändert haben und neue Aktionslinien aufgenommen wurden, so bleibt Erasmus dennoch vorrangig ein Programm, das dem von Jacques Delors postulierten Ziel der Förderung des Verständnisses für Europa durch Mobilität und den damit verbundenen Erfahrungen jener, die die Zukunft Europas maßgeblich mitgestalten werden, nämlich den Studierenden,

© Christian Sekulic | iStock

zuarbeitet. Wenn ehemalige Erasmus-Studierende ihren Erasmus-Aufenthalt als »beste Zeit meines Studiums«2 und als »Lifetime experience« bezeichnen, dann ist dies mehr als eine emotional verklärte Sicht auf einen Teil des Studiums. Der Mehrwert für die Entwicklung jedes und jeder Einzelnen wird nicht nur von jenen bestätigt, die selbst am Erasmus-Programm teilgenommen haben, sondern auch von Hochschulen und Arbeitgebern. Auslandsaufenthalte – ob zu Studien- oder Praktikumszwecken – sind Lernerfahrungen, durch die sich die Studierenden in ihren Kompetenzen und in ihrer Persönlichkeit substanziell weiterentwickeln. Selbstorganisation, Selbstständigkeit, sehr oft auch das Überwinden der eigenen kulturellen Grenzen, ein bewusstes Auseinandersetzen mit »dem Anderen«, mit anderen Sichtweisen – durchaus auch im akademisch-institutionellen Kontext – all das prägt, all das fördert die Entwicklung der jeweiligen Persönlichkeit. Dass dies letztlich auch in den entsendenden Hochschulen spürbar und wirksam wird, und damit auch das Potenzial von Studierendenmobilität sowohl als Treiber für die Internationalisierung der Hochschule als auch als Beitrag zur Entwicklung von Handlungskompetenz unterstreicht, ist unbestritten. Und dass Studierende anmerken, sich nach einem Erasmus-Aufenthalt »more European«3 zu fühlen, zeigt, dass die ursprüngliche Intention des Programms »to bring students to Europe, to bring Europe to the students« auch heute noch – oder mehr denn je? – seine Wirkung entfaltet.

© Judith Egger

die damit verbundenen Projekte unter der neuen Programmgeneration ließen für die österreichischen Hochschulen weitere Optionen wertvoller institutioneller Zusammenarbeit entstehen, die den in den Institutionen verankerten Expertisen stärkere internationale Sichtbarkeit verleihen, aber auch neue Erkenntnisse und damit verbunden eine Weiterentwicklung der einzelnen Hochschulen und des Hochschulsektors insgesamt fördern. Internationalisierung durch Erasmus betrifft in starkem Maße die Lehre – sei es durch mobile Studierende und die damit verbundene Heterogenität der Studierendenschaft, sei es durch neue aus Kooperationsprojekten mobiler Lehrender entstandene Lehrformen und Lehrprojekte, sei es durch gemeinsam entwickelte Studienprogramme, um nur einige dieser Einflussfaktoren zu nennen. Die damit verbundene Vernetzung, das oft implizit damit verbundene Benchmarking mit anderen Hochschulen sowie die kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der genannten Faktoren auf die gesamte Institution führen erfahrungsgemäß zu nachhaltigen qualitätssteigernden Veränderungen und Prozessen an den beteiligten Hochschulen. Die durch Erasmus in vielfältiger Weise geförderte Internationalisierung trägt somit maßgeblich dazu bei, die Position der österreichischen Hochschulen sowohl im europäischen als auch im internationalen Hochschulraum zu stärken. Die Öffnung des Programms für Kooperationen mit der Arbeitswelt – zunächst in Form von geförderten Praktikumsaufenthalten für Studierende und dann u. a. als Projekte im Bereich der Wissensallianzen bedeutete eine wesentliche Neuorientierung der Zusammenarbeit für die Hochschulen. Sie wurden sowohl Inputgeber als auch Partner in der Gestaltung einer zukunftsorientierten (Aus-) Bildung unserer Studierenden und befähigen unsere Absolventinnen und Absolventen, in einer »increasingly interconnected economy and society« (Leask, EAIE 2014) zu bestehen.

Und zum Schluss … Erasmus »bewegt« und wirkt in vielfältiger Weise auf die Weiterentwicklung der österreichischen Hochschulen, auch wenn sich (und diese Anmerkung sei erlaubt) die administrativen Hürden teilweise als »Bewegungseinschränkungen« entpuppen. Erasmus ist aber untrennbar mit dem »Projekt Europa«, mit dem Verständnis für den Wert der Vielfalt, mit Toleranz und Offenheit verbunden. Mit der Unterzeichnung der Erasmus-Charta haben die österreichischen Hochschulen ein klares Bekenntnis dazu abgelegt. In diesem Sinne: Ad multos annos, Erasmus!

2 Zitat aus dem Kurier vom 27.Jänner 2017. 3 Vgl. dazu Obrune, Karina (2013): Becoming more European after Erasmus?

Physische Mobilität wirkt als Motor für ein »international mindset«.


32

Erasmus+ Hochschulbildung: Studienaufenthalte und Praktika im Studienjahr 2015/16, Verteilung nach Zielländern (Programmländer) Studierende*

Hochschulpersonal* Lehraufenthalte

Fortbildungen

Gesamt

Belgien

53

20

73

13

Bulgarien

13

1

14

28

202

Dänemark

14

11

25

417

1.038

1.455

Deutschland

164

96

260

Estland

46

4

50

Estland

5

2

7

Finnland

315

18

333

Finnland

60

28

88

Frankreich

482

78

560

Frankreich

24

16

40

Griechenland

46

11

57

Griechenland

24

5

29

Irland

158

45

203

Irland

9

20

29

Island

26

10

36

Island

6

1

7

Italien

366

64

430

Italien

78

25

103

Kroatien

40

16

56

Kroatien

13

9

22

Lettland

22

4

26

Lettland

20

1

21

Liechtenstein

0

8

8

Litauen

21

4

25

Litauen

24

4

28

Luxemburg

0

1

1

Luxemburg

6

4

10

Malta

0

3

3

Malta

12

11

23

Mazedonien, FJR

1

0

1

Mazedonien, FJR

0

1

1

Niederlande

22

31

53

Niederlande

328

95

423

Norwegen

11

16

27

Polen

25

3

28

Norwegen

182

19

201

Portugal

36

20

56

Polen

71

18

89

Rumänien

35

8

43

Portugal

156

12

168

Schweden

15

18

33

Rumänien

13

9

22

Slowakei

3

1

4

Schweden

410

49

459

Slowenien

14

7

21

Slowakei

16

12

28

Spanien

94

39

133

Slowenien

32

21

53

Tschechien

54

13

67

Spanien

695

166

861

Türkei

27

4

31

Tschechien

105

17

122

UK

31

105

136

Türkei

125

21

146

Ungarn

26

3

29

UK

442

171

613

Zypern

3

4

7

Ungarn

32

21

53

Summe

901

515

1.416

Zypern

14

2

16

Incoming Lehre

4.901

2.031

6.932

Studienaufenthalte

Praktika

Gesamt

144

43

187

Bulgarien

2

11

Dänemark

174

Deutschland

Land Belgien

Summe

Land

Summe

13

914

13

515

1.429

* vorläufige Zahlen (Stand: 27.1.2017)


33 30 Jahre Erasmus

oead.news im Gespräch mit Karin Wüstner-Dobler

»My exchange semester was the best time of my life« Internationalität wird an der FH Vorarlberg täglich gelebt. Dem Erasmus+ Programm kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. den und die Lehre durch internationale Dozierende eine wesentliche Bereicherung. Naturgemäß ist dies für das Hochschulpersonal auch eine Herausforderung, zumal es erforderlich ist, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen in englischer Sprache zu lehren und entsprechende Serviceleistungen für unsere Gäste zu erbringen. Es erfüllt mich mit Freude und Stolz, sagen zu dürfen, dass es an der FH Vorarlberg ein großes durchgängiges Commitment für Internationalisierung gibt. Dies wurde nicht zuletzt dadurch erreicht, dass Internationalisierung eine wichtige strategische Zielsetzung ist und in den letzten Jahren viele Maßnahmen definiert und gezielt umgesetzt wurden.

oead.news: Welche Rolle kommt dem Personal hinsichtlich der internationalen Ausrichtung der Hochschule zu? Wie mobil ist dieses und welchen Mehrwert hat das für die Studierenden sowie die Institution? Karin Wüstner-Dobler: Erfolge stehen und fallen mit dem Engagement von Menschen. Deshalb kommt naturgemäß auch dem Personal unserer Hochschule eine wichtige Rolle zu. Erfreulicherweise unterrichten jährlich ca. 40 Prozent unserer Dozierenden an Partnerhochschulen, auch das Verwaltungspersonal nimmt kontinuierlich am Erasmus+ Programm teil. Durch die internationalen Erfahrungen des Hochschulpersonals profitieren naturgemäß auch die Studierenden und die Institution.

oead.news: Im letzten Jahr wurde die FH Vorarlberg für ihre Mobilitätsaktivitäten mit dem Erasmus+ Award ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für die Hochschule und für Sie persönlich? Karin Wüstner-Dobler: Die Auszeichnung mit dem Erasmus+ Award setzt die Reihe der in den letzten Jahren verliehenen Awards (ECTS, DS, Life Long Learning) fort. Wir freuen uns sehr darüber, dass unsere Arbeit kontinuierlich auch extern gewürdigt wird, zumal wir dadurch auch unseren Partnerhochschulen und Studierenden eindrücklich zeigen können, dass hohe Qualität für uns einen wesentlichen Stellenwert hat.

oead.news: Wie hat sich der Alltag der Studierenden und des Hochschulpersonals durch das Erasmus(+) Programm verändert? Karin Wüstner-Dobler: Durch »Exchange-Windows« in englischer Sprache kommen jährlich ca. 120 Gaststudierende und viele Gastlehrende aus der ganzen Welt an die FH Vorarlberg. Dadurch sind wir sehr international geworden und das hat den Alltag an unserer Hochschule tatsächlich verändert. Für unsere Studierenden bedeutet das gemeinsame Studium mit internationalen Studieren-

oead.news: Was würden Sie rückblickend als Ihren schönsten Erfolg bezeichnen bzw. gibt es ein besonderes Erlebnis, das Sie teilen möchten? Karin Wüstner-Dobler: »My exchange semester was the best time of my life«, diesen Satz höre ich unglaublich oft. Ich erlebe zudem tagtäglich wunderschöne und interessante Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen aus der ganzen Welt. Dies und die Tatsache, dass ich nach 20 Jahren meinen Beruf noch immer leidenschaftlich liebe, sind für mich persönlich die schönsten Erfolge und Erlebnisse.

Karin Wüstner-Dobler ist Leiterin des International Office der FH Vorarlberg. Sie ist seit 1997 mit dem Auf- und Ausbau der Mobilitätsaktivitäten der FH betraut und schloss parallel dazu das Masterstudium Hochschulmanagement ab.

Durch die internationalen Erfahrungen des Hochschulpersonals profitieren naturgemäß auch die Studierenden und die Institution. .

© FH Vorarlberg

oead.news: Internationalität hat einen hohen Stellenwert an der FH Vorarlberg. So gibt es das Ziel, dass mindestens 50 Prozent der Vollzeit-Bachelorstudierenden einen Auslandsaufenthalt absolvieren. Welche Rolle spielt das Erasmus+ Programm? Karin Wüstner-Dobler: Das Erasmus+ Programm trägt in erheblichem Ausmaß zur hohen Mobilitätsquote der FH Vorarlberg bei, zumal die finanzielle Unterstützung für viele Studierende ausschlaggebend dafür ist, tatsächlich mobil sein zu können. Weitere Anreize sind die individuelle Unterstützung bei der Organisation durch das International Office der FH Vorarlberg und das große Angebot an Partnerhochschulen.


34

Erasmus+ Hochschulbildung: genehmigte Studien-, Lehr- und Fortbildungsaufenthalte 2016, Verteilung nach Zielländern (Partnerländer) Studierende Incoming

Studierende Outgoing

Studierende ∑

Lehr- und Fortbildung Incoming

Lehr- und Fortbildung Outgoing

Lehr- und Fortbildung ∑

Summe gesamt

Albania

10

2

12

2

0

2

14

Algeria

5

5

10

2

2

4

14

Argentina

1

1

2

2

2

4

6

Armenia

10

0

10

2

0

2

12

Australia

2

2

4

1

1

2

6

Belarus

2

2

4

2

2

4

8

Bosnia and Herzegovina

17

6

23

4

1

5

28

Brazil

0

0

0

1

1

2

2

Cambodia

0

0

0

0

3

3

3

Canada

3

3

6

0

1

1

7

Chile

4

7

11

2

2

4

15

China (People's Republic of)

7

3

10

6

7

13

23

Costa Rica

1

0

1

0

1

1

2

Cuba

2

4

6

3

3

6

12

Ethiopia

2

0

2

1

1

2

4

Georgia

24

5

29

9

6

15

44

Ghana

2

0

2

2

2

4

6 4

Land

Hong Kong

1

1

2

1

1

2

India

3

0

3

1

1

2

5

Indonesia

6

4

10

4

3

7

17

Israel

32

15

47

26

21

47

94

Japan

0

0

0

1

1

2

2

Kazakhstan

2

0

2

5

7

12

14

Korea (Republic of)

4

4

8

2

2

4

12

Kosovo (UN resolution)

9

1

10

5

3

8

18

Kyrgyzstan

2

0

2

4

3

7

9

Lebanon

4

0

4

4

1

5

9

Malaysia

0

0

0

2

2

4

4

Mongolia

3

0

3

0

1

1

4

Montenegro

5

1

6

1

0

1

7

Nepal

2

0

2

2

2

4

6

New Zealand

2

2

4

1

2

3

7

Nicaragua

1

0

1

0

2

2

3

Palestine

4

1

5

9

6

15

20

Peru

0

0

0

2

2

4

4

Russian Federation

24

22

46

14

15

29

75

Serbia

18

15

33

5

3

8

41

South Africa

0

0

0

4

4

8

8

Sri Lanka

1

0

1

1

0

1

2

Tajikistan

2

0

2

2

2

4

6

Thailand

8

4

12

6

6

12

24

Trinidad and Tobago

4

3

7

0

0

0

7

Uganda

2

1

3

1

1

2

5

Ukraine

15

5

20

5

5

10

30

United States

5

7

12

6

4

10

22

Uzbekistan

0

0

0

2

2

4

4

Vietnam

2

0

2

0

1

1

3

253

126

379

155

138

293

672

Mobilitäten gesamt


35 30 Jahre Erasmus

Gerhard Volz

Erasmus+ fördert Hochschullehre und Studium weltumspannend Erasmus+ möchte den Austausch und die akademische Zusammenarbeit mit allen Ländern der Welt vorantreiben. Warum gerade die unmittelbare Nachbarschaft im Fokus österreichischer Universitäten steht, erklärt Pendl wie folgt: »Als erste deutschsprachige Universität mit institutionell verankertem SüdosteuropaSchwerpunkt möchten wir mit Partner/innen in der Region Südosteuropa kooperieren. Weitere regionale Schwerpunktsetzungen erfolgen in Abstimmung mit strategischen Partnerschaften dann weltweit.« Neben traditionellen Schwerpunkten am Westbalkan und östlich der EU-Außengrenzen finden sich aber auch Länder wie etwa Bhutan, Kolumbien, Uganda oder Tadschikistan unter den von Österreich gewählten Partnerländern. Für 2017 stehen Österreich in der internationalen Hochschulmobilität drei Mio. Euro zur Verfügung. Die neue Erasmus+ Aktion bietet damit Fördermittel für Kooperationen auf internationaler Ebene, die aufgrund beschränkter Eigenmittel bislang nicht möglich waren.

Mag. Gerhard Volz ist Leiter des Bereichs Hochschulbildung der Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeAD-GmbH.

Sabine Pendl, Universität Graz: »Mit dieser neuen Mobilitätsmaßnahme können wir unser Netz an internationalen Partnerschaften hervorragend ausbauen.«

Klare und transparente Richtlinien Natürlich ist auch diese Förderschiene ohne entsprechenden bürokratischen Aufwand undenkbar. Die Antragstellung ist komplex, die Budgetlogik aufgrund unterschiedlicher Finanzquellen trickreich. All dies hat in den ersten Jahren die österreichischen Hochschulen nicht abgeschreckt und es konnten viele gute Projekte gefördert werden. Sabine Pendl auf die Frage, worin sie die Vor- und Nachteile der neuen Aktion sieht: »Das vorhandene Regelwerk mit klaren und transparenten Richtlinien schafft eine gute Basis für internationale Hochschul-Mobilitäten. Kritisch zu sehen ist der damit verbundene hohe administrative Aufwand.« Das Erfolgsgeheimnis der Universität Graz sieht sie in einer strategischen Nutzung der Aktion im Sinne eigener Ziele, denn »wirklich harte Knochenarbeit ist mit den Vorarbeiten verbunden: In einem Mapping wird versucht, Ziele so zusammenzuführen, dass sie auch gut in das Gesamtbild der Internationalisierung an der Universität Graz passen«.

Die beliebtesten Partnerländer für österreichische Hochschulen sind Israel, Russland, Georgien, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie die Ukraine.

© OeAD | Gerhard Volz

Mit der internationalen Hochschulmobilität hat Erasmus+ 2015 eine bedeutsame Erweiterung erfahren. Erstmals können Studierende, Lehrende und administratives Hochschulpersonal Aufenthalte in Partnerländern rund um den Globus absolvieren und aus (fast) der ganzen Welt nach Österreich kommen. Damit können Hochschulen wirkungsvoll Internationalisierungsprozesse unterstützen und die Weiterentwicklung von Studien- und Lehrangeboten auf beiden Seiten vorantreiben. Bei einem Antrag ist sowohl für die eigene Institution als auch für die Partnerhochschule in jedem gewählten Land zu begründen, worin der Mehrwert der Kooperation liegt und welche Auswirkungen man sich von den Aktivitäten erwartet. Die Einbettung in eine Gesamtstrategie der Hochschule bzw. einzelner Fachbereiche in Bezug auf Internationalisierungs- und Modernisierungsbestrebungen ist erwünscht, wobei etwa die Entwicklung und der Ausbau von Kapazitäten eine ganz entscheidende Rolle bei der Bewertung des Antrags spielen. Sabine Pendl, Leiterin des internationalen Büros der Universität Graz, lässt keine Zweifel an den Motiven, sich zu beteiligen: »Die Universität Graz war bereits bei den Vorläuferprogrammen von Erasmus+ äußerst aktiv und möchte dies auch weiterhin sein, weil sie Mobilität als einen wesentlichen Bestandteil von Internationalisierung versteht. Wir konzentrieren uns auf unsere strategischen Partnerschaften und achten darauf, dass sich in Bezug auf die Internationalisierungsstrategien der Fakultäten die Angebote mit den Schwerpunkten decken. Das ermöglicht auch die Erweiterung von Verbindungen in Zusammenhang mit Netzwerken, so werden wir etwa im Utrecht-Network verstärkt mit Universitäten in Rio de Janeiro zusammenarbeiten.« 2015 und 2016 wurden in Österreich insgesamt 66 Projekte bewilligt, mit denen 1.350 Aufenthalte zwischen Österreich und Erasmus+ Partnerländern gefördert werden. An der Spitze standen dabei Kooperationen mit Israel, Russland, Georgien, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie der Ukraine.


36

Rupert Beinhauer

Von Tempus zu Erasmus+ Capacity Building an Hochschulen Die Programmschiene Capacity Building in the Field of Higher Education fördert Kooperationen zwischen Hochschulen aus Programm- und teilnahmeberechtigten Partnerländern. Dr. Rupert Beinhauer studierte an der Universität Graz Psychologie. Er ist seit 2002 bei der FH Joanneum im Studiengang Management internationaler Geschäftsprozesse tätig und leitet seit vielen Jahren Drittstaatenprojekte.

Seit vielen Jahren ist unser Studiengang in Drittstaatenprojekte der Europäischen Union involviert, nunmehr auch als Teil von Erasmus+. Ein großer Teil unseres Partnernetzwerks besteht aus Institutionen und Menschen, mit denen wir im Laufe der Zeit zusammengearbeitet und gemeinsame Entwicklungen getätigt haben.

Von den Anfängen … Als wir vor mehr als zehn Jahren damit begonnen haben, uns in Schienen wie Tempus, EU-Alfa, EUIndia oder EU-Asean zu engagieren, war das für die Konsortien und in manchen Schienen auch für den Fördergeber noch alles relativ neu. Die Anzahl potenzieller Partner, sowohl in den Programmländern als auch ich den Partnerländern war für uns noch überschaubar klein. Die meisten Kolleginnen und Kollegen hatten noch keine Vorerfahrung in Drittstaatenprojekten, manche mussten erst überzeugt werden, überhaupt mit zu machen. An unserem Studiengang wurden ein wissenschaftlicher Mitarbeiter und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt, um die Projekte mit dem notwendigen Fokus betreuen zu können. In den ersten Kick-off-Meetings trafen sich dann oftmals die Pioniere der jeweiligen Hochschulen, um gemeinsam zu ergründen, wie das relativ unbekannte Feld korrekt zu bearbeiten sei. Hatte man Glück, waren Einzelne mit Vorerfahrung in EU-Projekten dabei. Gemeinsam wurden Arbeitsprogramme durchgegangen und Finanzregelungen, manchmal korrekt, manchmal auch falsch ausgelegt. Dann ging man an die Arbeit. In dieser Anfangszeit war ein sehr großer Anteil dieser Arbeit darauf ausgerichtet, alle Personen an den beteiligten Institutionen zu informieren und von der Sinnhaftigkeit der gemeinsamen Aktivitäten zu überzeugen. Internationale Zusammenarbeit in der Weiterentwicklung von Universitäten

war für viele Beteiligte noch ein recht neues Konzept und es musste erst Vertrauen in die entsprechenden Maßnahmen aufgebaut werden. Der Fördergeber hatte oftmals sehr klare Vorstellungen über die geeignete Konsortialzusammensetzung, ein regionenübergreifendes Projekt war in dieser Form nicht vorgesehen oder zumindest schwer zu realisieren. Das Bindeglied zwischen verschiedenen Partnerschaften zu ähnlichen Themen, z. B. in Südamerika und in Indien, war daher immer der koordinierende europäische Partner, die Themen waren meist regional ausgerichtet und entsprachen dem Fokus der jeweiligen nationalen Prioritäten.

Bis heute … Ist man erfolgreich in ein Drittstaatenprojekt involviert und hat gut mit den Partnern zusammengearbeitet, so wird man auch gerne wieder eingeladen. In den letzten Jahren hat sich daher auch das Engagement unseres Studiengangs in EU-Projekte und insbesondere in Drittstaatenprojekte verstärkt. Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung ist viel größer geworden und es gibt kaum eine Person am Studiengang, die nicht in irgendeiner Weise in EU-Projekte verwickelt ist. Viele Gastprofessor/innen und Studierende kommen von Universitäten, die in einem Drittstaatenprojekt unsere Partner waren. Die Projektlandschaft selbst hat sich professionalisiert, viele europäische Universitäten verfügen über Expertinnen und Experten, die sich bestens in EU-Projekten auskennen. Leider ist dadurch auch die Konkurrenz spürbar größer geworden und die erfolgreiche Akquise von Projekten schwierig. Auch unsere internationalen Partner haben längst Expertise gesammelt, so dass fast in jedem Konsortium bereits Vorerfahrungen mit anderen Projekten existieren. Niemand muss mehr überzeugt werden, dass internationale Zusammenarbeit in


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© Kuklev | iStock

30 Jahre Erasmus

Eines der Ziele von Capacity Building ist die Unterstützung der Modernisierung, Zugänglichkeit und Internationalisierung der Hochschulbildung in Partnerländern.

Bildungsprojekten Sinn macht. Die Ressourcen, die dafür notwendig waren, diese Überzeugungsarbeit zu leisten, können nun sinnhafter und fokussierter verwendet werden. Durch die neue Schiene Capacity Building in Erasmus+ haben sich auch einige wichtige Verbesserungen ergeben. Das Regelwerk ist zwar nicht immer einfacher geworden, aber es ist nunmehr für alle Partnerregionen gleich, was für Personen, die in mehrere Projekte involviert sind, eine große administrative Erleichterung darstellt. Für uns ist besonders wichtig, dass es nunmehr auch möglich geworden ist, Partner aus verschiedenen Ecken der Welt zusammenzubringen. In den letzten Jahren wurde in sehr vielen Themen Erfahrung gesammelt und viele Partner haben neues Wissen und neue Strukturen aufgebaut. Diese können sie jetzt auch dann austauschen, wenn sie aus verschiedenen Regionen kommen. Durch die bestehende Vorerfahrung werden natürlich viele Fehler von vornherein vermieden und die resultierenden Produkte werden immer professioneller. Aus unserer Sicht sind Drittstaatenprojekte quasi erwachsen geworden.

Auch für die beteiligten Personen bedeutet das Engagement in Projekten mit Partnerländern eine wichtige Quelle der persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung. Viele interessante persönliche Erfahrungen der letzten Jahre wären ohne Partner in aller Welt nicht möglich gewesen.

Internationalität Gelebte Internationalität ist ein Grundpfeiler des Studiengangs. Es macht wenig Sinn, zu versuchen, Studierenden internationale Geschäftstätigkeiten näher bringen zu wollen, wenn man sich selbst nicht aus den eigenen Uni-Wänden bewegen will. Unsere Studierenden absolvieren Auslandssemester, im Bachelor-Studiengang ist dieses sogar verpflichtend. Natürlich ist ein gemeinsames Projekt eine sehr gute Basis, um Austausch auf allen Ebenen einzurichten.

Als Partnerländer (Drittstaaten) gelten alle Länder, die nicht unmittelbar mit eigenen Finanzmitteln und eigenen Strukturen am Programm Erasmus+ beteiligt sind – also alle Staaten, die nicht zu den 33 Programmländern zählen.


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Attila Pausits

Gibt es einen schwarzen Gürtel der Internationalisierung? Erasmus Mundus Joint Master Course – eine Exzellenzinitiative, die Spuren hinterlässt.

Dr. habil. Attila Pausits, PhD ist Leiter des Zentrums für Bildungsmanagement und Hochschulentwicklung an der Donau-Universität Krems.

»Ich habe noch nie Schnee gesehen!«, erklärte eine Studentin aus Äthiopien. »Weiß und kalt ist er und wenn du im Schnee gehst – aber bloß nicht mit diesen Schuhen! – siehst du deine Spuren«, antwortet hilfsbereit ein Student aus Vietnam. Beide haben sich für einen Erasmus Mundus Joint Master Course (kurz EMJMC) beworben, studierten im ersten Semester in Österreich und standen gerade vor der Abreise nach Tampere, Finnland. Der weitere Studienverlauf wird sie noch nach China und Deutschland führen.

EMJMC für Hochschulmanagement an der Donau-Universität Krems EMJMC gehören sicherlich zu den interessantesten und international bedeutsamsten Bildungsinitiativen in der europäischen Hochschulbildung. Hochkarätige Konsortien, zwei bis vier verschiedene Studienorte und Gruppen aus Studierenden aus allen Ländern und Kontinenten – das ist eine neue Qualität des Studierens. Das gilt auch für den »Master in Research and Innovation in Higher Education, MSc« (MARIHE), den die Donau-Universität Krems gemeinsam mit der Universität Tampere, der Beijing Normal University und der Hochschule Osnabrück durchführt (www.marihe.eu). Diesmal studieren 25 junge Menschen aus 21 Ländern aus aller Welt zusammen. Die vier Semester verbringen sie meist an drei, teilweise an vier Hochschulen. Über 30 Prozent der Absolventinnen und Absolventen setzen nach dem Masterabschluss mit einem PhD fort, zuletzt in Oxford, New York oder an der Universität Brasilia. Nach fünf Jahren der Implementierung können die Donau-Universität Krems und ihre Partnerinstitutionen eine positive Bilanz ziehen. Gemessen mit den heutzutage »gefragten« Kennzahlen: 100 Prozent »Employability« nach sechs Monaten, 95 Prozent Abschlussrate in der Regelstudienzeit,

drei Prozent Drop-out. Soweit so gut. Viele Hochschulen fragen sich trotzdem, ob der Erfolg die Mühen wert ist – und Mühen gibt es zweifellos: Seien es die Entwicklung und Implementierung komplexer Programme mit hohen Mobilitätsgrad und das Austarieren von jeweils mehreren nationalen und institutionellen Regularien – bis zu Akkreditierungen und zur Vergabe von gemeinsamen Abschlüssen. Die koordinierende Hochschule muss hier beweisen, dass sie moderierend wirken kann und umsetzungsstark ist. Pro Jahr reichen etwa 110 Konsortien EMJMCAnträge ein. In diesem kompetitiven Umfeld müssen die Hochschulverbunde gute Argumente in drei Themenkomplexen liefern: »Grad der Gemeinsamkeit in der Umsetzung«, »Relevanz« und »Studierendenbetreuung«. Durch die Austria Mundus Förderung, finanziert vom BMWFW und implementiert vom OeAD, haben österreichische Hochschulen einen strategischen Vorteil. Diese Anschubfinanzierung für die Antragstellung ermöglicht heimischen Hochschulen, deutlich bessere Anträge einzureichen. Dies belegen auch die Erfolge der letzten Jahre, MARIHE ist einer davon.

Anerkennung für die Qualität in der Lehre Die Zuerkennung des Erasmus-Mundus-Labels ist zunächst eine weithin sichtbare, internationale Anerkennung für die Qualität in der Lehre. In der täglichen Umsetzung ist damit viel Arbeit verbunden, aber diese wird auch belohnt: EMJMCs bringen internationale Sichtbarkeit, Reputationsgewinn, und globale Netzwerkbildung in kürzester Zeit – mit Alumni, Partnerhochschulen und Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Gesellschaft – mit all ihren positiven und nachhaltigen Effekten. Aus Sicht der Studierenden sind EMJMCs ein Türöffner in eine internationale Ausbildung, aus Perspektive der Hochschulen sind sie ein Katalysator der


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© Donau-Universität Krems

30 Jahre Erasmus

Der »Master in Research and Innovation in Higher Education« ist ein Erasmus-Mundus-Joint-Master-Degree-Programm, das von der Donau-Universität Krems gemeinsam mit der University of Tampere (Finnland), Beijing Normal University (China) und der Hochschule Osnabrück (Deutschland) angeboten wird.

Internationalisierung und eine Plattform, auf der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler voneinander lernen können. Ein besonderer Erfolgsfaktor von EMJMCProgrammen ist die Studierendenauswahl. EMJMCStipendien sind für Studierende sehr attraktiv, aber ihre Anzahl ist stark begrenzt. Die Konsortien müssen deshalb intelligente Lösungen für die Organisation und Auswahl der Bewerbungen überlegen, Studienleistungen und Karrieren gut prognostizieren, haben die Entscheidungen doch fundamentale Auswirkungen – nicht nur für den Erfolg der einzelnen Studierenden, sondern auch für das gesamte Programm. Nur wenn der Auswahlprozess gemeinsam getragen wird, kann eine Durchführung gelingen. Denn am Ende des Tages sind es nicht »deine und meine« Studierende sondern »unsere« Absolventinnen und Absolventen. Das Wir-Gefühl muss Grenzen überwinden, institutionelle, kulturelle, sprachliche und – im üblichen Fall von interdisziplinären Programmen – auch jene von Disziplinen. Nicht nur die Proponen-

tinnen und Proponenten müssen von der Wichtigkeit solch internationaler Programme überzeugt sein, es bedarf auch eines klaren institutionellen Bekenntnisses der Hochschulleitung und -verwaltung, und der Offenheit gegenüber der internationalen Studierenden. Denn EMJMC-Programme zwingen alle Beteiligten und Betroffenen, Neuland zu betreten, Praktiken anderer Hochschulen zu akzeptieren oder innovative Lösungen für das Studium und die Verwaltung zu erarbeiten. Durch die enge Zusammenarbeit zwingen EMJMC die Hochschulen, die eigenen Komfortzonen zu verlassen und voneinander zu lernen. Wenn es einen schwarzen Gürtel der Internationalisierung gibt, dann führt der Weg über ein EMJMC sicher dorthin. Weitere Informationen: www.donau-uni.ac.at/wbbm

Erasmus Mundus Joint Master Degrees sind transnationale Masterstudiengänge, die mit einem doppel-, mehrfach- oder gemeinsamen Abschluss enden und sich an exzellente Studierende richten.


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Dimitris Karagiannis

Agile Modellierungsmethoden aus dem virtuellen Labor In der neuen und innovativen Umgebung OMiLAB entwickeln acht Partneruniversitäten IT-Modellierungsmethoden und stellen sie Lehrenden und Studierenden zur Verfügung. Die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche lässt die Grenzen zwischen virtueller und physischer Welt immer näher zusammenrücken. Dies geht einher mit einer steigenden Komplexität der Szenarien, in denen Informationssysteme zum Einsatz kommen. Modellierungsmethoden und -werkzeuge stellen einen möglichen Ansatz dar, um diese Komplexität zu bewältigen. Das Erasmus+ Strategic-Partnership-Projekt »Open Models Initiative« (2014 bis 2017) möchte mit dem Konzept eines virtuellen Labors für die Entwicklung von IT-basierten Modellierungsmethoden sowie entsprechenden Lehrmaterialien, Tools und pädagogischen Konzepten eine neue und innovative Umgebung für Lehrende und Studierende bereitstellen. Acht Partneruniversitäten aus sechs Ländern arbeiten gemeinsam an der Entwicklung der Lehrinhalte. Als Basis für die Projektarbeit wurden die von ca. 30 Forschungsgruppen aus 20 Ländern entwickelten Modellierungsmethoden herangezogen. Diese sind über das Open Models Laboratory (OMiLAB, www.omilab.org) verfügbar.

© Franz Staffe | Universität Wien

Univ.-Prof. Dr. Dimitris Karagiannis ist Ordinarius der Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien, Fakultät für Informatik, und Gründer des Open Models Laboratory (www.omilab.org). Er beschäftigt sich in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit seit mehr als 30 Jahren mit MetaModellierung und Knowledge Engineering.

Internationale Studierende und Lehrende bei der NEMO Summer School 2015 in Wien.

Open Models Laboratory Das Open Models Laboratory ist ein offener Forschungs-, Lern- und Kooperationsraum für die Entwicklung von Modellierungsmethoden. Verfügbar sowohl als physisches als auch als virtuelles Labor

– virtuelles OMiLAB – bietet es Konzepte, Tools, und eine Meta-Modellierungsplattform (www. adoxx.org) für die Herstellung von IT-gestützten Modellierungsmethoden. Dem Beispiel einer Open-Source-Community folgend, werden alle Inhalte und Werkzeuge zur Verfügung gestellt. Im ersten Projektjahr wurden Lehrinhalte, Übungen und Fallstudien für vier Modellierungsmethoden entwickelt, welche die Studierenden im Lernprozess nutzen können. Zusätzlich wurden theoretische und praktische Lehrinhalte im Bereich Meta-Modellierung entwickelt, die als Basis aller Modellierungswerkzeuge im OMiLAB dienen.

NEMO Summer Schools Durch seine Offenheit stellt das virtuelle OMiLAB Studierenden und Lehrenden Inhalte und Werkzeuge weltweit zur Verfügung. Insofern ist es auch nötig, deren Evaluation mit einem internationalen Studierendenkreis durchzuführen. Die Nemo Summer Schools stellen die Plattform hierfür dar. Sie finden seit 2014 jährlich als zweiwöchige Intensivveranstaltung statt und fokussieren auf die Konzeptualisierung, das Design und die Umsetzung von Modellierungsmethoden für Unternehmen im digitalen Zeitalter. Ziel ist es, eine Community für die Zusammenarbeit von Studierenden in internationalen Teams im Bereich Modellierung zu etablieren und im Sinne einer Ingenieursausbildung den explorativen Lernprozess in dem virtuellen OMiLAB zu unterstützen. Damit werden neben den fachlichen auch soziale Kompetenzen sowie Teamfähigkeit und ein interkulturelles Verständnis aufgebaut. Weitere Informationen: www.omilab.org, http://nemo.omilab.org


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Und was sagen unsere Kund/innen Katharina Binder Botschafterin Hochschulbildung: »Den Schritt zum eigenen Start-up hätte ich bestimmt nicht gewagt, wäre da nicht mein Erasmus+ Jahr gewesen. Mein Ziel als Erasmus+ Botschafterin ist es, zukünftige Teilnehmer/innen des Erasmus+ Programms bestmöglich auf die Kultur des Gastlands vorzubereiten und ihnen klarzumachen, was mit ein bisschen Mut und Engagement während des Auslandsaufenthalts möglich ist.« Katharina Binder hat im Studienjahr 2015/16 an der Estonian Business School (EBS) in Tallinn studiert, war vor Ort Studierendenvertreterin und leitete den International Club. Die beiden Kompetenzen, die Binder während ihres Erasmus-Semesters vertiefen konnte, waren Teamführung und Projektmanagement. Durch die Arbeit im International Club, der sich um Austauschstudierende und deren Integration kümmert, lernte sie, was es heißt, ein Team zu motivieren, zu unterstützen und gemeinsam gute Arbeit zu leisten. Momentan baut Binder ein internationales Unternehmen mit Partnern aus Estland und England auf.

Thomas Hörzer zweimillionster Erasmus-Student in Europa: »Das Erasmus-Semester war für mich eine sehr positive Erfahrung. Ich habe nicht nur sehr viele Menschen getroffen, sondern während des Auslandsaufenthalts auch viel in- und außerhalb der Universität gelernt – ein Wissen, welches ich heute sehr gut in meiner Projekttätigkeit anwenden kann.« 2008/2009 ging Hörzer für ein Semester nach Poitiers (Frankreich) und war symbolisch der zweimillionste Erasmus-Student in Europa. Das Auslandssemester war für ihn ein bewusster Schritt aus der Komfortzone.

Wussten Sie, dass …

… Österreich bereits seit 25 Jahren Teil des Erasmus-Programms ist und bis Ende des Jahres 2017 voraussichtlich 100.000 Studierende österreichischer Hochschulen einen Erasmus-Auslandsaufenthalt absolviert haben werden? … mit Erasmus+ im Hochschulbereich mittlerweile Studienaufenthalte sowie Lehrtätigkeit und Fortbildung zwischen Österreich und mehr als 180 Ländern weltweit gefördert werden können? 2017 werden Hochschulen in unserem Land für die internationale Mobilität mehr als drei Mio. Euro zur Verfügung stehen. … Menschen mit Behinderung oder chronischen Krankheiten sowie Studierende mit Kindern zusätzliche finanzielle Mittel als Unterstützung für ihren Auslandsaufenthalt erhalten? … ein von Österreich koordiniertes Erasmus+ Projekt dazu beiträgt, das Bierbrauen in Thailand zu perfektionieren?


© Gianmaria Gava | OeAD

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43 30 Jahre Erasmus

Wo und wie finde ich gute Projekte? Alle bis dato im Programm Erasmus+ geförderten Projekte sind auf der »Erasmus+ Project Results Platform« verfügbar.

Schauraum für Best Practices – Speicherort aller Projekte und Produkte des Programms Erasmus+: Die neue zentrale »Erasmus+ Project Results Platform« bietet einen umfassenden Überblick über die im Programm geförderten Projekte und Produkte sowie über Beispiele guter Praxis. Die Plattform macht Produkte und (intellektuelle) Ergebnisse der geförderten Projekte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Projektkoordinator/innen von Erasmus+ Mobilitätsprojekten (Key Action 1) können die Ergebnisse des Projekts auf der Plattform nach dem Projektende veröffentlichen. Für strategische Partnerschaften (Key Action 2) ist die Veröffentlichung aller Projektergebnisse auf der Plattform bei Projektende verpflichtend. Weiterer Informationen auf http://ec.europa.eu/ programmes/erasmus-plus/projects/

ÆÆ Sie möchten wissen, welche Projekte im Programm Erasmus+ gefördert werden? ÆÆ Sie suchen innovative Produkte im Bildungsbereich? ÆÆ Sie wollen die Sichtbarkeit Ihres eigenen Projekts erhöhen? ÆÆ Sie suchen Partner für zukünftige Projekte? ... Dann sind Sie auf der Erasmus+ Project Results Platform genau richtig!

Hier werden Good-Practice-Projekte und Erfolgsgeschichten vorgestellt. Alle Interessierten finden detaillierte Informationen zu den Projekten, u. a. eine Projektbeschreibung, Informationen zu Koordinator/innen des Projekts sowie den Projektpartnern, und nach Abschluss der Projekte auch deren Produkte. Die Plattform soll als Inspirationsquelle dienen und sich zu einer Community of Practice für Projekte entwickeln. Alle bis dato im Programm Erasmus+ geförderten Projekte sind auf der Erasmus+ Project Results Platform verfügbar. Aber auch Projekte aus den Vorgängerprogrammen können Sie hier finden, diese wurden aus den früheren Datenbanken ADAM und EST in die Erasmus+ Project Results Platform übertragen. Die Daten neuer Projekte werden mit der Vertragsunterzeichnung auf der Plattform sichtbar.

© Diane Diederich | iStock

Lassen Sie sich inspirieren!


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Gerhard Bisovsky zu Erasmus+ Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung und europäische Bildungsprojekte Wie europäische Erwachsenenbildung gute Praxis vermittelt und Bottom-up-Prozesse unterstützt.

Dr. Gerhard Bisovsky ist Experte für Erwachsenenbildung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Seit 2014 ist er Generalsekretär des Verbands Österreichischer Volkshochschulen.

Erwachsenenbildung ist, zeitlich gesehen, der längste Bildungsabschnitt im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens. Die Bedeutung von Erwachsenenbildung hat in den vergangenen drei Jahrzehnten zugenommen, was sich nicht zuletzt auch in mehreren bildungspolitischen Initiativen widerspiegelt. Die großen bildungspolitischen Themen sind Qualität und Professionalisierung, Grundbildung, Orientierung an Zielgruppen mit geringer Bildungsbeteiligung bzw. niedrigen Qualifikationen und Kompetenzen, die Sichtbarmachung und Validierung von informell und non-formal erworbenen Kenntnissen und Kompetenzen sowie die Digitalisierung. Österreich bekennt sich zu einer breiten und offenen Erwachsenenbildung und betont immer wieder die gleichmäßige Bedeutung, die allen acht europäischen Schlüsselkompetenzen1 zukommt. Mit der »Initiative Erwachsenenbildung«, die die gebührenfreie Basisbildung und den gebührenfreien erwachsenengerechten Pflichtschulabschluss ermöglicht, wurde ein Programm geschaffen, das ein Vorzeigemodell darstellt. Auch nationale Qualitätsgütesiegel wie Ö-Cert werden viel beachtet und die nunmehr seit zehn Jahren bestehende »Weiterbildungsakademie Österreich«2, die die Kompetenzen von Erwachsenenbildner/innen validiert, ist europaweit ein Best-Practice-Modell.

Innovation hat auch ein europäisches Gesicht Die österreichische Erwachsenenbildung kann auf zahlreiche Innovationen zurückblicken, die im Kontext von europäischen Projekten entwickelt wurden. Die bereits genannte Weiterbildungs1 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CEL EX:32006H0962&from=DE 2 https://wba.or.at/

akademie wurde von Erwachsenenbildner/innen für die Erwachsenenbildung entwickelt. Hier ist auch die Bildungsberatung zu erwähnen, die sich durch eine starke Einbeziehungen von Erfahrungen und Modellen in anderen Ländern entwickelt hat. Zudem ist Österreich im European Lifelong Guidance Network (ELGN) sehr aktiv. Zahlreiche Innovationen, die hier entwickelt wurden, konnten in den europäischen Diskurs eingebracht werden, wie auch umgekehrt durch viele europäische Projekte eine innovative Weiterentwicklung in der österreichischen Erwachsenenbildung stattgefunden hat.

Validierung – ein möglicher Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit Die österreichische Validierungsstrategie setzt sich mit gesellschaftspolitischen Herausforderungen auseinander: Die vielfältigen Kompetenzen, die die Menschen mitbringen, der wirtschaftlich-technologische Wandel, die Arbeitslosigkeit und die Alterung der Bevölkerung, aber auch die zunehmende digitale Durchdringung der Bildung begründen die Notwendigkeit der Validierung von informell und non-formal erworbenen Kompetenzen. Der Zuzug von Flüchtlingen und deren Integration in den Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem macht eine Validierung der vorhandenen Kompetenzen notwendiger denn je. In der österreichischen Validierungsstrategie werden sowohl die formative Validierung, die einen Reflexionsprozess über die Kompetenzen einer Person mit dem Ziel der Motivation und der Förderung des Lernens umfasst, als auch die summative Validierung explizit erwähnt, die sich an Anforderungen und Standards orientiert. Weiters ist es eine Zielsetzung der österreichischen Strategie, verschiedene methodische Ansätze zu berücksichtigen und die Weiterentwicklung sowohl formati-


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© Gianmaria Gava | OeAD

Responsible Science

Die Erwachsenenbildung hat sich zu einem komplexen Feld entwickelt und ist heute oft der längste Bildungsabschnitt in einem Menschenleben.

ver als auch summativer Ansätze zu unterstützen. Im Zuge eines Meetings des Erasmus+ Projekts »AVA – Action plan for validation and non-formal adult education«3 in Wien wurde auch ein internationaler Workshop mit Expert/innen aus den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Rumänien und Schweden abgehalten, an dem österreichische Erwachsenbildner/innen, Wissenschaftler/innen sowie Mitglieder der bundesweiten Arbeitsgruppe zur Validierung teilgenommen haben. Die österreichischen Modelle, wie die Weiterbildungsakademie und das Validierungsmodell für den gewerblichen Bereich, »Du kannst was«, konnten in das Projekt ebenso eingebracht werden, wie die österreichische Sichtweise der beiden Säulen der Validierung. Umgekehrt ist es mit der Durchführung eines offenen Workshops gelungen, die Auseinandersetzung mit den Modellen und Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zu intensivieren.

Qualität und Professionalisierung durch Peers evaluieren Im Rahmen des Projekts »Transnational Peer Review for quality assurance in Validation of non formal and informal Learning (VNFIL) Extended« der European Peer Review Association4, das aus Mitteln von Erasmus+ (Strategic Partnerships for adult education) gefördert wird, wird die Weiterbildungsakademie Österreich (wba) einem transnationalen Peer-Review-Verfahren unterzogen. Eine externe Evaluation durch Peers ist ein vielversprechendes Instrument für Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Es baut auf Aktivitäten auf, die in der Validierung in der Erwachsenenbildung bereits erprobt sind, zudem ist es kosten3 www.eaea.org/en/projects/eaea-coordinated-projects/ava.html 4 www.peer-review-network.eu/pages/welcome.php?lang=EN

effizient und es fördert Netzwerke und Austausch zwischen Anbietern von Validierung und befördert so wiederum einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Der Bericht aus dem Peer-ReviewVerfahren beinhaltet einige Vorschläge zur Verbesserung, die in weiterer Folge in den Gremien des »Kooperativen Systems der Erwachsenenbildung«, das die Weiterbildungsakademie Österreich führt, diskutiert und umgesetzt werden. Schließlich ist noch auf die Mobilitätsprojekte unter Erasmus+ zu verweisen, die die Möglichkeit bieten, Kontakte zur Erwachsenenbildung in anderen Ländern aufzubauen oder auch zu intensivieren. Im Mai 2016 besuchte eine Delegation österreichischer Erwachsenenbildner/innen Institutionen der norwegischen Erwachsenenbildung. Dabei wurden Fragen des Zugangs zur universitären Bildung und zur Erwachsenenbildung ebenso diskutiert wie Fragen der Qualitätsverbesserung und der Professionalisierung. Der wechselseitige Austausch von Erfahrungen und Beispielen guter Praxis unterstützt die Qualitätsentwicklung in der österreichischen Erwachsenenbildung und macht auf europäischer Ebene viele gelungene österreichische Beispiele sichtbar. Die zunehmende Europäisierung und Internationalisierung der Bildung konzentriert sich nicht nur auf Richtlinien und Vorschläge, die von supranationalen Organisationen kommen, sondern befördert eben auch Bottom-up-Aktivitäten, die durch Erasmus+ Projekte unterstützt werden.

Die Bedeutung von Erwachsenenbildung hat in den vergangenen drei Jahrzehnten stark zugenommen.


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Michael Stadler-Vida

Erwachsenenbildung für alle – AEMA Menschen mit Behinderung brauchen einen leichteren Zugang und bessere Lernbedingungen in der Erwachsenenbildung.

Mag. Michael Stadler-Vida ist Geschäftsführer von queraum. kultur- und sozialforschung

Entsprechend der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung sollen behinderte Menschen die Möglichkeit zur uneingeschränkten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben haben. Dazu gehört auch das Recht auf Bildung. In der Praxis stoßen Menschen mit Behinderung jedoch auf Hürden.

Lernen und verändern Das Projekt AEMA – Adult education made accessible – will dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung leichteren Zugang zu und bessere Lernbedingungen in der Erwachsenenbildung haben. Dafür braucht es Bildungseinrichtungen, die wissen, wie ihr Angebot für möglichst viele Menschen geöffnet werden kann. Und es braucht Einrichtungen, die sich selbst als lernend und offen für Veränderungen begreifen. Die Tools, die im Projekt AEMA entwickelt werden, unterstützen Bildungsanbieter/innen bei diesen Veränderungsprozessen.

Selbstermächtigung und Vernetzung

© dasdenkeichduesseldorf | Pixelio

Das Recht auf Bildung ohne Hürden steht allen Menschen zu.

Zwölf Organisationen aus elf Ländern haben im Grundtvig-Projekt AEMA Standards für barrierefreie Bildungsangebote und daraus ein Assessment entwickelt. Anbieter/innen von Erwachsenenbildung können mit dem AEMA-Assessment auf der Plattform www.aemanet.eu ihre Barrierefreiheit einschätzen und verbessern. Das Assessment dient der Selbsteinschätzung, aber auch der Sensibilisierung und zeigt, in welchen Bereichen man bereits in Richtung Barrierefreiheit unterwegs ist bzw. in welchen Bereichen man mehr machen könnte.

Angebot und Nachfrage Die Plattform dient auch dazu, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Meine Kollegin bei queraum, Anna Schachner, drückt es so aus: »Mit

AEMA vernetzen wir Bildungseinrichtungen mit Expert/innen der Barrierefreiheit. Sieht ein Bildungsanbieter im Assessment, dass in einem Bereich Nachholbedarf besteht und möchte professionelle Unterstützung, dann findet er mit nur einem Klick passende Expert/innen.«

Sichtbar machen und sensibilisieren Aktuell wird in AEMA ein Badges-System erarbeitet. Das bedeutet, dass Einrichtungen »Plaketten« sammeln können, die ihren Status hinsichtlich Barrierefreiheit anzeigen. Wobei auch hier der (Verbesserungs-)Prozess im Vordergrund steht und Badges weniger Zustände, als Veränderungsbereitschaft anzeigen. Die Badges können von den Einrichtungen auf den eigenen Websites integriert werden. Sie zeigen damit ihr Engagement im Bereich Barrierefreiheit und erhöhen ihre Attraktivität für ihre Zielgruppen. AEMA wird in mehreren Bereichen wirksam: Einrichtungen der Erwachsenenbildung und deren Mitarbeiter/innen werden für die Bedeutung und die Dimensionen von Barrierefreiheit sensibilisiert und auf ihrem Weg in Richtung Inklusion unterstützt. Expert/innen für Barrierefreiheit werden vermehrt für inklusive Erwachsenenbildung tätig – dies erhöht die Sichtbarkeit des Themas und trägt zu einem Wissenszuwachs und einer stärkeren Dynamik in diesem Feld bei. All dies wiederum bedeutet einen großen Schritt hin zu Bildungsangeboten, die für mehr Menschen zugänglich sind, was die Teilhabechancen von behinderten Menschen maßgeblich verbessert. Wer mehr über AEMA wissen und sich mit den österreichischen Umsetzer/innen in Verbindung setzen möchte: Im Westen Österreichs übernimmt innovia die Funktion einer Drehscheibe (www.innovia.at, Kontakt: Johannes Ungar), im Osten ist es queraum (www.queraum.org, Kontakt: Michael Stadler-Vida).


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oead.news im Gespräch mit Thomas Tröbinger

Inklusive Bildung mit Tablets Der Verein atempo nimmt in Österreich in der inklusiven Bildung und digitalen Qualifizierung eine Vorreiterrolle ein.

oead.news: Was war die inspirierendste Erfahrung? Thomas Tröbinger: Besonders inspirierend waren die Besuche in einer inklusiven Grundschule in Vantaa, Finnland. Diese Schule lebt ein inklusives Konzept des selbstgesteuerten Lernens. Jede/r Lernende folgt dabei einem klaren Wochenplan und bestimmt selber Ort, Tempo und Reihenfolge der Aufgaben. Dies wird durch den Einsatz von Tablets und einer virtuellen Lernplattform ermöglicht. Benötigt eine Schüler/in besondere Unterstützung, so kann er oder sie jederzeit eine Förderlehrerin oder einen Förderlehrer aufsuchen. oead.news: Können Sie uns etwas mehr über die Wirkung nach Projektende sagen? Thomas Tröbinger: Die durchgeführten Kursteilnahmen unterstützen maßgeblich den Erwerb der Kompetenzen der Fachkräfte in der Nutzung von Tablets, in der Vernetzung sowie im Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene. Zudem wurden die Qualität und Passgenauigkeit und damit die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen inklusiven Bildungsangebots gesteigert. Unsere Lernenden

konnten in mehrfacher Hinsicht von den Wirkungen der geplanten Mobilitätsaktivitäten profitieren. Die Teilnehmer/innen erhalten eine hochwertige, auf ihre Lernbedürfnisse abgestimmte (digitale) Bildung. Sie bekommen individuelle Unterstützung für den Einsatz ihrer persönlichen Tablets oder auch Smartphones. Damit wird der Bildungsbetrieb inklusiver und die Teilnehmer/innen erfahren eine größere Anerkennung und Aufwertung ihrer Kursteilnahme. oead.news: Was bedeutet die europäische Projektarbeit für Sie und was hat sich an der Institution geändert? Thomas Tröbinger: Der Austausch mit anderen europäischen Organisationen ist ein wesentlicher Innovationstreiber und führte zur Entwicklung neuer Bildungsangebote. Speziell die Durchführung von Mobilitätsprojekten hat viel neuen Schwung ins Team von atempo gebracht. Für mich persönlich stellt die europäische Projektarbeit eine der bereicherndsten Erfahrungen meiner bisherigen beruflichen Laufbahn dar. oead.news: Was möchten Sie an andere Institutionen weitergeben? Thomas Tröbinger: Ich würde jeder Bildungsorganisation nahelegen, ihre Angebote und Dienstleistungen für Inklusion, europäische Zusammenarbeit und Digitalisierung zu öffnen. Alle drei Prozesse werden in den kommenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle im Wandel der Bildung in Europa spielen.

Thomas Tröbinger, MA ist Trainer und Projektkoordinator bei der gemeinnützigen Organisation »atempo – zur Gleichstellung von Menschen«.

© OeAD | APA-Fotoservice, Ludwig Schedl

oead.news: Was hat Sie dazu bewegt, dieses Projekt einzureichen? Thomas Tröbinger: Eine Brille ermöglicht es Menschen mit einer Sehschwäche, dass ihre Einschränkung nicht zu einer Behinderung wird. Wir von atempo sind der Überzeugung, dass mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones – richtig eingesetzt – eine Brillenfunktion für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen einnehmen können. iPads haben für unsere Zielgruppe ein unglaubliches »Brillenpotenzial« in vielen Bereichen: Kommunikation, Mobilitätstraining, Selbstmanagement, Konzentration, individuelles Lernen in der Basisbildung, (digitale) Inklusion mit Social Media und vieles mehr. Damit nehmen wir in Österreich im Bereich der inklusiven Bildung und digitalen Qualifizierung dieser Zielgruppe eine Vorreiterrolle ein.

Thomas Tröbinger bei der Verleihung des Erasmus+ Awards im Dezember 2015.


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Und was sagen unsere Kund/innenen Ovagem Agaidyan, Botschafter Erwachsenenbildung, Verein Multikulturell: »Ich versuche, Migrant/innen von der Idee der europäischen Integration zu überzeugen, und bemühe mich, sie darüber aufzuklären, was ein Europa für alle Bürger/innen, die darin leben, bringt. Viele Migrant/innen sind sich dessen noch nicht bewusst, welche Chancen sie im heutigen Europa hätten und dass die EU eine sichere Basis für ihre Zukunft bietet.«

Ingrid Schwarz ehem. Botschafterin Grundtvig, Südwind: »Erasmus+ bietet einzigartige Möglichkeiten für internationale Kooperationen und schafft somit Räume für Austausch. Die damit verbundenen Auslandsaufenthalte bieten die Chance, Einblick in die Arbeitsweisen der Partner zu erlangen und die Menschen und Länder kennenzulernen.«

Ovagem Agaidyan arbeitet seit 30 Jahren mit und für Migrant/innen. Er setzt sich für faire Bildungschancen in Österreich ein und möchte Migrant/innen mit Hilfe von EU-Projekten neue Perspektiven ermöglichen. Im Rahmen der transnationalen Zusammenarbeit des Vereins Multikulturell mit anderen Einrichtungen entstanden zahlreiche Partnerschaften, die Synergien mit sich bringen und nachhaltig dazu beitragen, innovative und kreative Ideen und Methoden für die Verbesserung der Bildungschancen von Migrant/innen zu entwickeln und umzusetzen.

Als ehemalige Botschafterin des Erasmus+ Vorläuferprogramms Grundtvig im Bereich Erwachsenenbildung kann Ingrid Schwarz auf eine langjährige Erfahrung mit europäischen Projekten zurückblicken. Schwarz engagiert sich weiterhin für europäische Projekte: In einem laufenden Erasmus+ Projekt entwickelt Südwind mit Partnerorganisationen die Online-Methodenbox »Competendo«. Diese wurde 2016 mit »Best of Austria – Bildung für nachhaltige Entwicklung« durch das Umweltministerium (BMLFUW) ausgezeichnet (www.competendo.net).

Wussten Sie, dass … … das Modell der Lesepatinnen und -paten, welches an vielen Wiener Schulen und Nachbarschaftszentren eingesetzt wird, auf ein Grundtvig-Erwachsenenbildungsprojekt zurückzuführen ist? … Projekte der Erwachsenenbildung eine große Bandbreite von aktuellen Themen – wie z. B. Bildung im Alter, Guidance, Migration, soziale Eingliederung, Basic Skills – aufgreift? … laut Eurostat-Prognose im Jahr 2060 jede 8. Person in Europa zur Altersgruppe 80+ gehört und innovative Projekte für 80+ jetzt schon in der Erwachsenenbildung durchgeführt werden? … Erwachsenenbildung die Fortbildung von Mitarbeiter/innen verschiedenster Einrichtungen durch Lehr- und Lernmobilitäten fördert?


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© Gianmaria Gava | OeAD

30 Jahre Erasmus – Erwachsenenbildung


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Erasmus+ ist mehr eTwinning, Epale, Euroguidance und Europass bieten weitere Services im Rahmen der EU-Bildungsprogramme. eTwinning eTwinning ist eine Gemeinschaft für Schulen in Europa. Die Plattform bietet jedem (Lehrer/innen, Schulleiter/innen, Bibliothekar/innen etc.), der in einer Schule in einem europäischen Land arbeitet,

die Möglichkeit zu kommunizieren, zu kooperieren, Projekte zu entwickeln, sich auszutauschen und Teil einer der spannendsten Lerngemeinschaften Europas zu sein.

Wussten Sie, dass … ... es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, eTwinning im Rahmen von Erasmus+ Schulbildungsprojekten zu nutzen? Sie können die eTwinning-Plattform zur Partnersuche, als Kommunikationstool oder auch zur Verbreitung Ihrer Projektergebnisse verwenden.

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© Gianmaria Gava | OeAD

www.etwinning.at

... eTwinning Schulpartnerschaften in Europa durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien fördert. Das Portal bietet Unterstützung, Werkzeuge und Dienste. eTwinning stellt außerdem Angebote zur kostenlosen und kontinuierlichen Weiterbildung für Pädagoginnen und Pädagogen bereit.

Epale Epale ist eine internationale Drehscheibe für alle in der Erwachsenenbildung tätigen Personen, wie Lehrende, Trainer/innen, Forscher/innen, politische Entscheidungsträger/innen.

Wussten Sie, dass … www.bildung.erasmus plus.at/epale

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Ziel ist es, die Qualität und Bereitstellung von Angeboten für die Erwachsenenbildung in Europa zu verbessern.

... Epale seit 2014 als die mehrsprachige E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa Vernetzung, Projektpartnersuche, Ressourcen und Communities of Practice bietet? Mehr als 350 Fachkräfte und Multiplikator/innen aus dem Bereich der Erwachsenenbildung aus Österreich sind bereits registriert und nützen die Vorteile von Epale.


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Euroguidance Euroguidance Österreich informiert als Teil des europäischen Euroguidance-Netzwerks Bildungsund Berufsberater/innen in Österreich und Europa über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten,

über das österreichische Bildungssystem und über Mobilitätsmöglichkeiten. Euroguidance berät in über 30 Euroguidance-Zentren in allen Ländern der EU und des EWR sowie der Türkei und Serbien.

Wussten Sie, dass … ... Euroguidance seit 25 Jahren Bildungs- und Berufsberater/innen in Europa vernetzt? ... die Euroguidance-Grafik des österreichischen Bildungssystems in mehr als 20 Sprachen zur Verfügung steht und dass auf dem Portal Lernen in Österreich über 40.000 Lernangebote abgerufen werden können?

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www.euroguidance.at/

© Gianmaria Gava | OeAD

... allein 2016 über 17.000 Poster und Faltblätter in der Beratung verwendet wurden und Arabisch, Englisch, Dari, Türkisch und Urdu die meist bestellten Sprachen waren.

Europass Der Europass macht Kompetenzen und Qualifikationen europaweit transparent und verständlich. Er unterstützt Bürger/innen dabei, ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen wirksam darzu-

stellen, um einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden. Der Europass soll Einrichtungen in der allgemeinen und beruflichen Bildung unterstützen und den Inhalt von Lehrplänen vermitteln.

Wussten Sie, dass …

... der Europass-Lebenslauf das erfolgreichste Dokument ist, das die Europäische Kommission je ins Leben gerufen hat? Seit seiner Einführung im Jahr 2005 wurden 85 Mio. Lebensläufe online erstellt. ... Sie Ihre Erasmus+ Lern- und Praktikumsaufenthalte im europäischen Ausland mit dem EuropassMobilitätsnachweis dokumentieren können? Sie erhalten somit eine klare Zusammenfassung Ihrer erworbenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen. Diese können sie sehr gut für Ihre nächste Bewerbung nutzen!

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www.europass.at


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Stefan Zotti

Die Innovationsstiftung für Bildung Die Bundesregierung investiert 50 Mio. Euro für innovative Bildungsideen im Sinne unserer Kinder und unserer Zukunft.

Dr. Stefan Zotti ist Geschäftsführer der OeADGmbH und Vorstand der Innovationsstiftung für Bildung.

Das österreichische Bildungssystem steht im Allgemeinen nicht im Ruf, besonders innovativ zu sein. Gerne wird das mittelmäßige Abschneiden bei PISA-Tests als untrügliche Bestätigung für die mangelnde Reformfreude und die Mittelmäßigkeit unserer Schulen und Bildungseinrichtungen herangezogen. Ein solcher Befund übersieht dabei die innovativen und reformpädagogischen Ansätze, die an vielen Schulen in ganz Österreich gepflegt werden und die zahlreichen engagierten Lehrerinnen und Lehrer, die Tag für Tag versuchen, Bewegung in ein nach wie vor starres System zu bringen. Richtig bleibt aber wohl der vorherrschende Eindruck, dass auf bildungspolitischer Ebene in den letzten Jahr(zehnt)en vor allem gegenseitige Blockade und parteitaktische Überlegungen überwogen haben.

Die Innovationsstiftung als Instrument der Bildungsreform Als der Nationalrat am 14. Dezember 2016 das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz verabschiedete, war damit ein wesentliches Element der bereits im Herbst 2015 beschlossenen Bildungsreform umgesetzt: Die Innovationsstiftung für Bildung, die mit 50 Mio. Euro dotiert ist, soll »einen Beitrag zur Anhebung des Bildungsniveaus und der Innovationskompetenz aller Altersgruppen in Österreich durch kompetitive Förderung von innovativen Projekten im Bildungs- und Forschungsbereich leisten«, wie es in § 2 des Bundesgesetzes heißt. Die Innovationsstiftung ist ein vollkommen neues Instrument, welches innovative Ideen »von unten« in das Bildungssystem tragen und implementieren soll. Anders als die bildungspolitischen Diskussionen der Vergangenheit, die vor allem auf die Strukturen und die Verwaltungsorganisation des Bildungssystems abstellten, soll die Stiftung Ideen innerhalb des Systems zum Durchbruch verhelfen. Dabei wird die Nutzung neuer digitaler

Lernformen ebenso adressiert werden, wie Fragen der Inklusion, der Lehrer/innenausbildung oder der Stärkung der Bildungsforschung an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Wichtig ist dabei einerseits ein praxisnaher Ansatz – so können nur Projekte unterstützt werden, an denen mindestens eine Bildungseinrichtung, vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildungsinstitution, beteiligt ist – andererseits unmittelbare Umsetzbarkeit der Ergebnisse im Klassenzimmer, Hörsaal oder Seminarraum. Für das richtige Verständnis dieses Instruments ist dabei der Gesamtzusammenhang der Bildungsreform wichtig: Autonomie schafft den Rahmen für neue Schwerpunktsetzungen an den Schulen und die Innovationsstiftung unterstützt dabei innovative Projekte, die Schulen in ihrer Autonomie gestalten und umsetzen wollen. Die Innovationsstiftung gibt Schulen also jene Gestaltungsmöglichkeiten in die Hand, die sie brauchen, um die Autonomie und ihre mögliche Schwerpunktsetzung eines bestimmten Schulstandorts oder Clusters mit Leben zu füllen.

Schlanke Struktur für breite Wirkung Die Stiftung wurde betont schlank aufgesetzt, um sicherzustellen, dass die Mittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich in den Klassenzimmern und Hörsälen und nicht in neuen Verwaltungsstrukturen. Die Innovationsstiftung bedient sich der Ressourcen der Förderagenturen FWF, FFG, AWS und OeAD, die im Auftrag der Stiftung eine Vielzahl neuer Förderprogramme abwickeln und der Stiftung auch ihre fachliche Kompetenz in der Entwicklung neuer Förderinstrumente zur Verfügung stellen werden. Damit ist die Innovationsstiftung in der Lage, Herausforderungen des Bildungssystems von der Grundlagenforschung bis zur unternehmensnahen Innovationsförderung zu


© Xubingruo | iStock

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adressieren: Die Entwicklung neuer didaktischer Konzepte für die Elementarpädagogik soll ebenso Platz finden wie die Förderung von Start-ups aus dem EduTech-Bereich. Die OeAD-GmbH ist nicht nur als Förderagentur mit der Innovationsstiftung verbunden, sondern dient der Innovationsstiftung auch als Geschäftsstelle und steht allen künftigen Antragsteller/innen als One-Stop-Shop für ihre Anträge zur Verfügung. Die Ausschreibungen für die unterschiedlichen Förderprogramme werden ab Herbst auf der Website der Innovationsstiftung (www.innovations stiftung-bildung.at) zu finden sein. Nach erfolgreicher Zuerkennung werden die Projekte von einer der vier genannten Agenturen betreut. Zudem ist im Gesetz vorgesehen, dass der Geschäftsführer der OeAD-GmbH zugleich als Stiftungsvorstand der Innovationsstiftung dient. Für die OeAD-GmbH ist das eine spannende Erweiterung ihres Aufgabenfeldes und ein weiterer Schritt zur Positionierung als zentrale Abwicklungsagentur von nationalen, europäischen und internationalen Bildungsprogrammen in Österreich. Unterstützt wird die Stiftung durch einen Wissenschaftlichen Beirat, dem zehn Expert/innen – vom Bildungswissenschaftler zur Lehrerin, vom EduTech-Unternehmer bis zur Expertin der Europäischen Kommission, vom Migrationsexperten bis zur Hochschulentwicklerin – aus dem In- und Ausland angehören. Ein sechsköpfiger Stiftungsrat sowie das Aufsichtsorgan, beide besetzt durch Führungskräfte mehrerer Ministerien, runden die schlanke Struktur ab.

Im Dialog mit den Innovator/innen Mit der Entwicklung der Innovationsstiftung sind vielfältige Pläne und Vorstellungen verbunden, in welchen Bereichen Akzente gesetzt und Projekte gefördert werden sollen: Der Aufbau eines

EduTech-Clusters wurde dabei in der politischen Diskussion ebenso genannt wie die Stärkung der Bildungsforschung an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen, die Förderung von e-Skills im Unterricht oder die Unterstützung von Pädagoginnen und Pädagogen in ihrer Rolle als Guides durch die neue digitale Welt. Für die Innovationsstiftung ist dabei eines klar: Wir wollen die Schwerpunkte mit den Communities gemeinsam entwickeln und wir wollen von den Betroffenen hören, wie ihre vielfältigen Ideen am besten gefördert werden können. Die Innovationsstiftung versteht sich als lernende Organisation, die nicht Antworten vorgibt, sondern neue Diskurs- und Denkräume eröffnen möchte. Am 12. Mai 2017 werden wir in Wien den ersten Innovationsdialog für Bildung organisieren, in dem wir Stakeholder, Beteiligte, Betroffene und Interessierte aus dem Bildungssystem, aber auch der Wirtschaft, der Forschung und der Verwaltung zusammenbringen und ins Gespräch über neue Ideen für unsere Schulen und Bildungseinrichtungen bringen. Innovation entspringt oft Begegnungen und gemeinsamem Nachdenken – unsere Kinder haben es sich verdient.

Am 12. Mai 2017 findet in der Brotfabrik in Wien Favoriten der erste Innovationsdialog statt.


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Andreas Obrecht

Gaza – Energieeffizientes Bauen in einem belagerten Land Bericht über eine APPEAR-Hochschulkooperation zwischen der Islamischen Universität Gaza und der Technischen Universität Wien. Dr. Andreas Obrecht ist habilitierter Soziologe, Leiter der Geschäftsstelle der Kommission für Entwicklungsforschung (KEF – www.kef-research.at) bei der OeAD-GmbH und Leiter des Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development (www.appear.at).

Bild 1: Solarpanels am Dach der Islamic University Gaza − angestrebt wird Energieautarkie. Bild 2: Fischerboote vor Gaza-Stadt.

© Alle Fotos: Andreas Obrecht | OeAD

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In den Gazastreifen zu gelangen, ist nicht gerade einfach. Von der belebten mediterranen Metropole Tel Aviv geht es mit einem Bus nach Ashkelon, einer jüdischen Stadt im Südwesten Israels, und von dort mit einem Taxi zur mehr als 20 Kilometer entfernt gelegenen Grenze Erez-Crossing – die seit längerem einzige Möglichkeit in das palästinensische Territorium zu gelangen. Nach umständlichen Befragungen, Kontrollen und Durchsuchungen ist ein 800 Meter langer Stacheldrahtkorridor zu durchmessen, der von der massiven Betonmauer, die die Grenze zu Israel markiert, nach Gaza führt. Nur von Berufs wegen hier tätigen Ausländer/innen – etwa Diplomat/innen oder Mitarbeiter/innen von Entwicklungsorganisationen – ist der Grenzübertritt erlaubt. Den in Israel oder in der Westbank lebenden Palästinenser/innen ist er ebenso untersagt wie den Israelis selbst. Auf der palästinensischen Seite angekommen betreten wir, Assistenzprofessorin Kristina Kiesel von der Technischen Universität Wien und der Autor, ein völlig anderes Land: Eine isolierte, von der Außenwelt abgeschottete orientalische Enklave, die mit dem modernen Israel, aus dem wir gekommen waren, überhaupt nichts zu tun zu haben scheint. Auch sind es zerschossene und zerbombte Häuser – aus dem Krieg 2014 – die das Bild der Fahrt in die Hauptstadt Gaza-Stadt charakterisieren. »Wir haben keine Bewegungsfreiheit, wir haben keinen Frieden hier … wir müssen der jungen Generation eine Chance zu produktiver Arbeit und wir müssen ihr Bildung geben, um den Militarismus und den Extremismus zu reduzieren, um die Jugend selbstständig werden zu lassen und sie vom Extremismus wegzubringen … Solange die Palästinenser keinen Frieden und keine Unabhägigkeit haben, keinen Zugang nach und aus Palästina, keinen eigenen Flughafen und keinen Seehafen für Exporte und Importe, solange sind wir in einem extremen Teufelskreis gefangen!« Nazmi

El-Masri ist der Koordinator für Internationale Beziehungen der Islamic University Gaza, die mit der Technischen Universität Wien im Rahmen des APPEAR-Programms eine Forschungs- und Lehrkooperation eingegangen ist. APPEAR – das Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development – wird von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) finanziert, wobei die besetzten palästinensischen Gebiete – der Gazastreifen und die Westbank – zu den Schwerpunktregionen der OEZA zählen. Die Islamische Universität Gaza ist 1978 gegründet worden, damals auch in der Hoffnung, dass eine Zweistaatenlösung vor der Realisierung steht. Mittlerweile gibt es 20.000 Studierende, 60 Prozent davon Frauen, die in einem eigenen Campus organisiert sind, elf Fakultäten und eine Vielzahl von Studienprogrammen, die unter steter Unterfinanzierung leiden. Die Aktivitäten gehen freilich über den hochschulischen Bereich hinaus, wir Nasreddin El Mezaini, der Vorsitzende des Verwaltungsrates, erklärt: »Wir machen spezielle Programme für Behinderte und Gehörlose, lehren ihnen IT – das ist ganz neu in Palästina. Auch finden wegen der schwachen Wirtschaft die meisten Graduierten keine Jobs. Wir unterstützen die jungen Leute neue Geschäftsideen umzusetzen, bringen sie mit professionellen Konsulenten zusammen und versuchen Sponsoren für Start-ups zu finden.« Das größte Problem in der akademischen Arbeit ist freilich die fehlende physische Mobilität. Adel Awadallah, Professor für organische Chemie und derzeitiger Rektor, erzählt von Bemühungen, dieses Manko zumindest teilweise auszugleichen: »Wir versuchen den Austausch von Lehrpersonal und auch unter Studierenden durch neue Technologien, durch das Internet zu ermöglichen, wir laden auch Vortragende von anderen Universitäten ein, über Skype Vorlesungen zu halten.«


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Bei der Veranstaltung »Energy-Efficient Buildings« ging es um kostengünstige Möglichkeiten des angepassten, energieeffizienten Bauens im Rahmen der sehr eingeschränkten lokalen Verhältnisse in Gaza.

Auch das Team von der Architektur der TU Wien, das im Rahmen einer von APPEAR geförderten Lehr- und Forschungskooperation über »Energieeffizientes Bauen« mit der Islamischen Universität kooperiert, war auf virtuelle Kommunikation angewiesen. Das hochbrisante Projektthema ist im Sommer 2014 ausgearbeitet worden, teils unmittelbar während der israelischen Invasion, im Zuge derer nach UN-Angaben 7.000 Häuser in Gaza komplett zerstört und weitere 10.000 Häuser schwer beschädigt wurden. Die österreichische Projektverantwortliche, die Architektin Kristina Kiesel: »Anfangs haben wir noch geglaubt, wir können uns treffen, in Ägypten oder auch in Wien. Dann ist die Situation sehr schwierig geworden, wir haben, so gut es ging, über Mail und Skype kommuniziert. Wir sind vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sehr gut vorangekommen, auch bei der Curricula-Entwicklung.

Aber jetzt, wo ich da bin, kann ich doch genauer hinsehen, und mir fallen andere Probleme auf – und die sieht man nicht über Skype, die fallen erst auf, wenn man mit den Leuten zu tun hat, und sieht wie sie leben. Das kommt dann viel stärker raus in einem direkten Kontakt. Ich glaube das wird generell unterschätzt, wie wichtig das ist – einfach gemeinsam sitzen und gemeinsam essen und auch über die Familie sprechen, was in Skype nicht gemacht wird, weil da bleibt man ja immer professionell und hakt die Agenden ab.« Der palästinensische Projektleiter Achmed Muhaisen und sein Team haben mehrmals versucht, nach Wien zu gelangen, um das Team der TU persönlich zu treffen: »Beim letzten Versuch, unsere Kolleginnen in Wien zu treffen, habe ich das Visum für Österreich, die Erlaubnis zur Fahrt durch Israel und das Visum für Jordanien erhalten, aber dann kam der Morgen vor der Abreise und ich bin

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4 Bild 3: Dr. Kristina Kiesel, TU Wien, mit Projektpartner Dr. Achmed Muhaisen (rechts im Bild) im Gespräch mit Konferenzteilnehmern. Bild 4: Islamic University Gaza – die Bombenschäden aus 2014 sind noch immer nicht ganz behoben.

Das größte Problem bei der akademischen Arbeit ist freilich die fehlende physische Mobilität.


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Bei der Abschlusskonferenz, die unter dem Titel »Energy-Efficient Buildings« am 25. und 26. Oktober 2016 stattgefunden hat, waren 1.200 Menschen aus ganz Gaza anwesend.

© Alle Fotos: Andreas Obrecht | OeAD

von der israelischen Behörde angerufen worden, und es wurde mir mitgeteilt, dass die Erlaubnis, Israel zu betreten, zurückgezogen wurde. Sehr frustrierend − mich hat das alles Monate an Vorbereitung gekostet, meine ganze Arbeit, auch das Geld für die Visa sind verloren.« Aber dann kam doch der Moment, wo Kristina Kiesel und Achmed Muhaisen einander persönlich kennenlernen konnten – bei der erfolgreichen Abschlusskonferenz, die unter dem Titel »Energy-Efficient Buildings« am 25. und 26. Oktober 2016 stattgefunden hat. Das Interesse an dieser Veranstaltung, zu der sich 1.200 Menschen aus ganz Gaza, aus unterschiedlichsten Berufen und Motiven angemeldet hatten, war enorm. Die Hochschulkooperation hat kostengünstige Möglichkeiten des angepassten, energieeffizienten Bauens im Rahmen der sehr eingeschränkten lokalen Verhältnisse ausgelotet und weiter

Bild oben: 60 Prozent der Studierenden an der Universität Gaza sind Frauen, die in einem eigenen Campus organisiert sind. Bild unten: An der Universität werden auch spezielle Programme für Behinderte und Gehörlose angeboten.

vertieft. Umso wichtiger in einer Stadt, in der es nur alle acht Stunden für weitere acht Stunden Strom pro Tag gibt. Auch sind ein Curriculum und ein Computer-Labor entstanden, die die Studierenden auf die zu bewältigenden Aufgaben vorbereiten. Die Vorträge und Workshops der Konferenz haben zu einer breiten Dissemination der Ergebnisse dieser zweijährigen Partnerschaft beigetragen. Letztlich sind es diese Erfolgserlebnisse, welche die Sinnhaftigkeit von Hochschulkooperationen, von gemeinsamer, nachhaltiger Wissensproduktion auch unter schwierigsten Bedingungen mehr als nur rechtfertigen. Gerade in Situationen gesellschaftlicher und ökonomischer Anomalie können problemorientierte akademische Lehre und Forschung zu Hoffnung und neuen Zukunftsperspektiven effektiv beitragen. Die Kooperation mit der Islamischen Universität Gaza wird auch in einem neuen APPEAR-Projekt in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Auch wenn Achmed Muhaisen seinen Weg an die TU Wien nicht finden konnte, resümiert er abschließend rundum positiv: »Wir sind sehr stolz auf unser Projekt und diese Konferenz, dass sie reibungslos und ohne Probleme über die Bühne gegangen ist. Das ist das erste Mal, dass so viele Leute an einer Konferenz-eröffnung teilgenommen haben. Den Gesetzen des Islam zufolge sind wir alle dazu aufgerufen, uns zu bilden, die besten Lösungen für unser Leben zu finden und auch den aktuellen Stand der Wissenschaften zu kennen. Es gibt in der arabischen Welt einen berühmten Spruch: »Jeder sollte nach Weisheit suchen, wo immer er sie auch findet, er sollte die Weisheit mit sich nehmen und ihr Eigentümer sein!« Weitere Informationen: www.appear.at In der ORF-Ö1-Sendung »Dimensionen" − die Welt der Wissenschaft« wird am 5. April ab 19.05 Uhr über ein weiteres APPEAR-Projekt in der Westbank berichtet.


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Doris Bauer

Die Radiosendung »Welt im Ohr« jubiliert ... und das gleich mehrfach.

»Es ist die Premiere für Welt im Ohr, eine Sendereihe, die in Zukunft auch öfter laufen soll.« Mit diesen Worten leitete Maiada Hadaia Anfang 2011 die allererste Ausgabe von Welt im Ohr ein. In dieser ersten Sendung begab sich Welt im Ohr auf eine Reise nach Ägypten, genauer nach Kairo. Es ging um soziale Medien und Bildung, um politische Mobilisierung in den arabischen Ländern in einer Zeit des Umbruchs. Der damalige OeAD-Lektor an der Ain-Shams Universität in Kairo, Robert Fellner, berichtete in einem Interview von der Situation vor Ort, über die Revolution am Tahrir-Platz, über die Lage der Studierenden und über die Rolle des Internets in diesen bewegten Zeiten. Diesem Interview folgte ein Live-Gespräch in einem Studio des altehrwürdigen Funkhauses in der Argentinierstraße 30a im 4. Wiener Gemeindebezirk. Heimatsender wurde für Welt im Ohr mit dieser ersten Ausgabe Ö1 Campusradio, die Internet-Sendeleiste des öffentlich-rechtlichen Senders Ö1. Welt im Ohr war geboren und gab sich selbst ein Format, das sich vielfach bewährt und vielfach behauptet hat. Die Sendungen bewegen sich inhaltlich über alle Erdteile, sie hören hin und fragen nach, es wird diskutiert und kommentiert. Dieser ersten Sendung folgten weitere, die allererste Anmoderation bewahrheitete sich, denn Welt im Ohr lief nicht nur »noch öfter«, es läuft bis heute. Welt im Ohr sendet alle zwei Wochen Freitagabend eine Stunde lang. Und so konnten vor kurzem gleich zwei Jubiläen verzeichnet werden: Welt im Ohr wurde fünf Jahre alt und in in diesen fünf Jahren sind mehr als 100 Sendungen entstanden. Doch was steht hinter Welt im Ohr? Was steht hinter den Themen, die in diesen 100 Sendungen diskutiert und kommentiert wurden? Zu Beginn war es das breite Spannungsfeld zwischen Forschung, Bildung und Entwicklung. Das ist es bis heute, doch nach und nach hat sich Welt im Ohr

WELT IM

OHR

vor allem als eines durchgesetzt: Als einzigartige Möglichkeit, die durch die KEF (Kommission für Entwicklungsforschung) und APPEAR geförderte Forschung in einen größeren Kontext zu setzen. Denn auch wenn unsere Forscher/innen und Projektpartner/innen qualitativ hochwertige Berichte über ihre Projekte verfassen, bleiben diese doch dem kleinen Kreis vorbehalten, der in der Lage ist, diese zu interpretieren und zu verstehen. KEF und APPEAR haben aber größere Ambitionen. Man wollte und will Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit näher bringen, einem Publikum, welchem das Faszinierende an der Forschung auf zugänglichere Weise präsentiert werden kann, als über wissenschaftliche Berichte. Welt im Ohr etablierte sich als Medium, um diese Forschungsergebnisse hörbar und damit erlebbar zu machen. In vielen dieser 100 Sendungen waren Menschen zu Gast, die lebendig und mit Begeisterung Ergebnisse ihrer Forschung weitergaben. Aber nicht nur Ergebnisse. Persönliche Zugänge, Anekdoten, Erlebnisse, Freud und Leid in wissenschaftlichen Partnerschaften zwischen Nord und Süd sind ebenso zu hören wie Diskussionen zu

Mag. Doris Bauer ist Mitarbeiterin der Abteilung Bildung und Forschung für Entwicklungszusammenarbeit bei der OeAD-GmbH.


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© Ferzane Khoschjorur

»Wir machen transkulturelle Erfahrungen hörbar und stellen ein offenes Forum für grenzüberschreitende Diskurse und Reflexionen dar.« Die Radiomacherinnen Doris Bauer und Maiada Hadaia im Studio.

Themen, die (noch viel mehr) die Welt bewegen (müssten). Welt im Ohr präsentiert Forschungsinitiativen, die den Blick immer wieder auch auf das große Ganze lenken, auf die Notwendigkeit, die hinter dieser Forschung steht. Aber auch auf den Perspektivenwechsel, der so wichtig ist, um nicht nur die Geschehnisse rund um den Erdball, sondern auch die eigene Sicht auf die Welt und diese Geschehnisse immer wieder zu hinterfragen. Die Förderung der wissenschaftlichen Partnerschaften zwischen Nord und Süd, also die Quelle, die Welt im Ohr in Bezug auf Forschungsprojekte speist, ist eine Kernaufgabe der Kommission für Entwicklungsforschung (KEF), einer Einrichtung, die dieser Aufgabe seit nunmehr 35 Jahren nachkommt. Und so wie in fünf Jahren 100 Sendungen entstehen konnten, entstanden in 35 Jahren 100 dieser Forschungspartnerschaften zwischen österreichischen Forschungseinrichtungen und jenen im globalen Süden. 100 durchgeführte – oder noch laufende – Projekte. Projekte, die in den Anfängen der KEF den Fokus besonders auf Technik, Medizin und Naturwissenschaft legten. Im allerersten Tätigkeitsbericht der KEF, über das Jahr 1981, ist zu lesen: »Eine wesentliche Tätigkeit der Kommission bestand 1981 in der Erstellung des Forschungskonzepts ›Wissenschaft und Technologie für die Entwicklung‹ im Rahmen der österreichischen Forschungskonzeption 80, in der dieses Thema einen Schwerpunktbereich bildet.« Die Kommission für (damals noch) Entwicklungsfragen wurde an der

Österreichischen Akademie der Wissenschaften aus der Taufe gehoben. Schon in der allerersten Sitzung am 18. März 1981 wurde vom neu geschaffenen KEF-Gremium der erste Antrag zu einer wissenschaftlichen Partnerschaft Österreichs mit einem sogenannten »Entwicklungsland« vorgestellt und besprochen. Es ging um die »Schaffung einer medizinisch-pharmazeutischen Forschungseinheit, die sich auf die Pharmakopöe spezialisiert« – im Senegal. Dieser Antrag war der erste, von inzwischen rund 220 bei der KEF gestellten Projektanträgen. Die KEF und Welt im Ohr blicken also auf eine 35- und eine fünfjährige Erfolgsgeschichte zurück.

Jubiläums-CD »Fünf Jahre Welt im Ohr« Aus dieser Erfolgsgeschichte ging für dieses Jubiläum ein besonderes Geschenk hervor: »100 Sendungen sind eine ganze Menge.« Mit diesem Ausspruch wurde die Idee geboren, all unseren Hörerinnen und Hörern, unseren Gästen und treuen Fans der ersten Stunde, aber natürlich auch den Radiomacher/innen selbst und den Menschen hinter und um Welt im Ohr diese 100 Sendungen in neuem Gewand und neuem Kontext zu präsentieren. »Fünf Jahre Welt im Ohr« lautet der Titel einer Jubiläums-CD, die sich aus den Lieblingssendungen der Menschen zusammenfügt, die hinter Welt im Ohr stehen: Den Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsstelle der Kommission für Entwicklungsforschung und des Teams von APPEAR, dem


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© Foto: Doris Bauer | Grafik: Fabian Unterberger

Die Jubiläums-CD »Fünf Jahre Welt im Ohr« wird am 30. März 2017 im RadioCafe des Radiokulturhauses in Wien präsentiert.

Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development, das von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit finanziert wird. Beide sind im OeAD angesiedelt. Auf dieser CD sind »alte (ältere) Sendungen, neu interpretiert« zu hören, um mit leicht abgewandelten Worten von Ö1 zu sprechen. In fünf thematischen Blöcken findet sich »das Beste« aus fünf Jahren Welt im Ohr, zusammengestellt und »neu interpretiert« von Maiada Hadaia und Doris Bauer.

Präsentiert wird diese CD am 30. März 2017 in passendem Rahmen: im RadioCafe des Radiokulturhauses in der Argentinierstraße, wo neben einem rauschenden Fest auch die Aufzeichnung einer »Jubiläumsausgabe« von Welt im Ohr live über die Bühne gehen wird. Das RadioCafe findet sich gleich neben dem großen bunten Ohr, das den Eingang des Wiener Funkhauses flankiert, also jenes Gebäude, wo Welt im Ohr vor über fünf Jahren das erste Mal »on air« ging.

Rainer Rosenberg, Leiter Abteilung Spezialprogramme ORF Ö1 und Gründer von ORF-Ö1-Campusradio »Welt im Ohr« – was für ein Titel. Er könnte für »Radio« ganz allgemein gelten. Mit all den Ambivalenzen – Schönheit und Katastrophe, Bildung und Propaganda, Information und Emotion – zu denen dieses Medium fähig war und ist. Eine Schilderung kann mehr sagen als viele Bilder und in jedem Fall sind die Standpunkte und Blickwinkel der handelnden Personen von größter Bedeutung. Im Zusammenhang mit den Radio-Aktivitäten von KEF und APPEAR geht es um Grenzen überschreitende Bildung, Forschung und Entwicklung auf unterschiedlichen Kontinenten und um Zusammenarbeit, die Grenzen erkennt, um sie überschreiten zu können. Diese CD bietet einen Überblick über unterschiedliche Radiosendungen, die in Zusammenarbeit mit und für Ö1 Campus entstanden sind, und sie sind Teil eines Radionetzwerks, das sich nicht nur auf dem Webradio-Kanal von Ö1 ausbreitet, sondern ganz besonders im Podcast und auf der KEF-Webseite abrufbar bleibt. Die »Welt im Ohr« rauscht nicht vorbei wie viele andere Radiosendungen, sondern bleibt auffindbar. Es gilt, Forschungsabenteuer wieder zu erleben, es werden unterschiedliche entwicklungspolitische Radioinitiativen vernetzt, Filme präsentiert, von denen man wissen sollte, es geht um Ernährung und Poesie und natürlich um Entwicklungsforschung rund um die Welt. »Welt im Ohr« erdacht für das Radio, weiterentwickelt im Internet bietet Bilder an und lässt neue entstehen: von einer Welt, in der Globalisierung keine Drohung ist, sondern eine Hoffnung.


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Sigrid Hartl | Franz Gramlinger

Ein ARQA-VET-Projekt im Rahmen von Erasmus+ Involvement of VET Teachers in Quality Management: Wie kann es gelingen, möglichst viele Lehrer/innen für das Thema Qualität im Unterricht zu gewinnen? Mag. Sigrid Hartl ist Mitarbeiterin bei ARQA-VET (Austrian Reference Point for Quality Assurance in Vocational Education and Training) und dort für Qualitätsmanagement zuständig.

© ARQA-VET

Dr. Franz Gramlinger leitet die Abteilung Qualitätsentwicklung und Transparenz in der OeAD-GmbH. ARQA-VET und die Nationale Koordinierungsstelle für den NQR sind Teil dieser Abteilung.

ARQA-VET ist die österreichische Referenzstelle für Qualität in der Berufsbildung und ein Netzwerkknoten im europäischen Netzwerk EQAVET (European Quality Assurance in Vocational Education and Training, www.eqavet.eu). Die Nationalen Referenzstellen sollen sich untereinander vernetzen und den EQAVET-Qualitätsrahmen in den Mitgliedsländern implementieren und weiterentwickeln. Unser aktueller thematischer Schwerpunkt geht der Frage nach, wie Lehrkräfte besser ins Qualitätsmanagement eingebunden werden können, damit der Qualitätsregelkreis wirklich im Unterricht ankommt. Erstmals seit Bestehen des EU-Netzwerks EQAVET wird die Arbeit der nationalen Referenzstellen auch finanziell von der Europäischen Kommission unterstützt. Im Rahmen von Erasmus+ hat ARQA-VET 2016 erfolgreich ein Projekt eingereicht, das unter dem Titel »Involvement of VET Teachers in Quality Management« gleich mehrere unserer Arbeitsschwerpunkte unterstützt. Zum einen geht es um den Austausch von Beispielen guter Praxis und dem Voneinander-Lernen von Nationalen Referenzstellen mit Blick auf die Umsetzung von EQAVET in den einzelnen Ländern: Welche Aktivitäten, Projekte, Themen und Ansätze sind besonders erfolgreich gelaufen und wie können wir die Kooperation untereinander stärken? ARQA-VET hat dazu mit den Referenzstellen von Finnland, Deutschland, den Niederlanden, Rumänien und Schottland eine »European Development

Referenzstellen-Workshop mit Kolleg/innen aus Deutschland, Finnland, den Niederlanden, Rumänien und Schottland im OeAD-Haus in Wien.

Group« gebildet. In Wien und Helsinki finden während der einjährigen Projektlaufzeit jeweils ein eineinhalbtägiger Workshop der Partner statt, gestaltet und moderiert von ARQA-VET. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt wird dabei auf ein Thema gelegt, das uns in den vergangenen Monaten mehr und mehr beschäftigt hat: die Frage, wie es gelingen kann, nicht nur die für das Qualitätsmanagement (QM) in beruflichen Schulen Verantwortlichen, sondern möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer für das Thema Qualität im Unterricht und in der Schule und damit auch für das QM zu interessieren und zu involvieren. Damit in Verbindung steht eine zweite Frage, der wir mit einer anderen Gruppe, bestehend aus österreichischen und deutschen Kolleg/innen aus Lehrer/innen-Bildungsinstitutionen und aus berufsbildenden Schulen, nachgehen: Wie kann Lehrkräften bereits in der Grundausbildung ein Zugang zu Qualitätsmanagement eröffnet werden? Nach einer ersten Bestandserhebung von (sehr wenigen) bereits vorhandenen Angeboten läuft nun ein vertiefter Austausch mit den Projektpartnern zu den Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Restriktionen. Als konkretes Produkt sollen Empfehlungen erarbeitet werden, welche QM-bezogenen Kompetenzen Lehrkräfte haben sollen und wie diese in die Lehrer/innen-Ausbildung einfließen kann – z. B. im Rahmen eines eigenen Ausbildungsmoduls. Bereits jetzt lässt sich als erstes Zwischenfazit festhalten, dass die Arbeit von ARQA-VET mit dieser Art von Förderung tatsächlich effektiv unterstützt werden kann. Wir bereiten schon ein Konzept für die nächste Antragsrunde vor und hoffen, damit die gerade begonnene Arbeit in den kommenden Jahren fortsetzen zu können. Aktuelles dazu auf www.arqa-vet.at, in den ARQA-VET News und auf Twitter: http://twitter.com/arqavet.


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Michael Glatzl

OeAD verhandelt neues Programm in Teheran Neue Kooperationen zwischen österreichischen und iranischen Hochschulen standen im Mittelpunkt der Wissenschaftsdelegationsreise nach Iran im Jänner 2017. Michael Glatzl, MA ist Mitarbeiter im Zentrum für Internationale Kooperation und Mobilität in der OeAD-GmbH.

Der iranische Vizeminister Prof. Hossein Salar Amoli mit dem OeADGeschäftsführer Dr. Stefan Zotti nach der Unterzeichnung des Wissenschaftsabkommens zwischen Iran und Österreich. © Gerhard Volz | OeAD

bildungsmaßnahmen für Wissenschaftler/innen, gemeinsame Forschungsprojekte oder auch Mobilitätsprojekte mit bis zu 30.000 Euro gefördert werden. Das Programm wird gemeinsam von der OeAD-GmbH und dem iranischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie verwaltet. Die Projektauswahl erfolgt durch ein gemischtes Auswahlkomitee, dem sowohl iranische als auch österreichische Expert/innen angehören werden. Weitere Vernetzungsaktivitäten fanden im Rahmen von »Institutional Visits« im Großraum Teheran statt. Dabei wurden die Art University of Teheran, die Shahid Rajaee Teacher Training University, die University of Shahid Beheshti und die Amirkabir University of Technology besucht. Bei einem gemeinsamen Abendessen kam es zur feierlichen Unterzeichnung des neuen Abkommens zwischen Vizeminister Hossein Salar Amoli und Stefan Zotti. Am letzten Tag des Besuchs fand an der Kharazmi University Teheran die erste »Iran-Austria Joint Conference on Higher Education Collaborations« statt. Die Expert/innen-Gepräche fanden in fünf Gruppen zu den Themen Humanities, Education and Teacher Training, Art and Culture, Business and Management, Engineering, IT and Petroleum und Life Sciences statt. Der persönliche Austausch vor Ort bildete die Grundlage für einige Kooperationsabkommen zwischen den teilnehmenden Hochschulen und ist Ausgangspunkt für zukünftige Kooperationen. Die entstandenen Kontakte und Ideen werden einen wichtigen Beitrag zur weiteren Vernetzung und zu einer engeren Zusammenarbeit beider Länder leisten. Die OeAD-GmbH freut sich, mit dem neuen Förderprogramm »IMPULSE Iran-Austria« die österreichische Hochschullandschaft bei ihren Aktivitäten mit iranischen Partnern zu unterstützen. Ein weiteres Ergebnis der Reise sind drei Projektanträge im Rahmen der internationalen Mobilitätsfördermöglichkeiten von Erasmus+.

© Kharazmi University

Eine österreichische Wissenschaftsdelegation, bestehend aus Vertreter/innen der österreichischen Hochschul- und Forschungslandschaft, des BMWFW und der OeAD-GmbH, reiste im Jänner 2017 nach Teheran, um bestehende Kontakte zu intensivieren und zukünftige Kooperationsmöglichkeiten zwischen iranischen und österreichischen Hochschulen zu finden. Die Delegation, unter der Leitung von Sektionschefin Barbara Weitgruber und dem Geschäftsführer der OeAD-GmbH, Stefan Zotti, wurde von Alexander Rieger im Iran willkommen geheißen. Alexander Rieger ist neben seiner Funktion an der Botschaft auch Direktor des österreichischen Kulturforums in Teheran. Das Österreichische Kulturforum besteht seit fast 60 Jahren und ist heute das einzige westliche Kulturinstitut im Iran. Die gegenseitige Wertschätzung wurde nicht zuletzt durch die Delegationsreise von Bundespräsident a. D. Heinz Fischer im Herbst 2015 wesentlich beeinflusst und gestärkt. Auf Einladung des iranischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Technologie kamen Vertreter/innen von 30 iranischen und zwölf österreichischen Hochschulen/Forschungseinrichtungen zusammen. Nach einer Einführung durch Vizeminister Hossein Salar Amoli und Sektionschefin Weitgruber zu den Aktivitäten und Prioritäten der Hochschul- und Förderlandschaften der beiden Länder, berichteten Rektor/innen und Professor/innen über ihre Institutionen und bereits bestehende Kooperationen. Im Rahmen des Besuchs wurde ein Abkommen über ein neues Kooperationsprogramm zwischen dem Iran und Österreich ausverhandelt. Im OeAD-Programm »IMPULSE Iran-Austria« stehen insgesamt 400.000 Euro zur Verfügung. Ziel des Programms ist es, Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen beim Aufbau strategischer Partnerschaften in Lehre und Forschung zu unterstützen. So können etwa die Entwicklung gemeinsamer Curricula, Trainings- und Fort-


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Armin Thaler | Moritz Töllner

Summer Universities zu Nachhaltigkeit in Wien Die OeAD-Wohnraumverwaltung lädt in diesem Jahr wieder zu den akademischen Lehrgängen Green.Building.Solutions. und Alternativ Economic and Monetary Systems ein. Armin Thaler und Moritz Töllner sind Mitarbeiter der OeADWohnraumverwaltungsGmbH.

Auch in diesem Sommer haben Studierende quer über den gesamten Globus die Möglichkeit, an den Summer Universities der OeAD-Wohnraumverwaltung teilzunehmen. Die zwei Programme, die in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur Wien organisiert und implementiert werden, stellen den Nachhaltigkeitsgedanken in den Mittelpunkt und versuchen anhand von Praxisbeispielen, diesen auch greifbar zu machen und Lösungen zu entwickeln. Bereits 298 Studierende aus 72 unterschiedlichen Nationen nutzten diese Chance und eigneten sich diese Zusatzqualifikationen aus dem Nachhaltigkeitsbereich an.

ECTS-Punkte von der Universität für Bodenkultur Wien Der akademische Lehrgang »Alternative Economic and Monetary Systems«, welcher vom 26. Juli bis 11. August 2017 stattfindet, beschäftigt sich intensiv mit dem Zusammenwirken von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Aufbauend auf dem Status quo werden alternative und innovative Ideen für nachhaltige Finanz- bzw. Wirtschaftssysteme in Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden vorgestellt und kritisch reflektiert. Die Summer School befähigt die Teilnehmer/innen, am gesellschaftlichen Diskurs mit wissenschaftlichen Daten und konkreten Ideen teilzunehmen, Wandel also aktiv mitzugestalten und, falls nötig, auch selbstständig zu initiieren. Nach erfolgreicher Teilnahme werden den Absolvent/innen ein Zertifikat und fünf ECTS-Punkte der Universität für Bodenkultur Wien übergeben. Interessent/innen können sich bis Ende Juni online bewerben – wobei die Bewerbungsfrist für Stipendien am 25. April 2017 abläuft. Bereits zum siebten Mal werden sich vom 22. Juli bis 13. August 2017 rund 40 internationale Studierende und Professionals aus den Bereichen

Architektur, Bauingenieurwesen und Planung bei der Green.Building.Solutions.-Sommeruniversity mit den Themen ökologisches Bauen, PassivhausTechnologien und nachhaltige Lösungen im Energie- und Bausektor auseinandersetzen. Wien als Stadt des ökologischen Bauens eignet sich dazu ideal als Drehscheibe. Im Rahmen des dreiwöchigen Programms soll vorhandenes Expert/innen-Wissen in Kombination mit herausragender Erfahrung und umfassenden Best-Practice-Beispielen an internationale Studierende weitergegeben und diskutiert werden. Der Lehrgang Green.Building.Solutions. wird mit sieben ECTS-Punkten der Universität für Bodenkultur anerkannt. Bis Ende Juni werden Bewerbungen für den Lehrgang angenommen. Stipendien werden auch für diesen Lehrgang vergeben.

Weitere Hochschulen schließen sich als Partner den Lehrgängen an Nachdem bereits universitäre Einrichtungen wie die TU Wien, Donau Universität Krems, Universität Wien, FH Burgenland, FH Campus Wien, Wirtschaftsuniversität Wien und das FH Technikum sich in Form von Partnerschaften den Lehrgängen angeschlossen hatten, wurde der Kreis an Unterstützern auch dieses Jahr erweitert. Das IMC FH Krems und die Modul Universität Wien konnten als akademische Partner gewonnen werden und helfen so, den akademischen Diskurs auch in Zukunft weiter auszubauen. Begleitend zur Sommeruniversität wird auch ein breiteres Publikum mithilfe einer Filmreihe sowie mehrerer Diskussionsabende mit Vertreter/innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft angesprochen. Interessierte haben die Möglichkeit, auch über Tagespässe an einzelnen Tagen an den Lehrgängen teilzunehmen. Weitere Informationen unter http://summer-university.net


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25 Jahre Franz Werfel-Stipendium Neben einer Jubiläumstagung und Lesungen wird auch eine Ausstellung im Literaturhaus Wien eröffnet.

die stärksten Kontingente. Es gibt auch Stipendiat/innen aus Ländern wie den USA, Tunesien und Kamerun.

Jubiläumstagung Von 27. bis 29. April 2017 findet die Jubiläumstagung der Franz Werfel-Stipendiat/innen statt. Am Donnerstag, 27. April 2017, 18.30 Uhr wird die Ausstellung »25 Jahre Franz Werfel-Stipendium« eröffnet. Danach gibt es eine Lesung zum Thema »Literatur als Erotik« mit Ann Cotten, Gustav Ernst, Lydia Mischkulnig und Robert Menasse.

© Pitopia

Das Franz Werfel-Programm ist das »dienstälteste« Stipendienprogramm des OeAD und zugleich eines der erfolgreichsten Programme im Bereich der internationalen Mobilität. Finanziert wird das Stipendium aus Mitteln des Wissenschaftsministeriums. Das Franz Werfel-Stipendium wird für junge Hochschullehrende der Germanistik vergeben, die sich an ihren Heimatuniversitäten im Ausland mit der österreichischen Literatur als Schwerpunkt beschäftigen. Es gibt ein aktives Netzwerk der ehemaligen Stipendiat/innen, genannt die Werfelianerinnen und Werfelianer, das sich jährlich in Österreich zur Franz Werfel-Tagung trifft. Das Franz Werfel-Stipendium wurde erstmals 1992 vom damaligen Wissenschaftsministerium ausgeschrieben. Ursprünglich hat sich dieses Programm an Bewerber/innen aus Mittel- und Osteuropa gerichtet, seit 1997 wird es weltweit angeboten. Bisher gibt es an die hundert Stipendiatinnen und Stipendiaten. Nach Ländern betrachtet stellen Ungarn, Rumänien, Polen und Tschechien

Am Freitag, 28. April 2017, 19.00 Uhr liest Péter Nádas im Rahmen der Wendelin Schmidt-DenglerLesung aus »Aufleuchtende Details. Memoiren eines Erzählers«. Veranstaltungsort: Literaturhaus Wien, Seidengasse 13, 1070 Wien (Eingang Zieglergasse 26A)

Das CEEPUS-Netzwerk »Image Processing, Information Engineering and Interdisciplinary Knowledge Exchange« wird seit 1997 von Univ.-Prof. Dr. Erich Sorantin an der Medizinischen Universität in Graz koordiniert. Neben regulärem Studierendenund Lehrendenaustausch sind die Netzwerkpartner auch besonders engagiert, was die Durchführung weiterer Bildungsmaßnahmen im internationalen Bereich angeht. So wurde 2016 erstmals eine Herbstschule organisiert, die speziell der Kinderchirurgie gewidmet war. Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten und eine Weiterbildung der praktischen Fertigkeiten waren die Hauptziele der intensiven Woche. Theorie und

minimal-invasive Chirurgie konnten den angehenden Ärztinnen und Ärzten aus vielen CEEPUSLändern vermittelt werden. CEEPUS leistet durch die Mobilitätsförderung von Studierenden und Lehrenden einen wichtigen Beitrag zum Wissensaustausch in den beteiligten Ländern. Die thematischen Netzwerke bestehen zum Teil schon seit über 20 Jahren und gestalten die Hochschullandschaft im zentral- und osteuropäischen Raum positiv mit. Allein im vorgestellten Netzwerk konnten im Studienjahr 2016/17 bereits 30 Stipendienmonate aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft an Studierende und Lehrende ausbezahlt werden.

© Emir Haxhija | Meduni Graz

Kinderchirurgie – 1. Herbstschule in Graz durch CEEPUS


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Michael Dippelreiter

Karriere mit Lehre im Ausland Kurzes Lebensbild des Rudolf Freiherrn von Slatin Pascha.

Prof. Dr. Michael Dippelreiter studierte an der Universität Wien Geschichte und Kunstgeschichte. Er ist seit 2010 beim OeAD beschäftigt und dort zuständig für das Archiv und wissenschaftliche Publikationen.

Diese kurze Lebensskizze soll darstellen, wie ein Auslandsaufenthalt das ganze Leben eines Menschen beeinflussen und in eine nicht vorhersehbare Richtung lenken kann. Rudolf Slatin wurde am 7. Juni 1857 als viertes (von sechs) Kindern in Wien geboren. Sein Vater war Jude, der aus dem böhmischen Ort Hermanuv Mestec stammte und nach Wien gezogen war. Rudolf Slatins Mutter war eine zum Christentum konvertierte Jüdin und stammte ursprünglich aus Galizien. Rudolf besuchte die Oberrealschule am Schottenfeld, wechselte 1871 an die Wiener Handelsmittelschule und zwei Jahre später an die Wiener Handelsakademie. Zeugnisse für eine besondere Abenteuerlust des Schülers liegen nicht vor, vielmehr scheint es seine Absicht gewesen zu sein, den Beruf eines Baumeisters anzustreben. Als sein Vater im Frühjahr 1873 überraschend starb, stand es um die Finanzen der Familie nicht besonders, vor allem galt es, die noch jüngeren Geschwister Rudolfs zu versorgen. Rudolf erfuhr – woher lässt sich nicht eruieren – von einer Buchhandlung in Kairo, in der ein Gehilfe/Lehrling mit kaufmännischen Kenntnissen gesucht wurde, eine Stellung, die auch noch anständig bezahlt war. Reisen war damals – von Diplomaten oder Wissenschaftlern abgesehen – nicht üblich; die Slatins besaßen weder Vermögen noch internationale Verbindungen, dennoch wagte der erst 17-Jährige den Sprung ins unbekannte Ausland. Triebfeder könnte gewesen sein, dass der soziale Aufstieg für Menschen wie Rudolf Slatin in der österreichischungarischen Monarchie sehr schwierig war, und dies in Ägypten leichter möglich schien. Also besorgte sich Slatin das nötige Reisegeld und begab sich auf die Reise. Sein Eintritt in die Buchhandlung erfolgte ohne Probleme und durch seine freundliche und verbindliche Art kam er bei den Kunden gut an. Er zeigte sich interessiert an Land und Leuten und lauschte gerne den Erzählungen der Besucher der Buchhandlung. Als durch Zufall – Slatin war erst einige Wochen in Kairo – der bekannte deutsche Forschungsreisende Theodor von Heuglin den Laden betrat und von seinen geplan-

ten neuen Forschungsreisen erzählte, war der junge Slatin Feuer und Flamme. Heuglin wollte nämlich in Richtung Rotes Meer aufbrechen und bisher unbekannte Gegenden erforschen. Slatin bat, mitgenommen zu werden; Heuglin fand Gefallen an dem aufgeweckten jungen Mann und versprach ihm dies. Slatin nahm Urlaub (!) in der Buchhandlung und bereitete sich auf die Reise vor, die jedoch letztlich abgesagt werden musste, da von Heuglin die Reise nicht finanzieren konnte. Slatin wagte es dennoch auf Forschungsreise in jene Gegend aufzubrechen und zwar mit dem deutschen Konsularbeamten und Geschäftsmann Friedrich Rosset, der die Kosten der Expedition trug. Rosset war u. a. auch Provinzgouverneur von Darfur, ein Posten, den später Rudolf Slatin selbst einnehmen sollte. Bei dieser Reise sollte sich Slatin bewähren und es folgten Lob und Anerkennung seines Reisegefährten. Nach seiner Rückkehr lernte Slatin den bekannten deutschen Forschungsreisenden Eduard Schnitzer (Schnitzer Pascha) kennen, der in den Dienst des ägyptischen Vizekönigs (dieser war »Khedive« – ein Titel, der den Gouverneuren der osmanischen Provinz Ägypten von 1867 bis 1914 verliehen wurde) getreten war. Gerade zu diesem Zeitpunkt erhielt Slatin die Einberufung zum Militärdienst in der k. u. k. Armee. Er kehrte in die Heimat zurück, absolvierte seinen Militärdienst beim 12. Feldjägerbataillon und beendete seinen Militärdienst als Leutnant der Reserve in einer militärischen Einheit, die an der Besetzung Bosnien-Herzegowinas teilgenommen hatte, ohne aber selbst die Feuertaufe erhalten zu haben. Schnitzer hatte sein Versprechen gehalten und den britischen Befehlshaber des Sudan, General Gordon, von dem jungen Freund erzählt, worauf ihm Gordon einen Platz in seinem Stab anbot. Slatin akzeptierte erfreut und reiste erneut über Kairo nach Khartum. Gordon versuchte dort, das Land zu modernisieren und mit einem neuen Steuersystem auszustatten und benötigte dafür Mitarbeiter, denen er vertrauen konnte. Slatin wurde zum Mudir (Bezirksgouverneur) von Dara


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© https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wenzl_Weis_-_Rudolf_Slatin,_um_1910.jpg

Rudolf Carl Freiherr von Slatin (Slatin Pascha), porträtiert von Wenzl Weis, um 1910. Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria.

in der Region von Darfur ernannt, wo er äußerst erfolgreich agierte, so dass er 1881, im Alter von nur 24 Jahren, vom Khediven zum Gouverneur von Darfur, zum »Bey« ernannt wurde. Darfur war als Gebiet so groß wie das heutige Deutschland, Österreich und die Schweiz. Allerdings fehlte Slatin der Rückhalt der britischen Armee und als es zum berühmten Mahdi-Aufstand kam, stand er auf verlorenem Posten. Slatin versuchte alles, um eine Kapitulation zu verhindern; er trat sogar zum Islam über, weil er hoffte, dadurch die Bevölkerung auf seine Seite zu bekommen. Dennoch musste er, nach einer Niederlage der englischen Armee, kapitulieren und sich in Gefangenschaft begeben; diese war langwierig und hart: Slatin trug teilweise schwere Eisenketten und stand unter ständiger Beobachtung. Mittlerweile war Khartum von den Truppen des Mahdi erobert und General Gordon getötet worden. Dies führte dazu, dass die britische Königin Viktoria und die ganze britische Nation schockiert waren und die Wiedereroberung des Sudan als nationale Aufgabe betrachteten. Der Geheimdienstoffizier Reginald Wingate konnte über Gewährsmänner mit Rudolf Slatin Kontakt aufnehmen und mit seiner Hilfe konnte Slatin nach elf Jahren Gefangenschaft die Flucht ergreifen. Diese dauerte fast vier Wochen und die britische Bevölkerung, die von der Flucht informiert worden war, zitterte mit dem bis dato unbekannten Mann mit. Slatin erreichte müde, erschöpft und unerkannt die britische Militärgarnison von Assuan und reiste rasch weiter nach Kairo. Die

Nachricht über seine Rettung wurde in die ganze Welt verbreitet. Sein Ruf als Held war damit begründet. Schon zwei Tage später wurde er vom Khediven Tewfik empfangen und zum Pascha ernannt; damit wurde erstmals ein »Nicht-Brite« mit diesem hohen Rang ausgezeichnet. Slatin begann, seine Erinnerungen aufzuschreiben: Sein Buch »Feuer und Schwert im Sudan« erschien allein bis 1921 in 13 Auflagen. Er reiste nach Großbritannien, wo er von Queen Viktoria empfangen und ausgezeichnet wurde, und danach nach Wien, wo ihm entsprechende Ehrung durch Kaiser Franz Joseph beschieden war. Nach der Rückeroberung des Sudan wurde Rudolf Slatin von der britischen Monarchin in den Adelsstand, kurz danach zuerst in den österreichischen Ritterstand und 1906 in den Freiherrnstand erhoben. Slatin pflegte Freundschaften sowohl zum britischen als auch zum österreichischen Hochadel. Als Gast war er bei Gesellschaften gerne gesehen, die Queen und ihr Nachfolger König Eduard VII schätzten seine Erzählungen. Beim Ausbruch des Weltkriegs entschied sich Slatin für seine Heimat; da es aber in militärischen Kreisen große Vorbehalte ihm gegenüber gab, fand man für ihn beim Roten Kreuz einen halbwegs adäquaten Posten. Er wurde zum Vizepräsidenten des Kriegsgefangenenausschusses ernannt und konnte in dieser Funktion seine zahlreichen Kontakte gut nützen. Als Geheimrat durfte er nun den Titel »Exzellenz« führen, was ihn sichtlich freute. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie konnte Slatin seine Kontakte in Großbritannien nur bedingt erneuern, zu groß waren die Ressentiments. Die österreichische Bundesregierung nominierte ihn aber als Teilnehmer der Delegation für die Friedensverhandlungen in St. Germain, wo er die Freilassung österreichischer Kriegsgefangener erreichen konnte. Danach übernahm Slatin kein öffentliches Amt mehr. Rudolf Slatin hatte 1914 geheiratet und wurde zwei Jahre später Vater einer Tochter. Schwer krank starb »Sir Rudolf Freiherr von Slatin Pascha«, wie sein Titel lautete, am 4. Oktober 1932 und wurde auf dem Friedhof in Ober St. Veit begraben, wo sein Grabmal noch vorhanden ist. Rudolf Slatin ist heute weitgehend vergessen, sein Schicksal zeigt aber, wie Interesse für ferne Länder, wie Bildungshunger und auch Abenteuerlust ein Leben verändern können.

Dokumentarfilm 2012: Slatin Pascha – Im Auftrag Ihrer Majestät https://www.youtube. com/watch?v=FCujVjo_ Olk, hochgeladen von Austrian Film.


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OeAD-Events

Veranstaltungskalender Der OeAD bietet Plattformen zur öffentlichen Diskussion rund um Mobilität und Internationalisierung. Details und Infos zur Anmeldung finden Sie unter www.oead.at/events.

28. April bis 1. Juni 2017 | Wien Literaturhaus Wien | Seidengasse 13 | 1070 Wien Ausstellung 25 Jahre Franz Werfel-Stipendium

12. Mai 2017 | Wien Expedithalle Brotfabrik Wien | Puchsbaumgasse 1c | 1100 Wien Innovationsdialog

Die Ausstellung präsentiert die bisherigen Teilnehmer/innen des Programms als effektive Vermittler/innen österreichischer Literatur im Ausland an 50 Universitätsstädten in 23 Ländern – u. a. mit einer Auswahl ihrer vielfältigen publizistischen Aktivitäten: Monografien, Sammel- und Tagungsbänden ebenso wie Übersetzungen österreichischer Literatur.

Mit dieser Veranstaltung stellt die Innovationsstiftung für Bildung eine Plattform für Lehreinrichtungen im Sinne des lebenslangen Lernens (vom Kindergarten über Universitäten bis zur Erwachsenenbildung), für Unternehmen, Start-ups, Stakeholder und finanzielle Unterstützer der Stiftung zur Verfügung, um deren Vernetzung und Kooperationen zu fördern.

27. und 28. April 2017 | Wien Literaturhaus Wien | Seidengasse 13 | 1070 Wien Jubiläumstagung: 25 Jahre Franz Werfel-Stipendium

17. Mai 2017 | Wien Naturhistorisches Museum | Maria-Theresien-Platz | 1010 Wien KEF-Round Table in Zusammenarbeit mit dem NHM

»Literatur als Erotik. Beispiele aus Österreich« ist das Thema der heurigen Tagung. Lesen und diskutieren werden u. a. Ann Cotten, Gustav Ernst, Lydia Mischkulnig und Robert Menasse (am 27. April) sowie Péter Nádas (am 28. April im Rahmen der 9. Wendelin Schmidt-Dengler-Lesung).

Ao. Univ.-Prof. DI Dr.Harald Vacik vom Institut für Waldbau der Universität für Bodenkultur Wien referiert zum Thema Waldbrand-Management in Kenia.

3. Mai 2017 | Wien Naturhistorisches Museum | Maria-Theresien-Platz | 1010 Wien APPEAR in practice_7 DI Dr. Andreas Melcher spricht über nachhaltiges Gewässermanagement und Fischerei in Westafrika. 10. Mai 2017 | in ganz Österreich Erasmus+ Tag Zur Feier des 30-Jahr-Jubiläums werden die Leistungen und Errungenschaften von Erasmus+ ins Rampenlicht gerückt. Institutionen, die von Erasmus+ oder den Vorgängerprogrammen profitiert oder ein Projekt unter Erasmus+ durchgeführt haben, feiern gemeinsam mit der Nationalagentur Erasmus+ in ganz Österreich. Feiern Sie mit!

19. Mai 2017 | Wien OeAD-GmbH | Ebendorfer Straße 7 | 1010 Wien Tagung: Sozial-ökologische Transformationen – Perspektiven österreichischer Entwicklungsforschung Das Treffen ist eine Vorveranstaltung zur Entwicklungstagung, die im November 2017 an der Universität Graz stattfinden wird. Veranstaltet wird sie von der Kommission für Entwicklungsforschung in Kooperation mit Partnerorganisationen. 31. Mai 2017 | Wien Naturhistorisches Museum | Maria-Theresien-Platz | 1010 Wien KEF-Round Table in Zusammenarbeit mit dem NHM Priv.-Doz. Dr. Maria Wurzinger vom Centre for Development Research am Institut für Nutztierwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien informiert über Lamaforschung in Peru.


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Rafaela Mazal

Verleihung der Citizen Science Awards 2016 Im Rahmen der Citizen Science Awards 2016 forschten interessierte Bürgerinnen und Bürger bei zehn Forschungsprojekten um die Wette. Bereits zum zweiten Mal wurden 2016 Citizen Science Awards vergeben. Die Teilnahme war vom 1. April bis 30. September sowohl für Schulen als auch für Einzelpersonen, Gruppen und Vereine möglich. Die feierliche Preisverleihung fand am 13. Dezember 2016 an der Universität Wien statt. Die Fragestellungen der Forschungsprojekte waren dabei besonders vielfältig: Wie lassen sich Online-Labore für den Unterricht nutzen? Wie kann anhand von vergrabenen Teebeuteln die Zersetzungsrate organischen Materials in Böden gemessen werden? Wie verbreitet ist die Schwedische Kerbameise im Ötztal? Zu diesen und weiteren Themen wurden die Daten via Apps, E-Mails, Fragebögen und Online-Formularen an die jeweiligen Forschungsteams übermittelt.

»Durch die Beteiligung der Bevölkerung rückt die Wissenschaft näher an die betroffenen Personen heran und bekommt neue unkonventionelle Blickwinkel für die Arbeit. Ich bedanke mich bei allen ausgezeichneten Personen für ihren Einsatz für Wissenschaft und Forschung. Das große Interesse an diesem Award zeigt, dass Citizen Science ein wichtiges Thema mit viel Potenzial für die Zukunft ist«, so Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der die Initiative sehr begrüßt.

Wissenschaft und Gesellschaft Als Citizen Science wird eine Arbeitsmethode bezeichnet, bei der wissenschaftliche Projekte partizipativ mit interessierten Amateurinnen und Amateuren durchgeführt werden. Der Citizen Science Award wird vom BMWFW finanziert und vom Zentrum für Citizen Science, das beim OeAD angesiedelt ist, koordiniert. Auch 2017 sind Interessierte eingeladen, beim Citizen Science Award mitzuforschen. Der Mitforschzeitraum für die acht Forschungsprojekte ist Mai und Juni. Alle Informationen werden rechtzeitig unter www.zentrumfuercitizenscience.at bekannt gegeben.

© Alle Fotos: OeAD | APA-Fotoservice, Hörmandinger

Die Gewinnerinnen und Gewinner Die engagiertesten Citizen Scientists wurden am 13. Dezember 2016 vom BMWFW, vertreten durch Sektionschefin Barbara Weitgruber, und den Projektleiterinnen und -leitern gekürt. Ausgezeichnet wurden 17 Schulen und 20 Vereine, Gruppen bzw. Einzelpersonen. Von der Volksschule bis zur HTL waren alle Schultypen mit dabei, auch ein Kindergarten und ein Nachbarschaftsgarten beteiligten sich. Für die ausgezeichneten Schulen gab es Preisgelder von bis zu 1.500 Euro pro Projekt. Die Einzelpersonen bzw. Gruppen und Vereine erhielten Sachpreise und eine finanzielle Widmung, die an das jeweilige Forschungsteam zu Gunsten des Projekts ging. Einen Sonderpreis gab es für die Weinbergschule Seekirchen am Wallersee, die mit einem kreativen Video weitere Personen davon überzeugte, beim Projekt »Abenteuer Faltertage« mitzumachen. Insgesamt beteiligten sich knapp über 3.300 Personen aus ganz Österreich und sieben weiteren europäischen Ländern am Citizen Science Award 2016.

Mag. Rafaela Mazal ist Programm Managerin in der Abteilung Public Science bei der OeAD-GmbH.

Ulrich Hörmann (OeAD-GmbH), Barbara Weitgruber (BMWFW), Christian Smoliner (BMWFW), Felix Delattre (Humanitarian Open Street Map Team)

Die Weinbergschule Seekirchen am Wallersee erhielt den Sonderpreis für das Projekt »Abenteuer Faltertage«.


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Rita Michlits | Eva Müllner | Cathrine Seidelberger

26. OeAD-Hochschultagung

Das Schwerpunktthema der OeAD-Jahrestagung 2016 lautete »Responsible Science«. Zum Auftakt wurde das neue Gästehaus in Leoben eröffnet. »mineroom« ist ein schönes Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.

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© Alle Fotos: OeAD | APA-Fotoservice, Dominik Angerer

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Das größte Studierendenwohnhaus Österreichs, das in Holzbauweise gebaut wurde, steht in Leoben. Zitate aus dem Bergbau, mit dem die Stadt und die Montanuniversität seit Generationen verbunden sind, finden sich im Gästehaus mineroom wieder. Das großvolumige Passivhaus bietet Platz für 200 internationale Studierende, großteils Stipendiat/innen der OeAD-GmbH. Das ökologische Gebäude, das die OeAD-Wohnraumverwaltung betreibt, stellten Bauträger Ennstal Gemeinnützige Wohnund Siedlungsgenossenschaft, Generalübernehmer Swietelsky Baugesellschaft und Weissenseer Holz-System-Bau sowie die Architekt/innen Feirer und Frankel von aap.architekten in nur einem Jahr fertig. Inspiriert von der Lebendigkeit und dem Farbenspiel des Erzgesteins sind die formal klaren Baukörper mit einer plastischen, mehrfärbigen Holzschalung verkleidet. Die Stulpschalung, die aus der glatten unbehandelten Lärchenholzschalung hervorbricht, zieht sich aderförmig über das

Bild 1: Eröffnung des mineroom in Leoben (im Bild v.l.n.r.): Univ.Prof. DI Dr.mont. Peter Moser (Vizerektor, Montanuniversität Leoben), DI Martina Feirer (aap.architekten), Christof Müller (Weissenseer Holz-System-Bau), DI Alexandra Frankel (aap. architekten), Univ.-Prof. Dr. Wilfried Eichlseder (Rektor Montanuniversität Leoben), Kurt Wallner (Bürgermeister von Leoben), Landesrat Johann Seitinger, Stefanie Sorgmann (OeAD-Wohnraumverwaltung), Landesrat Mag. Christoph Drexler, Dr. Stefan Zotti (Geschäftsführer OeAD-GmbH), Ing. Wolfram Sacherer (Vorstandsvorsitzender Ennstal Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgenossenschaft), Mag. Günther Jedliczka (Geschäftsführer OeAD-Wohnraumverwaltung) Bild 2: Vizerektor Univ.-Prof. DI Dr.mont. Peter Moser und Rektor Univ.-Prof. Dr. Wilfried Eichlseder (Montanuniversität Leoben) Bild 3: Mag. Günther Jedliczka (Geschäftsführer OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH) mit Moderator Werner Ranacher

Die steirischen Landesräte Mag. Christoph Drexler und Johann Seitinger bei der Eröffnung des mineroom.


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© Konstantinov | SG Ennstal

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Bild 4: Das großvolumige Passivhaus mineroom bietet 200 Studierenden Platz. Großteils wohnen im neuen Gästehaus in der Josef-Heissl-Straße 26 in Leoben Stipendiat/innen der OeAD-GmbH. Bild 5: DI Martina Feirer und DI Alexandra Frankel von aap.architekten (im Bild mit Moderator Werner Ranacher) sind Expertinnen für ökologischen Wohnbau. Sie zeichneten bereits für das Studierendenwohnhaus Greenhouse in der Seestadt Aspern verantwortlich. Bild 6: Univ.-Prof. Dr. Wilfried Eichlseder, Rektor der Montanuniversität, in einer der Stuben vor einer Fotowand des Erzberges. Wie viele andere großformatig aufgezogene Fotos im Gästehaus, stammt auch dieses Bild vom Rektor selbst.

Gebäude. Stollen führen als unregelmäßig breite Gänge durchs Gebäude, durchbrechen immer wieder die Gebäudehaut und öffnen sich in Form von allgemein genutzten Stuben und Gemeinschaftsräumen nach außen. Dadurch werden alle Gangund Stiegenflächen natürlich belichtet. Den Studierenden stehen großzügige Gemeinschaftsflächen zur Verfügung: Sie können sich in der gemütlichen Eingangshalle oder in der Gösserstube treffen oder im Fitnessraum Ausgleich suchen. Wenn das Wetter es zulässt, stehen diverse Terrassen, Innenhof und Garten mit Chill-Möbel zur Verfügung. Die Gesamtnutzfläche beträgt 5.646 m2. Die Baukosten belaufen sich auf rund 14 Mio. Euro.

Hochschultagung an der Montanuni Nach der feierlichen Eröffnung des mineroom stand Verantwortung in der Wissenschaft auf der

Tagesordnung der 26. OeAD-Hochschultagung, die am 17. und 18. Oktober an der Montanuniversität Leoben stattfand. Stefan Zotti, Geschäftsführer der OeAD-GmbH, betonte in seinem Eröffnungsstatement zur Jahrestagung, die unter dem Motto »Responsible Science, ein globales Konzept« stand, dass das Kerngeschäft der OeAD-GmbH wohl Internationalität und Austausch sei. »Wir verstehen den Begriff des Austausches aber breiter – es geht uns auch um einen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft«, so Zotti. Barbara Weitgruber, Leiterin der Sektion wissenschaftliche Forschung und internationale Angelegenheiten im BMWFW, unterstrich die Bedeutung von Internationalität und Interdisziplinarität für den Erfolg der österreichischen Hochschulen. »Den OeAD brauchen wir dabei als starken Partner«, sagte Weitgruber. Sie bedankte sich beim OeAD für die gute Kooperation und unterstrich die Weiterentwicklung der Organisation zu einer Expert/innenagentur.

Bild 7 und 10: Dr. Catherine Flick (De Montfort University, UK) ging in ihrer Keynote zur 26. OeAD-Hochschultagung auf das Thema »Responsible Research and Innovation« ein. Sie bezeichnete RRI als transparenten, interaktiven Prozess, bei dem Gesellschaft und Wissenschaft in einen Dialog treten. Bild 8: OeAD-Geschäftsführer Dr. Stefan Zotti betont die Bedeutung des internationalen Austauschs, definiert aber Austausch wie Cathrine Flick breiter – als Dialog zwischen Gesellschaft und Wissenschaft, den es zu stärken gilt. Bild 9: SC Mag. Barbara Weitgruber, MA (BMWFW), sieht im OeAD einen starken Partner in der Internationalisierung der Hochschulen.


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Responsible Science, ein globales Konzept Ein neues Programm des BMWFW zur Förderung von Responsible Science soll Beiträge zur Bewältigung der großen Transformationsprozesse leisten, denen die Gesellschaft aktuell gegenübersteht und sich zur Erreichung dieses Ziels für Projekte aus allen Disziplinen und Forschungsfeldern öffnen. Bisher flossen 29,2 Mio. Euro in die vom OeAD koordinierten Sparkling-Science-Forschungsprojekte. Basierend auf diesen Erfahrungen startet das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2017 ein Nachfolgeprogramm zu Responsible Science. Es geht auch darum, die Zivilgesellschaft einzubinden und ihre Ressourcen zu nutzen. Dies kommt auch in der vom BMWFW initiierten »Allianz für Responsible Science« zum Ausdruck. Seitens der Europäischen Kommission gewinnt das Konzept als neuer Orientierungsrahmen für Forschung und Forschungsförderung zusehends an Bedeutung und wurde u. a. in das aktuelle Forschungsrahmenprogramm »Horizont 2020« integriert.

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Bild 1: Dr. Erich Griessler (IHS), Mag. Dr. Lisa Sigl (Universität Wien), SC Mag. Barbara Weitgruber, MA (BMWFW) und Mag. Dr. Gabriele Gadermaier (Universität Salzburg) diskutierten die vier Dimensionen von Responsible Science »Adaptivität, Antizipation, Offenheit und Inklusion« und ihre Verankerung an den heimischen Hochschulen.

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Bild 2: Dr. Stefan Zotti (Geschäftsführer OeAD-GmbH) moderierte eine Podiumsdiskussion zum Thema »Krisenmanagement in der internationalen Mobilität«. Rektorin Dr. Elisabeth Freismuth (Uniko) hat gemeinsam mit Vizerektor Univ-Prof. DI Dr.mont. Peter Moser (Montanuniversität) Krisenmanagement in der steirischen Hochschulkonferenz zum Jahresthema gemacht. Bild 3: Dass Notfallpläne in der Praxis durchgespielt werden müssen, darüber sind sich Major dhmfD Ing. Mag. Stefan Rakowsky (Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport), VR Univ.-Prof. Dr. Barbara Hinterstoisser (Universität für Bodenkultur) einig.

Catherine Flick, Centre for Computing and Social Responsibility, De Montfort University (UK), ging in ihrer Keynote zur 26. OeAD-Hochschultagung auf die vier Dimensionen von Responsible Science »Adaptivität, Antizipation, Offenheit und Inklusion« ein. Flick definierte »Responsible Research and Innovation als transparenten, interaktiven Prozess, bei dem gesellschaftliche Akteure und Wissenschaftler/innen in einen Dialog treten, mit Blick auf die (ethische) Akzeptanz, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Zweckmäßigkeit des Innovationsprozesses und seiner Produkte«. Ziel sei es, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt besser in die Gesellschaft einzubetten. Grundsätzlich stelle sich die Frage, so Flick, wie wir verantwortungsvoll forschen und Innovation betreiben können. Die Forscherin fasste zusammen, dass es sich hierbei um ein junges Konzept handle: »Es wird noch darüber debattiert, was es genau bedeutet.« Europäische Projekte seien stark darauf ausgerichtet, Tools zu erstellen, die EU habe großes Interesse daran, diese Projekte zu fördern. Nach Flicks Keynote diskutierten Vertreter/innen der Hochschulen mit Sektionschefin Barbara Weitgruber über die Verankerung der vier Dimensionen von Responsible Science an österreichischen Hochschulen.

Thema Krisenmanagement in der internationalen Mobilität Der zweite Tag der 26. Jahrestagung der OeADGmbH widmete sich dem Thema Krisenmanagement in der internationalen Mobilität. Die Podiumsteilnehmer/innen unterstrichen die Notwendigkeit, sich im Vorfeld zu vernetzen: sei es auf Ministeriumsebene, auf Ebene der Partnerhochschulen oder innerhalb der jeweiligen Organisation. Wichtigster Punkt sei die Prävention. Stefan Rakowsky vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport unterstrich die Wichtigkeit der Vernetzung zwischen Institutionen, weil es sinnvoll sei, für ähnliche Probleme gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Damit Abläufe ohne Nachdenken funktionieren, müssten Krisenszenarien vorab durchgespielt werden. Laut Barbara Freismuth, Vorsitzende des Forums Internationales, sind jene Unis, die bereits Reiseerfahrung mit krisenhaften Ländern haben, besser vernetzt als andere. Ein Beispiel ist die Universität für Bodenkultur: Barbara Hinterstoisser erklärte, dass die BOKU einen Notfallplan ausgearbeitet habe, der auf tatsächlich passierten Vorfällen, wie dem Erdbeben in Nepal, basiere. Auf die Frage, wie sich eine Hochschule kommunikativ für den Ernstfall vorbereiten könne, rät PR-Profi Daniel Kapp dazu, ein Krisenhandbuch zu


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Bild 4: v.l.n.r.: Univ.-Prof. DI Dr.techn. Wolfhard Wegscheider, Dr. Erich Griessler (IHS), Univ.-Prof. Dr. Bernhard Fügenschuh (Universität Innsbruck), Univ.-Prof. Dr. Wilfried Eichlseder (Rektor Montanuniversität), Mag. Dr. Gabriele Gadermaier (Universität Salzburg), Dr. Stefan Zotti (Geschäftsführer OeAD-GmbH), Dr. Catherine Flick (Centre for Computing and Social Responsiblity, De Montfort University), Dr. Celine Loibl (BMWFW), Mag. Dr. Lisa Sigl (Universität Wien), SC Mag. Barbara Weitgruber, MA (BMWFW) Bild 5: Daniel Knapp (Strategic Consulting and Responsible Communication GmbH) rät zu einem Krisenhandbuch. Alle handelnden Personen gut zu informieren, sei Teil einer erfolgreichen Strategie. Bild 6: Für den Fall der Fälle: DDr. Petra Schneebauer (BMEIA) legt allen Hochschulen ans Herz, ihre Mitarbeiter/innen vor einer Reise auf www.reiseregistrierung.at zu registrieren. Und Mag. Judith Denkmayr (Vice CEE) gibt den Tipp, rechtzeitig ein Krisenteam zusammenzusetzen.

erstellen. Davor müsse man die möglichen Risiken abschätzen, um dann zu überlegen, wie man die Risikopotenziale verringern könne. Und natürlich bestehe immer ein Restrisiko. »Ich muss mir die Frage stellen, was kann noch passieren und wie gehe ich damit um?«, so Knapp. Alle handelnden Personen gut zu informieren, sei Teil einer erfolgreichen Strategie. In dieselbe Kerbe schlug Judith Denkmayr vom Online-Magazin Vice mit dem Vorschlag, ein Krisenteam zusammenzusetzen. Krisenkommunikation sei eine neue Herausforderung für die Universitäten, denn ihrer Erfahrung nach kommunizieren diese eher reaktiv als aktiv. Unterstützung bei Krisen kommt auch vom BMEIA. Petra Schneebauer verwies auf die Reisein-

formationen des Ministeriums, die Möglichkeit, sich auf www. reiseregistrierung.at zu registrieren sowie die Wichtigkeit einer Reiseversicherung. Einig war sich das Podium, dass es in Österreich, anders als etwa in den USA, (noch) keine Tradition gibt, Sicherheitsthemen in »fremde« Ressorts wie etwa Wissenschaft einzubringen. Save the date: Die nächste Hochschultagung findet vom 14. bis 15. November 2017 in Salzburg statt.

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