oead.news 99

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Jahrgang 24 | Nummer 2/99 | März 2016

Bildungsnähe – Bildungsferne Inklusion und Exklusion in der Bildung

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2 INHALT

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Stefan Zotti

Editorial

Erna Nairz-Wirth

Schulabbruch revisited

Markus Lörz | Nicolai Netz | Heiko Quast

Soziale Ungleichheit und Bildungsmobilität Angelika Grabher | Martin Unger

Soziale Selektivität bei der Studierendenmobilität Kanita Halkic

Diskriminierungserfahrungen von Studierenden an Hochschulen

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Gottfried Biewer | Michelle Proyer | Margarita Schiemer

Über Umwege zueinander finden

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Sandra Allmayer

Internationalisierung und Vielfalt Katharina Kloser

Internationalisierung im berufsbegleitenden Studium

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Nikoleta Nikisianli

»Leave no one behind«

Lydia Maria Arantes

Strapazen, die sich lohnten Heiko Vogl

Interkulturalität und Diversität in der Pädagog/innenbildung Christine Kladnik

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Alles inklusive: eTwinning Wolfgang Zeiler

Das Poly als modulare Berufsvorbereitung Ovagem Agaidyan | Kerstin Nemec-Seipenbusch

Tandem now

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oead.news im Gespräch mit

Walburga Fröhlich, atempo Nina Prinz

Erasmus+ Forum Inklusion und Bildung

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oead.news im Gespräch mit

Terezija Stoisits Christiane Hintermann

28 Migration im Schulbuch 29

Veronika Wöhrer

Projekt Grenzgänge: Transnationalität im Schulsystem

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Małgorzata Bogaczyk-Vormayr

Persönlichkeit und Kreativität sind nie behindert Franz Gramlinger

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33 Berufsbildungsforschung

Michael Dippelreiter | Michael Schedl

Ernst Mach (1838–1916)

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oead.news im Gespräch mit

Hubert Dürrstein und Stefan Zotti Petra Pint | Barbara Sutrich

OeAD-Hochschultagung 2015: Eine Nachlese

40 42 44

Cathrine Seidelberger

Erasmus+ Award Rafaela Mazal

Der Citizen Science Award 2015 APPEAR: 6. Call | Impressum


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Stefan Zotti

© Sabine Klimpt | OeAD

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, »Smart, sustainable and inclusive growth.« Die Ziele der Europa 2020-Strategie von 2010 haben auch Mitte des Jahrzehnts nichts an ihrer Bedeutung verloren – und sind bis heute Herausforderung geblieben. Nach Jahren der anhaltenden Wirtschaftskrise, europaweit nur geringen Investitionen in die Zukunftsmotoren Bildung und Forschung und der neuen Situation der Flüchtlingskrise sehen wir heute in vielen Ländern sogar weniger Inklusion, weniger Chancen, weniger Hoffnungszeichen als noch vor wenigen Jahren. Im Bemühen um eine inklusive Gesellschaft kommt der Bildung eine zentrale Rolle zu. Nicht umsonst hatte der ehemalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso die (europäische) Bildungspolitik zu einem der Eckpfeiler seiner Reformagenda gemacht. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften hängt schließlich von der Innovationsfähigkeit ab und davon, neue Ansätze – technische, soziale oder auch künstlerische – effektiv und effizient wirtschaftlich umzusetzen. Eine solche Umsetzung wird nicht möglich sein, wenn ein Fünftel der Europäer/innen die Schule verlässt, ohne sinnerfassend lesen und ausreichend schreiben zu können. Eine Vielzahl internationaler Studien bestätigt uns aber, dass in vielen europäischen Ländern, auch in Österreich, Bildungschancen – und damit Lebenschancen(!) – nach wie vor vererbt werden. Dabei hat Österreich mit dem berufsbildenden Schulsystem praktisch orientierte Ausbildungswege in seinem Bildungssystem, die europaweit Beachtung finden. Es darf in diesem Zusammenhang auch daran erinnert werden, dass die soziale Durchmischung an den Fachhochschulen nach wie vor eine bessere ist als an den Universitäten. Welche Schlüsse lassen sich daraus für eine inklusive Bildungspolitik ziehen? Die Flüchtlingskrise stellt unser Bildungssystem nochmals vor neue Herausforderungen. Wie wird es uns gelingen, die vielfältigen Talente zu entdecken, bereits abgeschlossene Berufe und Studien anzuerkennen und die Menschen bestmöglich willkommen zu heißen, um sie in unsere Gesellschaft einzubinden? Wie kann unser Bildungs-

system aber auch auf etwaige Defizite im Bildungsniveau von Asylwerber/innen reagieren? In aktuellen politischen Diskussionen wird wiederholt auf die hohen Kosten der Flüchtlinge für das Sozialsystem verwiesen und über entsprechende Reduktionen der Leistungen diskutiert; offenkundig auch in der Hoffnung, ein etwas rigideres Sozialsystem wird Österreich als Zielland unattraktiver machen. Nun mag sich aber, angesichts eines realen und grausamen Kriegs, die Attraktivität Österreichs nicht nur auf die Höhe der Mindestsicherung beziehen. Eine Politik, die sich nur auf die kurzfristigen Kosten konzentriert läuft Gefahr, die viel dramatischeren langfristigen Kosten der mangelnden Bildungschancen und der fehlenden Inklusion zu übersehen. Ziel wird es sein, die künftig Asylberechtigten so rasch wie möglich auf entsprechende Ausbildungswege zu bringen, um die produktiven Kräfte zu nutzen, das Sozialsystem auf diese Weise zu entlasten und Lebenschancen zu erweitern. Der Blick über den österreichischen Tellerrand erlaubt spannende Einblicke in andere Bildungssysteme und deren Umgang mit dem manchmal etwas sperrigen Thema Inklusion. Einige der Beispiele, die Sie in dieser Ausgabe finden, mögen aber auch als Impulse für die österreichische Diskussion dienen. Ein Bildungssystem hat mitunter die Aufgabe, die soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion einer Gesellschaft zu fördern. Wir sind gut beraten, dies zu unterstützen und zu fördern – denn ganz im Sinne der EU 2020-Strategie schafft Inklusion auch Raum für Innovation und flexibles Denken und Handeln. Weniger Inklusion können wir uns schlicht nicht leisten.


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Erna Nairz-Wirth

Schulabbruch revisited

© Gianmaria Gava | OeAD

Maßnahmen, um Schulabbruch zu verhindern, sind umso effektiver und effizienter, je früher sie im Bildungssystem ansetzen.

Die Weichen einer Bildungskarriere werden in den ersten fünf bis zehn Jahren gestellt.

Die Ursache des frühen Schulabgangs (engl. Early School Leaving) vorwiegend in der Persönlichkeit der Schülerin/des Schülers und im negativen Einfluss von Bezugspersonen zu lokalisieren, ist überholt. Eine solche Sichtweise ignoriert mögliche Defizite in den Bildungs- und Betreuungseinrichtungen (wie etwa mangelnde Frühförderung) und die Verantwortung von Schulen und Lehrpersonen. Inzwischen besteht auch Konsens in der Forschung, dass Schulabbruch eine lange Vorgeschichte hat, d. h. kognitive, emotionale und soziale Schwierigkeiten schon in der Vorschulzeit erkennbar sind und darauf entsprechend reagiert werden sollte. Gesichert ist die wissenschaftliche Erkenntis, dass die entscheidenden Weichen einer Bildungskarriere bereits in den ersten fünf bis zehn Jahren gestellt werden, weshalb der vorzeitige Schulabgang zu einem zentralen Thema der Bildungspolitik geworden ist. Mehr als fünf Mio. junger Menschen zwischen 18 und 24 Jahren erwerben innerhalb der Europäischen Union keinen Abschluss auf der Sekundarstufe II und nehmen an keiner Ausbildungsmaßnahme teil (EU-Definition). Viele dieser Jugendlichen sind arbeitslos oder müssen sich mit einer ihre

Qualifikation nicht verbessernden, oftmals prekären Beschäftigung abfinden. Dies bedeutet, dass diese Jugendlichen im Anschluss an ihre schulischen Misserfolge weitere frustrierende Erfahrungen am Arbeitsmarkt sammeln und ihre psychosoziale Lage sich dadurch weiter verschlechtert. Geringe ökonomische Ressourcen befördern den sozialen Rückzug. Wenn die psychosoziale Benachteiligung über längere Zeit andauert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich körperliche und seelische Belastungen verfestigen. Symptome dafür sind beispielsweise Selbstisolierung oder Anschluss an eine Gruppe, in der fatalistische oder destruktive Haltungen vorherrschen. Die mittel- und langfristigen Folgen solch anomischer Prozesse (Merton) sind nicht nur für die Lebens- und Berufschancen der Betroffenen äußerst negativ, sondern können auch als volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Belastungen nachgewiesen werden. Die Problematik des vorzeitigen Schulabgangs ist daher nicht nur eine der größten bildungspolitischen Herausforderungen, sondern erweist sich auch für die Entwicklung des Staates und der Zivilgesellschaft als bedeutsam. Personen, die Erfahrungen mit Schulabbrecher/innen haben, skizzieren üblicherweise folgenden »typischen« Verlauf: Der Schüler/die Schülerin kommt aus einem bildungsfernen, sozioökonomisch benachteiligten und wenig unterstützenden familiären Milieu. Schon bei der Einschulung und im ersten Schuljahr zeigen sich Schwächen bei den Basisfertigkeiten und/oder abweichendes Sozialverhalten. Die schulischen Misserfolge führen zu emotionaler Distanz oder gar zu Schulangst oder ag-

gressiver Ablehnung von als kränkend empfundenen Erlebnissen in der Schule. Chronisches Schwänzen ist dann ein untrügliches Zeichen für eine nur mehr schwer in den Griff zu bekommende Abwärtsentwicklung. Diese Entwicklung kann durch eine Laissez-Faire-Haltung der Eltern oder anderer für die Erziehung zuständiger Personen verstärkt werden. Auch abweichendes Verhalten fördernde Peergruppen können die Schul- und Lerndistanzierung begünstigen. Wenn sich der Schulabsentismus und die Leistungsverweigerung habituell verfestigen, steigt das Schulabbruchsrisiko rapide. Diese eben skizzierte – primär auf den Schüler/die Schülerin fokussierte – Sichtweise vernachlässigt die vielfältigen positiven und negativen Wirkungen der ökonomischen und schulischen Rahmenbedingungen. Neuere Forschung zeigt, dass Schulabbruch in der Mehrheit der Fälle verhindert werden kann, indem benachteiligte Familien und Gemeinden gefördert werden und indem langfristig angelegte wissenschaftlich gestützte Präventions- und Interventionsprogramme in Kindergärten und Schulen implementiert werden. Auf der Basis von zahlreichen Interviews mit frühen Schulabgänger/innen konnte unsere Forschungsgruppe nachweisen, dass die vielfältigen Ursachen des ungünstigen Entwicklungsverlaufs (Schuldistanzierung) durch solche Maßnahmen hätten verhindert oder abgeschwächt werden können. Viele der Betroffenen erfuhren soziale Ablehnung bereits im Kindergarten, weil ihr Habitus, z. B. aufgrund ethnischer oder kultureller Aspekte, als »unpassend« oder störend empfunden wurde. Viele berichten, dass sie von Lehrpersonen abgelehnt wurden und dass Stigmatisierung und Ausgrenzung ihren schulischen Alltag begleiteten. Die Leistungsbeurteilung wurde teilweise als ungerecht empfunden. In unseren Untersuchungen konnten wir verschiedene Habitustypen von frühen Schulabgänger/innen rekonstruieren (statusorientiert, unangepasst, orientierungslos, realitätsflüchtig, ambitioniert, resigniert, gebunden). In allen Fällen konnte anhand der Lebens- und Bildungsgeschichte eindeutig das Urteil gefällt werden, dass im gesamten Bildungsprozess professionelle Maßnahmen den negativen Prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten verhindern können. Vor allem muss der Schwerpunkt auf die Verbesserung des psychischen und sozialen Kapitals, auf die Selbstwirksamkeit und die Einbindung in stabile positive Beziehungsstrukturen gelegt werden.


© Gianmaria Gava | OeAD

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Vorzeitiger Schulabgang ist nicht nur eine individuelle und bildungspolitische Herausforderung, sondern die Thematik ist für die Entwickung eines Staates und der Zivilgesellschaft relevant.

Ein wesentlicher Ansatzpunkt für eine erfolgreichere Gestaltung der individuellen Bildungsprozesse, und damit nicht nur für eine Reduktion des Schulabbruchs, liegt in einer Reform der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen und in der Einrichtung von Professional Communities. Diese kleinen Lehrer/innenteams bilden sich in vielen Schulen und sollten als Kern der Professionalisierung gefördert und vernetzt werden. Neue Formen der Schulleitung (Distributed Leadership) legen einen Schwerpunkt auf die Übergabe von Leitungsfunktionen an solche Teams. In ihrer Weiterentwicklung werden daraus schulübergreifende, interdisziplinäre und interprofessionelle Teams, die gemeinsam mit Personen, Gruppen und außerschulischen Organisationen Lösungsansätze für ihre Schulen und Stadt- oder Ortsteile erarbeiten. Diese neue Professionalität wird nicht auf fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenz reduziert – so wichtig diese auch sein mögen –, sondern richtet ihr Augenmerk auf eine nachhaltige Bildungs- und Lebenslaufbahnentwicklung. In diesem Kontext sind auch ein positives Schulklima und eine geschützte Schulumgebung (vom sicheren Schulweg bis zur Vermeidung von physischer Gewalt und Mobbing)

bedeutsam. Insbesondere in großen Schulkomplexen kommt es leicht zu Entfremdung (Gefühl von Anonymität) und einem mangelnden Verbundenheitsgefühl mit der Schule, weshalb die Professional Communities in relativ autonomen kleinen Feldern (Mini Schools) arbeiten sollten. Im Unterricht und in der gesamten Schulaktivität wird an die Fähigkeiten und Interessen der Schüler/innen und an ihre Lebenswelt angeknüpft. Es geht um Ressourcenentwicklung, nicht um Wissensakkumulation. Damit ist auch eine Zukunftsorientierung gewährleistet, während die derzeitige curriculare und raum-zeitliche Ordnung der Schule nicht ausreichend an der gesellschaftlichen Zukunft orientiert ist (Schlagworte: Umgang mit Heterogenität, Diversität, Arbeit in Netzwerken, Heuristik, mobiles und kontextspezifisches Lernen, Prävention durch Partizipation). Die Ängste vor einem durchschnittlichen Leistungsabfall oder der Schrumpfung der für die Zukunft notwendigen Leistungselite, sind – soweit Untersuchungen vorliegen – in keiner Weise gerechtfertigt. Hohe Leistungserwartungen an Schüler/innen werden nur in einem guten Schulklima und in auf Zukunft und damit auf Risikobewältigung gerichteten innovativen Lerngruppen gedeihen und nachhaltig die erwünschten gesellschaftlichen Früchte in zwanzig bis vierzig Jahren erbringen. Prävention geht vor Intervention. Aber immer wieder wird Intervention erforderlich sein. Sie muss gleichzeitig personell, gruppenorientiert, innerschulisch, außerschulisch und systemisch erfolgen. Die besten Erfolge liefern Programme, die auf allen Ebenen ansetzen. Die Maßnahmen der Prävention sind bereits die besten Maßnahmen der Intervention: Mentor/innen- und

Tutor/innensysteme sollten ab der ersten Klasse Volksschule als Standard eingesetzt werden. Außerschulische Angebote und Kooperationen (Praktika, Freizeitgestaltung, Mentoring etc.) sowie Vernetzungen mit Schulen in der Nachbarschaft und internationale Schulkooperation sind als Regelformen dringend zu empfehlen. Schon aufgrund der Langfristigkeit des Bildungsprozesses in seinen positiven und negativen Aspekten sind Maßnahmen umso effektiver und effizienter, je früher sie im Bildungssystem ansetzen (qualitativ hochwertige Programme in der frühkindlichen Bildung). Um es nochmals zu betonen: Es geht nicht nur um eine Minderheit der langfristig Scheiternden, sondern um eine positive und stabile soziale, politische und ökonomische Entwicklung der Regionen, der Zivilgesellschaft und des Staates. ao. Univ.-Prof. Dr. Erna Nairz-Wirth. Leiterin der Abteilung Bildungswissenschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. 2013 Gastwissenschaftlerin an der University of Cambridge (UK). Forschungsschwerpunkte: Bildungslaufbahnforschung, Professionsforschung, Habitusforschung. National- und Expert-Partner im EU-FP7 Projekt »Reducing Early School Leaving. R.ESL.«; EU-Expertin zum Thema Schulabbruch; Mitbegründerin des ECER-2015-Forscher/innennetzwerks »Dropout in Higher Education«. Nähere Infos: www.wu.ac.at/bildungswissenschaft/


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Markus Lörz | Nicolai Netz | Heiko Quast

Soziale Ungleichheit und Bildungsmobilität Warum ziehen Studierende aus weniger privilegiertem Elternhaus seltener einen Auslandsaufenthalt in Betracht?

Mit der Einrichtung des Europäischen Hochschulraums und der Internationalisierung von Arbeitsmärkten haben Auslandserfahrungen für den individuellen Bildungs- und Karriereweg an Bedeutung gewonnen. Verschiedene empirische Studien zeigen in diesem Zusammenhang, dass sich Auslandserfahrungen sowohl auf die Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung als auch auf die Karrierechancen förderlich auswirken. Trotz dieser Vorteile wagt nur ein Teil der Studierenden den Schritt ins Ausland. Wie Abbildung 1 auf Basis der Daten der Sozialerhebung verdeutlicht, hat in Deutschland der Anteil auslandsmobiler Studierender seit den 1990er Jahren zwar zugenommen, aber insbesondere Studierende aus weniger privilegiertem Elternhaus gehen immer noch vergleichsweise selten ins Ausland. Das im Rahmen des Bologna-Prozesses angestrebte Ziel eines Abbaus sozialer Ungleichheiten wurde folglich mit Blick auf die Auslandsmobilität nicht erreicht. Vielmehr könnten die sozialen Unterschiede vor dem Hintergrund der Bildungsexpansion und dem Rückgang sozialer Ungleichheit beim Zu-

gang zur Hochschule (vertikale Ungleichheit) sowie der Konkurrenz um lukrative Berufspositionen einen neuen und subtilen Mechanismus zur Statusreproduktion darstellen (horizontale Ungleichheit). Zahlreiche Studien konnten bereits zeigen, dass Studierende aus weniger privilegiertem Elternhaus seltener einen Auslandsaufenthalt absolvieren. Die Forschung zur Erklärung dieses Phänomens fiel bislang jedoch lückenhaft aus. Die meisten Studien betrachten die soziale Herkunft nur als einen von zahlreichen Faktoren. Bisher wurde kaum untersucht, welche Mechanismen den Disparitäten zugrunde liegen. Demnach ist weitgehend unklar, welche Faktoren zur geringeren Auslandsmobilität weniger privilegierter Gruppen führen. An diese Ausgangslage knüpft ein jüngst in

der Zeitschrift Higher Education veröffentlichter Artikel an (Lörz, Netz und Quast 2015). Der Artikel untersucht in theoretischer und empirischer Hinsicht, warum Studierende aus weniger privilegiertem Elternhaus seltener eine Auslandsintention ausbilden. Die Analysen basieren auf einer für Deutschland repräsentativen Längsschnittuntersuchung zu den nachschulischen Werdegängen der Studienberechtigten des Abschlussjahrgangs 2010. Im Unterschied zu vorherigen Untersuchungen ermöglichen die Daten eine hinreichende Operationalisierung der theoretischen Konstrukte und aufgrund des Paneldesigns eine adäquate Aufarbeitung zugrunde liegender Wirkungsmechanismen. Zu Beginn des Artikels werden aus Perspektive der rationalen Entscheidungstheorie, der kulturellen Reproduktionstheorie und der Lebensverlaufsperspektive verschiedene Erklärungsansätze skizziert. Diese Ansätze legen nahe, dass vier Erklärungskomponenten zu Ungleichheit bei der Auslandsmobilität führen: herkunftsspezifische Unterschiede (1) in vorgelagerten Bildungspfaden und (2) in leistungsbezogenen Faktoren (z. B. bezüglich objektiver Schulabschlussleistungen und subjektiver Einschätzungen der Erfolgsaussichten) sowie in (3) Kosten- und (4) Ertragsüberlegungen bezogen auf Auslandsaufenthalte. Die empirische Analyse verdeutlicht, dass sich für die meisten theoretischen Überlegungen empirische Belege finden, wobei sich der Stellenwert der Faktoren zur Erklärung der sozialen Disparitäten unterscheidet.

Abbildung 1: Anteil deutscher Studierender zwischen dem 6. und 10. Semester mit studienbezogener Auslandserfahrung nach Bildungsherkunft (vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten mit 95 Prozent Konfidenzintervallen in Prozent). Daten: DSW/DZHW Sozialerhebungen 1991–2012 (Quelle: Lörz, Netz und Quast 2015)


© Sebastian Bernhard | Pixelio

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Das im Rahmen des Bologna-Prozesses angestrebte Ziel eines Abbaus sozialer Ungleichheiten wurde mit Blick auf die Auslandsmobilität nicht erreicht.

Studierende aus nicht-akademischen Familien bilden seltener eine Auslandsintention aus, weil sie andere schulische Bildungswege durchlaufen als Kinder aus akademischen Familien. Sie besuchen häufiger berufliche Schulen, an denen sie ihre Fremdsprachenkenntnisse weniger umfänglich entwickeln können als an Gymnasien. Außerdem sammeln Kinder aus nichtakademischem Elternhaus während der Schulzeit seltener erste Auslandserfahrungen. Aufgrund dieser vorgelagerten Bildungsentscheidungen und Erfahrungen haben sie später auch schlechtere Voraussetzungen hinsichtlich der für einen Auslandsaufenthalt relevanten leistungsbezogenen Faktoren: Sie erzielen schlechtere Zensuren und schätzen ihre Erfolgsaussichten sowie Fremdsprachenkenntnisse als schlechter ein und erwägen deshalb seltener eine Studienphase im Ausland. Ferner beabsichtigen sie oftmals keinen Auslandsaufenthalt, weil sie die Mobilitätskosten höher bewerten. Dabei wirken sich sowohl erwartete finanzielle Belastungen und die Befürchtung, dass sich das Studium durch einen Auslandsaufenthalt verlängert, als auch soziale Kosten negativ auf die Auslandsintention aus. Schließlich ist der Herkunftsunterschied darauf zurückzuführen, dass Studienberechtigte aus nicht-akademischem Elternhaus die Vorteile eines Auslandsaufenthalts für die spätere Karriere und für die Persönlichkeitsentwicklung geringer einschätzen. Es sind demnach verschiedene Faktoren, die zu den Unterschieden in der Mobilitätsbereitschaft führen. Deren Ursachen sind bereits in der Schulzeit angelegt. Die Studie liefert neue Erkenntnisse, macht aber auch auf weiteren Forschungsbedarf aufmerksam. Erstens wurde das vorgeschlagene konzeptionelle Modell nur für Deutschland getestet. Es könnte jedoch sein, dass es auch einen Beitrag zur Erklärung der sozialen Unterschiede hinsichtlich der Auslandsmobilität in anderen europäischen Hochschulsystemen leisten kann. Zweitens fokussieren die Analysen auf die Intention zur Realisierung eines Auslandsaufenthalts. Daher ist weitere Forschung zur tatsächlichen Realisierung einer solchen Intention und zu den hierbei

entstehenden Herkunftsunterschieden notwendig. Drittens sollten weitere Aspekte der Entscheidungssituation wie die Wirkung von Studienfachkulturen oder von Austauschprogrammen berücksichtigt werden (Kontextfaktoren). Viertens besteht Forschungsbedarf zu den Konsequenzen der untersuchten sozialen Selektivität für den späteren Berufs- und Lebensweg. Aus bildungspolitischer Perspektive eröffnen die Ergebnisse verschiedene Ansätze zur Reduzierung sozialer Disparitäten. Auf Hochschulebene sind es die erwarteten finanziellen Belastungen, die die Mobilitätsbereitschaft von Studienberechtigten aus weniger privilegierten Familien hemmen. Diese Bedenken lassen sich vermutlich durch gezielte gruppenspezifische Förderprogramme und eine entsprechende Informationspolitik reduzieren. Auf diese Weise könnten Studierende aus weniger privilegiertem Elternhaus auch besser über die Erträge von Auslandsmobilität informiert werden. Eine weitere mögliche Maßnahme wäre die Installation von Mobilitätsfenstern im Curriculum. Diese würden der Befürchtung vorbeugen, dass sich die Studienzeit durch Auslandsmobilität verlängert. Die Ergebnisse zeigen ebenso, dass es nicht ausreicht, erst auf Hochschulebene anzusetzen. Es scheint vielmehr notwendig, auch an vorgelagerten Bildungswegen aktiv zu werden. So wäre es empfehlenswert, Unterstützungsprogramme auf Schulebene anzubieten, die es Kindern aus weniger privilegierten Familien ermöglichen, bereits während der Schulzeit Auslandserfah-

rungen zu sammeln und ihre Fremdsprachenkenntnisse zu entwickeln. Frühe Mobilitätserfahrungen erlauben späteren Studierenden zu lernen, dass Mobilitätshindernisse überwunden werden können. Weitere Informationen: Lörz, M., Netz, N., Quast, H. (2015): Why do students from underprivileged families less often intend to study abroad?, Higher Education (online first), 1–22 http://doi.org/10.1007/s10734-015-9943-1

Markus Lörz studierte Sozialwissenschaften in Wuppertal und Mannheim, wo er promovierte. Von 2006 bis 2008 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW, ehemals HIS-Institut für Hochschulforschung) in Hannover, von 2009 bis 2013 Projektleiter ebendort. Seit 2013 ist Lörz akademischer Rat an der Universität Hannover. Forschungsschwerpunkte: Hochschulforschung, Ungleichheitsforschung, Methoden der empirischen Sozialforschung und Längsschnittanalyse. Nicolai Netz studierte Philologie, Kultur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Bonn, Florenz und Maastricht. Seit 2008 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am DZHW. Forschungsschwerpunkte: Mobilität von Hochqualifizierten, soziale Ungleichheit, Bildungserträge, internationale Vergleichsstudien. Heiko Quast studierte Sozialwissenschaften in Hannover. Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am DZHW. Forschungsschwerpunkte: Hochschulforschung, Bildungsentscheidungen und Bildungsübergänge, soziale Ungleichheit.


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Angelika Grabher | Martin Unger

Soziale Selektivität bei der Studierendenmobilität Österreichische Studierende sind im internationalen Vergleich sehr mobil. Je nach sozialer Herkunft gibt es allerdings auch in Österreich große Unterschiede. Ein bisher wenig beachteter Aspekt von sozialer Selektivität im österreichischen Hochschulsystem ist die unterschiedliche Beteiligung an internationaler Mobilität während des Studiums. Das ist insofern erstaunlich, als sich bei kaum einem Thema eine größere Abhängigkeit von der familiären Herkunft der Studierenden zeigt. Die folgende Darstellung bezieht sich auf die Studierenden-Sozialerhebung 2011 und berücksichtigt nur temporäre Auslandsaufenthalte während des Studiums. Die Daten stammen von Studierenden, d. h. sie stellen eine Momentaufnahme dar und sind keine finalen Mobilitätsquoten, wie sie nur für Absolvent/innen berechnet werden können. Bis zum Befragungszeitpunkt hatten 27 Prozent aller Studierenden bereits studienbezogene Auslandserfahrung in Form von Auslandssemestern (neun Prozent), Auslandspraktika (14 Prozent), Summer Schools, Sprachkursen oder Forschungsaufenthalten gesammelt. Je älter die Studierenden sind und je länger sie bereits studieren, desto höher sind diese Werte naturgemäß. Allerdings zeigt sich in jeder Altersgruppe eine deutlich höhere Mobilitätsbeteiligung von Studierenden aus höherer Schicht (gemessen an Bildung und Beruf der Eltern) als aus niedrigeren Schichten. Unter jüngeren Studierenden waren jene aus höheren Schichten nahezu dreimal häufiger im Ausland, zwischen 21 und 25 Jahren gleichen sich diese Anteile etwas an und der Vorsprung Studierender aus höherer Schicht beträgt »nur« noch 60 Prozent. Ab 26 Jahren sammelten Studierende aus höherer Schicht mehr als doppelt

50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% %

Niedrig

Mi el

Gehoben

Hoch

Niedrig

unter 21 Jahre Auslandssemester

Mi el

Gehoben

Hoch

Niedrig

Mi el

21-25 Jahre Auslandsprak kum

Summer School

Sprachkurs

Gehoben

Hoch

26-30 Jahre Forschung

Auslandserfahrung gesamt

Grafik 1: Beteiligung an studienbezogener Auslandsmobilität nach Alter und sozialer Herkunft (Quelle: Studierenden-Sozialerhebung 2011)

so häufig Auslandserfahrung als ihre Kolleg/innen aus niedrigeren Schichten. An den Hauptaktivitäten (Auslandssemester und -praktikum) nahmen Studierende aus höherer Schicht im Schnitt ebenfalls doppelt so häufig teil. Auch die Zielländer der studentischen Mobilität hängen zum Teil von der sozialen Herkunft ab: Besonders attraktiv sind für alle Studierenden englischsprachige Länder, insbesondere in Übersee. Bei Auslandssemestern oder -praktika außerhalb Europas zeigt sich kein schichtspezifischer Unterschied, aber innerhalb Europas wählen Studierende aus höherer Schicht häufiger ein nichtenglischsprachiges Land. Vergleicht man dagegen Planer/innen mit Absolvent/innen von Auslandssemestern, so

zeigt sich, dass Studierende aus niedrigen Schichten eher ihre Pläne in englischsprachigen Ländern in Europa umsetzen können, während Studierende aus hohen Schichten vergleichsweise leichter außereuropäische Ziele erreichen. Generell ist der Anteil der Studierenden, die ein Auslandssemester außerhalb des Europäischen Hochschulraumes (»Bologna«) absolvierten, unter Studierenden aus hoher Schicht höher. Die Unterschiede in der Wahl der Zielländer nach sozialer Herkunft sind bei Auslandspraktika etwas geringer als bei Auslandssemestern. Die Wahl des Ziellandes hängt allerdings auch stark vom Studienfach ab und unterschiedliche Studien sind für Studierende verschiedener Herkunftsmilieus unterschiedlich attraktiv. Daher ist der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Wahl des Ziellandes eher ein indirekter. In der Sozialerhebung wird auch nach Hindernissen für eine Auslandsmobilität gefragt. Die soziale Herkunft spielt dabei besonders bei Aspekten, die die Lebens-


© Rainer Sturm | Pixelio

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Studierende aus sogenannten »höheren Schichten« sind in allen Altersgruppen mobiler als jene aus eher bildungsfernen Familien.

situation der Studierenden betreffen, eine Rolle. Besonders die Aufgabe bzw. Beibehaltung der Wohnung in Österreich, die Unterbrechung oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die Finanzierung des Auslandsaufenthalts selbst bereiten Studierenden aus niedriger Schicht häufiger Schwierigkeiten. Unter Absolvent/innen eines Auslandssemesters berichten Studierende aus niedriger Schicht auch deutlich häufiger als jene aus hoher Schicht von Schwierigkeiten in Zusammenhang mit Informationen zu Auslandsaufenthalten und Zulassungsregelungen. Die eigene Trägheit war dagegen – gemäß ihren eigenen Angaben – für Studierende aus hoher Schicht häufiger hinderlich. Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass Studierende aus niedriger Schicht im Schnitt um fast vier Jahre älter sind und auch zum Zeitpunkt des Auslandsaufenthalts waren sie gut 1,5 Jahre älter – sie befanden sich also in etwas anderen Lebensumständen (Wohnsituation, Erwerbstätigkeit, Familie). Dies ist auch der Grund, warum insgesamt die Mobilitätsbeteiligung unter älteren Studierenden zurückgeht, insbesondere bei jenen, die erst mit Mitte/Ende 20 zu studieren begonnen haben und de facto berufsbegleitend studieren. Generell ist in Österreich im internationalen Vergleich die Nutzung von Mobilitätsprogrammen für die Realisierung eines Auslandssemesters sehr hoch: 88 Prozent aller Auslandssemester wurden im Rahmen eines Austauschprogramms absolviert (alleine 64 Prozent

mit Erasmus). Auslandspraktika werden dagegen häufig selbst organisiert, nur 13 Prozent absolvierten dieses im Rahmen eines Mobilitätsprogramms (fünf Prozent mit Erasmus). Dabei zeigen sich nur geringe Unterschiede nach sozialer Herkunft. Studierende aus niedriger Schicht nutzten etwas häufiger das Erasmus-Programm für ihr Auslandssemester (67 Prozent vs. 64 Prozent) und für ihr Auslandspraktikum (zehn Prozent vs. fünf Prozent) als Studierende aus hoher Schicht. Dies hängt wiederum mit der Wahl der Zielländer zusammen, weil Studierende aus niedriger Schicht etwas häufiger ein Auslandssemester (74 Prozent vs. 71 Prozent) oder -praktikum (67 Prozent vs. 60 Prozent) in einem Erasmus-Land absolvierten als Studierende aus hoher Schicht. Kurz soll hier auch noch auf Genderaspekte in der Studierendenmobilität eingegangen werden: Frauen sammelten in Summe etwas häufiger Mobilitätserfahrung als Männer (28 Prozent vs. 25 Prozent), wobei sie v. a. häufiger ein Auslandssemester oder -praktikum absolviert haben. Auslandssemester werden von Frauen deutlich häufiger als von Männern in südeuropäischen Ländern und Frankreich absolviert, während Männer häufiger nordeuropäische Länder und außereuropäische Ziele wie die USA und Asien wählen. Fast ein Drittel aller Männer absolvierte ein Auslandssemester außerhalb Europas (30 Prozent), während dies lediglich auf 22 Prozent der Frauen zutrifft. Bei Auslandspraktika differieren die gewählten

Regionen dagegen kaum nach Geschlecht. Männer waren lediglich etwas häufiger in den USA, China und kleineren europäischen Staaten, während Frauen ihr Auslandspraktikum vergleichsweise häufiger in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Latein-/Südamerika absolvierten. Auch bei der gewählten Studienrichtung gibt es Unterschiede nach dem Geschlecht. So studieren Frauen z. B. häufiger Sprachen (insbesondere Romanistik), weshalb sie häufiger Auslandsaufenthalte in Südeuropa absolvieren, während Männer häufiger technische Studien betreiben und daher eher einen Auslandsaufenthalt in Deutschland oder Nordeuropa wählen. Der Bericht zur Studierenden-Sozialerhebung 2011 sowie der Zusatzbericht »Internationale Mobilität von Studierenden« sind unter www.sozialerhebung.at zugänglich.

Angelika Grabher studierte Soziologie an der Universität Wien. Sie ist Mitarbeiterin am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Soziale Ungleichheit sowie Hochschulbildung und akademische Mobilität. Martin Unger studierte Soziologie in Wien, anschließend besuchte er den Postgradualen Lehrgang Soziologie am IHS. Seine Forschungsschwerpunkte sind Chancengerechtigkeit im Bildungswesen, speziell im Hochschulbereich, die soziale Lage von Studierenden, Studierende mit Migrationshintergrund. Unger war Lektor an der Universität Wien und an der WU Wien. 2014 wurde er in den Vorstand der Gesellschaft für Hochschulforschung (GfHf) gewählt.

infopoint www.equi.at


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Kanita Halkic

Diskriminierungserfahrungen von Studierenden an Hochschulen Jede vierte Person hat Diskriminierungserfahrungen gemacht, 72 Prozent melden die Vorfälle nicht. Dies ergab eine Studie im Auftrag der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschüler/innenschaft (ÖH).

Laut Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW, uni:data) waren 2013 rund 350.000 Studierende an österreichischen Hochschulen inskribiert. Mehr als 80.000 davon waren Studierende mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft – das entspricht zirka 23 Prozent aller Studierenden in Österreich. Es ist zunächst positiv, international und offen zu sein – gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie fühlen sich die internationalen Studentinnen und Studenten bei uns? Wurden sie schon einmal gefragt, ob sie etwas an den Konzepten und am Umgang mit ihnen auf den Hochschulen stört? Welche Probleme begegnen ihnen im Hochschulalltag und wie könnte man ihre Situation verbessern? Wird die Prämisse der Gleichbehandlung aller Studierenden dem Umgang mit internationalen Studierenden gerecht? Um Diskriminierungserfahrungen von internationalen Studierenden zu beleuchten, hat das Institut für Höhere Studien (IHS) zwischen September 2014 und März 2015 eine Studie im Auftrag der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschüler/innenschaft (BV ÖH) durchgeführt. Die Ergebnisse basieren auf einer OnlineBefragung mit 3.660 ordentlichen Studierenden an öffentlichen Universitäten und Fachhochschulen (ausgenommen ist die Fachhochschule Oberösterreich), die im Sommersemester 2014 zum Studium zugelassen waren. Um den Fragebogen auch Studierenden aus Ländern mit nicht-deutscher Sprache zugänglich zu machen, wurde der Fragebogen in vier verschiedene Sprachen (Englisch, Türkisch, Slowenisch und Bosnisch/ Kroatisch/Serbisch) übersetzt. Die Studie möchte die Diskriminierung von internationalen Studierenden auf Hochschulen erkennbar machen und dadurch einen allerersten Einblick in die Thematik liefern.

Diskriminierung, was ist das? So wie die Sensibilität in Hinblick auf Diskriminierungserfahrungen unter Studierenden unterschiedlich ist, wird auch der Begriff der »Diskriminierung« unterschiedlich verstanden. Alle Individuen haben dies-

bezüglich verschiedene Grenzen und Vorstellungen. Um dies zu berücksichtigen, wurde im Fragebogen die Diskriminierung als jede benachteiligende Behandlung von Menschen in Bezug auf eine ethnische, kulturelle und/oder religiöse Zugehörigkeit definiert, wobei auch Merkmale wie Hautfarbe oder Geschlecht berücksichtigt wurden.

Herkunftsspezifische Diskriminierung an Hochschulen Die Diskriminierungsstudie des IHS versucht unter anderem auch die Herkunft der betroffenen Studierenden als Grund für Diskriminierung zu thematisieren. Die in der Studie befragten internationalen Studierenden sehen die Gründe für die Diskriminierungserfahrungen mehrheitlich in ihrer Nationalität (sieben Prozent), Sprache (vier Prozent) und ethnischen Herkunft (drei Prozent). Dies trifft am häufigsten auf Studierende zu, die aus der Nahostregion (mehr als 60 Prozent dieser Gruppe stammen aus der Türkei und dem Iran) oder einer anderen nicht-europäischen Region kommen. Diskriminierung aufgrund der Sprache wird ebenfalls häufiger von Nicht-Europäer/innen genannt, betrifft jedoch auch diejenigen Studierenden, die aus Ost- und Südeuropa stammen. Die Nationalität als Grund für Diskriminierungserfahrungen wird in den Antworten jeder fünften Studentin und jedes fünften Studenten angegeben, die aus der Region Europa stammen. Bei Student/innen, welche nicht aus der EU oder dem EWR kommen, wird dieser Grund noch häufiger genannt. Darüber hinaus wurden die Studierenden zu den Schwierigkeiten, mit denen sie im Laufe ihres Studiums konfrontiert wurden, befragt (siehe Tabelle 1). Abgesehen von der Herkunft der Befragten, sehen viele die Organisation des Studiums als besonders schwierig an. Darauf folgt die Finanzierung des Studiums. Sehr viele Studierende empfinden die Leistungsanforderungen ihres Studiums als erschwerend. Was bei Tabelle 1 noch zu beachten ist: Die Gruppe der ersten Generation der

Studierenden, die aus Nicht-EU-Ländern stammen, sind fast in allen erwähnten Schwierigkeiten statistische Ausreißer. Bei der Strukturierung des Studiums haben viele Studierende Schwierigkeiten. Was könnten die Gründe dafür sein? Eine mögliche Antwort auf diese Frage wäre die Thematisierung bürokratischer Hürden, die das System undurchschaubar und kompliziert machen. Es könnte auch sein, dass die Informationen über die Organisation des Studiums nicht für alle verständlich sind. Diese sollten transparenter gestaltet werden, weil damit nicht nur internationale Studierende Schwierigkeiten haben, sondern sogar inländische Studierende, die sich mit dem Bildungssystem in Österreich besser auskennen. Es stellt sich die Frage, wo scheitern die Strukturen des österreichischen Hochschulwesens? Für viele ist es schwierig, ihr Studium zu finanzieren. Sind die Universitäten wirklich offen und für alle zugänglich? Nicht nur diese Studie, sondern auch die Sozialerhebungen des IHS zeigen, dass die am häufigsten genannten Gründe für finanzielle Schwierigkeiten finanzschwache Eltern und unerwartet hohe Ausgaben sind. Hinzu kommen der Verlust oder die Verringerung der Erwerbstätigkeit – aufgrund arbeitsrechtlicher Beschränkungen für internationale Studierende – und der Wegfall staatlicher Transferleistungen wie Familien- oder Studienbeihilfe. Vor allem Studierende, die nicht aus EU-Ländern stammen, kämpfen mit der Finanzierung des Studiums. Ein weiterer Grund dafür sind die arbeitsrechtlichen Beschränkungen für Nicht-EU-Bürger/-


Kein Migrationshintergrund

1. Generation EU

1. Generation Nicht-EU

2. Generation EU

2. Generation Nicht-EU

Bei der Organisation/ Strukturierung des Studiums

39 %

44 %

48 %

47 %

58 %

Bei der Finanzierung des Studiums

25 %

30 %

43 %

36 %

33 %

Bei der Kommunikation mit Lehrenden

19 %

22 %

29 %

22 %

25 %

Mit den Leistungsanforderungen des Studiums

25 %

25 %

32 %

56 %

30 %

Kontakte zu anderen Studierenden knüpfen

11 %

19 %

25 %

16 %

14 %

Bei der Beantragung formaler Dokumente für das Studium (z. B. Prüfungspass)

11 %

11 %

20 %

2%

9%

Keine

28 %

23 %

16 %

23 %

17 %

© Bernhard Pixler | Pixelio

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Tabelle 1: Schwierigkeiten im Studium

innen sowie für internationale Studierende, die mit einer Beschäftigungsbewilligung einen beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.

Arten der Diskriminierung Die Diskriminierungserfahrungen können sich auf unterschiedliche Art und Weise manifestieren. Aus Tabelle 2 ist erkennbar, dass die zentralen Diskriminierungsarten an Hochschulen verbale oder zweideutige Angriffe, Zuschreibungen eines Unvermögens oder Stereotypisierungen darstellen. Gefolgt wird dies von der Verwendung diskriminierender Begriffe im Sprachgebrauch und der sichtbaren Ungleichverteilung von Ressourcen. Alle erwähnten Arten beziehen sich unmittelbar auf Erlebnisse an den Hochschulen und verschlechtern die Atmosphäre für die internationalen Studierenden.

Mitstudent/innen als Akteur/innen Ein besonders interessanter Teil der Studie behandelt die Frage, durch wen die Studierenden diskriminiert werden. Ein deutlicher Unterschied zwischen Inländer/Verbale Angriffe oder zweideutige Witze

10,0 %

Zuschreibung eines Unvermögens/ Stereotypisierungen

10,0 %

Verwendung diskriminierender Begriffe im Sprachgebrauch

8,0 %

Ungleichverteilung von Ressourcen

7,0 %

Ausschluss von sozialen Aktivitäten unter Studierenden

3,3 %

Ausschluss von Arbeits- oder Lerngruppen

2,8 %

Unangemessene Angebote/Einladungen, anzügliche oder abwertende Blicke

2,7 %

Diskriminierene Dokumente, Lehrmaterialien oder Lehrinhalte

2,5 %

Unangemessene Berührungen

0,6 %

Körperliche Gewalt

0,2 %

Tabelle 2: Arten der Diskriminierung

innen und internationalen Studierenden wird an dieser Stelle sichtbar. Österreichische Studierende geben an, dass sie häufiger von Lehrenden an der Hochschule diskriminiert wurden, die internationalen Studierenden erwähnen eher ihre Mitstudierenden als Akteur/innen in Diskriminierungssituationen. Die Orte, wo Diskriminierung stattfinden, sind: Mensa/Bibliothek sowie in Lern- und Arbeitsgruppen. Also dort, wo Studierende untereinander sind und nicht durch andere Personen kontrolliert werden (wie z. B. von dem/der Professor/in bei Lehrveranstaltungen).

Diskriminierung abseits der Hochschulen Internationale Studierende aus Ländern mit nicht-deutscher Muttersprache berichten häufiger davon, ungleich behandelt zu werden. Diskriminierung im Alltag erleben Studierende, die aus EU-Ländern bzw. Nicht-EU-Ländern kommen bei der Arbeitssuche (21 Prozent bzw. 31 Prozent), bei Behörden (17 Prozent bzw. 30 Prozent) und bei der Wohnungssuche (17 Prozent bzw. 23 Prozent). Vor allem für jene Studierenden, die aus einem Drittstaat stammen, stellen die Behördengänge und die ihnen hierbei auferlegten Hürden ein Problem dar. Die Gruppe berichtet über fehlende Informationen zu den Erwerbsmöglichkeiten in Österreich (44 Prozent). Weitere Probleme erleben sie bei der Beschaffung einer Unterkunft in Österreich (30 Prozent) und bei dem Nachweis der erforderlichen finanziellen Mittel für die MA

35 (28 Prozent). Informationen zu Aufenthaltstitel und Zulassung sind meistens kompliziert und für die Studierenden aus dem Ausland schwer verständlich.

Was müssten/sollten wir fördern? Aus allen oben erwähnten Diskriminierungserfahrungen und Schwierigkeiten lassen sich Schlüsse ziehen, um die Situation internationaler Studierender zu verbessern. Allen voran wäre es notwendig, Informationen über Erwerbsmöglichkeiten, Aufenthaltstitel, Zulassung etc. zu bieten, die allen zugänglich und verständlich aufbereitet sind. Diese Informationen sollten auch in mehreren Sprachen angeboten werden. Sensibilisierung muss sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Studierenden gefördert werden. Da 72 Prozent der betroffenen Studierenden berichten, dass sie sich an niemanden gewendet hatten, muss Transparenz und ein offener Umgang mit Diskriminierung geschaffen werden. Zudem sollten sichere Räume für Austausch, Verständnis, Hilfe und Agieren angeboten werden. Die gesamte Studie als Download finden Sie unter: www.oeh.ac.at/news/studie-zu-diskriminierunghochschulen Kanita Halkic ist Referentin der Österreichischen Hochschüler/innenschaft, Referat für ausländische Studierende. Sie bietet Beratung in Bosnisch, Serbisch und Kroatisch .


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Gottfried Biewer | Michelle Proyer | Margarita Schiemer

Über Umwege zueinander finden In einem gemeinsamen Projekt beforschten Wissenschaftler/innen das Thema Inklusion im Hochschulsektor in Äthiopien und Österreich.

Der Schwerpunkt lag auf der Erforschung der Situation von Studierenden und Universitätsabsolvent/innen mit Behinderung in Äthiopien. Dabei standen die Gegebenheiten an den Universitäten sowie der Einstieg in das Berufsleben nach dem Studium im Mittelpunkt. Diese Bereiche sind vor allem vor dem Hintergrund des Rechts auf Bildung und Arbeit von hohem Interesse, weil in Äthiopien generell viele Menschen vom Bildungs- und Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind und sich die Situation für jene mit Behinderungen noch komplexer gestaltet. Das Ziel von RESPOND-HER war es, qualitativ hochwertige Forschung über Behinderung durchzuführen und dadurch u. a. auch die Forschungs- und Lehrkompetenzen aller beteiligten Wissenschaftler/innen zu erhöhen. Die Ergebnisse der Forschung wurden in Folge dazu genutzt, Personen mit Behinderung den Zugang zu Universitäten zu erleichtern. Im Fokus standen unter anderem die Abschaffung baulicher wie auch einstellungsbezogener Barrieren von Universitätspersonal, Aufklärung über Menschen mit Behinderung für potenzielle Arbeitgeber/innen etc. Des Weiteren wurde durch die Erforschung der Arbeitsmarktsituation ein wesentlicher Grundstein für die Erleichterung des Zugangs gelegt. Einer der Schwerpunkte im gesamten Projekt waren genderspezifische Aspekte. Durch gezielte Einbeziehung von Studentinnen mit Behinderung und weiblichem Universitätspersonal wurden geschlechtsspezifische Aspekte, wie Diskriminierung und andere Herausforderungen im Studienalltag, partizipativ erarbeitet und diskutiert. Weibliche Studierende mit physischer, Seh- und Hörbehinderung sprachen im Rahmen eines Empowerment Workshops über ihre Erfahrungen, die bei den Organisatorinnen der AAU und der UW mitunter zu Verwunderung führten. Ein weiterer intensiver Teil des Projekts war der Lehrendenaustausch. Durch die enge Kooperation von jeweils einer/einem Lehrenden

© Gottfried Biewer

Das Projekt »Responding to Poverty and Disability through Higher Education and Research (RESPONDHER)« wurde von der Universität Wien (UW) und der Addis Abeba Universität (AAU) im Rahmen des Hochschulkooperationsprogramms APPEAR entwickelt und durchgeführt. Das Projekt endete im Dezember 2014 nach einer Laufzeit von mehr als drei Jahren.

Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung im Dezember 2013

der UW und der AAU ergab sich eine sehr umfangreiche Gelegenheit zum Austausch über Erfahrungen, Vermittlung von Wissen und Lehrpraktiken. Daraus ergab sich die Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit den jeweiligen Gegebenheiten und die Reflexion der eigenen Lehr- und Forschungspraxis. Von diesen Austauschen profitierten auch die Studierenden an den jeweiligen Universitäten. Dabei gibt es aus österreichischer Perspektive vor allem zu berichten, dass die Motivation und das Interesse der äthiopischen Studierenden überwältigend war und einen äußerst positiven Eindruck hinterlassen haben.

Flexible Organisationsstrukturen Viele Erlebnisse beeindruckten und machten es notwendig, Gegebenes in Frage zu stellen. So kam es in Äthiopien mitunter zu Situationen, in denen die österreichischen Projektpartner/innen sich nur mit Improvisation und Spontaneität zu helfen wussten. Fehlender Strom, um eine Power Point-Präsentation zu zeigen, sei hier nur beispielhaft erwähnt. Aber wer kennt das nicht? Ein Computer, der den USB-Stick nicht erkennt, ein Beamer, dessen Batterie gerade dann ausgeht, wenn man es am wenigsten braucht usw.? Eine Universitätskultur, die man aus einer westlichen Perspektive als schlecht organisiert betrachten könnte,

ermöglichte es innerhalb kürzester Zeit, Räume zu organisieren und innerhalb eines Tages auch bis zu 80 Studierende über eine Veranstaltung zu informieren, die dann auch tatsächlich gut besucht war. Die Universität Wien ist aufgrund diverser organisatorischer Vorgaben weit weniger flexibel. Raumreservierungen müssen hier mitunter schon Monate im Vorhinein erledigt werden, diverse Formalia lassen spontane Veranstaltungen nicht zu. »Bewegungsfreiheiten«, wie sie in Äthiopien möglich sind, eröffnen hingegen oft ein großes Spektrum an zusätzlichen Erfahrungen und gelungenem Austausch. Ein weiterer beeindruckender Aspekt war die Präsenz von Studierenden mit Behinderung am Campus der AAU. Sind Studierende mit sichtbarer Behinderung an der Universität Wien nach wie vor eine Ausnahme, nahmen an Veranstaltungen, die im Rahmen von RESPOND-HER organisiert wurden, immer auch Studierende mit Behinderung teil. Ein Aspekt, der uns zum Nachdenken brachte und zur gemeinsamen Reflexion anregte.


Rege Diksussionen bei der Auftaktveranstaltung der Plattform »Bürger schaffen Wissen« im Herbst 2014.

© Gottfried Biewer

© Florian Pappert

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»Behinderung ist eine Realität für mich, aber eine Möglichkeit für alle!« Dieses Transparent befand sich vor der Bibliothek der Addis Abeba Universität.

Die Forschung führte zudem zu Ergebnissen wie z. B. konkreten Vorschlägen und Broschüren zur Verbesserung der Qualität der Bildung und des Arbeitsmarktzugangs von Studierenden und Absolvent/innen mit Behinderung. Zusätzlich zeigten die Ergebnisse die Notwendigkeit, sich die Gesetzgebung noch einmal konkret anzusehen, um Barrieren, die auch dort Wirkung zeigen, zu entfernen. Insgesamt muss angemerkt werden, dass interkulturelle Kooperationen immer mit harter Arbeit von beiden Seiten geprägt sind, weil es zu Beginn häufig zu Missverständnissen kommen kann. Durch unterschiedliche Arbeitskulturen sind Abläufe und Deadlines nicht immer leicht zu koordinieren. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, sich

immer genügend Zeit und Raum zu lassen, um genau diese Herausforderungen ausreichend besprechen und bearbeiten zu können. Dabei sind gegenseitiges Lernen, Geduld und Respekt von äußerster Wichtigkeit. Die Kooperation zwischen den Universitäten, das sich kontinuierlich steigernde gegenseitige Verständnis wie auch der respektvolle Umgang haben über einige Umwege und Missverständnisse eine solide Basis für weitere Kooperationen gelegt, die sehr motiviert von allen Beteiligten angestrebt wird.

Gottfried Biewer ist Professor für Sonder- und Heilpädagogik der Universität Wien, Vorstand des Instituts für Bildungswissenschaft, Leiter des Arbeitsbereichs Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik in der Abteilung Bildung und Entwicklung. Michelle Proyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind integrative und inklusive Pädagogik, international und interkulturell vergleichende Heilpädagogik, Behinderung, Bildung und Entwicklung mit Schwerpunkt Asien. Margarita Schiemer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind international und interkulturell vergleichende Heilpädagogik, Kultur und Behinderung, Armut und Behinderung, integrative und inklusive Pädagogik, Afrika.

Das RESPOND-HER-Projekt wurde durch APPEAR gefördert. APPEAR ist ein Programm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

Das Forschungsteam während des ersten Meetings 2011 an der Addis Abeba Universität

© Gottfried Biewer

Die äthiopischen Partner/innen berichten von großen Lerneffekten im Team v. a. durch die Sammlung der Daten, der Projektorganisation, der Interpretation von (vorwiegend qualitativen) Daten und der Finalisierung von Forschungsberichten. Durch den Austausch und die enge Kooperation konnten v. a. Wissen, unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlichen Forschungsmethoden, Erfahrungen, Arbeitskultur und Ressourcen geteilt und ausgetauscht werden. Diese wertvollen Erlebnisse wurden von beiden Seiten hoch geschätzt.


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Nikoleta Nikisianli

»Leave no one behind« Wie Inklusion und Disability Mainstreaming durch Hochschulkooperationen umgesetzt werden können.

Weltweit leben zirka eine Mrd. Menschen mit irgendeiner Form der Behinderung, 80 Prozent davon im globalen Süden, so die Weltgesundheitsorganisation. Ein Grund dafür ist der Teufelskreis zwischen Armut und Behinderung. Armut kann sowohl Ursache, als auch Folge von Behinderung sein. Weitere Gründe im globalen Süden sind unter anderem Naturkatastrophen oder die Folgen von Kriegen und bewaffneten Konflikten. EZA-Maßnahmen sollen nicht nur einen Beitrag in der medizinischen Versorgung leisten und somit Behinderung rein als medizinisches Problem auffassen, sondern ebenso die soziale Dimension von Behinderung miteinbeziehen, d. h. Diskriminierungen, die aufgrund einer Behinderung zu sozialer Exklusion führen.

Internationale Richtlinien Auf internationaler Ebene lassen sich wachsendes Engagement und Verpflichtungen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Disability Mainstreaming erkennen. Die UN-Behindertenrechtskonvention, welche von Österreich 2008 ratifiziert wurde, wird als Referenzdokument herangezogen und ist die wichtigste internationale Vorgabe. Hervorgehoben werden muss insbesondere Artikel 32 der UNBehindertenrechtskonvention zur internationalen Kooperation, der besagt, dass Entwicklungsprogramme auch für Menschen mit Behinderung zugänglich sein müssen. Während Disability Mainstreaming in

Inklusion in/durch APPEAR Durch APPEAR-Projekte werden lokale Hochschulen unterstützt, um einen Beitrag für die Armutsreduktion in ihren Ländern zu leisten. Die Praxisund Ergebnisorientierung im Rahmen von APPEAR bedeutet, dass die gesellschaftlich-soziale Dimension in den jeweiligen Ländern berücksichtigt wird und die soziale Realität widerspiegelt, um eben dadurch sozialen Wandel herbeizuführen. Damit sozialer Wandel stattfinden kann, müssen unter anderem soziale Benachteiligungen beseitigt werden. Hier kommt Inklusion – als Konzept und Desiderat gesellschaftlicher Gleichbehandlung – ins Spiel.

können von akademischen Partnerschaften nicht nur aufgespürt, sondern auch adressiert werden. Potenzielle Interventions- und Forschungsfelder sind nicht nur die Barrierefreiheit an Hochschulen. Darüber hinaus muss einerseits ein fairer und gleichberechtigter Zugang von Studierenden mit Behinderung zu Hochschulbildung, andererseits die Konzeption und Bereitstellung adäquater Lehr- und Lernunterlagen gesichert werden. Die Zusammenarbeit mit universitären Vertretungsbüros von Studierenden mit Behinderung – dort, wo welche vorhanden sind – muss forciert werden, sodass diese zum Beispiel bei der Bewerbung von Stipendienprogrammen nicht übersehen werden. Forschung für Entwicklung bedeutet jedoch viel mehr. Durch akademische Partnerschaften können strukturelle und kulturelle Barrieren empirisch erforscht und daraus Maßnahmen für die Gestaltung inklusiver Hochschulen und Gesellschaften abgeleitet werden. Die Liste potenzieller Aktivitäten und Forschungsfelder zu Inklusion ist natürlich viel umfangreicher.

Im Rahmen von APPEAR soll somit Inklusion in allen Phasen des Projektzyklus, d. h. in der Konzeption, der Implementierung, der Evaluierung usw. mitgedacht werden. Soziale Benachteiligungen aufgrund von Behinderung

© www.globalgoals.org

Der Teufelskreis von Behinderung und Armut

den Millennium-Entwicklungszielen noch nicht als Ziel definiert war, werden Menschen mit Behinderung explizit in fünf der 17 neuen nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs), die 2015 verabschiedet wurden, erwähnt. Der Fokus auf benachteiligte Menschen ist nicht mehr zu übersehen. Wichtig ist bei allen SDGs der inklusive Aspekt: »Leave no one behind.«

© Pixelio

Inklusion als Querschnittsthema wurde 2015 in die Programm- und Projektabwicklung von APPEAR eingeführt. Doch was lässt sich unter Inklusion und Disability Mainstreaming in Hochschulkooperationen verstehen und wie könnte der Beitrag von Hochschulen aussehen? Unter Inklusion wird die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung verstanden. Disability Mainstreaming hingegen – also die Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) – setzt Maßnahmen, durch die Menschen mit Behinderungen in EZA-Programmen und -Projekten nicht übersehen oder gar diskriminiert werden. Die entwicklungspolitischen Maßnahmen sollen ihnen gleichermaßen zugute kommen.

APPEAR ist ein Programm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und wird vom OeAD – von der Abteilung Bildung und Forschung für internationale Entwicklungszusammenarbeit – koordiniert. Das APPEAR-Programm fördert akademische Partnerschaften zwischen Hochschulen in Österreich und in den Schwerpunktländern bzw. –regionen der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA).


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Sandra Allmayer

Internationalisierung und Vielfalt Wie Synergien von Internationalisierung und Diversitätsmanagement genutzt werden können.

Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass Diversitätsmanagement im tertiären Bildungssektor Einzug hält – entweder mit hochschulweiten Beauftragten oder einer eigenen Abteilung. Die Ansätze an den Hochschulen sind dabei recht unterschiedlich: So implementieren die einen Diversitätsmanagement in ihrer gesamtstrategischen Ausrichtung, die anderen treffen zuerst gezielte Maßnahmen oder initiieren Projekte und dritte positionieren sich vor allem auf der Website. Mögen die Zugänge divergieren, gemeinsam verfolgen jedoch alle das Ziel, die zunehmende Diversität an Hochschulen sichtbar zu machen: Insbesondere zielt die Blickrichtung »auf Alter, Nationalität, Migrationshintergrund, Familienstand und -hintergrund, sexuelle Orientierung oder Lebensstil und die DiversityMerkmale soziale und sozio-ökonomische Herkunft, den Bildungshintergrund, (fehlende) Hochschulzugangsberechtigung und finanziellen Status, aber auch Behinderung/Beeinträchtigung und den Gesundheitszustand« (Matuko 2010, 305). Darüber hinaus geht es darum, Maßnahmen zur Chancengleichheit zu setzen – also Menschen in ihrer Vielfalt wertzuschätzen, zu inkludieren und zu fördern. Dass unsere Gesellschaft immer vielfältiger wird und Chancen nicht immer gerecht verteilt sind, ist unbestritten. Hochschulen tragen die gesellschaftliche Verantwortung, diese Vielfalt widerzuspiegeln und Maßnahmen zur Chancengleichheit zu treffen.

Neuorientierung und Change-Prozess All dies erfordert eine Neuorientierung der einzelnen Hochschulen und umfassende Change-Prozesse. Die Einstellung und das Verhalten aller arbeitenden und studierenden Menschen an der Hochschule als Bereicherung zu sehen, ist der Boden, auf dem Individualität und Vielfalt gedeihen können. Dies heißt, einander mit Respekt, Offenheit und Wertschätzung zu begegnen und das Andere, das nicht Vertraute, das »Fremde« nicht zu bewerten. Und hier treffen Internationalisierung und Diversitätsmanagement aufeinander. Denn als gemeinsame Basis einer erfolgreichen Internationalisierung und eines nachhaltigen Diversitätsmanagements versteht sich die Etablierung einer Hochschulkultur, in der alle Menschen willkommen geheißen werden. Herkunft, Geschlecht, Alter, Beeinträchtigungen, Bildungshintergrund etc. spie-

len keine Rolle. Dabei geht es um die Flexibilität und Mobilität aller an der Hochschule arbeitenden und studierenden Menschen, um die Offenheit für Neues und Ungewohntes, um die Bereitschaft, Veränderungen zuzulassen und last but not least, um den Willen dazu. Nur so kann Vielfalt gefördert werden, wachsen und Internationalisierung langfristig Erfolg bringen. Insofern soll im Folgenden auf zwei Zugänge zur Etablierung einer hochschulweiten Willkommenskultur eingegangen werden, welche aus den Synergien der Strategien Internationalisierung und Diversitätsmanagement resultieren und welche an der FH Technikum Wien umgesetzt wurden.

Code of Conduct und Förderung von Mobilitäten Der erste Zugang betrifft die Etablierung eines Code of Conduct für alle an der FH Technikum Wien arbeitenden und studierenden Menschen, der unter Einbindung aller Interessensgruppen in einer Arbeitsgruppe von 30 Personen entwickelt wurde. Mit diesem Bekenntnis wurde einerseits dem besonderen Verständnis eines partnerschaftlichen Miteinanders Ausdruck verliehen und andererseits auch dazu aufgefordert, eigene Einstellungen, Haltungen und eigenes Entscheiden und Handeln hinsichtlich eines inklusiven Umgangs mit Vielfalt – insbesondere in Bezug auf unterschiedliche Kulturen – kritisch zu reflektieren. Auslandserfahrung ist hier ein entscheidender Faktor, denn sich selbst »in der Fremde« mit verschiedenen Kulturen auseinandergesetzt und somit die Perspektiven gewechselt zu haben, fördert die persönliche Weiterentwicklung und schafft jenes Verständnis für Vielfalt, welches einer gelebten Willkommenskultur zugrunde liegt. Deshalb wurden – als zweiter Zugang – an der FH Technikum Wien gezielte Maßnahmen getroffen, welche z. B. die Staff-Mobilität im Vergleich zum Vorjahr um 168 Prozent steigerten – ganz im Sinne einer gelebten Internationalisierung, oder doch des Diversitätsmanagements?

Quellen: FH Technikum Wien (2014): Unsere Verhaltensgrundsätze: www.technikum-wien.at/ueber-uns/die-fhtwstellt-sich-vor/ Matuko, Bartholomäus (2010). Das Bildungssystem sollte alle Sprachen sprechen. Diversity an Hochschulen – Modelle und Perspektiven. In: Sabine Krönchen (Hrsg.) Vielfalt & Inklusion. Herausforderungen an die Praxis und die Ausbildung in der sozialen Arbeit und der Kulturpädagogik, Schriften des Fachbereichs Sozialwesen der Hochschule Niederrhein, Bd 51, 297-335. MMag. Dr. Sandra Allmayer, MA ist seit 2014 Leiterin des Centre for International Relations sowie seit 2013 Beauftragte für Diversität und Inklusion an der FH Technikum Wien, an der sie auch in den Bereichen interkulturelle Kommunikation, Deutsch als Fremdsprache und Gender und Diversity als Lehrende tätig ist.

infopoint www.technikum-wien.at


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Katharina Kloser

Internationalisierung im berufsbegleitenden Studium Um Studium, Beruf und Internationalisierung vereinen zu können, werden effiziente Planung und fördernde Rahmenbedingungen benötigt.

© SOWOSEC

Die Fachhochschule Campus Wien bietet für Berufstätige ein international ausgerichtetes Studium an.

Wenn Berufstätige zusätzlich zu ihrer Arbeit studieren, dann benötigen sie ein besonders hohes Maß an Energie, um die zeitlichen, organisatorischen und inhaltlichen Anforderungen eines berufsbegleitenden Studiums zu meistern. Die Vereinbarkeit von Studium und Beruf nimmt an der FH Campus Wien einen wichtigen Stellenwert ein. Die Verantwortlichen sind sich bewusst, dass an den Student/innen orientierte Lösungen benötigt werden, um den Studienerfolg berufstätig Studierender zu sichern und diesen gleichzeitig zu ermöglichen, ihren beruflichen Alltag reibungslos zu gestalten. Die FH bietet für Berufstätige günstige Unterrichtsformen wie Fernlehre, Blocklehrveranstaltungen und einen hohen Anteil an Abendlehre sowie Anrechnungsmöglichkeiten für facheinschlägige berufliche Praxis. Darüber hinaus sucht die FH nach Wegen, um auch berufsbegleitend Studierenden die Chance zu geben, Internationalisierungserfahrung sammeln zu können. Da für die meisten von ihnen klassische Mobilitäten mit Erasmus+ nicht infrage kommen, fördert die FH Campus Wien speziell kurze, für Berufstätige leichter zu realisierende Mobilitäten. Thomas Fischer, Lehrender am Department Technik, organisiert regelmäßig Studienreisen ins Ausland. Er meint, dass seine Studierenden das Angebot wahrnehmen, weil sie darin die Chance erkennen, auch in einem kompakt organisierten Unterricht aufschlussreiche Einblicke in ein ungewohntes Umfeld zu gewinnen. Neben Kurzmobilitäten legt die FH großes Augenmerk auf Internationalisation at Home: Durch internationale Komponenten im Curriculum sowie extracurriculare Veranstaltungen wird internationale Erfahrung

auch in Wien greifbar. Am Technikdepartment wird derzeit im Rahmen des MA23-Projekts »I@H« das Modul Internationalisierung mit internationalen Gastlehrenden implementiert. Auf die Frage, warum die FH Campus Wien mit dem Joint Degree Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit (SOWOSEC) ein international ausgerichtetes Studium für Berufstätige anbietet, antwortet Departmentleiterin Brigitta Zierer: »Die Rahmenbedingungen für soziale Arbeit und sozialwirtschaftliche Organisationen werden immer stärker durch die Mehrebenenpolitik der EU bzw. internationale Entwicklungen beeinflusst. Viele Studierende haben den Bedarf an internationaler Kooperation erkannt und wollen vermehrt in Arbeitsfeldern und Organisationen mit internationaler Schwerpunktsetzung beruflich tätig sein. Unser Masterstudium bietet deshalb verschiedene Lehrinhalte und auch Lehr-/Lernformen, die diesem Interesse gerecht werden.« »Internationalisierung bedeutet für mich auch, außerhalb des gewohnten Umfelds denken und agieren zu können«, sagt die SOWOSEC-Studentin Daniela Hirsch. Sie hat sich für ein berufsbegleitendes Studium entschieden, um ihre Kenntnisse für den Job auszubauen und sich persönlich wei-

terzuentwickeln. Hirsch, der Vielfalt sehr wichtig ist, hat diese auch in SOWOSEC gefunden: »Von anderen Ländern und Menschen zu lernen und miteinander im Austausch zu stehen, ist für mich sehr wichtig. SOWOSEC fördert diesen Austausch in unterschiedlichen Formen.« Die Student/innen verbringen auch einen verpflichtenden zweiwöchigen Studienaufenthalt im Ausland. Effiziente, frühzeitige Planung und die Unterstützung auf Arbeitgeber/innenseite seien das Um und Auf für den Studienerfolg, so Hirsch. Transparente Information über Termine und Arbeitsaufwand sowie finanzielle Ressourcen für den Auslandsaufenthalt würden benötigt. Aufwand, der sich letztendlich lohne und neue Perspektiven eröffne. Und wenn die Motivation dann doch einmal weniger wird? Hirsch: »Dann helfen die Mitstudierenden dabei, das Tief zu überwinden.« Wie auch im Gespräch mit Daniela Hirsch deutlich wird, ist der Erwerb internationaler Erfahrungen ein wichtiger Bestandteil eines akademischen Studiums. Sie erweitern den Horizont und daraus erwachsende Erkenntnisse sind sowohl von hohem Nutzen für die Studierenden als auch eine Bereicherung für die gesamte Hochschule. So ist die Integration der Mitarbeiter/innen in den europäischen Hochschulraum um international fachlichen Weitblick zu gewinnen, im Rahmen der Strategie 2020 für die FH Campus Wien von zentraler Bedeutung. Für berufsbegleitend Studierende wäre eine Ausweitung des Programms Erasmus+ auf Kurzmobilitäten wünschenswert. Katharina Kloser studierte Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und absolvierte im Rahmen ihrer Diplomarbeit einen Forschungsaufenthalt in Nicaragua. Seit 2011 ist sie im International Office der FH Campus Wien tätig. Als Koordinatorin für Internationalisation at Home unterstützt sie die Studiengänge dabei, Internationalisierungsprojekte zu initiieren und damit verbundene Aktivitäten zu verwirklichen.

infopoint www.fh-campuswien.ac.at


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Lydia Maria Arantes

Strapazen, die sich lohnten Ein Auslandsaufenthalt mit Kind ist finanziell, emotional und organisatorisch eine Herausforderung.

Wenn ich daran denke, dass ich vor einem Jahr noch mit meiner damals dreijährigen Tochter in einem kalten Zehn-Quadratmeter-Zimmer hauste, während ich am University College London einen sechsmonatigen Auslandsaufenthalt absolvierte, muss ich schmunzeln. Klar – all die unterschiedlichen Strapazen haben sich mehr als gelohnt, weil meine dortige Betreuerin nicht nur fachlich top, sondern auch menschlich wunderbar war. Im Nachhinein kommt mir das Ganze dennoch ein wenig unwirklich vor. Mein Mann absolvierte währenddessen ein Auslandssemester in Dublin, was das ganze Unterfangen finanziell, emotional und organisatorisch nicht wirklich einfacher machte. Den Wunsch, ein Auslandssemester zu absolvieren, hatte ich schon lange. Als ich ziemlich bald nach Beginn des Doktoratsstudiums schwanger wurde, legte ich diese Pläne auf Eis. Zwei Jahre später lernte ich auf einer Konferenz Wissenschaftler/innen kennen, die in meinem Bereich zu den Koryphäen gehören, und ich wusste, dass ich mit ihnen zusammenarbeiten wollte. Das Organisieren begann. Meine Londoner Betreuerin, zugleich Institutsvorständin des betreffenden Instituts, schlug vor, eine Erasmus-Partnerschaft zu initiieren, damit ich die horrenden Gebühren nicht bezahlen müsse. Dies wurde prompt in die Wege geleitet. Ich verbrachte ein ganzes Jahr damit, Förderanträge zu schreiben, um den Aufenthalt zu finanzieren. Der Kindergarten alleine kostete monatlich zirka 1.300 Euro, das besagte Zimmerchen 1.000 Euro. Ich schaffte es, Stipendien einzuwerben, die uns ein monatliches Einkommen von 2.500 Euro verschafften – erheblich mehr, als wir zu dritt in Graz monatlich zur Verfügung hatten. Und dennoch reichte es bei Weitem nicht aus. Öffi-Monatsticket, Verpflegung, fehlendes Mobiliar, ein paar Spielsachen, Kopierkosten etc. beliefen sich auch beim sparsamsten Umgang auf mehrere hundert Euro monatlich. Gut, dass der Eintritt in die zahlreichen

Museen in London gratis ist. Dies bescherte uns die nötige Abwechslung. Der größte Wermutstropfen war, dass meinem Mann kein Platz an einer Londoner Partneruniversität zugeteilt wurde. Dadurch konnte ich die wöchentlichen Institutsvorträge, auf die ich mich so gefreut hatte, nicht besuchen, weil der Kindergarten zu diesem Zeitpunkt geschlossen war. Da ich tagsüber die meiste Zeit mit Lesen und Schreiben verbrachte und, trotz Arbeitsplatz in einem Großraumbüro mit anderen (Post-)Doktorand/innen, relativ einsam vor mich hinarbeitete, wären diese Vorträge eine willkommene Gelegenheit gewesen, die Institutsbelegschaft und die jeweiligen Vortragenden besser kennenzulernen und – wie man so schön sagt – zu netzwerken.

© Lydia M. Arantes

© Lydia M. Arantes

Mit genügend Vorlaufzeit und viel Geduld lassen sich Kind und Studium im Ausland verbinden.

Lydia M. Arantes verbrachte die Freizeit mit ihrer Tochter gerne in den Londoner Museen – im Bild im Natural History Museum.

Auch wenn ich in dieser Zeit emotional manchmal an meine Grenzen kam, bin ich froh, diesen Schritt gewagt zu haben. Meine Londoner Betreuerin hat mich über den Aufenthalt hinaus als offizielle Zweitbetreuerin bei meiner Dissertation betreut und kam eigens für die Abnahme des Rigorosums im Dezember 2015 nach Graz, wo wir ein paar schöne gemeinsame Tage

verbrachten und über meine Zukunft plauderten. Ich werde demnächst mit dem Londoner Institut affiliiert, worüber ich mich sehr freue. Zukünftigen Auslandsstudierenden mit Kind möchte ich empfehlen, sich diesen Aufwand nicht anzutun, nur um eine andere Sprache oder Kultur kennen zu lernen. Es muss sich in akademischer Hinsicht lohnen, denn Party spielt es nicht. Auf jeden Fall ist genügend Vorlaufzeit wichtig, um eine Unterkunft zu finden, um die Gelder einzuwerben, um einen Kindergartenplatz zu finden etc. Für meine Tochter waren es übrigens auch aufregende sechs Monate, innerhalb derer sie beinahe fließend Englisch (DreijährigenNiveau) sprechen lernte. Wir lesen immer noch englische Bücher bzw. sprechen »ihre Puppen« manchmal immer noch Englisch, was ich sehr toll finde. Mag. Dr. Lydia Maria Arantes schloss ihr Doktoratsstudium am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Universität Graz im Dezember 2015 ab. Sie wurde im Rahmen dieses Studiums an die Gasthochschule University College London nominiert, wo sie sechs Monate verbrachte.


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Heiko Vogl

Interkulturalität und Diversität in der Pädagog/innenbildung

© Martin Gössler | PHSt

Mobilität in der Lehrer/innenausbildung fördert die interkulturelle Kompetenz.

Die Schulklassen werden »internationaler« und darauf muss die Pädagog/innenausbildung reagieren.

Für künftige Generationen von Pädagoginnen und Pädagogen werden internationale Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen immer wichtiger. Die Interkulturalität im Klassenzimmer nimmt stetig zu. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, nicht-deutscher Muttersprache und einem anderen Kulturverständnis sollen bestmöglich gebildet und auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet werden. Zusätzlich verändert die Globalisierung die künftigen Arbeitswelten radikal. Traditionelle Berufe verschwinden, neue Berufe werden entstehen und für diese werden neue, insbesondere auch interkulturelle Kompetenzen notwendig sein. Auch die Pädagog/innenbildung muss auf diese Herausforderungen reagieren und ihr Umfeld diverser und interkultureller gestalten. Lehramtsstudierende bilden im Gegensatz zu ihren künftigen Schüler/innen eine sehr homogene Gruppe. Die/der typische Studierende im Lehramt für Primarstufe an Pädagogischen Hochschulen ist zwischen 19 und 25 Jahre alt, weiblich, in Österreich geboren und spricht Deutsch als Muttersprache. Der Anteil von Ausländer/innen in der Pädagog/innenbildung ist äußerst gering. Er beträgt beispielsweise an der Pädagogischen Hochschule Steiermark in der Primarstufenausbildung nur zirka fünf Prozent und in der Ausbildung für das Lehramt an Sekundarstufe weniger als 2,5 Prozent. Auch der Anteil an Studierenden, die für ein Semester im Ausland studieren, ist geringer als in anderen Studienrichtungen. Aus diesem Grund forderten bereits 2013 deutsche Expert/innen in einer Resolution eine stärkere Internationalisierung der Lehramtsausbildung (DAAD, 2013). Diese Resolution beinhaltet die Implementierung von Mobilitätsfenstern in Studiengängen, Praxisphasen im Ausland, einen zusätzlichen Anreiz für Studierende, um internationale Erfahrungen zu sammeln, erweiterte interkulturelle Erfahrungen für

Studierende, die Förderung der Incoming-Mobilität, eine Stärkung der Internationalisation at Home sowie die Ausweitung dieser Maßnahmen für im Dienst stehende Lehrpersonen. Die Pädagogische Hochschule Steiermark (PHSt) hat diese Herausforderungen erkannt und angenommen. Die Internationalisierungsstrategie der Hochschule wurde angepasst und erste Maßnahmen wurden gesetzt. Im Zuge der Neugestaltung der Curricula der »Pädagog/innenbildung Neu« wurde für alle Studiengänge die Empfehlung für eine internationale Mobilität aufgenommen. In der Ausbildung zur Primarstufenpädagogin/zum Primarstufenpädagogen wurde der Schwerpunkt »Sprachliche Bildung und Diversität« eingerichtet. Dieser Schwerpunkt beinhaltet ein verpflichtendes Auslandssemester. Studierende werden sprachlich, organisatorisch und interkulturell auf das Auslandssemester vorbereitet. Sie erhalten eine Einführung in die Zusammenhänge von Diversität und Diskriminierungspraktiken in Gesellschaften und reflektieren über gesellschaftliche und individuelle Verantwortung im interkulturellen Kontext. Ein inhaltlicher Schwerpunkt dieser Prä-Mobilitätsphase ist der Erwerb von »Language and Cultural Awareness«. Zusätzlich wird eine weitere Fremdsprache erworben. Nach Rückkehr aus dem Auslandssemester, in der Post-Mobilitätsphase, wird über das Auslandssemester in der Gruppe reflektiert. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei in »Global Citizenship Education«. In vielen Lehrveranstaltungen des Schwerpunkts werden die Studierenden gemeinsam mit Erasmus-Incoming-Studierenden unterrichtet. Zusätzlich gibt es für Incoming-Studierende seit dem Wintersemester 2015/16 den englischsprachiger Lehrgang »International Teacher Competences«. In diesem

Lehrgang werden internationale und österreichische Studierende mit im Dienst stehenden Lehrer/innen gemeinsam unterrichtet. Alle oben genannten Maßnahmen werden seit 2016 an der PHSt vom neu gegründeten Institut für Diversität und Internationales durchgeführt und koordiniert. Die PHSt leistet damit einen nachhaltigen Beitrag für die Internationalisierung in der Pädagog/innenbildung und ermöglicht es künftigen Lehrer/innen, erste interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Heiko Vogl, MA BEd ist stellvertretender Leiter des Instituts für Diversität und Internationales, Bereichsleiter für Internationales und Lehrender an der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Er betreut die Website www.european-teachers.eu und betreibt den Blog www.erasmus-journal.eu. Vogl ist Herausgeber des Erasmus+ Journals. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Internationalisierung, digitale Kommunikation und »Technologie Enhanced Learning«. Literatur: DAAD (2013, August 11). Lehrerbildung muss internationaler werden. Abgerufen von www. daad.de/presse/pressemitteilungen/de/32578lehrerbildung-muss-internationaler-werden/ Frey, C. B., Osborne, M. A. (2013): The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation

infopoint www.phst.at


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Christine Kladnik

Alles inklusive: eTwinning Wie können eTwinning-Projekte zur inklusiven Schulentwicklung beitragen?

© OeAD | APA-Fotoservice, Schedl

Die Projektidee ergab sich aus dem Jahresthema »Österreich« in Geografie und wurde gemeinsam mit den Schüler/innen entwickelt. Es sollte eine Webseite entstehen, auf der alle Projektpartner die für sie interessantesten und wichtigsten Fakten zu ihren Ländern darstellen und präsentieren. Im Projekt arbeiteten 20 Klassen (verschiedene Schularten von der Förderschule bis zum Gymnasium) aus 14 europäischen Ländern zusammen. Das Projekt wurde über den gesamten Zeitraum des Schuljahrs durchgeführt. Lehrer/innen und Schüler/innen der Neuen Mittelschule Gaming bei der eTwinning-Preisverleihung

Dass die Umsetzung der Ziele eines inklusiven Bildungssystems keine Frage des »Ob«, sondern eine Frage des »Wie« ist, kann spätestens seit der Ratifizierung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung (BRK, 2006) und der Entwicklung des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2012–2020 (BMASK, 2012) festgestellt werden. Eine umfassende Behandlung des Themas Inklusion würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Die theoretische Grundlage kann somit nur aus einer kurzen Begriffsklärung bestehen.

Was ist inklusive Pädagogik? Eine der umfassendsten Definitionen wurde bereits sehr früh von Georg Feuser formuliert, er benutzte damals noch den Ausdruck »integrativ«: »Integrative ist eine Allgemeine Pädagogik, in der alle Kinder und Schüler in Kooperation miteinander, auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau, nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen, in Orientierung auf die ›Zone der nächsten Entwicklung‹, an und mit einem ›gemeinsamen Gegenstand‹ spielen, lernen und arbeiten.« (Feuser 1995, S. 168) Wie kann nun ein eTwinning-Projekt den Ansprüchen einer inklusiven Pädagogik im Sinne dieser Definition entsprechen und damit zur inklusiven Schulentwicklung beitragen? Diese Frage soll am Beispiel eines Projekts, das an der Neuen Mittelschule Gaming im Schuljahr 2014/15 mit den Schüler/innen der damaligen 3a (Integrationsklasse) durchgeführt wurde, geklärt werden. Dazu vorerst eine kurze Vorstellung des Projekts, über das sich Interessierte auch auf der Webseite www.project14-15.weebly.com ein Bild machen können.

Hier soll das Projekt nun mit der Definition zur inklusiven Pädagogik von Feuser (vgl. oben) in Verbindung gesetzt werden: Integrative ist eine Allgemeine Pädagogik ... Das Projekt wurde mit allen Schüler/innen geplant und gestaltet, dabei spielten Kategorien wie »behindertnicht behindert«, »sonderpädagogischer Förderbedarf«, usw. keine Rolle. Die Inhalte des Projekts orientierten sich am allgemeinen Curriculum der beteiligten Fächer und wurden fächerübergreifend aufbereitet. ... in der alle Kinder und Schüler in Kooperation miteinander, auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau, nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen ... Projektarbeit erfordert hohe Kompetenzen im Bereich Kooperation. Alle Schüler/innen konnten sich hier weiterentwickeln. Sehr bewusst wurde von allen Beteiligten in der Planung und Umsetzung darauf geachtet, dass die Stärken und Interessen jeder Schülerin und jedes Schülers (aber auch der Lehrkräfte) als Ressource für das Projekt genutzt wurde. So gab es z. B. einen Schüler, der große Fähigkeiten im Bereich Fotografie und Video hatte bzw. auch die Ausrüstung dafür zur Verfügung stellte, ein anderer konnte seine besonderen musikalischen Talente nutzen. Einige andere konnten ihre guten Englischkenntnisse für die Übersetzung der Texte einsetzen, andere waren besonders kreativ bei der Gestaltung der Weihnachtskarten. Ein Schüler wurde durch seine Sprachkenntnisse im Skype Meeting mit der türkischen Partnerschule zum Dolmetscher, ein anderer brachte sich mit seinem Spezialinteresse für Geschichte ein usw. ... in Orientierung auf die »Zone der nächsten Entwicklung« ... Viele der Vorgaben zur Gestaltung ihrer Beiträge brachten Herausforderungen für Schüler/innen mit sich, an denen sie »wachsen« konnten. ... an und mit einem »gemeinsamen Gegenstand« spielen, lernen und arbeiten. Projektunterricht ist in besonderer Weise geeignet, in »ganzheitlicher Weise (...) Lerninhalte intensiv zu

verstehen, aktiv zu bearbeiten und handlungsbezogen eigene Interessen aufzubauen«, dabei »enge Fachgrenzen zu überschreiten und Fachinhalte miteinander zu erfahren«. Projekte gehören somit zu den wichtigsten Methoden der inklusiven Didaktik. (vgl. Reich 2014)

Weitere inklusive Aspekte Durch die breite, fächerübergreifende Gestaltung des Projekts ergaben sich neue Impulse in der Teamarbeit zwischen den beteiligten Pädagog/innen. Zudem gaben die Lehrer/innen in der Evaluation des Projekts an, dass sie »einen anderen Blick« auf die Schüler/innen bekommen hätten. Zum Schluss ein kurzes Zitat aus einem der Interviews: »Man lernt die Kinder anders kennen: ihre Vorlieben und Stärken – ob beim Filmen oder Kochen – oder auch ihre Kreativität.« Dieser »andere Blick« und die Wertschätzung der individuellen Ressourcen und Stärken jedes einzelnen Kindes sind Grundvoraussetzung einer inklusiven Pädagogik der Vielfalt. Christine Kladnik ist an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich am Institut Elementar- und Grundstufenpädagogik tätig. Literaturverzeichnis: BMASK (2012): Nationaler Aktionsplan Behinderung 2012–2020. Strategie der österreichischen Regierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Inklusion als Menschenrecht und Auftrag, Wien: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz BRK (2006): UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen. (Online-)Originalfassung vom 13.12.2006, offizielle deutsche Übersetzung Feuser, G. (1995): Behinderte Kinder und Jugendliche. Zwischen Integration und Aussonderung. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Reich, K. (2014): Inklusive Didaktik. Bausteine für eine inklusive Schule. Weinheim und Basel, Beltz Verlag


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Wolfgang Zeiler

Das Poly als modulare Berufsvorbereitung

© Q.pictures | Pixelio

Gezielte Kooperationen zwischen Unternehmen im Triestingtal und der Polytechnischen Schule wirken als Motor für die ganze Region.

© Tim Reckmann | Pixelio

© Karl-Heinz Laube | Pixelio

»WIR bilden die Zukunft« lautet das Motto unserer Schule, der Polytechnischen Schule in Pottenstein. Das ist die Nachbargemeinde von Berndorf, dem größten Ort im Triestingtal. Seit Alfred Krupp sein Werk hier gegründet hat, dreht sich vieles um das Thema Metall und Metallverarbeitung. Heute sind in der Region einige Unternehmen angesiedelt, die zum Teil weltweit operieren oder sogar Weltmarktführer in ihrem Sektor sind. Das Angebot an interessanten Arbeitsplätzen ist groß und trotz wirtschaftlicher Höhen- und Sinkflüge sind die Chancen für Jugendliche, die einen qualitativ hochwertigen Ausbildungsplatz suchen, prinzipiell gut. Dennoch beklagt sich die Wirtschaft vor Ort seit einigen Jahren über das sinkende Niveau der stellensuchenden Bewerber/innen. Und auch wenn früher noch schwächer begabte Lehrlinge aufgenommen werden konnten, erlauben es heute weder die Berufsanforderungen noch der Konkurrenzdruck, ungeeignete Bewerber/innen einzustellen. Eine Situation, die einige dieser Betriebe zu ungewöhnlichen Denkansätzen trieb,

wovon unsere Schule durchaus profitiert. Begonnen hat es damit, dass ich von einem Ausbildungsleiter kontaktiert wurde, der befürchtete, dass die Lehrlinge, die sein Vorgänger aufgenommen hatte, die Berufsschule nicht positiv abschließen würden. Und das würde den Ruf der Firma schädigen und sei daher undenkbar. Und ob ich wüsste, was man dagegen tun könne. Die Lösung war ein engagierter Kollege aus meiner Schule – und wir haben zum Glück einige davon! Er ist »gelernter« Elektriker und hat sich bereit erklärt, mit den Jugendlichen einige Stunden pro Woche in Form einer betriebsinternen Schulung zu üben, um ihre schulischen Defizite aufzuarbeiten. Das war nicht nur ein erfolgreicher Schnellschuss, sondern der Beginn einer langen und intensiven Zusammenarbeit – auch mit allen anderen Metallbetrieben der Region. Denn diese sind untereinander durch ein Netz an jungen und sehr motivierten Ausbildnern verbunden, was wiederum ungewohnte Kooperationen ermöglichte.


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Polytechnische Schule

WIR bilden die Zukunft! Neben den klassichen Fachbereichen Büro und Handel, Dienstleistungen, Elektrotechnik, Holz und Bau, Mechatronik, Metall und Tourismus werden in Abstimmung mit den Wirtschaftsbetrieben in der Region in Modulen spezielle Berufsvorbereitungskurse angeboten.

Aber auch wir als Schule waren gezwungen, neue Möglichkeiten zu suchen. Wir fanden sie in Form von Modulen, die unseren Schulalltag tatsächlich bereicherten.

mensetzung ändert sich viermal pro Jahr in diesem Gegenstand, was sowohl von den Schüler/innen als auch von den Lehrer/innen als positiv empfunden wird.

Die Problematik war, unsere Schüler/innen möglichst gut auf die Aufnahmetests vorzubereiten, die immer früher durchgeführt werden. Daher bleibt uns immer weniger Zeit zum Üben und Festigen der Inhalte. Und auch die Defizite, die die Jugendlichen aus den bisherigen Bildungswegen mitbringen, sind leider unübersehbar und werden rapide größer!

Insgesamt konnten wir bei diesem Modell keine negativen Begleiterscheinungen erkennen, weshalb wir es heuer auch auf das Fach Deutsch erweitert haben und im kommenden Jahr pla-

All diese Bemühungen kosten nur Engagement, aber kaum Geld, sind organisatorisch relativ leicht zu bewerkstelligen – und können der zukünftigen Generation an Facharbeiter/innen Perspektiven zeigen und helfen, einen Platz für den Einstieg in das Berufsleben zu finden. Denn der schlechteste Ausbildungsplatz ist der, den man nicht bekommen hat. Und das können wir uns nicht leisten, denn »WIR bilden die Zukunft!«.

© JMG | Pixelio

Der Modulunterricht sollte hier gegenwirken, weil die Schüler/innen die Reihenfolge der einzelnen Module frei wählen können. Dabei gibt es je zwei Module pro Semester und je zwei aus der technischen und aus der kaufmännischen Mathematik. Jedes Modul wird von einer anderen Lehrperson geleitet. Das bedeutet, dass die Schülerin/ der Schüler im Lauf des Jahres von vier Lehrer/innen unterrichtet und beurteilt wird, was eine gewaltige Objektivierung der Leistungsbeurteilung mit sich bringt. Und auch die Klassenzusam-

nen, den Englischunterricht ebenfalls in der Form zu organisieren. Einmal mit dem Umdenken begonnen, haben wir eine Reihe von Ideen verwirklicht, die ich aus Platzgründen hier nur kurz anreißen kann. Der Hintergedanke dabei ist, die Schule als Teil des Alltags zu sehen. So haben wir eine Diplom-Babysitter-Ausbildung mit Ärzt/innen, Krankenschwestern, Hebammen und Kindergärtner/innen ins Leben gerufen, bieten in Kooperation mit einer Fahrschule den MopedFührerschein an, haben ein eigenes Schulradio-Studio und fahren mit interessierten Jugendlichen regelmäßig ins Theater nach Wien, um zu zeigen, dass Freizeit auch einmal so sein kann.

Wolfgang Zeiler leitet seit zehn Jahren die Polytechnische Schule Pottenstein, an der er seit 33 Jahren arbeitet. Dort bereitet er im Schnitt 75 Schüler/innen, die Volks- und Hauptschule erfolgreich absolviert haben, im gesetzlich verpflichtenden neunten Schuljahr auf ihre Berufswahl und ihr späteres Berufsleben vor. Ziel ist es, für möglichst alle eine Lehrstelle zu finden, bevorzugt im Triestingtal.

© Heiko Stuckmann | Pixelio

Pottenstein


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Ovagem Agaidyan | Kerstin Nemec-Seipenbusch

Tandem now Mentoring through Role Models for Migrant Youth and Youth from Ethnic Minorities – ein erfolgreiches EU-Projekt im Bereich der Berufsbildung (Leonardo da Vinci Innovationstransfer) stellt sich vor.

Die Studie »Lebens- und Erwerbssituation arbeitsmarktferner Jugendlicher mit Migrationshintergrund in Tirol« von Gudrun Biffl und Andreas Steinmayr (Donau-Universität Krems) und Natalia Wächter (Österreichisches Institut für Jugendforschung) zeigt, dass diese Gruppe von Jugendlichen eine spezifische Berufsorientierung und Betreuung beim Berufseinstieg (bei der Lehre) braucht: www.pakte.at/literatur/3/4423.html Diese und ähnliche Erkenntnisse treffen nicht nur in Österreich zu, sondern auch in den Ländern der Projektpartner. Zur Herstellung des direkten Bezugs zu den Erkenntnissen der Arbeitsmarktforschung wurde das EU-Projekt »Tandem now« in externer Evaluation von Prof. Biffl begleitet.

© VHS Tirol | Verein Multikulturell

Es hat sich als sinnvolle Methode erwiesen, den jungen Menschen Begleiter/innen, sogenannte Mentor/innen zur Seite zu stellen, die ihren Mentees erstrebenswerte Berufsfelder aufzeigen und sie an diese unterstützend heranführen. Dieser Ansatz ist nicht neu – Tandem now geht aber einen Schritt weiter, indem der soziokulturelle Hintergrund der Beteiligten

© VHS Tirol |Verein Multikulturell

In vielen europäischen Ländern können Jugendliche mit Migrationshintergrund oder aus ethnischen Minderheiten in ihrer Familie bzw. in ihrem sozialen Umfeld kaum auf Vorbilder in zukunftsorientierten Berufsfeldern zurückgreifen. Die jungen Menschen streben im besten Fall traditionelle Ausbildungen und Berufe an, andere Berufsfelder kommen für sie und ihre Familien nicht in Frage oder sie trauen sich eine solche Wahl nicht zu.

Kick-off-Meeting an der VHS Tirol/Verein Multikulturell, Februar 2013, Innsbruck Bergisel, Cultural Programme (v.l.n.r.): Nazile Öztürk (TR), Kristina Breščanović (Verein Multikulturell, AT), Luisa Ardizzone (IT), Carlos Romera (ES), Kerstin NemecSeipenbusch (VHS Tirol, AT), Ronald Zecha (VHS Tirol, AT), Susanne Dieing (DE), Emma Parsons (IE), Dearbháil Lawless (IE), Irene Pizzo (IT)

berücksichtigt wird: Die Mentor/innen stammen idealtypischerweise aus demselben Kulturkreis wie ihre Mentees und wirken damit als »Role Models«. Dieser Umstand bringt einen großen Startvorteil gegenüber klassischem Mentoring mit sich. Eine weitere Neuheit stellt die Nutzung der neuen Medien in der Kommunikation der Mentoring-Paare dar. Dieses »Blended Mentoring« besteht sowohl in Präsenz- als auch OnlineTreffen (E-Mail, Facebook etc.), was eine weitgehende Unabhängigkeit von Raum und Zeit erlaubt.

Um die Zielgruppen optimal anzusprechen, wurden von vornherein Projektpartner ausgewählt, die seit vielen Jahren Menschen mit Wurzeln in bestimmten Ethnien bzw. Herkunftsländern betreuen: Exchange House (Traveller), Mozaik (Türkei, Georgien, tscherkessische Ethnie, Roma), CESIE (Tunesien, Marokko, Nigeria, Bangladesch, Pakistan, Mauritius, Senegal), BBQ (Italien, Spanien, Polen), GOIZTIRI (Argentinien, Nicaragua, ÄquatorialGuinea, Senegal, Marokko), Verein Multikulturell (Türkei, kurdische Ethnie,

Projekttreffen bei CESIE (Centro Studi Ed Iniziative Europeo) in Palermo, September 2014 (v.l.n.r.): Tatiana Mazur CESIE (IT), Catherine Morley (IE), Kerstin Nemec-Seipenbusch (AT), Silvia Ciaperoni (IT), Irene Pizzo (IT), Elvira Reitshammer (AT), Susanne Dieing (DE), Carlos Romera (ES), Emma Parsons (IE), Dearbháil Lawless (IE), Ömer Düzgün (TR), Ovagem Agaidyan (AT)


© VHS Tirol | Verein Multikulturell

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Verein Multikulturell, Oktober 2014, Innsbruck: Abschlussveranstaltung mit Mentor/innen

von Bewerber/innen. Dieser Umstand unterstützt die Umsetzung der Lissabon-Strategie – sowohl durch die kosteneffiziente Förderung von Innovationen im Bereich der Laufbahnberatung als auch durch eine verbesserte Vermittelbarkeit und eine erhöhte Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer/innen. Die Zusammenarbeit aller Projektpartner war im Übrigen nicht nur blendend, sondern auch »blended«: Zwischen den drei großen Partnertreffen (Kick-off in Innsbruck im Februar 2013, zweites Partnertreffen in Bilbao im Oktober 2013, Abschlusstreffen in Palermo im September 2014) war naturgemäß E-Mail das Kommunikationsmittel der Wahl. Darüber hinaus fanden insgesamt sieben SkypeKonferenzen statt, in denen Themen diskutiert, Entscheidungen getroffen und Projekt-Meilensteine vereinbart wurden – also ganz im Sinne von Tandem now.

Ovagem Agaidyan, MA wurde 1965 in Istanbul geboren, ist seit 1985 in Österreich und hat 2007 das Masterstudium »Interkulturelle Kompetenzen« abgeschlossen. Agaidyan hat zwölf Jahre als Minderheitenredakteur beim ORF gearbeitet, war sechs Jahre Mitglied der Menschenrechtskommission für Tirol und Vorarlberg und ist seit 1989 Gerichtsdolmetscher. 1993 gründete er den Verein Multikulturell/Tiroler Integrationszentrum und leitet diesen seit 1999. 1997 gründete er der Kindervilla und ist seither deren Geschäftsführer.

Tandem now – Factsheet Art des Projekts:

Leonardo da Vinci Innovationstransfer

Vertragnehmende Einrichtung: Projektkoordinator:

Volkshochschule Tirol Verein Multikulturell

Kontakt:

Kerstin Nemec-Seipenbusch, VHS Tirol Ovagem Agaidyan, Verein Multikulturell

Partner: ÆÆ Exchange House National Travellers Service (TRIBLI Ltd.), Irland ÆÆ Mozaik – Human Resources Development, Türkei ÆÆ CESIE Centro Studi ed Iniziative Europeo, Italien ÆÆ BBQ Berufliche Bildung gGmbH, Deutschland ÆÆ ASOCIATION GOIZTIRI ELKARTEA, Spanien Projektlaufzeit:

1. Dezember 2012 bis 30. November 2014 (24 Monate)

Weitere Informationen auf www.tandemnow.eu

Mag.a Kerstin Nemec-Seipenbusch wurde 1960 in Köln geboren, seit 1972 lebt sie in Österreich, 1987 schloss sie das Übersetzerstudium Englisch und Italienisch ab. Seit 1991 ist Nemec-Seipenbusch bei der VHS Tirol tätig, zunächst als Kursleiterin und Zweigstellenleiterin der VHS Innsbruck-West, seit 1999 pädagogische Mitarbeiterin (Organisation und Programmplanung). Sie hat Fortbildungen im Bereich Interkulturalität absolviert und ist Integrationsbeauftragte der VHS Tirol, Projektleiterin bzw. –mitarbeiterin bei EU-Projekten und nationalen Projekten in Zusammenarbeit mit dem Verein Multikulturell.

Treffen mit Mentor/innen bei Mozaik in Samsun, Türkei

© VHS Tirol | Verein Multikulturell

Ungarn, Ägypten, Bosnien, Serbien). Die bestehenden Netzwerke und Strukturen konnten für die Rekrutierung der Mentor/innen und die Akquise der Mentees verwendet werden und erwiesen sich als sehr effektiv. Auf dieser Basis erwarten sich die Partner auch eine Nachhaltigkeit bei der Integration der Projekterkenntnisse in die tägliche Arbeit mit den Zielgruppen. Darüber hinaus wird »Blended Mentoring« in die normale Praxis für Berufs- und Laufbahnberatung integriert. Methoden wie »Cyber-Beratung« verbessern und erweitern den Beitrag von Berufsberater/innen zur individuellen Entwicklung


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oead.news im Gespräch mit Walburga Fröhlich

Chancengleichheit und Inklusion Ziel des Sozial-Unternehmens atempo ist es, dass alle Menschen gleichberechtigt miteinander leben, lernen und arbeiten können. Erasmus+ fördert Chancengleichheit und Inklusion, indem Lernenden aus benachteiligten Verhältnissen der Zugang zu den bestehenden Angeboten erleichtert wird. Die Benachteiligungen der angesprochenen Zielgruppe resultieren aus persönlichen Schwierigkeiten und Hindernissen, die einer Beteiligung an länderübergreifenden Projekten entgegenstehen oder die Möglichkeiten einer Beteiligung zumindest beschränken. Die atempo GmbH führt bereits seit vielen Jahren grenzüberschreitende Projekte im Bereich der Inklusion durch. Wir haben bei der Geschäftsführerin der atempo GmbH, Walburga Fröhlich, nachgefragt, wann man von einem inklusiven Projekt sprechen kann und welche Rahmenbedingungen nötig sind, um die Förderung von Inklusion im Sinne des Programms Erasmus+ weiter vorantreiben zu können.

oead.news: Welche Zielgruppen werden von atempo angesprochen? Walburga Fröhlich: Prinzipiell sprechen wir alle Lernenden mit den unterschiedlichsten Hintergründen an, und genau das ist es, was Inklusion ausmacht. Denn bei Inklusion gilt es, Menschen mit kognitiven, körperlichen oder auch sozialen Beeinträchtigungen buchstäblich nicht zu behindern und ihnen den barrierefreien Zugang zu den unterschiedlichen Angeboten zu ermöglichen. oead.news: Was bedeutet aus Ihrer Sicht Inklusion (im Unterschied zur Integration)? Walburga Fröhlich: Im Unterschied zu Integration, bei der der Fokus und die Erwartungen eher bei den beeinträchtigten Menschen liegen, geht es bei der Inklusion darum, die gesamte Gesellschaft in die Verantwortung einzubeziehen. Inklusion geht über die reinen Angebote für bestimmte Zielgruppen und die Einteilung in Kategorien hinaus und hat den Anspruch, alle Angebote so offen wie möglich zu halten. Diese Offenheit macht Individualität möglich und lässt Verschiedenheit in einem positiven Licht erstrahlen. Inklusion ist dann erfolgreich, wenn wir von speziellen Angeboten für bestimmte Zielgruppen wegkommen und unsere Angebote per se so gestalten, dass der Zugang für alle Menschen in ihrer Verschiedenheit ermöglicht wird. Im Bildungsbereich sollte diese Verschiedenheit als Selbstverständlichkeit gesehen werden. oead.news: Was können Bildungsprogramme generell für eine positive Entwicklung zu mehr Inklusion leisten? Walburga Fröhlich: Wichtig wäre es nach wie vor, Projekte besonders zu fördern, die der Wissensgenerierung und der Erprobung von Innovationsideen im Bereich der Inklusion dienen. Des Weiteren sollten aus unserer Sicht Bildungsprogramme auch vermehrt jene Einrich-

tungen ansprechen, die nicht per se als Bildungseinrichtungen definiert sind (Vereine, NGOs etc.), weil Personen mit Beeinträchtigungen oft nicht an klassischen Bildungseinrichtungen lernen. oead.news: Das Programm Erasmus+ hat mit seiner Einführung im Jahr 2014 ein klares Zeichen für mehr Inklusion in EUProjekten gesetzt – wie stehen Sie dieser Zeichensetzung gegenüber? Walburga Fröhlich: Das Programm Erasmus+ hat einen sehr positiven Beitrag für die Förderung von Inklusion geleistet, indem es durch die Hervorhebung des Themas an sich ein Statement gesetzt hat. In der Vergangenheit wurde ein Fokus darauf gelegt, Projekte zu fördern, die sich speziell an Personen mit Beeinträchtigung richten. Erasmus+ hat sich zu dem Anspruch bekannt, Anreize zu schaffen, um Barrierefreiheit im Sinne der Inklusion in allen Projekten bereichsübergreifend zu ermöglichen. Durch das Programm ist es möglich, Personen mit körperlichen, kognitiven oder sozialen Beeinträchtigungen an verschiedenen Projekten teilnehmen zu lassen und eine 100-prozentige Förderung dafür zu bekommen. Verbesserungspotenzial sehen wir bei den Anträgen. So wäre ein wesentlicher Faktor die Frage nach Inklusion bei jedem Projektantrag. Das hätte zur Folge, dass sich jede antragstellende Einrichtung mindestens einmal mit der Frage auseinandersetzt und somit ein Bewusstsein geschaffen wird. In weite-

rer Folge wäre dann natürlich eine Berücksichtigung der Inklusivität der Projekte in der Antragsbewertung wünschenswert, sodass ein weiterer Anreiz für die Einrichtungen geschaffen wäre, Inklusion zu ermöglichen. oead.news: Das Programm Erasmus+ läuft bis 2020 – was muss Ihrer Meinung nach bis dahin passiert sein, um sagen zu können, man habe Inklusivität zu 100 Prozent gefördert? Walburga Fröhlich: 100-prozentige Inklusion ist dann erreicht, wenn in allen Bereichen, Programmen, auf allen Ebenen und in allen Funktionen (sowohl in den Projekten als auch in der Verwaltung des Programms) mindestens 15 Prozent der Beschäftigten Personen mit Beeinträchtigungen sind. Diese 15 Prozent entsprechen dem realen Anteil von beeinträchtigten Menschen an der Gesamtbevölkerung. oead.news: Stichwort Barrierefreiheit – wann kann ein Projekt behaupten, in ausreichendem Maße barrierefrei zu sein? Welche Ebenen müssen berücksichtigt werden? Walburga Fröhlich: Ein Projekt ist dann barrierefrei, wenn es keine Hindernisse für Teilnehmer/innen mit Beeinträchtigungen gibt. Das fängt dabei an, dass die Ziele, Inhalte und Abläufe leicht verständlich sein müssen. Diese leichte Verständlichkeit sollte sowohl für die Teilnehmer/innen als auch für externe Einrichtungen gegeben sein (Darstellung der Projektergebnisse). Das Projekt sollte Flexibilität (Zeitplanung, Infrastruktur) ermöglichen, damit Raum für Verschiedenheit gegeben ist. Des Weiteren müssen Medien der Informationsvermittlung im technischen, aber auch im infrastrukturellen Sinne barrierefrei sein. oead.news: Welche Tipps und Erfahrungswerte können Sie potenziellen Projektträgern mitgeben, die ihr Mobilitätsoder Partnerschaftsprojekt inklusiv gestalten wollen? Walburga Fröhlich: Mein Tipp: Keep it simple! Erhöhte Komplexität eines Projekts soll kein Qualitätsmerkmal sein, die Verständlichkeit für alle muss gegeben sein. Weiters würde ich raten, sich Personen mit Beeinträchtigungen ins Projektteam zu holen und Beratung durch Expert/innen wie atempo, die über Projekterfahrung verfügen, in Anspruch zu nehmen. Inklusives Projektmanagement ist ein Mehrwert für alle! Danke für das Gespräch, Anna Diop

infopoint www.atempo.at


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Nina Prinz

Erasmus+ Forum Inklusion und Bildung Am 14. und 15. März 2016 findet in Wien eine Veranstaltung zum Schwerpunktthema »Inklusion und Bildung« statt.

Die Förderung von Chancengleichheit und Inklusion ist ein zentrales Anliegen des EU-Programms Erasmus+. Möglichst viele Menschen sollen von den Fördermöglichkeiten in Erasmus+ profitieren, insbesondere auch jene, die wenige bis kaum Chancen haben, an solchen Programmen teilzunehmen. Erasmus+ bietet zudem neue Möglichkeiten der Kooperation: In Projekten können im Zusammenwirken verschiedenster Akteur/innen Ansätze und Produkte erarbeitet werden, die dazu beitragen, dass Inklusion in der Bildung funktioniert. Als Antwort auf die neuen Herausforderungen, mit denen die Europäische Union aktuell konfrontiert ist, insbesondere in Zusammenhang mit den tragischen Terrorattacken der jüngsten Vergangenheit und den Flüchtlingsströmen nach Europa, soll Erasmus+ auch verstärkt als Instrument genutzt werden, Aktivitäten, die zur Förderung der Toleranz, des interkulturellen Verständnisses und zum Abbau von Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit beitragen, zu unterstützen. Bildung und Jugend spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Die Europäische Kommission plant dazu unter Erasmus+ die Veröffentlichung von Sonderaufrufen für Projekte im Jahr 2016. Darüber hinaus sind Aktivitäten bei der Antragstellung für dezentrale Projekte in allen Bildungsfeldern und der Jugend möglich.

Im Rahmen einer längerfristig angelegten Kooperation aller deutschsprachigen Erasmus+ Nationalagenturen aus den Bereichen Bildung und Jugend wurde das Thema »Inklusion und Bildung« daher auch als Schwerpunktthema für die Zusammenarbeit 2015 und 2016 gewählt. Vor diesem Hintergrund findet am 14. und 15. März 2016 die Veranstaltung »Erasmus+ Forum – Inklusion und Bildung« statt. Sieben Foren zu inhaltlichen Schwerpunktsetzungen im Themenfeld »Inklusion und Bildung« setzen sich exemplarisch mit Fragestellungen auseinander, wie benachteiligte Zielgruppen am Programm Erasmus+ teilnehmen können, welche erfolgreichen Projekte zum Thema Inklusion bereits erarbeitet wurden, wie die Implementierung der Ergebnisse in den Alltag gelungen ist und wo zukünftige Kooperationen möglich und zielführend erscheinen. Beleuchtet werden die folgenden Themenfelder: Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Fähigkeiten; Erasmus+ für alle: Zugang zu Bildung

für sozial benachteiligte junge Menschen; Generation 50+ – Beteiligung an Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft; Drop-out und Reintegration in Bildung und Beschäftigung; Partizipation und Beteiligung: Wegweiser zu mehr Inklusion – Respekt, Abbau von Vorurteilen, Rassismus und Diskriminierung; die soziale Dimension des Zugangs zur Bildung; Flüchtlinge, Asylsuchende und Migrant/innen. Mit Expert/innen im Themenbereich und erfolgreichen Projekten sollen vorhandene Beispiele guter Praxis analysiert, bestehende Defizite aufgezeigt und Möglichkeiten zur Erarbeitung von Lösungsansätzen über Erasmus+ diskutiert werden. Bei einer Projektausstellung werden bestehende Vorhaben aus dem Programm Erasmus+ zu den gewählten Themenstellungen präsentiert, um die Bandbreite der Projekte zum Themenfeld Inklusion und Bildung in allen Bildungsfeldern und der Jugend sichtbar zu machen. Bei näherem Interesse an der Veranstaltung und den konkreten Ergebnissen kontaktieren Sie bitte: forum@erasmusplus.at


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oead.news im Gespräch mit

Terezija Stoisits Die Beauftragte für Flüchtlingskinder in der Schule meint: »In der Bildung gibt es keine Obergrenzen.«

© Eva Müllner | OeAD

Terezija Stoisits vom Bildungsministerium ist überzeugt, dass die Betreuung und Integration der Flüchtlingskinder und -jugendlichen eine bewältigbare Aufgabe ist.

In der aktuellen Broschüre des BMBF werden neben Basisinformationen alle unterstützenden Maßnahmen für Flüchtlingskinder aufglistet.

Derzeit besuchen laut Auskunft des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) rund 8.500 Flüchtlingskinder Pflichtschulen und 1.300 weiterführende mittlere und höhere Schulen (AHS und BMHS). Insgesamt gibt es in Österreich rund 1,1 Mio. Schüler/innen. Vor Schulbeginn September 2015 waren etwa 5.000 neue Flüchtlingskinder an den Schulen. Anfang Oktober war bereits klar, dass es deutlich mehr sein werden. oead.news: Bei der gewaltigen Aufgabe der Integration von Flüchtlingen haben die Schulen eine Schlüsselrolle. Das heißt wohl, die Schulen und vor allem die Lehrer/innen sind enorm gefordert? Terezija Stoisits: Ja, tatsächlich ist es eine Herausforderung, weil die Zahl steigt. Die Schule ist gefordert, aber sie ist nicht überfordert. oead.news: Wer sind denn nun diese Flüchtlingskinder und -jugendlichen? Wer darf, kann, soll unsere Schulen besuchen? Terezija Stoisits: Ein Flüchtling ist ein Mensch, der Schutz vor Verfolgung sucht. Im Bildungssystem unterscheidet man nicht zwischen Asylwerber/innen oder anerkannten Flüchtlingen. Was diese Kinder und Jugendlichen gemeinsam haben ist, dass sie nicht Deutsch können und mit großen biografischen Brüchen konfrontiert sind. In Österreich besteht Schulpflicht für alle, die sich auf Dauer hier niederlassen, das heißt, für alle Kinder ab Asylantragstellung.

Aber viel wichtiger als die Schulplicht ist das Recht auf Bildung und darauf konzentrieren wir uns, weil Bildung einer der wichtigsten Aspekte von Integration ist. oead.news: Stichwort Sprache/Sprachkenntnisse – gibt es Vorbereitungskurse oder soll der Spracherwerb parallel zum Regelunterricht erfolgen? Terezija Stoisits: Sobald die Flüchtlinge als Asylwerber/innen in die Grundversorgung aufgenommen sind, werden die Kinder eingeschult, d. h. es wird ihnen ein Schulplatz zugewiesen. Sie kommen als außerordentliche Schülerinnen und Schüler in die Klassen, weil sie nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um dem Unterricht zu folgen, und haben den Status »außerordentlich«. Das ist in der Regel für ein Jahr, maximal für zwei Jahre, zulässig. Der Spracherwerb in der Volksschule erfolgt integrativ. oead.news: Eine Frage zur Zusammensetzung der Klassen? Wer entscheidet über die Zuweisung? Terezija Stoisits: Mir ist es wichtig zu unterstreichen, dass alle Flücht-

lingskinder zu Schulbeginn in Regelklassen kommen. Nur während des Schuljahres kann es als Übergangslösung zur Bildung von eigenen Flüchtlingsklassen kommen. Besonderes Augenmerk wird dabei darauf gelegt, speziell ausgebildete Lehrer/innen für diese Zielgruppe einzusetzen. Ein großes Problem stellt die Unterbringung der Flüchtlinge dar. Da es in Österreich zur Zeit nicht genug Grundversorgungsquartiere gibt bzw. diese von den Ländern und Gemeinden nicht zur Verfügung gestellt werden, leben viele Flüchtlingskinder in nicht kindgerechten Not- oder Übergangsquartieren. Deshalb auch mein ständiger Appell an die


© Eva Müllner | OeAD

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Stoisits: »Die Schule ist gefordert, aber nicht überfordert.«

Verantwortlichen in Bund und Ländern, schulpflichtige Kinder und deren Eltern in Grundversorgungsquartiere zuzuweisen.

Derzeit werden in Österreich 44 derartige Lehrgänge für 823 Schüler/innen angeboten.

oead.news: Was sind aktuell die dringendsten Anliegen? Terezija Stoisits: Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass die Flüchtlingskinder und Jugendlichen ihr Recht auf Bildung wahrnehmen können. Von Seite des Bildungsministeriums gibt es aktuell drei wichtige Maßnahmen:

3. Und schließlich werden zusätzliche 1.200 Basisbildungsplätze in der Erwachsenenbildung angeboten. Diese richten sich an die Gruppe der minderjährigen, nicht mehr schulpflichtigen jugendlichen Flüchtlinge und werden von zertifizierten Einrichtungen der Erwachsenenbildung angeboten werden. Bei diesen Kursen geht es vor allem um den Erwerb von Basisbildung, Pflichtschulabschlüssen, aber auch Alphabetisierung ist ein Thema.

1. Mobile interkulturelle Teams werden mit sprachlicher, kultureller, sozialpädagogischer, sozialarbeiterischer und psychologischer Expertise die Schulen unterstützen. Es geht darum, eine Schnittstelle zwischen den Kulturen der Herkunftsländer und den hiesigen Regeln des Zusammenlebens zu schaffen, bei Themen wie Geschlechterrollen, Elternpflichten und Zusammenarbeit in der Schule. Ganz besonders wichtig ist es, dass Personen mit den entsprechenden Sprachkenntnissen der Herkunftsländer der Flüchtlinge in diesen Teams vertreten sind. 2. Die Einführung von Übergangsstufen für Flüchtlingsjugendliche ohne Deutschkenntnisse in berufsbildenden Schulen. Das Angebot richtet sich vor allem an über 15-Jährige, nicht mehr schulpflichtige Jugendliche. Ziel dieser »Übergangsstufe für Flüchtlinge« ist es, intensiv Deutsch zu lernen und eine Orientierung über die weiteren Bildungsoptionen zu bieten.

oead.news: Ist es neben der realen Hilfe/ Unterstützung nicht mindestens genauso wichtig, im Bereich der Meinungsbildung tätig zu werden? Terezija Stoisits: Ich war in den letzten Wochen sehr viel an Schulen unterwegs und habe erlebt, wie viel Engagement, Empathie und Anstrengung es von Seiten der Lehrer/innen und der Schulgemeinschaft gibt. Dafür bin ich sehr dankbar. Überall im Land gibt es viele großartige Initiativen an den Schulen und auch Program-

me und Weiterbildungsangebote zur Förderung der Integration und zum Umgang mit Flüchtlingskindern an den Pädagogischen Hochschulen. Die Nachfrage nach Aus- und Weiterbildung in Deutsch als Zweitsprache ist enorm gestiegen. Mit den entsprechenden zusätzlichen Ressourcen und der hohen Professionalität des Lehrpersonals sind die Anforderungen zu bewältigen. Davon bin ich überzeugt. Denn Bildung ist ein Recht – ein Recht für alle Kinder. Danke für das Gespräch, Eva Müllner Terezija Stoisits ist Beauftragte für Flüchtlingskinder in der Schule im Bundesministerium für Bildung und Frauen. Sie fungiert seit 2. September 2015 als Ansprechperson für Bildung von Kindern und jugendlichen Flüchtlingen im Schulsystem. Stoisits übernahm damit die Koordination der verschiedenen Stellen im BMBF und ergänzt die bestehenden Verbindungen zu den Landesschulräten und Pädagogischen Hochschulen durch Bundesländer- und Schulbesuche. Ihre Aufgabe ist auch die Vernetzung mit NGOs in der Flüchtlingsarbeit.

infopoint www.bmbf.at www.schule-mehrsprachig.at


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Christiane Hintermann

Migration im Schulbuch Ein Sparkling Science-Projekt macht sich auf die Suche nach multiperspektivischen und inklusiven Darstellungen in Österreichs Schulbüchern. Migration und Diversität sind in österreichischen Schulklassen Normalität und Selbstverständlichkeit. Rund ein Fünftel der österreichischen Wohnbevölkerung ist entweder selbst oder in der Elterngeneration zugewandert. In österreichischen Schulen spricht jede fünfte Schülerin/jeder fünfte Schüler im Alltag eine andere Sprache als Deutsch, in Wien ist fast die Hälfte der Kinder mehrsprachig. Hat diese »Normalität« aber auch Eingang in aktuelle österreichische Schulbücher gefunden? Was wird im Hinblick auf Migrationsgeschichte erzählt, welche Geschichten werden inkludiert, welche marginalisiert bzw. »vergessen«? Wie werden Migrantinnen und Migranten in Schulbüchern repräsentiert? Diese Fragen standen zwischen 2011 und 2013 im Zentrum des Sparkling Science-Projekts »Migration(en) im Schulbuch: Eine kritische Analyse von Schüler/innen, Lehrer/innen und Wissenschaftler/innen«.1

se vorangegangener Studien.3 Positiv ist, dass der Themenbereich »Migration, Integration, kulturelle Diversität« in den Schulbüchern der beiden Fächer angekommen ist. Je nach Lehrplaninhalten und differenziert nach Schulbuchreihen wird dem Thema in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlicher Qualität Raum gewidmet. Auffallend ist nach wie vor, dass Migration vor allem im Rahmen von Schwerpunktseiten oder als in sich geschlossenes Thema behandelt wird, als Querschnittsmaterie jedoch nur selten berücksichtigt wird. Der stark problemorientierte gesamtgesellschaftliche Diskurs zu Migration findet seinen Niederschlag auch in den Schulbüchern. Migrationsprozesse und deren (mögliche) Auswirkungen werden sowohl auf der Text- als auch auf der Bildebene häufig als Bedrohung und Gefahr repräsentiert. Vorteile von Migration bzw. deren (mögliche) positive Folgen für die Gesellschaft

1 www.migrationen-im-schulbuch.at, abgerufen am 22. Jänner 2016. 2 Siehe dazu: Christa Markom/Heidi Weinhäupl (2007): Die Anderen im Schulbuch. Rassismen, Exotismen, Sexismen und Antisemitismus in österreichischen Schulbüchern, Wien

Ein zentrales Manko, vor allem im Hinblick auf die Frage, ob Schulbücher die österreichische Gesellschaft repräsentieren und in diesem Sinne inklusiv sind, besteht schließlich darin, dass Migration nur in Ausnahmefällen aus der Sicht von Migrant/innen selbst dargestellt wird und sie selbst zu Wort kommen. Christiane Hintermann ist Humangeografin und Fachdidaktikerin am Institut für Geografie und Regional forschung der Universität Wien, wo sie die Arbeitsgruppe Fachdidaktik und wirtschaftliche Bildung leitet. Sie arbeitet seit rund 20 Jahren zum Thema Migration und war von 2011 bis 2013 Projektleiterin des Sparkling Science-Projekts »Migration(en) im Schulbuch«.

© Migration(en) im Schulbuch

Schulbücher können als eine mögliche Manifestation des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft interpretiert werden. Es umgibt sie eine Aura der fachlichen Objektivität und die Vorstellung, dass sie das vermitteln, »was Schülerinnen und Schüler wissen müssen«. Sie sind auch zeitgeschichtliche Dokumente, weil sie zu einer bestimmten Zeit gültige gesellschaftliche Normen widerspiegeln sowie herrschende Stereotype abbilden.2 Welche Inhalte in Schulbücher aufgenommen werden, ist immer ein Ergebnis von Ein- und Ausschlussprozessen. Persönliche Interessen, Werthaltungen und Schwerpunkte sowie der aktuelle Wissensstand und die fachdidaktische Kompetenz der Autorinnen und Autoren spielen ebenso eine Rolle wie Interessen der gewinnorientierten Schulbuchverlage. Die Ergebnisse der Globalanalyse von insgesamt 50 Schulbüchern verschiedener Fächer und der detaillierten inhalts- und diskursanalytischen Auswertung von 22 Schulbüchern der Fächer Geografie und Wirtschaftskunde sowie Geschichte und Sozialkunde/ Politische Bildung bestätigen Trends und Ergebnis-

werden viel seltener zur Diskussion gestellt. Generell fehlen in vielen Büchern Aspekte, die zu einer multiperspektivischen und informierten Diskussion beitragen könnten, wie die Auswanderung aus Österreich, unterschiedliche Formen von Migration wie Re- oder Transmigration oder auch Geldrücksendungen von Migrant/innen.

3 Vgl. z. B. Christiane Hintermann (2010): Schulbücher als Erinnerungsorte der österreichischen Migrationsgeschichte – eine Analyse der Konstruktion von Migrationen und Migrant/innen in GW Schulbüchern. In: GW-Unterricht NR. 119/2010.

Bild oben: Schüler/innen der KMS Herzgasse bei der Präsentation der Workshop-Ergebnisse in Wien Bild unten: Assoziationen von Schüler/innen zum Begriff Migration


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Veronika Wöhrer

Projekt Grenzgänge: Transnationalität im Schulsystem An Österreichs Schulen herrscht eine Vielfalt an Sprachen und Kulturen. Diese Chance könnten wir (besser) nutzen. (z. B. Englisch, Französisch) als bildungspolitisch förderungswürdig gelten, deren Erwerb auch von einsprachig deutschsprachigen Kindern angestrebt wird, erfahren osteuropäische, afrikanische oder asiatische Sprachen nur selten Anerkennung als Sprachkompetenz oder kulturelles Kapital. Im besten Fall wird das Kind im Schulunterricht als Expert/in einer »anderen Kultur« gesehen, was immerhin ein Versuch einer Wertschätzung ist, das Kind aber gleichzeitig als »anders« markiert.

Als Beispiel sei die Forschungsgruppe zum Thema »Mehrsprachigkeit« genannt: Vier mehrsprachig aufgewachsene Jugendliche interessierten sich für Sprachenkenntnisse ihrer Mitschülerinnen und -schüler. Mithilfe eines selbst entworfenen Fragebogens befragten sie die Kolleginnen und Kollegen beispielsweise danach, wie diese bis zehn zählen oder welche Schimpfwörter sie kennen. Eine wichtige Erkenntnis der Forschungsgruppe kam aus der Beobachtung, dass sich auf ihre Frage nach Interviewpartnerinnen und -partnern meist einsprachig aufgewachsene Kinder mit der Erstsprache Deutsch meldeten bzw. von den Lehrpersonen vorgeschlagen wurden. Diese nannten ihre Englischkenntnisse oder einen Dialekt als zweite Sprache, waren aber gar nicht die eigentliche Zielgruppe. Die Jungforscher/innen besprachen diese Beobachtung mit einer Sprachwissenschaftlerin und kamen unter anderem zu der Erkenntnis, dass Sprachen in unserem Schulsystem unterschiedliche Wertigkeiten zugeschrieben werden und Kinder mit der Erstsprache Deutsch als Norm gelten. Diese melden sich öfter, weil sie immer scheinbar »richtig« liegen, während Kinder mit anderen Erstsprachen viel vorsichtiger sind, diese öffentlich zu deklarieren. Dies verweist auf eine generelle Sachlage in österreichischen Schulen: Inter- und Transnationalität sind zwar aufgrund der Herkunft der Kinder und deren Eltern zentrale Bestandteile des Schulsystems. Dies wird aber

meist als defizitär wahrgenommen. Betroffen davon sind bestimmte Sprachen und kulturelle Hintergründe, die scheinbar nichts Wesentliches zum Unterricht oder zu den Leistungen der Schülerinnen und Schüler beitragen. Ob ein Kind mit Erstsprache Englisch, Spanisch oder Tschetschenisch aufwächst, macht für die Bewertung dieser mitgebrachten Fähigkeiten und Kenntnisse also einen wesentlichen Unterschied. Während die großen westeuropäischen Sprachen

© Veronika Wöhrer

Vor diesem Hintergrund der Selektion und Ungleichheit erforschte das Sparkling Science-Projekt »Grenzgänge« – gefördert vom BMWFW – gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern deren Lebenswelt anhand selbstgewählter Fragestellungen aus Schulumgebung und Freizeit. Geschlecht, Ein- und Mehrsprachigkeit sowie körperliche, soziale und kognitive Verfasstheit waren die Forschungsthemen der Jugendlichen. Eine Neue Mittelschule fungierte als Kooperationsschule. Dadurch konnten Kinder als Co-Forscher/innen für partizipative, sozialwissenschaftliche Forschung gewonnen werden, die in ihrer weiteren Bildungskarriere mehrheitlich voraussichtlich nicht an einer Universität studieren werden.

© Veronika Wöhrer

Das österreichische Schulsystem ist im internationalen Vergleich eines der selektivsten. Zudem wirken sich der Bildungsgrad der Eltern sowie deren Staatsbürgerschaft auf die Schulwahl aus.

Meist werden aber nur vermeintliche Defizite oder das »Nicht-Wissen« über Begriffe, die man hierzulande scheinbar wissen muss, Gebräuche oder Konventionen. Dies führt nicht nur zu einer Kompetenzabwertung, sondern auch zu einem Versäumnis von Bildungschancen für alle Kinder, denn alle anderen Schüler/innen könnten aus der Vielfalt an Sprachen und Wissen im Klassenraum Gewinn ziehen. So hatten die Schüler/innen aus der genannten Forschungsgruppe ein großes Wissen über Kurdistan, die albanische Minderheit im Kosovo, die Ähnlichkeiten der slawischen Sprachen oder die Rolle von Englisch als Amtssprache auf den Philippinen, die sie untereinander diskutierten. Diese globalen Wissensrepertoires, die weit über den Geografie-Lehrplan der Unterstufe hinausgehen, kommen jedoch nicht zum Vorschein, wenn sie nicht als relevantes Wissen angesehen werden. Diese Wertigkeiten von Wissen müssen überdacht werden. Denn ansonsten erleben viele der mehrsprachigen Kinder primär Stigmatisierungen und Abwertungen. Dies hindert sie daran, ihre Erfahrungen und Kenntnisse einzubringen – und es werden weiterhin mehrheitlich die einsprachig deutschsprachigen Schüler/innen ihre Geschichten erzählen und für die gute Mitarbeit gelobt werden. Dr. Veronika Wöhrer ist Soziologin und Senior Researcher bei Science Communications Research (Wien) sowie Lektorin an den Universitäten Wien und Graz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender Studies, Intersektionalität, qualitative Methoden und Wissenschaftsforschung.

Präsentation der Umfrage der Forschungsgruppe »Sprachen an unserer Schule«


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Małgorzata Bogaczyk-Vormayr

Persönlichkeit und Kreativität sind nie behindert Eine OeAD-Stipendiatin forscht zum Thema Kunst und Inklusion.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Art Brut und Outsider Art als Themen der Kunstphilosophie Geistige Behinderung in der Ethik und Sozialphilosophie Ausgrenzung und Würde in der Armutsforschung Alterität als Thema der Ethik und der philosophischen Anthropologie Krisenbewältigung in der Resilienzforschung Selbstwirksamkeit als Aspekt philosophischer Handlungstheorien (Agency) Ich/Selbst/Identität und Kunsttherapie

Fragestellungen zu Kunst und Behinderung Im Jahre 1945 kreierte der französische Künstler Jean Dubuffet den Begriff »Art Brut« – als »rohe Kunst« bezeichnete er die Arbeiten von professionellen und nichtprofessionellen Künstler/innen, die aus einem innersten Bedürfnis entstehen, d. h. ohne Rücksicht auf Stil-Theorien oder den Kunstmarkt. In den darauffolgenden 60 Jahren stieg das Interesse für jene

Małgorzata Bogaczyk-Vormayr arbeitet am Zentrum für Ethik und Armutsforschung an der Universität Salzburg am Forschungsprojekt »Art Brut – Outsider Art – Naive Kunst«. Das Projekt wird vom OeAD im Rahmen der Stipendienstiftung der Republik Österreich unterstützt.

© ifz Salzburg

Ist Kunst ein sozialer Begriff? Viele Kunsthistoriker/innen werden mit einem Nein antworten: Kunst erklärt sich nicht durch gesellschaftliche Normen, denn sie hinterfragt diese oftmals, überschreitet sie gar oder definiert sie neu. Will damit die Kunst die Gesellschaft beeinflussen? Eher selten – Künstler/innen wollen doch ihre Arbeit als Kunst anerkannt sehen und nicht als politisches, religiöses oder ethisches Statement. Wenn das künstlerische Schaffen partikuläre Ziele verfolgt, büßt es das wunderbar Eigene und Souveräne ein. Und doch: Kunst ist auch ein sozialer Begriff. Wie könnte es anders sein, wenn doch Kunstwerke die Begleiter in unserem Leben sind? Wenn die Kunst eine (zwischen)menschliche Wirkung ist? Diese Überzeugung brachte mich dazu, ein Forschungsprojekt an der Schnittstelle von Kunstphilosophie und Sozialethik zu konzipieren. Dieses wurde von März 2015 bis Februar 2016 am Zentrum für Ethik und Armutsforschung von Prof. Otto Neumaier betreut. Wir bemühten uns, Philosophie und soziale Praxis zu verbinden, um einen innovativen Ansatz für folgende Disziplinen zu liefern:

Kunstwerke, welche in den Werkstätten der psychiatrischen Kliniken und der Sozialeinrichtungen entstehen. Das schmerzhafte Kollektivgedächtnis an die NS-Zeit führte dazu, dass sich im deutschsprachigen Raum vorbildliche Initiativen zur Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft und zur fachlichen Anerkennung von Künstler/innen mit Beeinträchtigung bildeten. Kunst kennt doch keine Behinderung – körperliche oder geistige Einschränkungen verhindern vieles, aber nicht das Talent selbst. Künstler/innen mit Beeinträchtigung – was sagt uns das? Persönlichkeit und Kreativität sind nie behindert. Aber umgekehrt: Eine Erkrankung bedeutet noch keine Einzigartigkeit. Wie entfaltet ein Mensch mit körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung seine Selbstwirksamkeit? Und wie kommt es dazu, dass sich unter seinen inneren Kräften auch die künstlerische Begabung entfalten kann? Die Antworten auf diese Fragen kommen aus den persönlichen Begegnungen mit den Künstler/innen und den Kunsttherapeut/innen. Kultur bedeutet unter anderem Inklusion – ein gleichberechtigter Zugang zur Kultur, unser Recht auf Partizipation am Kulturleben, aber auch die Rahmenbedingungen, unter welchen die Begabungen einzelner Menschen sich entwickeln können. Eine besondere Gruppe bilden hierbei Künstler/innen mit gesundheitlichen oder sozialen Beeinträchtigungen. Diese sind auf die institutionellen Rahmenbedingungen angewiesen. So führte mein Weg in die Sozialeinrichtungen

von Lebenshilfe, Caritas, Assista und evangelischem Diakoniewerk, welche in Österreich den großen Schritt geschafft haben, Ateliers für Menschen mit Beeinträchtigungen als Orte der Inklusion und der Kunst aufzubauen.

Unterwegs in den Kunstwerkstätten Künstler/innen mit Beeinträchtigung werden der Art Brut, der Outsider Art und der sogenannten AußenseiterKunst zugeordnet, doch keine/r dieser Künstler/innen sieht sich als Außenseiter. Im Mittelpunkt ihres Daseins steht die künstlerische Beschäftigung – sie widmen sich der inneren Stimme, ohne jede pseudotherapeutische Lenkung. Einige sind dabei an den brennenden Fragen der Politik, des Gesellschaftslebens und des Staates höchst interessiert und machen diese zum Thema ihrer Arbeiten. So verhält es sich im Falle von Erich Prager (geb. 1956), den ich in der Salzburger Wohneinrichtung von pro mente interviewte. Prager erlitt seine erste Psychose nach einer Anatomieprüfung während seines Medizinstudiums. Er begann im Atelier der Christian-


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Ein anderer von mir begleiteter Künstler, Gerhard Maurer (geb. 1958), hat seinen Arbeitsplatz in der Werkstätte der Lebenshilfe Salzburg in der Eichstraße. Im Alter von 16 Jahren begann er zu zeichnen, seitdem fanden fast dreißig Ausstellungen statt, u. a. in Salzburg, Wien und Paris (Louvre). Maurer sitzt aufgrund von zerebralen Lähmungen in einem Rollstuhl, Pinsel oder Stift werden ihm von jemand anderem in seine verkrampfte Hand gegeben. Wenn dies geschehen ist, ist jede körperliche und geistige Begrenzung des sogenannten Betroffenen keinerlei Begrenzung für den Künstler. Maurers Hand ist sicher – das berührt und fasziniert angesichts der körperlichen Mühe und geistigen Anspannung, welche er in seine Arbeit investiert. Er ist ein Künstler der Widerstandsfähigkeit: seine resiliente Kraft

erscheint jedoch nicht als etwas Heldenhaftes, sondern als eine Selbstverständlichkeit. »Ob ich das kann«, antwortet er auf meine Frage, wie es dazu gekommen sei, dass er an den Special Olympics im Jahre 1999 teilgenommen habe. Es war seine Neugier – zu erfahren, ob er das überhaupt könne. Er konnte es und gewann nicht nur eine Goldmedaille im Kugelstoßen und eine Silbermedaille in Rollstuhl-Slalom, sondern in erster Linie die Antwort auf die Frage, die ihn zur Teilnahme bewegte. Die Werkstätte der Lebenshilfe bildet für Gerhard Maurer einen Ort, wo Schutz und Freiheit möglich sind, einen Ort, der gleichermaßen von seiner Selbstwirksamkeit geprägt ist wie auch von der ihm angebotenen Assistenz.

Małgorzata Bogaczyk-Vormayr ist polnische Philosophin mit den Forschungsschwerpunkten Philosophie der Antike, praktische Philosophie, Dialogphilosophie und Kunstphilosophie. Sie ist Assistenzprofessorin an der Universität Posen/Polen, Institut für Philosophie/Chair of Ethics. Seit März 2015 ist Bogaczyk-Vormayr OeADStipendiatin und Gastforscherin am Zentrum für Ethik und Armutsforschung mit folgendem Forschungsprojekt: »Art Brut – Outsider Art – Naive Kunst. Eine interdisziplinäre Analyse aus der Sicht der Kunstphilosophie, Armutsforschung, Resilienzforschung und Dialogphilosophie«.

Forschung und soziale Verantwortung Die Kunst lebt nicht nur in den großen Museen und berühmten Galerien, und die Geisteswissenschaften an der Universität Salzburg lassen sich nicht auf eine Forschung hinter verschlossenen Türen reduzieren. Ein Beweis dafür ist sicherlich das Zentrum für Ethik und Armutsforschung – hier werden nicht nur normative Fragen der Armutsforschung untersucht, sondern insbesondere auch kulturelle Aspekte dieser Problematik (wie das sogenannte Cultural Empowerment). Ich erlebte das Zentrum als einen Ort, dessen Aktivitäten eine Resonanz in der Sozialwelt beabsichtigen und gleichzeitig aus den Impulsen der Gesellschaft neue Forschungsfragen formulieren. Diesem Umstand verdankt das Zentrum zurecht sein internationales Renommee. Gregor Weiss, ohne Titel

© Małgorzata Bogaczyk-Vormayr

Doppler-Klinik zu zeichnen und war viele Jahre in der Salzburger Galerie Altnöder vertreten. Seine Tuschezeichnungen befinden sich in vielen privaten und institutionellen Sammlungen. Heute widmet er sich nur mehr selten der künstlerischen Arbeit, er besucht von Zeit zu Zeit das Atelier der sozialpsychiatrischen Tagesklinik der Paracelsus Universität. Den für ihn wichtigsten Ort der Inklusion und Anerkennung jedoch bietet das Salzburger Haus der pro mente in der Pelikanstraße – hier wird Erich Prager nicht nur als Klient, sondern eben auch als Künstler gewürdigt. Seine Bilder beinhalten keine einfachen Botschaften – sie zeigen die Conditio Humana auf, sie verweisen auf die Spannung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft, sie fragen nach unserer Positionierung in der Gesellschaft, nach unserer ethischen Haltung. Die reduzierte Ausdrucksweise, die Schlichtheit seiner Zeichnungen verkörpern einen beeindruckenden künstlerischen und moralischen Ausdruck. Es ist die leise Stimme einer kraftvollen Sprache – die Sprache eines Künstlers.

© Małgorzata Bogaczyk-Vormayr

Erich Prager: »Die Menge«, undatiert, im Besitz der Autorin


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OeAD-Events

Veranstaltungskalender Der OeAD bietet Plattformen zur öffentlichen Diskussion rund um Mobilität und Internationalisierung. Alle Veranstaltungen im Detail unter www.oead.at/events. 30. März 2016 | Wien Lernergebnisse am Prüfstand: Bologna Tag 2016 Ort: Universität Wien Der Bologna Tag 2016, Österreichs größte sektorenübergreifende Konferenz zu Themen rund um den Europäischen Hochschulraum, befasst sich mittels interaktiver Formate mit dem Thema Lernergebnisse. Namhafte Expertinnen und Experten aus dem deutschsprachigen Raum stehen im Rahmen von Workshops und einem World Café zu folgenden Fragen Rede und Antwort: 1. In welcher Beziehung stehen die Lernergebnisse auf Lehrveranstaltungsebene zu den Lernergebnissen auf Programmebene (Studium/Studiengang) und welche Konsequenzen hat dies für die Curriculumsentwicklung? 2. Wie können Lernergebnisse im Rahmen der Leistungsfeststellung sichergestellt werden und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Wahl der Lernaktivitäten und Prüfungsmodalitäten? 3. Wie machen wir Lehrende und Studierende fit für die Lernergebnisorientierung? Eine Anmeldung ist auf bildung.erasmusplus.at/bologna unter der Rubrik »Veranstaltungen & Trainings« möglich.

2. bis 3. Mai 2016 | Wien Erstes Meeting der Service-Gruppe Euraxess TOP III Dual Career und Integration Service Ort: OeAD-Haus Dual Career-Expert/innen von Hochschulen aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Norwegen und Österreich treffen sich zum ersten Meeting im Rahmen des Euraxess TOP III-Projekts in Wien. Österreich wird durch Mitarbeiter/innen des Dual Career Service der fünf steirischen Universitäten, des Dual Career Service Wien-Niederösterreich-Oberösterreich, des IST Austria sowie des OeAD vertreten. Die Analyse bestehender Dual Career und Integration Services steht im Mittelpunkt des Treffens.

Nachlese: Fachseminar zum Europäischen Hochschulraum am 19. Jänner 2016 in Innsbruck

Die Öffnung von Hochschulen trägt mitunter zum Bildungsaufstieg bei. Um die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bildungssektoren wie auch eine lebensbegleitende Weiterqualifizierung an Hochschulen für Berufserfahrene und Personen selbst ohne schulisch erworbene Hochschulzugangsberechtigung zu fördern, sind hochschulrechtliche, finanzielle, fachliche und organisatorische Rahmenbedingungen ebenso notwendig wie qualitätssichernde Regelungen. Wie stehen die österreichischen Hochschulen dazu? Am 19. Jänner lud Christina Raab, nationale Expertin für den Europäischen Hochschulraum, an die Universität Innsbruck zum thematischen Fachseminar. Ziel war es, sich gemeinsam mit den 110 Anwesenden dem

Thema »Recognition of Prior Learning« durch laufende Initiativen, Projekte und Empfehlungen zu nähern. Deren jeweiliger Status quo wurde im Zuge des Fachseminars präsentiert sowie auf deren Anwendbarkeit für den Hochschulalltag, speziell in den jeweiligen Sektoren, abgeklopft. Nähere Informationen, eine Fotodokumentation, Präsentationen sowie daraus resultierende Empfehlungen für den Hochschulsektor finden sich auf bildung.erasmusplus.at/ bologna unter der Rubrik »Veranstaltungen und Trainings«.

© Christian Wucherer

Recognition of Prior Learning – Anerkennung früherer Lernerfahrungen zwischen Hochschulgesetz(en) und akademischen Desiderata

Christina Raab (Universität Innsbruck) kommentiert Möglichkeiten und Grenzen von Recognition of Prior Learning in der universitären Praxis.


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Franz Gramlinger

Berufsbildungsforschung Kräftige Unterstützung kommt von ARQA-VET und der OeAD-GmbH. Österreichischer Berufsbildungsforschungspreis 2016

Veranstaltet wird die Konferenz von der Sektion Berufs- und Erwachsenenbildung der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) – mit tatkräftiger Unterstützung von ARQA-VET. Initiiert und finanziell unterstützt wird die BBFK vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) sowie vom Arbeitsmarktservice Österreich (AMS). Der Vorsitz des Programmkomitees der BBFK bringt »traditionellerweise« auch einen nicht unbeträchtlichen Teil der Organisationsaufgaben mit sich. Da Franz Gramlinger, dem Leiter von ARQA-VET, dieser Vorsitz übertragen wurde, werden ARQA-VET und die OeAD-GmbH ihr Veranstaltungs- und Organisations-Knowhow in diesem Jahr in eine neue Aufgabe

einbringen – machen Sie sich ein Bild davon unter www.bbfk.at. Mit dem Schwerpunktthema »Berufsbildung, eine Renaissance? Motor für Innovation, Beschäftigung, Teilhabe, Aufstieg, Wohlstand« sollen die Funktionen, Aufgaben, Potenziale und Rollenzuschreibungen der Berufsbildung thematisiert und die zentralen Fragen der damit in Zusammenhang stehenden Forschungsdisziplinen diskutiert werden. Auf der Konferenz-Website werden laufend neue Informationen zum Programm kommuniziert: Zu Redaktionsschluss standen mit Karin Büchter (Helmut Schmidt Universität Hamburg) und Philipp Gonon (Universität Zürich) zwei Keynote Speaker fest, die eingereichten Papers, Poster und thematischen Foren befinden sich aktuell noch im Review-Prozess. Wenn Sie aktuelle Infos zugeschickt bekommen wollen, abonnieren Sie bitte den Infoletter: www.bbfk.at/infoletter-bestellen. Die Anmeldung zur Konferenz ist bis 20. Juni 2016, ebenfalls über die KonferenzWebsite, möglich: www.bbfk.at/konferenz2016/anmeldung. Ermäßigungen gibt es für ÖFEB- bzw. DGfE- und SGBFMitglieder sowie für Studierende (Nachweis erforderlich). Early-Bird-Registrierungen sind bis 30. April 2016 möglich!

Kontakt und Rückfragen: Österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz (BBFK) der ÖFEB-Sektion Berufs- und Erwachsenenbildung c/o ARQA-VET in der OeAD-GmbH, Ebendorferstraße 7, A-1010 Wien T +43 1 53408-301 | info@bbfk.at | www.bbfk.at

Das seitens des Preisstifters damit verbundene Anliegen ist die Stimulierung der Berufsbildungsforschungslandschaft im deutschsprachigen Raum durch Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die prämierten Arbeiten sollen einen fundierten Beitrag zur Weiterentwicklung der Berufsbildungsforschung leisten. Eingereicht werden können (a) Originalbeiträge in Form von wissenschaftlichen Papieren, (b) bereits in Zeitschriften oder Sammelbänden publizierte Aufsätze und (c) überdurchschnittlich gute Dissertationen. Ende der Einreichfrist ist der 10. Mai 2016. Die Höhe des Preisgeldes beträgt 3.000 Euro. Außerdem erhält die Preisträgerin/der Preisträger des österreichischen Berufsbildungsforschungspreises zusätzlich einen Stirlingmotor, der von Schülerinnen und Schülern der HTL Steyr gefertigt wurde. Es handelt sich um einen kleinen, aber voll funktionierenden Stirlingmotor.

© HTL Steyr

Am 7. und 8. Juli 2016 findet im Museum Arbeitswelt in Steyr bereits zum 5. Mal die Österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz (BBFK) statt. Die Konferenz bietet seit 2008 im zweijährigen Rhythmus Gelegenheit zum fachlichen Austausch rund um Forschung zu Berufs- und Erwachsenenbildung. Sie richtet sich an Fachleute aus der Berufsbildungsforschung ebenso wie der Berufsforschung, der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung, Qualifikationsforschung, der Arbeitsmarktforschung und der Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung.

Zum fünften Mal vergibt das BMBF den Österreichischen Berufsbildungsforschungspreis, mit dem hervorragende Leistungen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern Anerkennung finden sollen.

Die feierliche Preisverleihung findet am Abend des 7. Juli 2016 im Schloss Lamberg in Steyr statt. Alle Informationen zum Forschungspreis online unter www.bbfk.at/forschungspreis/forschungspreis-2016


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Michael Dippelreiter | Michael Schedl

Ernst Mach (1838–1916)

Ernst (Waldfried Josef Wenzel) Mach wurde am 18. Februar 1838 im mährischen Chirlitz (Chrlice), in der Nähe von Brünn, geboren. Seine Eltern entstammten der deutschsprachigen Minderheit in Mähren. Der Vater verdiente ursprünglich seinen Unterhalt als Hauslehrer, später konnte er ein kleines Gut im niederösterreichischen Weinviertel erwerben und als Bauer arbeiten. Seine Mutter stammte aus einer Familie von Ärzten, Anwälten und Offizieren.

er sich vor allem mit Funkwellen, Gas- und Flüssigkeitsdynamik sowie Effekten der Akustik und Spektroskopie. Machs Experimente führten zu den ersten Fotografien schnell fliegender Projektile. Seine daraus gewonnen Erkenntnisse wurden als »Machsches Gesetz« bekannt, welches den »Mach-Winkel« und die »Mach-Zahl« verknüpft. Die »Mach-Zahl« ist auch heute den Laien als Einheit von Geschwindigkeitsangaben schnellfliegender Objekte bekannt.

Ernst Mach erhielt seinen ersten Schulunterricht von seinem Vater, der ein sehr freisinniger Mann war. Nachdem er ein Jahr das Stiftsgymnasium in Seitenstetten besucht hatte und dort als »sehr talentlos« eingestuft worden war, unterrichtete ihn sein Vater weiterhin. Gemeinsame Naturerlebnisse und das Studium klassischer Texte beeinflussten ihn sehr; daneben absolvierte er eine Lehre als Kunsttischler und arbeitete im väterlichen Gut mit.

Aus seinen einzelwissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Studien entwickelte Mach eine oft als »Positivismus« bezeichnete philosophische Position, in der u. a. empiristische Grundhaltung, Orientierung an den Ergebnissen und Problemen naturwissenschaftlicher Forschung, Konzentration auf Fragen der Messbarkeit und der operationalen Definition oder aber auch an Zweifel an einer von den Ergebnissen der Einzelwissenschaften unabhängigen oder gar aprioristisch diesen vorschreibenden Philosophie zusammengeführt wurden, ohne dass damit der traditionelle Systemanspruch der Philosophie erhoben wurde.

Am Gymnasium im mährischen Kremsier (Kromêřiž) legte er eine Aufnahmeprüfung ab; nach zwei Jahren erlangte er dort die Matura, anschließend studierte er in Wien Mathematik und Naturwissenschaften und beendete bei Andres von Ettinghausen mit dem Doktor der Philosophie 1859/60 sein Studium. Bereits ein Jahr später wurde Mach an der Universität Wien habilitiert und unterrichtete dort als Privatdozent ohne Besoldung. Da er die Stelle seines erkrankten Doktorvaters nicht erhielt, ging er nach Graz, wo er schließlich 1866 Ordinarius für Physik wurde. Bereits ein Jahr später erreichte ihn der Ruf an die Karl-FerdinandsUniversität in Prag, wo er zugleich Direktor des Physikalischen Instituts wurde. Weitere akademische Würden waren Dekan 1872/73 und Rektor 1879/80 sowie 1883/84. In diese Zeit fiel die sprachliche Teilung der Universität, in der sich Mach liberal verhielt, obwohl er doch zur deutschsprachigen Minderheit in Böhmen gehörte. Dennoch bekundete er mehrmals öffentlich eine »bedauerliche Borniertheit und einen fürchterlichen Rückschritt durch die Nationalitätsidee«. Bereits kurz nach Beendigung seiner Dissertation konnte Mach die Richtigkeit und Anwendbarkeit des damals noch umstrittenen »Dopplerschen Gesetzes« nachweisen, vor allem zur Bestimmung der Relativgeschwindigkeit von Fixsternen. In Graz beschäftigte

1895 erreichte Ernst Mach ein Ruf der Universität Wien, den neugeschaffenen Lehrstuhl für »Philosophie, insbesondere Geschichte der induktiven Wissenschaften« zu übernehmen. Bis zu seinem Schlaganfall 1898 erfüllte er diese Aufgabe mit Leben, 1901 trat er dann aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Ernst Mach war mit der Grazerin Ludovica Marussig verheiratet, mit der er fünf Kinder hatte. Er blieb auch im Ruhestand emsig und gilt, nach der Entdeckung, dass sich die Trägheit eines Körpers nur feststellen lässt, wenn es im Universum andere Massen als Bezugsgröße zur Messung der Beschleunigung gibt, als Vordenker der Relativitätstheorie. Bezugnehmend darauf widmete ihm Albert Einstein nach seinem Tod am 19. Februar 1916 einen Nachruf in der »Physikalischen Zeitschrift«. Machs Wirken hatte großen Einfluss auf zahlreiche Wissenschaftler und Denker: Max Planck kritisierte seine evolutionsbiologische Ideenlehre, während Lenin Machs philosophische Ideen befürwortete. Kurt Gödel stützte sich ebenso wie Ludwig Wittgenstein auf Ernst Mach, während auch Literaten wie Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler oder Robert Musil,

© Österreichische Nationalbibliothek

Der österreichische Physiker, Philosoph, Wissenschaftstheoretiker und Namensgeber eines OeAD-Stipendiums starb vor 100 Jahren.

der über Ernst Mach dissertierte, seine Bedeutung erkannten. Der Kanon der naturwissenschaftlichen Unterrichtsgegenstände, nämlich eine Trennung der Physik und Mathematik, geht auf Ernst Mach zurück. Er war der Befürworter dieser Unterscheidung, die bereits die Lehrpläne der Mittelschulen in der K.-u.-k.-Monarchie bestimmte: »Der Schüler soll angeleitet werden zur Beobachtung und zur Ableitung von Regeln aus den Beobachtungen. Dazu ist die Mathematik nur ein Mittel. Es bleibt in der Physik noch sehr viel zu verstehen übrig, auch wenn man alle Mathematik bei Seite lässt ...« (Mach, 1879). Mittlerweile denkt man darüber anders, bedauert diese Auseinanderentwicklung und sucht nach Symbioseeffekten zwischen den beiden Gegenständen: Einerseits erwartet man von der Physik Kontexte für die Mathematik und andererseits Demonstrationen der Mathematik durch die Physik. Das von Mach Getrennte will man wieder zusammenführen, weil die Fachdidaktik der beiden Gegenstände das für sinnvoller hält.


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© Vittoria Pace

Vittorio Pace ist derzeit an der Universität Wien am Institut für Pharmazeutische Chemie tätig.

Ernst Mach-Stipendien Das nach dem österreichischen Physiker und Philosophen Ernst Mach (1838–1916) benannte OeADStipendienprogramm wird vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) finanziert und ist ein Angebot an Studierende und Lehrende ausländischer Universitäten, einen Forschungs- oder Studienaufenthalt in Österreich zu absolvieren. Hervorgegangen aus der Stipendienaktion »Bewerber aus aller Welt« wurde erstmals im Studienjahr 2000/2001 ein Stipendienprogramm unter Ernst Mach ausgeschrieben, das aber in seiner ursprünglichen Form von der heutigen Programmschiene abwich. Das aktuelle Ernst Mach-Stipendium gliedert sich in mehrere Unterprogramme, die von den Förderzielen her ähnlich sind. Im Hauptprogramm »Ernst MachStipendium – weltweit« können sich PhD-Studierende, Postgraduates, Postdocs und junge Universitätslehrende aller Fachrichtungen für einen Forschungsaufenthalt zwischen ein bis neun Monate bewerben. Das Teilprogramm »Ernst Mach-Stipendium zum Studium an einer österreichischen Fachhochschule« steht außereuropäischen Studierenden für einen Studienaustausch an einer österreichischen Fachhochschule offen. Im Studienjahr 2014/15 wurde erstmals das Ernst Mach-Nachbetreuungsstipendium (EZA) ausgeschrieben, in dem ehemalige OeAD-Stipendiat/innen aus außereuropäischen EZA-Ländern um erneute Unterstützung für einen kurzen Postdoc-Forschungsaufenthalt in Österreich ansuchen können. Ernst MachStipendien für Forschungsaufenthalte in Österreich werden auch im Rahmen der Universitätsnetzwerke Eurasia-Pacific Uninet bzw. ASEA-Uninet und der bilateralen Aktionen Österreich-Slowakei bzw. ÖsterreichUngarn vergeben. Einen genauen Überblick über die Ernst Mach-Programme finden Sie auf www.grants.at.

Ernst Mach Alumnus Vittorio Pace and his Career after the Ernst Mach Scholarship Stay Vittorio Pace visited Austria as an Ernst Mach scholarship holder in 2010/11 when he started his postdoctoral training with Prof. Holzer at the University of Vienna. He was born in 1981 in Italy and obtained a Master degree in Pharmacy in 2005 from the University of Perugia. Later on, he started his doctoral studies in Organic Chemistry at the Complutense University of Madrid (UCM) where he defended his PhD in July 2010. During the doctoral studies he also received a postgraduate Master in Chemistry and in Drug Design and Development. After his Ernst Mach stay in August 2011 he joined the University of Manchester (UK) for a

2-years research project. In October 2013 he moved to the Stockholm University (Sweden) being awarded with a Senior Postdoctoral Fellowship. In August 2014 he came back to Vienna as a Group Leader in Synthetic Chemistry in the Department of Pharmaceutical Chemistry of the University Vienna. In November 2014 he received the Habilitation for Associate Professor of Organic Chemistry by the Italian Ministry of Education. His main research activity deals with the development of synthetic tactics based on the use of organolithiums methods with vistas to their application in synthetic medicinal chemistry.

Studienjahr 2014/15

Studienjahr 2015/16 (Stand Jänner 2016)

Anzahl der angetretenen Stipendien

Monate

Anzahl der zuerkannten Stipendien

Monate

Ernst Mach weltweit

54

341

66

433

Ernst Mach Fachhochschulen

41

220

50

283

Ernst MachNachbetreuungsstipendium (EZA)

58

158

16

40

Ernst Mach-Stipendien der Aktion ÖsterreichSlowakei

18

96

19

90

Ernst Mach-Stipendien der Aktion Österreich-Ungarn

17

59

23

76

Ernst Mach weltweit TSOA

10

67,5

17

94

Ernst Mach Eurasia-Pacific Uninet

-

-

5

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Unterprogramm

Quelle: OeAD-Datenbanken


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oead.news im Gespräch mit

Hubert Dürrstein und Stefan Zotti Der ehemalige und der neue Geschäftsführer sehen die Strategie der OeAD-GmbH evolutionär. Beiden war und ist es wichtig, die Expertise des OeAD sichtbarer zu machen. Zotti sieht den OeAD als Kompetenzzentrum und will die Beratungsschiene ausbauen.

oead.news: Herr Prof. Dürrstein, in Ihrer Amtsperiode wurde der OeAD vom Verein der Universitäten in eine GmbH des Bundes umgewandelt. Ist dies die entsprechende Organisationsform für eine Agentur, die die Internationalisierung der österreichischen Bildungseinrichtungen optimal unterstützen soll? Hubert Dürrstein: Ich würde einen solchen Schritt auf jeden Fall wieder unterstützen. Die OeAD-GmbH bildet heute die gesamte Bildungskette ab und in diesem Gesamtspektrum verfügen wir über einen Pool an Expert/innen für das zunehmend wichtige Thema Internationalisierung. Um diese Expertise allerdings nutzen zu können, braucht es eine gewisse Eigenständigkeit. Die GmbH ist an sich die richtige Form dafür. Zu überlegen wäre, und hier gab es damals auch Gespräche, die Eigentümerpalette zu verbreitern – zum Beispiel auf die Hochschulen. oead.news: Herr Dr. Zotti, was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte, um als Agentur für Mobilität und Internationalisierung gut aufgestellt zu sein? Stefan Zotti: Selbiges gilt für die Integration der verschiedenen Bereiche in einem gemeinsamen Haus. Im Sinne stetiger Weiterentwicklung müssen wir immer wieder schauen, welche Bedürfnisse unsere Kunden und Partner haben. Diese Bedürfnisse ändern sich natürlich. Wir haben ein großes Knowhow über internationale Entwicklungen, Internationalisierung entlang der gesamten Bildungskette sowie die Entwicklung von Bildungsregionen. Informationsservices rund um diese Themen anzubieten, ist ein neuer Akzent, den wir in den nächsten Jahren setzen werden. oead.news: Herr Prof. Dürrstein, Sie hatten in Ihrem ereignisreichen Berufsleben die Möglichkeit, den OeAD aus

mehreren Blickwinkeln zu sehen: aus der Außensicht als Rektor einer der größten Universitäten, aus der Innensicht als Geschäftsführer des OeAD. Wie sehr decken sich diese Bilder? Hubert Dürrstein: Als Rektor der Boku (Anm.: 2003 bis 2007) habe ich den OeAD vor allem als Abwicklungsorganisation wahrgenommen. Mit meiner Bestellung zum Präsidenten des Vereins und den ersten Überlegungen zur organisatorischen Umstrukturierung wurde klar, dass wir unsere Aufgabenpalette sichtbarer machen müssen. Ziel war es von Beginn an, die Bildungseinrichtungen bei ihren Internationalisierungsstrategien zu unterstützen: mit einer stärkeren Präsenz im Ausland – z. B. über das Lektoratsprogramm, mit einem Stipendienangebot, das mehr Gewicht auf Outgoing-Aktivitäten legt und mit Daten und Fakten zum Thema. Manche Ideen und Konzepte wurden verworfen, manche umgesetzt. So konnten wir insbesondere die Datenlage deutlich verbessern – etwa mit der Wissenslandkarte der internationalen Kooperationen oder unserem Data Warehouse, das Auswertungen über Mobilitäten und Kooperationen in allen Ländern der Welt ermöglicht. oead.news: Herr Dr. Zotti, wie sehr decken sich Ihre Außen- und Innensicht? Stefan Zotti: Diese beiden Bilder widersprechen sich nicht, auch wenn

sie nicht immer deckungsgleich sind. OeAD-intern und mit dem Eigentümer haben wir durchaus ein ähnliches Verständnis davon, was der OeAD als Agentur für den Bildungsstandort Österreich leistet. Freilich gibt es nach wie vor andere Fremdsichten, die uns noch zu stark als reine Exekutivagentur für die Abwicklung von Stipendien wahrnehmen. Ich sehe daher meine Aufgabe vor allem darin, durch regen Austausch mit unseren Partnern und Stakeholdern, die Vielfältigkeit und Breite der OeAD-GmbH aufzuzeigen und Interesse dafür zu wecken. oead.news: Was ist noch offen? Was würden Sie Ihrem Nachfolger gerne mitgeben, Herr Professor? Hubert Dürrstein: Es sollte gelingen, die doch sehr gebündelte Expertise der über 200 Mitarbeiter/innen noch besser zu nutzen. Um nur ein Beispiel zu nennen, gibt es im Hochschulbereich einige interne Gremien, die noch nicht so viel über den OeAD wissen. Wir sind bereits auf einem guten Weg, hier einen besseren Zugang zu finden. Und darüber hinaus wird es darum gehen, zu überlegen, welche neuen Geschäftsfelder der OeAD generieren kann, um eine langfristige Perspektive zu sichern: Ich denke an Partnerschaften mit weiteren Ländern, siehe das Oman-Programm, oder den Ausbau im Beratungsbereich.


© OeAD | Sabine Klimpt

© OeAD | Sabine Klimpt

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Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Hubert Dürrstein begleitete die Überführung des Vereins der Universitäten in die OeAD-GmbH. Er leitete die Agentur des Bundes von 1. Jänner 2009 bis 31. Dezember 2015. Der ehemalige Rektor der Universität für Bodenkultur ist u. a. Vizepräsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft.

oead.news: Herr Dr. Zotti, welche Schwerpunkte möchten Sie in den kommenden Jahren setzen? Stefan Zotti: Einige dieser Ideen, die Hubert Dürrstein gerade angesprochen hat, sind in das aktuelle Unternehmenskonzept 2016 bis 2021 eingeflossen. In all unseren strategischen Überlegungen geht es nicht um Revolution, sondern um Weiterentwicklung. Der Übergang ist jedenfalls gut gelungen, nun müssen wir herauskristallisieren, welche neuen Herausforderungen und Erwartungshaltungen es gibt. Aktuell beschäftigen wir uns zum Beispiel damit, welchen Beitrag wir in der Flüchtlingssituation leisten können, um die Integration in das Bildungswesen zu unterstützen. Durch diese neuen Anforderungen müssen wir etwa unser Angebot in der Fremdenrechtsberatung erweitern. Wir schauen also, was wird angefragt, und wie können wir darauf reagieren. Der Ausbau des Beratungsbereichs ist damit ganz klar einer der Schwerpunkte für die kommenden Jahre. oead.news: Mit welchen Ländern möchten Sie künftig enger zusammenarbeiten, Herr Dr. Zotti? Global betrachtet ändern sich die großen Mobilitätsströme – allen voran wird Asien immer wichtiger. Als kleines Land sind unsere Möglichkeiten in einem riesigen Land wie China natürlich beschränkt. Dennoch: Wir haben an der Fudan Universität in Shanghai ein Kooperationsbüro, wo wir bereits seit 2005 präsent sind. Wir können so vor Ort die Arbeit des Eurasia-Pacific Uninet, an dem 150 Institutionen beteiligt sind, unterstützen und Studierende und Forscher/innen gezielt über die Angebote des OeAD beraten und informieren. Diese Aktivitäten wollen wir künftig noch weiter ausbauen. Wir möchten unsere Bildungsinstitutionen aber auch in neuen,

Dr. Stefan Zotti war Prokurist der OeAD-GmbH von 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2015. Davor war der promovierte Theologe im Kabinett von EU-Kommissar Johannes Hahn (damals für Regionalpolitik zuständig) in Brüssel tätig. Mit 1. Jänner 2016 übernahm Zotti die Geschäftsführung der OeAD-GmbH.

aufstrebenden Regionen dabei unterstützen, Kooperationen zu finden und aufzubauen, wenn Bedarf besteht: etwa im Iran, in Russland oder dem Kaukasus, möglicherweise auch in Südamerika. Konstruktive Kooperationen kann man ohnehin nicht von oben verordnen, diese entstehen aus dem Engagement der Forscher/innen, die die Trends erkennen. Die Rolle des OeAD sehe ich darin, eine ScoutFunktion wahrzunehmen und Brücken zu bauen. Und wir wollen die richtigen Instrumente zur Verfügung stellen. Wobei ich es in dem Zusammenhang wichtig finde, unser Fördersystem so breit zu belassen, wie es ist und nicht durch regionale oder thematische Schwerpunkte in seiner Flexibilität zu beschneiden. Um neuen Ansprüchen Rechnung tragen zu können, ist ein ständiger Austausch nötig – nur so können wir herausfinden, wo die Bildungseinrichtungen lohnende inhaltliche Schwerpunkte sehen. oead.news: Herr Prof. Dürrstein, wo sehen Sie den OeAD 2021, nach Ablauf des aktuellen Unternehmenskonzepts? Hubert Dürrstein: Immer noch in der Ebendorferstraße. Nein, im Ernst. Wenn es gelingt, das Unternehmenskonzept der nächsten sechs Jahre umzusetzen, ist der OeAD gut aufgestellt. Es wird darin ein großes Gewicht auf breite und nachhaltige Kommunikati-

on gesetzt und das ist positiv. Ich denke, dass dadurch auch die Expertise des OeAD mehr nachgefragt wird. oead.news: Herr Dr. Zotti, was möchten Sie 2021 umgesetzt wissen? Stefan Zotti: Bis 2021 sollen jedenfalls die Mittel aus dem europäischen Bildungsprogramm Erasmus+ zu 100 Prozent ausgeschöpft sein, um so viele Lernende und Lehrende wie möglich mobil zu machen. Weiters möchten wir – wie schon erwähnt – das Angebot der Fremdenrechtsberatung in Richtung Forscher/innen und Lehrende ausbauen, Stichwort RotWeiß-Rot-Karte. Wir arbeiten auch daran, neue Angebote in der Fort- und Weiterbildung zu entwickeln. Insgesamt geht es mir darum, den OeAD als Kompetenzzentrum für internationale Entwicklung im Bereich Bildung und Wissenschaft stärker zu positionieren. Das möchte ich 2021 erreicht haben. Danke für das Gespräch, Rita Michlits


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Petra Pint | Barbara Sutrich

OeAD-Hochschultagung 2015: Eine Nachlese Die 25. Jahrestagung des OeAD fand im Zeichen des Europäischen Jahres für Entwicklung statt. Höhepunkt war die Verleihung des Preises für Entwicklungsforschung.

Videobotschaft von Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

2015 war ein wichtiges Jahr für die internationale Entwicklungsforschung: Am UN-Gipfel in New York wurden im September die neuen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) beschlossen. Dies war der Startschuss für neue Maßnahmen, um die Ursachen von Armut, Ungleichheit, Umweltzerstörung und Klimawandel zu bekämpfen. Jens Martens vom Global Policy Forum erläuterte in seiner Keynote bei der 25. OeAD-Hochschultagung diese neuen Nachhaltigkeitsziele. Er unterstrich, dass im Vergleich zu den 2015 ausgelaufenen Millenium Development Goals (MDGs) nicht nur Ziele, sondern auch Wege zur Zielerreichung und Überprüfungsmaßnahmen vereinbart wurden. Martens schilderte auch den holprigen Weg hin zum Beschluss der Ziele.

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Jens Martens (Global Policy Forum) präsentierte die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz zu nachhaltigen Entwicklungszielen aus New York.

Zahlreiche Besucher/innen bei der Eröffnung der 25. OeAD-Hochschultagung an der Univeristät Wien

Auch bei der darauffolgenden Podiumsdiskussion waren die neuen Nachhaltigkeitsziele zentrales Thema. Jens Martens diskutierte diese globalen entwicklungspolitischen Lösungen mit Martin H. Gerzabek (Universität für Bodenkultur), Georg Grünberg (Universität Wien) und Barbara Weitgruber (BMWFW). Einhelliger Tenor: Die Ziele spiegeln ein neues Verständnis der Welt wider. Länder werden nicht mehr nach dem Schema »entwickelt« oder »nicht entwickelt« betrachtet. Als Höhepunkt wurde der österreichische Preis für Entwicklungsforschung verliehen. Er speist sich aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) und wird von der Kommission für Entwicklungsforschung (KEF) bei der OeAD-GmbH vergeben. Der Hauptpreis ging an Georg Grünberg, der für sein Lebenswerk der Erforschung indigener Völker in Lateinamerika geehrt wurde. Grünberg zeichnen seine langjährigen, exzellenten Leistungen im Bereich der

Entwicklungsforschung, insbesondere in Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen und NGOs in Lateinamerika, aus. Den Nachwuchspreis erhielt Robert Hafner (Institut für Geografie der Universität Innsbruck) für seine Monografie »handlung / macht / raum. Urbane Materialsammler-Kooperativen und ihre Livelihoods-Strategien in Buenos Aires«. Grünberg plädierte für den Dialog unterschiedlicher Wissenssysteme, Perspektiven und Herangehensweisen. Dies bedinge auch die Anerkennung anderer Wissenszugänge, etwa von Nicht-Akademiker/innen (mit reichem Wissensschatz). Das bedeute, einen Dialog zu schaffen, der nicht von einem »besseren« europäischen Wissen ausgehe und Glaubenssätze (wie beispielsweise die Berücksichtigung von Geistwesen) anzuerkennen, die (europäische) Wissenschaftler/innen nicht immer verifizieren können. Letztendlich gehe es Grünberg um gemeinsames Denken und Handeln. Strategien für eine nachhaltige Förderung von Projekten und Kooperationen und Perspektiven für die Zukunft diskutierten Erich Thöni, Kuratorium der Kommission für Entwicklungsforschung (KEF), Mariam Diakité (Studentin aus Mali, Universität Wien/Afroasiatisches Institut Wien), Michael Obrovsky (ÖFSE) und Margarita Schiemer (Universität Wien).


39 Bild links oben: Georg Grünberg (Universität Wien/Österreichisches Lateinamerika-Institut) erhielt den österreichischen Preis für Entwicklungsforschung, im Bild mit Barbara Weitgruber (BMWFW) Bild Mitte: Den Nachwuchspreis überreichte Sektionschefin Barbara Weitgruber (BMWFW) an Robert Hafner (Institut für Geografie der Universität Innsbruck) Bild unten: Hubert Dürrstein, Geschäftsführer der OeAD-GmbH bis 31. Dezember 2015, wurde mit dem Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich geehrt. Nationalratsabgeordneter Karlheinz Töchterle überreichte die Auszeichnung.

Studierender in Europa, meinte Diakité, dass diese neben dem akademischen Erfolg und dem Zugang zur Bildung auch eine Chance sehen würden, Bildung wieder zurück in ihr Land zu bringen. Viele Afrikanerinnen und Afrikaner würden die Idee, im Heimatland Kurse und Ausbildungen für jene anzubieten, die nicht die Chance auf eine Ausbildung in der EU haben, unterstützen, so Diakité. Im Rahmen eines festlichen Empfangs verabschiedeten die OeAD-Mitarbeiter/innen und die beruflichen Weggefährt/innen Hubert Dürrstein, der sieben Jahre lang den OeAD als Geschäftsführer steuerte und mit 1. Jänner 2016 die Leitung an Stefan Zotti übergab. Dürrstein erhielt für seine Verdienste um die Republik Österreich das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich. Der

ehemalige Wissenschaftsminister und ÖVPWissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle überreichte die Auszeichnung. Abgerundet wurde die Hochschultagung 2015 mit der Eröffnung der KEF- und APPEAR-Filmtage »Stadt. Land.Wandel.«, die ihr Augenmerk auf Urbanisierung, Entschleunigung und sozioökologischen Wandel richteten. Auch in der OeAD-GmbH nimmt Entwicklungszusammenarbeit einen hohen Stellenwert ein. APPEAR ist das Hochschulkooperationsprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA), das im OeAD umgesetzt wird. Es dient der Förderung von Hochschulkooperationen zwischen österreichischen Hochschulen und Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in 16 aktuellen und ehemaligen Schwerpunktländern und -regionen der OEZA. Ziel ist es, die Qualität in Lehre, Forschung und Management an den beteiligten Hochschulen zu steigern und den wissenschaftlichen Dialog zu forcieren. Insgesamt förderte der OeAD seit dem Studienjahr 2009/2010 in den Ländern der DAC-Liste der OECD mehr als 600 Kooperationen und 5.000 Mobilitäten.

Mariam Diakité, Mitbegründerin des Vereins afrikanischer Studentinnen und Studenten in Österreich, plädierte dafür, einzusehen, dass die Welt eine globale Gesellschaft geworden sei und wir in dieser gemeinsam Lösungen für Herausforderungen finden sollten. Ihrer Meinung nach könnten österreichische Hochschulen eine tragendere Rolle als Motor für Entwicklung spielen, weil Universitäten geeignete Orte seien, um Migration und Entwicklungsforschung zu betreiben und umzusetzen. Gefragt nach den Zielen afrikanischer

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Symbolische Schlüsselübergabe von Hubert Dürrstein an Stefan Zotti, der mit 1. Jänner 2016 die Geschäftsführung der OeAD-GmbH übernahm

Peter Moser (Vizerektor Montanuniversität Leoben), Hubert Dürrstein (OeAD), Barbara Weitgruber (BMWFW), Stefan Zotti (OeAD) und Karlheinz Töchterle (Nationalrat)

infopoint www.oead.at/hochschultagung


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Cathrine Seidelberger

Erasmus+ Award Am 2. Dezember 2015 wurde erstmals der Erasmus+ Award der Nationalagenturen Erasmus+ Bildung und Jugend in Aktion verliehen. Er zeichnet Qualität und besondere Leistungen aus.

Österreichische Jugendliche und Erwachsene beteiligen sich überdurchschnittlich hoch am EU-Programm Erasmus+. Allein 2015 nahmen mehr als 16.000 Personen in Österreich an einem geförderten Auslandsaufenthalt teil. Besonders herausragende Personen und Projekte wurden von Sektionschef Elmar Pichl (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), Hanspeter Huber (Bundesministerium für Bildung und Frauen) und Andreas Schneider (Bundesministerium für Familien und Jugend) vor über 200 Gästen am 2. Dezember 2015 in der Akademie der Wissenschaften mit dem Erasmus+ Award gewürdigt. Der Preis wird gemeinsam von den Nationalagenturen für Erasmus+ Bildung und Erasmus+ Jugend in Aktion vergeben.

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v.l.n.r.: Clara Novak (Botschafterin Jugend), Gerhard Moßhammer (GF Interkulturelles Zentrum, Nationalagentur Erasmus+ Jugend in Aktion), Maria Pichlbauer (Botschafterin Schulbildung), Gert Hufnagl (Vorstand Interkulturelles Zentrum), Barbara Streicher (Botschafterin Erwachsenenbildung), Stefan Zotti (GF OeAD-GmbH), SC Elmar Pichl (BMWFW), Silvia Schwaiger-Wöll (Botschafterin Berufsbildung), GL Hanspeter Huber (BMBF), Ingrid Pleschberger (Botschafterin Hochschulbildung), Ernst Gesslbauer (OeAD-GmbH, Leiter Nationalagentur Erasmus+ Bildung)

Pichl unterstrich das Engagement der Beteiligten: »Durch die Steigerung der Mobilität und die Förderung des internationalen Austauschs erhöhen wir sowohl die fachliche als auch die persönliche Entwicklung unserer Jugend und damit unserer Zukunft.« »Ich freue mich, dass der Erasmus+ Award die Leistungen der Projektträgerinnen und -träger sichtbar macht und besonders gelungene Projekte würdigt«, sagte Hanspeter Huber. Andreas Schneider hielt fest: »Mir ist es besonders wichtig, den Wunsch der Jugendlichen nach aktiver Partizipation zu fördern. Mit der Verleihung des Erasmus+ Awards zeichnen wir Projekte aus, die ein attraktives Lern- und Erfahrungsumfeld geschaffen haben und würdigen den enormen Ideen-

reichtum und Mitgestaltungswillen unserer Jugend.«

Die Kategorien 2015 Prämiert wurden Mobilitätsprojekte sowie Programmbotschafterinnen und -botschafter in den Bereichen Berufsbildung, Erwachsenenbildung, Hochschulbildung, Jugend und Schulbildung. Die Auszeichnungen für Mobilitätsprojekte unterstreichen den europäischen Innovationsgeist. Über den ersten Platz freuen konnten sich die HLW der Caritas

Bild links: Ernst Gesslbauer (li.), Leiter der Nationalagentur Erasmus+ Bildung, und Gerhard Moßhammer, Leiter des Interkulturellen Zentrums, Nationalagentur Erasmus+ Jugend in Aktion Bild rechts: Das Team der FH Joanneum erhielt den Erasmus+ Award in der Kategorie Hochschulbildung


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Bild oben: Blick ins Publikum, Aula der Wissenschaften

Bild links: Die Preisträgerinnen und Preisträger freuen sich über die Auszeichnungen.

Bild rechts: Der Erasmus+ Award wird jährlich an die erfolgreichsten Projektteilnehmer/innen verliehen.

der Diözese Graz-Seckau für das Berufsbildungsprojekt »Europe all around«, die atempo BetriebsgesmbH für das Erwachsenenprojekt »Inklusive Bildung mit Tablets«, die FH Technikum Wien für das Hochschulbildungsprojekt »Mobilität von Studierenden und Mitarbeiter/innen«, Art Mine – Verein zur Förderung des interkulturellen Austauschs und Dialogs für das Jugend-Projekt »Youth for Peace« sowie die BAKIP der Franziskanerinnen von Vöcklabruck für das Schulbildungsprojekt »Praxis an österreichischer Auslandsschule in Istanbul«. Als Programmbotschafterinnen wurden Maria Pichlbauer (Schulbildung), Silvia Schwaiger-Wöll (Berufsbildung), Barbara Streicher (Erwachsenenbildung),

Ingrid Pleschberger (Hochschulbildung) und Clara Novak (Jugend) ausgezeichnet. Die Preisträgerinnen und Preisträger wurden aus zahlreichen Einreichungen von einer internationalen Jury gewählt. Die Preise für die Botschafter/innen wurden von WIFI Österreich, bfi Österreich und SPAR Österreich gesponsert.

Umfassender Ansatz Die Lernmobilität von Einzelpersonen ist zentrales Standbein des europäischen Programms für Bildung, Jugend und Sport, das in sieben Jahren über vier Mio. Menschen mobil machen soll. Zwischen 2014 und

2020 stehen dafür europaweit 14,7 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Teilnahmemöglichkeiten sind vielseitig und spannen den Bogen von Berufspraktika für Lehrlinge im Ausland über Studierendenmobilität an ausländische Hochschulen und Unternehmen sowie europaweite Fortbildungskurse für Pädagog/innen bis hin zur Teilnahme an Freiwilligenprojekten und europäischen Jugendbegegnungen. Eine Broschüre informiert über die prämierten Personen und Projekte: www.bildung.erasmusplus.at/award2015

Bild links: Die Erasmus+ Jugend-Botschafterin Clara Novak erzählte von ihrem Auslandsaufenthalt in Finnland. Bild rechts: Das Team der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik in Vöcklabruck (im Bild mit Andrea Schmölzer, BMBF, und Ernst Gesslbauer, OeAD/Nationalagentur, ganz re.) wird für ihr Schulbildungsprojekt ausgezeichnet.


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Rafaela Mazal

Der Citizen Science Award 2015 Ein Monat lang waren Schulen aus ganz Österreich eingeladen, an Forschungsprojekten mitzuarbeiten.

Im Rahmen des Citizen Science Awards luden 2015 erstmals das Wissenschaftsministerium und Young Science, das Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule, alle Schülerinnen und Schüler ein, bei vier ausgewählten Citizen Science-Projekten mitzuforschen. Die österreichischen Schüler/innen sammelten im vergangenen Oktober eifrig Daten: bei der Beobachtung der Blattverfärbung bei heimischen Pflanzen im Herbst oder bei der Entwicklung von Fragebögen für die Allergieforschung, beim Testen von Online-Laboren oder bei der Dokumentation von politischen Begegnungen im Alltag.

Alle Fotos dieser Seite © OeAD | APA-Fotoservice, Hinterramskogler

Im Young Science-Forschungsmonat Oktober übermittelten die Kinder und Jugendlichen via Apps, EMails, Fragebögen und Online-Formularen so viele Daten wie möglich an die jeweiligen Forschungsteams. Jene Teams, die den Forscherinnen und Forschern die meisten Daten lieferten, konnten dabei zwischen 500 und 3.000 Euro für die Klassenkassa gewinnen. Einen Sonderpreis gab es für die innovativste Strategie, einen besonders breiten Personenkreis für die Mitwirkung an einem der Forschungsprojekte zu gewinnen. Insgesamt haben sich 150 Schulklassen aus ganz Österreich am Citizen Science Award 2015 beteiligt. Die 15 Gewinnerklassen wurden am 15. Dezember ins Wiener Museumsquartier eingeladen, wo sie im Rahmen einer feierlichen Festveranstaltung ihre Preise entgegennahmen. Auch 2016 lädt das BMWFW Forschungsprojekte ein, gemeinsam Citizen Science Awards an die engagiertesten Bürgerinnen und Bürger zu vergeben. Im Gegensatz zu 2015 ist das Ziel des Citizen Science Awards 2016, Interessierte aller Altersstufen für Forschung zu begeistern und zum Mitforschen zu animieren.

Bild oben, von links nach rechts: Christian Smoliner (BMWFW), Marie Céline Loibl (BMWFW), Stefan Zotti (OeAD), Bernhard Weingartner (TU Wien), Petra Siegele (OeAD), unten: Schülerinnen und Schüler der 4b, Volksschule Oberlaa, Wien, zweiter Platz bei FarbVerrückt. Bild unten: Das Interesse an der Preisverleihung war groß – der Saal im Wiener Museumsquartier platzte aus allen Nähten.


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Schülerinnen und Schüler der 7b des BORG Radstadt, Salzburg. Sie gewannen sowohl den Sonderpreis als auch den Hauptpreis beim Projekt ALRAUNE.

Facts & Figures Im Oktober 2015 gab es erstmals für ALLE Schülerinnen und Schüler Österreichs die Möglichkeit, bei aktuellen Forschungsprojekten mitzumachen. Schulklassen konnten dabei österreichweit Beiträge zur heimischen Forschung leisten und ganz nebenbei bis zu 3.000 Euro für die Klassenkassa gewinnen. 150 Schulen nahmen die Einladung an und forschten um die Wette. Die Auszeichnung der fleißigsten Forscher/innenteams fand im Rahmen einer Festveranstaltung am 15. Dezember im Wiener Museumsquartier statt, an der über 400 Interessierte teilnahmen. Insgesamt wurden fünf Awards mit jeweils einem ersten, einem zweiten und einem dritten Platz verliehen.

Knapp 400 Teilnehmer/innen kamen zur Festveranstaltung ins Wiener Museumsquartier.

Ab 2016 wird die Teilnahme am Citizen Science Award neben Schulen auch anderen Interessierten möglich sein.

infopoint www.youngscience.at/award


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OeAD-Ausschreibung

APPEAR: 6. Call Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development Zwischen 1. Februar und 31. Mai 2016 ist der mittlerweile 6. Call des APPEAR-Programms geöffnet. APPEAR ist ein Programm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA). Gefördert werden Partnerschaften zwischen österreichischen. Hochschulen und Universitäten sowie weiteren Forschungseinrichtungen in den Ländern: ÆÆ Äthiopien, Uganda, Kenia ÆÆ Mosambik ÆÆ Kap Verde, Burkina Faso, Senegal ÆÆ Nicaragua, El Salvador, Guatemala ÆÆ Bhutan, Nepal ÆÆ Palästinensische Gebiete ÆÆ Georgien, Armenien, Republik Moldau Ziel ist die Stärkung der institutionellen Kapazitäten in Hochschulbildung und Forschung für Entwicklung. Dabei orientieren sich die Schwerpunktthemen des Programms an jenen der OEZA. ÆÆ Wasser- und Siedlungshygiene, ländliche Entwicklung, nachhaltige Energie, Umwelt und Schutz der natürlichen Ressourcen; in diesem Themenfeld ist die Berücksichtigung des NexusAnsatzes (Wasser-Energie-Ernährungssicherheit) willkommen

ÆÆ Privatsektorentwicklung ÆÆ Armutsminderung, Friedenssicherung und Konfliktprävention, Governance und Menschenrechte, Gender ÆÆ Erhöhung sozialwissenschaftlicher Kompetenzen (z. B. zur systematischen Analyse von Gründen für Armut, zur Stärkung von Forschungskapazitäten) Disability Mainstreaming ist ein Querschnittsthema von APPEAR, daher gilt die Berücksichtigung von Aspekten der Inklusion und Förderung von Menschen mit Behinderung als sogenannter »Added Value«. Im Rahmen von APPEAR können bis 31. Mai 2016 folgende Förderungen eingereicht werden: ÆÆ Academic Partnership (Hochschulpartnerschaften) ÆÆ Advanced Academic Partnership (Hochschulpartnerschaften, die auf bereits abgeschlossenen APPEAR-Projekten aufbauen) ÆÆ Preparatory Funding (Anbahnungsfinanzierung, um einen Vollantrag auszuarbeiten – nur für Institute, die noch nicht gemeinsam gearbeitet haben) ÆÆ PhD-Stipendien Alle Informationen und Formulare sind unter folgendem Link zu finden: www.appear.at/application

Impressum: Medieninhaber & Herausgeber: OeAD (Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft mit beschränkter Haftung | Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH) | 1010 Wien, Ebendorferstraße 7 | Sitz: Wien | FN 320219 k | Handelsgericht Wien | Chefredaktion und für den Inhalt verantwortlich: Eva Müllner, KIM – Kommunikation, Information, Marketing | Schlussredaktion: Rita Michlits | Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Ovagem Agaidyan, Sandra Allmayer, Lydia Maria Arantes, Gottfried Biewer, Małgorzata Bogaczyk-Vormayr, Anna Diop, Michael Dippelreiter, Angelika Grabher, Franz Gramlinger, Kanita Halkic, Christiane Hintermann, Christine Kladnik, Katharina Kloser, Markus Lörz, Rafaela Mazal, Rita Michlits, Erna Nairz-Wirth, Kerstin Nemec-Seipenbusch, Nicolai Netz, Nikoleta Nikisianli, Petra Pint, Michelle Proyer, Nina Prinz, Heiko Quast, Michael Schedl, Cathrine Seidelberger, Margarita Schiemer, Barbara Sutrich, Martin Unger, Heiko Vogl, Veronika Wöhrer, Wolfgang Zeiler, Stefan Zotti | 1010 Wien | Ebendorferstraße 7 | T +43 1 534 08-0 | F +43 1 534 08-999 | info@oead.at | www.oead.at | Grafisches Konzept: Fineline, graphic-design & typography, 1040 Wien | Layout: Eva Müllner | Fotos: Wenn nicht gesondert vermerkt, im Eigentum der OeAD-GmbH, Coverfoto: © A. S., Pixelio | Druck: one2print/DI Hans A. Gruber KG | Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft | Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und müssen sich nicht mit der des Herausgebers decken | P.b.b. | Erscheinungsort Wien | Verlagspostamt 1010 Wien | GZ: 02Z032 994M | Wien, März 2016 Offenlegung gemäSS § 25 Mediengesetz: Unternehmensgegenstand: Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (§3. (2) OeAD-Gesetz) | Geschäftsführer: Stefan Zotti | Prokurist: Ulrich Hörmann | Mitglieder des Aufsichtsrates: Elmar Pichl, Hanspeter Huber, Teresa Indjein, Gottfried Schellmann, Heinz Faßmann, Kurt Koleznik, Malies Krainz-Dürr, Barbara Sporn, Franz Salchenegger, Florian Gerhardus, Bernhard Muzik, Alexandra Wagner | Die OeAD-GmbH steht zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes (§1.(2) OeAD-Gesetz) | Grundlegende Richtung: Information zu Bildungsmobilität & Bildungskooperation – national und international.


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