Februar 2013 | Zachow - Ihr Magazin

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S TA DT H A L L E

Der Hausbesuch Die heute 72-jährige Ingrid Trapp wohnt von Geburt an in Nietleben. Die Rentnerin, die einst den Beruf des Polsterers und Dekorateurs erlernt hatte und nach der Wende noch zur Altenpflegehelferin umschulte, arbeitet ebenfalls im Nietlebener Heimatverein mit. Wir haben Ingrid Trapp in ihrem Häuschen in der Siedlung „Neuglück“ besucht. Der Heidesee ist eine einstige Bergbausenke, in der Anfang der 30er Jahre der Wasserspiegel anstieg. (Foto: privat)

Im Schatten der Neustädter Plattenbauten erstreckt sich die „Gartenstadt“ Nietleben. (Fotos: Löf)

nach Halle und der Degradierung zu einem „Anhängsel“ der Stadt bewahrte. Schlimmer noch: „Ab 1963 schwebte im Zusammenhang mit dem Aufbau Halle-Neustadts sogar das Henkersschwert über Nietleben, es drohte wie weite Teile Passendorfs vom Erdboden zu verschwinden“, schildert Eckart Grohmann. „Es folgte eine bleierne Zeit der Ungewissheit und Stagnation. Meine Eltern etwa haben angesichts eines möglichen Abrisses an ihrem Haus keinen Finger mehr gerührt“, fügt Uwe Apel an. „Die Spannungen setzten sich bis unter uns Jugendliche fort. Betonratten gegen Dorfdunsel war quasi die ,Frontlinie‘ bei den Diskotheken im Gasthof Goldener Stern“, erinnert sich Ines Menzel an jene Zeit. Letztlich gaben offenbar hydrologische und mit dem vormaligen Bergbau zusammenhängende sicherheitstechnische Aspekte den Ausschlag dafür, Nietleben zu verschonen. „Vielleicht war es ja auch einfach nur so, dass SED-Politbüro-Mitglied Werner Felfe oder Halles Bezirksrats-Chef Alfred Kolodniak die Neubaublocks nicht zu dicht an ihren exklusiv-idyllischen Wohnstandort in der Nietlebener Gartenstadt herangerückt haben wollten“, mutmaßt der 56-jährige Andreas Leopold mit einem Augenzwinkern. Ein Wahrzeichen wie die Nietlebener Windmühle (Eselsmühle) hingegen wurde komplett von Betonriesen eingekesselt.

der vielmehr Kinder hier“, erzählt Ines Menzel. Als „Kronzeuge“ der neuerlichen Nietlebener Blüte kann Mathias Nobel auftreten. „Obwohl ich nun schon seit zwölf Jahren in Nietleben tätig bin, habe ich erst vor einem Jahr einen Wohnsitz hier ergattern können“, sagt der 33-Jährige, der seit 2007 als privater Pächter das Heidebad am gleichnamigen See betreibt. Der Heidesee, Anfang der 30er Jahre in einer Bergbausenke entstanden, ist überhaupt Dreh- und Angelpunkt zahlloser Aktivitäten im Stadtteil. Man kann dort – tief Luft holen! – (eis)baden und sogar der Freikörperkultur frönen, angeln, wandern, joggen, radeln, ausreiten, Kirschen pflücken, Tiere streicheln, einen Geschichtslehrpfad abschreiten oder sich durch den Kletterwald „Schwindelfrei“ hangeln. Und zu den alljährlichen Höhepunkten, der „Griechischen Nacht“ Anfang Juli und dem „Karibischen Abend“ Anfang August, pilgern jeweils rund 4 500 Besucher. Verrückt, oder? 1

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Kennen Sie eigentlich Ihre Nachbarn? Ja, es ist ein gutes Verhältnis. Mein Mann war viele Jahre sehr schwer krank, da konnte ich die Nachbarn immer um Hilfe fragen. Wir halten ein Schwätzchen, treffen uns vielleicht zwei-, dreimal im Jahr zum Kaffeeklatsch und hüten bei Urlaubsabwesenheiten die Häuser der anderen. Und von meiner Nachbarin Liebgart Koch, einer Imkermeisterin, hole ich mir gern ein Glas Honig. Was hören Sie, wenn Ihre Fenster offen sind? So gut wie nichts außer den Lauten aus der Natur. Wenn der Wind entsprechend steht, höre ich vielleicht ganz entfernt mal ein Geräusch von der Straßenbahn, aber das stört mich überhaupt nicht. 1 LÖ F

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Wieso dieses Haus? Es ist das Haus der Eltern meines inzwischen verstorbenen Mannes, die hier 1938 im Rahmen der Mitteldeutschen Heimstätten siedelten. Wir sind 1960 nach unserer Hochzeit in zwei kleine Zimmer unter der Dachschräge eingezogen. Nach dem Tod meines Schwiegervaters im Jahr 1965 hatten wir das Haus dann ganz für uns.

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„Zurück zur Natur“ als Sehnsuchts-Motto Und heute? Heute schickt sich Nietleben an, an frühere Blütezeiten anzuknüpfen. „Namentlich in der Gartenstadt findet zur Zeit ein Generationswechsel statt. Gott sei Dank sind jetzt wie-

Was ist so besonders an Nietleben? Ich fühle mich hier so sehr zu Hause, habe alles, was ich brauche, gleich vor der Nase: Wald, Wasser, Einkaufsmöglichkeiten und die Straßenbahn, die mich in 20 Minuten ins Stadtzentrum bringt. Heide und Heidesee sind Orte, an denen ich groß geworden bin. Und wenn im Frühjahr am Kirschberg die Bäume blühen, ist das einfach herrlich.

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: In der nächsten Ausgabe lesen Sie Teil 22 unserer Stadtteilserie: Südliche Innenstadt.

Ingrid Trapp in ihrer Wohnung in der Siedlung „Neuglück“.

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