KlassikAkzente 03/2011

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tinaturner

regula curti

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b e t h e c h a n g e youwanttoseeintheworld

www.klassikakzente.de • C 43177 • 3 • 2011

Ricardo Chailly B e e t h ov e n au s L e i p z i g

Tori Amos M IT POP- B all a d e n UNTe r d i e P h i lh a rm o n i k e r

Loriot PETER UND DER NEUE WO L F

Children

BEYOND DAS NEUE ALBUM.

WWW.BEYONDSINGING.COM

Deckt Mozarts wahren Charakter auf:

Hélène Grimaud


Editorial Intro

Andreas Kluge

CALLEJA THE MALTESE TENOR

„Callejas Stimme ist wie keine zweite in der heutigen Opernszene.“ The Associated Press, 2010, über Callejas Auftritt in „La bohème“ an der MET

Decca 478 2720

Das neue Album der Stimme Maltas mit den schönsten Arien von Puccini, Verdi, Gounod, Massenet, Boito, Offenbach und Bizet … www.joseph-calleja.de

Liebe Musikfreundin, lieber Musikfreund, ohne Übertreibung darf ich an dieser Stelle sagen: Eine Ära geht zu Ende! Diese KlassikAkzente-Ausgabe wird – in der Ihnen wohl­ bekannten Form – die vorerst letzte sein. Vor über 33 Jahren, im Herbst 1978, startete die Deutsche Grammophon ihr Magazin KlassikAkzente mit folgenden Worten: „An alle Leser und ‚Blät­ terer‘. Sie halten das erste Exemplar der ‚KlassikAkzente‘ des Klassik-Departments der Deutschen Grammophon Gesellschaft in der Hand. […] ‚KlassikAkzente‘ möchten der ‚Knoten im Taschentuch‘ des Fachhandels sein – ein Wegweiser durch das KlassikVeröffentlichungsprogramm der DGG zum Nachdisponieren. […]“ Mit den Jahren avancierte das Magazin zu dem Informationsmagazin für klassische Musik, öffnete sich für die Produkte der Schwesterlabels Decca und Philips, überlebte als einziges Magazin seiner Art ähnliche Versuche von Firmen wie EMI und Sony, vollzog redaktionell den revolutionären Wandel von der Schallplatte zur CD mit und wartete stets mit interessanten Geschichten, Porträts und Rubriken auf. Stellvertretend für viele andere sei hier an den „Klassischen Fragebogen“ erinnert, den alle Klassikstars der zurückliegenden drei Jahrzehnte – manche sogar mehrfach! – ausgefüllt haben. 1999 bekamen die „KlassikAkzente“ ein neues Gesicht und wurden von der Fachpresse mehrmals in Folge unter die besten deutschsprachigen Kundenmagazine gewählt. Der Erscheinungsrhythmus wurde variiert und aus den sechs Ausgaben eines Jahres wurden vier Ausgaben, welche die Liebhaber der klassischen Musik durch das Jahr begleiteten. Parallel dazu und der medialen Entwicklung Rechnung tragend entstand die Website www.klassikakzente.de, die alle wesentlichen Informationen aus der Welt der Klassik schnell und bequem im Internet zur Verfügung stellt und die Interessenten darüber hinaus mit einem wöchentlichen Newsletter zusätzlich auf den jeweils neuesten Stand bringt. Diese Website sollte zukünftig Ihre erste Adresse sein, um die Neugier nach Neuerscheinungen ebenso zu befriedigen wie nach Hintergrundgeschichten sowie Konzert- und Fernsehterminen Ihrer Lieblingskünstlerinnen und -künstler. Die Vorteile liegen auf der Hand: Neben der Möglichkeit von Hörproben kann man im Internet auch die neuesten Interviews, Fotos und Musikclips zu aktuellen Alben präsentieren, im umfangreichen Katalog von Deutsche Grammophon & Decca stöbern und im Archiv nach älteren Artikeln suchen. Mit der Bitte, diese vielfältigen Möglichkeiten weidlich zu nutzen und dem Versprechen, dass Sie auch im kommenden Jahr wieder Gedrucktes für „alle Leser und ‚Blätterer‘“ ins Haus geschickt bekommen, danke ich Ihnen für Ihre Treue, Ihr Interesse, Ihre Anregungen und Kritik und verbleibe mit herzlichen Grüßen Ihr Andreas Kluge

Titel 6 Hélène Grimaud: Mozarts wahrer Charakter

Magazin 8 Riccardo Chailly: Von Leipzig nach Europa 9 Anne-Sophie Mutter: Bilanz nach 35 Jahren 10 Los Romeros: Ein Weihnachtsalbum wie kein anderes 11 Grenzgänger: Rund um den Musikglobus 12 Franz Liszt: 200 Jahre 14 ECM: West-östlicher Dialog 15 Maurizio Pollini und Christian Thielemann: Rückkehr einer Pianistenlegende 16 Anna Netrebko: La Netrebko 18 Aleksandra Kurzak: Liebe Leserinnen und Leser ... 19 Serien: Platz gemacht! Titelfoto: Mat Hennek / DG

JOSEPH

21.11. München, Prinzregententheater 19.12. und 22.12. Berlin, Deutsche Oper

4 Mutter bei Beckmann • Loriot: Peter und der neue Wolf • Miloš auf Tournee Jubiläen en masse • Netrebko in Mailand

Reingehört 20 Alle neuen Veröffentlichungen ausführlich vorgestellt

Impressum KlassikAkzente wird herausgegeben von UNIVERSAL MUSIC Classics & Jazz Telefon: 030/520 07 01

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Intro

Anne-Sophie Mutter

Miloš auf Tournee

Foto: Mathias Bothor / DG

Peter und der neue Wolf

Auch 2012 stehen wieder zahlreiche musikalische Jubiläen und Jahrestage ins Haus, angefangen bei Maurizio Polli­nis 70. Geburtstag am 5. Januar bis zu Maurice Ravels 75. Todestag am 28. Dezember. Ein Jubiläum, das erst in zweiter Linie mit Musik in Verbindung gebracht wird, ist ein 300. Geburtstag am 24. Januar. Bekannt als dilettierender Komponist für sein Lieblingsinstrument, die Flöte, widmet der deutsch-französische Kulturkanal arte im Umfeld des Jubiläums dem „aufgeklärten Herrscher“ ein Porträt unter dem Titel „Der Große: Friedrich II. von Preußen“. Die in diesem TV-Porträt vorgestellte Musik von Friedrich II. sowie anderer Komponisten, die zu seiner Regierungszeit am Potsdamer Hof wirkten – etwa Johann Sebastian und Carl Philip Emanuel Bach und Johann Joachim Quantz –, findet sich auf der CD, die das Fernsehporträt ebenso wie das Jubiläum des 300. Geburtstages des Herrschers von Sanssouci begleitet und schon Anfang Dezember die offizi­ ellen Feierlichkeiten klangvoll einleitet.

Ein echter Kinderklassiker erscheint endlich in neuer Ausstattung – ein Ereignis, dass sein Schöpfer zu gern noch miterlebt hätte. 1983 hatte Loriot Sergej Prokofieffs Märchen bearbeitet und mit dem English Chamber Orchestra unter Daniel Barenboim aufgenommen. In der Neuauflage ist neben dem „Karneval der Tiere“ noch ein dritter Leckerbissen auf der CD: Wilhelm Buschs „Max und Moritz“, gelesen von Loriot. Im 24-seitigen Beiheft sind neben einem kindgerechten Einführungstext erstmals die vollständigen Loriot-Texte zum Mitlesen und Genießen abgedruckt. Prokoffief • Saint-Saëns • Busch Peter und der Wolf • Der Karneval der Tiere • Max und Moritz Deutsche Grammophon CD 480 5804

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Anna Netrebko kehrt zum Beginn ihrer spektakulären Karriere zurück, wenn sie am 7. Dezember anlässlich ihres Debüts an der Scala di Milano wieder in die Rolle von Mozarts Donna Anna schlüpft, mit der ihr internationaler Stern 2003 bei den Salzburger Festspielen so glanzvoll aufging. In der Produktion von Regie-Star Robert Carsen eröffnet sie die Scala-Spielzeit 2011/12 in einer großartig besetzten „Produktion“, in der auch Bryn Terfel, Ildebrando d’Arcangelo und Anna Prohaska singen und die vom neuen künstlerischen Direktor der Scala, Daniel Barenboim, geleitet wird. Wer nicht nach Mailand fahren kann, darf sich auf drei Fernsehtermine zum Jahresausklang freuen: Am 7.12. bringt Arte um 20.15 Uhr die Saison-Eröffnung der Mailänder Scala: „Don Giovanni“ mit Anna Netrebko, Bryn Terfel, Anna Prohaska und Daniel Barenboim. Am 1. Weihnachtsfeiertag um 20.15 Uhr folgt auf XYZ die Wiederholung des Mitschnitts von Donizettis „Anna Bolena“ aus der Wiener Staatsoper (mit Elīna Garanča und Ildebrando d’Arcangelo). Und schließlich überträgt das ZDF das traditionelle Silvesterkonzert aus der Dresdner Semperoper am letzten Tag des Jahres live um 17 Uhr, diesmal mit Erwin Schrott und Pjotr Beczala – auf dem Programm stehen anno 2011 populäre Operettenmelodien.

Foto: Felix Broede / DG

Foto: Harald Hoffmann / DG Foto: Olaf Heine / DG

Jubiläen en masse

Erzähler: Loriot

Netrebko in Mailand

In diesem Sommer war es für viele das Album, um den Stunden im Freien das richtige musikalische Flair zu verleihen: „Meditarreneo“ des jungen klassischen Gitarristen Miloš aus Montenegro. Nun kann man sich die schönen Erinnerungen an den Sommer 2011 in der kalten, lichtarmen Jahreszeit live zurückholen, wenn Miloš vom 1. bis zum 11. Dezember auf große Tournee nach Deutschland kommt, um mit seinem unwiderstehlichen Charme und seinem beeindruckenden musikalischen Können der klassischen Gitarrenmusik zu neuer Popularität zu verhel- fen. Die Tournee startet am 01.12. in der Allerheiligen- Hofkirche in München und macht weiter Station in Berlin (02.12., Konzerthaus), Hamburg (03.12., Laeiszhalle), Düsseldorf (05.12., Tonhalle), Bielefeld (06.12., Rudolf-OetkerHalle), Münster (07.12., Erbdrostenhof), Köln (09.12., Kulturkirche), Frankfurt am Main (10.12., Dreifaltigkeitskirche) und Stuttgart (11.12., Liederhalle).

Mutter bei Beckmann Anne-Sophie Mutter, in diesem Jahr mit einer umfassen­den Edi­tion „The Complete Musician“ all ihrer Deutsche-Grammophon-Aufnahmen durch ihr Exklusivlabel geehrt, wird am 15.Dezember live zu Gast in der Talkshow „Beck­mann“ sein. Nach dem großen Erfolg ihres (bereits zweiten!) Auftritts bei Harald Schmidt im September darf man gespannt sein, was der charismatische Weltstar im Gespräch mit Talkprofi Reinhold Beckmann über seine einmalige Karriere und die Doppelbelastung als Mutter zweier Kinder und Violinvirtuosin mit großen Tourneeprogrammen erzählen wird.

Maurizio Pollini

Miloš Karadaglic

Anna Netrebko

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„Die Leidenschaft, die Zärtlichkeit, der Schmerz, das Drama – bei Mozart ist das alles echt.“

Foto: Robert Schultze/Mat Hennek / DG

Titel Mozarts wahrer Charakter Die französische Pianistin Hélène Grimaud hat sich den Österreicher Wolfgang Amadeus Mozart wie kaum eine Musikerin vor ihr zu eigen gemacht. Hélène Grimaud macht nicht viel Aufhebens um sich. Als sie den Konferenzraum eines feinen Berliner Hotels betritt, trägt sie zur Jeans ein schlichtes dunkles Oberteil. Ihr Händedruck ist fest, ihr zartes Gesicht fast ungeschminkt. Auch ohne viel Make-up ist die brünette Pianistin, Jahrgang 1969, mädchenhaft schön. Sie hält mit ihren blaugrünen Augen stets Blickkontakt und redet prononciert wie eine Nachrichtensprecherin über Mozart. Ihm widmete sie ihre jüngste CD, für die sie zwei Klavierkonzerte in A- und F-Dur nebst einer Arie aus der Oper „Idomeneo“ aufgenommen hat. Es liegt ziemlich viel Respekt in der Art und Weise, wie sie von dem Komponisten spricht – und auch von seinem Werk. An seine Stücke, sagt sie, habe sie sich behutsam herangetastet. Zwar übte sie sie als Kind dauernd, aber sie wollte nichts überstürzen. Erst jetzt hat sie ihrer Ansicht nach das nötige mentale Rüstzeug für die Einspielung seiner Klavierkonzerte. Ihr Credo: Man müsse sich von seinem eigenen künstlerischen Ego weitestgehend loslösen, sonst sei eine Mozart-Interpretation von vornherein zum Scheitern verurteilt: „Wirklich jeder Ton sollte ganz spontan aus dem Augenblick heraus entstehen – ohne Pathos oder Sentimentalität.“ Wenn Hélène Grimaud zu einem Vortrag über Mozart anhebt, ist sie kaum noch zu bremsen. Mit kompetenter Sachlichkeit räumt die Französin, die seit einigen Jahren in der Schweiz lebt, ein Vorurteil aus der Welt: dass der Komponist sein wahres Ich in seiner Musik meist hinter einer Maske versteckt: „Die Leidenschaft, die Zärtlichkeit, der Schmerz, das Drama – das alles ist echt.“ Woher sie diese Gewissheit nimmt? Aus Mozarts Briefen: „Wer sie liest, erkennt rasch den wahren Charakter dieses Mannes.“ Solche Sätze klingen so entschieden, als dulde die Pianistin in diesem Punkt keinen Widerspruch. Sie schwärmt vom Adagio des A-Dur-Konzerts, das sie langsamer als fast jeder andere spielt: „Ich glaube, das ist der schönste Satz, den Mozart jemals fürs Klavier komponierte. Er hat nichts Gekünsteltes, sondern kommt tatsächlich von Herzen.“ Der Fröhlichkeit der schnelleren Sätze misstraut

Hélène Grimaud dagegen: „Ich empfinde diese Passagen manchmal als beinahe hysterisch. Sie sind wohl eine Art Schutzschild, hinter dem Mozart etwas verbergen will.“ Die vielen Zwischentöne und Nuancen hat die Virtuosin an der Seite des Kammerorchesters des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bravourös ausgeleuchtet – ohne einen Dirigenten: „Ich hatte persönlichen Kontakt zu jedem einzelnen Musiker. Für mich war das ein intimer Moment.“ Wie gut, dass sich daraus etwas geradezu Magisches entwickelt hat: „Die anderen Instrumentalisten und ich, wir haben ein unglaubliches Freiheitsgefühl miteinander geteilt. Genau darum geht es doch beim gemeinsamen Musizieren.“ Nicht zuletzt mag das Publikum Solistin und Orchester bei den Liveaufnahmen zu Höchstleistungen angespornt haben – was ursprünglich gar nicht so geplant war: „Die Konzerte sollten bloß im Radio übertragen werden. Doch dann war ich mit dem Ergebnis so zufrieden, dass ich es unbedingt veröffentlichen wollte.“ Einfach weil die Pianistin Livemitschnitte für „ehrlicher und eindringlicher“ als Studioaufnahmen hält. Dabei arbeitet sie eigentlich immer auf die gleiche Art. Auch im Studio werden ihre Stücke nicht zusammengeschnitten, sie spielt sie von vorne bis hinten durch, maximal zweimal: „Wenn ich etwas ständig wiederholen muss, stirbt die Musik allmählich.“ Für die Einlege-Arie aus „Idomeneo“ gewann sie die Sopranistin Mojca Erdmann: „Statt sich in den Vordergrund zu drängen, lässt sie die Noten für sich sprechen. Ohne Zweifel beseelt sie mit ihrer Koloraturstimme Idamantes Part.“ Alles Mögliche könne man da aus diesem fast sinnlichen Zwiegespräch zwischen Stimme und Klavier heraushören, sogar eine Art Liebeserklärung: „Diese Arie birgt für mich die Erkenntnis in sich, dass die Liebe immer triumphiert. Sogar im Unglück.“ Dagmar Leischow

Liebt die Zwischentöne:

Hélène G rimau d

www.helene-grimaud.de Mozart Deutsche Grammophon CD 477 9455 Deluxe 477 9849

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Hélène Grimaud, Piano Mojca Erdmann, Sopran Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Dirigent: Radoslaw Szulc

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Foto: Mat Hennek / Decca

Live aus Leipzig:

R i C Ca R D o ChaiLLY

ASM35 – The Complete Musician Deutsche Grammophon 40 CDs 477 9464

Bilanz nach 35 Jahren

Anne-Sophie Mutter, violine Div. orchester und Solisten

Zum 35. Bühnenjubiläum ihrer bedeutendsten Künstlerin hat die Deutsche Grammophon Anne-Sophie Mutter eine besondere Box gewidmet.

VON LEIPZIG NACH EUROPA Riccardo Chailly war mit seinem Beethoven-Programm in ganz Europa zu hören – dank der Aufnahmen im Leipziger Gewandhaus nun auch endlich bequem zu Hause.

Waren Ludwig van Beethovens Symphonien stets wenige Wochen oder Monate nach ihrer Wiener Uraufführung auch in Leipzig zu hören, so zählt auch die Auseinandersetzung mit seinem symphonischen Gesamtwerk zur Beethoven-Rezeption des Gewandhausorchesters zu Leipzig, wurde hier aus Tagesaktualität bald Tradition. Noch zu Lebzeiten des Komponisten brachte das Gewandhausorchester 1825/26 weltweit erstmalig alle Beethoven-Symphonien in einer Konzertsaison zur Aufführung. Seitdem haben die Leipziger Gewandhauskapellmeister wie Arthur Nikisch, Franz Konwitschny, Kurt Masur oder Herbert Blomstedt regelmäßig Beethoven-Zyklen präsentiert und damit den Ruf des Ge-

wandhausorchesters als Pflegestätte seiner Musik gestärkt – einen Ruf, der bereits vor über 200 Jahren maßgebliche Impulse zur europaweiten Popularisierung und Etablierung der Beethoven’schen Werke lieferte. Dieses Jahr führt Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly das symphonische Gesamtwerk des Wiener Klassikers erneut von Leipzig nach Europa. Der Beethoven-Zyklus 2011 mit allen neun Symphonien erklingt nicht nur im Gewandhaus zu Leipzig, sondern auch im Wiener Musikverein, dem Londoner Barbican Center und der Salle Pleyel in Paris. Zudem vergab Chailly fünf Auftragskompositionen, die Bezug zu jeweils einer Beethoven-Symphonie nehmen und dieser in den Konzerten zur

Seite gestellt werden. Die Wahl der Komponisten ist eine geografische Reminiszenz an die Aufführungsorte des diesjährigen Zyklus: Steffen Schleiermacher kommt aus Leipzig, Friedrich Cerha aus Österreich, Colin Matthews aus Großbritannien, Bruno Mantovani aus Frankreich. Carlo Boccadoro ist – wie Chailly – Italiener. Nun erscheint der Beethoven-Zyklus 2011 mit dem Gewandhausorchester zu Leipzig unter Chailly bei Decca Classics als aufwändige Ausgabe in limitierter Auflage auf fünf CDs. Den

Aufnahmen liegen die Konzerte im Großen Saal des Leipziger Gewandhauses zu Grunde. Damit erfährt die Reihe der Einspielungen unter Chailly, seit über dreißig Jahren Exklusivkünstler bei Decca, einen weiteren Höhepunkt: Schließlich erschien auch Chaillys Antrittskonzert als Leipziger Gewandhauskapellmeister im Jahr 2005 als Livemitschnitt bei Decca. birgit hendrich www.riccardo-chailly.de

gewidmet wurden, sowie erstmals eine "Best of" Compilation mit ihren erfolgreichsten Aufnahmen auf zwei CDs. Mutter selbst sieht ihr Leben als ein „work in progress“, mit Betonung auf „work“ und auf „progress“: „Arbeit hat keinen Sinn, wenn es keine Entwicklung gibt und Entwicklung geht nicht ohne Arbeit.“ Ein „Wunder“ nannte sie Herbert von Karajan, doch das habe ihr nie gereicht. Man könne nicht ein Leben darauf verschwenden, die eigenen Fertigkeiten zu perfektionieren, und gleichzeitig ignorant gegenüber der Welt sein. „Ich will etwas Sinnvolles hinterlassen und die Spieltradition und Musikethik, die mir meine Lehrerin Aida Stucki vermittelte, weitergeben. Das ist ein ganz wichtiger Be-

standteil meiner Existenz.“ Als junge Musikerin habe sie sich eher als Solistin empfunden, die ihr Repertoire erweitern wollte, vorwiegend im klassisch-romantischen Bereich. „Heute sehe ich mich als Musikerin, die im Austausch mit großen Musikern gereift ist.“ Dankbar ist sie Paul Sacher, er habe ihren klanglichen Horizont erweitert durch die Begegnung mit Witold Lutosławski. Später kamen Dutilleux, Boulez, Gubaidulina, Rihm, Currier, Previn, Pende recki, Crumb dazu, die ihr Werke widmeten. „Sie sind für mich ein elementarer Baustein meines künstlerischen Werdens. Ich wollte mich nie spezialisieren, ich wollte Musik möglichst werkgetreu, aber auch durch Auge, Ohr und Verstand gefiltert interpretieren.“

„Work in progress“ heißt aber auch ein „Werk ohne Absicht auf Vollendung“. Auch bei ihr? Mit der Demut, die nur große Künstler haben, räumt sie ein, sie habe im Laufe ihres Lebens akzeptiert, „dass eine Interpretation auf CD nicht immer als vollendet gelten muss“. Und: „Ich habe künstlerisch nie voll erreicht, wovon ich träume.“ Alles sei nicht erfassbar. Bei Mozart etwa. „Jede kleine Verrückung, jede Perle, die heraussticht oder gedanklich nicht richtig positioniert ist, zerstört bei Mozart etwas ungemein Fragiles und Perfektes.“ Doch das ewige Streben nach dem Ideal bleibt und dieses Gefühl, „dass man nicht mehr im Saal ist, sondern nur noch in der Musik“. Teresa Pieschacón Raphael www.anne-sophie-mutter.net

Foto: Harald Hoffmann / DG

Anne-Sophie Mutters Karriere in Zahlen zu fassen, ist bereits eine Herausforderung: 2.280.000 Einträge allein zählt das Internet; 35 ihrer 48 Jahre steht sie schon auf der Bühne, 40 CDs hat sie für die Deutsche Grammophon eingespielt, die jetzt in einer Deluxe-Box ihr Leben mit der Musik dokumentieren: Von ihrem Debüt mit Mozart-Konzerten (1978) bis hin zu den BrahmsSonaten von 2010; darunter die Gesamteinspielung der Beethoven-Sonaten, die Aufnahmen mit Karajan, die Einspielung vielerihr gewidmeten Kompositionen. Gleichzeitig mit der Box erscheint eine neue CD mit Werken von Rihm („Lichtes Spiel und Dyade“), Currier („Time Machines“) und Penderecki („Duo concertante“), die ihr ebenfalls

35 Jahre auf der Bühne:

anne-SoPhie mu TTeR

Ludwig van beethoven Die Symphonien Decca 5 CDs 478 2721 Gewandhausorchester Leipzig Dirigent: Riccardo Chailly

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Foto: Harald Hoffmann / DG

Magazin Christmas with Los Romeros Deutsche Grammophon CD 477 9365 Pepe, Celin, Lito, Celino & Angel Romero, Gitarre Concerto Málaga Dirigent: Massimo Paris

Night of Hunters Deutsche Grammophon CD 477 9858 Tori Amos, Singer-Songwriter

Dechen Shak-Dagsay • Regula Curti • Tina Turner Children Beyond We Love Music CD 476 4659

Traveller Deutsche Grammophon CD 477 9363

La Strada Songs From The Movies Deutsche Grammophon CD 477 9729

Anoushka Shankar, Sitar u.a.

Rolando Villazón, Tenor

Rund um den Musikglobus Drei Generationen an der Gitarre:

Lo s Romeros

Ein Weihnachtsalbum wie kein anderes Ein neues Weihnachtsalbum zu schaffen, das die Jahr für Jahr wiederkehrenden Sehnsüchte nach Glanz, musikalischer Wärme und wohliger Geborgenheit erfüllt, ohne zu langweilen, ist schwer genug. Dabei zudem ein gewisses Maß an Frische und Originalität zu vermitteln fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch: „Christmas with Los Romeros“ präsentiert Weihnachtsmusik in einem so noch nicht gehörten Klanggewand. Vor mehr als 50 Jahren begründete Celedonio Romero (1913– 1996) eine außergewöhnliche Musikerdynastie, die mittlerweile in der dritten Generation erfolgreich ist: 1957 floh der Patriarch mit seinen Söhnen Celin, Pepe und Ángel, die er seit frühester Jugend im Gitarrenspiel unterrichtet hatte, vor der Franco-Diktatur nach Kalifornien. Wenige Jahre später hatte die Familienformation bereits mit den meisten führenden Orchestern der USA konzertiert. Ihr Erfolg ist seither nie abgerissen: Los Romeros gelten als das beste Gitarrenensemble der Welt, sie sind im Vatikan und im Weißen

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Haus aufgetreten, haben mit den großen Orchestern der Welt gespielt und Dutzende erfolgreicher Schallplatten auf den Markt gebracht. Joaquín Rodrigo und Federico Moreno Torroba haben für sie Konzerte komponiert. Vor allem Ángel und Pepe Romero gehören auch als Solisten zu den wichtigsten klassischen Gitarristen nach dem 2. Weltkrieg. Um es mit den Worten Joaquín Rodrigos, des wohl bedeutendsten im 20. Jahrhundert geborenen spanischen Komponisten, auszudrücken: „Los Romeros haben die Technik des Gitarrenspiels dahingehend entwickelt, Schwieriges einfach aussehen

zu lassen. Ohne Zweifel sind sie die Großmeister an der Gitarre.“ Mittlerweile haben die Enkelsöhne Celino und Lito die Formation aufgefrischt. Weihnachtsmusik, die von einfachen traditionellen Volksliedern bis hin zu komplexen, großformatigen Kompositionen reicht, hat jede christlich geprägte Kultur in ureigenem Kolorit hervorgebracht. „Christmas with Los Romeros“ huldigt dieser Vielgestaltigkeit mit einem musikalisch überzeugenden Ansatz: „Kleine“ Stücke wie „Stille Nacht“ oder „El noi de la mare“ haben Los Romeros für Gitarren alleine arrangiert; ihrer Natur nach exten-

sivere Werke wie Händels „Hallelujah“-Chor oder das „Ave Maria“ (in den Fassungen von Schubert und Gounod) wurden von Massimo Paris, dem Dirigenten der vorliegenden Aufnahme, mit prachtvoller Orchesterbegleitung eingerichtet. Den Schlusspunkt ihres Weih­ nachtsalbums setzen Los Rome­ ros mit einer kunstvoll-virtuosen Verbindung zweier Weihnachtsklassiker zu einem neuen Stück, das die Melodie von „O Tannenbaum“ mit einer kontrapunktischen Version von „We Wish You a Merry Christmas“ verschmilzt. Harald Reiter

Unterschiedlicher könnten sie alle nicht sein. Tori Amos gilt seit ihrem Debüt „Little Earthquakes“ als extravagante Pop-Sirene. ­Tina Turner war hingegen schon immer der ewig junge Wirbelwind auf der großen Showbühne. Und während Anoushka Shankar sich auf die Schnittstellen zwischen Weltmusik und Jazz spezialisiert hat, löst allein der Name Rolando Villazón unter Opernfreunden höchste Glücksgefühle aus. Jeder aus diesem Quartett ist auf seinem Gebiet eine Institution. Doch wie schon immer bei solchen Stars gilt auch jetzt: Das aufregende Neue liegt oftmals jenseits des eigenen Tellerrands. Und im Fall der Amerikanerin Tori Amos ist dabei ihr bislang wohl abenteuerlichstes Projekt entstanden. In der Tradition eines klassischen LiederReigens hat sie gleich 14 wundersam sanfte Songs für ihren Zyklus „Night of Hunters“ komponiert. Wobei sie auf so manche Melodien von Bach, Chopin und Satie zurückgriff. Und gemeinsam mit einem Streichquartett sowie Bläsern unter anderem von den Berliner Philharmo­ nikern (!) macht sich die klassisch angehauchte Pop-Balladen-Sirene nun auf die Spuren

der Romantiker – und horcht ihren Sehnsüchten nach dem wah­ ren Liebesglücksgefühl nach. Um heftiges Herzklopfen dreht sich natürlich auch alles beim Tenorissimo Rolando Villazón. Diesmal jedoch sind es keine vor Emotionen überschäumenden Opernarien, denen der heißblütige und einfühlsame Mexikaner goldenen Schmelz verleiht. Für „La Strada“ hat der eingefleischte Cineast herrlichste Melodien aus einem Jahrhundert Kinogeschichte ausgesucht. Angefangen von Charlie Chaplins „Smile“ über Nino Rota bis zu „Non, je ne regrette rien“ (aus „La vie en rose“) und Neil Diamonds „Dear Father“ („Die Möwe Jonathan“). Oscar-verdächtig! In ganze Seelenkammern entführt Tina Turner mit dem zweiten Teil ihres enorm erfolgreichen „Beyond“-Projekts. Zusammen mit den Sängerinnen Regula Curti und Dechen ShakDagsay sowie erstmals mit einem Kinderchor hat Turner für „Children Beyond“ Gesänge aus den fünf Weltreligionen aufgenommen. Als ein musikalisches Plädoyer für Frieden und Toleranz gegenüber Andersgläubigen. Das Tor zur musikalischen Welt stößt schließlich Anoushka

Foto: Victor de Mello / DG

Sie verfügen alle über eine chamäleonartige Verwandlungskunst: Tenor Rolando Villazón und die Singer-Songwriterin Tori Amos, aber auch die Rock-Röhre Tina Turner sowie Sitar-Spielerin Anoushka Shankar. Und so lernt man alle auf ihren jeweils neuen Alben von musikalisch überraschenden Seiten kennen.

Klassischer Lieder-Reigen:

Tor i A mos

Shankar ganz weit auf. Die Tochter des legendären Sitar-Spielers Ravi Shankar ist in der Weltmusikszene längst eine feste Größe. Nun gibt sie mit „Traveller“ ihr Debüt bei der Deutschen Grammophon. Und wer hätte vorher geglaubt, dass die musikalischen Spaß mit Satie: Grenzen zwischen Indien und

dem Flamenco Spaniens tatsächlich so aufregend fließend sein können. Reinhard Lemelle www.toriamos-music.de www.anoushka-shankar.com www.rolando-villazon.net www.klassikakzente.de/beyond

Jean Yve s Thibau det

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Foto: AKG Images

Magazin Franz Liszt The Liszt Legacy Deutsche Grammophon 10 CDs 477 9527 Claudio Arrau, Piano u.a.

200 JAHRE FRANZ LISZT Mit dem 200. Geburtstag von Franz Liszt hat das Klassikjahr 2011 im Oktober sein wichtigstes Jubiläumsdatum erreicht: Nachdem der österreichisch-ungarische „Superstar“ des romantischen Zeitalters bereits das ganze Jahr über mit gewichtigen Veröffentlichungen geehrt wurde, erscheint nun nochmal eine Handvoll bemerkenswerter Aufnahmen. Pierre-Laurent Aimard widmet Franz Liszt sein bislang ambitioniertestes Aufnahmeprojekt für Deutsche Grammophon: Ihn interessiert der immense Einfluss, den Liszt als Virtuose und Komponist auf die ihm folgenden Generationen hatte. Sein Doppelalbum „The Liszt Project“ stellt einigen von Liszts besten Werken für Klavier solo, darunter die macht volle h-Moll-Sonate, Schöpfungen anderer Komponisten gegenüber, die Liszt inspiriert hat, darunter die berühmte „Schwarze Messe“ von Alexander Scriabin, Alban Bergs Klaviersonate op. 1 sowie Richard Wagners nur selten gespielte, 10minütige Sonate „In das Album von Frau Mathilde Wesendonck“. Das Album dokumentiert zwei unterschiedliche Liszt-Programme Aimards, beide live im Wiener Musikverein mitgeschnitten. Auf das „Sonaten-Programm“ lässt Aimard eine Zusammenstellung von Werken Liszts, Bartóks, Ravels, Messiaens und anderer folgen, die er selbst so erklärt: „Das zweite Programm ist sehr systematisch aus Paarungen aufgebaut, beschreibt aber auch eine Bewegung vom Dunklen ins Licht.“ Den Kulminationspunkt dieses Recitals bilden zwei Werke, in

Großes Vermächtnis:

FR anZ LiSZT

Franz Liszt The Liszt Project Deutsche Grammophon 2 CDs 477 9439 Pierre-Laurent Aimard, Piano

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denen Aimard letzten Dingen nachspürt: „Mit Messiaens ‚Le Traquet stapazin‘ und dem ‚Vallée d’Obermann‘ von Liszt stehen zwei große Kompositionen gegenüber, die Natur und Zeit aus unterschiedlichen Perspektiven thematisieren: bei Messiaen objektivierend als geordnete Natur und als meditatives Erleben der Zeit im Durchschreiten eines Tages; bei Liszt subjektivierend als Ringen des Künstlers mit der Nacht als Symbol des Durchschreitens der menschlichen Zeit.“ Live wurde auch die zweite zentrale Liszt-Neueinspielung dieses Herbstes aufgenommen: Mit Daniel Barenboim und Pierre Boulez haben sich zwei lebende Legenden und langjährige Künstlerfreunde zusammengetan, um Franz Liszts Klavierkonzerte Nr. 1 und Nr. 2 für das 21. Jahrhundert zu interpretieren. Für beide Künstler bedeuteten die Konzerte und Aufnahmen mit Barenboims Staatskapelle Berlin die jeweils erste festgehaltene Beschäftigung mit den Konzerten. „Ich wollte beide Werke zusammen machen“, sagt Daniel Barenboim, „weil sie so unterschiedlich sind. Das zweite Klavierkonzert ist, obwohl es nicht so oft gespielt wird wie das erste,

Franz Liszt Die Konzerte Deutsche Grammophon CD 477 9521

Brendel spielt Liszt klavierwerke solo • klavierkonzerte Decca 5 CDs 480 4997

Daniel Barenboim, Piano Staatskapelle berlin Dirigent: Pierre Boulez

Alfred Brendel, klavier London Philharmonic orchestra Dirigent: Bernard Haitink

ebenfalls ein Meisterwerk. Der Anfang erinnert mich mit seinen Farben im Orchester sehr an Wagners ‚Lohengrin‘.“ Für Barenboim ist die Beschäftigung mit Liszt auch eine willkommene Gelegenheit, um seine Sichtweise zum oftmals falsch verstandenen Begriff des Virtuosentums darzulegen. Für ihn heißt Virtuosität weit mehr als bloße Fingerfertigkeit: „Das ist nur ein Aspekt des Begriffs. Virtuosität heißt auch, die gesamte Farbpalette, die zum Klavierspiel gehört, auszuschöpfen.“ Sinnstiftendes Liszt-Spiel ist nach Barenboim nur möglich, wenn sich der Pianist über die Neutralität des Klaviers, auf dem man streng genommen selbst „mit einem Aschenbecher Klang erzeugen könne“, erhebt. Alfred Brendel und Krystian Zimerman gehören zu den besten Liszt-Pianisten aller Zeiten, neue Editionen ihrer teils legendären Aufnahmen rücken erneut die originären Ansätze beider Interpreten ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Zimerman hat zweimal, 1987 und 1990/91, Werke Liszts für Deutsche Grammophon eingespielt: Zuerst die beiden Klavierkonzerte unter Seiji Ozawa, eine Einspielung, die er als „meine persönlichste

Aufnahme“ bezeichnet hat. Später folgte die Sonate h-Moll in Verbindung mit den „Funérailles“ und „La notte“. Beide Aufnahmen genießen absoluten Referenzstatus, „The Liszt Recordings“ vereint sie nun in einer Doppel-CD. Zu einem unschlagbar günstigen Preis präsentiert die Eloquence-Edition „Brendel spielt Liszt“ Alfred Brendels Auseinandersetzung mit Liszt. Auf fünf CDs finden sich Liszts bedeutendste und beliebteste Werke, darunter die h-Moll-Sonate, die Klavierkonzerte, die vollständigen „Années de pèlerinage“ sowie die beiden „Légendes“ S 175 über die Wundertaten des Heiligen Franz von Assisi. „The Liszt Legacy“ dokumentiert schließlich auf 10 CDs die interpretatorischen Wege, die bedeutende und von Liszt mehr oder weniger direkt beeinflusste Pianisten der „alten Schule“ in ihren Aufnahmen gegangen sind: Jeweils eine Doppel-CD ist Alicia de Larrocha, Claudio Arrau, Raymond Lewenthal, Benno Moiseiwitsch und Egon Petri gewidmet, das Repertoire reicht von Beethoven und Chopin über Schumann und Granados bis Busoni, Mussorgsky und Scriabin. harald Reiter www.liszt-200.de

Franz Liszt The Liszt Recordings Deutsche Grammophon 2 CDs 477 9697 Krystian Zimerman, Piano

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Takemitsu • hindemith • Janáček • Silvestrov Five Pieces eCm new Series CD 476 4428 Duo Gazzana Nastascia Gazzana, Geige Raffaella Gazzana, Piano

boris Yoffe Song of Songs eCm new Series CD 476 4426 Rosamunde Quartett • The hilliard ensemble

Toshio hosokawa Landscapes eCm new Series CD 476 3938 Mayumi Miyata, Shō münchener kammerorchester Leitung: Alexander Liebreich

Foto: Harald Hoffmann / DG

Magazin Johannes brahms Klavierkonzert Nr. 1 Deutsche Grammophon CD 477 9882 Maurizio Pollini, Piano Staatskapelle Dresden Dirigent: Christian Thielemann

berio • Carter • eötvös • holliger Sciarrino • vajda Contrechant music for Clarinet Solo eCm new Series CD 476 4404 Reto Bieri, klarinette

West-östlicher Dialog Musik für Violine und Klavier assoziiert man bereitwillig mit dem Klang des neunzehnten Jahrhunderts. Wie aktuell die konzentrierte Form des musikalischen Zwiegesprächs auch in unserer Zeit ist, demonstrieren die Schwestern Natascia und Raffaella Gazzana aus Rom bei ihrem Aufnahmedebüt mit Werken von Takemitsu, Hindemith, Janáček und Valentin Silvestrov. Dabei überrascht vor allem, wie sehr diese formal so unterschiedlichen Werke, die zwischen 1914 und 2004 entstanden sind, sich durch die Kunst der Konzentration auszeichnen, die von den beiden jungen Künstlerinnen mit lyrischem Klangsinn kongenial erspürt wird. Er hat sich vom eigenen Kulturkreis fortbewegt, um zu erkennen, wie sehr er von ihm geprägt wurde: Toshio Hosokawa hat in Europa sein Interesse für traditionelle japanische Musik entdeckt. Es ist eine filigrane, von beiden Hemisphären geprägte Musik, die im Münchener Kammerorchester unter seinem Dirigenten Alexander Liebreich überaus kompetente Interpreten gefunden hat, mit der Shō-Spielerin Mayumi Miyata nahezu kal-ligrafischen Charakter annimmt und im natür-

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Lyrischer Klangsinn: n aTa S C i a und

R a F Fa e L L a G a Z Z a n a

Foto: Evandro Inetti / ECM

Vom Instrumentalklang zur Vokalmagie: Neue Kammermusik bei ECM. raschung erleben. Sein „Song of Songs“, hier kombiniert mit dem „Book of Quartets“, Kompositionen, kaum einmal länger als eine Partiturseite und gemeinsam vom Rosamunde Quartett mit dem Hilliard Ensemble interpretiert, lässt alle Fragen an Modernität obsolet erscheinen. Vielleicht hat Yoffe damit tatsächlich erreicht, was ihm vorschwebte: deutsche Musik, russische Poesie, fernöstliche Ästhetik.

Der amerikanische Pianist Charles Rosen meinte einmal, sein Landsmann Elliott Carter habe das rhythmische Beziehungssystem abgeschafft, wie Schönberg das harmonische Beziehungsgeflecht der Musik beseitigt habe. Wer die neue Solo-Einspielung des Schwei zer Klarinettisten Reto Bieri mit Werken von Luciano Berios „Lied“ von 1983 über Carters „Gra“ von 1993 bis zu Heinz Holligers „Rechant“ aus dem Jahr 2008 hört, wird erkennen, dass mittlerweile alle Beziehungssysteme außer Kraft gesetzt wurWer glaubt, es sei alles ge- den, herkömmliche Instrumente lichen Ges tus ihrer Klanglandschaften an ein Wort des Kom- sagt, geschrieben, gehört, wird wie die Klarinette buchstäblich ponisten John Cage erinnert: bei der Musik des in St. Peters- alles können: Klang, Geräusch, „Der Sand, der zwischen den burg geborenen, nach Israel Gesang, Magie. Steinen in japanischen Gärten emigrierten und bei Wolfgang Wolfgang Sandner Rihm kurzzeitig in die Lehre ge- www.duogazzana.com liegt, hat auch Bedeutung.“ gangenen Boris Yoffe eine Über- www.ECM-sounds.com

Gipfeltreffen:

mauRiZio PoLLini und ChRiSTian ThieLemann

Rückkehr einer Pianistenlegende Für den ersten Teil eines neuen Brahms-Zyklus, den die Staatskapelle Dresden einspielt, holte Christian Thielemann nach einem Vierteljahrhundert Pause Maurizio Pollini wieder an die Elbe. Die Pfingstkonzerte der Sächsischen Staatskapelle Dresden im Juni 2011 versprachen ein besonderes Ereignis zu werden: Nach fast 25 Jahren kehrte die Pianistenlegende Maurizio Pollini zu dem Orchester zurück und konzertierte auf Thielemanns Einladung zum ersten Mal überhaupt in der Dresdner Semperoper. Im Mai 2010 hatten die beiden in München erstmals miteinander musiziert, was – für viele überraschend – erstaunlich gut funktionierte: Auf der einen Seite der intellektuelle Klavierpoet Pollini, der die Musik mit geistiger Klarheit und gradliniger Präzision von innen heraus zum Leuchten bringt; auf der anderen Seite der Instinktmusiker Thielemann, der den Werken mit kontrollierter Ekstase intuitiv die „rich-

tige“ Form und Gestalt verleiht. Dass diese beiden Musiker im deutsch-romantischen Repertoire am ehesten zusammenfinden würden – diese Hoffnung erfüllte sich aufs Schönste in Dresden, wo dieses Repertoire auch von der „Wunderharfe“ (wie Richard Wagner die Staatskapelle einst nannte) seit jeher besonders gepflegt wird. So setzten Thielemann und Pollini Brahms’ Erstes Klavierkonzert aufs Programm, das der gebürtige Mailänder bereits bei seinem Debüt mit der Staatskapelle im März 1976, damals noch im Kulturpalast, aufgeführt hatte. Anschließend war er zehn Jahre lang regelmäßig zu Konzerten mit dem Orchester zurückgekehrt – bemerkenswert, als zu Zeiten des „Eisernen Vorhangs“ viele

westliche Klassikstars nur zu Plattenaufnahmen an die Elbe kamen. Mit dem d-Moll-Konzert wählte Pollini für sein Comeback ein Werk, das Brahms viel Mühe gekostet hatte: Der junge Komponist konzipierte es 1854 zunächst als Sonate für zwei Klaviere, dann als Symphonie, bis er 1857 schließlich beide Ideen in einem Klavierkonzert zusammenführte. Dies irritierte schon Brahms’ Zeitgenossen, die das Werk nach der Uraufführung in Hannover 1859 auch im Leipziger Gewandhaus gnadenlos durchfallen ließen. Heute gilt es jedoch als eines der zentralen Klavierkonzerte des 19. Jahrhunderts, wenngleich seine technischen Anforderungen (vor allem in den massiert auftretenden Oktavtril-

lern und -ketten) bei Pianisten seit jeher gefürchtet sind. Pollinis jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem Werk begeisterte 2011 auch das Publikum in Dresden, das den inzwischen 69-Jährigen mit Ovationen feierte. Die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ schwärmten von den „atemberaubenden“ und „zutiefst poetischen Augenblicken“ und sprachen von einem „musikalischen Ergebnis von wirklicher Größe“. Mit dem vorliegenden Livemitschnitt aus der Semperoper ist es glücklicherweise auf Tonträger gebannt, als erster Teil eines neuen BrahmsZyklus, den Thielemann und die Staatskapelle für die Deutsche Grammophon einspielen. Tobias niederschlag www.maurizio-pollini.de

# # # Weitere Veröffentlichungen zum 70. Geburtstag von Pollini am 5. Januar 2012 # # # The Art of Maurizio Pollini, 3 CDs 477 9529 Maurizio Pollini Collection, 20th Century, 6 CDs 477 9918 • The Maurizio Pollini Collection, Chopin, 9 CDs 477 9908

The

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Foto: Ken Howard / Metropolitan Opera 2005

Foto: Ken Howard / Metropolitan Opera

Foto: Ken Howard / Metropolitan Opera 2009

Anna Bolena: „In Gaetano Donizettis Psychoschocker werden dank ihr die letzten zwanzig Minuten zur vokaldramatischen Offenbarung.“ FAZ, 28.09.2011

In der kommenden Saison jährt sich Anna Netrebkos Debüt an der Metropolitan Opera in New York zum zehnten Mal. Wir zeigen die schönsten aus einer Dekade voller Höhepunkte.

Les contes d’Hoffmann: Netrebko sang, als wäre jede Phrase wirklich ihre letzte, mit überraschender Klangfülle, ein bisschen wild und absolut faszinierend. „Star-Ledger“, 8.12.2009

I puritani: Auf dem Höhepunkt von schwebenden melodischen Phrasen füllt die Netrebko mit  ihrem schillernden Timbre mühelos das Haus. „New York Times“, 29.12.2006

Krieg und Frieden: Anna Netrebko verkörperte eine ideale Natascha – ungestüm, schön, mit tänzerischer Grazie und einem beweglichen und ausdrucksstarken Sopran. „Associated Press“, 15.02.2002

Foto: Winnie Klotz / Metropolitan Opera 2002

La Netrebko

Foto: Ken Howard / Metropolitan Opera 2006

Foto: Ken Howard / Metropolitan Opera

Roméo et Juliette: [Netrebkos] Stimme beherrscht die Musik und gibt ihr eine dramatische Tiefe, wie man sie nur selten findet. „New York Post“, 27.09.2007

Foto: Ken Howard / Metropolitan Opera 2007

Magazin

Lucia di Lammermoor: Miss Netrebko ist nach wie vor eine glamouröse und charismatische Sängerin mit einer opulenten und ergreifend schönen Stimme. „New York Times“, 27.01.2009

Anna Bolena Deutsche Grammophon DVD 073 4725 Blu-ray 073 4728 Anna Netrebko, Sopran Elīna Garanča, Mezzoopran Orchester der Metropolitan Opera Diverse Dirigenten

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La bohème: [Netrebkos] farbenreiche Stimme erhebt sich in „Mi chiamano Mimì“ in höchste Höhen und schlägt das ganze Opernhaus in ihren Bann, während Dichter und Publikum sich gleichermaßen in sie verlieben. „Associated Press“, 21.02. 2010

Don Pasquale: Netrebkos biestige, temperamentvoll überschäumende Norina leuchtete mit einer zum Sterben schönen Stimme… „New York Post“, 03.04.2006

Foto: Marty Sohl / Metropolitan Opera

Anna Netrebko, Sopran Orchester der Metropolitan Opera Diverse Dirigenten

Foto: Beatriz Schiller / Metropolitan Opera 2005

Anna Netrebko Live at the Metropolitan Opera Deutsche Grammophon CD 477 9903

Rigoletto: „Netrebkos Gesang und ihre Schauspielkunst sind voll sinnlicher Leidenschaft. Diese Gilda wird in die Geschichte eingehen.“ NY Post, 02.02.2006

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Foto: Uli Weber / Decca

Magazin Gioia! Decca CD 478 2730 Aleksandra Kurzak, Sopran Orquestra de la Comunital Valenciana Dirigent: Omer Meir Wellber

DUO Deutsche Grammophon Serienstart mit 20 Titeln

DECCA Ballett Decca Serienstart mit 5 Titeln

Die größten Werke der Klassik, jeweils passend kombiniert für 2 CDs.

Die beliebtesten Kompositionen für Ballett, als Gesamtaufnahmen auf jeweils 2 CDs.

Virtuoso Decca/Deutsche Grammophon Serienstart mit 40 Titeln

DECCA Opera Decca Serienstart mit 20 Titeln

Die populärsten Werke der Klassik auf jeweils 1 CD zum Kennenlern-Preis. Inklusive 6-seitigem Booklet mit Erläuterungen zu Künstlern und Werken.

Legendäre Operngesamtaufnahmen auf 2 bis 4 CDs. Das Original-Cover ist auf moderne Weise neu präsentiert.

Platz gemacht!

Liebe Leserinnen und Leser von KlassikAkzente, viele von Ihnen kennen mich noch nicht. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich Ihnen kurz vorzustellen. Ich heiße Aleksandra Kurzak. Mein Nachname wird „Ku-Jacques“ – ohne „r“ – ausgesprochen – nicht so schwierig, oder? Ich bin Polin und stamme aus Wrocław, dem früheren Breslau. Es ist nicht verwunderlich, dass ich Sopranistin und Opernsängerin geworden bin, da ich aus einer sehr musikalischen Familie komme: Meine Mutter ist auch Opernsängerin und mein Vater Hornist. Musik war daher immer ein sehr wichtiger und selbstverständlicher Teil meines Lebens. Mit sieben Jahren begann ich mit Geigen- und Klavierunterricht, kam dann aufs Musikgymnasium, wo ich zuerst Geige studierte, bevor ich schließlich auf der Musikhochschule in Breslau zum Gesang wechselte. Mit Deutschland verbindet mich eine lange künstlerische und freundschaftliche Beziehung. Mein Gesangsstudium brachte mich an die Musikhochschule in

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Hamburg, wo ich parallel im Opern­s tudio der Hamburgi­ schen Staatsoper ausgebildet wurde. Mit 21 Jahren sang ich an der Staatsoper in Breslau die Susanna in Mozarts „Le nozze di Figaro“ an der Seite meiner Mutter. Das war ein ganz besonderer Moment für mich, wie Sie sich sicher vorstellen können! Von 2003 bis 2007 war ich dann sogar Ensemblemitglied an der Hamburgischen Staatsoper. Besonders wichtige Erfahrungen für mich wurden meine Debüts an der Met in New York als Olympia in Jacques Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ und am Londoner Royal Opera House als Aspasia in Mozarts früher Oper „Mitridate, re di Pon-

to“, die ich bereits mit 27 Jahren erreicht habe und an Opernhäusern, an die ich seither regelmäßig zurückkehre. Seit März 2011 bin ich nun Exklusivkünstlerin von Decca. Damit geht für mich ein großer Traum in Erfüllung, bei dem Label aufnehmen zu dürfen, das wie kein anderes für die „große Oper“ steht. Obwohl ich in meiner bisherigen Karriere ein ziemlich breites Repertoire gesungen habe, konzentriere ich mich seit einiger Zeit auf Mozart und das italienische Fach: einerseits auf leichtere BelcantoRollen, aber auch auf dramatischere Partien wie die Lucia und Verdis Violetta. Im Dezember und Januar 2012 singe ich die Gretel in

„Hänsel und Gretel“ an der Met, im Februar und März die Susanna in „Le nozze di Figaro“ in Covent Garden: meine 50. Vorstellung an diesem Haus. Die Susanna werde ich im April noch an der Mailänder Scala und im Juni an der Wiener Staatsoper singen. Ich lade Sie auch sehr herzlich nach Berlin ein, wo ich an der Staatsoper im Juni die Titelrolle in „La traviata“ singen werde. Ich hoffe, Ihnen gefällt meine neue CD und sie animiert Sie dazu, mich auch einmal auf der Bühne zu erleben! Herzliche Grüße Ihre Aleksandra Kurzak www.aleksandra-kurzak.de

Antal Doráti Es sind unter dem Strich 85(!) CD-Veröffentlichungen, für die man sofort im CD-Regal ein Plätzchen von 1,25 Meter Breite finden sollte. Denn dieses vierteilige Gesamtpaket vereint nicht nur durchweg Klassiker der Interpretationsgeschichte. Schonend fürs Portemonnaie ist diese Anschaffung auch noch für alle, die die Musikgeschichte anhand gewichtiger Werke eindecken wollen. So findet man dann etwa unter dem Buchstaben „B“ Bachs „Brandenburgische Konzerte“ und sämtliche BrahmsSymphonien, Bellinis „Norma“ und erstaunliche Instrumentalstücke des Italieners Luciano Berio. Aus den insgesamt vier CD-Serien mit Archiv-Aufnahmen der Decca und Deutschen Grammophon kann man sich aber natürlich auch einfach

seine Highlights herauspicken. Wobei man gleich bei der neuen Decca-Edition „Opera“ die Qual der Wahl hat. Schließlich vereint sie 20 Einzeltitel von Ge­samteinspielungen, die jeder Opernfreund eigentlich besitzen muss. Da wird einem nicht auf dem Silber-, sondern auf einem goldenen Tablett Donizettis „Lucia di Lammermoor“ gereicht –

Herbert von Karajan

Joan Sutherland

Foto: Houston Rogers / V&A Images

Wir stel l e n vo r :

Ale k sa ndr a K u rzak

in der spektakulären Besetzung mit Joan Sutherland und Luciano Pavarotti. Mit Altmeister Karl Böhm besucht man Wagners Bayreuth. Oder man lässt sich vom russischen Pult-Tornado Valery Gergiev ins St. Petersburger Mariinskij-Theater führen, wo man Opern von Mussorgsky und Rimsky-Korssakoff erleben kann. Jede dieser Opern-Sternstunden ein Stimmenfest, von Cecilia Bartoli über Tito Gobbi bis zu Bryn Terfel. Durchweg in prominenter Hand liegen auch die drei weiteren CD-Editionen. Die Reihe „Virtuoso“ ist mit ihren 40 Einzel-CDs ein idealer Einstieg in die Welt der Klassik. Dank tatkräftiger Unterstützung von Maestri wie Herbert von Karajan, Chris-tian Thielemann und Clau-

Foto: Elfriede Hanak / Decca

Foto: Decca

Mit gleich vier großen CD-Serien aus den Traditionshäusern Decca und Deutsche Grammophon kommen nicht nur Klassik-Einsteiger auf ihre Kosten. Ballett-Fans dürfen sich die Hände reiben. Und selbst eingefleischten OpernSammlern kribbelt es angesichts legendärer Aufnahmen in den Fingern …

dio Abbado. Mit der „Decca Ballet Edition“ gibt es dagegen erstmals eine Reihe, die sich ausschließlich den bedeutendsten Kompositionen fürs klassi­ sche Ballett widmet. Und passend zum bevorstehenden Weih­ nachtsfest wird die Serie mit den drei unvergänglich schönen Ballett-Märchen von Peter Tschaikowsky eröffnet – dirigiert von Charles Dutoit, Vladimir Ashkenazy und Antal Doráti. Mit „Duo“ veröffentlicht die DG schließlich mit jeweils einer Doppel-CD hochklassige Komponistenporträts, die einen Bogen von Klavierwerken (Beethoven mit Pollini) über Oratorien (Haydns „Schöpfung“ mit James Levine) bis zu Orchesterwerken von Ravel mit Pierre Boulez schlagen. Mehr Nachschub fürs heimische CD-Regal geht für den Augenblick nun wirklich nicht. Reinhard Lemelle

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Foto: Felix Broede / DG

reingehört Mozart und der alte Meister

Das Feuer Spaniens Künstlerische Begrenzungen sind für Patricia Petibon anscheinend ein Fremdwort. Bekannt wurde die französische Sopranistin zuerst durch ihre bezwingenden Interpretationen der Barockmusik ihres Heimatlandes. Der Schritt zur herausragenden Mozart-Interpretin war so ungewöhnlich noch nicht, aber mittlerweile feiert die 41-jährige Französin auch glänzende Erfolge in so unterschiedlichen Werken wie Massenets „Werther“, Strauss’ „Rosenkavalier“ und zuletzt gar in der Titelpartie von Alban Bergs „Lulu“ in Barcelona, im Rahmen einer hochgelobten Produktion des Gran Teatre del Liceu, die in diesem Herbst bei Deutsche Grammophon auf DVD erscheint. Mit ihrem aktuellen CD-Projekt betont Petibon ebenfalls die Vielgestaltigkeit ihrer künstleri­­schen Fähigkeiten. Auf „Melancolía“ widmet sie sich ihrer Liebe zum luso-iberischen Repertoire: Spanische Klassiker wie „Granada“ oder „La tarántula“ erscheinen neben Zarzuelas, Aria cantilena und Volksliedern. Afrobrasilianische Musik sowie die Welt-Ersteinspielung eines Chanson-Zyklus, den der Komponist Nicolas Bacri Patricia Petibon gewidmet hat, runden das schillern­ de Repertoire ab. • HR www.patriciapetibon.de

Zunehmend bildete in den letzten Jahren die Musik Wolfgang Amadeus Mozarts, aufgeführt mit deutlichen Einflüssen aus der historischen Aufführungspraxis, einen der wichtigsten Schwerpunkte im interpretatorischen Schaffen Claudio Abbados: Was im Mozart-Jahr 2006 mit einer Aufnahme der „Zauberflöte“ begann, die schon bald klassisch genannt werden wird, setzte sich 2008 mit dem von Abbado mit begründeten Orchestra Mozart fort: Mit Giuliano Carmignola als Solisten entstand eine exemplarische Aufnahme sämtlicher Violinkonzerte, später im selben Jahr folgten die Symphonien Nr. 29, 33, 35, 38 und 41. 2011 legen Claudio Abbado und sein Mozart-Orchester nicht weniger als drei weitere dem Namensgeber gewidmete Alben vor: Im August sind bereits die Hornkonzerte erschienen, aktuell werden die Symphonien Nr. 39 und Nr. 40 sowie ein Album mit Mozarts Musik für Holzblasinstrumente (das unter anderem die „Sinfonia concertante“ enthält) veröffentlicht. Bereits im kommenden Mai setzt Abbado, der sich im Spätherbst seiner Karriere zu einem der bedeutsamsten Mozart-Interpreten unserer Tage entwickelt hat, seine diskographische Auseinandersetzung mit dem Komponisten fort. • HR www.claudio-abbado.de

Seit 55 Jahren entstehen unter der Ägide von Decca Records Stereoaufnahmen, deren Klangqualität für die Musikindustrie stilbildenden Charakter hat. Nicht von ungefähr hat sich die Bezeichnung „The Decca Sound“ bereits im „goldenen Stereozeitalter“ Mitte der 1960er Jahre zu einem Gütesiegel entwickelt, dessen bloße Erwähnung Connaisseuren klassischer Opernaufnahmen bis heute ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Grund genug, den legendären Decca-Klang im Rahmen einer luxuriösen 50-CD-Box nicht nur zu feiern, sondern in seiner gesamten, von den 1950er Jahren bis ins 21. Jahrhundert reichenden Bandbreite zu dokumentieren. Wer den aufwändig gemachten, in den Labelfarben Blau und Rot gestal­ teten Würfel öffnet, dem begegnet mit Namen wie Bartoli, Böhm, Britten, Karajan, Nilsson, Solti, Sutherland oder den drei Te­nören eine Überfülle großer Klassikkünstler. Darüber hinaus erlauben die liebevoll reproduzierten Originalcover eine Reise durch ein halbes Jahrhundert Designgeschichte und ein über 200-seitiges Begleitbuch erläutert detailliert die glorreiche Historie eines der bedeutendsten Labels in der Geschichte aufgenommener Musik. • HR

Luxuriös:

The D ecca S ou nd

The Decca Sound Decca 50-CD-Box 478 2826

Div. Solisten, Dirigenten und Orchester

SOZIALE REVOLUTION MIT GEIGENBÖGEN etikett sonderpreis Echo_etikett

Sonderpreis für José Antonio Abreu

José Antonio Abreu hat Beispielloses geschaffen. Seine Orchesterbewegung El Sistema hat in Venezuela hunderttausenden von jungen Menschen Lebensmut und eine Zukunftsperspektive gegeben. Weltweit werden Abreus Leistungen auf sozialer wie künstlerischer Ebene bewundert und mit Preisen geehrt, Zöglinge des El Sistema, wie Gustavo Dudamel, sind umjubelte Stars. Michael Kaufmann und Stefan Piendl beschreiben erstmals, wie es zu diesem »Wunder von Caracas« kam.

Setzt seinen Mozart-Zyklus fort:

C lau d i o Abbado

Foto: Marco Caselli Nirmal / DG

Hispanophile Französin:

Patr ici a P e t i bon

So soll Klassik klingen

»Es freut mich, dass die beeindruckende Geschichte von José Antonio Abreu und seiner mehr als 35 Jahre währenden Arbeit nun in einem Buch gewürdigt und beschrieben wird.« Daniel Barenboim

Melancolía Spanische Arien und Lieder Deutsche Grammophon CD 477 9447

Patricia Petibon, Sopran Orquesta Nacional de España Dirigent: Josep Pons

Mozart Symphonien Nr. 39 & 40 Deutsche Grammophon CD 477 9792

Orchestra Mozart Dirigent: Claudio Abbado

Leseprobe unter www.irisiana.de 20 www.KlassikAkzente.de

IRISIANA

256 Seiten, geb. mit Schutzumschlag 1 19,99 [D] • ISBN 978-3-424-15079-7


Foto: Dieter Eickelpoth / Universal

reingehört

András Schiff, Piano

Barockerbande:

Paul , D i e t er und Ma x Falk

Familiensache Bach

Schumann-Forscher:

Andr ás S ch i f f

Poetische Präzision Wie gelingt es, die beiden Seelen Robert Schumanns zum Ausdruck zu bringen, ohne sie unangemessen zu versöhnen? Es ist eine Gratwanderung. Schließlich waren Florestan und Eusebio, die erdachten Figuren aus den Davidsbündlertänzen, Teile ein und derselben hitzig-träumerischen Persönlichkeit des Komponisten. András Schiff schafft es, die Spannung in den Klavierwerken Schumanns zu erhalten, weil er sich nie auf eine falsche Prätention von „Innigkeit“ oder „romantischem Überschwang“ einlässt, vielmehr ebenso intelligent wie klanglich-sinnlich den Aufbau der Stücke verfolgt, wenn man so will: stets innermusikalisch denkt, auch wenn ihm die prekäre Außenwelt dieser Künstlerexistenz bewusst ist. In kluger Dramaturgie hat András Schiff genialische Frühwerke wie die „Papillons“ op. 2 neben die bizarren Geistervariationen gerückt, die grandiose Sonate fis-Moll neben die trügerisch einfachen Kinderszenen gesetzt, die nur in distanzierender Präzision ihre Poesie entfalten. Und mit der Gegen-überstellung von zwei Fassungen des dritten Satzes der Fantasie op. 17 hat sich András Schiff, einer der großen Schumann-Interpreten unserer Zeit, auch als scharfsinniger Klangforscher erwiesen. • WS www.andras-schiff.de

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„Bach ist unsterblich“, meint Dieter Falk, studierter Kirchen­ musiker und inzwischen mit fünf Echo-Nominierungen und über 20 Millionen verkauften Alben von Patricia Kaas bis Daliah Lavi einer der erfolgreichsten Pop-Produzenten des Landes. Dass er sich in der tagesaktuellen Musik auskennt, muss Falk niemandem mehr beweisen. Stattdessen hat er es sich zur Aufgabe gemacht, seine Begeisterung für den Barock-Giganten einem Publikum zu vermitteln, das nicht zur eingeschworenen Klassikgemeinde gehört. Das sollte ihm spielend gelingen, denn seine beiden Söhne Max (17) und Paul (14) sind schon ebenso große BachFans wie er. Als Falk & Sons bilden die drei eine ebenso ungewöhnliche wie hochmusikalische Band, die Bachs Kompositionen ohne Berührungsängste und dennoch voller Liebe zum Detail in moderne Pop-, Rock- und Jazzkleider transponiert. „Neulich haben wir in der Familie darüber diskutiert, welche Pop-Musiker wohl in hundert Jahren noch bekannt sein werden“, erklärt Falk das Projekt. „Michael Jackson? Elton John? Lady Gaga? Vermutlich die Beatles. Bei einem Namen aber waren wir uns völlig einig: Bachs Musik ist und bleibt unsterblich.“ • DK www.falk-and-sons.de

Falk & Sons Celebrate Bach Emarcy CD 278 2274

Dieter Falk, Piano Max Falk, Schlagzeug Paul Falk, Keyboard

Khatchaturian • Barber Two Souls Deutsche Grammophon CD 477 9827 Mikhail Simonyan, Violine London Symphony Orchestra Dirigent: Kristjan Järvi

Eine veritable Bereicherung des gewiss nicht bescheidenen Katalogs der Deutschen Grammophon stellt das neue Projekt von Hilary Hahn dar: die vier Sonaten für Violine und Klavier ihres Landsmannes Charles Ives. Das Gespür für Ives’ Musik liegt Hilary Hahn im Blut, wie ihr feuriges und absolut idiomatisches Geigenspiel beweist. Und ihre künstlerische Partnerschaft auf diesem Album mit Valentina Lisit­ sa demonstriert modellhaft, wie zwei individuelle Musikerinnen sich voll und ganz einem ge-

meinsamen musikali­schen Ziel Grosvenor und seinem Label-Einwidmen. stand mit Solowerken von Chopin, Liszt und Ravel. Mit elf Jahren gewann er 2004 als jüngster Musiker überhaupt den BBCWettbewerb „Young Musician of the Year“ in der Kategorie Tasteninstrument. Seither gilt er als einer der außergewöhnlichsten Musiker von heute und wird als „ein Meisterpianist“ („Gramophone“), „einer unter Tausend … unter vielen Tausend“ („The Independent“) Charles Ives und als „Visionär an den Tasten“ Vier Sonaten („Süddeutsche Zeitung“) gefeiert. Deutsche Grammophon CD 477 9435 Hilary Hahn, Geige Als er 2011 seinen ExklusivverValentina Lisitsa, Piano trag bei der Decca unterschrieb, war er der jüngste britische MusiNach dem überwältigenden ker überhaupt mit einem Vertrag „Back to Decca“-Erfolg mit seibei Decca Classics und der erste nem Purcell-Album „O Solitude“ britische Pianist, der sich nach geht es für Countertenor Andrefast 60 Jahren exklusiv mit dem as Scholl mit seinem neuen AlLabel verbindet. bum „back to the roots“: Eine persönliche Auswahl von Arien aus dem Kantatenschaffen von Johann Sebastian Bach steht auf dem Programm, darunter eine der populärsten Kantaten des Thomaskantors, „Ich habe genug“. Scholls Erstbegegnung mit Bachs Musik fand in der Kirche seines Heimatortes statt, wo er als Chorknabe den Grundstein für seine glänzende spätere Kar- Chopin • Liszt • Ravel riere legte. Am 24.01. gibt er Decca CD 478 3206 sein auf längere Zeit einziges Benjamin Grosvenor, Piano Konzert in der Frankfurter Oper. Auch Star-Oboist Albrecht Mayer eröffnet das Jahr 2012 mit einem neuen Projekt: „Schilflieder“, das sind romantische Kompositionen für Oboe, Viola und Klavier. Dabei verweist der Titel sowohl auf das „Schilf“ genannte Mundstück der Oboe als auch auf einen zu Unrecht vergessenen Zyklus von Fantasie­ stücken auf Texte von Nikolaus Lenau des romantischen deutJohann Sebastian Bach Kantaten schen Komponisten August KlugDecca CD 478 2733 hardt. Sämtliche Stücke des neuAndreas Scholl, Countertenor en Albums sind Original­k omKammerorchester Basel positionen für Oboe und begleiEin weiteres Debüt beschert tende Instrumente. Mit der uns die Decca mit dem jungen Hornistin Marie-Luise Neunecker britischen Pianisten Benjamin sowie der Bratschistin Tabea

Zimmermann hat sich Albrecht Mayer überaus prominente Unterstützung für sein neues Album gesichert. Foto: Stephan Boehme

Mit drei Werken der klassischen Moderne debütiert der junge russisch-armenische Geiger Mikhail Simonyan im Januar auf Deutsche Grammophon: Aram Khat­ chaturians und Samuel Barbers Violinkonzerte, dazu Barbers überirdisch schönes Adagio für Streicher op. 11. „Die Wahl hat biografische Gründe“, meint der Künstler, den die Kritik gern mit David Oistrach vergleicht, „neben der Tatsache natürlich, dass ich die beiden Werke liebe. Mein Vater ist Armenier, meine Mutter Russin, trotzdem lebe ich seit 1999 in New York. Meine Seele ist 100% armenisch, während meine aktuellen Wurzeln in den USA liegen. Die Konzerte von Khatchaturian und Barber stehen daher für die beiden Kultu­ ren, die mich am meisten beeinflusst haben.“

Foto: Nadia F. Romanini / ECM

Robert Schumann Geistervariationen ECM New Series 2 CDs 476 3909

Vorschau – Die Highlights im Januar

Schilflieder Decca CD 478 3498 Albrecht Mayer, Oboe Tabea Zimmermann, Bratsche Marie-Luise Neunecker, Horn Markus Becker, Piano

Bereits in den ersten Recitals ließ Rafał Blechacz mit seinen Interpretationen von Debussys und Szymanowskis Miniaturen aufhorchen. Nun hat der junge polnische Ausnahmepianist die große c-Moll-Sonate Szymanowskis und Debussys kleinteilige Suite „Pour le piano“ in sein Tourneeprogramm aufgenommen. Beim Berliner Auftritt beeindruckte den „Tagesspiegel“ sein Debussy und „die Stilsicherheit des Pianisten, mit der er die toccatenhaften Schichten vom impressionistischen Klangrausch absetzt.“ Anfang Februar kann man sich auf Blechaczs mit Spannung erwartetem neuem Recital von der spielerischen Brillanz und emotionalen Tiefe dieser beiden Stücke überzeugen – ein echter Geheimtipp!

Debussy • Szymanowski Deutsche Grammophon CD 477 9548 Rafał Blechacz, Piano

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