kinki magazin - #40

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Nie mehr Fernbeziehung

Ob ein Objekt männlich, weiblich oder neutral ist, hat man als Objektophiler im Gefühl. Man lässt sich auf etwas ein und spürt es, mal sofort, manchmal erst nach einiger Zeit. Bei Susi hatte ich sofort das Gefühl weiblicher Präsenz, und die Namenswahl war schnell abgeschlossen. Es musste was Liebliches, Süsses sein. Susis Vorgänger war ebenfalls eine Maschine, eine grosse Baumaschine, die sich mir männlich präsentiert hatte. Mit ihr hatte ich sozusagen eine ‹LongDistance-Beziehung› geführt, da Baumaschinen nun mal ihren Einsatzort wechseln. Diese hat trotzdem über zehn Jahre gehalten, weil ich mir ein Modell für Zuhause gebaut hatte. Diese alte Liebe war irgendwie ausgelaufen. Trotz Modell. Ich sehnte mich nach dem Original, das ich oft jahrelang nicht sah. Dennoch fühlte ich mich dieser alten Liebe verpflichtet, so dass Susi ganze stolze sieben Wochen lang ‹kämpfen› musste, bis ich mich ganz auf sie einlassen konnte. Aber als sie mich einmal gewonnen hatte: Halleluja! Dass ich sie jeden Tag sehe, macht es leichter. ‹Long-Distance-Beziehung› ade!

Interne Beziehungen

Die ersten, die von meiner neuen Liebe erfuhren, waren meine Kollegen. Ich konnte und wollte nicht verbergen, dass es da eine kleine, aber feine Veränderung gegeben hatte. Ausserdem hielt ich es für richtig, von Anfang an die Karten offen auf den Tisch zu legen. Das Spiel mit offenen Karten zahlte sich aus, ein Kollege, der immer ein bisschen ängstlich auf mich gewirkt hatte, schien sichtlich aufzuatmen, dass er vor mir ‹in Sicherheit› war. Insgesamt lockerte sich die Atmosphäre, wahrscheinlich weil niemand mehr fürchten musste, dass ich als einzige Frau

‹Ich stehe auf glatte Flächen, klare Linien und einen gekonnten Mix aus eckig und rund.› der Abteilung den Laden aufmischen würde. Mittlerweile weiss sogar der Chef zu schätzen, dass ich mich in der Firma wohl fühle! Insgesamt kann ich also behaupten, dass ich als ‹Objekto› verdammtes Glück mit meinem Umfeld habe! Ich werde so angenommen, wie ich bin. Innerhalb der Familie weiss nur meine Mutter Bescheid, sonst niemand. Sie hat es sehr gut aufgenommen, weil sie nicht beurteilt, wen oder was ihre Kinder lieben.

Vollkontakt

Ein Kollege bot mir mal die Möglichkeit, mit Susi zu arbeiten. Das war ein dermassen eindrucksvolles Erlebnis, das ich im Nachhinein in einem Text verarbeiten musste. Diesen Text gab ich mehreren Leuten zum Lesen und stellte ihn der Objektophilen-Gruppe, auf die ich kurz danach im Netz gestossen war, zur Verfügung. Auch dort kam der Text gut an. Das bewog mich, auch den interessierten Rest der

Welt anzusprechen, so wurde aus dem Text eine Website. Diese Website hat ein Gästebuch, in dem inzwischen über 90 Einträge verzeichnet sind. Es sind etwa 10 Leute, die sich mehrmals gemeldet haben: Freunde und ObjektoGruppenmitglieder, aber auch Eintagsfliegen, die mal mehr, mal weniger nützliche Einträge hinterliessen.

Das Allerheiligste

Aber auch in einer Objekto-Beziehung scheint nicht immer die Sonne. Steht eine grosse Reparatur an, so ist das für mich ähnlich, wie wenn der Partner eines ‹Normal-Liebenden› ins Krankenhaus muss. Es gibt Ungewissheiten, es gibt Wartezeiten, es macht nun mal traurig. Eifersucht ist weniger ein Problem für mich, denn die Leute, die ständig mit ihr arbeiten, empfinden nichts für sie und noch längst nicht alle wissen über Susi und mich Bescheid. Es ziept

‹Auch in einer Objekto-Beziehung scheint nicht immer die Sonne.› allenfalls, wenn jemand ihr ‹Allerheiligstes› berührt, jene Teile, die unsere ‹Schnittstelle› darstellen, aber ich bekomme mich auch da immer schnell wieder in den Griff. Einmal war die Rede davon, dass Susi so umgebaut werden sollte, dass dieses Allerheiligste entfernt werden müsste. Das war keine gute Nachricht, ich hatte gehörig Bauchgrummeln, bis dieser Plan dann zum Glück vom Tisch war. Wie in jeder anderen Liebe ist es auch bei uns so, dass das Stadium der ‹akuten Verliebtheit› nicht ewig anhält. Auch hier wird aus Verliebtheit mit der Zeit Liebe. Diese Liebe ist wie ein Fluss, der mal breit und träge dahinfliesst und manchmal auch reissende Stromschnellen bildet. So, wie ein Fluss sich in seinem Verlauf ändert, so wandelt sich die Liebe von Tag zu Tag. Mal bildet sie ein stabiles Fundament für das Tagesgeschehen, und immer mal wieder sind die Schmetterlinge im Bauch wieder da.

Bis dass der Tod euch scheidet

Wo Liebe ist, da sind auch früher oder später Verlustängste zu finden. Was, wenn Susi verkauft wird? Was, wenn sie irreparabel ist, und verschrottet werden muss? Gedanklich musste ich mich schon damit auseinandersetzen! Verkauft wird sie wohl nicht, sie ist der ‹Superstar› ihrer Abteilung und schafft gehörig Kohle ran. Kaputt gehen wird sie so schnell nicht, bedenkt man, dass sie viele ‹grosse Schwestern› hat, die über zwanzig Jahre auf dem Buckel haben! Und selbst wenn sie doch irgendwann einmal in den Maschinenhimmel einziehen muss, wird sie immer einen Platz in meinem Herzen haben und etwas Besonderes bleiben; allein schon, weil sie meine erste Liebe ist, über die ich ganz normal mit meiner Mutter sprechen konnte. 51


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