Jewish Museum Berlin: JMB Journal Nr 3

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Jewish Theology and Economic Theory. A Commentary Jüdische Theologie und Wirtschaftstheorie. Ein Kommentar Corinne Sauer / Robert M. Sauer

Der verstorbene Milton Himmelfarb, Sozialanalytiker und Langzeitbeobachter der jüdisch-amerikanischen Gesellschaftsgruppe, brachte deren politisches Paradox in einem berühmten Aphorismus auf den Punkt: „Juden verdienen wie Episkopale und wählen wie Puerto-Ricaner.“ Standhaft, so sieht es aus, weigern sich amerikanische Juden, ihren Wohlstand mit eher konservativen oder (im europäischen Sinn des Wortes) wirtschaftsliberalen Haltungen zu verbinden. Jüngsten Erhebungen zufolge liegt ihr Pro-Kopf-Einkommen fast doppelt so hoch wie das nichtjüdischer Amerikaner. Dennoch ist unter ihnen der Anteil derer, die sich als Befürworter des freien Marktes bezeichnen, um 33 bis 50 Prozent niedriger als bei amerikanischen Katholiken und Protestanten. Wie erklärt es sich, dass amerikanische Juden an einer besonders hartnäckigen Form von Champagner-Sozialismus leiden (oder sich daran erfreuen)? Die beliebteste Antwort auf diese schwierige Frage zieht den Einfluss der Religion sowie den hohen Stellenwert sozialer Gerechtigkeit im jüdischen Glaubenssystem als Gründe heran. Nach gängiger Auffassung spornt die jüdische Religion ihre Anhänger einerseits zu hoher Bildung und beruflichem Erfolg an, macht sie aber zugleich zu energischen Befürwortern einer eher kollektivistischen Sozialpolitik und anderer Formen aggressiver staatlicher Eingriffe mit dem Ziel einer idealen Gesellschaft. Unserer Meinung nach wirft diese sogenannte Standardantwort jedoch ein wesentliches Problem auf: Es trifft keineswegs zu, dass die jüdische Religion eine Sammlung von Grundsätzen ist, die auf eine Umverteilung des Wohlstands und ähnliche progressive Programme hinauslaufen. Unsere Nachforschungen haben vielmehr das Gegenteil ergeben. Die jüdische Religion ist ein Denksystem, das sich am ehesten mit den Prinzipien des Wirtschaftsliberalismus vereinbaren lässt. Die jüdische Wirtschaftstheorie bietet keine Erklärung für die verbreitete Abneigung von Juden gegen die Ideologie des freien Marktes. Eine simple Analyse der politischen Vorlieben amerikanischer und israelischer Juden kann diese Abneigung belegen und statistisch untermauern. Paradoxerweise ist zugleich wohlbekannt, dass Juden über die Jahrhunderte vom freien Markt und dem kapitalistischen Wettbewerb sehr profitiert haben. In seiner Rede vor der Mont Pelerin Society im Jahr 1972 rief Milton Friedman die Wirtschaftswissenschaften auf, zu erklären, warum der freie Markt den Juden ebenso wie anderen Minderheiten in der Regel sehr zugute kommt. Mit Friedman argumentiert: Wo immer es ein Monopol gibt, sei es ein privates oder ein staatliches, ist Raum für Willkür bei der Auswahl jener, denen das Monopol nutzt – sei das Kriterium die Hautfarbe, die Religion, die

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J M B JOURNAL

The late Milton Himmelfarb, a social commentator and longtime student of the American Jewish community, definitively summed up the Jewish political paradox with his famous aphorism: “Jews earn like Episcopalians and vote like Puerto Ricans.” American Jews, it seems, tenaciously refuse to link their higher income levels with more conservative, or economically liberal (in the European sense), political positions. Recent data indicate that American Jews earn per capita almost twice as much as non-Jews. Yet, they are between 33 percent and 50 percent less likely than American Catholics and Protestants to identify themselves as supporters of the free market. Why is it that American Jews suffer from (or perhaps enjoy) a particularly acute case of champagne socialism? The most popular answer to this difficult question involves the impact of Judaism on the belief system of American Jews, as well as Judaism’s emphasis on aggressively pursuing social justice. The conventional wisdom is that Judaism motivates Jews to be highly educated and to succeed professionally but to fervently support relatively collectivist social policies and other forms of aggressive government intervention for shaping an ideal society. In our view, however, the fundamental problem with the so-called standard answer is that it is not at all true that Judaism is a set of principles that endorses income redistribution and other progressive social programs. In fact, our research shows the opposite: Judaism is a system of thought that more naturally aligns itself with the basic principles of economic liberalism. Jewish economic theory does not explain the widespread distaste amongst Jews for a free market political agenda. A simple analysis of the political preferences of American and Israeli Jews suggests that there is a statistical basis for claiming that Jews have a strong distaste for economic liberalism. This is quite a paradox because it is also well-known that Jews have benefited a great deal over the centuries from the operation of free markets and competitive capitalism. In his 1972 address to the Mont Pelerin Society, Milton Friedman appealed to basic economic theory to explain why Jews, as well as other minorities, generally derive great benefits from free-market systems. According to Friedman: Wherever there is a monopoly, whether it be private or governmental, there is room for the


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