Sichtbarkeit

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SICHTBARKEIT

RADlos?

Bike-Leasing!

Fahrräder und E­Bikes als attraktive und gesundheitsfördernde Zusatzleistung.

Kostenneutral, freie Markenwahl und digitale Abwicklung

Sie möchten Ihren Mitarbeitern eine moderne, attraktive Zusatzleistung anbieten? Sie haben Interesse daran, die Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen zu verbessern und etwas für Ihr Arbeitgeber­Image zu tun? Dann ist Bike­Leasing mit unserem Kooperationspartner Lease a Bike eine interessante Option für Sie.*

Ihre Vorteile im Überblick:

• Für alle Mitarbeiter – Anders als beim Dienstwagen ist ein Dienstfahrrad als Vorteil für alle Mitarbeiter geeignet.

• Motivation – Fördern Sie Zufriedenheit sowie die Bindung Ihrer Mitarbeiter an die Firma.

• Gesundheitsfördernd – Sie leisten einen aktiven Beitrag zur Gesundheitsförderung Ihrer Mitarbeiter.

• Kostenneutral – Die fällige Gesamtleasingrate wird aus dem Bruttolohn des Arbeitnehmers gezahlt. Sie sparen so Lohnnebenkosten.

• Entgeltfortzahlung endet? – In diesem und in weiteren Fällen ist eine individuelle Lösung möglich.

• Einfache, papierlose Abwicklung – Die Abwicklung erfolgt für Sie vollständig digital und ist somit besonders bequem.

• Zum Neuwert abgesichert – Das Rad muss nur ab­, nicht angeschlossen sein. Es gibt keine Vorgabe bezüglich des Schlosses.

Ausführlichere Informationen zum Bike­Leasing für Ihre Mitarbeiter finden Sie online unter vwfs.de/bike­leasing. Bei weiteren Fragen steht Ihnen die Volkswagen Leasing GmbH gern zur Seite – senden Sie uns einfach eine E­Mail an ebike@vwfs.com.

* Ein

Die

Angebot von Lease a Bike – eine Marke der Bike Mobility Services GmbH (BMS), Siemensstraße 1–3, 49661 Cloppenburg. Tochtergesellschaften der Volkswagen Financial Services AG sowie deren Schwestergesellschaft, die Volkswagen Bank GmbH, erbringen unter dem gemeinsamen Kennzeichen „Volkswagen Financial Services“ verschiedene Leistungen. Es handelt sich hierbei um Bankleistungen (durch Volkswagen Bank GmbH), Leasingleistungen (durch Volkswagen Leasing GmbH), Versicherungsleistungen (durch Volkswagen Versicherung AG, Volkswagen Autoversicherung AG) sowie Mobilitätsleistungen (u. a. durch Volkswagen Leasing GmbH). Zusätzlich werden Versicherungsprodukte anderer Anbieter vermittelt.

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Hatten Sie auch schon einmal das Gefühl, Sie werden in Ihrem Arbeitsumfeld nicht wirklich als Mensch wahrgenommen und nur an sichtbaren Ergebnissen gemessen? Leidenschaften für bestimmte Themen oder Führungsambitionen, die in Ihnen schlummern, können Sie in Ihrem Job nicht ausleben? In dieser Ausgabe widmen wir uns dem Themenschwerpunkt Sichtbarkeit oder auch dem Unsichtbaren im Sichtbaren.

Anne Hünninghaus begab sich auf Spurensuche in unserer Arbeitswelt und kam zu dem Ergebnis, dass Menschen mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Handeln gesehen werden wollen, und berichtet über ein bemerkenswertes Beispiel. Aber sie zeigt auch, dass Personalverantwortliche sich für mehr Sichtbarkeit ihrer Funktion einsetzen sollten (Seite 22). Georg Beyschlag, Chief of Staff and Strategy bei Teamviewer, hat Sven Lechtleitner erzählt, wie das vor allem in einer Kombifunktion gelingen kann (Seite 44).

Manchmal „sehen“ wir Krisen kommen, doch wir handeln erst dann, wenn Tatsachen offensichtlich sind. Der eklatante Arbeitskräftemangel, der Unternehmen mit voller Wucht einholt, scheint so eine Tatsache zu sein. Einige Branchen sind, nicht zuletzt durch die Coronapandemie, besonders betroffen. Mirjam Stegherr zeigt am Beispiel der Hotellerie und Gastronomie, was schiefgelaufen ist und wie die Tourismusbranche wieder auf die Beine kommen könnte (Seite 40). Doch der Arbeitskräftemangel ist nicht die einzige Krise, die derzeit unsere Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Und da soll man einfach so weiterarbeiten wie bisher? Das hat sich die Journalistin und Buchautorin Sara Weber gefragt und im Gespräch mit unserer Redakteurin, Senta Gekeler, Lösungsansätze für die Arbeitswelt von morgen formuliert (Seite 6).

Kinder sind sehr pragmatisch und denken, wenn sie sich die Hand vor Augen schlagen, seien sie unsichtbar. Sie denken, wenn sie die Welt nicht sehen können, kann die Welt auch sie nicht mehr sehen. Wer will nicht ab und zu mal unsichtbar sein? Und mal ehrlich, wie oft verschlie-

ßen wir die Augen vor der Wirklichkeit? Ob bewusst, weil die Erkenntnis vielleicht unangenehm ist, oder weil wir unbewusst nur das sehen, was unser Auge wahrnimmt.

Wir erfassen unsere Umwelt und unsere Mitmenschen oft nur auf den flüchtigen ersten Blick. Doch oftmals lohnt es sich, näher hinzuschauen und sich nicht nur auf das mit dem Auge Erkennbare zu beschränken. Die MeToo-Debatte hat schonungslos offengelegt, was viele Menschen nicht gesehen haben – oder nicht sehen wollten? Jasmin Nimmrich wollte wissen: Hat die Debatte das Thema wirklich aus der Tabuzone geholt (Seite 48)?

Als sichtbar wird im Allgemeinen das erachtet, was man mit dem Auge erkennen kann. Aber welchen Bildern vertrauen wir? Denen, die unsere Augen uns senden, oder denen, die in unserem Herzen entstehen? Aus Antoine de Saint-Exupérys Der kleine Prinz stammt der Satz: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Viele Menschen tragen ihren Teil zu unserer Arbeitswelt bei und leisten dabei manchmal noch enormes Engagement für ihre Gesundheit. Charleen Rethmeyer ist der Frage nachgegangen, wie Menschen am Arbeitsplatz mit Krankheiten umgehen, die für andere unsichtbar sind, und wie Unternehmen sie unterstützen können (Seite 36).

Ich danke allen, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben, und wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und stets den Mut zum zweiten Blick.

Bleiben Sie belesen!

Diskutieren Sie mit uns Themen aus unserem Magazin, oder was die HR-Community gerade bewegt, auf unserem Linkedin-Kanal Magazin Human Resources Manager oder schreiben Sie uns an info@humanresourcesmanager.de.

Coverfoto: kieferpix / Getty Images; diese Seite:
Sebastian Höhn
3 februar / märz 2023 EDITORIAL

Der Tourismus läuft wieder, aber Hotels und Gaststätten fehlt Personal. Was gerade sichtbar wird, gärt schon seit Jahren als Problem und verändert die Branche.

3 Editorial

AKTUELLES

6 Arbeit in Krisenzeiten

Die Journalistin Sara Weber über die Systemfehler der Arbeitswelt

Von Senta Gekeler

9 Richtig streiten

Ein Plädoyer für eine gepflegte Streitkultur am Arbeitsplatz

Von Jasmin Nimmrich

IM FOKUS:

TRANSGESCHLECHTLICHKEIT

10 Werde, wer du bist

Wie kann HR ein unterstützendes Umfeld für trans Personen schaffen?

Von Jeanne Wellnitz

MEINE ARBEITSWELT

14 Andreas Posselt, Personalleiter beim BayWa-Konzern

MEINUNG

16 Human First

Der Weg zur menschenzentrierten Organisation

Von Tim Alexander

21 Schnappschuss

SCHWERPUNKT: SICHTBARKEIT

22 HR im Scheinwerferlicht Unser Auftaktessay

Von Anne Hünninghaus

28 Verstecktes Potenzial heben

Wie entdeckt man die wahren Stärken von Mitarbeitenden?

Von Petra Walther

32 Unsichtbares Heldentum

Wie die Assistenzen von CEOs zum Unternehmenserfolg beitragen

Von Petra Walther

36 Verborgene Krankheit

Diabetes ist weit verbreitet, bleibt im Arbeitsalltag jedoch oft unsichtbar.

Von Charleen Rethmeyer

Zwei Konzerne haben vergangenes Jahr Leitfäden zum Umgang mit trans Personen am Arbeitsplatz veröffentlicht, um sie bei ihrer Transition zu unterstützen und ein sensibilisiertes Arbeitsklima zu schaffen. Wie wurden die Projekte umgesetzt?

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Fotos: picture alliance
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Eibner-Pressefoto; Cunaplus_M.Faba / Getty Images; Lotte Ostermann

40 Bescheidene Aussicht

Warum es Hotels und Gaststätten an Arbeitskräften fehlt

Von Mirjam Stegherr

44 Der Peoplemanager

Georg Beyschlag verhilft Teamviewer zu mehr Sichtbarkeit. Ein Porträt

Von Sven Lechtleitner

48 Fünf Jahre MeToo

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist immer noch ein Tabuthema.

Von Jasmin Nimmrich

ANALYSE

52 HR braucht ein neues Profil

Wie sich die Anforderungen an HR-Funktionen verändert haben

Von René Sadowski, Lea Bolz und Jörg K. Ritter

Wie wird Environmental Social Governance (ESG) zum Mehrwert für alle und welche Rolle spielen People Analytics und Digitalisierung beim Umdenken?

PRAXIS

56 ESG als Teil der Kultur Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung für Unternehmen?

Von Monika V. Kronbügel

60 Sustainable Leadership Eine nachhaltige Führungskultur braucht eine klare Agenda

Von Nicole Gaiziunas

62 Dos and Don’ts

Aus den Veränderungen der letzten Jahre resultieren für die Personalverantwortung neue Archetypen mit unterschiedlichem Kompetenz- und Erfahrungsprofil.

Wie gelingt die Zusammenarbeit von HR und Headhunting?

Von Benjamin H. Körner

64 Erste Hilfe für die Psyche Evermood-Gründerin Lara von Petersdorff im Interview

Von Senta Gekeler

67 Filmrezension

Das Enthüllungsdrama She Said von Maria Schrader

Von Jasmin Nimmrich

68 Reingehört

Der ganz formale Wahnsinn von Andreas Hermwille und Stefan Kühl

70 Rezension

Vatersein von Tillmann Prüfer Von Anne Hünninghaus

72 Reingeschaut

Ausgewählte Neuerscheinungen aus dem Bücherwinter

74 Sieben Gedanken

Anitra Eggler über Multitasking

RECHT

76 Aktuelle Urteile

78 Essay

Wo stößt das Weisungsrecht des Arbeitgebers an seine Grenzen? Von Christoph Seidler

80 Impressum VERBAND

82 Editorial

83 Die Premiumpartner des BPM

84 Die HR-Thesen für 2023

88 Humor als HR-Gamechanger

LETZTE SEITE

90 Fragebogen

Katja Berlin macht mit ihren Grafiken komplexe gesellschaftliche Themen sichtbar.

Von Jeanne Wellnitz

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„Arbeit sollte nur ein Teilaspekt des Lebens sein“

Angesichts globaler Krisen fällt es vielen Menschen schwer, einfach so weiterzuarbeiten wie bisher. Wie können wir die Arbeitswelt gerechter, gesünder und nachhaltiger gestalten? Darüber hat die Journalistin und ehemalige LinkedinRedaktionsleiterin Sara Weber kürzlich ein Buch veröffentlicht. Wir haben mit ihr gesprochen.

Frau Weber, Sie haben Ihren Job als Redaktionsleiterin bei Linkedin im Frühling 2021 gekündigt. Warum?

Sara Weber: Das hatte verschiedene Gründe. An den Menschen lag es definitiv nicht; meine Vorgesetzte war toll und ich habe noch nie mit so einem großartigen Team zusammengearbeitet. Aber ich war müde und ausgebrannt, wahrscheinlich auch, weil wir die tägliche Nachrichtenberichterstattung verantwortet haben, das war vor allem zu Beginn der Pandemie sehr anstrengend. Gleichzeitig war ich auch schon seit fünf Jahren im Unternehmen und hatte das Gefühl, meine Zeit hier ist langsam rum.

Im Januar haben Sie ein Buch mit dem Titel Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten? veröffentlicht. Wann haben Sie diesen Satz zum ersten Mal gedacht?

So richtig bewusst gedacht habe ich ihn zum ersten Mal an dem Tag, an dem

Russland die Ukraine angegriffen hat. In den Nachrichten sah ich Menschen, die in U-Bahn-Schächte geflüchtet sind, um sich vor Bombenangriffen zu schützen. Gleichzeitig wusste ich, ich muss jetzt an den Schreibtisch und eine Präsentation vorbereiten. Das war so ein Moment, in dem ich mir dachte: Was soll das hier eigentlich? Unbewusst mitgeschwungen ist der Satz aber auch schon seit Beginn der Coronapandemie, so ging es wahrscheinlich vielen. Wir haben in einer absoluten Ausnahmesituation gelebt und trotzdem lief die Arbeit für viele einfach so weiter oder wurde sogar noch anstrengender, noch stressiger, noch gefährlicher, noch schwieriger.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch darüber zu schreiben?

Das Thema war schon in meinem Kopf und kam auch in meinem Freundeskreis immer wieder auf. Auch dort sind viele gestresst, müde und erschöpft, suchen aber die Schuld bei sich selbst,

denken, sie müssten sich besser organisieren. Dabei gibt es ein größeres, übergeordnetes Problem. Wenn dieselbe Sache für viele Menschen nicht funktioniert, kann man sie ja irgendwann nicht mehr auf das Individuum abschieben. Da gibt es ganz viele Punkte, an denen man ansetzen könnte, die wollte ich irgendwie zusammenbringen. Ich habe lange darüber nachgedacht und bin dann mit einer Agentin in Kontakt gekommen, die meine Idee auch gut fand. So kam das Buch dann auf den Weg. Was ist für Sie von all den aktuellen Krisen das dringendste Thema?

Ich glaube, es ist schwierig, Krisen gegeneinander aufzuwiegen. Aber was übergeordnet über allem schwebt, ist die Klimakrise. Wir wissen, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, um die massiven Veränderungen anzustoßen, die notwendig sind, um die menschliche Lebensgrundlage zu sichern. Die

www.humanresourcesmanager.de DEBATTE AKTUELL AUS KRISEN LERNEN 6
Ein Interview von Senta Gekeler

Klimakrise wird auch zu mehr Konflikten und Kriegen führen. Es wird mehr Migration geben, weil Regionen unbewohnbar werden. Wenn wir die Klimakrise nicht lösen, hilft auch alles andere nichts.

Wie sollten wir denn weiterarbeiten und ­leben, wenn uns eine akute Krise beschäftigt?

Dass wir von heute auf morgen alle unsere Arbeit fallen lassen, ist keine realistische Option. Aber wir sollten darüber nachdenken, welchen Stellenwert wir der Arbeit geben. Für viele Menschen muss sich das Leben der Arbeit unterordnen, aber eigentlich sollte die Arbeit nur ein Teilaspekt des Lebens sein. Während der Coronakrise zeigte sich, wie sehr die Arbeit über allem stehen kann. Menschen, die in Kliniken arbeiten, konnten zum Beispiel ihre Familien wegen der Ansteckungsgefahr nicht mehr sehen. Aber das betraf nicht nur die systemrelevanten Berufe. Ich selbst habe im Homeof-

fice gearbeitet und gemerkt, dass ich sonst gerade nicht so viel tun konnte, weil das öffentliche Leben stillstand und man keine Leute treffen konnte. Übrig geblieben ist da nur noch die Arbeit – und die hat dadurch immer mehr Zeit und Lebensraum eingenommen. Dabei hätten wir aus der Coronakrise eigentlich lernen können. Was hätten wir denn lernen sollen? Dass es wichtig ist, aufeinander aufzupassen, soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten, mehr Zeit für CareArbeit zu haben. Wir haben schließlich gemerkt, wie wichtig uns Freundschaften oder die Familie sind, als wir sie lange nicht mehr sehen konnten, wie wichtig es für Kinder ist, mit anderen Kindern zusammen zu sein, wie wichtig Gesundheit ist. Trotzdem haben wir weiterhin die Arbeit priorisiert. Ich glaube, es wäre gut gewesen, aus solchen Krisensituationen andere Schlüsse zu ziehen, als dass die Arbeit das Wichtigste in unserem Leben ist.

Sara Weber

ist Journalistin, Medienberaterin und Digitalstrategin. Zwischen 2016 und 2021 war sie bei Linkedin in verschiedenen redaktionellen Positionen tätig und hat zuletzt als Senior Managing Editor die Redaktionen für die DACH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz) sowie Benelux aufgebaut und geleitet. Davor arbeitete Weber als freie Journalistin und Autorin, Speakerin und Dozentin unter anderem für Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel, Die Zeit, Deutschlandfunk und Deutsche Welle DWTV. Am 12. Januar erschien ihr Buch Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? beim Verlag Kiepenheuer & Witsch.

Was müsste passieren, damit sich unsere Art zu leben und zu arbeiten wirklich zum Positiven ändert?

Wir müssten vor allem das Thema Care-Arbeit und damit die Gleichberechtigung der Geschlechter angehen. Kitas sind überlastet, weil es zu wenig Personal gibt, und Eltern sind überlastet, weil sie sich häufig um kranke Kinder kümmern müssen – aber auch ihrer Arbeit weiter nachgehen müssen. Ihnen könnte die Politik helfen, zum Beispiel, indem sie die Elternzeit verlängert und Anreize dafür schafft, dass Mütter und Väter sie gerechter aufteilen. Außerdem müssten Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlt werden. Warum sonst sollten junge Menschen diesen Beruf ergreifen?

Auch beim Thema flexibles Arbeiten gibt es noch viel Potenzial. Am Anfang der Pandemie haben die Unternehmen alle Mitarbeitenden einfach mit einem Laptop nach Hause geschickt und niemand hatte Zeit, Prozesse auf-

DEBATTE AKTUELL 7 februar / märz 2023
Foto: Maya Claussen

Zwei Konzerne haben im vergangenen Jahr Leitfäden zum Umgang mit trans Personen am Arbeitsplatz veröffentlicht, um sie bei ihrer Transition zu unterstützen und ein sensibilisiertes Arbeitsklima zu schaffen. Wie wurden die Projekte umgesetzt? Was sind die wichtigsten Dinge, die HR tun kann?

Ein Beitrag von Jeanne Wellnitz

10 www.humanresourcesmanager.de IM FOKUS DIVERSITY

Jetzt bloß nichts falsch machen!“, denkt die Personalerin Ursula, als sie Daniel vor sich sitzen sieht. Er hat sie gerade darum gebeten, seinen selbst gewählten Namen in die Systeme des Unternehmens eintragen zu lassen. Denn Daniel ist ein trans Mann. Ihm wurde also bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen. Sein Geschlechtsbewusstsein – also das Wissen um das eigene Geschlecht – ist jedoch männlich. Ursula hatte schon seit Jobbeginn, den Daniel noch in der weiblichen Geschlechtsrolle erlebte, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihm aufgebaut. Er trat zunächst als lesbische Frau auf und outete sich dann später als trans Mann.

Wie die Personalerin Daniels Transition erlebte, hat sie in dem Fachbuch Transidentität und drittes Geschlecht im Arbeitsumfeld als Gastbeitrag geschildert. Sie hatte große Angst, dass an ihrer Reaktion etwas falsch sein könnte, sie ihm womöglich zu nahe trete. Doch sie machte vieles richtig: Sie gab zu, dass sie unsicher sei und viele Fragen habe. Beide einigten sich darauf, dass sie alle Fragen stellen dürfe, und Daniel Grenzen setzen werde, wenn diese zu privat ausfielen. Der Personalerin war es wichtig, schreibt sie, die emotionale Situation zu klären, bevor Daniel und sie die Transition im Teamwork innerhalb der Firma umsetzen konnten.

„Transition“ heißt der Prozess, in dem eine trans Person auf drei voneinander unabhängigen Ebenen Änderungen vornimmt, um ihr Geschlechtsbewusstsein auszudrücken: Sie ändert ihre gelebte Geschlechtsrolle (soziale Transition), lässt ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister anpassen und wechselt den amtlichen Vornamen (rechtliche Transition). Gegebenenfalls lässt sie zusätzlich medizinische Angleichungsmaßnahmen umsetzen und nimmt Hormone ein (medizinische Transition). Dieser Weg ist genauso individuell wie die Gefühle, die trans Personen angesichts ihres Transseins haben.

„Transsexualismus“ lautete die bisherige medizinische Diagnose, die in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten ICD10 steht. Zum 1. Januar 2022 trat schließlich die aktualisierte Fassung ICD-11 in Kraft. Diese muss hierzulande noch in soziales Recht überführt werden. Im ICD-11 wird Transsein nicht mehr als psychische Krankheit kategorisiert, sondern im neu geschaffenen Kapitel Conditions related to sexual health als eine Normvariante geschlechtlicher Entwicklung aufgeführt: „Genderinkongruenz“ lautet die Diagnose nun, also eine ausgeprägte und beständige Nichtübereinstimmung zwischen dem erlebten und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Wenn diese Inkongruenz als Leiden empfunden wird, lautet die Diagnose „Geschlechtsdysphorie“. Das ist das Gegenteil von Gender Euphorie, dem Gefühl, das trans Personen empfinden, wenn ihr Geschlechtsbewusstsein von außen bestätigt wird.

Die Studie Out im Office?! Sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz (2017) vom Institut für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung ergab, dass ungefähr sieben von zehn der trans Beschäftigten mit keiner oder nur sehr wenigen Personen am Arbeitsplatz offen über ihr Geschlechtsbe-

Transitionsleitfäden

Im Juli 2021 veröffentlichte der Energiekonzern RWE die Gender-Transition Guideline. Es ist ein lebendes 20-seitiges Dokument, das stetig weiterentwickelt wird und in Zusammenarbeit mit dem RWE-LGBTIQ*-Netzwerk entstand.

Im Mai 2022 veröffentlichte das E-Commerce-Unternehmen Otto den Transidentity Guide. Ein Leitfaden für trans Kolleg*innen, das Kollegium und Führungskräfte als herunterladbare 20-seitige PDF. Für diese Arbeit erhielt Otto den Big Impact Award der Stiftung Prout at Work.

Das Telekommunikationsunternehmen Telekom brachte Ende September 2022 das Transgender Handbuch der Telekom heraus. Die externe PDF-Version des Handbuchs enthält 42 Seiten und erschien im Zuge der Kampagne Connected As One anlässlich der aktualisierten Konzernrichtlinie für Vielfalt, Chancengleichheit und Einbindung.

11 IM FOKUS februar / märz 2023
Cover: RWE, OTTO GmbH & Co KG, Telekom AG

Bescheidene Aussicht

Der Tourismus läuft wieder, die Zimmer füllen sich, doch die Aussicht ist getrübt: Hotels und Gaststätten fehlt Personal. Was gerade sichtbar wird, gärt schon seit Jahren als Problem und verändert die Branche.

Ob Schnee fällt oder nicht, in Zermatt ist wieder Hochsaison. Der Ort ist ein Hotspot für Skifahrerinnen und Bergfreunde. Rund zwei Millionen Menschen strömen jedes Jahr in die Gegend am Schweizer Matterhorn. Doch die Hotels und Restaurants in Zermatt haben ein Problem: Es fehlt das Personal für Küche, Service und Rezeption.

„Die Situation ist angespannt“, sagt Harald Burgener, Geschäftsführer des Hotelier Vereins Zermatt. Auch weil

im Tal bezahlbarer Wohnraum fehle, werde es schwerer, Personal zu gewinnen. Eine Arbeitsgruppe soll sich auf „das Machbare“ konzentrieren, Dinge wie die Staff Card, mit der Mitarbeitende Rabatte auf Freizeitangebote bekommen, oder Social-Media-Kampagnen, die daran anknüpfen, warum Menschen gerne in Zermatt tätig sind. „Mich interessiert, was die Leute hier hält, nicht, was sie vertreibt“, sagt Burgener. „Wenn wir versuchen, Dinge zu lösen, die wir nicht beeinflussen können, sind wir nur frustriert. Dass

Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto
Ein Beitrag von Mirjam Stegherr
40 www.humanresourcesmanager.de TITEL SICHTBARKEIT

Wie lange Hotels und Gaststätten den Standard des Skigebiets rund um das Matterhorn aufrechthalten können, ist fraglich. Der Personalmangel macht sich bemerkbar und wird den Tourismus verändern.

über 215.000 Beschäftigte verloren, größtenteils an Handel und Logistik. Laut Holidaycheck hat der Personalmangel dazu geführt, dass Bewertungen für Hotels sinken. Es ist sichtbar, was schon seit Jahren gärt: Der Gastronomie laufen die Leute davon. Doch bisher hat das niemanden so richtig besorgt.

Die Bundesagentur für Arbeit schreibt, dass Ausbildungsplätze im Gastgewerbe seit Jahren unbesetzt bleiben und „vergleichsweise viele“ Verträge wieder aufgelöst werden. Burgener hat in den Vereinsprotokollen der 1960er Jahre Notizen zum Personalmangel gefunden, damals ausgelöst von der Konjunktur und einer stärker werdenden Industrie. Das Personal ist in Branchen gewechselt, die besser bezahlen und geregelte Arbeitszeiten bieten. Doch geändert hat sich nicht viel, um die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie zu verbessern.

Mehr Lohn und gute Arbeitszeiten: Dafür kämpft die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie ist die älteste Gewerkschaft Deutschlands. Doch ihr Organisationsgrad liegt bei unter zehn Prozent. Die meisten Betriebe sind kleiner, sie haben weniger als zehn Beschäftigte. Mark Baumeister sieht ein Versäumnis des Branchenverbands Dehoga und der Politik, die Tarifbindung in der Branche nicht durchzusetzen: „Wir brauchen Mindeststandards für Arbeit und fairen Lohn. Das sichert der Tarifvertrag. Es sollte die Voraussetzung für eine Vergabe öffentlicher Aufträge und die Mitgliedschaft im Dehoga sein, dass sich ein Betrieb daranhält“, sagt er.

Baumeister ist verantwortlich für das Gastgewerbe bei der NGG. Wenn er Kinder hätte, würde er ihnen sofort raten, in die Branche zu gehen, sagt er: „Nirgendwo sonst gibt es so viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden und zu entwickeln.“ Doch das sei noch viel zu wenig bekannt. Und die Bedingungen seien oft schlecht.

Menschen in Scharen die Berufe verlassen, ist immerhin kein Thema, das nur uns umtreibt, sondern ein weltweites Phänomen.“ Irgendwo scheint es ein Riesenproblem zu geben.

Weltweites Phänomen

In Deutschland haben einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge Hotel und Gaststätten allein im Jahr 2020

Auch mit Tarifvertrag steigt der Stress, wenn Personal fehlt. Hohe Belastung, fehlende Anerkennung, Überstunden und ein vergleichsweise niedriger Lohn vergraulen laut einer Umfrage der NGG die Beschäftigten: Ein Drittel kann sich nicht vorstellen, noch lange in der Hotellerie oder Gastronomie tätig zu sein. „Es gelingt vielen nicht, unter den aktuellen Bedingungen bis zur Rente zu arbeiten“, sagt Baumeister. Die Branche müsse Service mehr schätzen und besser bezahlen: „Die bisherige Sparpolitik hat sich gerächt und gefährdet die Zukunft von Hotellerie und Gastronomie.“

Mit einem Bruttomonatslohn von 2.059 Euro landet die Branche in der Statistik der Bundesarbeitsagentur auf dem letzten Platz. Selbst mit Trinkgeld ist es ein weiter Weg bis zu den 4.100 Euro, die Arbeitnehmende im Median verdienen. Allerdings gibt es auch viele ungelernte Kräfte, die den

41 februar / märz 2023 TITEL

Der Peoplemanager

Georg Beyschlag ist Chief of Staff and Strategy beim Softwareunternehmen Teamviewer. Wie seine Kombifunktion mit der Verantwortung für Strategie und Personal vor allem HR zu mehr Sichtbarkeit verhilft

Ein Porträt von Sven Lechtleitner

44 www.humanresourcesmanager.de TITEL SICHTBARKEIT

Georg Beyschlags Woche beginnt montagmorgens meist in aller Frühe. Mit dem Fahrrad fährt er zum nahe gelegenen Bahnhof und dann weiter mit dem Zug von München nach Göppingen. Rund anderthalb Stunden dauert die Zugfahrt bis zum Hauptsitz von Teamviewer. Die Zeit im Zug nutzt der Berufspendler gerne produktiv. Als Freund der Deutschen Bahn stören ihn die Internetunterbrechungen unterwegs nicht. Das gibt ihm die Möglichkeit, ein oder zwei Stunden konzentriert zu arbeiten – ohne dass am Rechner etwas piepst oder blinkt. Gegen acht Uhr startet dann sein Tag im Büro. Rund zwei Tage die Woche arbeitet der 39-Jährige von zu Hause aus und genießt die Vorzüge des Homeoffice: ein gemeinsames Frühstück mit der Familie, bevor die ersten virtuellen Termine auf ihn warten. Während seiner Arbeitstage am Standort in Göppingen trifft man ihn morgens im hauseigenen Fitnessstudio des Unternehmens an.

Sport begleitet den gebürtigen Münchner schon seit jungen Jahren. Bis er Anfang 20 ist, spielt er professionell Basketball. Zunächst hatte Beyschlag kurz Sport studiert, sich dann aber für einen anderen Studiengang entschieden. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Sport doch nicht das Richtige sein könnte für die nächsten 40 Jahre. Also studierte er an der Technischen Universität München Betriebswirtschaftslehre mit einem finanzmathematischen Schwerpunkt. Mit diesen Themen hat er sich dann wohlgefühlt. Nach dem Masterabschluss in Finanzen ging es zunächst

in den Beratungs- und Finanzsektor. In der Branche zählt der Output – sei es die Zahl der Beratungsstunden oder die der abgeschlossenen Projekte. Einem Leistungsprinzip zu folgen war auch die Ambition des BWL-Absolventen. „Die Tagessätze für Beratungsleistungen sind bekannterweise ordentlich. Es war immer mein Anspruch, dem gerecht zu werden“, sagt Georg Beyschlag. Er war vorrangig für spezialisierte Beratungshäuser tätig, in denen eher eine Hands-on-Mentalität herrschte. Nach fast zehn Jahren in der Beratung fühlte er sich jedoch wie im goldenen Käfig und wollte den Weg in eine längerfristige Verantwortung gehen und nicht nur temporäre Beratungsprojekte betreuen. So ging es zunächst als Chief Financial Officer und Managing Director zur Video-on-Demand-Plattform Maxdome. Als der Dienst verkauft beziehungsweise eingestellt wurde, wechselte er zu Teamviewer.

Schlagartig zu Sichtbarkeit

Als die ersten Gespräche mit dem damaligen Vorstand des Hidden Champions liefen, sieht Beyschlag das Potenzial der Software für Fernzugriff und Fernwartung von Computern sowie des Firmenprofils. „Für mich als Finanzler war damals klar, dass aus Teamviewer mal etwas Großes wird und ich an der Vision des Börsengangs mitarbeiten wollte.“ Schließlich wurde er im Jahr 2018 Vice President Finance and Controlling und begleitete im Folgejahr das

Foto: www.tobias-froehner.de
45 februar / märz 2023 TITEL

Die Satirikerin

Katja Berlin ist Spezialistin für sonderbare Grafiken und veröffentlicht seit mehreren

Jahren die Torten der Wahrheit in der Wochenzeitung Die Zeit. Durch ihre humorvolle visuelle Kunst macht sie komplexe gesellschaftliche Themen sichtbar.

Meine erste Torte der Wahrheit drehte sich um … den Reifegrad von Avocados, die bekanntlich nur fünfeinhalb Minuten lang weich und aromatisch sind, bevor sie vergammeln.

Die Idee für dieses Format hatte ich …

nicht. Das gab es schon lange im englischsprachigen Internet.

Die größte Resonanz auf meine Arbeit erhielt ich mit … den Torten der Wahrheit in der Zeit. Wie man Satire visualisiert, habe ich gelernt durch … Übung und Erfahrung.

An Grenzen bei der Visualisierung stoße ich bei … einigen Themen, an denen erst einmal nichts lustig ist. Aber die deutschen Debatten dazu liefern mir dann wiederum zuverlässig genug Stoff für meine Diagramme.

Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit von …

lustigen älteren Frauen, weil die Kombination aus Lebenserfahrung plus Humor unschlagbar ist.

In meinem Buch Nachrichten von Männern detektiere ich 30 Subgenres von Männernachrichten.

Am schlimmsten finde ich den … Ghoster, weil ich immer denke, dass sich dieser Mann bestimmt nur nicht melden kann, weil er von einem Auto überfahren wurde.

Die beste Nachricht eines Mannes an mich lautete:

„Ok, machen wir!“

Mir ist in meiner Arbeit wichtig, dass …

ich eine andere Perspektive aufzeige. Mein erstes Geld verdiente ich mit …

babysitten und Schuhe verkaufen. Dieser Rat hat mein berufliches Leben geprägt:

„Trau dich einfach! Irgendwo Pressemitteilungen schreiben kannst du notfalls immer noch.“

An Berlin liebe ich … die Veränderung. Ich bin im alten Westberlin aufgewachsen und ich liebe es, dass es mittlerweile eine ganz andere, neue Stadt ist. Eine Stadt allerdings, deren Mietpreise ich leidenschaftlich hasse.

Dieses Buch sollte jede Person gelesen haben: Menschenkind von der ersten afroamerikanischen Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison. Es ist ein gu-

tes Beispiel dafür ist, wie wichtig und wertvoll unterschiedliche Perspektiven für die Literatur sind.

Meine Mittagspause verbringe ich am liebsten … im Freibad.

Mein größter beruflicher Erfolg ist … dass ich sogar im Freibad arbeiten kann.

Würde ich mein Leben in einem Tortendiagram darstellen, hätte es folgende Anteile: ein Viertel arbeiten, ein Viertel schlafen, ein Viertel reisen, ein Viertel darüber nachdenken, was ich zu Mittag essen soll.

Die Fragen stellte Jeanne Wellnitz.

Katja Berlin ist Autorin, Kolumnistin, Podcasterin und erhielt vom Magazin Spiegel den Titel „Spezialistin für sonderbare Grafiken“. Die studierte Medienwissenschaftlerin startete im Jahr 2010 mit dem Journalisten Peter Grünlich den Graphitti-Blog mit humorvollen Infografiken. Das dazugehörige Buch Was wir tun, wenn der Aufzug nicht kommt wurde ein Bestseller, vierzehn weitere Bücher folgten. Seit 2015 erscheint wöchentlich die Kolumne Torten der Wahrheit in der Zeit. Berlin ist Co-Host des Podcasts Fix und Vierzig

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Foto: Lotte Ostermann
LETZTE SEITE 90
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