Filmpodium Programmheft Juli/August/September 2021

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3. Juli –19. September 2021

-ABO SOMMER EN KINO 11 WOCH E 80 FILM 95.–! FÜR CHF

TAIWAN CINEMA HIGHSMITH IM FILM


Back to the Future, 1985

T 2021 S U G U A . 0 2 16. JULI – xenix.ch

Über 90 Prozent des Filmpodium-Programms finden Sie nicht bei Netflix, sondern nur in diesem Kino.


01 Editorial

Impflich ausgegangen? Die Wiedereröffnung der Kinos im April hat nicht nur die Branche gefreut; unser Publikum ist ebenfalls mit Begeisterung und unerschütterlicher Treue zurückgekehrt – vielen Dank! Tatsächlich haben die endlich vorhandenen Impfstoffe und deren schnelle Anwendung zu einer Entspannung der Lage geführt, sodass hoffentlich keine weitere Welle der Pandemie zu Shutdowns führt und den sich aufrappelnden Kulturbetrieb wieder abwürgt. Unser Sommerprogramm haben wir jedenfalls mit viel Optimismus und noch mehr Filmen ausgestattet. Neben über 30 kurzen und langen Werken von Jean-Luc Godard, die wir aus der Corona-Zwangspause gerettet haben, stehen fünf weitere Schwerpunkte an: Dank des langjährigen, unermüdlichen kuratorischen Einsatzes von Lorenzo Berardelli und dem tba film collective können wir von Juli bis ­ September dem Taiwan Cinema eine einzigartige Retrospektive widmen. ­ 26 Filme rücken neben Regiestars wie Hou Hsiao-Hsien, Edward Yang, Ang Lee und Tsai Ming-liang auch weniger bekannte taiwanische Filmschaffende ins Rampenlicht. Wenn es die Reisebestimmungen gestatten, werden Gäste aus Taiwan zu Besuch kommen. Zum 100. Geburtstag von Patricia Highsmith am 19. Januar 2021 zeigen wir eine Auswahl der besten Verfilmungen ihrer hintergründigen Thriller und Psychodramen. 100-jährig geworden wäre am 12. Juni 2021 auch der spanische Cineast Luis García Berlanga. Dieser erlangte zwar nie ganz die Prominenz seiner gleichzeitig aktiven Landsleute Luis Buñuel und Carlos Saura, doch sein oft fabulierfreudiges und verspieltes Werk weist ebenfalls satirische Qualitäten auf, die der Zensur der Franco-Ära zuwider waren. Nicht den 100., aber immerhin schon den 80. Geburtstag feiert am 19. September 2021 Markus Imhoof, einer der wichtigsten Exponenten des Neuen Schweizer Films. Er wird mehrere seiner Frühwerke im Filmpodium persönlich kommentieren, darunter seine in den 60er-Jahren verbotenen Kurzfilme und sein Spielfilmdebüt Fluchtgefahr. Schliesslich setzen wir auch unsere filmhistorische Reihe zu Mark Cousins’ Serie The Story of Film: An Odyssey fort, die nun Meisterwerke des Tonfilms aus aller Welt präsentiert. Übrigens: Dass man der Werbung nie glauben soll, ist eine Binsenweisheit. Und dass wir in 11 Wochen 80 Filme zeigen, wie unser Werbe-Punkt für das Sommer-Abo behauptet, stimmt tatsächlich nicht. Es sind weit mehr. Michel Bodmer Titelbild: Alain Delon in Plein soleil


02 INHALT

Taiwan Cinema

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Anders als das actionlastige Hongkong-Kino und das oft epische und ästhetisch überhöhte Kino der VR ­ China ist das Filmschaffen Taiwans eher realitätsnah, auf normale Menschen und ihre sozialen und psycho­ logischen Probleme konzentriert; es arbeitet dunkle Kapitel der Geschichte auf und schildert die Auswirkungen der Urbanisierung auf zwischenmenschliche Beziehungen. Neben Werken von weltberühmten Regisseuren wie Edward Yang, Ang Lee, Hou Hsiao-Hsien und Tsai MingLiang gibt es auch viele Filme weniger bekannter Cineastinnen und Cineasten zu entdecken. Neue Restaurierungen durch das Filminstitut Taiwan erlauben uns, Filme zu zeigen, die hier noch nie zuvor zu sehen waren. Bild: A Brighter Summer Day

Highsmith im Film

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Die Autorin Patricia Highsmith (1921– 1995) schrieb keine konventionellen Krimis. Ihre Protagonisten sind Aussenseiterinnen und Querschläger, deren Triebe und Obsessionen sie oft ins Verbrechen abgleiten lassen. Wir zeigen eine Auswahl der besten Adaptionen ihrer Romane, von Strangers on a Train über The Talented Mr. Ripley bis zu Carol. Bild: Carol

JLG 90 neuf zéro

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Von Bande à part bis zum Bildbuch, von Numéro deux bis zu Nouvelle Vague und von Le petit soldat bis zu Adieu au langage reicht das Spektrum der Filme, die wir mit Corona-bedingter Verzögerung doch noch zu Godards 90. Geburtstag zeigen.


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Luis García Berlanga

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Luis García Berlanga (1921–2010) war einer der bedeutendsten Filmregisseure Spaniens. Sein filmisches Werk, das sich immer wieder an der Zensur des Franco-Regimes rieb, bestand zuerst aus liebevoll ironischen Schilderungen des Kleinstadtlebens und erkundete später vor allem die Macht der Erotik und aktuelle Genderrollen.

The Story of Film: Episoden 4 –6

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Filmpodium für Kinder: Ernest & Célestine

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Mäuse und Bären können keine Freunde sein. Das weiss doch jeder! Mäuse haben Angst vor Bären – und Bären fressen Mäuse. Aber die Maus Célestine will einen Bären kennenlernen. Zauberhafter Animationsfilm. Bild: Ernest & Célestine

Markus Imhoof

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Markus Imhoof (*19.9.1941) hielt der Schweiz schon immer einen SpieIn den Episoden 4 – 6 seiner Serie er- gel vor, der nichts beschönigte. Zum kundet Mark Cousins die Anfänge des 80. Geburtstag präsentiert er bei uns Tonfilms, das Nachkriegskino und eine Auswahl seiner Werke. die Themen Sex und Melodrama. Dazu sind Meisterwerke von Rouben Mamoulian, Mervyn LeRoy, Satyajit Premiere: Careless Crime 51 Ray, Jean Vigo, Roberto Rossellini, 1978 wurde im Iran ein Kino angeHoward Hawks, Alfred Hitchcock zündet; Hunderte starben. Shahram und Douglas Sirk zu sehen. Mokri spürt der Möglichkeit nach, Bild: All That Heaven Allows wie sich ein solches Verbrechen heute wiederholen könnte.



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Taiwan Cinema Anders als das actionlastige Hongkong-Kino und das oft epische und ästhetisch überhöhte Kino der VR China ist das Filmschaffen Taiwans meist realitätsnah, auf normale Menschen konzentriert. Lorenzo Berardelli zeichnet die Entwicklung des taiwanischen Kinos nach, das weltberühmte Cineasten wie Edward Yang, Ang Lee und Hou Hsiao-­hsien hervorbrachte. Neue Restaurierungen durch das Filminstitut Taiwan erlauben uns, Filme zu zeigen, die hier noch nie zuvor zu sehen waren. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Taiwan eine japanische Kolonie, in der lokales Filmschaffen nahezu inexistent war. Nach der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg fiel die Insel unter die Verwaltung von Chinas nationalistischer Regierungspartei Kuomintang. 1949 siegte die Kommunis­ tische Partei Chinas und rief auf dem Festland die Volksrepublik aus. In der Folge zog sich die Kuomintang samt Militär auf die westpazifische Insel ­zurück. So wurde Taiwan vom kleinen Aussenposten zur letzten Bastion der Republik China. Während der nächsten 38 Jahre herrschte «Kriegsrecht»: Taiwanische und indigene Sprachen wurden aus den Schulen verbannt und das für einen Grossteil der Bevölkerung unverständliche Mandarin wurde als Nationalsprache festgelegt. Kino im Belagerungszustand In dieser Zeit der politischen Wirren und der Fremddominanz wurden hauptsächlich propagandistische Wochenschauen und Dokumentationen realisiert. Mitte der 1950er-Jahre erfolgten erste Gehversuche eines einheimischen, taiwanisch-sprachigen Filmschaffens: Was mit statisch gefilmten Opernaufnahmen begann, entwickelte innert kürzester Zeit eine ungemeine Vielfalt sowohl an kommerziellen als auch unabhängigen Low-Budget-Genre-Filmen. Bereits 1962 erreichte das taiwanischsprachige Kino mit 120 produzierten Filmen eine erste Hochphase. Den vorläufig letzten Höhepunkt lokaler Filmkultur bildete der bemerkenswerte Underground-Film Vengeance of the Phoenix Sis­ ters (1968). Wenig später führten die unstabile Produktionslandschaft, das aufkommende Lokalfernsehen und schliesslich die staatliche Regulierung der Filmindustrie, die fortan von Mandarin-Filmen dominiert wurde, zu einer tiefen Krise des taiwanischsprachigen Kinos. Dabei verhinderte die Kuomintang nicht nur dessen unabhängige Entwicklung, sondern schob durch strikte ­Zensur auch Mandarin-Independent-Filmen einen Riegel vor: Mou Tun-feis < >

Liebesdrama im Goldrausch: Hill of No Return Wenn Götter und Menschen auf Hunde prallen: God Man Dog


06 The End of the Track (1970), der die tiefe soziale Identitätskrise thematisiert, wurde verboten. Dagegen florierte in den 1960er- und 1970er-Jahren ­Taiwans kommerziell ausgerichtete Mandarin-Filmindustrie und brachte Hunderte Martial-Arts-Filme und Melo-Romanzen hervor, welche die kleine Insel – gemessen am Output – in die internationale Top 10 der Filmproduktionsländer katapultierte. Während dieser Blütezeit kamen gar Hongkong-Regisseure wie Li Han-hsiang, King Hu (Legend of the Mountain) oder Chang Cheh (Disci­ ples of Shaolin) nach Taiwan, setzten Trends und genossen grössere künstlerische Freiheiten als in der britischen Kronkolonie. Erforschung der eigenen Identität Ende der 1970er-Jahre entlud sich die Unzufriedenheit der taiwanischen Bevölkerung vermehrt in Anti-Regierungsdemonstrationen und Auswanderungswellen. Die sozialen Unruhen stürzten auch die staatliche Filmindustrie in eine Krise. Das Kinopublikum, zu dem nun auch die Nachkriegsgeneration gehörte, hatte das «alte» Taiwan Cinema satt. Ausgerechnet ein regierungseigenes Filmstudio brachte daraufhin junge Regisseure zusammen: Sowohl die kollektiv umgesetzten und episodenhaft konzipierten In Our Time (1982) und The Sandwich Man (1983) als auch Chen Kun-hous Growing Up (1983) oder Chang Yis Kuei-mei, A Woman (1985) fanden bei der Kritik und beim breiten Publikum grossen Anklang. Der Erfolg beruht unter anderem darauf, dass diese Filme erstmals die kulturellen Wurzeln Taiwans anhand autobiografischer Erfahrungen des Aufwachsens in einer sich schnell modernisierenden Gesellschaft erforschten. Der Unterschied zu anderen filmgeschichtlichen «Neuen Wellen» ist ihre Rückwärtsgewandtheit: Es ging darum, die moderne Geschichte Taiwans frei von jeglicher Propaganda aufzuarbeiten und das nationale Selbstverständnis und -verhältnis filmisch neu auszuhandeln. Hou Hsiao-hsiens A City of Sadness (1989), Edward Yangs A Brighter Summer Day (1991) oder Wang Tungs No Hills of Return (1992) stehen exemplarisch für dieses neue nationale Kino: Neben der teilweisen Rückkehr der taiwanischen Sprache und dem Einsatz von Laien zeichnet sich das sogenannte Taiwan New Cinema durch eine elliptische Erzählweise mit langen totalen Einstellungen aus, die das Schauspiel und die Figurenkonzeption in den Fokus rücken. Auch wenn diese ästhetisch wie politisch neue Bewegung trotz ihres internationalen Erfolgs in Taiwan selbst als «elitäres Kino» verrufen war, begann sich die gesellschaftliche Lage Mitte der 1980er-Jahre zu verändern: 1986 kam mit Yu Kan-pings Outcasts der erste taiwanische Film in die Kinos, der offen Homosexualität thematisiert. Wenn auch von der Zensurbehörde gekürzt, ist er ein wichtiger Eckpfeiler der gesellschaftlichen Befreiung der LGBTQ-Community in Taiwan, das als erstes asiatisches Land seit 2019 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare kennt. 1987 wurde das «Kriegsrecht» aufgehoben und die Zensur erheblich gelockert.


07 Ab den 1990er-Jahren gewann das Taiwan Cinema dank einer neuen Gene­ ration von Filmemachenden grössere internationale Beachtung – eine Generation, die trotz erheblicher stilistischer und thematischer Unterschiede zum Kino der 1980er-Jahre oft als «Zweite Neue Welle» bezeichnet wird. Dazu gehören Ang Lees Filme. Sie illustrieren beispielhaft, wie die Produktionsökonomie des Taiwan Cinema transnational verankert ist: Lee debütierte mit Pushing Hands (1991) und trat vier Jahre später sein Projekt Siao Yu an Sylvia Chang ab. Beide Filme sind in New York gedreht, aber von Taiwan finanziert. Weitere prägende Filmemachende dieser «Zweiten Welle» wie Lin Cheng-sheng (Murmur of Youth), Chen Kuo-fu (The Personals) oder Chang Tso-chi (Dark­ ness and Light) setzten sich mit der Identitätssuche der jungen Generation ­auseinander. Tsai Ming-liang (Goodbye, Dragon Inn) erfindet laut Bernardo Bertolucci die Filmsprache schliesslich gar neu: Sein minimalistischer Stil zelebriert ein Kino hin zur «Performance Art» mittels statischer Kameraführung, langer Einstellungen und auf ein Minimum reduzierter Dialoge. 1992 fanden auf Taiwan die ersten freien Parlamentswahlen statt. 2000 gewann die Demokratische Fortschrittspartei die Präsidentschaftswahlen und löste die Kuomintang an der Spitze der Regierung ab. Gleichzeitig befanden sich die taiwanischen Filmproduktionen an den einheimischen Kinokassen in einem Allzeittief. Neben dem multinationalen Filmprojekt von Ang Lee (Crouch­ing Tiger, Hidden Dragon) spielte gerade mal ein Taiwan-Film mehr als eine Million Dollar ein: der Handpuppen-Actionfilm Legend of the Sacred Stone. Die lokale Filmindustrie erholte sich nur langsam: 2008 bescherte die taiwanische Mainstream-Produktion Cape No. 7 den Kinos zwar Rekord­ einnahmen, Arthouse-Filme wie God Man Dog (2007) von Chen Sin-ging haben jedoch bis heute einen schweren Stand. Im Gegensatz zur Bewegung der 1980er-Jahre, die einen Bruch mit der kommerziellen Filmindustrie anstrebte, versuchen aktuelle Produktionen vermehrt ein breites Publikum anzusprechen. Einige Genre-Filmproduktionen richten sich gar nach den Bedürfnissen der Volksrepublik China und nehmen deren staatliche Zensur in Kauf. Lorenzo Berardelli Mit freundlicher Unterstützung von:

Die Retrospektive wurde vom tba film collective (Lorenzo Berardelli, Federico Chavez und Natalia Schmidt) kuratiert und zu wesentlichen Teilen mitorganisiert.


> Vengeance of the Phoenix Sisters.

> Legend of the Mountain.

> Disciples of Shaolin.

> In Our Time.

© Licensed by Celestial Pictures Limited. All rights reserved.

> Typhoon.


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Taiwan Cinema 91 Min / sw / DCP / Chin/e // REGIE Mou Tun-fei // DREHBUCH

TYPHOON (Tai feng)

Mou Tun-fei, Su Kuang-Shun // KAMERA Chen Chung-hsing

Taiwan 1962

// MUSIK Hsu Chang-hui // SCHNITT Huang Chui-kuei, Mou

Als der flüchtige Ganove Ta-hao mit einer Begleiterin bei einem in einer Wetterstation lebenden Ehepaar auftaucht, braut sich ein Sturm zusammen. «Ein Film wie von einem anderen Planeten inmitten einer von Propaganda getränkten mandarin­ sprachigen Filmindustrie und eines dezidiert kommerziellen taiwanischsprachigen Kinos.» (Wafa Ghermani, Cinémathèque suisse, Nov. 2019)

Tu-yuan (Li Yung-sheng), Chang Ping-yu (Hsiao-tungs Mut-

110 Min / sw / DCP / Chin/e // REGIE Peter Pan Lei // DREHBUCH Peter Pan Lei, nach seinem Roman // KAMERA Hung Chin-yun // MUSIK Yang Ping-chung // SCHNITT Chen Hong-min // MIT Mu Hong (Ho Chun-li), Tang Ching (Kao Ta-hao), Tang Bao-yun (Ahhung), Luo Wan-lin (Lin Hsiao-shan), Chin Shih (Ho Chih-ping).

Tun-fei // MIT David Chen Da-wei (Chiang Hsiao-tong), Tsai ter), Lui Yin-shang (Yung-shengs Mutter). VORFILM: RUN 5 Min / DCP / stumm // REGIE Han Hsiang-ning.

EXECUTION IN AUTUMN (Qiu jue) Taiwan 1972 Der zum Tode verurteilte Pei Kang ist der letzte männliche Erbe einer gut situierten Familie. Während er reuelos im Gefängnis sitzt, versucht ihn seine Grossmutter zu befreien. «Dieser ‹ernste› Film wurde nicht nur in Taiwans Kunst- und Kulturkreisen gelobt, sondern auch über zwei Monate lang ununterbrochen in Premierenkinos in Taipeh gezeigt.» (Lee Dawming, Hist. Dictionary of Taiwan Cinema, 2013) 99 Min / Farbe / DCP / Chin/e // REGIE Lee Hsing // DREHBUCH

VENGEANCE OF THE PHOENIX SISTERS (San feng zhen wu lin) Taiwan 1968 Drei Schwestern auf dem Rachefeldzug gegen die Mörder ihrer Eltern. «Mit seiner ballettartigen Choreografie, der lebendigen Kameraarbeit und dem kinetischen Schnitt macht Vengeance... den besten ShawBroth­ers-Schwertkampf-Filmen jener Ära Konkurrenz.» (UCLA Film & Television Archive, 2017) 88 Min / sw / DCP / Taiw/e // REGIE Chen Hung-min // DREHBUCH Chu Ke // KAMERA Huang Jui-chang // MUSIK Huang Hsi-shang // SCHNITT Nan Fang-jen // MIT Yang Li-hua (Feng Xiu), Liu Ching (Feng Chi), Chin Mei (Feng Qi). MIT VIDEO-FILMEINFÜHRUNG ca. 15 Min / E.

Chang Yung-hsiang // KAMERA Lai Cheng-ying // MUSIK Ichiro Saito // SCHNITT Chen Hung-ming // MIT Ou Wei (Pei Kang), Tang Bao-yun (Lien Er), Ko Hsiang-ting (Palisadengouverneur Lao Tao), Fu Bi-hui (Liao Nai-nai), Chen Hui-lou (Dieb).

DISCIPLES OF SHAOLIN (Hong quanxiao zi) Taiwan/Hongkong 1975 Kuan ringt sich dank seinen Kung-Fu-Fertigkeiten vom einfachen Arbeiter zum Vorarbeiter hoch. «Der wichtigste Kung-Fu-Film in dieser Zeit war Disciples of Shaolin (…), der die ‹xiaozi› (Rotzbengel)-Serie etablierte und Jackie Chans Drunken Master beeinflusste.» (Lee Daw-ming, Hist. Dictionary of Taiwan Cinema, 2013) 106 Min / Farbe / DCP / Chin/e // REGIE Chang Cheh // DREHBUCH Chang Cheh, Ni Kuang // KAMERA Kung Mu-to // MUSIK Chen Yung-yu // SCHNITT Kuo Ting-hung // MIT Alexander Fu Sheng (Kuan Fung Yi), Chi Kuan-chun (Huang Han).

THE END OF THE TRACK (Pao dao zhong dian) Taiwan 1970 Als Yung-sheng unerwartet stirbt, versucht sein Freund Hsiao-tung bei dessen Eltern Wiedergutmachung zu leisten. Eine beeindruckende, schnell geschnittene Trauma-Sequenz verstärkt das Gefühl von Hilflosigkeit und Panik. Damals wegen pessimistischem Grundton und homosexuellen Untertönen verboten, zählt The End of the Track heute zu den spannendsten Filmarchivschätzen Taiwans.

© Licensed by Celestial Pictures Limited. All rights reserved.

LEGEND OF THE MOUNTAIN (Shan zhong zhaun qi) Taiwan/Hongkong/Südkorea 1979 Ein Gelehrter soll in einem Bergkloster ein buddhistisches Sutra transkribieren, dem Macht über die Welt des Jenseits zugesprochen wird. Als bösartige Geister versuchen, das Sutra zu stehlen, gerät Ho zwischen die Kräfte von Gut und Böse.


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Taiwan Cinema «In seiner ästhetischen Sicherheit und geisterhaften Atmosphäre, seiner kontrollierten Pracht, dürfte es der Höhepunkt von Hus Werk sein.» (Greg Cwik, Slant Magazine, 28.1.2018) 192 Min / Farbe / DCP / Chin/e // REGIE King Hu // DREHBUCH Chung Ling, King Hu // KAMERA Henry Chan // MUSIK Wu ­Ta-chiang // SCHNITT Hsiao Nan, King Hu // MIT Shih Chun (Ho Yunqing), Hsu Feng (Melody), Sylvia Chang Ai-chia (Cloud).

IN OUR TIME (Guang yin de gun shi) Taiwan 1982 Der vierteilige Omnibusfilm gilt als Pionierarbeit des Neuen Taiwanischen Films. Um dem Mobbing zu entkommen, zieht sich ein Junge in Tao Te-chens Little Dragonhead in seine Fantasiewelt zurück. Ein Student bringt das Leben eines pubertierenden Mädchens in Edward Yangs Expectations durcheinander. Ko I-chengs Leapfrog erzählt von einem Studenten, der zwischen Unsicherheit und Selbstbewusstsein schwankt, und in Chang Yis Say Your Name sperrt sich ein frisch verheirateter Mann aus seiner Wohnung aus. 106 Min / Farbe / DCP / Chin/e // DREHBUCH UND REGIE Jim Tao Te-chen, Edward Yang, Ko I-chen, Chang Yi // KAMERA Chen Chia-mao // MUSIK Chen Yunshan // SCHNITT Liao Ching-sung // MIT Emily Y. Chang, Sylvia Chang Ai-chia, Chen

THE SANDWICH MAN (Er zi de da wan ou) Taiwan 1983 In Hou Hsiao-hsiens titelgebender Episode bettelt ein Mann im örtlichen Kino um einen Job als Sandwich-Mann. Um zwei Männer, die japanische Schnellkochtöpfe verhökern, geht es im zweiten Segment Vicky’s Hat von Tseng Chuang-hsiang. Wan Jens Satire The Taste of Apple ist der lustigste Teil. «Hou Hsiao-hsiens Episode ist die einfachste und schönste. Zum ersten Mal im taiwanischen Kino sagt ein Film dem einheimischen Publikum: Seht her, so ist es auch, wenn man Taiwaner ist.» (Cinescope, 2016) 106 Min / Farbe / DCP / Chin+Taiw+E/e // REGIE Hou Hsiaohsien, Tseng Chuang-hsiang, Wan Jen // DREHBUCH Wu Nien-jen, nach den Kurzgeschichten von Huang Chun-ming // KAMERA Chen Kun-hou // MUSIK Wen Lung-chun // SCHNITT Liao Ching-sung // MIT The Sandwich Man: Chen Bor Jeng (Kun-shu). Vicky's Hat: Chin Ding (Wang Wu-­hsiung), Fang Ting-yi (Lin Tsai-fa), Chang Yu-tze (Vicky). The Taste of Apple: Chiang Hsia (Frau Chiang), Cho Sheng-li (Chiang A-fa), Yen Cheng-kuo (Chiang A-jih).

KUEI-MEI, A WOMAN (Wo zhe yang guo le yi sheng) Taiwan 1985

Chi, Lan Shang-wen, Lee Li-chun, Li Kuo-hsiu, Shih An-ni.

 Samstag, 3. Juli, 20.00 Uhr: Einführung mit einem Referat zu «Taiwan Cinema» von Lorenzo Berardelli und einem Gespräch zwischen Simona Grano und Natalie Boehler.

GROWING UP (Xiao Bi de gu shi) Taiwan 1983 Der Junge Chu-chia erlebt, wie seine Mutter den viel älteren Mr. Bi heiratet. «Der in Taiwan gefeierte Coming-of-Age-Film gilt als einer der ersten, der die internationale Aufmerksamkeit auf die neue Generation von jungen Filmschaffenden lenkte.» (Raktim Nandi, Asian Movie Pulse, 7.12.2020) 100 Min / Farbe / DCP / Chin+Taiw/e // REGIE UND KAMERA

«Um dem chinesischen Bürgerkrieg in den 1950erJahren zu entkommen, flieht Kuei-mei nach Taiwan. Sie heiratet einen Taugenichts, nimmt einen Job als Kellnerin an und überwindet allerlei Rückschläge. (...) Ihr Leben steht symbolisch für viele der Festlandbewohner, die nach Taiwan auswandern, und veranschaulicht die sozioökonomischen Entwicklungen in Taiwan. (...) Kuei-mei... steht auch für den feministischen Ansatz des Regisseurs Chang Yi, der eine Trilogie mit würdigen Heldinnen drehte. Die Titelrolle spielt Yang Hui-shan, die ‹Meryl Streep Taiwans›.» (Int. Film Festival Rotterdam, 2015) 152 Min / Farbe / DCP / Chin/e // REGIE Chang Yi // DREHBUCH Chang Yi, Hsiao Sa, nach dessem Roman // KAMERA Yang Wei-han // MUSIK Chang Hung-yi // SCHNITT Chang Hung-yi, Chuang Mei-chiang, Wang Chao-hsi, Wei Chen-ting // MIT Yang Hui-shan (Kuei-mei), Lee Li-chun (Kuei-meis Ehemann).

Hou Hsiao-hsien, Hsu Shu-chen, nach dem Roman von Chu

OUTCASTS AKA THE OUTSIDERS (Nie zi)

Tien-wen //MUSIK Jonathan Lee Tsung-sheng // SCHNITT

Taiwan 1986

Chen Kun-hou // DREHBUCH Chu Tien-wen, Ding Yah-ming,

Liao Ching-sung // MIT Fanny Chang Chun-fang (Lin Hsiuying), Tsui Fu-sheng (Pi Da-shun), Doze Niu Cheng-tse (Xiao Bi als Teenager), Cheng Chuan-wen (Xiao Bi als Kind), Tou Tsung-hua (Xiao Bi als Erwachsener).

«Von zu Hause und der Schule verwiesen, weil er mit einem anderen Mann auf frischer Tat ertappt wurde, wird Ah-ching von einem Fotografen und


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Taiwan Cinema dessen exzentrischer Vermieter­in (...) in ihre alternative Familie von ähnlich verstossenen Jugendlichen aufgenommen. (...) Outcasts wurde der erste kommerziell veröffentlichte Film Taiwans mit einem expliziten Queer-Thema und bot vielen den ersten Einblick auf eine Subkultur, die zuvor von der Kinoleinwand ausgeschlossen war.» (Austin Asian American Film Festival, Pressemitteilung, 2020) 105 Min / Farbe / Digital SD / Chin/e // REGIE Yu Kan-ping // DREHBUCH Sun Cheng-guo, nach dem Roman «Crystal Boys» von Pai Hsien-yung // KAMERA Ho Yung-cheng // SCHNITT Liao Ching-song // MIT Shao Hsin (Li Ah-ching), Li Tai-ling (Li Man-hua), Ma Shao-chun (Lao Shu/Maus), Sun Yueh (Yang Chiao-tou), Tsai Peng-tao (Wu Min).

EINE STADT DER TRAURIGKEIT (Bei qing cheng shi) Taiwan/Hongkong 1989 «Die Söhne einer taiwanischen Grossfamilie, (...) werden zwischen 1945 und 1949 in die Unruhen und Wirrnisse im Land verwickelt, als Taiwan zum Spielball im Machtkampf zwischen Nationalchinesen und Kommunisten wird. (...) Ein ebenso behutsam wie souverän entwickelter, facettenreicher ‹Heimatfilm›, der weniger daran interessiert ist, die historischen Zusammenhänge zu rekonstruieren, als auf einfühlsame Weise deren Auswirkungen auf die Menschen und ihre Empfindungen bis in die Gegenwart darzustellen.» (Lexikon des int. Films) 157 Min / Farbe / 35 mm / OV/d // REGIE Hou Hsiao-hsien // DREHBUCH Wu Nien-jen, Chu Tien-wen // KAMERA Chen Huai-en // MUSIK Chang Hung-yi, Naoki Tachikawa // SCHNITT Liao Ching-song // MIT Tony Leung Chiu-wai (Lin Weng-ching), Jack Kao Kuo-hsin (Lin Wen-leung, der mittlere Bruder), Chen Song-yong (Lin Wen-heung, der älteste Bruder), Li Tian-lu (Lin Ah-lu, der Vater), Hsin Shu-fen (Wu Kuanmei), Grace Chen Shu-fang (Lin Wen-heungs Frau), Kelly Ko Su-yun (Lin Wen-sens Frau).

237 Min / Farbe / Digital HD / OV/e // REGIE Edward Yang // DREHBUCH Hung Hung, Lai Ming-tang, Alex Yang Shun-qing, Edward Yang // KAMERA Chang Hui-kung, Li Long-yu // MUSIK Zhan Hong-ta // SCHNITT Chen Po-wen // MIT Chang Chen (Xiao Si’r, «Little Four»), Lisa Yang (Ming), Chang Kuochu ­(Xiaos Vater), Elaine Jin (Xiaos Mutter), Wang Chuan (Xiaos ältere Schwester), Chang Han (Lao Er, älterer Bruder), Wong Chi-zan (Wang Mao, «Cat»), Lawrence Ko («Airplane»).

PUSHING HANDS (Tui shou) Taiwan/USA 1991

«Die sensibel erzählte Komödie um einen chinesischen Tai-Chi-Lehrer, der nach New York auswandert, um den Lebensabend bei seinem Sohn zu verbringen, jedoch feststellen muss, dass die Verständigung mit seiner neuen Umgebung schwierig ist.» (Lexikon des int. Films) 106 Min / Farbe / DCP / E+Chin/d // DREHBUCH UND REGIE Ang Lee // KAMERA Lin Liang-Chung // MUSIK Qu Xia-Song // SCHNITT Ang Lee, Tim Squyres // MIT Lung Si-Hung (Mr. Chu), Wang Lai (Mrs. Chen), Wang Bo Z. (Alex Chu), Deb Snyder (Martha Chu), Lee Han (Jeremy Chu Ji-mi), Emily Liu (Yi Cui).

DAS LAND DER PFIRSICHBLÜTE (An lian tao hua yuan) Taiwan 1992 «Ein Theater-Proberaum ist doppelt belegt. Eine Truppe will an (...) einer rührseligen Geschichte arbeiten. (...) Die andere schlurft durch eine farcenhafte Parodie des klassischen ‹Das Land der Pfirsichblüte›. (...) Erwartungsgemäss werden sich die beiden Stücke überschneiden, um neue Bedeutungen zu erzeugen, die sich überraschenderweise als Grundlage für eine Analyse von Schlüsselproblemen der modernen chinesischen Kultur erweisen.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide)

A BRIGHTER SUMMER DAY

107 Min / Farbe / 35 mm / Chin/d // REGIE Stan Lai // DREH-

(Guling jie shaonian sha ren shijian) Taiwan 1991

BUCH Stan Lai, nach seinem Theaterstück // KAMERA Christo­pher Doyle // MUSIK Fumio Itabashi, Kazutoki Umezu

«Yangs meisterhafte Erzählung über das Aufwachsen in Taiwan zu Beginn der 60er-Jahre [ist] visuell elegant. (...) An der Oberfläche geht es um die Verstrickung eines Jungen in Bandenrivalität und Gewalt (…) und seine Erfahrung mit junger Liebe. Auf einer tieferen Ebene geht es jedoch um eine Gesellschaft im Wandel und auf der Suche nach einer Identität, die sich ihrer Isolation vom chinesischen Festland stets bewusst ist und zunehmend der Amerikanisierung zum Opfer fällt.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

Zhifan), King Shih-chieh (Chiang Pin-liu), Ku Pao-ming

// SCHNITT Chen Po-wen // MIT Brigitte Lin Ching-hsia (Yun ­(Meister Yuen), Lee Li-chun (Alter Tao), Chen Li-mei (Krankenschwester), Ismene Ting Nai-zang (Frühlingsblume).

 Sonntag, 29. August, 14.00 Uhr: anschl. Gespräch mit dem Regisseur


> Kuei-Mei, a Woman.

> The Sandwich Man.

> Pushing Hands.

> Growing Up.


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Taiwan Cinema MIT Wang Chi-tsan (Hsiao Feng), Elaine Kam Yin-ling (Gross-

HILL OF NO RETURN (Wu yan de shan qiu) Taiwan 1992 Während der japanischen Besatzung bricht in einer Bergbaustadt ein Goldrausch aus. Auf der Suche nach Reichtum verlieben sich zwei Glücksritter; der eine in eine verstossene Witwe, der andere in eine erkrankte Prostituierte. «In diesem (…) mitreissenden dreistündigen Film entwickelt Wang Tung ruhig und realistisch seine Figuren und zeigt in verschiedenen Episoden die Härte des Lebens.» (Lee Daw-ming, Hist. Dictionary of Taiwan Cinema, 2013)

mutter), Joyce Ni Shu-chun (Mutter), Hou De-jian (Lehrer Li), Eric Tsang Chi-wai (Fengs Geisterfreund).

SIAO YU (Shao nu Xiao Yu) Taiwan/USA 1995

175 Min / Farbe / DCP / Taiw+Jap/e // REGIE Wang Tung //

Siao Yu folgt ihrem Freund Kong Wai nach New York. Um ihr eine Greencard zu besorgen, arrangiert er eine Scheinehe mit einem glücklosen Schriftsteller. «Sylvia Chang schafft es, die Fettnäpfchen des Genres zu vermeiden. Die Beziehung, die sich zwischen Mario und Siao Yu entwickelt, wirkt unverbraucht und ehrlich.» (Shelly Kraicer, chi­ nesecinemas.org, 1995)

DREHBUCH Wu Nien-jen // KAMERA Yang Wei-han // MUSIK

104 Min / Farbe / DCP / E+Chin+Kant/e // REGIE Sylvia Chang

Bobby Chen Ming-chang, Lee Jing-faan // SCHNITT Chen

Ai-chia // DREHBUCH Sylvia Chang Ai-chia, Ang Lee, nach

Sheng-chang // MIT Peng Chia-chia, Wong Ban-yuen, Yang

dem Roman von Yan Geling // KAMERA Joe De Salvo // MU-

Kuei-mei, Chan Sin-mui, Yam Cheung-ban, Wen-Ying.

SIK Bobby Dar // SCHNITT Mei Feng // MIT Rene Liu Re-ying (Lin Siao Yu), Marj Dusay (Rita), Tou Tsung-hua (Kong Wai),

ACHTZEHN

Daniel J. Travanti (Mario Moretti).

(Shi ba) Taiwan 1993

MURMUR OF YOUTH

«Der Film ist stilistisch gewagt, mit einer fragmentierten Erzählstruktur und einer sehr einfallsreichen Kinematografie. (...) Ein Mann (...) geht eines Tages auf ein Bier in ein Fischerdorf und bleibt dort beim Würfelspiel sitzen. (...) Er vergisst seine Frau und seine Tochter (...) und hat eine Midlife-Crisis, aber gleichzeitig fühlt er sich zum ersten Mal seit Langem frei.» (Int. Film Festival Rotterdam, 1994)

«Der Film folgt zwei Teenager-Mädchen, beide mit dem Namen Mei-li, (...) die schliesslich Seite an Seite als Kassiererinnen in einem Kino arbeiten. (...) Der klaustrophobische Kinoticketschalter wird zu einer Metapher für die aufgestaute Unruhe seiner Figuren.» (Stephen Holden, NY Times, 11.4.1998)

104 Min / Farbe / 35 mm / Taiw+Chin/d // REGIE UND KAMERA

sheng // DREHBUCH Ko So-ching, Lin Cheng-sheng //

(Mei li zai chang ge) Taiwan 1997

106 Min / Farbe / DCP / Taiw+Chin/e // REGIE Lin Cheng-

Ho Ping // DREHBUCH Kuo Cheng, Ho Ping, nach der Kurz­

­KAMERA Tsai Cheng-hui // MUSIK Chang Hong-yee, Bobby

geschichte «God’s Dice» von Kuo Cheng // MUSIK Jim Shum

Chen // SCHNITT Chen Hsiao-tong, Chen Li-yu // MIT Rene

// SCHNITT Chen Po-wen, Chou Hsu-wei // MIT Wu Hsing-

Liu Re-ying (Chen Mei-li), Tseng Jing (Lin Mei-li).

kuo («Weirdo»), Lu Hsiao-fen (Mingzhu, Ladeninhaberin/Ah Kiu, Hotelbesitzerin), Tou Chung-hua (Ah Hai).

MOONLIGHT BOY (Yue guang shao nian) Taiwan 1993 Ein 13-jähriger Junge streift einsam und unbeachtet umher. Einzig eine Zeichentrickfigur leistet ihm Gesellschaft. Während die Verflechtung von unterschiedlichen filmischen Welten die Vorstellungskraft des Publikums herausfordert, schälen Rückblenden die Misere des Jungen heraus.

THE PERSONALS (Zheng hun qi shi) Taiwan 1998 Eine Augenärztin sucht mit einer Kontaktanzeige Mr. Right. Es folgt eine Reihe bizarrer Blind Dates. «Eine lustige, traurige und wunderschön be­ obachtete Studie über moderne sexuelle Beziehungen (…). Gedreht und geschrieben mit einer Präzision und einem trockenen Humor, die an Hal Hartley erinnern.» (Derek Elley, Variety, 21.3.1999) 104 Min / Farbe / DCP / Chin/e // REGIE Chen Kuo-fu // DREH-

95 Min / Farbe / 16 mm / Chin/chin/e // REGIE Yu Wei-yen //

BUCH Chen Kuo-fu, Chen Shih-chieh, nach dem Roman

DREHBUCH Yu Wei-yen, Jerry Sun Fa-jun, Ng Ng-gung // KA-

«Marriage Wanted» von Jade K. Chen Yu-hui // KAMERA­

MERA Chu Pei-chi, Li Yi-hsu // SCHNITT Huang Chiu-kuei //

Ho Nan-hong // MUSIK Steve Liu Si-wei // SCHNITT Chang


> Murmur of Youth.

> Siao Yu.

> Das Land der Pfirsichblüte.

> Achtzehn.


15

Taiwan Cinema Dar-lung // MIT Rene Liu Jo-yin (Du Jia-zhen, Augenärztin),

96 Min / Farbe / DCP / Taiw/e // DREHBUCH UND REGIE Chris

Wu Bai (Rockmusiker), Jerry Chan Chiu-wing (Ex-Häftling),

Huang // KAMERA Tsai Meng-yu // MUSIK Bai Wu, Ric Jan //

Ku Pao-ming (Sicherheitsgeräte-Händler).

SCHNITT Hsiao Ru-guang // MIT Vincent Huang (alle Stimmen).

DARKNESS AND LIGHT

GOODBYE, DRAGON INN

(Hei an zhi guang) Taiwan 1999

(Bu san) Taiwan 2003

«Eine Studentin kommt in den Ferien nach Hause (ihr Vater betreibt eine traditionelle Blindenmassage-Klinik) und verliebt sich in einen neuen Jungen in der Stadt – und verärgert damit den lokalen Gangsterjungen. (...) Mit brillant ausgewählten Laiendarstellern, von denen einige wirklich blind sind (...), konstruiert Chang schmerzhaft plausibel Schilderungen sowohl des Kleinstadtlebens als auch der flüchtigen Teenager-Leidenschaften.» (Int. Film Festival Rotterdam, 2000)

«Eine Übung in filmischem Minimalismus, eine Geistergeschichte, eine Komödie und ein Klagegesang über eine vergangene Ära des Kinobesuchs. Schauplatz ist das heruntergekommene Fu-Ho-Kino in Taipeh, in dem am allerletzten Abend King Hus Dragon Inn gezeigt wird. Nur eine Handvoll Zuschauer hat sich eingefunden, und die meisten von ihnen scheinen mehr am Rauchen, Essen und Cruisen interessiert zu sein als am Film selbst.» (Tom Dawson, bbc.co.uk, 2.10.2004)

104 Min / Farbe / DCP / Taiw+Chin/e // DREHBUCH UND RE-

82 Min / Farbe / DCP / Chin+Taiw/e // DREHBUCH UND REGIE

GIE Chang Tso-chi // KAMERA Chang Chan // SCHNITT Chen

Tsai Ming-liang // KAMERA Liao Pen-jung // SCHNITT Chen

Po-wen // MIT Lee Kang-yi (Kang-yi), Wing Fan (Ah Ping), Tsai

Sheng-chang // MIT Lee Kang-sheng (Filmvorführer), Chen

Ming-shiou (Kang-yis Vater), Hsieh Bau-huei (Kang-yis Mut-

Shiang-chyi (Ticketverkäuferin), Kiyonobu Mitamura (japa-

ter), He Huang-ji (Ah Ji).

nischer Tourist), Jun Shih (er selbst), Miao Tien (er selbst), Chen Chao-jung (er selbst).

HIDDEN WHISPER (Xiao bai wu jin ji)

GOD MAN DOG

Taiwan 2000 «Ein tiefsinniger und hochsensibler Blick auf die Schlüsselmomente im Leben einer Frau. Zuerst baut sich das kleine Mädchen eine Fantasiewelt auf, um das harte Familienleben im Alltag zu ertragen. Als Jugendliche entwickelt sie Fluchtmechanismen. Und als junge Frau füllt sie die Leere ihres Lebens mit zahlreichen Liebhabern.» (Walter Ruggle, trigon-film.org)

(Liu lang shen gou ren) Taiwan 2007 Die Geschichten unterschiedlicher Protagonisten kreuzen sich bei einem Unfall. «Der Regisseurin Chen Sin-ging gelingt (...) es, die verschiedenen Handlungsstränge wie Bälle beim Jonglieren so in der Luft zu halten, dass sich ihre Flugbahnen auf wundersame und unerwartete Weise kreuzen.» (Shelly Kracier, viff.org)

96 Min / Farbe / 35 mm / Chin/d/f // DREHBUCH UND REGIE Vivian Chang // KAMERA Shen Rei-yuan // MUSIK Max Nagl //

119 Min / Farbe / 35 mm / Chin/d // REGIE Chen Sin-ging //

SCHNITT Chen Hsiao-tong, Chen Li-yu, Lei Chen-ching // MIT

DREHBUCH Chen Sin-ging, Lou Yi-an // KAMERA Shen

Hsiao Shu-shen (die Mutter), Hsia Ching-ting (der Vater), Huang

­Ko-shang // MUSIK Hiromichi Sakamoto // SCHNITT Chen

Pin-hsuan (kleines Mädchen), Leon Dai (Mann mit Amnesie).

­Sin-ging, Chen Hsiao-tong, Liao Ching-song // MIT Jack Kao Kuo-hsin (Niu), Jonathan Chang Yeung-yeung (Hsien),

LEGEND OF THE SACRED STONE (Sheng shi chuan shuo) Taiwan 2000

Dieser Handpuppen-Actionfilm ist «eine schrille Schwert-und-Magie-Geschichte. (...) Stellen Sie sich Thunderbirds [britische Puppentrick-SF-Serie] auf Speed vor, mit Schwertern und fliegenden Dolchen anstelle von Raumschiffen. (...) Trotz des frenetischen Tempos sind die Figuren klar definiert, mit einer gewissen Melancholie und sogar mit einem Hauch schwarzen Humors.» (Darrel William Davis, epdf.pub, 2007)

Tarcy Su Hui-lun (Chin), Chang Han (Hsuan), Ma Nien-Hsien (Kinderarzt).

 Sonntag, 5. September, 14.00 Uhr: anschl. Gespräch mit der Regisseurin

Kurztexte, wo nicht anders vermerkt: tba film collective Detailliertere Inhaltsangaben finden Sie auf unserer Website.



17

Highsmith im Film Schon in Patricia Highsmiths erstem Roman, der von Alfred Hitchcock verfilmt wurde, zeigt sich, dass Psychopathen und Neurotiker ihre Lieblingskinder waren. So auch Tom Ripley, ihre wohl bekannteste Figur, die es auf fünf Romane, fünf Filme und neun Morde brachte. Aus Anlass von Patricia Highsmiths hundertstem Geburtstag zeigen wir 17 der gelungensten Verfilmungen ihrer abgründigen Romane. Nicht schlecht, dieser Karrierestart: Gleich der erste veröffentlichte Roman der 29-jährigen Patricia Highsmith, «Strangers on a Train» (1950), wurde 1951 von keinem Geringeren als Alfred Hitchcock verfilmt. Ihr zweiter Roman, «The Price of Salt», die wohl erste lesbische Liebesgeschichte mit einem Happy End, erschien 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan und verkaufte sich im Taschenbuch fast eine Million Mal. Glücklich machte dies die am 19. Januar 1921 in Fort Worth, Texas, Geborene aber nicht. Zu früh hatte sie erfahren, dass nichts von Dauer ist und man sich auf niemanden verlassen kann: Ihre Eltern liessen sich fünf Monate vor Patricias Geburt scheiden. Das Kind wuchs bei der Grossmutter mütterlicherseits auf, spielte mit schwarzen Kindern aus den Häuschen, die die Grossmutter vermietete, und wurde dafür von ebendieser zusammengestaucht. Die Mutter heiratete dann den Grafiker Stanley Highsmith; 1927 zogen sie mit der kleinen «Patsy» nach New York, doch bereits zwei Jahre später ging es zurück nach Fort Worth. Bald entdeckte die Neunjährige ein Buch, das sie fürs Leben prägen sollte: «The Human Mind» von Karl Menninger. Es waren Fallstudien von Kleptomanen, Pyromanen, Massenmördern, die äusserlich normal wirkten, woraus die Frühreife schloss, dass es auch um sie herum solche gestörten Menschen geben müsse. Die Macht des Wortes Was die Macht des Wortes bewirken konnte, erfuhr die schüchterne Patricia, als sie vor der versammelten Klasse auswendig einen Text darüber vortragen musste, was sie in den Ferien erlebt hatte, nämlich den Besuch in einer Höhle. «Plötzlich hörten alle zu, konnte ich sie unterhalten.» 1934 zog die Familie wieder nach New York, wo Patricia erste Gedichte und Geschichten in der Zeitschrift ihrer Highschool veröffentlichen konnte. Während ihres Studiums

<

>

Ich bin du: The Talented Mr. Ripley > Wie du mir, so ich dir: Strangers on a Train Ich nicht, er auch: Le meurtrier


18 (Englisch, Latein, Griechisch und Zoologie) schrieb sie weiter; 1944 druckte «Harper’s Bazaar» ihren Text «The Heroine», der danach sogar in eine Anthologie der besten Kurzgeschichten aufgenommen wurde. Die ganze Zeit litt Patricia darunter, dass sie sich sexuell zu Frauen hingezogen fühlte, was ausgerechnet ihr Gewährsmann Menninger in derselben Kategorie klassifizierte wie Fetischismus, Pädophilie und Satanismus. Gleichzeitig verachtete sie die meisten Frauen und fühlte sich intellektuell viel wohler in Gesellschaft von Männern. Am 22. Dezember 1945 schrieb sie in ihrem abenteuerlichen Deutsch den Satz ins Tagebuch: «Denke an einen Roman, aus meiner Idee der zwei Seelenbrüder.» Deutsch war die Sprache der Vorfahren ihres Vaters Jay Plangman, und sie lernte sie seit der High School. Literarische Ideen bezeichnete sie mit dem deutschen Wort «Keime», und aus dem Seelenbrüder-Keim entstand im Lauf von vier Jahren «Strangers on a Train». (Solch kostbare Informationen bergen Paul Ingendaays exzellente Nachworte der Highsmith-Gesamtausgabe bei Diogenes.) Hitchcock liess die Filmrechte des Romans von einem Strohmann für 7500 Dollar kaufen, da er befürchtete, sein Name könnte die Forderungen von Highsmiths Literaturagentin hochtreiben. Raymond Chandler schrieb das Drehbuch, doch wie wenig er begriff, was die literarischen Qualitäten von Patricia Highsmith ausmachte, zeigt sein Satz in einem Brief vom September 1950: «In dem Buch gab es eine einzige Idee, das war alles.» Von Chandlers Ideen wiederum blieb kaum etwas übrig, Hitchcock liess das Skript komplett umschreiben. So ist Strangers on a Train (1951) weniger eine werkgetreue Highsmith-Verfilmung als ein typischer Hitchcock-Film, mit Kunststücken wie dem in den Gläsern einer heruntergefallenen Brille gespiegelten Mord und einem eher plumpen retardierenden Moment wie dem Tennismatch. Die Welt durch die Augen der Figuren Doch lässt sich Highsmith überhaupt werkgetreu verfilmen? Nehmen wir ihren Roman «The Cry of the Owl» (1962). Darin ertappt eine junge Frau, die allein in einem abgelegenen Haus wohnt, einen Mann, der sie nachts be­ obachtet. Statt kreischend ins Haus zu laufen, was eine verständliche Reaktion wäre, beginnt sie ein Gespräch mit dem Spanner, in dessen Verlauf er ihr gesteht, einsam und deprimiert zu sein, sie hingegen wirke glücklich, und sie so zu sehen, habe ihm gutgetan. Da sie selbst nach dem Tod ihres kleinen Bruders depressiv geworden war, tut ihr der Mann leid, sie bittet ihn ins Haus, und die Dinge nehmen ihren Lauf: Wir erleben mit, wie die Figuren langsam, aber unaufhaltsam aus der Normalität in den Wahnsinn driften. In Le cri du hibou (1987) hält sich Claude Chabrol eng an die Vorlage, aber spätestens das Verhalten der Polizei wirkt in seinem Film unverständlich. Sehr viel freier verfährt der Engländer Jamie Thraves in The Cry of the Owl


19 (2009): Er lässt Nebenfiguren weg und macht die Exfrau des Protagonisten menschlicher. Und siehe da, wir verstehen die Figuren besser. Das Grundproblem jeder Literaturverfilmung, dass wir nur sehen und hören, was die Figuren tun, nicht aber wissen, was in ihnen vorgeht, verschärft sich in Highsmiths Fall: Denn ihre Figuren verhalten sich von aussen gesehen oft völlig unlogisch, wir Leserinnen und Leser nehmen aber die Welt durch ihre Augen wahr und bekommen ihre sonderbaren Gedanken mit. Von der Lektüre der besten Highsmith-Romane wird man gleichsam infiziert, man fühlt sich krank, oder wie wenn man vergiftet worden wäre. Quasi verkatert, schwört man sich nach der Highsmith-Lektüre: «Nie wieder», aber diese Bücher machen eben auch süchtig, und so erliegt man immer wieder ihrem bittersüssen Gift. Patricia Highsmith interessierte sich mehr für Malerei und Musik als für das Kino und fand selbst, als Jurypräsidentin der Berlinale 1978 habe sie ihre Arbeit nicht gut gemacht. Doch was hielt sie von den Verfilmungen ihrer Bücher? Über Strangers on a Train sagte sie 1988 im Interview mit «Sight & Sound», er sei «ganz unterhaltsam», und von Robert Walker, der den Psychopathen Bruno spielte, war sie so begeistert, dass sie meinte, er wäre wohl der beste Ripley-Darsteller gewesen, wenn er nicht schon 1951 gestorben wäre. Alain Delon in Plein soleil (1959) gefiel ihr gut, Dennis Hopper mit Cowboyhut in Der amerikanische Freund (1977) dagegen hatte «nichts mit der Figur zu tun, die ich mir ausgedacht hatte». Von Dites-lui que je l’aime (1977) nach «This Sweet Sickness» war sie «nicht begeistert», dagegen mochte sie Franz Peter Wirths TV-Zweiteiler Tiefe Wasser, und Le meurtrier (1962) nach «The Blunderer» fand sie «jolly good», Ediths Tagebuch (1983) wiederum «furchtbar», was sie erstaunte, da sie Die gläserne Zelle (1977), ebenfalls von Hans W. Geissendörfer, als «anständig» und «einfühlsam» empfunden hatte. Es ist ein Jammer, dass sie die beste Ripley-Verfilmung, Anthony ­Minghellas The Talented Mr. Ripley (1999), so wenig gesehen hat wie Todd Haynes’ wunderbare Carol (2015) nach dem Roman «The Price of Salt», der 1984 endlich unter dem wahren Namen der Autorin erschienen war. Am 4. Februar 1995 starb die Wahleuropäerin Patricia Highsmith in Locarno. Minghella oder Haynes hätte sie aber auch zu Lebzeiten nicht kennenlernen wollen. «Ich will den Regisseuren, die meine Bücher verfilmen, nicht zu nahekommen», erklärte sie 1988: «Ich will ihnen nicht ins Handwerk pfuschen. Und ich will nicht, dass sie mir ins Handwerk pfuschen.» Thomas Bodmer

Thomas Bodmer war von 1978 bis 1983 Lektor von Patrica Highsmith und arbeitet heute als Übersetzer und Journalist.


> Eaux profondes.

> Ediths Tagebuch.

> Der amerikanische Freund.

> Die gläserne Zelle.

> Annabel.

> Dites-lui que je l’aime.


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Highsmith im Film

STRANGERS ON A TRAIN USA 1951 Während einer Zugfahrt wird der Tennisstar Guy Haines von einem Fremden namens Bruno angesprochen, der ihm ein merkwürdiges Geschäft vorschlägt: Er würde die scheidungsunwillige Frau des Sportlers umbringen, der Champion soll dafür Brunos verhassten Vater töten. «In gewissem Sinn spielt auch hier Hitchcocks Lieblingsthema, der Identitätsverlust, eine Rolle. Guy Haines sieht sich plötzlich einem Mann gegenüber, der unbeirrbar behauptet, er habe mit ihm einen furchtbaren Vertrag abgeschlossen, und der jetzt auf Vertragserfüllung drängt. Die Regie zieht daraus eine intensive Spannung.» (Reclams Filmführer, 1985)

weichung trennt. Drei Figuren hat Ms. Highsmith dabei in den Scanner geschoben: den ehrenwerten Buchhändler Kimmel, in dem ein brutaler Mörder steckt (...), den respektablen Architekten Saccard, der – anders als die meisten Menschen – seine Mordgier nicht mehr unterdrücken kann (...), und den Inspektor, ein rechtschaffener Polizeimann, der seinen Beruf dazu missbraucht, seine sadistischen Instinkte abzureagieren. Keiner kommt aus dieser Konfrontation heil heraus.» (Guy Bellinger, in: Jean Tulard, Guide des films) 110 Min / sw / 35 mm / F // REGIE Claude Autant-Lara // DREHBUCH Jean Aurenche, Pierre Bost, nach dem Roman «The Blunderer» von Patricia Highsmith // KAMERA Jacques Natteau // MUSIK René Cloërec // SCHNITT Madeleine Gug // MIT Gert Fröbe (Kimmel), Maurice Ronet (Walter Saccard), Robert Hossein (Inspektor Corbi), Yvonne Furneaux (Clara), Marina Vlady (Ellie), Paulette Dubost (Mme Kimmel).

101 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Raymond Chandler, Czenzi Ormonde, Whitfield Cook, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA

DER AMERIKANISCHE FREUND

Robert Burks // MUSIK Dimitri Tiomkin // SCHNITT William

BRD/Frankreich 1977

Ziegler // MIT Farley Granger (Guy Haines), Robert Walker (Bruno Anthony), Ruth Roman (Anne Morton), Leo G. Carroll (Senator Morton), Patricia Hitchcock (Barbara Morton), Laura Elliott (Miriam), Marion Lorne (Mrs. Anthony).

PLEIN SOLEIL Frankreich/Italien 1959 «Alain Delon verströmt eisigen Charme als Ripley, den ein amerikanischer Industrieller als Mittelsmann zu seinem Sohn geschickt hat, um diesen vor der Dekadenz des Jachtlebens zu bewahren. Delon allerdings hat seine eigenen (Mord-)Pläne – den Kerl umlegen, die Beute einsacken und sein Mädchen schnappen. (...) Auch abgesehen von Delons entschlossener Kälte gibt es viel zu geniessen: Erzählkunst nach alter Schule, wunderbare Kameraarbeit und eine verblüffend altmodische Musik von Nino Rota.» (Trevor Johnston, Time Out Film Guide)

Tom Ripley verwickelt den unschuldigen Rahmenmacher Jonathan in seine kriminellen Tätigkeiten und macht ihn zum Mörder. «Das Kino der Dreissigjährigen, lakonischer Pessimismus, ziellose Fluchtbewegungen durch kaputte Gegenden, quälende Identitätskrisen, die Angst vor Frauen, der Mythos der Männerfreundschaft, hier vollendet von Dennis Hopper (Ripley) und Bruno Ganz (Jonathan), die sich mit unsicherer Zärtlichkeit begegnen, die aus der Kollision zweier Darstellungsstile – Hopper ganz lässig, spontan, Ganz sehr diszipliniert, zurückhaltend – eine Dimension weiterer Verstörung gewinnen: ‹A little older, a little more confused›.» (Hans C. Blumenberg, Die Zeit, 1.7.1977) 126 Min / Farbe / DCP / D+E/d / // REGIE Wim Wenders // DREHBUCH Wim Wenders, nach dem Roman «Ripley’s Game» von Patricia Highsmith // KAMERA Robby Müller // MUSIK Jürgen Knieper // SCHNITT Peter Przygodda // MIT Bruno Ganz (Jonathan Zimmermann), Dennis Hopper (Tom

117 Min / Farbe / Digital HD / F/d // REGIE René Clément //

Ripley), Lisa Kreuzer (Marianne Zimmermann), Gérard Blain

DREHBUCH René Clément, Paul Gégauff, nach dem Roman

(Raoul Minot), Nicholas Ray (Derwatt), Lou Castel (Rodolphe).

«The Talented Mr. Ripley» von Patricia Highsmith // KAMERA Henri Decaë // MUSIK Nino Rota // SCHNITT Françoise Javet // MIT Alain Delon (Tom Ripley), Maurice Ronet (Philippe

DIE GLÄSERNE ZELLE

Greenleaf), Marie Laforêt (Marge), Erno Crisa (Inspecteur

BRD 1977

Riccordi), Frank Latimore (O’Brien).

LE MEURTRIER Frankreich/BRD/Italien 1962 «Wie immer lotet Highsmith das unbestimmte Niemandsland aus, das die Normalität von der Ab-

Nach fünf Jahren Haft für ein Verbrechen, das ein anderer begangen hat, versucht der Architekt Braun wieder in sein altes Leben zurückzufinden. «Es geht nicht um die moralische Rechtfertigung von Verbrechen. Aber Geissendörfer zeigt in seinem Film, was einen Menschen dazu bringen kann, einen anderen zu töten, und wie sich ein in-


> Le cri du hibou.

> Ripley's Game.

> Ripley Under Ground.

> The Cry of the Owl.

© Stephan Burchardt

> The Two Faces of January.


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Highsmith im Film nerer Druck allmählich entwickelt, der mit der Anwendung physischer Gewalt endet.» (HansGünther Pflaum, film-dienst, 11.4.1978) 93 Min / Farbe / 35 mm / D // REGIE Hans W. Geissendörfer //

rine Kliajic (Marion), Éric Frey (Denis Miller), Christian ­Benedetti (Carlo Canelli), Bruce Myers (Cameron), Bertrand Bonvoisin (Robert Carpentier).

DREHBUCH Hans W. Geissendörfer, Klaus Bädekerl, nach

EDITHS TAGEBUCH

dem Roman «The Glass Cell» von Patricia Highsmith // KA-

BRD 1983

MERA Robby Müller // MUSIK Niels Janette Walen // SCHNITT Peter Przygodda // MIT Helmut Griem (Phillip Braun), Brigitte Fossey (Lisa Braun), Walter Kohut (Lasky), Dieter Laser (David Reinelt), Bernhard Wicki (Kommissar Österreicher).

DITES-LUI QUE JE L’AIME Frankreich 1977 David liebt von ferne seine ehemalige Freundin Lise. Sie ist verheiratet, aber David kümmert das nicht. Seinerseits will er nicht wahrhaben, dass seine Kollegin Juliette in ihn verknallt ist. Der süsse Wahn der beiden unerhört Liebenden spitzt sich fatal zu. «Highsmith-Verfilmungen gibt es viele, aber wenige sind so gut, so subtil, so filmisch inspiriert umgesetzt wie diese.» (Corinne Schelbert, TagesAnzeiger, 17.10.1980)

Edith und Paul haben ihren Sohn Chris antiautoritär erzogen, aber nun macht er ihnen das Leben schwer. Als Paul sie verlässt, muss sich Edith um Chris und um Pauls Onkel kümmern. Ihre Realität wird unerträglich; in ihrem Tagebuch schafft sie sich eine neue Welt. Doch irgendwann kriegt sie das im Kopf nicht mehr zusammen. «Ediths Tagebuch erzählt zum einen die Geschichte einer feinfühligen Frau, die an der Härte ihres trostlosen Lebens zerbricht, zum anderen spiegelt er beinahe erschreckend realistisch ­Dimensionen der erwachsenen und mittlerweile etablierten 68er-Vertreter, die sich ein Jahrzehnt später mit ihren eigenen rebellischen Kindern sowie mit der Hilfsbedürftigkeit der alternden ­ Elterngeneration auseinandersetzen müssen.» ­ (Marie Anderson, kino-zeit.de) 102 Min / Farbe / 35 mm / D // REGIE Hans W. Geissendörfer

101 Min / Farbe / 35 mm / F // REGIE Claude Miller // DREH-

// DREHBUCH Hans W. Geissendörfer, nach dem Roman

BUCH Claude Miller, Luc Béraud, nach dem Roman «This

«Edith’s Diary» von Patricia Highsmith // KAMERA Michael

Sweet Sickness» von Patricia Highsmith // KAMERA Pierre

Ballhaus // MUSIK Jürgen Knieper // SCHNITT Helga Borsche

Lhomme // MUSIK Alain Jomy // SCHNITT Jean-Bernard

// MIT Angela Winkler (Edith Baumeister), Vadim Glowna

­Bonis // MIT Gérard Depardieu (David Martinaud), Miou-Miou

(Paul Baumeister), Leopold von Verschuer (Chris Bau­

(Juliette), Claude Piéplu (Monsieur Chouin), Jacques Denis

meister), Hans Madin (Onkel Georg), Irm Hermann (Sabina

(Gérard Dutilleux), Dominique Laffin (Lise Dutilleux).

Angerwolf), Wolfgang Condrus (Bernd Angerwolf).

EAUX PROFONDES

LE CRI DU HIBOU

Frankreich 1981

Italien/Frankreich 1987

Der reife, wohlhabende Victor sieht zu, wie seine jüngere Frau Mélanie mit strammen Burschen tanzt und tändelt. Offenbar ist er nicht eifersüchtig, aber er behauptet, dass er den Tod eines ihrer ehemaligen Liebhaber verursacht habe. Als ein weiterer Verehrer Mélanies unter fragwürdigen Umständen ertrinkt, halten auch andere Victor für einen Mörder. Jean-Louis Trintignant als Schachspieler und Schneckenfreund gegen Isabelle Huppert als fleischgewordene Versuchung, deren puppenhaftes Äusseres trügt. Der Schluss ist im Film für einmal weniger konventionell als im Roman – aber durchaus Highsmith-mässig. (mb)

Robert, in Scheidung von seiner aggressiven Frau, zieht aufs Land und findet Trost beim Be­ ­ obachten der jungen Juliette, die für ihn häusliches Glück verkörpert. Als sie Robert ­ ­bemerkt, lädt sie ihn in ihr Haus ein, und bald ist sie in den Sonderling verliebt, zuungunsten ihres Freunds. Dieser gilt bald als vermisst. Hat Robert ihn getötet? «Chabrol widmet sich in seiner eisig-ironischen Verfilmung von Highsmiths Krimi dem ausserstädtischen Existenzialismus. Vom mittleren Westen der USA nach Vichy verlegt, meditiert dieser kopflastig inszenierte, knochentrockene Thriller à la Blue Velvet über das Malaise hinter der Fassade scheinbar gesunden Bürgertums.» (Rita Kempley, Washington Post, 13.6.1992)

94 Min / Farbe / DCP / F // REGIE Michel Deville // DREHBUCH Christopher Franck, Florence Delay, Michel Deville, nach dem Roman «Deep Water» von Patricia Highsmith // K ­ AMERA

102 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Claude Chabrol //

Claude Lecomte // SCHNITT Raymonde Guyot // MIT Isabelle

DREHBUCH Odile Barski, Claude Chabrol, nach dem Roman

Huppert (Mélanie), Jean-Louis Trintignant (Vic Allen), Sand-

«The Cry of the Owl» von Patricia Highsmith // KAMERA Jean


24

Highsmith im Film Rabier // MUSIK Matthieu Chabrol // SCHNITT Monique

Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Alfio Contini //

­Fardoulis // MIT Christophe Malavoy (Robert), Mathilda May

MUSIK Ennio Morricone // SCHNITT Jon Harris // MIT John

(Juliette), Jacques Penot (Patrick), Jean-Pierre Kalfon (Kom-

Malkovich (Tom Ripley), Ray Winstone (Reeves), Dougray

missar), Virginie Thévenet (Véronique), Patrice Kerbrat

Scott (Jonathan Trevanny), Chiara Caselli (Luisa Harari), Lena

(Marcello), Jean-Claude Lekas (Jacques).

Headey (Sarah Trevanny), Hanns Zischler (Kunsthändler).

THE TALENTED MR. RIPLEY

RIPLEY UNDER GROUND

USA 1999

Deutschland/Frankreich/GB/Isle of Man 2005

Ein junger mittelloser Amerikaner wird von einem Millionär beauftragt, dessen müssiggängerischen Sohn aus Italien heimzuholen. Doch die Welt von Reichtum und Schönheit entwickelt eine solche Faszination, dass Ripley seinen Auftrag verrät und bald der Obsession verfällt, für immer am süssen Leben teilzuhaben. «Diese Szenen jugendlicher Selbstvergessenheit könnten kaum besser geschrieben oder gespielt sein. Die fliessende Unbekümmertheit des Lebensstils, das gleichzeitige Gefühl von Entdeckungsfreude und Verschwendung, das Wahrnehmen der eigenen Schönheit und höchste sexuelle Verlockung, die Ahnung, dass der schöne Augenblick nicht verweilen wird – das und viel mehr ist im neckischen Geplänkel präsent, und unter den hervorragenden Darstellerinnen und Darstellern stimmt die Chemie.» (Todd McCarthy, Variety, 13.12.1999)

Tom Ripley hat sich mit dem Maler Derwatt angefreundet. Als Derwatt seiner Freundin Cynthia einen Antrag macht und sie ihn abweist, stürmt der Künstler davon und stirbt bei einem Autounfall. Ripley, Cynthia, der Maler Bernard und der Galerist Jeff beschliessen, Derwatts Tod zu verheimlichen, bis seine Gemälde an Wert gewonnen haben. Doch ein Kunsthändler riecht den Braten. «Ein Film, der sich als kriminelles Vexierspiel nicht allzu zwanghaft ernst nimmt, sondern die Versatzstücke des Genres zu einem lockeren Spass verwebt, sein Tempo zum Ende hin immer wieder zu steigern versteht und mit etlichen bizarren Regieeinfällen aufwarten kann.» (Hans Messias, film-dienst.de) 96 Min / Farbe / Digital SD / E+F // REGIE Roger Spottiswoode // DREHBUCH William Blake Herron, Donald E. Westlake, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Paul ­Sarossy // MUSIK Jeff Danna // SCHNITT Michel Arcand //

139 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Anthony Minghella

MIT Barry Pepper (Tom Ripley), Jacinda Barrett (Héloise Plis-

// DREHBUCH Anthony Minghella, nach dem Roman von

son), Ian Hart (Bernard Sayles), Claire Forlani (Cynthia), Alan

­Patricia Highsmith // KAMERA John Seale // MUSIK Gabriel

Cumming (Jeff Constant), Tom Wilkinson (John Webster),

Yared // SCHNITT Walter Murch // MIT Matt Damon (Tom

Willem Dafoe (Neil Murchinson), Douglas Henshall (Derwatt).

Ripley), Gwyneth Paltrow (Marge Sherwood), Jude Law ­ ­(Dickie Greenleaf), Cate Blanchett (Meredith Logue), Philip Seymour Hoffman (Freddie Miles).

THE CRY OF THE OWL Kanada/D/F/GB/USA 2009

RIPLEY’S GAME GB/Italien/USA 2002 Tom Ripleys Ex-Komplize Reeves spürt ihn in Italien auf und will, dass Ripley für ihn einen unliebsamen Konkurrenten beseitigt. Ripley heuert dafür einen Strohmann an, den krebskranken Rahmenmacher Trevanny. Dieser geht auf das Spiel ein, um seiner Familie Geld zu hinterlassen. «John Malkovichs philosophischer Ripley kommt Highsmiths Figur am nächsten, in der Art, wie er seine Taten objektiviert. (…) Es ist eine von Malkovichs brillantesten und hinterhältigsten Darbietungen: eine Studie des Bösen, die an die feine Grenze zwischen Herzlosigkeit und dem leisesten Schimmer von Gefühl rührt.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 9.4.2006)

«The Cry of the Owl beginnt als ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen einem Stalker und seiner Gestalkten. Dann kommt ein wenig Krimi, bevor der Film in ein intensives Psychogramm umsteuert, bei dem weder der Zuschauer noch die Figuren selbst mehr wissen, wer nun gut und wer böse, wer bei Sinnen und wer wahnsinnig ist. (…) Im Gegensatz zu den meisten Patricia-­­Highsmith-Verfilmungen reduziert Jamie Thraves den Plot nicht auf seine Krimi-Elemente, sondern erzählt den zugrundeliegenden Roman mit all seinen unterschiedlichen Genreanklängen voll aus.» (Christoph Petersen, filmstarts.de) 100 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Jamie Thraves // DREHBUCH Jamie Thraves, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Luc Montpellier // MUSIK Jeff Danna // SCHNITT David Charap // MIT Paddy Considine (Robert

106 Min / Farbe / Digital SD / E+D+I/d // REGIE Liliana Cavani

Forrester), Julia Stiles (Jenny Thierolf), James Gilbert (Greg

// DREHBUCH Charles McKeown, Liliana Cavani, nach dem

Wyncoop), Caroline Dhavernas (Nickie Grace).


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Highsmith im Film

THE TWO FACES OF JANUARY GB/Frankreich/USA 2014 Chester und Colette MacFarland, ein elegantes amerikanisches Paar, lernen 1962 in Griechenland den jungen Fremdenführer Rydal kennen. Rydal, ebenfalls Amerikaner, ist von Chesters Stil und Klasse fasziniert und weiss nicht, dass dieser ein Schwindler auf der Flucht vor dem Gesetz ist. Als Chester versehentlich einen seiner Verfolger umbringt, spannt er den nichts ahnenden Rydal bei der Beseitigung der Leiche ein. Aber Rydal ist nicht einfach ein williger Helfershelfer. Drehbuchautor Hossein Amini inszeniert sein Regiedebüt in klassischem Hollywood-Stil als Katz-und-Maus-Spiel zwischen ungleichen, aber ebenbürtigen Gegnern. Dabei kann er sich auf zwei hervorragende Darsteller verlassen: Viggo Mortensen und Oscar Isaac. Kirsten Dunst spielt die Blondine zwischen den Fronten. (mb) 96 Min / Farbe / Digital HD / E+Gr+Türk/d // REGIE Hossein Amini // DREHBUCH Hossein Amini, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Marcel Zyskind // MUSIK ­Alberto ­Iglesias, Jon Harris // SCHNITT Nicolas Chaudeurge // MIT Oscar Isaac (Rydal), Viggo Mortensen (Chester), Kirsten Dunst (Colette), Daisy Bevan (Lauren), David ­ ­Warshofsky (Paul Vittorio), Omiros Poulakis (Nikos).

CAROL GB/USA 2015 New York in den 50er-Jahren: Die junge Fotografin Therese arbeitet in der Spielzeugabteilung eines Kaufhauses, wo sie die elegante Carol kennenlernt. Therese zweifelt an der Beziehung zu ihrem Freund, Carol steht wegen ihres «unmoralischen» Lebensstils kurz vor der Scheidung: Sie hatte eine Affäre mit einer Frau, und ihr Mann beansprucht das alleinige Sorgerecht für die kleine Tochter. «Was dieser Literaturverfilmung nach Patricia Highsmith ihre Anmut verleiht, ist ihre erlesene

Form: ihr dichtes Spiel aus Licht und Schatten, das musikalische Sentiment, eine Ästhetik des Taktilen – einer Körperlichkeit, die auf Gesten, Blicken und Andeutungen gründet und bis zuletzt eine zauberhafte Spannung aufrechterhält.» (Björn Hayer, NZZ, 9.12.2015) 118 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Todd Haynes // DREHBUCH Phyllis Nagy, nach dem Roman «The Price of Salt» von Patricia Highsmith // KAMERA Edward Lachman // MUSIK Carter Burwell // SCHNITT Affonso Gonçalves // MIT Cate Blanchett (Carol Aird), Rooney Mara (Therese Belivet), Kyle Chandler (Harge Aird), Sarah Paulson (Abby Gerhard), Jake Lacy (Richard Semco), John Magaro (Dannie McElroy).

A KIND OF MURDER USA 2016 Die Ehe des erfolgreichen Architekten Walter Stackhouse mit der depressiven Clara steht vor dem Aus. Er beginnt eine Affäre mit der Nachtclubsängerin Ellie und überlegt, wie er seine Frau loswerden könnte. Als Hobby-Krimiautor interessiert sich Walter für den Fall der jüngst ermordeten Helen Kimmel und spürt deren Mann Marty nach, den er für den Täter hält. Als dann Clara tot aufgefunden wird, gerät Walter unter Verdacht. Das Finale erweitert den typischen Fatalismus des Film noir, indem es impliziert, dass das Verderben nicht nur jene heimsucht, die ihr Schicksal ändern wollen, sondern selbst diejenigen, die achtlos genug sind, dies auch nur zu erwägen.» (Nick Schager, Variety, 22.4.2016) 95 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Andy Goddard // DREHBUCH Susan Boyd, nach dem Roman «The Blunderer» von Patricia Highsmith // KAMERA Chris Seager // MUSIK Danny Bensi, Saunder Jurriaans // SCHNITT Jane Rizzo, Elísabet Ronaldsdóttir // MIT Patrick Wilson (Walter Stackhouse), Jessica Biel (Clara Stackhouse), Haley Bennett (Ellie Briess), Eddie Marsan (Marty Kimmel), Vincent Kartheiser (Det. Laurence Corby), Jon Osbeck (Jon Carr).

REFERAT «HIGHSMITH IM FILM»

MI, 21. JULI | 18.00 UHR

Das Kino lebt von der Dramatisierung; das Innenleben komplexer Figuren darzustellen, fällt ihm schwer. Das gilt auch für die Adaption der Thriller und Psychodramen von Patricia Highsmith. Über die Autorin und die Verfilmung ihrer Werke referiert Thomas Bodmer, Filmjournalist und Highsmiths ehemaliger Lektor. (ca. 30‘) Danach zeigen wir Annabel (USA 1962, Regie: Paul Henreid; E, 48‘), eine TV-Adaption von Highsmiths Roman «This Sweet Sickness» aus der Reihe The Alfred Hitchcock Hour. (mb)


> Le mépris.

> Masculin féminin.

> Bande à part.

> Week End.

> Sauve qui peut (la vie).


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JLG 90 neuf zéro Am 3. Dezember 2020 wurde Jean-Luc Godard 90 Jahre alt. Mitten­drin wurde unsere Geburtstagsfeier durch den Shutdown unterbrochen. Aber jetzt feiern wir weiter. Wie schrieb Jacqueline Maurer so schön in ihrem Text zur Geburtstags-Filmreihe in unserem Programmheft vom November-Dezember 2020? «Godard ist in seinem Schaffen unersättlich. Genauso macht sein Kino nicht satt. Im Gegenteil: Umso genussvoller wird es, je mehr wir davon zu sehen bekommen. Es ist jedes Mal ein Fest, das wir ja nicht verpassen sollten!» So ist es. Wir lassen uns die Geburtstagsfeier nicht nehmen und machen dort weiter, wo wir unterbrechen mussten. Freuen Sie sich mit uns auf das Wiedersehen mit Klassikern wie Bande à part und die Entdeckung von Raritäten wie dem Remix-Remake aus Godards Opus magnum, den Moments choisis des histoire(s) du cinéma, und seinem fröhlichen King Lear. Wir hoffen, Sie feiern mit uns weiter. Für die Nimmersatten stellen wir eine Liste zusammen mit allen Filmen Godards, die irgendwie erhältlich sind, Fundort inklusive, und zwar auf ­unserem Blog «Filmpodium Plus», zu finden via den Reiter «Bonusmaterial» auf der Filmpodium-Website. Und sicherlich haben wir noch einiges über­ sehen. Teilen Sie Ihre Fundstücke mit uns in den Kommentaren und wir ergänzen die Liste laufend. Gemeinsam sehen wir mehr, deshalb gehen wir auch ins Kino. (pm)

> JLG im Jahr 2019.

© Fabrice Aragno


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JLG 90 neuf zéro 103 Min / Farbe / DCP / F/d // REGIE Jean-Luc Godard //

LE PETIT SOLDAT Frankreich 1960 Vor dem Hintergrund des Algerienkriegs setzt sich Bruno Forestier nach Genf ab, um dem Militärdienst zu entgehen. Dort lernt er das dänische Fotomodell Veronica Dreyer kennen. Er wird vom französischen Geheimdienst gestellt und gedrängt, einen Mittelsmann der algerischen Befreiungsfront, der sich ebenfalls im Genf der neutralen Schweiz versteckt, zu töten. Godard drehte seinen zweiten Langspielfilm und den ersten mit Anna Karina direkt nach dem Abschluss der Arbeiten an À bout de souffle, da er fürchtete, ein Misserfolg seines Erstlings würde seine Filmkarriere beenden. (pm) 88 Min / sw / 35 mm / F/d // DREHBUCH, REGIE Jean-Luc ­Godard // KAMERA Raoul Coutard // MUSIK Maurice Leroux // SCHNITT Lila Herman, Agnès Guillemot, Nadine Trintignant // MIT Michel Subor (Bruno Forestier), Anna Karina (Veronika Dreyer), Henri-Jacques Huet (Jacques), Paul Beauvais (Paul), László Szabó (Laszlo), Jean-Luc Godard (Mann am Bahnhof).

UNE FEMME EST UNE FEMME Frankreich/Italien 1961

DREHBUCH Jean-Luc Godard, nach dem Roman von Alberto Moravia // KAMERA Raoul Coutard // MUSIK Georges Delerue // SCHNITT Agnès Guillemot, Lila Lakshmanan // MIT Brigitte Bardot (Camille Javal), Michel Piccoli (Paul Javal, der Schriftsteller), Jack Palance (Jeremy Prokosch, der Produzent),

­Giorgia Moll (Francesca Vanini), Fritz Lang (Regisseur), JeanLuc Godard (Langs Regieassistent/Erzähler).

BANDE À PART Frankreich 1964 «Die ‹bande à part› sind drei: zwei pos(s)enhafte Typen und ein Schulmädchen ‹à l'air démodé› auf der Jagd nach dem Glück, das ein Zungenkuss sein kann, ein Ballett zur Musik der Zeit, ein LouvreBesuch (in 9 Minuten 43 Sekunden) oder ein Kleiderschrank voller Franc-Scheine. (...) Der knallige Schluss reduziert die Ménage-à-trois gewaltsam auf eine vielversprechende Zweierkiste. Den Godard von Bande à part sollte man nicht allzu ernst nehmen: Der will doch nur (an)spielen – und ein bisschen angeben, so wie die coolen Jungs mit ihrer Knarre.» (Sebastian Schubert, KinoTageBuch) 95 Min / sw / 35 mm / F/d // REGIE Jean-Luc Godard // DREHBUCH Jean-Luc Godard, nach einem Roman von Dolores und Bert Hitchens // KAMERA Raoul Coutard // MUSIK Michel Legrand // SCHNITT Agnès Guillemot // MIT Anna ­Karina

Eine Stripteasetänzerin will von ihrem Geliebten ein Kind. Weil dieser sich weigert, bittet sie einen gemeinsamen Freund, ihren Wunsch zu erfüllen. «Komödie oder Tragödie? (...) Godard verbindet alle Elemente geschickt mit visuellen und verbalen Gags, mit Alltagssorgen, Widersprüchen und beiläufigen Bemerkungen. (...) Das Ergebnis ist keck, herausfordernd und knallbunt.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide) 85 Min / Farbe / 35 mm / F/d // DREHBUCH UND REGIE JeanLuc Godard // KAMERA Raoul Coutard // MUSIK Michel ­Legrand, Charles Aznavour // SCHNITT Agnès Guillemot, Lila Herman // MIT Anna Karina (Angéla Récamier), Jean-Paul Belmondo (Alfred Lubitsch), Jean-Claude Brialy (Émile ­Récamier), Nicole Paquin (Suzanne), Marie Dubois (Angélas Freundin), Jeanne Moreau (Frau in der Bar).

(Odile), Sami Frey (Frantz), Claude Brasseur (Arthur Rimbaud), Louisa Colpeyn (Mme Victoria), Chantal Darget (Mätresse), Ernest Menzer (Arthurs Onkel).

MASCULIN FÉMININ Frankreich/Schweden 1966 «Der Film erforscht im Interviewstil die Probleme der Generation der Zwanzigjährigen, der inzwischen sprichwörtlichen Kinder von Marx und Coca-Cola. Mit ihm beginnt Godards Interesse für den dialektischen Materialismus und die Politik, allerdings in einem ganz eigenwilligen Sinn: Er will nicht politische Filme, sondern politisch Filme machen.» (Filmpodium, 2000) 110 Min / sw / 35 mm / F/d // REGIE Jean-Luc Godard // DREHBUCH Jean-Luc Godard, nach zwei Novellen von Guy de

LE MÉPRIS Frankreich/Italien 1963

Maupassant // KAMERA Willy Kurant // MUSIK Francis Lai // SCHNITT Agnès Guillemot // MIT Jean-Pierre Léaud (Paul), Chantal Goya (Madeleine), Marlène Jobert (Elisabeth), Michel Debord (Robert), Catherine-Isabelle Duport (Catherine-

«Die junge Camille empfindet für ihren Ehemann Paul zunehmend Verachtung, als dieser sich, von Geldsorgen getrieben, einem amerikanischen Produzenten als Script-Doctor andient und Fritz Langs «Odyssee»-Film erfolgsträchtig umschreiben soll.» (Filmpodium, Jul./Aug. 2013)

Isabelle), Eva Britt Strandberg (Sie), Birger Malmsten (Er).


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JLG 90 neuf zéro

WEEK END

NUMÉRO DEUX

Frankreich/Italien 1967

Frankreich 1975

«Der Wochenendausflug eines jungen Paares aus Paris wird unvermittelt zu einer allegorischen Reise durch Zeiten und Kultur, auf der die zerstörerischen Kräfte ans Licht treten, die unter der Oberfläche der bürgerlichen Wohlstandsgesellschaft schlummern. Godard zeigt eine Welt am Rande des Abgrunds und beendet den Film folgerichtig mit dem Schlusstitel: «Ende der Geschichte, Ende des Kinos». Man kann über die Richtigkeit der Diagnose streiten, nicht aber über Godards Virtuosität als Regisseur. Die fast zehnminütige Kamerafahrt entlang einer Autokolonne auf einer Landstrasse, untermalt von einer ohrenbetäubenden Geräuschkulisse, gehört zu den unvergesslichen Sequenzen der Filmgeschichte.» (Filmpodium, Dez. 2000)

«Was war zuerst, die Fabrik oder die Landschaft darum herum? Solche Fragen stellen sich die Kinder einer Familie aus dem Arbeitermilieu. Ihr Vater ist in der Fabrik beschäftigt und empfindet diese wie ein Gefängnis; seine Frau fühlt sich im Haushalt eingesperrt. Die Grosseltern halten Rückschau auf eine politisch aktive Vergangenheit. (...) Die Entfremdung, die Godard in diesem Haushalt beobachtet, ist für ihn repräsentativ für die Auswirkungen des kapitalistischen Systems. Ohne in platte Propaganda zu verfallen, porträtieren Godard und AnneMarie Miéville die Frau als ‹Landschaft›, die man zur ‹Fabrik› gemacht hat.» (srf.ch) 88 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Jean-Luc Godard // DREHBUCH Jean-Luc Godard, Anne-Marie Miéville // ­KAMERA William Lubtchansky // MUSIK Léo Férre // MIT

104 Min / Farbe / DCP / F/d // DREHBUCH UND REGIE Jean-

Sandrine Battistella (Frau), Pierre Oudry (Mann), Alexandre

Luc Godard // KAMERA Raoul Coutard // MUSIK Antoine

Rignault (Grossvater), Rachel Stefanopoli (Grossmutter),

Duhamel, Wolfgang Amadeus Mozart // SCHNITT Agnès

Jean-Luc Godard (er selbst).

Guillemot // MIT Mireille Darc (Corinne), Jean Yanne (Roland), Jean-Pierre Kalfon (Chef der Befreiungsfront), Jean-Pierre Léaud (Saint Just, der kleine Sänger), Valérie Lagrange (Frau

ICI ET AILLEURS Frankreich 1976

des Chefs), Yves Alfonso (der Däumling), Daniel Pommereule (Joseph Balsamo).

TOUT VA BIEN Frankreich/Italien 1972 Während eines Streiks in einer Wurstfabrik wird der Filmemacher Jacques, dessen Ideale gerade erst durch die 68er-Bewegung erschüttert worden sind, zusammen mit seiner Geliebten Susan, einer amerikanischen Journalistin, und dem Fabrikbesitzer zu Gefangenen der Streikenden. «Tout va bien ist die Reinschrift aller Überlegungen und Erkenntnisse, die Godard und Gorin von 1968 bis 1972 gewonnen hatten.» (Arsenal Berlin, Juli 2008) 95 Min / Farbe / Digital HD / F/d // DREHBUCH UND REGIE Jean-Luc Godard, Jean-Pierre Gorin // KAMERA Armand Marco // MUSIK Paul Beuscher // SCHNITT Kenout Peltier, Claudine Merlin // MIT Jane Fonda (Sie, Susan), Yves Montand (Er, Jacques), Vittorio Caprioli (Fabrikbesitzer), Jean Pignol (CGT-Delegierter), Pierre Oudry (Fréderic), Elizabeth Chauvin (Geneviève), Eric Chartier (Lucien), Anne Wiazemsky (Linke), Yves Gabrielli (Léon).

«Montagefilm über die Wirklichkeit ‹anderswo›, die man ‹hier› über mediale Bilder wahrnimmt. ‹Hier›: eine französische Familie, ein Fernseher. ‹Anderswo›: Bilder von der palästinensischen Revolution.» (Filmpodium, Dez. 2000) Entstanden aus den Ruinen eines geplanten Filmes von Godard und Jean-Pierre Gorin mit dem Titel Jusqu’à la victoire, den die beiden Anfang 1970 für die Arabische Liga über die palästinensische Situation zu realisieren versuchten. Die detaillierte Geschichte dieses Projekts lässt sich in Colin MacCabes Godard-Biografie «Portrait of an Artist at 70» nachlesen. Erst Jahre später und in Zusammenarbeit mit Anne-Marie Miéville entstand aus dem in Jordanien gedrehten und neuem Material Ici et ailleurs. Die Kollaboration mit Anne-Marie Miéville war für Godard ein Neuanfang. (pm) ICI ET AILLEURS 60 Min / Farbe / DCP / F/e // DREHBUCH UND REGIE JeanLuc Godard, Anne-Marie Miéville // KAMERA William Lub­ tchansky // MUSIK Jean Schwarz // SCHNITT Anne-Marie Miéville // MIT Jean-Luc Godard (Erzähler).

VORFILM: CAMÉRA-ŒIL 11 Min / Farbe / Digital SD / F/e // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Kieu Tham // MIT Jean-Luc Godard.


> Film socialisme.

> JLG/JLG, autoportrait de décembre.

> Tout va bien.

> Nouvelle Vague.

> Adieu au langage.


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JLG 90 neuf zéro

SAUVE QUI PEUT (LA VIE)

KING LEAR

Frankreich/Schweiz 1980

USA/Bahamas/Frankreich/Schweiz 1987

«Denise will ihr Leben ändern. Sie kündigt den Job, verlässt ihren Freund Paul und zieht aufs Land. Paul würde auch sein Leben ändern, aber er hat nicht Denises Mut. Stattdessen sucht er Trost und Nähe bei der Prostituierten Isabelle. (...) Mit seinen drei lose verknüpften Geschichten kehrt Godard zum ‹grossen› Kino zurück. Er nennt Sauve qui peut (la vie) seinen ‹zweiten ersten Film›.» (zweitausendeins.de)

Die Legende: Ein Vertrag zwischen Godard und dem Cannon-Group-Produzenten Menahem Golan auf einer Stoffserviette, unterzeichnet in Cannes über eine «King Lear»-Adaption . Was folgte, ist noch kurioser. Godard versammelte in Nyon seinen Cast, bestehend aus Peter Sellars, Molly Ringwald, Leos Carax, Julie Delpy u. a., und Norman Mailer sollte das Drehbuch schreiben. Er und seine Tochter waren aber bald wieder weg. Dennoch entstand eine Art «King Lear»-Studie, frech und fröhlich an den Ufern des Genfersees. Selbstverständlich war der Produzent unglücklich und bezichtigte den Künstler des Vertragsbruchs. Grossartig. (pm)

SAUVE QUI PEUT (LA VIE) 87 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Jean-Luc Godard // DREHBUCH Jean-Luc Godard, Anne-Marie Miéville, JeanClaude Carrière // KAMERA William Lubtchansky, Renato Berta, Jean-Bernard Menoud // MUSIK Gabriel Yared //

KING LEAR

SCHNITT Anne-Marie Miéville, Jean-Luc Godard // MIT

90 Min / Farbe / 35 mm / E // REGIE, SCHNITT Jean-Luc

­Isabelle Huppert (Isabelle Rivière), Jacques Dutronc (Paul

­Godard // DREHBUCH Jean-Luc Godard, Norman Mailer,

Godard), Nathalie Baye (Denise Rimbaud).

­Peter Sellars, Tom Luddy, frei nach William Shakespeare // KAMERA Sophie Maintigneux // MIT Peter Sellars (William

VORFILM: SCÉNARIO DE «SAUVE QUI PEUT (LA VIE)»

Shakespeare Jr. V.), Burgess Meredith (Don Learo), Molly

21 Min / Farbe / Digital HD / F/e // REGIE Jean-Luc Godard.

nia), Freddy Buache (Grigori Kozintsev, «Prof. Quentin»),

Ringwald (Cordelia), Leos Carax (Edgar), Julie Delpy (VirgiJean-Luc Godard (Professor Pluggy), Woody Allen (Mr. Alien),

PASSION

Norman Mailer (er selbst), Kate Mailer (sie selbst), Menahem Golan (er selbst, Stimme), Tom Luddy (er selbst, Stimme).

Frankreich/Schweiz 1982 VORFILM: MEETIN’ WA «In einem Filmstudio stellt ein polnischer Regisseur in Tableaux vivants eine Reihe von berühmten Gemälden von Goya, Ingres, Delacroix, Rembrandt und El Greco nach (von Coutard atemberaubend ins Bild gesetzt), aber die Geldgeber beschweren sich wegen der fehlenden Geschichte. Draussen und im Hotel gibt es zwar viele Geschichten, aber keine darf im Mittelpunkt stehen (...). Godard verlangt, dass man überall gleichzeitig hinschaut, und bietet Klänge und Bilder, die die Sinne verblüffen und den Geist kitzeln. Es ist ein Film, den man mehrmals sehen muss – und will.» (Time Out Film Guide) PASSION 87 Min / Farbe / 35 mm / F/d/i // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Raoul Coutard // MIT Isabelle Huppert (Isabelle), Jerzy Radziwiłowicz (Jerzy), Hanna Schygulla (Hanna), Michel Piccoli (Michel), László Szabó (László), Jean-François Stévenin (Jean-François), Myriem Roussel

26 Min / Farbe / Digital SD / E // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Pierre Binggeli // MIT Woody Allen, Jean-Luc Godard.

SOIGNE TA DROITE Frankreich/Schweiz 1987 Das französische Popduo Les Rita Mitsouko arbeitet im Studio an seinem neuen Album. Der «Idiot» versucht sein jüngstes Filmprojekt zu verkaufen. «Die letzten Bilder zeigen den Vorführraum eines Kinos. Das Licht besiegt die Finsternis. ‹Von hinten.› Tückischer Film.» (Thierry Chervel, Viennale 1997) SOIGNE TA DROITE 81 Min / Farbe / 35 mm / F/e // DREHBUCH UND REGIE JeanLuc Godard // KAMERA Caroline Champetier // SCHNITT

(Taubstumme).

Christine Benoît, Jean-Luc Godard // MIT Jane Birkin (die Zi-

VORFILM: UNE BONNE À TOUT FAIRE

Lafont (die Golfspielerin), Éva Darlan (die Passagierin), Cathe-

8 Min / Farbe / DCP / E+Russ+F // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // MIT Andrej Kontschalowski, Vittorio Storaro.

kade), Dominique Lavanant (die Frau des Admirals), Pauline rine Ringer und Fred Chichin (Les Rita Mitsouko).

VORFILM: PLUS OH! 4 Min / Farbe / Digital SD / F // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // MIT France Gall.


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JLG 90 neuf zéro

NOUVELLE VAGUE Frankreich/Schweiz 1990

JLG/JLG, AUTOPORTRAIT DE DÉCEMBRE Frankreich 1995

Eine Grossindustrielle macht einen Fremden zum Partner, der ihre Liebe aber nicht erwidert, lässt ihn bei einem Bootsausflug ertrinken und erlebt das Ganze noch einmal mit vertauschten Rollen und dem Zwillingsbruder des Ertrunkenen. «Der Konsens ist – nach Jahren – wiederhergestellt: Nouvelle Vague – neue Welle oder vage Neuigkeit – ist ein Hauptwerk des Films der neunziger Jahre und einer der schönsten Filme im Werk Godards.» (Martin Schaub, Cinema #36)

«Im Dezember 1994 entstand an Godards Wohnort Rolle dieses Selbstporträt, das vor allem ein Versuch der eigenen künstlerischen Standortbestimmung ist. Oszillierend zwischen Selbstreflexion, philosophischem Exkurs und der Selbstbespiegelung eines künstlerischen Egozentrikers gibt Godard ein Bild seiner Existenz.» (prisma.de) JLG/JLG, AUTOPORTRAIT DE DÉCEMBRE 55 Min / Farbe / 35 mm / F/d // DREHBUCH, REGIE Jean-Luc Godard // KAMERA Yves Pouliquen, Christian Jacquenod //

89 Min / Farbe / 35 mm / F/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT

SCHNITT Jean-Luc Godard, Catherine Cormon // MIT Jean-

Jean-Luc Godard // KAMERA William Lubtchansky // MIT

Luc Godard, Bernard Eisenschitz (Jacques Murat), André S.

Alain Delon (Er: Roger Lennox/Richard Lennox), Domiziana

Labarthe (Erzähler).

Giordano (Sie: Elena Torlato-Favrini), Roland Amstutz (Jules, der Gärtner), Laurence Côte (Gouvernante).

WIRD GEZEIGT MIT: LIBERTÉ ET PATRIE 22 Min / Farbe / DCP / F/d // DREHBUCH UND REGIE Jean-Luc

ALLEMAGNE 90 NEUF ZÉRO

Godard, Anne-Marie Miéville // SCHNITT Jean-Luc Godard // MIT Jean-Pierre Gos (Stimme), Geneviève Pasquier (Stimme).

Frankreich 1991 «Lemmy Caution, der Geheimagent aus Godards dystopischem Klassiker Alphaville, schlendert kurz nach dem Fall der Mauer durch Berlin und erinnert sich an Ereignisse der deutschen und europäischen Geschichte, die zu ihrem Bau führten. (...) Ein visuelles Essay, basierend auf Found Footage und einem losen Narrativ. Godards persönliche Interpretation vom Ende des Kalten Krieges vermittelt eher das emotionale Durcheinander des Augenblicks als eine politische Botschaft.» (Filmfestival goEast, 2020) ALLEMAGNE 90 NEUF ZÉRO 62 Min / Farbe / 35 mm / F+D // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Christophe Pollock, Andreas Erben, Stepan Benda // MIT Eddie Constantine (Lemmy ­Caution), Hanns Zischler (Graf Zelten), Claudia Michelsen (Charlotte Kestner/Dora), André S. Labarthe (Erzähler).

VORFILME: LETTRE À FREDDY BUACHE. À PROPOS D’UN COURT-MÉTRAGE SUR LA VILLE DE LAUSANNE 11 Min / Farbe / Digital SD / F // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Pierre Binggeli, Jean-Bernard Menoud.

REMERCIEMENTS DE JEAN-LUC GODARD À SON PRIX D’HONNEUR DU CINÉMA SUISSE 5 Min / Farbe / DCP / F // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Fabrice Aragno // MIT Jean-Luc Godard.

ÉLOGE DE L’AMOUR Frankreich/Schweiz 2001

«Im ersten Teil, in Schwarzweiss gedreht, erzählt Godard anhand dreier Paare unterschiedlichen Lebensalters von Schlüsselerlebnissen der Liebe. (...) Der zweite Teil, amateurhaft mit grellen Farben auf Video gedreht, stellt die Geschichte der Résistance den individuellen Geschichten entgegen. So verdichtet sich der Film zur Reflexion über Liebe, Alter, Tod, Kino und Kunst. (...) Ein hoch spannender Film.» (Lexikon des int. Films) ÉLOGE DE L’AMOUR 97 Min / Farbe + sw / 35 mm / F/d // DREHBUCH, REGIE JeanLuc Godard // KAMERA Julien Hirsch, Christoph Pollock // SCHNITT Raphaele Urtin // MIT Bruno Putzulu (Edgar), Cécile Camp (Sie), Jean Davy (der Grossvater), Françoise Verny (die

UNE CATASTROPHE

Grossmutter), Claude Baignères (Monsieur Rosenthal),

1 Min / Farbe + sw / Digital SD / OV // DREHBUCH, REGIE,

Rémo Forlani (Bürgermeister Forlani).

SCHNITT Jean-Luc Godard.

WIRD GEZEIGT MIT: JLG IN ZH

PARISIENNE PEOPLE

50 Min / Farbe / Digital SD / F+D/d // REGIE, SCHNITT Fred

1 Min / Farbe / Digital SD / F // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT

van der Kooij // KAMERA Elisabeth Zingg, Melanie Koller,

Jean-Luc Godard, Anne-Marie Miéville.

Ali Al-Fatlawi // MIT Jean-Luc Godard, Fred van der Kooij.


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JLG 90 neuf zéro

MOMENTS CHOISIS DES HISTOIRE(S) DU CINÉMA Frankreich 2004

«Nach den Histoire(s) du cinéma montiert JeanLuc Godard daraus einen 35-mm-Film in Standardlänge, um die Histoire(s) zusammenzufassen, in die richtige Perspektive zu rücken und abzuschliessen. Doch der Film ist mehr als bloss eine neue Montage von bereits existierenden Bildern, es ist ein Film ‹voller Leben›, wie der Regisseur selbst sagt.» (Ronald Rovve, Viennale 2007) Ein selten gezeigtes Werk, das bisher ausschliesslich als 35-mm-Filmkopie erhältlich ist.

kindlicher Lust erforscht Godard die Grenzen seines neuen Spielzeugs: Er freut sich über das Bildrauschen billiger Interdiscount-Kameras (...) und strapaziert unsere Augen weit über die Komfortzone hinaus.» (Xenix, März 2015) ADIEU AU LANGAGE (3D) 70 Min / Farbe / DCP 3D / F/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Fabrice Aragno // MIT Héloïse Godet (Josette), Kamel Abdelli (Gédéon), Richard Chevallier (Marcus), Zoé Bruneau (Ivitch), Christian Gregori (Davidson), Jessica Erickson (Mary Shelley), Roxy Miéville (der Hund), Jean-Luc Godard (Erzähler).

VORFILME: TRAVAUX PRÉPARATOIRES 15 Min / Farbe / DCP 3D / F // DREHBUCH, REGIE Jean-Luc Godard, Fabrice Aragno // KAMERA Fabrice Aragno //

84 Min / Farbe + sw / 35 mm / F/e // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard.

FILM SOCIALISME

SCHNITT Jean-Luc Godard.

3 × 3D: LES TROIS DÉSASTRES 17 Min / Farbe + sw / DCP 3D / F // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Fabrice Aragno.

Schweiz/Frankreich 2010 «Film socialisme besteht aus drei relativ autonomen, untergründig aber miteinander kommunizierenden Teilen und mehreren Dutzend Splittern, deren Rekonstruktion kein Ganzes ergibt. Muss man genau aufpassen? (...) Man kann das alles (...) unerträglich manieriert und berechenbar und auch in seiner Beharrlichkeit stur finden, aber kann sich auch sehr gut treiben lassen vom Fluss des Film socialisme. Letztlich muss man sich darauf verständigen, was Film ist und/oder hätte sein können. Und was man damit anfangen will. Godard, so viel steht fest, könnte ewig so weitermachen.» (Ulrich Kriest, filmgazette.de, ­ 10.7.2017) 102 Min / Farbe / 35 mm / OV/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Fabrice Aragno, Paul Grivas // MIT Jean-Marc Stehlé (Otto Goldberg), Agatha Couture (Alissa).

ADIEU AU LANGAGE (3D) Schweiz/Frankreich 2014

BILDBUCH (Le livre d’image) Schweiz/Frankreich 2018 «Fünfzig Jahre nach der Rebellion der Kinobilderstürmer in Cannes gibt sich der ewige Revolutionär so kompromisslos wie (fast) eh und je. (...) Eine Filmszene nach der anderen montiert er aneinander, Zugfahrten, Landschaften, menschliche Interaktionen: Godards Bilderfundus scheint ­unerschöpflich. (...) Im Wesentlichen hält er sich an seine ganz persönliche Histoire(s) du cinéma, hin und wieder ergänzt durch einen Youtube-Clip von Al Jazeera oder die Mobiltelefon-Aufnahme von Anne-Marie Miévilles Hund. (...) Wer sein Werk und seine Biografie kennt, wird sich selten langweilen in diesem Bildbuch.» (Michael Sennhauser, sennhausersfilmblog.ch, 12.5.2018) BILDBUCH 84 Min / Farbe + sw / DCP / D+OV/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard // KAMERA Fabrice Aragno, JeanLuc Godard, Jean-Paul Battaggia.

«Eine Dreiecksgeschichte in 3D am Genfersee: Eine Frau geht fremd, ihr Mann dreht durch, ein Hund schwänzelt dem Ufer entlang, und weil’s so schön ist, erzählt uns Godard das Ganze gleich noch einmal. Auf der Tonspur wirft der Altmeister mit Zitaten grosser Autoren um sich und klemmt die Musik immer dann ab, wenn’s am schönsten ist. So weit also alles beim Alten. Und doch (…): Das intellektuelle Pathos des ewig Unverstandenen wirkt – wie im Titel angedeutet – weniger grimmig als auch schon und wird aufgelockert durch frivoles visuelles Experimentieren. Mit

VORFILM: SANG TITRE 10 Min / Farbe / DCP / F/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jean-Luc Godard.

Detailliertere Inhaltsangaben finden Sie in den Programmheften Nov./Dez. 2020 und Jan./Feb. 2021 sowie auf www.filmpodium.ch.


© De Filmoteca Española

© De Filmoteca Española


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Luis García Berlanga International nur wenig bekannt, ist Luis García Berlanga (1921–2010) doch einer der bedeutendsten Filmregisseure Spaniens. Sein filmisches Werk, das sich immer wieder an der Zensur des Franco-Regimes rieb, gliedert sich in zwei Phasen: eine erste mit liebevoll kritischen, an den Neorealismus erinnernden Schilderungen des Kleinstadtlebens und eine zweite, bei der Berlanga den Fokus vermehrt auf die Macht der Erotik und die Genderrollen richtet. Luis García Berlangas Filmografie gehört in Spanien zur Allgemeinbildung, und das Wissen über die Eigenheiten seines Schaffens ist so weitverbreitet, dass die renommierte «Real Academia de las Letras Españolas» 2020 einstimmig das Adjektiv «berlanguiano» in ihr Wörterbuch aufgenommen hat. Juan Luis Cebrián, Mitgründer der Zeitung «El País», hat kürzlich «grotesk, aber real» als Definition dieses Adjektivs vorgeschlagen. Für die Tatsache, dass Berlanga ausserhalb Spaniens keinen vergleichbaren Ruhm erlangt hat, gibt es mehrere Erklärungen: Da sind etwa der scheinbar volkstümliche Charakter seiner Filme und seine bewusste Orientierung an den konkreten Problemen der spanischen Gesellschaft. Nicht umsonst gilt Berlanga als herausragender Chronist seines Landes. Auch seine hartnäckige Distanzierung von allen politischen Bewegungen seiner Zeit – er selbst sah sich als eine Art liberalen Anarchisten – hat womöglich dazu beigetragen, dass Berlanga international nicht avanciert ist. Immerhin haben mehrere seiner Filme renommierte internationale Auszeichnungen und Nominierungen erhalten, und 1987 erhielt er als erster Filmemacher einen EhrenGoya für sein Lebenswerk. Jugend und Karriere unter Franco Berlanga, 1921 als Kind einer angesehenen bürgerlichen Familie in Valencia geboren, erlebte als Zeitzeuge den Spanischen Bürgerkrieg, den Zweiten Weltkrieg und die langen Jahre der Franco-Diktatur. Sein Grossvater und sein ­Vater waren Politiker, die vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs in unterschiedlichen Funktionen Mitglieder liberaler und auch konservativer Regierungen waren. Nach dem Bürgerkrieg wurde Berlangas Vater als Republikaner wegen seiner politischen Tätigkeit inhaftiert. Um seinen Vater von der

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Auftrumpfen für die Amerikaner: Bienvenido Mister Marshall Untertauchen bei den Spaniern: Calabuch


36 Todesstrafe zu retten, so Berlanga, habe er sich von der «División Azul» anwerben lassen, einer freiwilligen Infanterie-Division, die an der Seite der deutschen Wehrmacht in Russland kämpfte. Seit seiner Jugend interessierte sich Berlanga für Literatur, Kino und Lyrik­und verfasste nach dem Krieg regelmässig Filmkritiken für unterschiedliche Zeitschriften. In Madrid bewarb er sich erfolgreich für den ersten Studienjahrgang am frisch gegründeten «Instituto de Investigaciones y Experiencias Cinematográficas», der ersten staatlichen Filmhochschule Spaniens. Dort traf er unter anderem auf Juan Antonio Bardem, den Onkel des Schauspielers Javier Bardem; dieser studierte ebenfalls am Institut. Berlanga und Bardem drehten 1951 gemeinsam ihren ersten Langfilm, Esa pareja feliz. Ebenfalls mit Bardem schrieb Berlanga 1953 das Drehbuch für Bienvenido Mister Mar­ shall. Der Film wurde mehrfach international ausgezeichnet und verschaffte Berlanga die Möglichkeit, renommierte europäische Filmemacher – insbesondere die italienischen Neorealisten – kennenzulernen. In der Folge realisierte er mehrere seiner Filme in Zusammenarbeit mit italienischen Produzenten und Darstellern. Erst 1959 traf Berlanga die wichtigste Person seiner Karriere, den Mann, der auch sein bester Freund und Wegbegleiter werden sollte: Rafael Azcona. Der äusserst produktive Drehbuchautor arbeitete an mehr als zehn Filmen Berlangas mit, von denen viele nicht nur in Spanien Lob und Ruhm ernteten. Azcona sei es gelungen, so Berlanga, seinem Werk Kontinuität, Stabilität und Festigkeit zu verleihen. Vor und nach der Diktatur Die Filmografie Berlangas lässt sich in zwei Schaffensperioden aufteilen, die eine fällt in die Zeit der Franco-Diktatur mit ihrer unausweichlichen Zensur, die andere in die Zeit nach dem Tod des «Caudillo». Bei allen Filmen Berlangas ist eine sehr zärtliche, wenn auch sehr groteske Darstellung der Gesellschaft als harmonischer Chor zu erkennen, die an den italienischen Neorealismus erinnert. Gleichwohl werden die Figuren in den Filmen ab Ende der siebziger Jahre eigenständiger, individueller und weniger berechenbar. Auch die Themen ändern sich: Im Einklang mit vielen spanischen und europäischen Filmen dieser Zeit wird die Macht der Erotik in Berlangas Spätwerk zum Paradigma. In der vorliegenden Filmreihe werden hauptsächlich Filme der ersten Phase gezeigt, wobei Tamaño natural (1973) den Wendepunkt zur zweiten Phase markiert. Miguel Herrero Miguel Herrero ist Dozent für Hispanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und ein Kenner des spanischen Kinos der Franco-Zeit.


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Luis García Berlanga

BIENVENIDO MISTER MARSHALL

LOS JUEVES, MILAGRO

Spanien 1953

Spanien/Italien 1957

Die friedfertigen Einwohner des kastilischen Dorfs Villar del Río erhalten vom Regierungsvertreter einen besonderen Auftrag: Alle Dörfer der Region sollen sich beim Besuch einiger wichtiger Amerikaner von ihrer besten Seite präsentieren. Von einer erfolgreichen Inszenierung erhoffen sie sich finanzielle Mittel aus dem schliesslich doch nie umgesetzten Marshallplan für Spanien. Vom Varieté-Unternehmer Manolo animiert, entscheiden sie sich – nach allen nur denkbaren Diskussionen über Nationalidentität und deren Bezug zur amerikanischen Kultur –, das gesamte Dorf in eine überzogene andalusische FlamencoKulisse zu verwandeln, um die Sympathie der Amerikaner zu gewinnen. Bienvenido Mister Marshall gewann in Cannes den Preis für die beste Komödie und war der erste Film, bei dem Berlanga allein Regie führte.

Fontecilla ist ein verschlafenes Örtchen, das einst für seine Heilbäder bekannt war und nun in Vergessenheit geraten ist. Eine kleine Gruppe ­ einflussreicher Gemeindemitglieder will diese Situation­nicht länger hinnehmen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, verbreiten sie die Nachricht, dass in Fontecilla fortan jeden Donnerstag ein Wunder geschehen werde ... Los jueves, milagro ist eines der am stärksten zensierten Werke der spanischen Filmgeschichte. Es wurden mehrere Drehbuchfassungen entworfen, welche die antiklerikalen Anspielungen reduzieren oder verschleiern sollten. So ist vor allem der zweite Teil des Films der zeittypisch strengen katholischen Zensur unterzogen worden. Der Film war ein kommerzieller Misserfolg, da er gleichzeitig von Konservativen als antiklerikal und von Liberalen als zu religiös aufgenommen wurde. Aus diesem Grund bekam Berlanga erst vier Jahre später die Gelegenheit, seinen nächs­ ten Film zu drehen.

78 Min / sw / Digital HD / Sp/d // REGIE Luis García Berlanga // DREHBUCH Luis García Berlanga, Juan Antonio Bardem // KAMERA Manuel Berenguer // MUSIK Jesús García Leoz // SCHNITT Pepita Orduna // MIT Lolita Sevilla (Carmen Vargas),

84 Min / sw / Digital HD / Sp/d // REGIE Luis García Berlanga

Manolo Morán (Manolo), José Isbert (Don Pablo, Bürgermeis­

// DREHBUCH Luis García Berlanga, José Luis Colina // KA-

ter), Alberto Romea (Don Luis), Fernando Rey (Erzähler).

MERA Francisco Sempere // MUSIK Franco Ferrara // SCHNITT Pepita Orduna // MIT Richard Basehart (Martino),

CALABUCH Spanien/Italien 1956 In Calabuch, einem fiktiven kleinen Dorf an der spanischen Mittelmeerküste, erscheint wie aus dem Nichts der alte Professor George Serra ­Hamilton, der von den Einwohnern bald liebevoll Jorge genannt wird. Schnell wird er Teil der ­Gemeinde, spielt mit den Dorfbewohnern Schach und hilft ihnen, den alljährlichen regionalen Feuer­werks-Wettbewerb zu gewinnen. Zu dieser Zeit ahnt noch niemand, dass er ein weltweit ­gesuchter Raketen- und Atomforscher ist. Bald droht der flüchtige Amerikaner in der spanischen Idylle aufgespürt zu werden. Calabuch ist der erste international koproduzierte Film Berlangas. Aufgrund dieser Zusammenarbeit wurden die im Ausland anerkannten Schauspieler Edmund Gwenn, Franco Fabrizi und Valentina Cortese für den Film gewonnen. 93 Min / sw / Digital HD / Sp/d // REGIE Luis García Berlanga // DREHBUCH Leonardo Martín, Florentino Soria, Ennio Flaiano // KAMERA Francisco Sempere // MUSIK Guido Guerrini // SCHNITT Pepita Orduna // MIT Edmund Gwenn (Prof. Jorge Serra Hamilton), Valentina Cortese (Eloísa, die Lehrerin), Franco Fabrizi (Langosta), Juan Calvo (Matías), Félix Fernández (Don Félix, Pfarrer), Nicolás D. Perchicot (Andrés).

José Isbert (Don José), Paolo Stoppa (Don Salvador), Juan Calvo (Don Antonio Guajardo Fontana), Alberto Romea (Don Ramón), Félix Fernández (Don Evaristo).

PLÁCIDO Spanien 1961 Heiligabend in einer spanischen Kleinstadt. Die Firma Cocinex veranstaltet eine bizarre Kampagne, um für ihre Schnellkochtöpfe zu werben. Unter dem Motto «Lasst einen Armen an Euren Tisch» werden die Bedürftigen der Stadt für diesen Abend unter den wohlhabenden Familien aufgeteilt. Zusätzlich erhalten die Familien die einmalige Chance, ein zweitklassiges Filmsternchen als Gast für ihr Weihnachtsessen zu ersteigern. Mitten im Trubel steht der bescheidene Familienvater Plácido, der mit seinem Motocarro die unglaublichsten Dinge für die Veranstaltung transportieren muss. Eigentlich hat er aber etwas viel Wichtigeres im Sinn: die ausstehende Rate für sein Gefährt zu begleichen. Zahlt er nämlich bis Sonnenuntergang nicht, droht ihm die Pfändung. Berlanga stellt in seiner schwarzen Komödie mit viel Liebe zum Detail die zweifelhafte Nächs­ tenliebe der Gesellschaft dar. Der oscarnominierte Film ist seine erste Zusammenarbeit mit dem grossen Drehbuchautor Rafael Azcona. Aus


> Tamaño natural.

> El verdugo.

> Los jueves, milagro.

© De Filmoteca Española

> Plácido.

© De Filmoteca Española

© De Filmoteca Española


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Luis García Berlanga ihrer jahrzehntelangen Partnerschaft entstand eine der fruchtbarsten und einzigartigsten Filmografien der spanischen Geschichte. 85 Min / sw / Digital HD / Sp/d // REGIE Luis García Berlanga // DREHBUCH Luis García Berlanga, Rafael Azcona // KAMERA Francisco Sempere // MUSIK Miguel Asins Arbó // SCHNITT José Antonio Rojo // MIT Casto Sendra «Cassen» (Plácido Alonso), José Luis López Vásquez (Gabino Quintanilla), María Francés (Nonne), Mari Carmen Yepes (Martita), Manuel Alexandre (Julián), Jesús Puche (Bahnhofsvorstand).

EL VERDUGO Spanien/Italien 1963 Der Henker Amadeo lernt bei einer Hinrichtung den Bestatter José Luis kennen. Die beiden verbindet das schlechte gesellschaftliche Ansehen ihrer Berufe. José Luis versteht sich rasch mit Henkerstochter Carmen und verlobt sich mit ihr. Da Amadeo bald in den Ruhestand treten soll, droht er den Anspruch auf die neue Wohnung zu verlieren, die ihm als Staatsdiener zusteht. Damit die junge Familie die Wohnung übernehmen und Amadeo dort wohnen bleiben kann, überredet er José Luis, sein Nachfolger und damit Beamter zu werden. Dieser wiederum hofft, den Beruf niemals ausüben zu müssen. Doch es kommt der Tag, an dem er zu seiner ersten Hinrichtung bestellt wird. In seiner schwarzen Komödie über die Todesstrafe behandelt Berlanga wie üblich gesellschaftskritisch die Geschehnisse seiner Zeit. Der Film wurde von vielen als Anspielung auf Franco verstanden, woraufhin dieser schimpfte: «Berlanga ist kein Kommunist, sondern etwas Schlimmeres: ein schlechter Spanier.»

Rodríguez), José Isbert (Amadeo, der Henker), Emma Penella (Carmen, Amadeos Tochter), José Luis López Vázquez (Antonio Rodríguez), Ángel Álvarez (Ángel, Totengräber).

TAMAÑO NATURAL (Grandeur nature) Frankreich/Spanien/Italien 1974 Die Handlung setzt im Paris der wilden Siebziger ein. Der in die Jahre gekommene Zahnarzt Michel ist unglücklich, trotz eigener Praxis, Luxusapartment und seiner schönen Frau Isabelle. Auch zahlreiche Affären, die Isabelle sogar billigt, stellen ihn nicht zufrieden. Eines Tages bestellt er sich eine lebensgrosse Puppe aus Japan, mit der er fortan intime Stunden verbringt. Die anfängliche Spielerei wird bald zur Obsession. Michels Hingabe zu seiner Puppe sorgt nicht nur für kuriose Reaktionen in seinem Umfeld, sondern auch für den Bruch mit seinem alten Leben. Tamaño natural («Lebensgross») inszeniert den Fetisch als Reflexion über die Einsamkeit. Der brillante Hauptdarsteller Michel Piccoli produzierte den Film mit. Berlanga hat Tamaño natural mehrmals als seinen besten Film bezeichnet. Der in seinem Werk sonst so übliche Choralcharakter ist hier kaum vorhanden – der Film besteht hauptsächlich aus monologischen Gesprächen eines Mannes mit einer Puppe. Die Ästhetik des Filmes weicht auch vom üblichen Neorealismus ab und erinnert eher an Arbeiten von Antonioni oder René Clair. 101 Min / Farbe / Digital HD / Sp/d // REGIE Luis García ­Berlanga // DREHBUCH Luis García Berlanga, Rafael Azcona, Jean-Claude Carrière // KAMERA Alain Derobe // MUSIK Maurice Jarre // SCHNITT Françoise Bonnot // MIT Michel Piccoli (Michel), Valentine Tessier (Michels Mutter), Rada Rassimov (Isabelle), Lucienne Hamon (Juliette), Michel

87 Min / sw / Digital HD / Sp/d // REGIE Luis García Berlanga

­Aumont (Henry), Queta Claver (María Luisa).

// DREHBUCH Luis García Berlanga, Rafael Azcona // KAMERA Tonino Delli Colli // MUSIK Miguel Asins Arbó // SCHNITT Alfonso Santacana // MIT Nino Manfredi (José Luis

Kurztexte: «Workshop Filmuntertitelung», Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Alle Filme dieser Reihe wurden im «Workshop Filmuntertitelung» von Romanistik-Studierenden der Heinrich-Heine-­ Universität Düsseldorf auf Deutsch übersetzt und untertitelt, die meisten davon zum ersten Mal. Der Workshop unter der Leitung von Miguel Herrero findet jährlich am Institut für Romanistik der HHU statt und hat über dreissig italienische, ­französische und spanische Filmklassiker für das deutschsprachige Publikum zugänglich gemacht. Miguel Herrero, der Kurator dieser Reihe, wird am 11. September in das Schaffen von Luis García Berlanga einführen. ­Details siehe Programmübersicht. In Zusammenarbeit mit der Botschaft von Spanien und dem «Workshop Filmuntertitelung» der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.


40 The Story of Film: An Odyssey

Episoden 4–6 (1930–1957) Der nordirische Dokumentarfilmer und Autor Mark Cousins beschäftigt sich seit dreissig Jahren mit den unterschiedlichsten Aspekten des Kinos. In The Story of Film: An Odyssey (2011) erzählt er in 17 einstündigen Episoden die Filmgeschichte nach, den Kern bilden dabei kommentierte Filmausschnitte und Interviews mit verschiedenen Filmgrössen und Schauspielern. Mit seinen präzisen Beobachtungen und umfangreichen Analysen schafft es Cousins, unseren Blick auf die 125-jährige Filmgeschichte zu schärfen. In den ersten drei Episoden machte er sich auf zu den diversen Geburtsorten des Films und brachte uns zum Staunen darüber, wie rasch und vielfältig sich die neue Kunstform entwickelte – nur um jäh mit dem Schock, den der Schritt zum Tonfilm darstellte, zu enden. Doch die Entdeckungsreise dieser «Sprache der Ideen» geht weiter, sie steht nach wie vor erst am Anfang. Zu jeder (unabhängig funktionierenden) Episode zeigen wir jeweils eine Auswahl der vorgestellten Filme. In diesem Sommerprogramm folgen nun die Episoden 4–6 der Serie über die ersten drei Jahrzehnte des internationalen Tonfilms.

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 4 – THE ARRIVAL OF SOUND

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 6 – SEX & MELODRAMA

GB 2011

GB 2011

Die 30er-Jahre: Diese Episode zeigt, wie die ­Einführung des Tons alles auf den Kopf stellte und neue Filmtypen schuf: Screwball-Komödien, Gangsterfilme, Horrorfilme, Western und Musicals.

Die 50er-Jahre: Diese Folge dreht sich um die ­Geschichte von Sex und Melodrama, von James Dean und Hollywood bis zu ägyptischen, indischen, chinesischen und mexikanischen Filmen. je 60 Min / Farbe + sw / Digital SD / E/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Mark Cousins // SCHNITT Timo Langer.

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 5 – POST-WAR CINEMA GB 2011 Die Episoden 4–6 von The Story of Film werden sowohl ein-

Die 40er-Jahre: In dieser Folge geht es darum, wie die Filmsprache durch den Zweiten Weltkrieg mutiger wurde. Cousins beginnt in Italien und lenkt dann seinen Fokus nach Hollywood zu Orson Welles und zum Film noir.

zeln als auch im Doppelpack gezeigt (siehe Programmübersicht oder www.filmpodium.ch)


The Story of Film

LOVE ME TONIGHT USA 1932 Maurice, ein lebenslustiger Schneider aus Paris, gerät ins Schloss des Herzogs d’Artelins, weil der dort weilende Graf de Varèze ihm noch Geld schuldet. Weil der nichtsnutzige Graf vor dem Herzog das Gesicht wahren will, gibt er den Schneider kurzerhand als Baron aus. Maurice ist sofort in die stolze Tochter des Grafen verliebt und auch sie fühlt sich zu ihm hingezogen. Als Maurice seine wahre Identität enthüllt, steht der Hof kopf. Love Me Tonight gilt als eines der amüsantesten und fantasievollsten Musicals der frühen Tonfilmzeit, ein Meilenstein des Genres. «Rouben Mamoulian inszenierte ein Musical, das so explosiv innovativ war, dass es die meisten zeitgenössischen Filme hoffnungslos veraltet aussehen liess. (...) In einer Szene schneidet Mamoulian innerhalb einer einzigen Aktion von Echtzeit zu Zeitlupe, eine damals sehr seltene Technik. Kleine Details wie diese machen viel Spass, aber ihr Einfallsreichtum wird in den Schatten gestellt durch Mamoulians grossen Coup: die Musik schon vor Drehbeginn aufnehmen zu lassen. (...) Das hatte es im Kino noch nie gegeben. Es erlaubte Mamoulian, Chevaliers Be-

wegungen während seines ersten Besuchs im Schloss zum Takt der Musik, die während der Aufnahmen gespielt wurde, zu choreografieren. Obwohl er geht, scheint Chevalier durch die riesigen Räume zu tanzen und zu flitzen. Der Regisseur wollte mit seiner neuen Herangehensweise an den Ton nicht nur visuellen Rhythmus und Anmut erzeugen, sondern auch bissige Satire. Er verlässt sich nicht allein auf das witzige Drehbuch, sondern fügt an einer Stelle das Kläffen von Hunden zu einer Aufnahme von alten Damen hinzu. Er verknüpft auch Stadt und Land, wenn der Schneider in Paris ‹Isn’t it Romantic?› singt und dies von einem Kunden, der sich auf den Weg aus der Stadt hinaus macht, aufgegriffen wird; der Song wird fortlaufend von anderen übernommen, bis schliesslich die Prinzessin ihn hört.» (Mark Cousins: The Story of Film, Pavilion 2020) 104 Min / sw / Digital HD / E // REGIE Rouben Mamoulian // DREHBUCH Samuel Hoffenstein, George Marion Jr., Waldemar Young, nach einem Theaterstück von Léopold Marchand, Paul Armont // KAMERA Victor Milner // MUSIK John Leipold, Richard Rodgers // SCHNITT Rouben Mamoulian, William Shea // MIT Maurice Chevalier (Maurice Courtelin), Jeanette MacDonald (Prinzessin Jeanette), Charles Ruggles (Graf ­Gilbert de Varèze), Charles Butterworth (Graf de Savignac), Myrna Loy (Gräfin Valentine), C. Aubrey Smith (Herzog d’Artelins), Robert Greig (Flammand, der Butler).

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The Story of Film

GOLD DIGGERS OF 1933 USA 1933 Vier Showgirls tun inmitten der Weltwirtschaftskrise alles, um wieder einen Job zu finden. Rettung naht in Form des aufstrebenden Songwriters Brad: Er unterstützt eine neue Show finanziell, bis seine aus dem Bostoner Geldadel stammende Familie hinter seine Beschäftigung kommt und seinen Kontakt mit der Musicalwelt und vor allem mit den Tänzerinnen zu verhindern sucht. «Die angeborene Künstlichkeit des Filmmusicals bot Spielraum für die Ansprache des Publikums, und tatsächlich blickten die Darsteller am Ende einer Tanzroutine manchmal direkt in die Kamera. (...) Manche Musicals taten jedoch etwas noch Überraschenderes, indem sie Ideen von Richters abstrakten Filmen oder von Clairs surrealem Entr’acte übernahmen: In Mervyn LeRoys Gold Diggers of 1933, das von Busby Berkeley choreografiert wurde, gleicht die visuelle Gestaltung der Nummer ‹Shadow Waltz› einer Blume oder einer Artischocke. Tatsächlich handelt es sich um eine Gruppe von Geigenspielern, die von der Decke des Filmstudios aus direkt nach unten gefilmt wurde. (...) Die Kamera war bisher nur selten direkt über dem Geschehen platziert worden und nie mit solch abstrakter Wirkung. Der Innovator war Berkeley (...). Seine Inspiration: Zum einen war er als US-Soldat während des Ersten Weltkriegs in Frankreich beeindruckt von der Dramatik, Disziplin und Theatralik der militärischen

Übungen und Marschformen; (...) zweitens nahm er jeden Morgen ein 30-minütiges heisses Bad, währenddessen er träumte. Die Ergebnisse seiner militärischen Erinnerungen, kombiniert mit dem Spintisieren im Bad, waren so unverwechselbar, dass die Filmindustrie sie ‹Berkeley top shots› nannte. Gold Diggers of 1933 war Hollywoods bestes Musical aus der Zeit der Welt­ wirtschaftskrise und eines der seltsamsten Kunstwerke der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.» (Mark Cousins: The Story of Film) 97 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE Mervyn LeRoy // DREHBUCH Erwin Gelsey, James Seymour, David Boehm, Ben Markson, nach dem Theaterstück «Gold Diggers of Broadway» von Avery Hopwood // KAMERA Sol Polito // ­MUSIK Al Dubin, Harry Warren // SCHNITT George Amy // MIT Aline MacMahon (Trixie Lorraine), Joan Blondell (Carol King), Ruby Keeler (Polly Parker), Dick Powell (Brad Roberts), Warren William (J. Lawrence Bradford), Ginger Rogers (Fay Fortune), Guy Kibbee (Faneul H. Peabody), Ned Sparks (Barney Hopkins).


The Story of Film

À PROPOS DE NICE Frankreich 1930 Eine Stadtsinfonie voll visuellem Witz, in der Jean Vigo die sozialen Ungleichheiten untersucht und Bettler dem Müssiggang der High Society gegenüberstellt.

TARIS Frankreich 1931 Taris, Jean Vigos einzige Auftragsproduktion, ist eine kurze Bewegungsstudie über den französischen Schwimmer Jean Taris.

ZÉRO DE CONDUITE Frankreich 1933

drucksvollsten Sequenzen – die Kissenschlacht im Schlafsaal und den Umzug der Jungs in Zeitlupe. Die mystischen und physischen Qualitäten der ers­ten Szene – es sieht aus, als würde es ­drinnen schneien – werden durch die musikalische Begleitung, die von Maurice Jaubert komponiert und rückwärts transkribiert wurde, noch verstärkt. Der Film wurde als politischer Angriff auf die französische Schule interpretiert und – aus diesem Grund sowie wegen seines allgemeinen Geistes der Rebellion – in Frankreich bis Mitte der 1940er-Jahre verboten. (...) Vigo war die talentierteste Figur des französischen Kinos jener Zeit.» (Mark Cousins: The Story of Film) À PROPOS DE NICE 23 Min / sw / Digital HD / Stummfilm mit Musik // REGIE Jean Vigo, Boris Kaufman // DREHBUCH Jean Vigo // KAMERA ­Boris Kaufman // SCHNITT Jean Vigo, Boris Kaufman.

Schulbeginn in einem Knabeninternat: Die Schüler kehren aus den Ferien zurück und mit ihnen die Kissenschlachten, die Pausen auf dem Schulhof, der langweilige Unterricht und der nicht enden wollende Streit mit den Lehrern. Eines Abends beschliessen die Schüler, sich von der Bevormundung zu befreien und treten eine Revolte los. «Brillante, kreative Energie finden wir (...) in den Filmen des Parisers Jean Vigo. (...) Zéro de conduite beginnt mit einem Schülerstreich über das Verstecken von Murmeln und entwickelt sich zu einer Revolte im Geiste der Surrealisten, aber mit deutlich politischerer Absicht. Boris Kaufman, Dziga Vertovs Bruder, drehte die ein-

TARIS 10 Min / sw / Digital HD / F/e // REGIE Jean Vigo // DREHBUCH Jean Vigo // KAMERA Boris Kaufman, G. Lafont, Lucas ­Procédé // SCHNITT Jean Vigo // MIT Jean Taris (er selbst).

ZÉRO DE CONDUITE 44 Min / sw / DCP / F/d // REGIE Jean Vigo // DREHBUCH Jean Vigo // KAMERA Boris Kaufman // MUSIK Maurice Jaubert // SCHNITT Jean Vigo // MIT Jean Dasté (Huguet, der junge Lehrer), Robert Le Flon (Aufseher Perrain, «Pète-sec»), Du Verron (Hauptaufseher M. Santt, «Bec-de-gaz»), Louis Lefebvre (Caussat), Gilbert Pruchon (Colin), Coco Golstein (Bruel), ­Gérard de Bédarieux (Tabard), Delphin (Schuldirektor).

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The Story of Film

ROMA, CITTÀ APERTA

THE BIG SLEEP

Italien 1945

USA 1946

Rom, 1944: Hunger und Angst beherrschen die Stadt, Razzien, Verhaftungen und Folter durch die SS sind an der Tagesordnung. Der Widerstandskämpfer Manfredi flüchtet in die Wohnung von Francesco und ­dessen Verlobter Pina. Einen Tag später wird Francesco von der SS verhaftet – wahnsinnig vor Angst läuft Pina ihm hinterher. Noch während der NS-Besatzung Italiens geplant und nach der Befreiung mit bescheidenen technischen und finanziellen Mitteln gedreht: ­Roberto Rossellinis Roma, città aperta ist eines der Schlüsselwerke des Neorealismus. «Auf der Suche nach neuen Themen und Stilen, die die veränderten Realitäten widerspiegelten, entwickelten die italienischen Filmemacher eine neue Sprache des Kinos. Eine Reihe von Filmen zwischen Roma, città aperta und Umberto D war zentral. (...) Diese Filme hatten einen tiefgreifenden Einfluss auf das Kino in Lateinamerika, Indien, Iran und anderswo und ermöglichten ein postkoloniales Weltkino. (...) Rossellini erzählte verstörende Geschichten. (...) Er vermied absichtlich dramatische Schlüsselmomente hoher Emotionen (...), ‹wenn ich aus Versehen eine schöne ­Einstellung mache, schneide ich sie heraus›, und beseitigte damit Drama und visuellen Glanz (...). Rossellini machte das Dissidentenkino der 1920er-Jahre zu einer nationalen und politischen Filmbewegung, obwohl – vielleicht wenig überraschend – die Strenge seiner Techniken an den Kinokassen wenig Anklang fand.» (Mark Cousins: The Story of Film)

Der alte General Sternwood wird erpresst und engagiert Privatdetektiv Philip Marlowe, der der Sache nachgehen soll. Bei seinen Ermittlungen gerät Marlowe immer tiefer in eine Mordaffäre und ihm wird klar, dass die Töchter seines Auftraggebers selbst eine undurchsichtige Rolle in dem Fall spielen. Marlowe findet sich bald in einem düs­ teren Labyrinth wieder, aus dem es nur schwer ein Entkommen gibt. «Raymond Chandlers berühmteste Figur war Philip Marlowe, (...) ‹The Big Sleep› sein erstes wichtiges Buch; es wurde (...) 1946 von Howard Hawks verfilmt. Humphrey Bogart spielte darin Marlowe, eine Rolle, die noch viele Schauspieler verkörpern sollten. Der Film wurde aus zwei Gründen der einflussreichste Film noir (seit Double Indemnity): Erstens war die Handlung so kompliziert, dass nachfolgende Regisseure ermutigt wurden, ihre Filme weiter in Richtung des narrativen Wahnsinns von Caligari zu führen. Zweitens wurde das Drehbuch von Leigh Brackett mitverfasst (...), einer faszinierenden Schriftstellerin. Ihre Co-Autorenschaft bei The Big Sleep wirft die Frage auf, wie Films noirs ihre weiblichen Figuren darstellen. Lauren Bacall in The Big Sleep sowie Barbara Stanwyck in Double Indemnity (...) durchdringen ihre Filme auf unheimliche Weise; die Männer sprechen ständig von ihnen, sie aber spielen mit den Männern und führen deren Untergang herbei. » (Mark Cousins: The Story of Film) 116 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Howard Hawks // DREHBUCH William Faulkner, Jules Furthman, Leigh Brackett,

103 Min / sw / DCP / I/d // REGIE Roberto Rossellini // DREH-

nach dem Roman von Raymond Chandler // KAMERA Sidney

BUCH Sergio Amidei, Federico Fellini, nach einem Stoff von

Hickox // MUSIK Max Steiner // SCHNITT Christian Nyby //

Sergio Amidei // KAMERA Ubaldo Arata // MUSIK Renzo

MIT Humphrey Bogart (Philip Marlowe), Lauren Bacall (Vivian

­Rossellini // SCHNITT Eraldo Da Roma // MIT Anna Magnani

Sternwood), John Ridgely (Eddie Mars), Martha Vickers

(Pina), Aldo Fabrizi (Don Pietro Pellegrini), Marcello Pagliero

(Carmen Sternwood), Dorothy Malone (Buchhändlerin), ­

(Giorgio Manfredi alias Luigi Ferraris), Maria Michi (Marina

Peggy Knudsen (Mona Mars), Regis Toomey (Bernie Ohls).

Mari), Francesco Grandjacquet (Drucker Francesco).


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The Story of Film

ALL THAT HEAVEN ALLOWS

PATHER PANCHALI

USA 1955

(Song of the Little Road) Indien 1955

Eine amerikanische Vorstadt in den 50er-Jahren: Die einsame Witwe Cary Scott verliebt sich in den jüngeren Gärtner Ron Kirby. Die eigenen Kinder und Freunde reagieren mit Unverständnis und Ablehnung, worauf Cary sich gezwungen sieht, die Beziehung abzubrechen. «Douglas Sirk, 1900 in Dänemark geboren und in Deutschland aufgewachsen, wurde in seinen Zwanzigern Theaterregisseur und wandte sich dann dem Film zu. (...) Er floh vor den Nazis und kam schliesslich nach Hollywood (...). Als Intellektueller empfand er Studiodrehbücher als einschränkend, aber er drehte eine Reihe äusserst erfolgreicher Hochglanz-Melodramen über die sexuelle Schattenseite des amerikanischen Mittelstands. Der einflussreichste dieser Filme war All That Heaven Allows. (...) Um die Figur des Gärtners schuf er eine Reihe von Bildern, die die Natur symbolisieren, und kontrastierte diese mit dem sterilen Leben von Carys voreingenommenen Freunden. Liebevoll schildert Sirk die üppigen Details von Eisenhowers Mittelstandsamerika in einem übernatürlichen Licht. Cary wird zunehmend von dieser Utopie eingeengt, während Sirk deren Konformität und Bösartigkeit ­entlarvt. (...) All That Heaven Allows wurde zu einem der meistzitierten Beispiele subversiven Mainstream-Filmschaffens.» (Mark Cousins: The Story of Film)

Die Geschichte einer armen Familie im Indien der 1920er-Jahre und von Apus Kindheit: Das schiere Überleben ist für Apus Familie ein beinahe auswegloser Kampf– als die ältere Schwester stirbt, verlässt die Familie ihr Dorf. «Was Kurosawas Rashomon 1950 für das japanische Kino getan hatte, das tat Pather Panchali 1955 für Indien. Der Film wurde im Westen gezeigt, war ein Riesenerfolg, lief sechs Monate lang in New York und lenkte das internationale Rampenlicht auf die indische Ästhetik. Er nahm dem indischen Kino seine Schicksalshaftigkeit, seine Religion und seine ‹Masala›-Musical­ nummern und entsprach, beeinflusst vom italienischen Neorealismus, eher dem westlichen Geschmack. (...) Rays säkularer, linksliberaler Pather Panchali (...) war ein spektakuläres Debüt und der erste grosse westliche Erfolg Indiens. (...) Ray verwendete naturalistische Beleuchtung, realistische Kostüme und asymmetrische Bildkompositionen, was zu dieser Zeit in Indien nicht üblich war. Er entlockte seinen Schauspielern realistische Darbietungen, wobei er stark von Renoir beeinflusst war. (...) Der Erfolg der Trilogie brachte Ray nach Hollywood, wo er Kazan und Wilder kennenlernte. (...) Er war aber bald enttäuscht von dem, was er in Südkalifornien vorfand: (...) ‹Im amerikanischen Kino gab es keine Poeten.›» (Mark Cousins: The Story of Film)

89 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Peg Fenwick, nach einer Erzählung von Edna L. Lee,

126 Min / sw / 35 mm / Beng/d/f // REGIE Satyajit Ray //

Harry Lee // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner

DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Bibhutibhu­

// SCHNITT Frank Gross, Fred Baratta // MIT Jane Wyman

shan Bandyopadhyay // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK

(Cary Scott), Rock Hudson (Ron Kirby), Agnes Moorehead

Ravi Shankar // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Kanu Bannerjee

(Sara Warren), Conrad Nagel (Harvey), William Reynolds (Ned

­(Harihar Ray, der Vater), Karuna Bannerjee (Sarbojaya Ray,

Scott), Gloria Talbott (Kay Scott).

die Mutter), Subir Bannerjee (Apu, der Sohn), Uma Das Gupta (Durga, die Schwester), Chunibala Devi (Indir Thakrun).


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The Story of Film

VERTIGO USA 1958 Der Polizeibeamte Scottie leidet unter Höhenangst und muss den Dienst quittieren. Er wird von einem früheren Freund engagiert, um dessen ­suizidgefährdete Frau Madeleine zu beschatten. Scottie verliebt sich in die geheimnisvolle blonde Schönheit. Als sie aber in einem Glockenturm nach oben flüchtet, muss er – von seiner Höhenangst wie gelähmt – zusehen, wie sie sich zu Tode stürzt. Er verfällt in tiefe Melancholie. Da begegnet ihm eines Tages auf der Strasse eine Frau, die Madeleine gleicht. «Scottie verliebt sich in eine Frau, die scheinbar stirbt, sieht eine andere, die ihr ähnelt, und kann nicht anders, als die zweite langsam nach dem Bild der ersten umzumodeln. (...) Hitchcock steht seit den 1940er-Jahren unter dem Einfluss von Freud und dem Surrealismus und hat Vertigo auf Freuds Theorie der Skopophilie, der sexuellen Lust am Schauen, aufgebaut. Scottie folgt der zweiten Frau obsessiv, die für den Regisseur typischen träumerischen Kamerafahrten bewegen sich mit ihm und spiegeln seine flüchtigen Blicke,

seine Verwunderung und sein Begehren wider. (...) Scottie will im Endeffekt mit einer Toten schlafen. Hitchcock liess seinen Film in Pastellfarben gestalten. Selbst das Make-up und die blauen Augen von James Stewart sind in einer 1950er-Jahre-haften, künstlichen Weise überbetont. Eine Traumsequenz treibt diese Verbindung von Farbe und Begehren auf die Spitze.» (Mark Cousins: The Story of Film) 129 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Alec Coppel, Samuel A. Taylor, nach dem Roman «D’entre les morts» von Pierre Boileau, Thomas Narcejac // KAMERA Robert Burks // MUSIK Bernard Herrmann // SCHNITT George Tomasini // MIT James Stewart (John «Scottie» Ferguson), Kim Novak (Madeleine Elster/Judy Barton), Barbara Bel Geddes (Midge Wood), Tom Helmore (Gavin Elster), Henry Jones (Untersuchungsrichter).


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Markus Imhoof zum 80. Geburtstag Markus Imhoof (*19.9.1941) war von Anfang an ein unbequemer Filmemacher. Sowohl in fiktionalen als auch in dokumentarischen Werken hielt er der Schweiz einen Spiegel vor, der nichts beschönigte. Zum 80. Geburtstag zeigt das Filmpodium eine Auswahl von Imhoofs Filmen. Markus Imhoof wurde in eine intellektuelle Winterthurer Familie geboren und durch die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingskindern in ihrem Hause schon bald mit der harten Wirklichkeit der weniger vom Schicksal verwöhnten Menschen konfrontiert. Diese prägenden Kindheitserfahrungen bewegten Imhoof dazu, nach seiner Assistenz bei Leopold Lindtberg am Schauspielhaus und seinem Abschluss der Kunstgewerbeschule das Filmhandwerk nicht nur als «l’art pour l’art» einzusetzen. «Sein zweiter Schulfilm (Rondo) bestätigte nicht nur seine formale Begabung, sondern auch einen aussergewöhnlichen Ernst, ein Engagement in unserer Zeit, einen kritischen jungen Menschen», wie Martin Schaub 1970 im «Tages-Anzeiger Magazin» schrieb. Immer wieder legte sich Imhoof mit heiligen Kühen der Vätergeneration an: mit dem Karrieredenken (Happy Birthday, 1968), mit dem Strafvollzug (Rondo, 1968; Fluchtgefahr, 1974), mit der Armee (Ormenis 199+69, 1969), mit dem Mythos der Schweiz als Hort für Flüchtlinge (Das Boot ist voll, 1981; Eldorado, 2018); er brachte die verschwiegenen Langzeitfolgen des Nazitums ebenso aufs Tapet (Die Reise, 1986) wie die zerstörerischen Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft (More Than Honey, 2012). Er war kein «Nestbeschmutzer», wie man seinesgleichen schimpfte sondern ein «Whistleblower», wie das heute heisst, eine systemrelevante Berufsgattung; er selbst zählt sich zum «Sauerteig» des Lebens, nicht zur «Patisserie». Zwischen seinen aufklärerischen Filmen drehte Imhoof kleinere und intimere Dramen (Tauwetter, 1977; Der Berg, 1990; Flammen im Paradies, 1996), inszenierte am Theater und an der Oper. Sein grösster Impetus bleibt jedoch das soziale und politische Engagement. Den Ehrenpreis der Schweizer Filmakademie Anfang 2021 wollte er nicht als Ehrung für ein abgeschlossenes Gesamtwerk verstanden wissen: «Mit dem schwierigsten Projekt habe ich nämlich gerade begonnen: Es geht um drei Frauen in drei Jahrhunderten auf drei Kontinenten und die Frage, ob sie Schicksal, Zufall oder der freie Wille anleitet und miteinander verbindet.» Man darf also weiter gespannt sein. Michel Bodmer


> Fluchtgefahr.

> Die Reise.

> Eldorado.

© Massimo Sestini


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Markus Imhoof SCHNITT Markus Imhoof // KAMERA Otmar Schmid, Clemens

KURZFILMPROGRAMM: HAPPY BIRTHDAY Schweiz 1968 Just an seinem 16. Geburtstag fährt Röbi Keller den Wagen seines Vaters zu Schrott. Der Polizei erzählt er, wie es dazu kam. Markus Imhoof schildert exemplarisch, wie 1967 die Jugend aus den von der Elterngeneration besungenen «goldenen Mittelwegen» ausschert, die in die Maschinerie des kapitalistischen Bürgertums führen.

RONDO Schweiz 1968 In seinem Dokumentarfilm über die Strafanstalt Regensdorf konfrontiert Imhoof die gesetzlichen Grundlagen des Strafvollzugs und die hehren Worte des Anstaltspersonals über Erziehung und Wiedereingliederung samt kulturellen Angeboten mit Aussagen der Häftlinge, deren realer Zuchthausalltag ganz anders aussieht. Diese unerbittliche Entlarvung war dem Direktor der Strafanstalt so zuwider, dass er ein Aufführungsverbot für Rondo erwirkte. Erst 1975 konnte der Film mit einem vorgeschalteten mündlichen «Disclaimer», wonach das alles nicht mehr aktuell sei, gezeigt werden.

ORMENIS 199+69 Schweiz 1969 Die rückwärtsgewandte Romantisierung der Kavallerie steht im Gegensatz zu deren Realität: Für die Pferde ist der Einsatz im Kriegsdienst psychisch und körperlich sehr belastend, und wie in der Landwirtschaft wird auch beim Militär das Pferd zunehmend durch die Technik verdrängt. Ormenis 199+69, benannt nach Markus Imhoofs eigenem Kavalleriepferd, wurde von den Kavallerieverbänden finanziell unterstützt, dann aber auf deren Vorstoss hin mit einem Aufführungsverbot belegt.

Klopfenstein // MUSIK Düde Dürst, Walti Anselmo.

am Dienstag, 14. September, 18.00 Uhr: in Anwesenheit des Regisseurs

FLUCHTGEFAHR Schweiz 1974 Der 23-jährige Bruno landet wegen eines kleinen Vergehens im Gefängnis. Dort lernt er sich in der Hackordnung zu behaupten und nimmt sich seinen abgebrühten Zellengenossen Winarski zum Vorbild. Als Winarski türmen will, will Bruno mitgehen. Draussen winkt ihm allerdings höchstens eine kriminelle Laufbahn. Mit Undercover-Recherchen als Gefängniswärter hat Imhoof diesen Spielfilmerstling vorbereitet, der sowohl bezüglich der Milieubeobachtung und der Figurenzeichnung als auch in der Dialoggestaltung einen quasidokumentarischen Hyperrealismus beweist, wie er im Schweizer Kino damals neu war. (mb) 101 Min / Farbe / DCP / Dialekt/d // DREHBUCH UND REGIE Markus Imhoof // KAMERA Eduard Winiger, Hans Liechti // MUSIK Bruno Spoerri // SCHNITT Marianne Jäggi // MIT Wolfram Berger (Bruno Kuhn), Matthias Habich (Winarski), Maja Stolle (Edith Schläpfer), Sigfrit Steiner (Hausbursche Stotz), Roger Jendly (der Welsche), Heinz Menzel (Wachtmeis­ ter Wegmann), Alfred Lohner (Untersuchungsrichter), Hans Gaugler (Trottel).

am Dienstag, 14. September, 21.00 Uhr: in Anwesenheit des Regisseurs

DAS BOOT IST VOLL Schweiz/BRD/Österreich 1981

SCHNITT Markus Imhoof // KAMERA Lucius Lehnherr.

Aufgrund des gleichnamigen Buchs von Alfred A. Häsler und eines Berichts über eine zusammengewürfelte Gruppe Flüchtlinge, die sich als Familie ausgab, weil sie hoffte, als solche aufgenommen zu werden, schildert Das Boot ist voll ungeschönt, wie die Schweiz mit denen umging, die es aus Nazi-Deutschland über die Grenze schafften. Die Flüchtlinge ‹retten sich ins Verderben› (Friedrich Dürrenmatt); Imhoof verleiht seinem Film jenen pechschwarzen Schluss, den sein Mentor Lindtberg für Die letzte Chance wegen der Zensur 1945 nicht drehen konnte. In Eldorado (2018) zeigt er: Die Schweiz hat kaum dazugelernt.» (Michel Bodmer, filmo.ch, 2018) Silberner Bär Berlin 1981, Filmpreis der Stadt Zürich 1981, Oscarnomination 1982

ORMENIS 199+69

100 Min / Farbe / DCP / Dialekt+D/f // REGIE Markus Imhoof

25 Min / sw / Digital HD / Dialekt+D // DREHBUCH, REGIE,

// DREHBUCH Markus Imhoof, nach dem Buch von Alfred A.

HAPPY BIRTHDAY 9 Min / sw / Digital HD / Dialekt // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Markus Imhoof // KAMERA Christine Raymann // MIT Lukas Strebel (Röbi Keller), Inigo Gallo (Polizist), Walter Imhoof (Physiklehrer), Kurt Früh (Stimme des Turnlehrers).

RONDO 42 Min / sw / Digital HD / Dialekt+D // DREHBUCH, REGIE,


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Markus Imhoof Häsler // KAMERA Hans Liechti // SCHNITT Helena Gerber,

110 Min / Farbe / DCP / D // REGIE Markus Imhoof // DREH-

Fee Liechti // MIT Tina Engel (Judith Krüger), Curt Bois ­(Lazar

BUCH Markus Imhoof, Martin Wiebel, nach dem Roman von

Ostrowskij), Hans Diehl (Hannes Krüger), Martin Walz (Olaf

Bernward Vesper // KAMERA Hans Liechti // MUSIK Franco

Landau), Gerd David (Karl Schneider), Ilse Bahrs (Frau

Ambrosetti // SCHNITT Ursula West // MIT Markus Boysen

Ostrowskij), Mathias Gnädinger (Franz Flückiger), Renate ­

(Bertram Voss), Corinna Kirchhoff (Dagmar Wegener), Will

Steiger (Anna Flückiger), Michael Gempart (Bigler).

Quadflieg (Vater Jost Voss), Christa Berndl (Mutter Voss), Alexander Mehner (Florian), Claude-Oliver Rudolph (Rolf ­

DIE REISE BRD/Schweiz 1986 «Nach Motiven aus dem gleichnamigen Buch von Bernward Vesper, Sohn des NS-Dichters Will Vesper und Freund Gudrun Ensslins, die später mit Andreas Baader zusammentraf und in den Untergrund ging. Bertram Voss und Dagmar Wegener heisst das Paar im Film, der auf mehreren Zeit­ ebenen erzählt ist (…). Am Anfang steht Dagmars Schwangerschaft; sechs Jahre später entführt Bertram seinen Sohn aus dem Lager einer Guerilla-Truppe in Italien und reist mit ihm zurück nach Deutschland. Rückblenden schildern seine eigene, autoritär geprägte Kindheit und seinen Weg in die gemässigte Rebellion. Die Ereignisse rund um Studentenrevolte und RAF werden schlaglichtartig angedeutet, und der Konflikt mit den Eltern der NS-Generation, ähnlich wie in Trottas Die bleierne Zeit, als wesentliche Trieb­ feder betont.» (filmportal.de)

Schröder), Gero Prenn (Bertram als Kind).

ELDORADO Schweiz/Deutschland 2018 Aufgrund seiner Erinnerungen an das italienische Flüchtlingsmädchen, das seine Eltern 1945 aufpäppelten, erkundet Imhoof zeitlose Fragen der Solidarität und der Menschlichkeit. Die heutigen Migrationsströme in Richtung Europa sind eine Folge des vom Westen verursachten Wohlstandsgefälles, aber die vollen Boote auf dem Mittelmeer werden möglichst nicht an Land gelassen. Migranten, die dennoch ankommen, werden zumeist diskriminiert, vernachlässigt und/oder ausgebeutet. Und die Produkte ihrer Fronarbeit werden gewinnbringend in ihre Heimat exportiert. (mb) Zürcher Filmpreis 2018, Schweizer Filmpreis 2019 92 Min / Farbe / DCP / OV/d // DREHBUCH UND REGIE M ­ arkus Imhoof // KAMERA Peter Indergand // MUSIK Peter Scherer // SCHNITT Beatrice Babin, Thomas Bachmann.

> Markus Imhoof.

© Ann-Christine Jansson


51 Premiere: Careless Crime von Shahram Mokri

Kino in Gefahr Nach seiner Zürcher Vorpremiere im Filmpodium am 20. Juni ist Shahram Mokris faszinierender neuer Film Careless Crime noch vier weitere Male zu sehen – im Kino, wo er hingehört.

CARELESS CRIME (Jenayat-e bi deghat) / Iran 2020 134 Min / Farbe / DCP / Farsi/d // REGIE UND SCHNITT Shahram Mokri // DREHBUCH Nasim Ahmadpour, Shahram Mokri // KAMERA Alireza Barazandeh // MUSIK Ehsan Sedigh // MIT Babak Karimi (Mohsen), Razie Mansori (Elham), Abolfazl Kahani (Takbali), Mohammad Sareban (Faraj), Adel Yaraghi (Majid), Behzad Dorani (Fallah).

In seinem neuen Film Careless Crime (2020) verzichtet der iranische Cineast Mokri zwar auf das Prinzip des One-Take, das er in Fish & Cat (2013) und Invasion (2018) brillant variierte, doch die erzählerischen Schleifen sind geblieben und werden obendrein mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen verwoben. So kommen in dem Film namens Careless Crime, der in einem Kino läuft, das von einem Brandanschlag bedroht wird, zwei Frauen vor, die sich in den Bergen den Film The Deer von Masoud Kimiai ansehen wollen, der 1978 in dem Kino in Abadan lief, das von Demonstranten (oder Agenten des Schahs?) in Brand gesteckt wurde. Und der eine Attentäter von heute, der gleich heisst wie der überlebende Brandstifter von 1978, sieht sich im Filmmuseum einen Stummfilm über Brandkatastrophen in Kinos an. Magischer Realismus und absurde Poesie mischen sich bei Mokri mit beissender Satire. Wie der Regisseur selbst sagt: «Ein gedankenloses Verbrechen versucht, bedeutsame historische Ereignisse nachzubilden. Dieser Film jedoch versucht nicht die Geschichte nachzubilden; vielmehr handelt er vom Kino an sich.» Michel Bodmer


52 Filmpodium für Kinder

Ernest & Célestine Können eine Maus und ein Bär glücklich zusammenleben? Diese Frage wird in diesem einfallsreich animierten Kinderfilm auf bezaubernde Art und Weise beantwortet.

ERNEST & CÉLESTINE / Frankreich/Belgien/Luxemburg 2012 81 Min / Farbe / Digital HD / D / ab 6 // REGIE Stéphane Aubier, Vincent Patar, Benjamin Renner // DREHBUCH Daniel ­Pennac, nach den Kinderbüchern «Mimi und Brumm» von Gabrielle Vincent // MUSIK Vincent Courtois // SCHNITT Fabienne AlvarezGiro // MIT DEN DEUTSCHEN STIMMEN VON Harmut Neugebauer (Ernest), Paulina Rümmelein (Célestine), Eva-Maria ­Bayerwaltes (die Graue), Ekkehardt Belle (Georges), Bettina Redlich (Lucienne).

«Célestine ist eine kleine Maus und findet Bären gar nicht so unfreundlich, wie alle sagen. Jeden Abend erzählt die Aufseherin im Waisenhaus gruselige Schauermärchen über die ‹Monster›, die jede Maus auffressen, die ihnen vor die Füsse läuft. Célestine glaubt an so was nicht. Und so macht sie immer wieder Ausflüge in die Welt der Bären und trifft dort eines Tages den grummeligen Ernest, dem sie schon bald aus der Patsche helfen muss. (…). Bei Ernest & Célestine ist das Filmbild so angefüllt mit originell gezeichneten Details, dass er auf die grosse Leinwand gehört.» (FBW, deutsche Film- und Medienbewertung) Altersfreigabe: Zutritt ab 6 Jahren (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen). Kinderfilm-Workshop Im Anschluss an die Vorstellungen vom 4. und 18. September bietet die Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann einen Film-Workshop an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.


53 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Corinne Siegrist-Oboussier (cs), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Flurina Gutmann SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Arsenal Distribution, Berlin; Ascot Elite Entertainment Group, Zürich; Austin American Asian Film Festival, Austin; Prof. Chris Berry, London; Carlotta Films, Paris; Casa Azul Films, Lausanne; Celestial Pictures, Hongkong; Central Motion Picture Company, Taipeh; Chang Tso Chi Film Studio, Taipeh; La Cinémathèque française – Musée du cinéma, Paris; Prof. Lee Daw-ming, Taipeh; dcm, Berlin; DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Wiesbaden; ECM Records, München; Films sans frontières, Paris; Fred van der Kooij, Zürich; Frenetic Films, Zürich; Gaumont, Neuilly-sur-Seine; Dr. Wafa Ghermani, Paris; Dr. Simona Grano, Zürich; Miguel Herrero Soto, Universität Düsseldorf; Homegreen Films, Yonghe City; Dr. Kelly J. Hsieh, São Paulo; Markus Imhoof, Berlin; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Koch Media, Planegg; L'Atelier, Rolle; Stan Lai Sing-chuen, Taipeh/Shanghai; George & Stella L’Homme (Verein Ananasli), Zürich; Lionsgate, Santa Monica; Long Shong Entertainment, Taipeh; Josh Martin, Austin; Memoriav, Bern; Ministry of Culture, Taipeh; Park Circus, Glasgow; Pathé Films, Zürich; Performance Workshop, Taipeh; PiLi International Multimedia, Taipeh; Praesens Film, Zürich; Raphaëlle Pralong, Sion; Studiocanal, Berlin; Taiwan Cinema Toolkit / Taiwan Film & Audiovisual Institute, Taipeh; Tamasa Distribution, Paris; tba film collective, Zürich; TF1 Studio, Boulogne ; trigon-film, Ennetbaden; Loïc Valceschini, Lausanne; Vega Film, Zürich; Video Mercury Films, Madrid; Warner Bros. Entertainment Switzerland GmbH, Zürich; Werkstattkino, München. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daniel Däuber // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 5500 ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Sommer-Abo: CHF 95.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen vom 3.7.–19.9.21) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU OKTOBER / NOVEMBER   Das Jahr 2021 ist in Sachen Planung eine ähnliche Herausforderung wie 2020. Da­ rum können wir bis zum Redaktionsschluss dieses Programmhefts noch nicht verbindlich sagen, welche der Reihen, die für Oktober/November vorgesehen sind, auch wirklich gezeigt werden können. Geniessen Sie also unser üppiges Sommerprogramm und konsultieren Sie ab August unsere Website, um mehr über unser Herbstangebot zu erfahren.


APPLES CHRISTOS NIKOU · GRIECHENLAND

«Neugriechische Komödie auf lakonisch-ernstem Grund.» TAGES-ANZEIGER

«Christos Nikou etabliert sich als eine aufregende neue Stimme.» THE HOLLYWOOD REPORTER

AB 19. AUGUST IM KINO

Fürs Home Cinema empfehlen wir filmingo.ch oder unseren DVD-Shop auf trigon-film.org


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