Filmpodium Programmheft Juli/September 2018

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1. Juli – 23. September 2018

Maggie Smith, Ingmar Bergman Leo McCarey


SEARCHING FOR

INGMAR BERGMAN start S: m l i F SMO im KOJuli 18 h 19. kosmos.c

xenix.ch / Wild, 2015/16

. www

FEINSTEN M O V O IN K FREILUFT

14. ju li

– 18. aug ust 201 8


01 Editorial

Wieder sehen, neu machen Am 14. Juli wäre Ingmar Bergman 100 Jahre alt geworden. Seine Heimat feiert, und das Filmpodium stimmt ein in die Festfreude. Bergmans Werk war inhaltlich wie formal wegweisend und ruft nach einem Wiedersehen – und womöglich einer Neubewertung. Wie Christoph Egger in seiner Einführung schreibt (eine längere Version seines Texts ist auf unserer Website zu lesen), gaben etwa Bergmans private Frauenbeziehungen schon damals zu reden, und im # MeToo-Zeitalter wird man wohl seine FilmFrauen auch mit anderen Augen ansehen als in den sechs Jahrzehnten, in denen seine Werke entstanden. Neue Blicke auf Bergman werfen jedenfalls die sechs Kurzfilme in der Kompilation Bergman Revisited, die wir als Premiere zeigen: Heutige schwedische Filmschaffende nehmen Vita, Zitate und Filme des grossen Landsmanns als Ausgangspunkt für vielgestaltige formale und inhaltliche Aus­ einandersetzungen. So spinnt etwa Lisa Aschan in Guds tystnad – Gottes Schweigen die Beziehung von Anna und Ester in Das Schweigen ziemlich kongenial (und in Schwarzweiss) weiter. Pernilla August, die in Fanny und ­Alexander mitspielte, erzählt in Scener ur natten – Szenen einer Nacht von Bergmans legendärer Treulosigkeit und der bedingt verständlichen Nachsicht seiner Partnerinnen, ganz leicht fiktionalisiert im Stil seiner Szenen ­einer Ehe und mit ihr selbst und ihren Töchtern in den weiblichen Haupt­rollen. Schärfer ins Gericht mit Bergman als Egoist und Macker geht Jane ­Magnusson in ihrem frechen Animationsfilm Fettknölen – Vox Lipoma, in dem sie das Lipom an Bergmans Wange zur fleisch- bzw. fettgewordenen ­Verkörperung seines schlechten Gewissens mutieren lässt. Solche verspielten Variationen zum Thema Bergman machen dieses Kurzfilmprogramm zum faszinierenden und vergnüglichen Denkanstoss. Beispiele für kreatives Wiedersehen und Neumachen gibt es auch in unserer Kurzversion der Locarno-Retrospektive zu Leo McCarey. Dieser zählt nämlich zu den wenigen Cineasten, die ein eigenes Werk ein zweites Mal ­verfilmt haben, und so bietet es sich an, den 1939 entstandenen Love Affair (online) mit dessen Remake An Affair to Remember (1957) zu vergleichen. McCareys persönlicher Lieblingsfilm, Make Way for Tomorrow (1937), ist hingegen von einem ganz anderen Cineasten neu gemacht worden: Yasujiro Ozus Meisterwerk Die Reise nach Tokio (1953), das wir in restaurierter Form zeigen, ist weit bekannter als das Original des vor allem für Komödien bekannten Amerikaners. (Wieder-)sehenswert sind diese Filme alle. Michel Bodmer Titelbild: Maggie Smith in Travels with My Aunt


02 INHALT

Maggie Smith: Grand Old Lady 04 of British Cinema

Ingmar Bergman zum 100. Geburtstag

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Auf britischen Bühnen und am New Yorker Broadway hatte Maggie Smith (*1934) bereits Erfolge als Varietéund Theaterschauspielerin gefeiert, als sie 1958 mit Nowhere to Go ihr Leinwanddebüt gab. Seither hat sie in über 80 Filmen mitgewirkt, Fernsehserien wie Downton Abbey ihren Stempel aufgedrückt und unzählige Oscars, BAFTAs und andere Auszeichnungen gewonnen. Das Spek­ trum der immer noch aktiven Vielsei­ tigen reicht vom Mauerblümchen und der prüden Gesellschafterin über die exzentrische Lehrerin und frivole Lebedame bis zu den Rollen, für die sie bei uns am bekanntesten ist: eine spitzzüngige, rabiate Alte, bald snobistisch-standesbewusst, bald mordlustig, bald doch noch zu warmher­ zigen Regungen fähig, immer aber überwältigend.

Ingmar Bergman wäre am 14. Juli 2018 100 Jahre alt geworden. Anlass genug, Revue passieren zu lassen, was der grosse Schwede der siebten Kunst beschert hat. Psychologische Tiefe und visueller Einfallsreichtum, metaphorische Kraft und schauspielerische Subtilität kennzeichnen sein unvergängliches Werk. Neben Meilensteinen wie Wilde Erdbeeren, Das sie­ bente Siegel, Persona und Fanny und Alexander sind auch Reaktionen auf Bergman zu sehen: In unserer Premiere der Kompilation Bergman Revisi­ ted setzen sich heutige schwedische Filmschaffende in sechs kritischen, schrägen und witzigen Kurzfilmen mit dem Übervater auseinander. Und Mitte Juli läuft im Kino Kosmos der Dokumentarfilm Searching for Ingmar Bergman von Margarethe von Trotta und Felix Moeller an.

Bild: Gosford Park

Bild: Wilde Erdbeeren


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Leo McCarey

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Das Locarno Festival 2018 ehrt Leo McCarey (1896–1969), der den Stummfilmkomikern Charley Chase, Max Davidson, Stan Laurel und ­Oliver Hardy zu Ruhm verhalf und mit Harold Lloyd, W. C. Fields, Cary Grant und den Marx Brothers SpassKlassiker wie The Milky Way, The Awful Truth und Duck Soup drehte. McCarey schuf aber auch grosse Melodramen wie Love Affair und dessen Remake An Affair to Remember sowie Make Way for Tomorrow, der Ozu zu Die Reise nach Tokio anregte. Bild: Duck Soup

Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

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1968 spiegeln Night of the Living Dead, If .... und Il grande silenzio die Traumata des Vietnamkriegs, der Jugendrebellion und der politischen Attentate in aller Welt. Ich war neun­

zehn erinnert an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, Teorema mischt die Bourgeoisie auf und Erinnerungen an die Unterentwicklung übt Kritik an der unvollendeten Revolution in Kuba. 1978 zeichnen Days of Heaven und Killer of Sheep zwei unterschiedliche Bilder der USA; Baara schildert Missstände in Mali und The Chant of Jimmie Blacksmith die Misere der australischen Aborigines. Olmis L’al­ bero degli zoccoli gemahnt an die karge Existenz italienischer Bauern im 19. Jahrhundert, während La cage aux folles schrilles Schwulsein zelebriert. Schlichter nimmt sich da die Kleine Freiheit der Schweiz aus. Bild: Days of Heaven

Reeditionen Rebecca 43 Das Messer im Wasser 43 Dragon Inn 44 Die Farbe des Granatapfels 44



05

Maggie Smith Wer sie mit A Room with a View entdeckt hat oder sogar erst aus Downton Abbey kennt, kann sich fast nicht vorstellen, dass Maggie Smith ­einmal jung war. Vor sechzig Jahren stand die 1934 geborene Varietéund Theaterschauspielerin in Nowhere to Go zum ersten Mal vor der Kamera – in einer Rolle, die in ihrer Ambivalenz viele spätere vorweg­ zunehmen scheint: forsch und scheu, risikofreudig und ängstlich zugleich, ein gutbürgerliches Mädchen mit einem Hang zur Halbwelt. Unsere Retrospektive zeichnet die vielseitige Laufbahn der Grand Old Lady des britischen Kinos nach. Weltweite Popularität erlangte Dame Maggie Smith durch die Harry-PotterFilme und die TV-Serie Downton Abbey. Ihre zaubernde Schulmeisterin ­Professor Minerva McGonagall repräsentiert sowohl Strenge als auch eine wohlwollende, typisch britische Fairness. Die griesgrämige adlige Witwe ­Violet Crawley verdankt ihre Beliebtheit den pointierten, ironischen Bemerkungen, mit denen sie oft das letzte Wort behält. Autoritätsfiguren und snobistische Ladies gehören zu Maggie Smiths typischen Rollen. Schlank und hochgewachsen, besitzt sie eine majestätische Präsenz, obwohl sie kaum je Königinnen spielte. Stattdessen ist sie oft als stolze Dame zu sehen, beispielsweise in Gosford Park (2001). Als Lady Trentham jammert sie einem aristokratischen Glanz nach und schikaniert gleichzeitig genüsslich ihre Umgebung. Auch ihre Ordnung schaffenden und Disziplin einfordernden Haushälterinnen, Gouvernanten und Gesellschafterinnen wirken häufig wie vornehme Ladies, die sich der eigenen Überlegenheit sehr wohl bewusst sind. Der nasale Ton ihrer theatralischen Stimme eignet sich vorzüglich für Anweisungen und unterstreicht zugleich die Grandiosität dieser Damen. Hinter der Arroganz die Verletzlichkeit Viele ihrer Figuren zeigen ein schroffes, ja brutales Verhalten. Manche machen sich lächerlich, weil sie ihre Arroganz fast schon karikaturenhaft auf die Spitze treiben. Dabei kommt immer wieder eine Verletzlichkeit zum Tragen, welche diese Frauen in einem berührenden Licht erscheinen lässt. So erleben wir Lady Trentham in ihren unsicheren Momenten alleine auf ihrem Zimmer, wo sie sich mit Gurkenscheiben auf den Lidern um ihr vergängliches Selbst kümmert. Als Mrs. Medlock in The Secret Garden (1993) realisiert, wie in­

<

>

Verblendete Lehrerin in The Prime of Miss Jean Brodie > Kauzige Anstandsdame in A Room with a View Chauvinistische Rentnerin in The Best Exotic Marigold Hotel


06 effektiv ihr engstirniges Regime ist, zerbricht ihre Maske und die einstige Tyrannin wird von Schluchzen durchgeschüttelt. Auch die alternde ehemalige Opernsängerin in Quartet (2012) wirkt in ihren Diva-Allüren harsch und sogar grausam und entpuppt sich gleichzeitig als eine zerbrechliche Grande Dame. Statt über die Steifheit und Verblendung dieser Figuren zu lachen, empfinden wir gerade wegen ihrer Fragilität Sympathie. Meisterin der Wandlungsfähigkeit Seit ihrem ersten Leinwandauftritt im britischen Noir-Thriller Nowhere to Go (1958) hat sich Maggie Smith durch eine grosse Vielseitigkeit ausgezeichnet. Oft wird ihr Name mit dem Genre der Komödie assoziiert. Unvergessen bleibt sie beispielsweise als egozentrische Lehrerin in The Prime of Miss Jean Brodie (1969), die in ihrem autoritären Grössenwahn ihre Umgebung völlig falsch liest. In California Suite (1978) stellt Smith eine Schauspielerin dar, die sich ob ihrer Oscarnomination zuerst ungläubig zeigt, dann aber jede Fassung verliert, als sie die Auszeichnung nicht erhält. Doch Dame Smith (die für beide Rollen einen Oscar gewann) besitzt nicht nur ein Gespür für das perfekte komische Timing, sondern auch einen Sinn für dunkle Abgründe. The Lonely Passion of Judith Hearne (1987) zeichnet den psychischen Absturz einer Frau mittleren Alters im katholischen Irland nach. Die einsame Protagonistin verliert ihren Glauben und ertränkt ihre abgrundtiefe Verzweiflung im Alkohol. Die verblüffende Wandlungsfähigkeit der Schauspielerin spiegelt sich in ihrem markanten, ausdrucksstarken Gesicht und vor allem in ihren grossen, blauen Augen, die einen durchdringenden Blick, überraschtes Erstaunen ebenso wie eine tiefe Traurigkeit markieren können. Bereits seit Travels with My Aunt (1972), wo sie, 38-jährig, eine extravagante reife Dame spielt, verkörpert Maggie Smith immer wieder Frauen, die deutlich älter sind als sie selbst. Auch in The Lady in the Van (2015) übernimmt die noch immer jugendlich wirkende Schauspielerin die Hauptrolle der alten Miss Shepherd, einer streitsüchtigen Obdachlosen mit herrschaftlichem Gehabe. Die Auslotung der abstossenden, tragischen und berührenden Seiten dieser Exzentrikerin erlaubt es ihr einmal mehr, die subtilen Nuancen ihrer Schauspielkunst unter Beweis zu stellen. Der Film gilt denn auch als neuer Höhepunkt in Maggie Smiths mittlerweile 60-jähriger Kinokarriere. Barbara Straumann

Barbara Straumann ist Assistenzprofessorin am Englischen Seminar der Universität Zürich.


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Maggie Smith

NOWHERE TO GO

THE PRIME OF MISS JEAN BRODIE

GB 1958

GB/USA 1969

Ein Dieb bricht aus dem Gefängnis aus, gerät aber in Streit mit seinem Komplizen. Nun auch von der Unterwelt gejagt, lernt er eine junge Frau der besseren Gesellschaft kennen, die ihm helfen will. Das Debüt von Seth Holt, der zuvor als Cutter an legendären Komödien der Ealing-Studios gearbeitet hatte, ist ein kompromissloser britischer Noir, getragen von Paul Beesons tiefenscharfer Schwarzweissfotografie und einem stimmigen Jazz-Score von Trompeter Dizzy Reece. «Auch wenn Maggie Smith schon lange alte Damen spielt, ist es nicht so, dass sie nie jung war. Schauen Sie sich dieses Filmdebüt an: Sie war damals 24 Jahre jung (...) und sah schlau, sexy und attraktiv aus.» (David Thomson, newrepublic.com, 25.8.2014) Mit diesem Film erhielt Maggie Smith ihre erste BAFTA-Nominierung.

Edinburgh, 1932. Mit ihrer lebhaften Art hat die Lehrerin Jean Brodie die Schülerinnen für sich gewonnen. Dagegen sieht die Direktorin die konservativen Werte ihrer Schule gefährdet – sie sammelt Belastungsmaterial gegen die junge Lehrerin, um diese hinauszuwerfen. Das gelingt aber nicht, obwohl Miss Brodie Affären im Kollegium beginnt und für die Faschisten schwärmt. Gefahr droht jedoch von ganz unerwarteter Seite. Für die Titelrolle in Roland Neames MurielSpark-Verfilmung The Prime of Miss Jean Brodie erhielt Maggie Smith einen Oscar. «Das war eine Performance, die Smiths volles Talent vor der Kamera aufzeigte, mit all ihren kleinen Tricks in Bezug auf Ton und Betonung, ihre Vorlieben, ihre Eigenarten, die sich auf dem kantigen Profil ihres Gesichts und ihres Körpers abspielten, um harte und geheimnisvolle Gefühle darunter zu verbergen. (...) Sie kann fast alles mit ihrer Stimme machen, sie hoch und tief werden lassen, und manipuliert ihre Worte, bis man von ihnen so verwirrt ist wie Miss Brodies Schülerinnen.» (Dan Callahan, rogerebert.com, 30.12.2015)

89 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Seth Holt // DREHBUCH Seth Holt, Kenneth Tynan, nach einem Roman von Donald ­MacKenzie // KAMERA Paul Beeson // MUSIK Dizzy Reece // SCHNITT Harry Aldous // MIT George Nader (Paul Gregory), Maggie Smith (Bridget Howard), Bernard Lee (Victor Sloane), Bessie Love (Harriet P. Jefferson), Geoffrey Keen (Insp. Scott).

116 Min / Farbe / DCP / E // REGIE Ronald Neame // DREHBUCH Jay Presson Allen, nach dem Roman von Muriel Spark // KAMERA Ted Moore // MUSIK Rod McKuen // SCHNITT

THE HONEY POT USA 1967 Nach dem Besuch einer Vorstellung von Ben ­Jonsons «Volpone» hat ein in Venedig ansässiger Millionär die Idee, den Plot in seinem Leben nachzuspielen, um drei ehemalige Geliebte auf die Probe zu stellen. «In The Honey Pot verbindet Joseph L. Mankiewicz Farce und Krimi mit einer Abhandlung über das Erzählen von Geschichten (...) – das ist pures Vergnügen. (...) Der berühmt-berüchtigte Rex Harrison scheint seine Co-Stars genossen zu haben, aber wenn er mit Maggie Smith, so etwas wie seiner Herausforderin, konfrontiert wird, steigert er sein Spiel und die Funken fliegen.» (David Cairns, mubi.com) 131 Min / Farbe / DCP / E/f // REGIE Joseph L. Mankiewicz // DREHBUCH Joseph L. Mankiewicz, nach dem Theaterstück «Mr. Fox of Venice» von Frederick Knott und dem Roman «The

Norman Savage // MIT Maggie Smith (Jean Brodie), Robert Stephens (Teddy Lloyd), Pamela Franklin (Sandy).

TRAVELS WITH MY AUNT USA 1972 An der Beerdigung seiner Mutter trifft Henry, ein Banker im Ruhestand, zum ersten Mal auf seine totgeglaubte 75-jährige Tante Augusta – eine exzentrische Prostituierte, Diebin und Schmugglerin –, die ihn in einen Strudel aus Abenteuern und Intrigen hineinzieht. Gleichzeitig enthüllen ihre Erinnerungen an die Jugendzeit ein Savoir-vivre, das aus Ironie, Heimtücke und Unschuld besteht. «Die beiden ausgezeichneten Hauptdarsteller – Maggie Smith als überkandidelte Tante und Alec McCowen als spiessiger Bankdirektor, der treuherzig ein Abenteuer wider Willen erlebt – schaffen es, den Zuschauer bis zum Ende gefesselt zu halten.» (moviemaster.de)

Evil of the Day» von Thomas Sterling // KAMERA Gianni Di

108 Min / Farbe / 35 mm / E // REGIE George Cukor // DREH-

Venanzo // MUSIK John Addison // SCHNITT David Brether-

BUCH Jay Presson Allen, Hugh Weeler, nach dem Roman von

ton // MIT Rex Harrison (Cecil Fox), Cliff Robertson (William

Graham Greene // KAMERA Douglas Slocombe // MUSIK Tony

McFly), Maggie Smith (Sarah Watkins), Susan Hayward (Mrs.

Hatch // SCHNITT John Bloom // MIT Maggie Smith (Augusta

Sheridan), Edie Adams (Merle McGill), Capucine (Prinzessin

Bertram), Alec McCowen (Henry Pulling), Louis Gossett Jr.

Dominique), Adolfo Celi (Insp. Rizzi), Hugh Manning (Volpone).

(Wordsworth), Robert Stephens (Ercole Visconti).


> The Lonely Passion of Judith Hearne.

> The Honey Pot.

> A Private Function.

> California Suite.

> Death on the Nile.


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Maggie Smith Jane Fonda (Hannah Warren), Alan Alda (Bill Warren), Walter

DEATH ON THE NILE GB 1978 Eigentlich wollte der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot nur eine erholsame Kreuzfahrt auf dem Nil unternehmen. Doch als die Millionen­ erbin Linnet Ridgeway während ihrer Hochzeitsreise auf dem Dampfer ermordet wird, ist Poirots detektivischer Spürsinn gefordert: Jeder an Bord hätte ein Mordmotiv – und dann werden auch noch zwei weitere Frauen umgebracht. John Guillermins stilvolle Verfilmung des ­Agatha-Christie-Kriminalromans überzeugt mit einer hochkarätigen Besetzung, mit Jack Cardiffs Fotografie und Nino Rotas musikalischer Untermalung. Maggie Smith spielt Bette Davis’ blasierte Gesellschafterin, deren Vater von Linnets Familie in den Ruin getrieben worden war. 140 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE John Guillermin // DREHBUCH Anthony Shaffer, nach dem Roman von Agatha Christie // KAMERA Jack Cardiff // MUSIK Nino Rota // SCHNITT Malcolm Cooke // MIT Peter Ustinov (Hercule Poirot), Maggie Smith (Miss Bowers), David Niven (Col. Johnny Race), Mia Farrow (Jacqueline De Bellefort), Lois ­Chiles (Linnet Ridgeway), Bette Davis (Marie Van Schuyler), Angela Lansbury (Salome Otterbourne), Jane Birkin (Louise Bourget), Jack Warden (Dr. Ludwig Bessner).

CALIFORNIA SUITE USA 1978

Matthau (Marvin Michaels), Elaine May (Millie Michaels), Bill Cosby (Dr. Panama), Richard Pryor (Dr. Gump).

A PRIVATE FUNCTION GB 1984 Im England der Nachkriegszeit ist Fleisch Mangelware. Deshalb ist der Fusspfleger Gilbert auch ziemlich überrascht, als er in seinem Dorf durch Zufall in einem wohlgehüteten Versteck ein gemästetes Schwein entdeckt. Während er selbst noch zögert, ergreift seine Frau Joyce die Initiative und stiehlt das Vieh – doch dieses wird bald schon schmerzlich vermisst. Die Komödie von Malcolm Mowbray karikiert in einer Mischung aus trockenem englischem Witz und bösem Humor kleinbürgerliche Traumwelten und erinnert nicht zuletzt dank Michael Palin an Monty-Python-Filme. Maggie Smith, Denholm Elliott und Liz Smith wurden für ihre Auftritte mit einem BAFTA ausgezeichnet. «Die gesamte Besetzung ist fantastisch; Maggie Smith hat so viel Spass als Palins herrschsüchtige, statusbesessene Frau – es ist die Rolle, mit der sie Lady Macbeth am nächsten kommt, und sie war nicht mehr zu bremsen.» (Norman Wilner, nowtoronto.com, 2.2.2016) 92 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Malcolm Mowbray // DREHBUCH Alan Bennett, nach der Story von Alan Bennett, Malcolm Mowbray // KAMERA Tony Pierce-Roberts // MUSIK John Du Prez // SCHNITT Barrie Vince // MIT Maggie Smith

Fünf Paare kommen ins «Beverly Hills Hotel»: Zwei Chirurgen mit ihren Frauen, ein geschiedenes Autoren-Ehepaar, Marvin, der seiner nach­ gereisten Frau die nackte Schönheit in seinem Bett erklären muss, und die britische Schauspielerin Diana Barrie, die mit ihrem Ehemann anreist, weil sie für den Oscar nominiert ist. Maggie Smith gewann mit California Suite ­ihren zweiten Oscar, als beste Nebendarstellerin, «aber dieser Film war für sie keine glückliche Erfahrung: Regisseur Herbert Ross beschimpfte sie oft, dass sie sich in Tränen auflöste. (...) Obwohl das Neil-Simon-Stück keine Restaurationskomödie ist, schaffen es Smith und Michael Caine, etwas Stilvolles und Berührendes daraus zu machen (...). Ihre gemeinsamen Szenen kann ich mir jederzeit wieder anschauen, denn gerade Smith verwandelt jede einzelne ihrer etwas abgestanden Zeilen in eine prickelnde Köstlichkeit.» (Dan Callahan, rogerebert.com, 30.12.2015) 102 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE Herbert Ross // DREHBUCH Neil Simon // KAMERA David M. Walsh // MUSIK Claude Bolling // SCHNITT Michael A. Stevenson // MIT Maggie Smith (Diana Barrie), Michael Caine (Sidney Cochran),

(Joyce Chilvers), Michael Palin (Gilbert Chilvers), Denholm ­Elliott (Dr. Charles Swaby), Richard Griffiths (Henry Allardyce), Tony Haygarth (Leonard Sutcliff), Bill Paterson (Wormold), Pete Postlethwaite (Douglas J. Nuttal), Liz Smith (Mutter).

A ROOM WITH A VIEW GB 1986 1907: Die junge Engländerin Lucy Honeychurch reist unter der Obhut ihrer prüden Cousine Charlotte nach Florenz. Dort treffen die beiden auf den etwas gewöhnlichen Mr. Emerson und dessen exzentrischen, aber anziehenden Sohn George, der Lucy bei einem gemeinsamen Ausflug unvermittelt küsst. Charlotte bricht die Reise in aller Eile ab und verfrachtet Lucy zurück auf das elterliche Landgut, wo sie den Avancen des aufgeblasenen Snobs Cecil Vyse zu erliegen droht, bis eines Tages die Emersons in der Gegend auftauchen. «A Room with a View ist die Geschichte von George und Lucy, aber es ist auch ein Angriff auf das britische Klassensystem. (...) Im Mittelpunkt steht Lucy, gespielt von Helena Bonham Carter (...). Maggie Smith ist wunderbar kauzig als ihre


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Maggie Smith Begleiterin.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 4.4.1986) Maggie Smith erhielt für ihre Darstellung ­einen BAFTA sowie einen Golden Globe. 117 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE James Ivory // DREHBUCH Ruth Prawer Jhabvala, nach dem Roman von E. M. Forster // KAMERA Tony Pierce-Roberts // MUSIK Richard Robbins // SCHNITT Humphrey Dixon // MIT Maggie Smith (Charlotte Bartlett), Helena Bonham Carter (Lucy Honeychurch), Denholm Elliott (Mr. Emerson), Julian Sands (George Emerson), Daniel Day-Lewis (Cecil Vyse), Judi Dench ­(Eleanor Lavish), Rupert Graves (Freddy Honeychurch), Simon Callow

von der Polizei in einem Nonnenkloster versteckt, wo sie erhebliche Eingewöhnungsprobleme hat; schliesslich wird sie von der Mutter Oberin angewiesen, im Nonnenchor mitzusingen. «Während Emile Ardolinos Nonnenfilmmusical Sister Act von den meisten als Vorzeigeprojekt für die unbestreitbaren komödiantischen Talente der frenetischen Whoopi Goldberg gesehen wurde, war Maggie Smith als missbilligende Mutter Oberin perfekt. Ohne auf Stereotype zurückzugreifen, navigierte sie durch heikles SitcomTerritorium und fügte ihrer Figur Menschlichkeit hinzu.» (Benjamin Lee, The Guardian, 13.11.2015)

(Reverend Beebe), Patrick Godfrey (Reverend Eager). 100 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Emile Ardolino // DREHBUCH Joseph Howard // KAMERA Adam Greenberg //

THE LONELY PASSION OF JUDITH HEARNE GB 1987 Dublin, in den fünfziger Jahren: Judith Hearne, eine vereinsamte alternde Jungfer, verdient sich ihren Lebensunterhalt mit Klavierunterricht und ertränkt ihren Kummer heimlich in Alkohol. Als sie James Madden kennenlernt, der anteilnehmend und ebenfalls auf Hilfe angewiesen zu sein scheint, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn. Doch Maddens Gegenliebe besteht ausschliesslich darin, sie nach Strich und Faden auszunehmen. «Diese Rolle ist der künstlerische Höhepunkt in Maggie Smiths Schaffen, sie spielt sie konzentriert und schonungslos, besonders in der Szene, in der wir ihre Judith nach einer ihrer schwersten Enttäuschungen zum ersten Mal heimlich trinken sehen, und in einer nachfolgenden Szene, in der sie in ihrer gefestigtsten, vernichtendsten und eindringlichsten Stimme ‹Me spirits!› ruft, als jemand­ ihre Whiskey-Flasche versehentlich umstösst.» (Dan Callahan, rogerebert.com, 30.12.2015) 116 Min / Farbe / DCP / E // REGIE Jack Clayton // DREHBUCH Peter Nelson, Brian Moore // KAMERA Peter Hannan // ­MUSIK Georges Delerue // SCHNITT Terry Rawlings // MIT Maggie Smith (Judith Hearne), Bob Hoskins (James Madden), Wendy Hiller (Tante D’Arcy), Ian McNeice (Bernard Rice), ­Marie Kean (Mrs. Rice), Prunella Scales (Moira O’Neill), P ­ eter Gilmore (Kevin O’Neill), Aine Ni Mhuiri (Edie Marinan).

MUSIK Marc Shaiman // SCHNITT Richard Halsey // MIT Whoopi Goldberg (Deloris), Maggie Smith (Mutter Oberin), Kathy Najimy (Schwester Mary Patrick), Harvey Keitel (Vince LaRocca), Bill Nunn (Kommissar Eddie Souther), Wendy Makkena (Schwester Mary Robert).

THE SECRET GARDEN USA 1993 Mary muss nach dem Tod ihrer Eltern zu ihrem Onkel in ein abgelegenes Schloss ziehen. Dort trifft sie auf Colin, dem es aufgrund einer Krankheit verboten ist, das düstere Haus zu verlassen. Auf dem weiten Anwesen findet Mary eines Tages hinter hohen Mauern einen alten verwilderten Garten, der für die beiden Kinder zu einem magischen Ort wird. Das eigentliche Thema von Agnieszka Hollands The Secret Garden «ist der Aufbau menschlicher Beziehungen bis zur Gemeinschaft (...), die Entwicklung gemeinsamer Wege von der Selbstverlorenheit zur heilsamen Selbstfindung. (...) Das alles ergibt sich (...) vorrangig aus dem hervorragenden Spiel der kindlichen Darsteller und der Schauspielkunst von Maggie Smith. (...) Smith überführt ihren an sich eindimensional angelegten Part als strenge Haushälterin an den Klippen des naheliegenden Märchenklischees von böser Stiefmutter/Fee/Hexe vorbei in ein fein schattiertes Menschenbild, das in seiner Glaubwürdigkeit all das ahnen lässt, was eine Persönlichkeit bis zur seelischen Dürre verformen kann.» (Günther Bastian, filmdienst.de)

SISTER ACT

101 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Agnieszka Holland //

USA 1992

DREHBUCH Caroline Thompson, nach dem Roman von Frances Hodgson Burnett // KAMERA Roger Deakins // MUSIK Z ­ bigniew

Deloris Van Cartier, eine aufgedonnerte Nachtclubsängerin mit Ehrgeiz, aber wenig Erfolg, wird Zeugin eines Mordes, woraufhin ihr verheirateter Liebhaber seinen Gefolgsmännern den Auftrag gibt, sie auszuschalten. Zu ihrem Schutz wird sie

Preisner // SCHNITT Isabelle Lorente // MIT Kate ­Maberly (Mary Lennox), Maggie Smith (Mrs. Medlock), Heydon Prowse (Colin Craven), Andrew Knott (Dickon), John Lynch (Lord ­Archibald Craven), Laura Crossley (Martha), Walter Sparrow (Ben Weatherstaff), Irène Jacob (Marys Mutter/Marys Tante).


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Maggie Smith

WASHINGTON SQUARE USA 1997 New York im 19. Jahrhundert: Die etwas zu temperamentvolle und unattraktive Catherine verliebt sich in den gut aussehenden, aber mittel­ losen Townsend. Ihr Vater, ein angesehener Arzt, ist gegen die Heirat. Da er seine Tochter für dümmlich hält, nimmt er sie auf eine lange Europareise mit. Nach der Rückkehr ist sie bereit, ihre gesellschaftliche Stellung und das väterliche Erbe ihrer Liebe zu opfern. Literaturverfilmung nach einer Emanzipationsgeschichte von Henry James, in der Agnieszka Holland neben dem Vater-Tochter-Drama vor ­allem einen aktuellen Aspekt herausarbeitet: den Kampf einer jungen Frau um ihre Selbstachtung in einer vom Besitzdenken der Männer dominierten Welt. «Maggie Smith stiehlt oft die Schau als ­Catherines verwitwete Tante Lavinia, die derart von Melodramen angetan ist, dass sie unerwartete Freude an dem Gentleman-Besucher findet, auch wenn er gar nicht ihretwegen kommt.» ­(Janet Maslin, nytimes.com, 3.10.1997) 115 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Agnieszka Holland // DREHBUCH Carol Doyle, nach dem Roman von Henry James // KAMERA Jerzy Zielinski // MUSIK Jan A. P. Kaczmarek // SCHNITT David Siegel // MIT JenniferJason Leigh (Catherine Sloper), Albert Finney (Dr. Austin Sloper), Maggie Smith (Tante Lavinia Penniman), Ben Chaplin (Morris Townsend).

GOSFORD PARK GB/USA 2001 England, 1932: Sir William McCordle hat zu einem Jagdwochenende auf seinen Landsitz eingeladen. Während die Gäste sich mit gutem Essen, Alkohol und gegenseitigen Sticheleien die Zeit vertreiben, beobachten die zahllosen Bediensteten die Ränkespiele der feinen Herrschaften. Doch dann wird der Gastgeber ermordet aufgefunden – ein Motiv für die Tat hätten mehrere der Anwesenden. «‹Ich ertrage keine Dummköpfe, aber sie ertragen mich ebenso wenig, daher bin ich stachelig. Vielleicht bin ich deshalb ziemlich gut darin, kratzbürstige ältere Damen zu spielen.› Der Klassiker dieser Art ist natürlich Lady Trentham in Gosford Park – Smith spielt sie als gepanzerte und rigide Person, die ihr inneres Chaos gebieterisch unter Kontrolle hält.» (Suzie Mackenzie, The Guardian, 20.11.2004) «Dialoge für Smith zu schreiben sei für einen ambitionierten Drehbuchautor das reinste Vergnügen, sagt Julian Fellowes, der spätere Schöpfer von Downton Abbey. ‹Sie hat eine unglaubliche nar-

rative Intelligenz, versteht immer genau, warum eine Textzeile so dasteht – die Präzision einer Gehirnchirurgin.›» (Emine Saner, freitag.de, 3/2015) 131 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Robert Altman // DREHBUCH Julian Fellowes, nach einer Idee von Robert Altman, Bob Balaban // KAMERA Andrew Dunn // MUSIK Patrick Doyle // SCHNITT Tim Squyres // MIT Maggie Smith (Countess of Trentham), Helen Mirren (Mrs. Wilson), Michael Gambon (William McCordle), Kristin Scott Thomas (Sylvia McCordle), Stephen Fry (Insp. Thompson), Emily Watson (Elsie), Clive Owen (Robert Parks), Derek Jacobi (Probert).

KEEPING MUM GB/USA 2005 In einer Kleinstadt lebt die Pfarrersfamilie Goodfellow. Während Reverend Walter sich auf seine immer weniger werdenden Schäfchen konzentriert, beginnt seine Gattin eine Affäre mit ihrem Golflehrer, sein Sohn wird in der Schule gemobbt und seine Tochter hat nichts anderes als ihre Sexabenteuer im Sinn. Mitten in dieses Chaos platzt die charmante und liebenswerte Haushälterin Grace, die die Antwort auf alle Probleme zu sein scheint. «Das Erfolgsgeheimnis von Niall Johnsons Keeping Mum liegt, abgesehen vom witzigen Drehbuch, in der ungewöhnlichen Besetzung. (...) Eine ‹Comedy-Masterclass› wird von Maggie Smith geboten. Die Ehrfurcht gebietende Leinwand-Veteranin verbindet die Sanftheit einer schrulligen Oma mit einem Blick, der tötet, und blutrünstigen Lösungen für alltägliche Probleme (...). Britische Mainstream-Komödien gut hinzu­ kriegen, ist bekanntlich schwer (...), deshalb ist Keeping Mum ein Film, der begeistert.» (Adrian Hennigan, bbc.co.uk) 99 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Niall Johnson // DREHBUCH Richard Russo, Niall Johnson // KAMERA Gavin Finney // MUSIK Dickon Hinchliffe // SCHNITT Robin Sales // MIT Maggie Smith (Grace Hawkins), Rowan Atkinson (Pfarrer Walter Goodfellow), Kristin Scott Thomas (Gloria Goodfellow), Patrick Swayze (Lance, der Golflehrer).

THE BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL GB 2011 Sieben britische Rentnerinnen und Rentner machen sich auf in ihre frühere Kronkolonie, nach Indien. Ihre Gründe sind sehr unterschiedlich, aber sie haben eines gemeinsam: Alle checken sie im «Best Exotic Marigold Hotel» ein. Und alle haben etwas Besseres erwartet, doch das Hotel erweist sich als heruntergekommene Bruchbude.


> Keeping Mum.

> Sister Act.

> My Old Lady.


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Maggie Smith «Der Film ist tatsächlich ein Feelgood-Movie der gehobenen Art, in dem viel eintrifft, was man erwartet hat. (...) Aber John Madden überrascht dann doch: Aus der konventionellen Struktur des Films gewinnt er Zwischentöne, Nuancen, manchmal eine erstaunliche Komplexität.» (Hans Schifferle, epd-film.de, 1.3.2012) «‹Nichts an Maggie ist Klischee›, sagt Madden. ‹Sie hat eine grosse Wärme und einen wunderbar sarkastischen Witz, den sie lasergenau anzuwenden versteht.›» (Emine Saner, freitag.de, 3/2015) 124 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE John Madden // DREHBUCH Ol Parker, nach dem Roman «These Foolish

länderin, die behauptet, ihr sei das lebenslange Wohnrecht vertraglich zugesichert. Widerwillig muss sich Mathias nicht nur mit der alten Dame, sondern auch mit deren Tochter arrangieren. «Kevin Kline, Kristin Scott Thomas und Maggie Smith (...) begeistern durch ihre Schauspielkunst. (...) Smith, die grosse Exzentrikerin, wird im ödipalen Gefühlssturm der Best Ager, die immer noch Mutter und Vater für die Versäumnisse ihres Lebens verantwortlich machen, nicht geschont, doch ihre raumgreifende Präsenz und ihr Timing holen die greinenden alten Kinder auf den Boden solider Schauspielkunst zurück.» (Claudia Lenssen, Der Tagesspiegel, 22.11.2014)

Things» von Deborah Moggach // KAMERA Ben Davis // MUSIK Thomas Newman // SCHNITT Chris Gill // MIT Maggie

107 Min / Farbe / Digital HD / E/d // DREHBUCH UND REGIE Is-

Smith (Muriel Donnelly), Judi Dench (Evelyn Greenslade),

rael Horovitz // KAMERA Michel Amathieu // MUSIK Mark Or-

Bill Nighy (Douglas Ainslie), Dev Patel (Sonny Kapoor).

ton // SCHNITT Stephanie Ahn, Jacob Craycroft // MIT Maggie Smith (Mathilde Girard), Kevin Kline (Mathias Gold), Kristin

QUARTET GB 2012 Cissy, Reggie und Wilfred leben in aller Beschaulichkeit in einer Residenz für ehemalige Opernsänger. Doch mit der Ankunft von Jean Horton gerät die Routine ins Wanken. Die berüchtigte Diva wirbelt das ganze Haus durcheinander. Wird es gelingen, sie zur Mitarbeit bei der jährlichen Verdi-Gala zu bewegen? Inspiriert von Daniel Schmids Il bacio di Tosca (1984), erzählt Dustin Hoffman in seinem Regiedebüt von «Altersgenossen und verwandten Künstlerseelen, in welche er sich einzufühlen vermochte – das beweist sein fideler und bewegender Film. (...) Die sehr verschiedenen Charaktere erlangen bemerkenswert scharfe Profile, allen voran die launenhafte Sopranistin Jean, gespielt von der einmal mehr ausgezeichneten Maggie Smith, welche in ihrer Paraderolle der leicht blasierten und indignierten Grande Dame brilliert.» (Susanne Ostwald, NZZ, 23.1.2013) 94 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Dustin Hoffman // DREHBUCH Ronald Harwood // KAMERA John de Borman // MUSIK Dario Marianelli // SCHNITT Barney Pilling // MIT Maggie Smith (Jean Horton), Tom Courtenay (Reggie Paget), Billy Connolly (Wilfred Bond), Pauline Collins (Cissy Robson), Michael Gambon (Cedric Livingstone).

MY OLD LADY GB/Frankreich/USA 2014

Scott Thomas (Chloé Girard), Dominique Pinon (Auguste).

THE LADY IN THE VAN (PREMIERE) GB 2015 In den 70er-Jahren will die obdachlose Miss Shepherd ihren klapprigen Kastenwagen nur vorübergehend in der Einfahrt des Theaterautors Alan Bennett abstellen. Doch sie bleibt – 15 Jahre lang. Zwischen dem Autor und der exzentrischen alten Dame entwickelt sich eine merkwürdige Bindung. Was in diesen Jahren alles passiert ist, umkreist Bennetts Theaterstück, das 1999 mit grossem Erfolg aufgeführt wurde. Nicholas Hytner, der bereits die Bühnenfassung inszenierte, adaptierte das Stück mit Bennett zusammen für die Leinwand. Und wer anders als Maggie Smith sollte Miss Shepherd spielen, nachdem sie bereits mit dieser Rolle auf der Bühne reüssiert hatte? «The Telegraph» feierte ihre Darbietung als «Maggiest of all Maggie Smith performances» ihrer späteren Jahre. «Eine von Maggie Smiths einzigartigen schauspielerischen Qualitäten wurde von Bennett auf den Punkt gebracht, als er sagte: ‹Es ist der schmale­Grat zwischen Lachen und Tränen, auf dem Maggie jeweils balanciert.› (...) Regisseur Hytner sagte über Smith: ‹Es gibt nichts, was sie nicht kann (...), ihre imaginative wie auch ihre körperliche Energie ist aussergewöhnlich. Sie treibt sich ständig selbst an, etwas besser zu machen.›» (Jessamy Calkin, The Telegraph, 24.12.2016) 104 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Nicholas Hytner //

Der New Yorker Mathias Gold ist pleite. Da kommt ihm der Tod seines Vaters gar nicht so ungelegen, denn er erbt ein grosses Apartment in Paris. Als er es verscherbeln will, muss er feststellen, dass da noch jemand wohnt: Es ist eine 92-jährige Eng-

DREHBUCH Alan Bennett // KAMERA Andrew Dunn // MUSIK George Fenton // SCHNITT Tariq Anwar // MIT Maggie Smith (Miss Shepherd), Alex Jennings (Alan Bennett), Jim Broadbent (Underwood), Roger Allam (Rufus), Deborah Findlay (Pauline), Claire Foy (Lois), Nicholas Burns (Giles Perry).


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Ingmar Bergman Am 14. Juli 2018 zelebriert nicht nur Schweden den 100. Geburtstag ­seines grössten Regisseurs; die ganze Filmwelt feiert Ingmar Bergman und setzt sich mit ihm aufs Neue auseinander. Das Filmpodium zeigt zehn seiner Meisterwerke und eine Handvoll frischer Kurzfilme, die sich an seinem Schaffen reiben. Wer wie Woody Allen Ingmar Bergman als «den grössten Regisseur» bezeichnen möchte, gerät nicht so schnell in Argumentationsnot. Wohl unerreicht ist er in seiner Doppelfunktion als Theater- und als Filmschaffender. Und einzigartig ist er darin, dass (mit einer Ausnahme) alle seine Filme auf Original­ drehbüchern fussen. Zu den rund vier Dutzend Langfilmen kommen mehr als 170 Theaterinszenierungen sowie um die 50 Hörspielinszenierungen. Er war aber auch Intendant, zweimal des Dramaten, des Königlichen Dramatischen Theaters in Stockholm. Auf der Bühne, für die er auch selbst Stücke schrieb, hat er wieder und wieder seine Fixsterne inszeniert: Shakespeare, Molière, ­Ibsen und Strindberg. Bergman und die Frauen In Schweden und darüber hinaus war Ingmar Bergman bald einmal eine Figur des öffentlichen Interesses geworden; so wurden die Schockwellen der «Steuer­ affäre» weltweit registriert, als Steuerfunktionäre, bejubelt von der Linken, ihn Ende Januar 1976 aus den Proben zu Strindbergs «Der Totentanz» im Dramaten heraus abführen liessen. Diese Aufmerksamkeit war zum Teil «Skandalfilmen» wie Der Sommer mit Monika, Die Jungfrauenquelle und insbesondere Das Schweigen geschuldet, welch letzterer – sein schönster Film, ein Klassiker der Moderne – in verschiedenen Ländern zu Zensureingriffen und andererseits zu Besucherrekorden geführt hatte. Spannend las sich aber eben auch der Fortsetzungsroman Bergman und die Frauen: Fünfmal war er verheiratet, ohne die mehrjährige Beziehung mit Liv Ullmann zu zählen, der die Tochter Linn entsprang – als neuntes seiner Kinder, die lang kaum voneinander wussten und in einem Fall erst spät erfuhren, wer ihr Vater war. Doch Bergman wäre nicht Bergman gewesen, wenn er dieses Liebeskarussell nicht auch für den Film zu nutzen verstanden hätte. Nicht von ungefähr gilt er als Frauenregisseur par excellence. Dabei suchte er stets künstlerische Lösungen. So geht es in Der Sommer mit Monika eben

< >

Psychologischer Pas de deux: Persona Üppige Familiensaga: Fanny und Alexander


16 nicht nur um Harriet Anderssons verführerisch-sinnliche Körperlichkeit. In der Schlüsselszene, gegen Schluss, lässt er die Schauspielerin satte 27 Sekunden, eine gefühlte Ewigkeit, wortlos in die Kamera blicken. Dass die «Schlampe vom Gemüsehändler» Ehemann und Baby sitzen lässt, ist das eine. Skanda­ löser noch war der Durchbruch der vierten Wand zum Publikum hin, das mit dieser Szene zum Komplizen der Titelheldin gemacht wird. Die Szene verweist auf die zunehmende Bedeutung des Gesichts in seinem Werk: als tendenziell ins Ewige ausgreifender Augen-Blick und als Projektionsfläche, auf der es sich mit andern Gesichtern paart und schliesslich zum «zweiten Gesicht» wird. Geboren am 14. Juli 1918 war Ingmar Bergman ein Sonntagskind und gemäss schwedischem Volksglauben daher mit der Fähigkeit des Hellsehens begabt. Ikonische Bilder Nicht von ungefähr endet Fanny und Alexander mit der Vorbereitung von Strindbergs «jüngstem Stück», mit dem das Theater wiedereröffnet werden soll, nun unter Leitung der Frauen, die ohnehin schon den ganzen Film über das starke Geschlecht waren. Die «Erinnerung», mit der «Ein Traumspiel» anhebt, formuliert das künstlerische Prinzip Ingmar Bergmans, der das Stück viermal für die Bühne inszeniert hat, auch für seine Filme: den «Versuch, die unzusammenhängende, aber scheinbar logische Form des Traums nachzubilden. Alles kann geschehen, alles ist möglich und wahrscheinlich. Zeit und Raum existieren nicht. (…) Die Personen spalten sich auf, verdoppeln sich, vertreten einander, verflüchtigen sich, verdichten sich, zerfliessen, sammeln sich wieder.» Persona wird diese Prozesse künstlerisch radikal neu denken. Selten dürfte der Begriff «nächtliches Gesicht» in seiner Doppelbedeutung eine vergleichbar suggestive Auslegung erfahren haben wie hier. Und so bleibt das filmische Werk des Magus des Nordens ebenso mit ikonischen Bildern verbunden – dem Ritter, der in Das siebente Siegel an einer schwarzen Felsenküste mit dem Tod den Kampf am Schachbrett aufnimmt, der PietàFigur, die der Sterbenskranken in Schreie und Flüstern etwas Linderung gewährt – wie mit eben mit diesen Forschungsreisen in die Gefilde der Selbst­ ergründung, der Umnachtung und der Nacht. Christoph Egger Christoph Egger war lange Jahre verantwortlicher Redaktor für Film der NZZ. Seit seiner Pensionierung schreibt er weiterhin auch über Filmisches und mit besonderem Interesse über Skandinavisches.


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Ingmar Bergman 90 Min / sw / DCP / Schwed/d // DREHBUCH UND REGIE­

DER SOMMER MIT MONIKA

Ingmar Bergman // KAMERA Gunnar Fischer // MUSIK ­Erik

(Sommaren med Monika) Schweden 1953

(Prof. Isak Borg), Ingrid Thulin (Marianne Borg), Bibi A ­ ndersson

«Ein Junge und ein Mädchen, beide noch keine zwanzig, brechen für einen Sommer lang aus ihren beengenden Familien- und Arbeitsverhältnissen aus und geben sich in den Schären dem Moment, der Natur und der Leidenschaft hin. Das Ende des Sommers und die Schwangerschaft des Mädchens zwingen sie zurück in die Strassen Stockholms, wo die Liebe der Ernüchterung weicht. Hervorgegangen aus einer Episode von Sehnsucht der Frauen und wenige Wochen später schon abgedreht, ist dies einer der einfachsten und ­poetischsten Filme Bergmans. Furore machte die Unverblümtheit, mit der Bergman Harriet ­Anderssons selbstbewusste Erotik und rebellische Rotznasigkeit in Szene setzt. Vieles, das in Halbstarkenfilmen jener Zeit erst junge Männer ausleben, das Tagediebetum, die sexuelle Aggressivität und die Verachtung für kleinbürgerliche Spiessigkeit, wird hier von einem Mädchen vorgeführt. Traumhaft zudem Bergmans Feier der schwe­dischen Sommernächte, die als kurzer Ausnahmezustand des Rauschs und der Sorg­ losigkeit erscheinen.» (Andreas Furler, Programmheft Filmpodium, Feb/März 2007) 96 Min / sw / DCP / Schwed/d // REGIE Ingmar Bergman // DREHBUCH Ingmar Bergman, Per Anders Fogelström, nach dessen Roman // KAMERA Gunnar Fischer // MUSIK Erik Nordgren, Eskil Eckert-Lundin, Walle Söderlund // SCHNITT Tage Holmberg, Gösta Lewin // MIT Harriet Andersson

Nordgren // SCHNITT Oscar Rosander // MIT Victor Sjöström (Sara), Gunnar Björnstrand (Dr. Evald Borg), Folke Sundquist ­(Anders), Björn Bjelvenstam (Viktor).

DAS SIEBENTE SIEGEL (Det sjunde inseglet) Schweden 1957 «Das siebente Siegel ist ein Drama über Glaube und Zweifel in mittelalterlichem Kostüm, das erste von Bergmans grossen Legenden- und Mysterienspielen aus den 50er- und 60er-Jahren. Der Tod ist die Hauptperson in Das siebente Siegel. Der Ritter Antonius Block, der seine besten Jahre in Kreuzfahrerlanden sinnlos verrinnen sah, spielt mit dem Tod Schach, und erst als er sein Geschick akzeptiert, kann er mit seinem Opfertod die wenigen wirklich Lebenstüchtigen retten: die naive Gauklerfamilie Jof, Mia und Kleinkind auf dem Wege in ein anderes Land, eine neue Heilige Familie auf der Flucht. Doch nichts ist in dem Film eindeutig. Die vielen Fragen erfahren selten eine Antwort. Bergman selbst hat das Werk ein Oratorium genannt, in dem viele Stimmen die gleiche Frage stellen: Was ist der Sinn des Lebens?» (Gösta Werner, Programmheft Filmmuseum München, Sept. 2006) «Ein Film von schwankender Qualität, der meinem Herzen nahesteht, weil er unter primitiven Verhältnissen mit einem grossen Aufgebot an Vitalität und Lust gedreht wurde.» (Ingmar Bergman)

­(Monika), Lars Ekborg (Harry), John Harryson (Lelle), Georg Skarstedt (Harrys Vater), Dagmar Ebbesen (Harrys Tante), Naemi Briese (Monikas Mutter).

95 Min / sw / DCP / Schwed/d // DREHBUCH UND REGIE Ingmar Bergman // KAMERA Gunnar Fischer // MUSIK Erik Nordgren // SCHNITT Lennart Wallén // MIT Max von Sydow

WILDE ERDBEEREN (Smultronstället) Schweden 1957 Ein 78-jähriger Medizinprofessor (gespielt vom schwedischen Filmregisseur Victor Sjöström) fährt für eine Auszeichnung von Stockholm nach Lund und entdeckt dabei in einer Mischung aus Träumen, Visionen und Erinnerungsbildern seine eigene Vergangenheit wieder. «Wird Bergman etwa sentimental, wundert sich vielleicht der eine oder andere voller Schrecken. Nein, das wird er nicht – solange man nicht Sentimentalität mit Gefühl gleichsetzt. (…) Das unterscheidet ihn von der grossen Horde der Unterhalter und Publikumsspekulanten: das echte Gefühl. (…) Sollte es unter Filmkennern immer noch Gegner von Ingmar Bergman geben, so sollten diese von Wilde Erdbeeren ganz bekehrt werden.» (Ellen Liliedahl, Svenska Dagbladet, 27.12.1957)

(Antonius Block), Gunnar Björnstrand (Jöns), Nils Poppe (Jof), Bibi Andersson (Mia), Bengt Ekerot (der Tod), Gunnel Lindblom (das stumme Mädchen).

DIE JUNGFRAUENQUELLE (Jungfrukällan) Schweden 1960 Im Mittelalter wird die halbwüchsige Tochter ­eines Bauern auf dem Weg zur Kirche von Hirten vergewaltigt und getötet. Als die Täter kurz darauf bei dem Bauern übernachten wollen, erkennt dieser, dass sie sein Kind ermordet haben, und nimmt furchtbare Rache. «Bergmans Filme können und dürfen nicht für abstrakte Grübeleien gehalten werden, geschweige denn für ausgewogene Debatten. Sie sind in heftiger und ekstatischer Weise offen für die Beweiskraft der Sinne; man spürt, wie jedes


> Das siebente Siegel.

> Die Jungfrauenquelle.

> Das Schweigen.

> Der Sommer mit Monika.


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Ingmar Bergman Quäntchen Erfahrung wie ein Regenschauer auf die Figuren einprasselt. Die Eltern, die in Die Jungfrauenquelle am Ende in einem Wald ihr totes Kind in den Armen wiegen, sind in Trauer vereint und gebeugt, aber weil wir sie von oben betrachten, in einem Tableau des Wehklagens, und weil der Sonnenschein, der die Lichtung durchflutet, himmlisch anmutet, wirkt die Stimmung ruhig und merkwürdig gesegnet – was kurz darauf bewiesen wird, als sie den Leichnam der Tochter aufheben und Wasser aus dem Boden quillt, auf dem sie gelegen hat. Der Titel bezieht sich, wie wir nun erkennen, auf ein Wunder.» (Anthony Lane, The New Yorker, 7.2.2018) 89 Min / sw / DCP / Schwed/d // REGIE Ingmar Bergman // DREHBUCH Ulla Isaksson // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK Eric Nordgren // SCHNITT Oscar Rosander // MIT Max von ­Sydow (Töre), Birgitta Valberg (Märeta), Gunnel Lindblom ­(Ingeri), Birgitta Pettersson (Karin), Axel Düberg (schmächtiger Hirte), Tor Isedal (stummer Hirte), Allan Edwall (Bettler).

DAS SCHWEIGEN (Tystnaden) Schweden 1963

fallen und seither verstummt ist, in einem Landhaus am Meer betreuen. Die Krankenschwester kuschelt sich vertrauensselig plappernd ins geheimnisvolle Lächeln ihrer Patientin ein, gesteht ihr ihre intimsten Geheimnisse und wird in der Traumdämmerung einer schwedischen Sommernacht wortwörtlich von ihr vereinnahmt. Dann kommt der Verrat: ein mokanter Brief, in dem die Schauspielerin ihrer Ärztin vom Plappermaul berichtet. Die Krankenschwester liest ihn, und damit beginnt der Film neu: als Vertreibung aus dem Paradies, als Rachefeldzug der Gekränkten, die ihrer Dämonin zusetzt, bis diese schreit. Persona ist beides: ganz einfach und unendlich schwierig, vollkommen transparent und absolut rätselhaft. Die Interpretationen des Films füllen Bände, die Faszination bleibt. Nur Bergman konnte es fertigbringen, Bibi Andersson und Liv Ullmann, seine verflossene und seine damalige Geliebte, so symbiotisch verschmelzen zu lassen. Der Dialog- und Bildermagier auf dem Gipfel seiner Kunst.» (Andreas Furler, Programmheft Filmpodium, Feb/März 2007) 84 Min / sw / DCP / Schwed+E/d // DREHBUCH UND REGIE Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK Lars Jo-

«‹Zwei Schwestern und ein Junge stranden in ­einer mächtigen, kriegerischen Stadt mit einer unbegreiflichen Sprache.› So beschrieb Bergman den narrativen Kern seines umstrittensten Films, der auch eine Zensurdebatte auslöste, weil er in der Darstellung von Sexualität für die frühen 60erJahre ungewöhnlich freizügig war. Der Junge ist das Medium. Er beobachtet die Entfremdung der beiden Schwestern voneinander, die Sehnsucht der schwerkranken Übersetzerin Ester nach der Zuneigung von Anna, die wiederum aus dem Hotel in kleine Abenteuer flüchtet, die sie in einem Kino anbahnt. Das Schweigen handelt von sexueller Initiation. Die Rezeption wurde aber vor allem ­ durch theologische Begriffe geprägt: Gottes Schweigen entsprach am besten der vagen poli­ tischen Allegorie des Films.» (Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum, 1/2004) 95 Min / sw / DCP / Schwed/d // DREHBUCH UND REGIE Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK Ivan Renliden // SCHNITT Ulla Ryghe // MIT Ingrid Thulin (Ester), Gunnel Lindblom (Anna), Jörgen Lindström (Johan), Håkan Jahnberg (Etagenkellner), Birger Malmsten (Barkellner), die «Eduardini» (Artistentruppe), Eduardo Gutiérrez (Impresario).

PERSONA Schweden 1966 «Zwei Frauen in einer und zwei Filme in einem: Eine Krankenschwester soll eine Schauspielerin, die auf der Bühne unvermittelt aus ihrer Rolle ge-

han Werle // SCHNITT Ulla Ryghe // MIT Bibi Andersson (Alma), Liv Ullmann (Elisabet Vogler), Margareta Krook (die Ärztin), Gunnar Björnstrand (Herr Vogler), Jörgen Lindström (der Junge).

DIE STUNDE DES WOLFS (Vargtimmen) Schweden 1968 Der erste und surrealste Teil von Bergmans FåröTrilogie, in der Liv Ullmann und Max von Sydow jedes Mal ein anderes Paar spielen und das Gefangensein des Menschen in seinen Fantasien, Ängsten und Hoffnungen durchdeklinieren, ist «eine brillante Horror-Fantasie über einen verschwundenen Künstler, der nur ein Tagebuch hinterlassen hat. Durch Letzteres bewegen wir uns in Rückblenden und sehen eine klassisch Bergmansche Fallgeschichte über einen Künstler, der von der Dunkelheit, seinen Dämonen und den Geschöpfen seiner Einbildung verfolgt und allmählich zerstört wird. Das tentakelartige Wachsen dieser Obsession wird mit der Bergman auszeichnenden Virtuosität als faszinierender Strom von surrealen, expressionistischen und handfesten Horrorszenen gestaltet. (...) Ist der Künstler Meister seiner Dämonen oder wird er von ihnen besessen? So fragt der Film nach der Natur der Kreativität und gibt ein bemerkenswertes Gegenstück zu Persona ab.» (Tom Milne, Time Out Film Guide) 89 Min / sw / DCP / Schwed/d // DREHBUCH UND REGIE ­Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK Lars


> Die Stunde des Wolfs.

> Passion.

> Schreie und FlĂźstern.


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Ingmar Bergman ­Johan Werle // SCHNITT Ulla Ryghe // MIT Liv Ullmann (Alma),

91 Min / Farbe / DCP / Schwed/d // DREHBUCH UND REGIE

Max von Sydow (Johan Borg), Erland Josephson (Baron von

Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK Frédéric

Merkens), Gertrud Fridh (Corinne von Merkens), Ingrid Thulin

Chopin, Johann Sebastian Bach // SCHNITT Siv Lundgren //

(Veronika Vogler), Georg Rydeberg (Archivar Lindhorst).

MIT Harriet Andersson (Agnes), Ingrid Thulin (Karin), Liv ­Ullmann (Maria/Marias Mutter), Kari Sylwan (Anna), Erland

PASSION (En passion) Schweden 1969 «Der letzte Teil von Bergmans Fårö-Trilogie ist der erste, in dem er die Farbe atmosphärisch nutzt, und dramaturgisch eine der raffiniertesten Beziehungsstudien seines Werks. Im Zentrum steht für einmal keine Frau, sondern ein Mann, der auf der kargen Insel nach diversen Schiffbrüchen in seinem Berufs- und Liebesleben das zurückgezogene Leben eines Frühpensionärs führt und seine Isolation nur in der Bekanntschaft mit einem Architektenpaar durchbricht. Nach einer Affäre mit der verloren wirkenden Frau des Architekten kommt er mit deren Freundin Anna zusammen, die ihren Mann und ihr Kind bei einem von ihr verschuldeten Verkehrsunfall verloren hat. Doch auch diese leidenschaftslos-freundliche Schicksalsgemeinschaft wird schliesslich überschattet und vergiftet von unverheilten Wunden, stillen und immer lauteren Vorwürfen, mit denen das Paar eigentlich sein Vorleben wiederholt. Die letzte Szene erst offenbart so überraschend wie schlagend, wie buchstäblich die Figuren unter Wiederholungszwang stehen.» (Andreas Furler, Programmheft Filmpodium, Jan/Feb 2007)

Josephson (David, der Arzt), Anders Ek (Pastor Isak).

FANNY UND ALEXANDER (Fanny och Alexander) Schweden/BRD 1982 Die mit vier Oscars gekrönte Summe eines Werks, das Epos des skandinavischen Bürgertums, in dem Bergman aufgewachsen ist, gezeichnet mitsamt seinen ökonomischen Wurzeln, seiner Beziehung zur Religion und zum Theater. «Angeblich soll Fanny und Alexander autobiografisch sein und meine Kindheit porträtieren. Der zwölfjährige Alexander sei mein Alter Ego. Das ist nicht ganz richtig. Fanny und Alexander ist eine Geschichte, die Chronik einer Familie der Mittelklasse, vielleicht der oberen Mittelklasse, in einer mittelgrossen schwedischen Stadt um 1910, wo man eng zusammenhält. Die Mater familias ist die dominierende Grossmutter mit ihren drei verheirateten Söhnen. Fanny und Alexander ist ein grosser Gobelin mit einer Menge Menschen, Farben, Häusern, Wäldern, geheimnisvollen Verstecken und nächtlichen Himmeln – alles vielleicht ein wenig romantisch, aber nur so viel, dass man es noch aushalten kann.» (Ingmar Bergman) 188 Min / Farbe / DCP / Schwed+D+Jidd+E+F/d // DREHBUCH

101 Min / Farbe + sw / DCP / Schwed/d // DREHBUCH UND RE-

UND REGIE Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MU-

GIE Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK

SIK Daniel Bell // SCHNITT Sylvia Ingemarsson // MIT Bertil

­Johann Sebastian Bach, Allan Gray // SCHNITT Siv Kanälv //

Guve (Alexander Ekdahl), Pernilla Allwin (Fanny Ekdahl), Ewa

MIT Max von Sydow (Andreas Winkelman), Liv Ullmann (Anna

Fröling (Emilie Ekdahl), Gunn Wallgren (Helena Ekdahl), Jarl

Fromm), Bibi Andersson (Eva Vergérus), Erland Josephson

Kulle (Gustav Adolf Ekdahl), Erland Josephson (Isak Jacobi),

(Elis Vergérus), Erik Hell (Johan Andersson), Sigge Fürst

Allan Edwall (Oscar Ekdahl).

(Verner), Svea Holst (Verners Frau).

BERGMAN REVISITED (PREMIERE) SCHREIE UND FLÜSTERN (Viskningar och rop) Schweden 1972 «Drei Schwestern und eine Bedienstete: In einem Landhaus wartet die krebskranke Agnes auf den Tod. Sie wird vom Dienstmädchen Anna gepflegt, während die Schwestern Karin und Maria, die mit ihren Ehemännern angereist sind, tief in die eigenen Probleme verstrickt sind. (...) Die Frauen sind Gefangene des Interieurs, in dem sich eine puritanische Gesellschaft ihre Form gibt: Standuhren, Reifröcke, Paravents. Nur die Dienerin Anna hat die Vision eines anderen Zustands.» (Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum, 1/2004)

Schweden 2018 Sechs Kurzfilme von heutigen schwedischen Filmschaffenden setzen sich mit Person, Werk und Mythos von Ingmar Bergman auseinander, auf spielerische, bewundernde, aber auch kritische Weise. Zu den Mitwirkenden zählen Bergman-erprobte Darstellerinnen wie Gunnel Lindblom und Pernilla August, aber auch neue Exponentinnen und Exponenten des schwedischen Kinos wie Tomas Alfredson. Siehe auch Editorial und Details unter www.filmpodium.ch 86 Min / Farbe + sw / Digital HD / Schwed+E/e // REGIE ­Tomas Alfredson, Jane Magnusson, Liv Strömquist, Pernilla August, Linus Tunström, Patrik Eklund, Lisa Aschan.



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Leo McCarey Leo McCarey (1896–1969), Sohn eines irischen Box-Promoters, studierte Jura, ging aber zum Film. In der Stummfilmära zelebrierte er ­Slapstick, später drang sein Katholizismus durch und liess ihn Komik mit Besinnlichkeit unterlegen. Das 71. Locarno Festival widmet dem vielseitigen Filmemacher seine Retrospektive; das Filmpodium zeigt daraus einige Schlüsselwerke. Leo McCarey zählt zu jenen Hollywood-Regisseuren, deren Namen nur noch wenigen ein Begriff sind, dabei war er einmal der bestverdienende Cineast der USA. Betrachtet man seine Filmografie, ist für fast jede und jeden ein Lieblingsfilm dabei: Sei es der wohl beste Kurzfilm mit Laurel und Hardy, Liberty (1929), der geniale Marx-Brothers-Klamauk Duck Soup (1933), die CultureClash-Komödie Ruggles of Red Gap (1935), die klassische Screwball Comedy The Awful Truth (1937) mit Cary Grant oder das zweimal gedrehte Melodram um eine fast unmögliche Liebe, Love Affair (1939) bzw. An Affair to Remember (1957) – McCareys Sinn für Komik und Timing machte selbst potenziell tranige Geschichten lebendig und erschloss ihnen ein breites Publikum. Er arbeitete mit den heute zu Unrecht vergessenen Stummfilm-Stars Charley Chase, Max Davidson, Marion Byron und Anita Garvin, drehte mit Mae West, als der Hays Code eingeführt wurde, half Eddie Cantor in The Kid from Spain (1932) und Harold Lloyd in The Milky Way (1936), als Tonfilmkomiker zu reüssieren, und setzte in Six of a Kind (1934) W. C. Fields ein Denkmal. Märchen und Menschlichkeit Zeitlebens sportlich, gut aussehend und distinguiert, machte McCarey in ­Hollywood schnell Karriere. Ab 1918 lernte er als «Script Girl» bei Tod Browning viel über das Kinohandwerk und die Macht des Autorenfilmers. 1923 heuerte er bei den Hal Roach Studios an und stieg dank guter Zusammenarbeit mit Charley Chase bald zum Drehbuchautor und Regisseur auf. Seine Idee, Stan Laurel und Oliver Hardy als Paar einzusetzen, bescherte allen dreien grossen Erfolg und ebnete McCarey den Weg zur Inszenierung von Spielfilmen. Über sein Schaffen sagte McCarey: «Ich weiss nicht, worin meine Formel besteht. Ich weiss nur, dass ich es mag, wenn meine Figuren in den Wol< > >

Links: Nüchterne Studie über den Generationenkonflikt: Make Way for Tomorrow Rechts: Spassige Sportfilm-Parodie: The Milky Way Unten: Komödie über kulturelle Gegensätze: Ruggles of Red Gap


24 ken schweben. Mir gefällt ein Anflug von Märchen. Sollen andere die Hässlichkeit der Welt filmen. Ich will den Menschen keinen Kummer bereiten» (zitiert in Wes D. Gehring: Leo McCarey, Scarecrow Press 2005). Ähnlich wie sein Freund Frank Capra war McCarey also in erster Linie Unterhalter, befasste sich aber in vielen Filmen auf populistische Weise mit den Nöten des kleinen Mannes. Im Bing-Crosby-Hit Going My Way (1944), dessen Fortsetzung The Bells of St. Mary’s (1945) und in Good Sam (1948) mit dem CapraStar Gary Cooper liess McCarey christliche Nächstenliebe über amerikanisches Gewinnstreben siegen, ohne dabei den Humor aus den Augen zu verlieren: Crosby ist als katholischer Priester modern, schwärmt für Baseball und Jazz, greift Demimonde-Damen ungeniert unter die Arme und stellt Menschlichkeit auf Erden über den Lohn im Himmel. Cooper als guter Sam(ariter) wird ebenso oft absurd ausgenutzt wie dankbar belohnt. Hält er die andere Backe hin, kriegt er meist noch eine gescheuert, wie die glücklosen Helden in ­McCareys Stummfilmen. Katholizismus gegen Kommunismus Nur selten meinte es McCarey ganz ernst: Make Way for Tomorrow (1937) war eine wegweisende Studie über den Generationenkonflikt der Moderne, und der damals 39-jährige Cineast ergriff darin Partei für die überforderten Eltern vom Lande, die im Leben ihrer verstädterten Kinder keinen Platz mehr finden; Yasujiro Ozu liess sich davon zu Die Reise nach Tokio (1953) inspirieren. In My Son John (1952) spann der immer katholischer gewordene ­McCarey dieses Thema weiter, in einer Weise, die heute eher unangenehm berührt: Hier hat der erwachsene Sohn eines Provinzlerpaars nicht nur die Bibelgläubigkeit und den bornierten Patriotismus seines Vaters hinter sich gelassen, sondern ist zum Spion für die Sowjets geworden. Sicher steht für ­McCarey das Drama der Mutter im Dilemma zwischen dem unkritischen Konservatismus ihres Gatten und den kommunistischen Ansichten ihres Sohnes im Zentrum, aber My Son John ist klar vom McCarthyismus geprägt. ­McCarey trat denn auch freiwillig vor dem House Un-American Activities Committee auf, weigerte sich jedoch, jemanden zu denunzieren. Obschon er den Kommunismus verabscheute, wies er den Ausschuss 1947 zu Recht d ­ arauf hin, dass die kommunistische Partei der USA nicht verboten sei und ihr anzugehören deshalb auch kein Verbrechen sei – ein Beleg dafür, dass McCarey selbst dann noch Menschlichkeit über Ideologie stellte. Michel Bodmer


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Leo McCarey

CHARLEY CHASE KURZFILME Charley Chase (eigentlich: Charles Parrott) war bereits ein arrivierter Filmemacher, als Leo ­McCarey bei den Hal Roach Studios anheuerte. Chase wechselte vor die Kamera, und McCarey drehte mit ihm klassische Komödien über einen sympathischen Durchschnittsbürger, der in aussergewöhnliche Bredouillen gerät.

MIGHTY LIKE A MOOSE USA 1926

ISN’T LIFE TERRIBLE? USA 1925

DOG SHY USA 1926

MUM’S THE WORD USA 1926

Stummfilme. Gesamtdauer: 86 Min. Inhaltsangaben und Details: www.filmpodium.ch FR, 14. SEPT. | 18.15 UHR LIVE-BEGLEITUNG: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)

MAX DAVIDSON KURZFILME

LIBERTY USA 1929

BIG BUSINESS USA 1929

THE BATTLE OF THE CENTURY USA 1927

THE FINISHING TOUCH USA 1928

Stummfilme. Gesamtdauer: 76 Min. Inhaltsangaben und Details: www.filmpodium.ch DO, 13. SEPT. | 18.15 UHR LIVE-BEGLEITUNG: NEIL BRAND, LONDON (PIANO) SA, 8. SEPT. | 15.30 UHR Vorführung mit Musik ab Tonspur

KOMIKERINNEN KURZFILME Nachdem er Stan Laurel und Oliver Hardy zum Erfolgsgespann gemacht hatte, liess McCarey ­ auch ihre weiblichen Ko-Stars, die hochgeschossene Anita Garvin und die kleine Marion Byron, als Comedy-Team auftreten. Als weitere starke Komödiantin ist Fay Holderness mit von der Partie.

THE BOY FRIEND USA 1928

Max Davidson zählte jahrelang zu den Top-Stars der Hal Roach Studios. Seine Filme drehen sich zumeist um die Nöte eines jüdischen Familien­ vaters mit nichtsnutzigen Söhnen und einer schönen Tochter, die unpassende Verehrer anzieht.

FEED ’EM AND WEEP

JEWISH PRUDENCE

A PAIR OF TIGHTS

USA 1927

USA 1929

DON’T TELL EVERYTHING

Stummfilme. Gesamtdauer: 75 Min. Inhaltsangaben und Details: www.filmpodium.ch

USA 1927

CALL OF THE CUCKOO USA 1927

PASS THE GRAVY USA 1928

Stummfilme. Gesamtdauer: 88 Min. Inhaltsangaben und Details: www.filmpodium.ch DO, 30. AUG. | 18.15 UHR LIVE-BEGLEITUNG: GÜNTER A. BUCHWALD, FREIBURG I. BR. (PIANO, VIOLINE)

LAUREL & HARDY KURZFILME Stan Laurel war ein brillanter britischer Komiker, und Oliver Hardy hatte in mehreren Streifen von McCarey als Nebendarsteller mitgewirkt. ­McCarey ahnte, dass die Kombination der beiden eine neue Dynamik entfesseln würde, und «Dick und Doof» waren geboren.

USA 1928

GOING GA-GA USA 1929

DO, 23. AUG. | 18.15 UHR LIVE-BEGLEITUNG: MARTIN CHRIST, LIGERZ (PIANO)

INDISCREET USA 1931 Als sie feststellt, dass ihr Geliebter Jim ihr untreu ist, macht Gerry Trent mit ihm Schluss – nicht zuletzt, weil sie gerade einen Roman liest, dessen Protagonist seinen Impulsen gehorcht. Bald da­ rauf lernt sie Tony Blake, den Autor von «Obey That Impulse», kennen und verliebt sich in ihn. Sie wollen heiraten, und Tony weiss, dass es in Gerrys Vergangenheit einen anderen Mann gab, aber solange sie mit ihm nichts mehr zu schaffen hat, kann er damit leben. Doch dann muss Gerry feststellen, dass Jim sich als jüngste Gespielin ihre nichtsahnende Schwester Joan geangelt hat. Gemeinsam mit Joans alter Flamme Buster be-


> Liberty.

> Feed ’em and Weep.

> Don’t Tell Everything.

> Dog Shy.

> The Kid from Spain.

> Indiscreet.


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Leo McCarey schliesst sie, Jim von Joan abzubringen, und setzt dabei ihre Beziehung zu Tony aufs Spiel. Gloria Swanson, hauptsächlich als Stummfilm-Tragödin bekannt, brilliert hier als Komödiantin in einem frühen und freizügigen Pre-CodeTonfilm und lässt sich unter McCareys Regie gar für Slapstick-Szenen gewinnen. (mb) 75 Min / sw / Digital SD / E // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Buddy G. DeSylva, Lew Brown, Leo McCarey, nach e ­ iner Geschichte von Buddy G. DeSylva, Lew Brown, Ray Henderson // KAMERA Ray June, Gregg Toland // SCHNITT Hal C. Kern // MIT Gloria Swanson (Geraldine «Gerry» Trent), Ben Lyon (Tony Blake), Monroe Owsley (Jim Woodward), Barbara Kent (Joan Trent), Arthur Lake (Buster Collins).

THE KID FROM SPAIN USA 1932 Eddie und Ricardo werden von der Uni verwiesen, weil man sie im Schlafsaal der Studentinnen ertappt hat. Ricardo kehrt in seine Heimat Mexiko zurück und lädt Eddie ein, ihn zu besuchen. Das tut Eddie schliesslich unfreiwillig, denn aufgrund eines Missverständnisses wird er als Bankräuber von der Polizei gesucht. In Mexiko hält man den mickrigen Kerl irrtümlich für einen legendären spanischen Stierkämpfer, und so gerät Eddie von einer Bredouille in die andere. Der jüdische Komiker und Sänger Eddie Cantor war eines der besten und lukrativsten Pferde in Samuel Goldwyns Stall. Mitten in der Wirtschaftskrise setzte der Studio-Mogul viel Geld auf diese musikalische Komödie, und Regisseur Leo McCarey landete damit einen ersten Tonfilm-Hit. Busby Berkeley choreografierte zwischen Cantors klamaukigen Einlagen aufwändige Tanznummern mit den Goldwyn Girls, darunter Betty Grable und Paulette Goddard. Cantors Komik schliesst auch eine für heutige Begriffe peinliche Blackface-Nummer ein, aber neben vielen Faxen macht er auch absurde Wortspiele, die McCareys nachfolgendem Film, dem Marx-Brothers-Meilenstein Duck Soup, entstammen könnten. (mb) 95 Min / sw / Digital SD / E // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH William Anthony McGuire, Bert Kalmar, Harry Ruby // KAMERA Gregg Toland // MUSIK Alfred Newman // SCHNITT Stuart Heisler // MIT Eddie Cantor (Eddie Williams), Lyda ­Roberti (Rosalie), Robert Young (Ricardo), Ruth Hall (Anita Gomez), John Miljan (Pancho), Noah Beery (Alonzo Gomez).

DUCK SOUP USA 1933 Die Marx-Brothers regieren den Operettenstaat Freedonia. «Ihre Respektlosigkeit erreicht hier

eine besondere Explosivität, weil sie sich am ­Geschäft der Politik entzündet. Diktatur wird vorgeführt als blutige Hanswurstiade, und das im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland. (...) Groucho, zum Staatspräsidenten avanciert, höhlt die Autorität von innen heraus. Er macht Staatspolitik mit dem Hirn ­ eines übergeschnappten Kleingewerblers. Der geschäftsmässig-logische Verstand triumphiert über alles, und der Krieg wird unvermeidbar, auch wenn der Feind bereit ist, ihn zu verhindern. ‹Zu spät! Ich habe das Schlachtfeld schon für ­einen Monat gemietet.›» (Fritz Hirzel) McCarey wollte eigentlich nicht mit den Marx Brothers drehen, da er ihren Ruf als Chaoten kannte. Er führte auf dem Set ein straffes Regime und rang dem Quartett Meisterleistungen ab, ­darunter die legendäre Nummer mit dem Spiegel. Ungebremst von Romanzen und Musikeinlagen ist dies der vielleicht rasanteste und dichteste Marx-Brothers-Film überhaupt. 69 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Bert Kalmar, Harry Ruby, Arthur Sheekman, Nat Perrin // ­KAMERA Henry Sharp // MUSIK John Leipold (­ ungenannt) // SCHNITT LeRoy Stone (ungenannt) // MIT Groucho Marx ­(Rufus T. Firefly), Harpo Marx (Pinky), Chico Marx (Chicolini), Zeppo Marx (Bob Roland), Margaret Dumont (Mrs. Gloria Teasdale), Raquel Torres (Vera Marcal), Louis C ­alhern ­(Botschafter Trentino), Edgar Kennedy (Strassenverkäufer), ­Leonid Kinskey (Agitator), Edmund Breese (Zander).

HOG WILD USA 1930 Ollies Frau will, dass er fürs Radio eine Antenne installiert. Mit Stans Hilfe klettert er beherzt aufs Dach, aber Hochmut kommt vor dem Fall.

SIX OF A KIND USA 1934 Der Bankangestellte Whinney und seine Frau Flora sind seit 20 Jahren verheiratet und wollen zum ersten Mal Urlaub machen: In diesen zweiten Flitterwochen fahren sie per Auto nach Hollywood und zurück. Um die Reisekosten zu senken, sucht Flora per Annonce nach Mitfahrern, und das beknackte Paar George und Gracie meldet sich samt einer Dogge. Ein krimineller Kollege jubelt dem ahnungslosen Whinney einen Koffer voll geklautes Geld unter, und so wird die Truppe bald von der Polizei gesucht. Der Sheriff von Nuggetville interessiert sich sehr für das Diebesgut, aber da hat die Wirtin des dort abgestiegenen Quartetts ein Wörtchen mitzureden. McCarey presst sechs damals beliebte Komikerinnen und Komiker in eine Stunde Film und


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Leo McCarey gewinnt daraus viele witzige Momente. Der Höhepunkt ist aber eindeutig W. C. Fields’ Solonummer am Billardtisch. (mb) HOG WILD 19 Min / sw / 35 mm / E // REGIE James Parrott // DREHBUCH Leo McCarey, H. M. Walker // KAMERA Jack Stevens // ­MUSIK Marvin Hatley // SCHNITT Richard C. Currier // MIT Stan Laurel (Stan), Oliver Hardy (Ollie), Fay Holderness (Mrs. Hardy), Dorothy Granger (Dienstmädchen/Passantin), Charles McMurphy (Tramfahrer).

SIX OF A KIND 60 Min / sw / Digital SD / E/f // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Walter DeLeon, Harry Ruskin, nach einer Story von Keene Thompson, Douglas MacLean // KAMERA Henry Sharp // MUSIK John Leipold, Ralph Rainger // SCHNITT LeRoy Stone // MIT Charles Ruggles (J. Pinkham Whinney), Mary Boland (Flora Whinney), W. C. Fields (Sheriff John Hoxley), George Burns (George Edward), Gracie Allen (Gracie Devore), Alison Skipworth (Mrs. K. Rumford).

BELLE OF THE NINETIES USA 1934

RUGGLES OF RED GAP USA 1934 1908 verliert der Earl of Burnstead seinen höchst properen Butler Marmaduke Ruggles bei einem Pokerspiel in Paris an den vulgären amerikanischen Rancher Floud. Dieser schleppt Ruggles zurück nach Red Gap, Washington, und der britische Diener findet sich im ungehobelten, aber auch klassenlosen Westen erstaunlich gut zurecht. «Charles Laughton war der Star dieser mit Recht bejubelten Version der altehrwürdigen ­Komödie von Harry Leon Wilson. (...) Der Film, ruhig und zurückhaltend inszeniert von Leo ­ ­McCarey, ist so ziemlich unwiderstehlich, sogar seine grosse Szene – Laughton, als englischer Butler im Wilden Westen, rezitiert in einem Saloon Lincolns ‹Gettysburg Address›, während die Kamera über die ehrfürchtigen Gesichter der Cowboys schwenkt. Das ist etwas dick aufgetragen, aber es funktioniert zauberhaft.» (Pauline Kael, 5001 Nights at the Movies) 90 Min / sw / 35 mm / E+F // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Walter DeLeon, Harlan Thompson, Humphrey Pearson

Tingeltangel-Sängerin Ruby Carter ist mit dem Boxer Tiger Kid liiert, aber dessen Manager sabotiert ihre Beziehung. Enttäuscht nimmt Ruby ein Engagement in Ace Lamonts Sensation House in New Orleans an. Ace verguckt sich bald in seine neue Sängerin, zum Verdruss seiner Freundin Molly. Und dann taucht Tiger Kid auf. 1934 wurde der neue Hays Code streng angewandt, und viele von Mae Wests anzüglichen Wortspielen wurden ihr aus dem Drehbuch gestrichen. Einige kesse Sprüche sind allerdings dringeblieben, und Leo McCarey, ein Jazz-Fan, räumt der Musik viel Raum ein. «Einmal mehr singt Miss West wunderbaren Honky-Tonk-Blues – vielleicht noch besser als üblich. Diesmal zählen die Songs ‹When a St. Louis Woman Goes Down to New Orleans›, ‹Troubled Waters›, ‹My Old Flame› und ‹Memphis Blues› dazu, und Duke Ellington und sein Orchester (manchmal im Bild, manchmal im Off) liefern die Musik dazu, sodass man Johnny Hodges, Barney Bigard, Cootie Williams und die ganze Truppe zu sehen bekommt.» (Pauline Kael, 5001 Nights at the Movies, Marion Boyars 1993) 73 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Mae West // KAMERA Karl Struss // MUSIK Arthur Johnston, Sam Coslow // SCHNITT LeRoy Stone // MIT Mae West (Ruby Carter), Roger Pryor (Tiger Kid), Johnny Mack Brown (Brooks

// KAMERA Alfred Gilks // MUSIK Ralph Rainger, Sam Coslow // SCHNITT Edward Dmytryk // MIT Charles Laughton (Marmaduke Ruggles), Mary Boland (Effie Floud), Charles Ruggles (Egbert Floud), Roland Young (Earl of Burnstead), ZaSu Pitts (Mrs. Judson), Leila Hyams (Nell Kenner).

THE MILKY WAY USA 1936 Der schmächtige Milchmann Burleigh verteidigt die Ehre seiner Schwester Mae, die von zwei Betrunkenen belästigt wird. Im Handgemenge ­ gehen die beiden Übeltäter k.o., und als sich he­ rausstellt, dass der eine, Speed McFarland, Boxweltmeister im Mittelgewicht ist, jubelt die Presse den arglosen Burleigh zur neuen Box-Hoffnung empor. Speeds Manager Sloan steigt darauf ein und lässt Burleigh in getürkten Kämpfen triumphieren, um ihn dann von Speed vom Thron stossen zu lassen. Burleigh steigt der Ruhm zu Kopf, was seiner Freundin Polly gar nicht gefällt. Leo McCarey war als Sohn eines Box-Promoters der perfekte Regisseur für diesen Klamauk, der das Sportgeschäft auf die Schippe nimmt. Harold Lloyd, einer der Stars der Stummfilmkomik, überzeugt auch in diesem Tonfilm, aber die besten Sprüche klopft Verree Teasdale als abgeklärte Freundin des Box-Managers Sloan. (mb)

Claybourne), Katherine DeMille (Molly Brant), John Miljan (Ace Lamont), James Donlan (Kirby), Stuart Holmes (Dirk),

89 Min / sw / Digital SD / E // REGIE Leo McCarey, Ray McCarey,

Harry Woods (Slade).

Norman Z. McLeod // DREHBUCH Grover Jones, Frank Butler, Richard Connell, nach einem Theaterstück von Lynn Root,


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Leo McCarey Harry Clork // KAMERA Alfred Gilks // SCHNITT LeRoy Stone // MIT Harold Lloyd (Burleigh Sullivan), Adolphe Menjou (Gabby Sloan), Verree Teasdale (Ann Westley), Helen Mack (Mae ­Sullivan), William Gargan (Speed McFarland), George Barbier (Wilbur Austin), Dorothy Wilson (Polly Pringle), Lionel Stander (Spider Schultz).

MAKE WAY FOR TOMORROW USA 1937 «Zur Zeit der Great Depression: Ein älteres Ehepaar muss aufgrund einer Zwangsvollstreckung sein Haus verlassen. Nur widerwillig nehmen die Kinder ihre Eltern auf. Für die Geschwister ist es eine Zwischenlösung. Sie wollen ihre Eltern so schnell wie möglich wieder abschieben. 1938 reagierte der Regisseur Leo McCarey in seiner Dankesrede mit Unverständnis auf den gewonnenen Oscar für The Awful Truth. Er hätte ihn lieber für Make Way for Tomorrow aus dem gleichen Jahr erhalten. Der wurde bei der Preisverleihung jedoch komplett ignoriert und war auch ein finanzieller Misserfolg. Von Regisseuren wie Ford, Renoir, Capra oder Lubitsch hingegen verehrt, diente der Film später als Inspiration für ­Yasujiro Ozus Die Reise nach Tokio.» (Marius Kuhn, Programmheft Filmpodium, Feb/März 2017) «Nie vergesse ich meine Begeisterung, als ich den Film das erste Mal sah. Die Vorführung bleibt für mich eines der eindrucksvollsten Kinoerlebnisse. Die beinahe magische Art, wie McCarey das Pathos, das einer solchen Geschichte anhaftet, umschifft, triefendes Mitleid, eine herablassende Haltung und moralisierende Sermone vermeidet, liess mich erstarren. Es war, als ob ein Pfeil mich getroffen hätte und in meinem Herz stecken geblieben wäre.» (Bertrand Tavernier, criterion. com, 23.2.2010) 92 Min / sw / DCP / E // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Viña Delmar, nach einem Roman von Josephine Lawrence und dem Theaterstück von Helen und Nolan Leary // KAMERA William C. Mellor // MUSIK George Antheil, Victor Young // SCHNITT LeRoy Stone // MIT Beulah Bondi (Lucy Cooper), Victor Moore (Barkley Cooper), Thomas Mitchell (George Cooper), Fay Bainter (Anita Cooper), Porter Hall (Harvey Chase).

THE AWFUL TRUTH USA 1937 «Eine klassische Screwball Comedy über eins der Lieblingsthemen des alten Hollywood: das geschiedene Paar, das beinahe mit neuen Geliebten ins Bett geht, dann aber wieder zusammenfindet. Irene Dunne und Cary Grant sind die Sparringpart-

ner, und Ralph Bellamy spielt so etwa die gleiche Rolle wie später in His Girl Friday. Irene Dunnes Umgang mit Witzen besteht darin, freundlich zu lächeln und sie auszuwringen, aber hier ist sie in Bestform. (...) Leo McCarey inszeniert das erstklassig; in einer denkwürdigen Sequenz gegen den Schluss hin versucht Grant eine Tür dazu zu bringen, ohne sichtbare Einwirkung aufzugehen.» (Pauline Kael, 5001 Nights at the Movies) 91 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Viña Delmar, nach dem Theaterstück von Arthur Richman // KAMERA Joseph Walker // MUSIK Ben Oakland // SCHNITT Al Clark // MIT Irene Dunne (Lucy Warriner), Cary Grant (Jerry Warriner), Ralph Bellamy (Daniel Leeson), Alexander D’Arcy (Armand Duvalle), Cecil Cunningham (Tante Patsy), Molly Lamont (Barbara Vance), Esther Dale (Mrs. Leeson), Joyce Compton (Dixie Belle Lee), Robert Allen (Frank Randall), Robert Warwick (Mr. Vance), Mary Forbes (Mrs. Vance).

LOVE AFFAIR USA 1939 Dieser Film ist derzeit leider nur online verfügbar. Details und Link unter www.filmpodium.ch bei An Affair to Remember.

ONCE UPON A HONEYMOON USA 1942 Der amerikanische Radiojournalist Patrick O’Toole begegnet 1938 in Wien der ehemaligen Tingeltangel-Dame Katie O’Hara, die unter neuem Namen den österreichischen Baron von Luber heiraten will. Der Baron ist heimlich ein Spion der Nazis, und jedes Land, das er und die nichtsahnende Katie auf ihrer Hochzeitsreise besuchen, wird kurz darauf von Hitler besetzt. O’Toole versucht Katie dazu zu bringen, von Lubers Pläne mit seiner Hilfe zu durchkreuzen, und verliebt sich dabei in sie. Als Leo McCarey Once Upon a Honeymoon inszenierte, war die Situation in Europa schon deutlich schlimmer als zur Zeit von Lubitschs ähnlich schwarzer Kriegskomödie To Be Or Not to Be. So bleibt einem denn zwischen den Screwball-Comedy-Einlagen von Cary Grant und Ginger Rogers öfter mal das Lachen im Halse stecken. Erstaunlich mutet allerdings an, mit welcher schonungslosen Souveränität hier Hitler und seine Politik expliziert und aufs Korn genommen werden. (mb) 115 Min / sw / Digital SD / OV/f // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Sheridan Gibney, nach einer Story von Sheridan ­Gibney, Leo McCarey // KAMERA George Barnes // MUSIK Robert Emmett Dolan // SCHNITT Theron Warth // MIT Cary Grant (Patrick O’Toole), Ginger Rogers (Katie O’Hara / Katherine


> Once upon a Honeymoon.

> An Affair to Remember.

> Six of a Kind.

> Good Sam.

> Going My Way.

> Belle of the Nineties.

> The Bells of St. Mary’s.


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Leo McCarey Butt-Smith), Walter Slezak (Baron Franz von Luber), ­Albert Dekker (Gaston Le Blanc), Albert Bassermann (General Borelski), Ferike Boros (Elsa).

GOING MY WAY USA 1944 Die Kirche St. Dominic’s ist baufällig und überschuldet, der altehrwürdige Pater Fitzgibbon müde. Also schickt der Bischof den jungen, sportlichen Pater O’Malley in die Kirchgemeinde, um das Gotteshaus aufzumöbeln und Fitzgibbon allmählich abzulösen. O’Malley kann die verwahrlosenden Jungen der Nachbarschaft zu einem Chor zusammenschweissen, bewahrt eine Möchtegern-Sängerin vor dem Abgleiten in die Sünde und bietet dem geldgierigen Gläubiger von St. Dominic’s die Stirn. McCareys menschenfreundlicher Katholizismus durchdringt diese märchenhafte Komödie und wahrt die heikle Balance zwischen unterhaltsamer Parabel und Predigertum. Wesentlichen Anteil am Gelingen des Unterfangens haben Bing Crosby als pragmatischer Priester mit Sinn für Musik und Barry Fitzgerald als sein knorriger irischstämmiger Gegenspieler. Going My Way gewann sieben Oscars und wurde kurz vor Kriegsende zu einem Kassenschlager, der ein Sequel nach sich zog. (mb) 126 Min / sw / Digital SD / E/d // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Frank Butler, Frank Cavett, nach einer Story von Leo McCarey // KAMERA Lionel Lindon, John F. Seitz // MUSIK Robert Emmett Dolan // SCHNITT LeRoy Stone // MIT Bing Crosby (Pater Chuck O’Malley), Barry Fitzgerald (Pater Fitz-

­ egenpart auftritt. Als alleinerziehende Mutter, G deren Tochter O’Malley in St. Mary’s unterbringt, ist Martha Sleeper zu sehen, die in McCareys Stummfilm-Komödien mitgewirkt hatte. (mb) 126 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Dudley Nichols, nach einer Story von Leo McCarey // KAMERA George Barnes // MUSIK Robert Emmett Dolan // SCHNITT Harry Marker // MIT Bing Crosby (Pater Chuck O’Malley), ­Ingrid Bergman (Schwester Mary Benedict), Henry Travers (Horace P. Bogardus), William Gargan (Joe Gallagher), Ruth Donnelly (Schwester Michael), Joan Carroll (Patsy ­Gallagher), Martha Sleeper (Mary Gallagher).

GOOD SAM USA 1948 Sam Clayton ist Geschäftsführer eines Kauf­ hauses, aber er ist so freigebig, dass seine Familie nie auf einen grünen Zweig kommt. Obschon sie seine Menschenfreundlichkeit grundsätzlich schätzt, möchte Sams Frau Lu, dass er sich nicht nur um das Glück oft undankbarer Fremder, sondern auch um die Erfüllung der Wünsche seiner Liebsten kümmert. «Gary Cooper spielt einen (im Jahre 1948) ­zeitgenössischen guten Samariter, der feststellt, dass ein Leben nach dem Gebot christlicher Nächstenliebe dazu führt, dass eine endlose Parade von Schnorrern und Schmarotzern seine Grosszügigkeit ausnutzt – eine Ursache von Stolz und Frustration für die echte Heilige der Familie, Sams ewig duldsame Frau, gespielt von Ann Sheridan.» (Dave Kehr, moma.org, 2016)

gibbon), Frank McHugh (Pater Timothy O’Dowd), James Brown (Ted Haines Jr.), Gene Lockhart (Ted Haines Sr.), Jean

130 Min / sw / Digital HD / E // REGIE Leo McCarey // DREH-

Heather (Carol James), Porter Hall (Mr. Belknap).

BUCH Ken Englund, nach einer Story von Leo McCarey, John D. Klorer // KAMERA George Barnes // MUSIK Robert

THE BELLS OF ST. MARY’S USA 1945

­Emmett Dolan // SCHNITT James C. McKay // MIT Gary Cooper (Sam Clayton), Ann Sheridan (Lu Clayton), Ray Collins (Pfarrer Daniels), Edmund Lowe (H. C. Borden), Joan Lorring (Shirley Mae), Clinton Sundberg (Nelson).

Pater O’Malley muss sich wieder einer maroden Kirche annehmen: St. Mary’s in New York ist verbunden mit einer Primarschule, die von Nonnen geführt wird. Als Schulleiterin amtet Schwester Mary Benedict, deren aufmüpfiges Wesen den bisherigen Priester in die Erschöpfung getrieben hat. Die Mutter Oberin legt sich auch mit dem Baulöwen Bogardus an, der die Kirche einebnen und durch Parkplätze ersetzen will. O’Malley hat bald alle Hände voll zu tun. Als Vorbild für Schwester Mary Benedict diente Leo McCareys gleichnamige Tante, die als Nonne in Hollywood lebte und wie die Filmfigur gerne boxte, Baseball spielte und viel Humor hatte. Die echte Mary Benedict coachte denn auch Ingrid Bergman, die im Film als Bing Crosbys

MY SON JOHN USA 1952 Die Jeffersons sind eine katholische KleinstadtBilderbuchfamilie. Papa Dan ist bibelfester Lehrer, seine Gattin Lucille mit Hingabe Hausfrau und Mutter; die jüngeren beiden Söhne melden sich zur Marine, denn in Korea herrscht Krieg. Nur der älteste Sohn, John, der studiert hat und in Washington für die Regierung arbeitet, hegt andere Vorstellungen von Nächstenliebe. Seine Eltern sorgen sich, dass John Kommunist sein könnte. Das Auftauchen eines FBI-Agenten bestätigt ihre Befürchtungen.


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Leo McCarey Unter dem Einfluss des Koreakriegs verhärtete sich McCareys katholische Gesinnung zum Antikommunismus. Auch heute kann man zwar Anteil am Zwiespalt der Mutter nehmen, deren Sohn vom Vater buchstäblich die Bibel auf den Kopf gehauen bekommt und die gleichzeitig feststellen muss, dass John offenbar alles, was sie ihm beigebracht hat, verraten will. Vor allem aber zeigt dieser Film, welches vergiftete Klima nach dem Krieg in den USA herrschte und McCarthys Kommunistenhatz begünstigte, der unter anderem auch viele Filmschaffende zum Opfer fielen. (mb) 122 Min / sw / Digital HD / E // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Myles Connolly, Leo McCarey, John Lee Mahin // KAMERA Harry Stradling Sr. // MUSIK Robert Emmett Dolan // SCHNITT Marvin Coil // MIT Helen Hayes (Lucille Jefferson), Van Heflin (Stedman), Dean Jagger (Dan Jefferson), Robert Walker (John Jefferson), Minor Watson (Dr. Carver), Frank McHugh (Pater O’Dowd), Richard Jaeckel (Chuck Jefferson), James Young (Ben Jefferson).

AN AFFAIR TO REMEMBER USA 1957

«Leo McCarey, der Mann, der Stan Laurel und ­Oliver Hardy zusammenbrachte (...), schuf auch den Inbegriff des Liebesfilms, vielleicht weil er wusste, wie man den Humor drin behält. Tatsächlich hat er dieselbe Geschichte zweimal gedreht, mit verschiedener Besetzung, im Abstand von 18 Jahren. Die erste Fassung, Love Affair, entstand 1939 mit Charles Boyer und Irene Dunne; die zweite Fassung, An Affair to ­Remember (1957) mit Cary Grant und Deborah Kerr, diente als Katalysator für Nora Ephrons E ­ rfolgskomödie Sleepless in Seattle. (...) Die emotionale Wirkung der Cary-Grant-Version mag stärker sein, vielleicht weil Grants Image, anders als Boyers, oft komisch war, sodass die dramatischen Töne hier als Kontrast umso schwerer zu Buche schlagen. (...) Die Kombination von Komödie und Liebesdrama gehört zu den schwierigsten Mischungen überhaupt; McCarey beherrschte sie meisterhaft, und An Affair to Remember ist ein vollkommenes Beispiel dafür.» (Peter Bogdanovich, indiewire.com, 21.5.2012) 115 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Leo McCarey // DREHBUCH Delmer Daves, Leo McCarey, Donald Ogden ­Stewart, nach der Story von Leo McCarey, Mildred Cram //

Ein Mann und eine Frau, beide anderweitig verlobt, lernen sich auf einem Ozeandampfer kennen und verlieben sich. Sechs Monate nach der Ankunft in New York wollen sie sich auf dem Empire State Building wiedersehen, aber dann schlägt das Schicksal zu.

DIE REISE NACH TOKIO (Tokyo monogatari) Japan 1953 Yasijiro Ozus Spätwerk Die Reise nach Tokio gilt nicht nur als Höhepunkt in seinem Schaffen, sondern auch als Meilenstein der Filmgeschichte. Ozu selbst hat anerkannt, dass diese traurige Fabel über den Zerfall einer Familie von Leo McCareys Make Way for Tomorrow inspiriert war. Ein altes Ehepaar bricht in einer Provinzstadt auf, um seine längst erwachsenen Kinder in Tokio zu besuchen. Nach einigen Tagen fahren die Eltern nach Hause zurück, mit der Erkenntnis, dass ihre Kinder ganz anders leben, als sie sich das vorgestellt haben. «Die Reise nach Tokio ist ein Meisterwerk, in dem Ozu seine gesamte Filmkunst voll entfaltet und eine eigene ästhetische Welt geschaffen hat. (…) In diesem Film illustriert Ozu sehr gut die traditionellen japanischen Familienstrukturen, die durch die zunehmende Modernisierung der Ge-

KAMERA Milton R. Krasner // MUSIK Hugo Friedhofer // SCHNITT James B. Clark // MIT Cary Grant (Nickie Ferrante), Deborah Kerr (Terry McKay), Richard Denning (Kenneth Bradley), Neva Patterson (Lois Clark), Cathleen Nesbitt (Grossmutter Janou), Robert Q. Lewis (Ansager).

sellschaft zerstört werden. In dem Masse, wie die jüngere Generation sich zu Kleinfamilien verselbständigt, verliert der Sippenverband immer mehr an Bedeutung. ‹So etwas kommt fast in jeder Familie vor, vielleicht weil sie gerade durch die Blutsverwandtschaft zu sehr an die Liebe untereinander gewöhnt sind. In dieser Geschichte sind die Eltern von ihren eigenen Kindern enttäuscht und fühlen sich verlassen. Das Eltern-Kind-Verhältnis nüchtern darzustellen war mein einziges Anliegen›, so Ozu.» (Keiko Yamane, Das japanische Kino, C. J. Bucher, 1985) 136 Min / sw / DCP / Jap/d/f // REGIE Yasujiro Ozu // DREHBUCH Kogo Noda, Yasujiro Ozu // KAMERA Yuharu Atsuta // MUSIK Takanobu Saito // SCHNITT Yoshiyasu Hamamura // MIT Chishu Ryu (Shukichi Hirayama), Chieko Higashiyama (Tomi, seine Frau), Setsuko Hara (Noriko, die Schwiegertochter), Haruko Sugimura (Shige Kaneko, die älteste Tochter), Nobuo Nakamura (Kurazo, ihr Mann), Kyoko Kagawa (Kyoko, die jüngste Tochter), So Yamamura (Koichi Hirayama, der ältere Sohn), Kuniko Miyake (Fumiko, seine Frau), Eijiro Tono (Sanpei Numata).


33 Das erste Jahrhundert des Films

1968 & 1978 Der Krieg in Vietnam, das blutige Ende des Prager Frühlings, die Exekution Che Guevaras, die Ermordung Martin Luther Kings – 1968 überstürzten sich die Ereignisse; die Jugend rebellierte gegen verkrustete Strukturen und träumte von einer besseren Welt. Das politische und geistige Klima der Zeit lässt sich an den Filmen dieses Jahres ablesen: George A. Romeros Night of the Living Dead traf mit der direkten Gewaltdarstellung und der Kritik am Vietnamkrieg und am Alltagsrassismus den Nerv der Zeit; in Lindsay Andersons If .... zündete der revolutionäre Geist inmitten eines britischen Internats, Sergio Corbucci widmete Il grande silenzio dem Andenken an Guevara und King, während Pier Paolo Pasolini in Teorema seine persönliche Vision vom Ende der Bourgeoisie umsetzte. Konrad Wolf verfilmte in Ich war neunzehn seine eigenen Kriegserlebnisse von 1945; sein Antikriegsfilm wurde zum DDRKlassiker. In Kuba hatte die Revolution das Land bereits im vorangegangenen Jahrzehnt erreicht; in Erinnerungen an die Unterentwicklung blickte Tomás Gutiérrez Alea auf die ersten Castro-Jahre zurück. 1968 putschte sich in Mali das Militär an die Macht, woraufhin Souleymane Cissé in den Widerstand ging; 1978 analysierte er in Baara scharfsinnig die malische Gesellschaft. In den USA gelang derweil dem Afroamerikaner Charles Burnett mit Killer of Sheep ein zeitloses humanistisches Dokument, während Terrence Malicks Days of Heaven mit Bildern von unvergleichlicher Schönheit beeindruckte. 1978 war aber auch das Jahr, in dem Ermanno Olmi in L’albero degli zoccoli das bäuerliche Leben im Italien des späten 19. Jahrhunderts beschwor, Fred Schepisi in The Chant of Jimmie Blacksmith die tragische Situation eines Mischlings in Australien nachzeichnete, Édouard ­ ­Molinaro mit La cage aux folles den ersten weltweit erfolgreichen Film aus dem Dragqueen-Milieu schuf – und in dem Hans-Ulrich Schlumpf mit Kleine Freiheit die menschlichen Bedürfnisse und Befindlichkeiten in Zürich kurz vor Ausbruch der Jugendunruhen erforschte. Tanja Hanhart Das erste Jahrhundert des Films In der Dauerreihe «Das erste Jahrhundert des Films» zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 w ­ egweisende Werke der Filmgeschichte. Die Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahrgängen. ­Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2018 sind Filme von 1918, 1928, 1938 usw. zu sehen.

Weitere wichtige Filme von 1968

Weitere wichtige Filme von 1978

2001: A Space Odyssey Stanley Kubrick, GB/USA (ab 27. Juni im Kino Kosmos) Baisers volés François Truffaut, F Faces John Cassavetes, USA Once Upon a Time in the West Sergio Leone, I/USA Planet of the Apes Franklin J. Schaffner, USA Rosemary’s Baby Roman Polanski, USA Yellow Submarine George Dunning, GB

Blue Collar Paul Schrader, USA Dawn of the Dead George A. Romero, USA Die Schweizermacher Rolf Lyssy, CH Gates of Heaven Errol Morris, USA Halloween John Carpenter, USA In einem Jahr mit 13 Monden Rainer Werner Fassbinder, BRD The Deer Hunter Michael Cimino, USA Watership Down Martin Rosen, GB


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Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

NIGHT OF THE LIVING DEAD USA 1968 Auf einem einsamen Friedhof in der Nähe einer amerikanischen Kleinstadt besuchen Barbra und ihr Bruder das Grab ihres Vaters. Da taucht ein ­ungelenker, hagerer Mann – ein Untoter – auf und tötet den Bruder. Traumatisiert flieht Barbra und verbarrikadiert sich mit weiteren Geflüchteten in einem verlassenen Landhaus. Bald dunkelt es ein – und immer mehr Untote umzingeln das Haus. 1968 schockierte George A. Romero das ­Publikum mit Night of the Living Dead: Das Gute triumphiert hier nicht mehr über das Böse. Seit den achtziger Jahren gilt er als Kultfilm, wurde in die Filmsammlung des Museum of Modern Art und als schützenswertes Kulturgut im «National Film Registry» aufgenommen. «Romeros erster Film, an Wochenenden auf dem Land um Pittsburgh gedreht, mit 150 000 Dollar Budget und auf körnigem Schwarzweiss-­ material. (...) Das Grauen sorgfältig kadriert, unmittelbar, direkt wie etwas, das live geschieht. Mindestens so horribel wie die Zombies sind die Lebenden mit der ‹license to purge›: Sheriffs, Sportschützen, Milizionäre. Bürger, die Freude an Kopfschüssen hegen und denen das Töten endlich zur Pflicht geworden ist.» (Harry Tomicek, Österreichisches Filmmuseum, 9/2014) «Dieser Horror-Klassiker ist eine grossartige Geschichte des Independent-Kinos: ein Midnight-

Movie-Hit, der zu einem Kassenschlager und zu einem der einflussreichsten Filme aller Zeiten wurde. Eine täuschend simple Geschichte über eine Gruppe von Fremden, die in einem Haus gefangen ist und sich gegen eine Horde von gerade dem Grab entstiegenen, fleischfressenden Toten wehrt – Romeros klaustrophobische Vision von einem Amerika der späten 1960er-Jahre, das sich buchstäblich selbst in Stücke reisst, schrieb die Regeln des Horror-Genres neu, kombinierte grauenvolles ‹Gore› (Blutrünstigkeit; Anm. Red.) mit scharfsinnigem sozialem Kommentar und war darüber hinaus bahnbrechend, weil die Hauptrolle mit einem schwarzen Schauspieler besetzt wurde.» (criterion.com) 96 Min / sw / DCP / E // REGIE UND KAMERA George A. ­Romero // DREHBUCH UND SCHNITT George A. Romero, John A. Russo // MUSIK William Loose // MIT Duane Jones (Ben), Judith O’Dea (Barbra), Karl Hardman (Harry Cooper), Marilyn Eastman (Helen Cooper), Keith Wayne (Tom), Judith Ridley (Judy), Kyra Schon (Karen Cooper).

Vor einzelnen Filmen des Jahres 1968 wer­den Beiträge der Schweizer Filmwochenschau aus diesem Jahr gezeigt (Daten siehe Programmübersicht). Die Auswahl besorgt Severin ­Rüegg, Filmwissenschaftler und Historiker. Mit freundlicher Unterstützung von Lumière, Förderverein Filmpodium.


Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

IL GRANDE SILENZIO

IF ….

Italien/Frankreich 1968

GB 1968

Utah, im harten Winter von 1898. Eine Gruppe von Outlaws wird von Kopfgeldjägern erbarmungslos verfolgt und verschanzt sich in den verschneiten Bergen. Sie engagieren den stummen Revolverhelden Silenzio, um sich gegen die Kopfgeldjäger zu stellen – seine Taktik geht allerdings nicht auf. «Mit Django (1966) schreibt Sergio Corbucci das erste grosse Amoral-Stück des Italowestern, in Il grande silenzio, dieser tiefschwarzen Todesparabel vor weisser Eiswüste, setzt er den absoluten Endpunkt. (...) Kalte Spannung und Sarkasmus sind die Tonlagen dieser apokalyptischen Allegorie am Zenit des Zynismus einer verlorenen Zivilisation. (...) Corbucci: ‹Ich habe den Film Martin Luther King, Che Guevara, Bob Kennedy und allen gewidmet, die ermordet wurden und deren Tod zu etwas diente, und sei es nur dazu, die Gewalttätigkeit zu verdammen.›» (Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum, 9/2007) Klaus Kinski spielt den skrupellosen Kopfgeldjäger. «Auch wenn ich kein grosser Fan von Kinski bin, in diesem Film ist er unglaublich – es ist seine beste schauspielerische Leistung in einem Genrefilm. Der stumme Held wird von Jean-Louis Trintignant gespielt. Indem Corbucci seinem Helden die Stimme nimmt, reduziert er ihn auf ein Nichts. Il grande silenzio hat eines der nihilistischsten Enden aller Westernfilme. (...) Die Bösen gewinnen (...) und das ist der Schluss des Films – das ist auch heute noch schockierend.» (Quentin Tarantino, The New York Times Magazine, 30.9.2012)

Ende der 1960er-Jahre. Zu Beginn des Schuljahres kommt Mick in einer Privatschule an. Alle jüngeren Schüler haben einer Gruppe von älteren Schülern, den Whips, zu gehorchen. Strenge Züchtigung und Erniedrigungen prägen neben dem selbstherr­ lichen Auftreten der Lehrer den Schulalltag. Mick lehnt sich mit zwei Freunden offen gegen diese autoritären Machtstrukturen auf, was ihn jedoch nur noch mehr in Schwierigkeiten bringt. Nach dem Vorbild von Jean Vigos Zéro de conduite (1933) inszeniert Lindsay Anderson in If .… eine anarchische Fantasie und übt scharfe Kritik an einem Erziehungsstil, unter dem er selbst gelitten hat und der auf dem Prinzip des blinden Gehorsams gegenüber der Autorität beruht. Mit seinen kontroversen Szenen erregte der Film die Gemüter seiner Zeit. Malcolm McDowell war hier in seiner ersten Filmrolle zu sehen und faszinierte Stanley Kubrick dermassen, dass er ihn sogleich für A Clockwork Orange engagierte. «Anderson fängt den Geist der jugendlichen Rebellion geschickt ein und verbindet ihn durch die Fotos von Mao, Che Guevara und Vietnam, die an Micks Wänden hängen, mit den weitreichenden politischen Veränderungen. Die Dreh­ arbeiten begannen nur wenige Monate vor den Unruhen im Mai 1968 in Paris. Die Grösse des Films liegt in seiner surrealen Einstellung zu diesen Ereignissen. (...) If .... gilt immer noch ­ als einer der besten britischen Filme, ein sub­ver­ sives, antiautoritäres Meisterwerk.» (Jamie ­Russell, bbc.co.uk, 26.2.2002)

105 Min / Farbe / DCP / I/e // REGIE Sergio Corbucci // DREHBUCH Sergio Corbucci, Bruno Corbucci, Mario Amendola,

111 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Lindsay Anderson // DREH-

­Vittoriano Petrilli // KAMERA Silvano Ippoliti // MUSIK Ennio

BUCH David Sherwin // KAMERA Miroslav Ondrícek // MUSIK

Morricone // SCHNITT Amedeo Salfa // MIT Jean-Louis

Marc Wilkinson // SCHNITT David Gladwell // MIT Malcolm

­Trintignant (Gordon, der Stumme), Klaus Kinski (Loco), Frank

­McDowell (Mick Travis), David Wood (Johnny), Richard Warwick

Wolff (Sheriff Gideon Burnett), Luigi Pistilli (Pollicut), Vonetta

(Wallace), Christine Noonan (das Mädchen), Peter Jeffrey

McGee (Pauline Middleton), Marisa Merlini (Regina).

(Schuldirektor), Rupert Webster (Bobby Philips).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

ICH WAR NEUNZEHN DDR 1968 Im April 1945 kehrt ein junger sowjetischer Leutnant deutscher Abstammung in seine ehemalige Heimat zurück. Er gehört einem Trupp an, der in den letzten Kriegswochen mit einem Lautsprecherwagen deutsche Soldaten zur Kapitulation bewegen soll. Neugierig nähert er sich einem Land, das er zuvor nie bewusst erlebt hat. Ein auf eigenen Erinnerungen beruhender, episodisch gestalteter Antikriegsfilm von Konrad Wolf, einem der bedeutendsten DEFA-Regisseure, der ein präzises Zeitbild vom Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt. «Als Konrad Wolf acht Jahre alt war, flüchtete sein Vater, der jüdische Schriftsteller und Kommunist Friedrich Wolf, mit seiner Familie nach Moskau, mit siebzehn trat Konrad der Roten Armee bei, mit der er 1945 als neunzehnjähriger Leutnant den Marsch auf Berlin mitmachte. Später absolvierte er in Moskau die Filmschule und präsidierte 17 Jahre lang die ostdeutsche Akademie der Künste (…). Zusammen mit seinem langjährigen Koautor Wolfgang Kohlhaase griff Wolf seine Erlebnisse der letzten Kriegstage auf, aus denen mit Ich war neunzehn einer der erfolgreichsten DDR-Filme überhaupt hervorging (…). Die kühle Sachlichkeit (und vermutlich auch seine privilegierte Stellung) erlaubt es Wolf, auch Tabu­ themen wie die Vergewaltigung deutscher Frauen

durch die Angehörigen der Roten Armee anzutönen und das Pathos der deutsch-sowjetischen Verbrüderung auf ein Minimum zu reduzieren. Politisch mag Ich war neunzehn in der DDR von 1968 ungefährlich gewesen sein, doch das mit dem Titel implizierte Statement löst der Film unvergesslich ein: Ein Neunzehnjähriger sollte nicht erleben, was Wolf damals erlebte.» (Andreas Furler, Programm Filmpodium Zürich, Nov/Dez 2010) 119 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Konrad Wolf // DREHBUCH Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf // KAMERA Werner ­Bergmann // SCHNITT Evelyn Carow // MIT Jaecki Schwarz (Gregor Hecker), Wassili Liwanow (Wadim Gejman), Alexei ­Eiboschenko (Sascha Ziganjuk), Galina Polskich (sowjetische Soldatin), Jenny Gröllmann (deutsches Mädchen), Michail Glusski (General), Rolf Hoppe (Major Behring), Wolfgang Greese (Landschaftsarchitekt), Johannes Wieke (Oberst ­Lewerenz), Kurt Böwe (SS-Sturmbannführer).

Im Kalenderjahr 2018 führen Mitarbeitende, Studierende und Gäste des Seminars für Filmwissenschaft der Universität Zürich einzelne Filme der Reihe «Das erste Jahrhundert des Films» ein. Neben dem filmhistorischen Kontext werden in den Einführungen formale und thematische Aspekte der Jahrhundertfilme genauer betrachtet.


Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

ERINNERUNGEN AN DIE UNTERENTWICKLUNG (Memorias del subdesarrollo) Kuba 1968

TEOREMA Italien 1968

Kuba, 1961: Sergio, ein bürgerlicher Intellektueller, ist nach dem Sieg der Revolution in Havanna geblieben, während sich seine Frau und seine ­Familie nach Miami abgesetzt haben. Auf Streifzügen durch die Stadt schwelgt er einerseits in Erinnerungen, wird sich aber auch der Veränderungen im postrevolutionären Kuba bewusst, die ihn zunehmend verunsichern. «Tomás Gutiérrez Aleas ungemein vielschichtiger und subtiler Film ist eine der klügsten und tiefgründigsten Reflexionen über die kubanische Revolution, (...) und eines der Meisterwerke des lateinamerikanischen Kinos schlechthin.» (NZZ) «Sergio erkennt, dass Kuba vom marxistischen Standpunkt aus ‹unterentwickelt› ist; seine Tragödie ist es, dass er nicht verstehen kann, welche Rolle er selbst dabei gespielt hat und dass er keine Ahnung hat, wie seiner persönlichen und spirituellen Unterentwicklung abgeholfen werden könnte. Und doch ist es seine Sicht – entfremdet, aber klug und irgendwie auch unschuldig –, die es uns erlaubt, die Realität des kubanischen Lebens ohne Dogmatismus oder Wunschdenken zu sehen. Die Wirkung ist faszinierend. Dieser Film ist ein Muss.» (Peter Bradshaw, The Guardian, 11.7.2008)

Eine Mailänder Industriellenfamilie bekommt ­Besuch von einem geheimnisvollen Mann. Nach­ einander verfallen ihm alle Mitglieder des Hauses. Als der Verführer nach kurzer Zeit wieder verschwindet, ist nichts mehr so wie zuvor. Teorema, der von Roger Ebert als Pier Paolo Pasolinis «vielleicht brillantestes Werk» bezeichnet wurde, gewann bei der Biennale in Venedig den Preis des Internationalen Katholischen Filmbüros (OCIC), der ihm jedoch wieder aberkannt wurde, als der Vatikan dagegen protestierte. «1968 schuf Pasolini seine ganz persönliche Vision vom Ende der Bourgeoisie: Er lässt Gott in Gestalt eines schönen Fremden in eine Fabrikantenfamilie eindringen. Doch das Göttliche wird den Grossbürgern nicht bewusst. Als er verschwindet, bricht ihr System zusammen.» (Marcus Stiglegger, getidan.de) «Teorema wird in der Regel mit der Mai-Revolte der Arbeiter und Intellektuellen in Europa 1968 in Verbindung gebracht (...). Weniger oft wird ein Zusammenhang mit der ‹gay liberation› in den USA im darauffolgenden Jahr hergestellt. Gleichwohl erscheint Pasolinis Geschichte eines pansexuellen Racheengels, der vielfältigen gesellschaftlichen und seelischen Aufruhr stiftet, rückblickend in fast schon unheimlicher Weise prophetisch.» (deutsches-filminstitut.de)

97 Min / sw / DCP / Sp/d // REGIE Tomás Gutiérrez Alea //

98 Min / Farbe + sw / Digital HD / I/d // DREHBUCH UND RE-

DREHBUCH Tomás Gutiérrez Alea, Edmundo Desnoes, nach

GIE Pier Paolo Pasolini // KAMERA Giuseppe Ruzzolini // MU-

dem Roman von Edmundo Desnoes // KAMERA Ramón F.

SIK Ennio Morricone, Wolfgang Amadeus Mozart // SCHNITT

Suárez // MUSIK Leo Brouwer // SCHNITT Nelson Rodríguez

Nino Baragli // MIT Terence Stamp (der Besucher), Silvana

// MIT Sergio Corrieri (Sergio), Daisy Granados (Elena),

Mangano (Lucia), Massimo Girotti (Paolo), Anne Wiazemsky

­Eslinda Núñez (Noemi), Beatriz Ponchora (Hanna), Yolanda

(Odetta), Andrès José Soublette Cruz (Pietro), Laura Betti

Farr (Laura), Gilda Hernández (Sergios Mutter).

(Emilia).

✶ am Montag, 9. Juli, 18.15 Uhr: Einführung von Marc Frei (Studierender am Seminar für Filmwissenschaft, Universität Zürich)

✶ am Montag, 23. Juli, 18.15 Uhr: Einführung von Prof. Dr. Fabienne Liptay (Seminar für Filmwissenschaft, Universität Zürich)

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Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

Special: 1968 1968 ist nicht nur im Rahmen der Reihe «Das erste Jahrhundert des Films» präsent; die Bedeutung der Umwälzungen vor 50 Jahren ist heuer auch sonst ein Thema. Deshalb zeigt das Filmpodium neben den «Jahrhundertfilmen» auch zwei weniger bekannte Werke, die den damaligen Zeitgeist zum Ausdruck bringen: Sommersprossen von Helmut Förnbacher und Partner von Bernardo Bertolucci.

PARTNER

SOMMERSPROSSEN

Italien 1968

BRD 1968

«Bertolucci war erst 28, als er diesen kühnen und subversiven Achtundsechziger-Knallfrosch ausbrütete, der Dostojewskis ‹Doppelgänger› in das Italien der Studenten-Revolten verlegt. Dort gibt der drahtige, vampirhafte Pierre Clémenti einen romantischen ‹rebel without a cause›, dessen radikales Bewusstsein geweckt wird, als ihn ein Doppelgänger zu Chaos und Aufruhr anstachelt. Partner ist nicht nur ein energiegeladenes Fossil der Fragmentierung, des filmischen Aufruhrs und des quasi-marxistischen Geheuls der sechziger Jahre, sondern seinerseits auch ein Doppelgänger, der ödipal verfolgt wird von den bahn­ brechenden Werken Godards. (..) Der Film nimmt David Finchers Fight Club ebenso vorweg wie ­Kurosawas Kagemusha. Eingebettet in einen Morricone-Soundtrack, der so sprunghaft ist wie die Erzählung, verknüpft Partner auf coole Art Marx und Freud und ist vielleicht der erste Lacaninspirierte Film überhaupt.» (Michael Atkinson, The Village Voice, 16.12.2005)

1934 sind in Deutschland die Nationalsozialisten frisch an der Macht und greifen durch. Waldemar Velte und Kurt Sandweg, zwei ausgebrochene Sträflinge aus Wuppertal, wollen aus diesem Land abhauen und in Indien einen unbeschwerten Neubeginn wagen. Um ihre Flucht zu finanzieren, brauchen sie Bares. Also überfallen sie eine Bank und gehen dabei über Leichen. Sie können sich aus Deutschland absetzen, stranden aber in Basel, denn hier verliebt sich Velte in die ahnungslose Schallplattenverkäuferin Monika. Als den Räubern das erbeutete Geld ausgeht, nehmen sie die Basler Wever-Bank ins Visier. Frei nach einem historischen Kriminalfall hat der Schauspieler Helmut Förnbacher 1968 als Regieerstling einen Gangsterfilm im Stil von ­Arthur Penns Bonnie and Clyde (1967) inszeniert. 90 Min / Farbe / Digital HD / D // REGIE Helmut Förnbacher // DREHBUCH Helmut Förnbacher, Martin Roda-Becher // KAMERA Igor Luther // MUSIK Charly Niessen // SCHNITT Clara Fabry // MIT William Berger (Waldemar Velte), Helmut Förn­

105 Min / Farbe / DCP / F/d // REGIE Bernardo Bertolucci //

bacher (Kurt Sandweg), Helga Anders (Monika), Giorgia Moll

DREHBUCH Gianni Amico, Bernardo Bertolucci, nach der

(Brigitte), Willy Birgel (Staatsanwalt), Grit Boettcher (Chris-

­Erzählung «Der Doppelgänger» von Fjodor Michailowitsch

tine), Benno Hoffmann (reicher Mann), Harald Dietl (Abtei-

Dostojewski // KAMERA Ugo Piccone // MUSIK Ennio

lungsleiter), Schaggi Streuli, Ruedi Walter, Margrit Rainer.

­Morricone // SCHNITT Roberto Perpignani // MIT Pierre ­Clémenti (Jacob I & II), Stefania Sandrelli (Clara), Tina Aumont (Verkäuferin), Sergio Tofano (Petruska), Romano Costa ­(Claras Vater).

✶ Dienstag, 3. Juli, 18.15 Uhr. Anschliessend Filmgespräch mit Helmut Förnbacher. Moderation: Benedikt Eppenberger.


Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

KILLER OF SHEEP

L’ALBERO DEGLI ZOCCOLI

USA 1978

Italien 1978

Stan lebt mit seiner Familie in Watts, im Süden von Los Angeles. Er ist ein sensibler Träumer, der vor allem im Familienleben Zuflucht vor der harschen Realität sucht. Sein Job im Schlachthof nimmt ihn zusehends mit und er schottet sich von der Aussenwelt ab. Charles Burnett gelang mit Killer of Sheep, seiner Abschlussarbeit an der UCLA, ein bahnbrechender Independent-Film und ein Meilenstein des afroamerikanischen Films. Aufgrund der ­ungeklärten Musikrechte fand der Film bis 2007 keinen Verleih – ungeachtet dessen wurde er 1990 von der US-amerikanischen Library of Congress als nationales Kulturgut anerkannt. «Killer of Sheep zählt zu den ungesehenen Meisterwerken amerikanischer Filmgeschichte. Seiner ungeschliffenen, einfühlsamen dokumentarischen Qualitäten wegen wurde er mit dem ­italienischen Neorealismus verglichen (…). Noch immer kann der Film inspirieren – so viel Zuneigung, so viel Authentizität, so viel Poesie und Hingabe stecken in jeder körnigen Schwarzweisseinstellung.» (Christoph Terhechte, Berlinale 2007) «Ein urbanes Pastorale – süss, bitter, zutiefst traurig und sehr lustig. (…) Killer of Sheep ist nicht nur Amerika, sondern das Leben selbst.» (Jim Hoberman, The Village Voice, 20.3.2007)

Auf einem Landgut in der Nähe von Bergamo: Zwei junge Leute umwerben einander und heiraten; ein Vater fällt heimlich einen Baum, um für seinen Sohn neue Holzschuhe zu schnitzen; ein alter Mann düngt seine Tomaten mit Hühnerkot, damit sie schneller reifen. Ermanno Olmis L’albero degli zoccoli ist eine fast dokumentarische Chronik des bäuerlichen Alltags zu Ende des vorletzten Jahrhunderts. «Der Film erzählt seine Geschichte mit spürbarer Anteilnahme und mit Respekt. (...) Gerade das (...) macht ihn zu einem leidenschaftlichen Appell für diese Menschen und für Menschlichkeit. In der Fülle oft irritierend schöner Bilder wird eine Vergangenheit lebendig, in der Olmi ­Geborgenheit und menschliche Wärme genauso findet wie Not und Unterdrückung.» (Dieter ­Krusche: Reclam Filmführer) «Olmi drehte vier Monate lang auf einem verlassenen Bauernhof und wandte dabei neorealistische Techniken an: Er brachte Einheimische dazu, wie ihre Vorfahren zu leben, und liess sie in ihrem eigenen Dialekt sprechen. (...) Olmi beschwört ein naturverbundenes Leben, feiert dessen Schönheit, Humor und Einfachheit, erkennt aber auch die feudale Grausamkeit, durch die es beherrscht wird. 1978 in Cannes mit der Palme d’Or ausgezeichnet, ist L’albero degli zoccoli ein gewaltiges, herzergreifendes Werk des humanistischen Filmemachens.» (criterion.com)

80 Min / sw / 35 mm / E/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA, SCHNITT Charles Burnett // MUSIK William Grant Still, Paul Robeson, Louis Armstrong // MIT Henry Sanders (Stan), Kaycee Moore (Stans Frau), Charles Bracy (Bracy), Angela Burnett

186 Min / Farbe / DCP / I/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA,

(Stans Tochter), Eugene Cherry ­(Eugene), Jack Drummond

SCHNITT Ermanno Olmi // MUSIK Johann Sebastian Bach,

(Stans Sohn).

Wolfgang Amadeus Mozart // MIT Luigi ­ Ornaghi (Batistì), Francesca Moriggi (Batistina), Omar ­Brignoli (Minec), Antonio

✶ am Montag, 27. August, 18.15 Uhr: Einführung von Caroline Schöbi (Studierende am Seminar für Filmwissenschaft, Universität Zürich)

Ferrari (Tuni), Teresa Brescianini (Signora Runk), Giuseppe Brignoli (Anselmo), Carlo Rota (Peppino).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

LA CAGE AUX FOLLES

THE CHANT OF JIMMIE BLACKSMITH

Frankreich/Italien 1978

Australien 1978

Seit 20 Jahren leben die beiden Homosexuellen Renato und Zaza über ihrem berühmten Nachtclub «La cage aux folles». Abgesehen von Zazas kapriziösen Allüren führen die beiden ein beschauliches Leben – bis Renatos Sohn die Tochter eines erzkonservativen Senators heiraten will und dafür «richtige» Eltern braucht. La cage aux folles, Édouard Molinaros Verfilmung des erfolgreichen Boulevardstücks von Jean Poiret, ist eine wilde und warmherzige Transvestitenkomödie, in der genüsslich unzählige Klischees im Zusammenhang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen vorgeführt werden. «La cage aux folles ist eine absolut perfekte Farce, die immer darauf abzielt zu gefallen, eine Ehrenbezeugung gegenüber Familienwerten, auch wenn die betreffende Familie zufällig mit ­Federn, Pailletten und Tüll geschmückt ist. (...) Die Stars, Ugo Tognazzi und Michel Serrault, waren hochkarätige Komiker (...). Und wie man von ihrem und dem Ruhm des Stücks erwarten konnte, war der Film ein Hit in Frankreich – ob er in den USA funktionieren würde, wo französische ‹Boulevard›-Hits selten für Furore sorgten und die Schauspieler praktisch unbekannt waren? Und wer hätte 1978 erwartet, dass eine schwule Komödie ein Mainstream-Publikum anzieht? Aber genau das ist passiert.» (David Ehrenstein, criterion.com, 9.9.2013)

Jimmie ist ein Mischling, der fest dazu entschlossen ist, die würdelose Existenz der Aborigines hinter sich zu lassen. Er arbeitet hart, kauft Land und heiratet eine weisse Farmertochter. Von seinen weissen Arbeitgebern aber wird er schlecht behandelt. Eines Tages bricht aus dem stets geduldigen Jimmie eine mörderische Wut hervor: Er erschlägt die Familie seines früheren Arbeit­ gebers und flieht ins Landesinnere. «Der Leidensweg eines Mischlings in Australien, den Intoleranz und Voreingenommenheit der Weissen zum Sündenbock stempeln. (…) Der Film lässt seinen Helden als eine Figur des Umbruchs erscheinen, des Übergangs im historischen wie existenziellen Sinn. Halb Weisser, halb Schwarzer, besitzt er nicht mehr den ungebrochenen Glauben an die magischen Kräfte der Aborigines, findet aber ebenso wenig Halt an der ihm fremd gebliebenen Welt des Christentums. Ein wichtiger Film.» (filmdienst.de) «Fred Schepisis Film ist eine groteske, explosive Tragikomödie (...). Jimmie rebelliert nicht aus bewusster Militanz oder einem Bedürfnis nach politischer Gerechtigkeit, sondern aus Frustration und Hilflosigkeit, als nähme sein Unbewusstes überhand. Ein gross angelegter Film, ein visuell leidenschaftliches Epos.» (Pauline Kael, 5001 Nights at the Movies, Marion Boyars 1993) 120 Min / Farbe / DCP / E // REGIE Fred Schepisi // DREH-

97 Min / Farbe / Digital HD / F/d // REGIE Édouard Molinaro //

BUCH Fred Schepisi, nach dem Roman von Thomas Keneally

DREHBUCH Francis Veber, Édouard Molinaro, Marcello

// KAMERA Ian Baker // MUSIK Bruce Smeaton // SCHNITT

­Danon, Jean Poiret, nach dem Theaterstück von Jean Poiret

Brian Kavanagh // MIT Tommy Lewis (Jimmie Blacksmith),

// KAMERA Armando Nannuzzi // MUSIK Ennio Morricone //

Freddy Reynolds (Mort Blacksmith), Angela Punch McGregor

SCHNITT Monique Isnardon, Robert Isnardon // MIT Ugo

(Gilda Marshall), Ray Barrett (Farrell), Steve Dodds (Tabidgi),

­Tognazzi (Renato Baldi), Michel Serrault (Albin Mougeotte,

Jack Thompson (Rev. Neville), Julie Dawson (Mrs. Neville),

genannt Zaza Napoli), Claire Maurier (Simone Deblon), Rémi

Tim Robertson (Healy), Jane Harders (Mrs. Healy).

Laurent (Laurent Baldi), Carmen Scarpitta (Louise Charrier).


Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

DAYS OF HEAVEN

BAARA

USA 1978

Mali 1978

Chicago, 1916. Der junge Stahlarbeiter Bill lehnt sich gegen die Ausbeutung im Werk auf – er erschlägt seinen Vorarbeiter und flieht mit seiner Schwester und seiner Geliebten Abby nach Süden. In Texas finden sie Arbeit bei einem reichen Farmer, der sich in Abby verliebt. Bill überredet Abby, den angeblich sterbenskranken Farmer zu heiraten, um nach dessen Tod das Erbe zu kassieren. «Terrence Malicks meditativer Blick erfasst Details, die man sonst in Spielfilmen kaum zu sehen bekommt, Camille Saint-Saëns und Ennio Morricone liefern die Traummusik dazu, und Richard Gere und der wenig später schon wieder verglühende Shootingstar Brooke Adams geben eines der eigensinnigsten und schönsten Liebespaare des Neuen Hollywood.» (Andreas Furler, Programmheft Filmpodium, Sep/Nov 2012) «Zweiter Malick-Film, zweiter Blick in ein magisches Kinouniversum (...): eine mörderische Ménage-à-trois vor dem Hintergrund der Depressionszeit und endloser Felder im amerikanischen Süden, getränkt in satte, strahlende Farben im Licht der ‹magic hour›. Der Klarheit der atem­ beraubend schönen Bilder gegenübergestellt: eine in enigmatischen Ellipsen akkumulierte Handlung, kommentiert vom verführerischen, aber nicht unbedingt vertrauenswürdigen ‹drawl› eines kleinen Mädchens. Ein ‹mystery thriller›, im eigentlichen Wortsinn: Erschauern im Angesicht der Geheimnisse der Welt, wonnig fast. Tage des Himmels vor dem Tod.» (Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum, 12/2011)

Der junge Lastenträger Diarra zieht vom Land nach Bamako und macht dort Bekanntschaft mit dem Ingenieur Traoré. Die beiden freunden sich an und Traoré verschafft seinem Freund eine Anstellung in der Fabrik, in der er selbst leitender Angestellter ist. Traoré setzt sich für die Mitwirkung der Arbeiter an wichtigen Entscheidungsprozessen ein, was dem Fabrikdirektor missfällt. Als Diarra in einen Streit mit dem Direktor gerät, schlägt sich Traoré auf Diarras Seite – der Konflikt eskaliert. Souleymane Cissé gelang mit Baara, diesem ersten ausschliesslich in Mali produzierten Film, eine scharfsinnige Analyse der malischen Gesellschaft. Der vielfach ausgezeichnete Film gehört zu den Klassikern des afrikanischen Kinos. «Mit dem Ingenieur Balla Traoré schuf Souleymane Cissé eine Symbolfigur für eine ganze ­Generation kritischer Intellektueller, die mit viel Engagement versuchten, im postkolonialen ­ ­Afrika eine gerechte Gesellschaft aufzubauen.» (arsenal-berlin.de) «Baara ist Teil von Cissés filmischer Chronik über soziale und politische Veränderungen im postkolonialen Mali der siebziger Jahre. (…) Mit grosser visueller Intensität und viel schauspie­ lerischem Geschick werden komplexe soziale Verhältnisse thematisiert, auch jene zwischen Mann und Frau.» (Catherine Silberschmidt, WOZ, 22/2013) 93 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // DREHBUCH UND REGIE ­Souleymane Cissé // KAMERA Etienne Carton de Grammont,

94 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE

Abdoulaye Sidibé // MUSIK Lamine Konté // SCHNITT Andrée

­Terrence Malick // KAMERA Néstor Almendros, Haskell

Davanture // MIT Baba Niaré (Balla Diarra, Lastenträger), Bu-

­Wexler // MUSIK Ennio Morricone // SCHNITT Billy Weber //

bakar Keita (Balla Traoré, Ingenieur), Omou Diarra (M’Batoma,

MIT Richard Gere (Bill), Brooke Adams (Abby), Sam Shepard

Traorés Frau), Balla Moussa Keita (Makan Sissoko, Fabrik­

(Farmer), Linda Manz (Linda), Robert J. Wilke (Farm-Vorar-

direktor), Omou Koné (Djénéba, Sissokos Frau).

beiter), Jackie Shultis (Lindas Freundin).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1968 & 1978

KLEINE FREIHEIT Schweiz 1978 Die Familiengärtner in Zürich-Herdern verlieren wegen des Neubaus des Gemüse-Engros-Marktes ihre eigentliche Heimat und zünden in ihrer Wut gegen die Obrigkeit ihre liebevoll gebauten Häuschen an. Kleine Freiheit war Hans-Ulrich Schlumpfs erster langer Dokumentarfilm fürs Kino – eine liebevoll-kritische Darstellung von Freizeitfreiheiten sowie ein Dokument der Zürcher Stadt­ entwicklung. «Was einem als Zuschauer in den letzten sechs Minuten des Filmes alles durch den Kopf geht, ist vielleicht unbeschreiblich. Meine Assoziationen reichten von Zilles Darstellungen des Berliner Subproletariats über die Juden des Warschauer Ghettos (...), die Indios in den schwierigsten und unfruchtbarsten Höhen der Anden, die Tessiner Bergbauern mit ihren Miniaturterrassen (...) bis hin zu den Schreckensvorstellungen unseres durch einen Atomkrieg verwüsteten Planeten,

den ein paar wenige Überlebende wieder bewohnbar zu machen versuchen. (...) Schlumpfs Zeugen einer besseren – vergangenen und künftigen – Welt stehen mit einem Bein in der Un­ freiheit, mit dem anderen suchen sie Boden im Reich der Freiheit. (...) Ein Film mit starken, tiefen Bildern und einer klaren Vision.» (Martin Schaub, zit. nach film-schlumpf.ch) «Dies ist eine Art des flammenden Protestes und Kleine Freiheit somit eine Auslotung machtpolitischer Verhältnisse, menschlicher Bedürfnisse und Befindlichkeiten kurz vor Ausbruch der Zürcher Jugendunruhen der 1980er-Jahre. Eine leise Ermahnung auch, Sorge zu tragen zu den Menschen und der sich rapide verändernden (Um-)Welt.» (Irene Genhart, filmdienst.de) 103 Min / Farbe / DCP / Dialekt/d/f // DREHBUCH UND REGIE Hans-Ulrich Schlumpf // KAMERA Pio Corradi // MUSIK Quinteto Armorial // SCHNITT Fee Liechti.

✶ am Montag, 3. September, 18.15 Uhr: Vorstellung in Anwesenheit des Regisseurs, anschl. Gespräch


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Reeditionen REBECCA USA 1940

DAS MESSER IM WASSER (Nóz w wodzie) Polen 1962

«Daphne Du Mauriers eindringliche Erzählung von einer verhuschten jungen Frau, die in Monte Carlo auf den gut aussehenden adligen Witwer Maxim de Winter trifft und sich wegen seines stürmischen Werbens Hals über Kopf in ihn verliebt. Nach ihrer Hochzeit ziehen sie nach Cornwall, auf sein Anwesen Manderley, wo der grüblerische Maxim einst mit seiner ersten Frau Rebecca lebte. Regiert wird Manderley von Mrs. Danvers, der finsteren Haushälterin, die selbst dem Andenken an ihre verstorbene Herrin treustens ergeben ist und die neue Ehefrau auf Schritt und Tritt zu schwächen versucht. Rebecca ist eine wunderbar nuancierte Studie über Schuld und Angst vor Sex, über Geld und Klassenzugehörigkeit. Sie vermag mit ihrer betörenden Mischung aus Schauer-Romantik und albtraumartiger Spannung ihr Publikum nach wie vor in ihren Bann zu ziehen.» (BFI Verleihkatalog) Das Filmpodium zeigt Alfred Hitchcocks oscar­gekröntes Psychodrama Rebecca in einer neu restaurierten Fassung. 131 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Robert E. Sherwood, Joan Harrison, nach dem Roman von Daphne Du Maurier // KAMERA George Barnes //

Am 18. August 2018 wird Roman Polanski 85 Jahre alt. Lange bevor er sich in den USA einen umstrittenen Ruf erwarb und wegen seines Missbrauchs eines Teenagers angeklagt wurde, hatte er als Cineast weltweite Anerkennung errungen. Das Filmpodium zeigt sein Spielfilmdebüt Das Messer im Wasser in restaurierter Fassung. «Polanskis erster Langspielfilm ist ein Modellfall für ökonomisches, fantasievolles Filmemachen, den er in vieler Hinsicht seither kaum übertroffen hat. Die Geschichte ist sehr schlicht: Auf dem Weg zum Wochenende auf einer Yacht nimmt ein Paar einen Anhalter mit, und während der scheinbar erholsamen Zeit verschieben sich Loyalitäten; Frustrationen tauchen auf, und gefährliche emotionale Spiele werden gespielt. Wie oft in späteren Filmen geht es hier um Erniedrigung, Sexualität, Aggression und das Absurde; was den Film jedoch so lohnend macht, sind die Zartheit und die Offenherzigkeit seines Vorgehens. Mit nur drei Schauspielern, einer Yacht und einer riesigen Wassermasse wird die Situation bis zum Letzten ausgeschöpft. Dabei (…) schafft er es, die Spannung und die Mehrdeutigkeiten zu verdichten.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

MUSIK Franz Waxman // SCHNITT Hal C. Kern, James E. Newcom, W. Donn Hayes // MIT Joan Fontaine (Mrs. de

94 Min / sw / DCP / Poln/d // REGIE Roman Polanski // DREH-

Winter), Laurence Olivier (Maxim de Winter), George Sanders

BUCH Jerzy Skolimowski, Jakub Goldberg, Roman Polanski //

(Jack Favell), Judith Anderson (Mrs. Danvers, die Haushälte-

KAMERA Jerzy Lipman // MUSIK Krzysztof Komeda //

rin), Gladys Cooper (Beatrice Lacey), Nigel Bruce (Major G ­ iles

SCHNITT Jerzy Szawlowski // MIT Leon Niemczyk (Andrzej),

Lacey).

Jolanta Umecka (Krystyna), Zygmunt Malanowicz (der Junge).


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DRAGON INN

DIE FARBE DES GRANATAPFELS

(Long men kezhan) Taiwan 1967

(Sajat nova) UdSSR (Armenien) 1969

China, im 15. Jahrhundert: Ein General wird vom intriganten kaiserlichen Eunuchen hingerichtet, seine Kinder werden verbannt. Doch sie sind dem Eunuchen ein Dorn im Auge – er versucht, sie auf ihrem Weg ins Exil umzubringen. King Hus Dragon Inn brach seinerzeit in diversen asiatischen Ländern sämtliche Zuschauerrekorde. Es ist ein Schlüsselwerk des «Kampfkunstkinos, mehrfach neu verfilmt, in seiner kompakten Klarheit jedoch unerreicht. Das titelgebende Gasthaus, situiert in einem Nirgendwo, wird zum Treffpunkt zweier feindlicher Gruppen: Eine tapfere Schar patriotischer Schwertkämpfer versucht, die Kinder (...) aus den Klauen der Dongchang (einer von Eunuchen geleiteten Geheimpolizei) zu befreien. Ming-Paranoia-Noir: Jeder belauert jeden, selbst die Verbündeten wissen oft nicht, ob sie gerade mit einem Freund oder einem Feind sprechen, und auch ausserhalb der Gast­ hauswände, sogar im Augenblick des Sieges hat man ständig das Gefühl, dem Staatsterror nicht entfliehen zu können – ‹Huis clos›, HongkongStyle. Das alles in einer formvollendeten Gestaltung, die bis heute gültige Massstäbe setzte für den Martial-Arts-Film.» (Hortênsio da Silva e Costa, Österreichisches Filmmuseum, 5/2012)

Sergej Paradschanows poetisches Filmgedicht, lange Zeit von der Zensur verboten, zählt zu den bemerkenswertesten Beispielen des «Neuen sow­jetischen Films» der sechziger Jahre. «In einer Reihe von mal surrealistischen, mal liebevoll-ironischen, immer opulent-exzessiven Tableaux vivants zeigt der Bildvirtuose Paradschanow Stationen aus dem Leben des arme­ nischen Lyrikers, Dichters, Komponisten und Sängers Arathin Sayadin, der im 18. Jahrhundert zunächst an einem Königshof lebte, später als fahrender Sänger durch die Lande zog, schliesslich ermordet und zum Märtyrer wurde. Weniger Biografisches steht im Mittelpunkt als das poetische Universum des Dichters, welches Paradschanow in magische bewegte Stillleben, sorg­ fältige Kompositionen aus Kleidern, Teppichen, Büchern, Blumen, Tieren und Menschen übersetzt.» (arsenal-berlin.de, 11/2015) «Die Farbe des Granatapfels von Paradschanow, einem der besten zeitgenössischen Regisseure, besticht durch seine Perfektion der Schönheit.» (Michelangelo Antonioni, parajanov.com)

111 Min / Farbe / DCP / Mandarin/d // DREHBUCH UND REGIE

junge Dichter/Muse/Nonne/Auferstehungsengel/Mime), Mel-

King Hu // KAMERA Hua Hui-ying // MUSIK Zhou ­Lan-ping //

kon Alekjan (der Dichter als Kind), Vilen Galestian (der Dichter

SCHNITT Chen Hung-min // MIT Shih Chun (Xiao Shao-zi),

als Mönch), Georgi Gegetschkori (der Dichter als alter Mann).

79 Min / Farbe / DCP / Armen/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Sergej Paradschanow // KAMERA Suren Schachbasian // MUSIK Tigran Mansurian // MIT Sofiko Tschiaureli (der

Shangkuan Ling-fung (Miss Zhu), Bai Ying (Cao ­Shao-qin), Miao Tien (Pi Shao-tang), Hang Ying-chieh (Mao Zong-xian), Hsieh Han (Zhu Ji), Tsao Chien (Wu Ning), Wen Tian (Yu Quian), Hsu Feng (Yu Qians Tochter).


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Corinne Siegrist-Oboussier (cs), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Marius Kuhn (mk), Primo Mazzoni (pm), Laura Walde SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 212 13 77 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 211 66 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Arsenal Distribution, Berlin; Ascot Elite Entertainment Group, Zürich; British Film Institute, London; Cineteca nazionale, Rom; Deutsches Filminstitut – DIF, Wiesbaden; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; The Film Detective, Rockport; Filmmuseum München; Helmut Förnbacher, Basel; Goldcrest Films International, London; HandMade Films, Bynea; Janus Films, New York; Jupiter-Film GmbH, Wien; Kadr Film Studio, Warschau; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Library of Congress, Culpeper; Lobster Films, Paris; Mondo TV, Rom; Museum of Modern Art, New York; Park Circus, Glasgow; Reading Bloom, Torino; Hans-Ulrich Schlumpf, Zürich; Screenbound, Lutterworth; SRF Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich; Studiocanal, Berlin; Svenska Filminstitutet, Stockholm; Tobis Film GmbH & Co. KG, Berlin; trigon-film, Ennetbaden; TrustNordisk, Hvidovre; Umbrella Entertainment, Melbourne; Universal Pictures International, Zürich; Watchmaker Films, London. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT D. Däuber, N. Haueter // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 6500 ABONNEMENTE Filmpodium-Generalabonnement : CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– / U25: CHF 40.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Sommer-Abo: CHF 95.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen vom 1.7.–23.9.2018) // Jahrhundert-Abo: Fr. 50.– (für alle in Ausbildung; freier Eintritt zu den Filmen der Reihe «Das erste Jahrhundert des Films») // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU Blacklist Reloaded

Forman und Menzel

In der Nachkriegszeit wurden in den USA Ci-

Die tschechischen Regisseure Jiří Menzel

neasten offiziell verfolgt oder mit Berufs-

(*1938) und Milos Forman (1932–2018)

verbot belegt, weil sie sich mehr oder min-

­waren auch international aktiv, ihre viel-

der ausdrücklich für «linke» Anliegen wie

leicht schönsten Filme aber stammen aus

die Emanzipation von Frauen und eth-

ihrer Heimat. Wir präsentieren eine Aus-

nischen Minderheiten oder soziale Gerech-

wahl in neu restaurierten Kopien, u. a. Die

tigkeit einsetzten. Das Filmpodium zeigt

Liebe ­einer Blondine von Forman und Kurz-

Filme der legendären «Hollywood Ten», die

geschnitten von Menzel.

sich weigerten, vor dem House Un-American Activities Committee andere Filmschaf-

Das Fiktionale im Dokumentarfilm

fende zu denunzieren, Werke anderer Cine-

Seit Robert Flaherty loten Dokumentarfil-

asten, die in der McCarthy-Ära auf der

mer in ihren Werken abseits der nüchternen

«Blacklist» landeten, sowie jüngere Filme,

Berichterstattung auch fiktionale Gestal-

die sich mit diesem Trauma der US-Film-

tungsformen und Strategien aus. Diesem

welt befassen, etwa Martin Ritts The Front

Thema widmet sich Fred van der Kooij in sei-

oder Jay Roachs Trumbo.

ner nächsten Vorlesungsreihe.


«Ein ozeanisches Kammerspiel.» Tagesspiegel «Gefilmt mit äusserster Präzision und mit höchster Kunst.» Kinozeit «Bravouröses Hochseedrama, das unangenehme Fragen stellt.» Uncut Movies

STYX W OLF GANG F ISCHER

Die Frau und das Meer AB 16. AUGUST IM KINO


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