Fazit 135

Page 1

fazitmagazin.at

#135

FA ZITGESPR ÄCH

Nr. 135 6/2017 EURO 4,50 Erscheinungsort Graz Verlagspostamt A-8010 Graz P.b.b. 04Z035487 M

Keine Frage des Mutes Danielle Spera im Interview

FAZIT

FA ZIT THEMA

FA ZITESSAY

Anselm Böhmer über die Inklusion Zugewanderter durch Bildung

August 2017

Fachkräftemangel als Gefahr für Investitionen

Wirtschaft und mehr. Aus dem Süden.


Foto: Jon Tyson

Was tun nach der Schule?


Mostwanted lesen! Das Bildungsmagazin fĂźr junge Menschen. Aus der Fazitredaktion.

fazitmagazin.at fb.com/fazitmagazin Die nächsten Ausgaben erscheinen im Oktober und Dezember 2017. Weitere Infos unter mostwanted@wmedia.at oder auf wmedia.at/mostwanted

FAZIT



Editorial

Von Christian Klepej

F

reunde berichteten mir von Bildern der Verwüstung, die Hamburg gute acht Tage nach den Krawallen und Ausschreitungen eines gewaltbereiten linken Mobs bot. Ausgebrannte Autowracks am Straßenrand, zerstörte Haltestellen sowie unzählige – notdürftig verschlagene – zerbrochene Fensterscheiben. Und dabei waren sie gar nicht im Schanzenviertel, wo es zu den schlimmsten Gewaltexzessen der unter dem Deckmantel einer demokratischen »Demonstration« ihrer Lust am Zerstören freien Lauf lassenden Kriminellen gekommen ist. Damit schließt dieser Text nahtlos an das letzte Editorial an, wo ich über die Diskursnotwendigkeit zwischen linken und rechten Demokraten geschrieben hatte. Nun ist es ein Faktum, dass diese Randale von Linksextremen verursacht wurden. Natürlich hat kein einzelner (demokratischer!) Sozialdemokrat, Linksliberaler oder eben auch Linker, für die Ausbrüche von kriminellen Subjekten Verantwortung zu übernehmen. Trotzdem kann diese unter dem vielsagenden Titel »Welcome to

Mit der Verharmlosung linksextremer Gewalt muss endlich Schluss sein

hell« firmierende und dann vollkommen entglittene Protestbewegung gegen das Treffen der G-20-Staatschefs zu einem Sündenfall für zumindest Teile der Linken werden. Nämlich für die, die diese wahnsinnsnahen Gewaltaktionen verharmlosen. Dabei denke ich jetzt nicht an eine Jutta Ditfurth, bei ihr ist Hopfen und Malz verloren, nein, ich denke etwa an den Oppositionsführer im schleswig-holsteinischen Landtag und stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Ralf Steger. Der hat in markigen Tweets jede Verbindung der Krawallmacher von Hamburg mit »den Linken« offenbar nur kraft seiner Tastatur in Abrede gestellt und sich etwa dazu verstiegen sinngemäß zu behaupten, wer links sei, kann nicht kriminell sein. Später kam dann der Satz, »anständige Linke hatten noch nie was mit Gewalttätern gemein« von ihm, den ich so gerne stehen lasse. Er gilt übrigens auch für Rechte. Die in der Parteijugendarbeit und der Studentenvertretung eindeutig existierenden Beziehungen – auch in Österreich und weiten Teilen Europas – zum sogenannten »schwarzen Block« der linksextremen Szene aber zu negieren, kommt einer gefährlichen und nahdummen Realitätsverweigerung gleich. Hier gibt es Handlungsbedarf und hier müssen sich linke wie rechte Demokraten einig sein, dass es eine Demarkationslinie zur Gewalt geben muss, die nicht zu überschreiten ist! Jeder, der die Bilder aus Hamburg gesehen hat, konnte erkennen, dass dies nichts mehr mit Bürgerprotesten oder friedlichem Aktionismus zu tun hatte. Die Polizei wurde auf das brutalste angegriffen und war nicht mehr in der Lage, das zu tun, wofür wir sie haben: für Recht und Ordnung – etwa bei der Trennung von vermummten und nicht vermummten Demonstranten – zu sorgen. Seitens vieler Politiker der Grünen und der Linkspartei kamen Vorwürfe, die Polizei hätte zu wenig deeskaliert und die Situation so erst gefährlich werden lassen. Etwa Katja Kipping, Parteichefin der Linkspartei, oder der Ex-Grünenchef und seit RAF-Zeiten linksbewegte Hans-Christian Ströbele. Was ein ungeheuer Vorwurf ist! Wenn vor den Augen der Exekutive

Gesetzesbruch begangen wird, dann ist es einmal erste Aufgabe der Polizei einzuschreiten und nicht zu deeskalieren. Und, damit das ganz klar ist, ich rede hier nicht dem Prügelpolizisten das Wort; schauen Sie sich die Bilder aus Hamburg an! Eine noch abwegigere Position hat der von mir ansonsten (ab und an jedenfalls) als intelligenter Zeitgenosse geschätzte Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi eingenommen. Der meint, dass es keine Gipfeltreffen zwischen Staatschefs brauche, dafür gäbe es die Uno. Interessant für die friedensbewegte Linke; mir sind Staatschefs lieber, die sich treffen, als solche, die sich nichts mehr zu sagen haben. Dem Fass den Boden aus schlug Jakob Augstein, der via Twitter zu Beginn des Gipfels forderte, solche Treffen müssten so teuer werden, dass sich nur Diktaturen mehr leisten können, sie auszurichten. Man braucht jetzt dem Herrn Augstein nicht besonders unwohlgesonnen sein, um ihm gratulieren zu dürfen: Die Truppen, die er damit rief, die hat er bekommen. Sie sind ins Schanzenviertel marschiert und haben die Autos der Anwohner zerstört und die Geschäfte der Kleingewerbetreibenden geplündert. Mit einem solchen Zündeln müssen wir aufhören, bevor es zu spät ist. n

Sie erreichen den Autor unter christian.klepej@wmedia.at FAZIT AUGUST 2017 /// 5


Inhalt Fazit August 2017

Bedrohung Fachkräftemangel

Betriebe, die sich schwer tun, Fachkräfte zu finden, investieren weniger und stellen generell weniger Mitarbeiter ein.

39 Fotos: Pete Wright, Marija Kanizaj (2), Enlarge, Lucas Kundigraber, Reithofer-Media

08

24

Keine Frage des Mutes

Danielle Spera, Direktorina des Jüdischen Museums in Wien, über Geschichtsbewusstsein und Antisemitismus.

Inklusion durch Bildung

Anselm Böhmer darüber, was es braucht, damit die Inklusion der Migration durch Bildung gelingen kann.

Fürstenfeld hat den Swing

Zum zweiten Mal findet von 18. bis 26. August das Dixieland- und Swingfestival in Fürstenfeld statt. Seite 80

Ausgabe August 2017 XIV. Jahrgang Nr. 135 (6/2017) FAZIT © Klepej &Tandl OG, Graz Alle Rechte vorbehalten. Mit »Anzeige« und »l« gekennzeichnete Beiträge sind entgeltliche Einschaltungen.

6 /// WILLKOMMEN IM FAZIT


Wirtschaft und mehr. 68

74

Rubriken Editorial 5 Politicks 16 Investor 34 Zur Lage 38 Da Wanko 48 Immobilien 66 Alles Kultur 80 Schluss 82

Liebe Leser!

Obwohl die Gewerkschaft behauptet, dass es den Fachkräftemangel gar nicht gibt, klagt ein Drittel der Unternehmen, dass sie offene Stellen nicht besetzen können. Gesucht werden nicht nur Mintabsolventen sondern auch Handwerker, Vertriebsmitarbeiter oder Gastronomiefachleute.

Die ehemalige Zib-Frontfrau Danielle Spera ist jetzt Direktorin des Jüdischen Museums in Wien. Wir sprachen mit der großen Optimistin über Geschichtsbewusstsein und Antisemitismus. Sie sieht zwar großen Nachholbedarf in historischer Bildung, doch selbst in Zeiten von Rechtspopulismus und Migration aus israelfeindlichen Staaten hält sie das Problem für bewältigbar.

Und auch der Fazitessay setzt sich mit dem – aus Sicht der meisten Österreicher – wichtigsten gesellschaftlichem Thema unserer Zeit auseinander, den Folgen der Migration. Anselm Böhmer thematisiert die Inklusion der Zuwanderung durch Bildung und fordert Konsequenzen für das Bildungssystem.

Der Wert der Marken

Erich und Oliver Fabianek verkaufen in der Grazer Altstadt Briefmarken. Das hat auch mit Fechten und Fußball zu tun.

Und in der Managementserie geht es um die Fähigkeiten, die sich Führungskräfte in der Teamentwicklung aneignen müssen. Gutes Lesen! -redIMPRESSUM

Reise nach Dalmatien

Bol, das älteste Städtchen auf Brač besitzt traumhafte Strände und preisgekrönte Weine. Und eine Kaiser-Franz-Josef-Brücke.

Medieninhaber & Verleger Klepej & Tandl OG Chefredaktion Christian Klepej Mag. Johannes Tandl

Redaktion Peter K. Wagner (BA), Mag. Josef Schiffer, Mag. Maryam Laura Moazedi, Dr. Volker Schögler, Mag. Katharina Kocher-Lichem, Mag. Johannes Pratl, Helmut Wagner, Mag. Katharina Zimmermann, Peter Pichler (Satz), Vanessa Fuchs (Organisation)

IE h SER urc

) d olgung (6 f r E hr 46 Fü Seite

Lektorat AdLiteram

Druck Leykam-Letsprint

Zur Lage

Vertrieb & Anzeigenleitung Horst Futterer

Im Grunde eine E xtralage zur Nationalrats wahl.

Seite 38

Herausgeber Horst Futterer, Christian Klepej und Mag. Johannes Tandl

Kundenberatung DI (FH) Gerald Gaksch, Sophie Serec, Simona Kokol

Titelfoto von Marija Kanizaj

Redaktionsanschrift Kalchberggasse 1/II, A-8010 Graz T. 0316/671929*0. F.*33 office@wmedia.at fazitmagazin.at facebook.com/fazitmagazin

FAZIT AUGUST 2017 /// 7


Foto: Pete Wright on Unsplash

Der Mangel an Fachkräften bedroht die Investitionen Nach langen acht Jahren Wirtschaftskrise ist endlich die Konjunktur von seitwärts in Richtung aufwärts geschwenkt. Erstmals seit Jahren geht die Arbeitslosigkeit zurück. Damit verschärft sich für viele Unternehmen ein Problem, das sich sogar während der Krise und der Phase der hohen Arbeitslosigkeit als entscheidendes Wachstumshemmnis erwiesen hat: die oft vergebliche Suche nach geeigneten Arbeitskräften. Von Johannes Tandl


Fazitthema

A

ktuell klagt etwa ein Drittel der Unternehmen, dass sie sich kaum in der Lage sehen, die offenen Stellen fachkundig zu besetzen. Am begehrtesten sind zwar die Absolventen der klassischen MINT-Fächer – besonders der Arbeitsmarkt für IT-Ingenieure ist völlig ausgetrocknet –, aber auch die Nachfrage nach klassischen Handwerkern, wie Tischlern, Elektrikern, Schweißern, Maurern oder Installateuren, ist deutlich größer als das Angebot. Den Unternehmen fehlen inzwischen auch Vertriebsmitarbeiter und Büroangestellte. Die Arbeitslosigkeit beschränkt sich hingegen auf ältere Arbeitnehmer, bei denen wegen des Senioritätsprinzips Gehaltshöhe und Produktivität so weit auseinanderliegen, dass den Recruitern das Einstellungsrisiko trotz Förderungen einfach zu hoch erscheint. Und auch die Minderqualifizierten, die bloß die Pflichtschule absolviert haben, tun sich schwer. Weil die Auftragseingänge der Unternehmen aktuell deutlich über den Erwartungen liegen, finden derzeit jedoch auch die Schlechtqualifizierten Arbeit. Doch sobald sich die Auftragsspitzen in eine dauerhaft erhöhte Auslastung wandeln, werden die jetzt eingestellten Hilfsarbeiter wegrationalisiert und durch günstigere Maschinen ersetzt.

Am stärksten belastet sind die Randregionen

Der Fachkräftemangel verschärft zuerst die Probleme in den Abwanderungsregionen. Denn in Bezug auf die Mobilität der Arbeitssuchenden erweist sich die sogenannte Polarisationstheorie als wesentlich tragfähiger als der etablierte neoklassische

FAZIT AUGUST 2017 /// 9


Foto: Alex Knight on Unsplash

»Die Anforderungen an Fachkräfte werden sich jedenfalls völlig verändern und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Bereiche mit kreativem und innovativem Potenzial konzentrieren.«


Fazitthema

Ansatz, der davon ausgeht, dass sich ein Marktgleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt durch die erhöhte Mobilität der Arbeitnehmer erreichen lässt. Der empirische Befund weist stattdessen darauf hin, dass der schwedische Wirtschaftsnobelpreisträger Gunnar Myrdal recht hat, wenn er behauptet, dass regionale Marktungleichgewichte nicht zum Ausgleich gelangen, wie es die Neoklassik vorsehen würde, sondern dass die Disparitäten aufgrund kumulativer Entwicklungsprozesse verstärkt oder immer wieder neu strukturiert werden. Der Brain-Drain der für den regionalen Arbeitsmarkt meist überqualifizierten Jugendlichen in die Ballungsräume lässt sich also nicht einmal stoppen, wenn regional entsprechend hochwertige Jobs geschaffen werden. Immer öfter stellen die Unternehmen außerhalb der Ballungsräume daher fest, dass sie an ihrem Standort an der Peripherie nicht genügend hochqualifiziertes Personal finden können. Sie schrauben daher ihre Investitionen zurück oder investieren dort, wo das Arbeitskräfteangebot größer ist. Bereits ausgedünnte Randregionen geraten dadurch in einen Teufelskreis: Weil es zu wenig gut ausgebildete Junge vor Ort gibt, können auch die verbliebenen Unternehmen ihre offenen Stellen nicht nachbesetzen und sehen sich zu Niederlassungen in den Ballungsräumen gezwungen. Dorthin wird dann ein Geschäftsbereich nach dem anderen verlagert, bis das Unternehmen gänzlich abwandert.

Die Gewerkschaften bestreiten das Problem

Gewerkschafter bezeichnen den Fachkräftemangel als Phantom. Sie behaupten, dass Unternehmen, denen Fachkräfte fehlen, einfach nicht attraktiv genug seien oder dass sie ihre Mitarbeiter zu schlecht entlohnen. So zeigte sich ÖGB-Präsident Erich Foglar angesichts der Aussage von Finanzminister Hans Jörg Schelling, der den Fachkräftemangel beklagte, irritiert: »Der vielbeklagte Fachkräftemangel ist ein Mythos«, so Foglar. Österreich habe keinen Mangel an Arbeitskräften, sondern einen an Arbeitsplätzen. Wenn Fachkräfte wirklich so knapp wären, müsste es ja zu Überzahlungen kommen – das tue es aber nicht. Und Foglar ergänzt: »Auch die Zahl der Lehrbetriebe und der Lehrplätze ist rückläufig. Da drängt sich schon der Verdacht auf, dass das ständige Lamento über den Mangel an Personal ein Vorwand der Wirtschaft ist.« Foglar kann sich bei seinen Aussagen auf Produktivitäts- und Lohnvergleiche stützen. Denn tatsächlich verdient ein durchschnittlicher vollzeitbeschäftigter deutscher Arbeitnehmer deutlich mehr als sein österreichischer Kollege. Und das obwohl die Produktivität in der Bundesrepublik niedriger ist. So erhielt im Jahr 2014 der deutsche Arbeitnehmer mit monatlich brutto 3.380 Euro um 386 Euro mehr als der österreichische mit nur

FAZIT AUGUST 2017 /// 11


Fazitthema

2994 Euro. Womit die Arbeitnehmervertreter nicht argumentieren, sind jedoch die Arbeitskosten. Die liegen in Österreich mit 32,70 Euro pro Arbeitsstunde deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone von 29,80 Euro oder der EU-28 mit 25,40 Euro und sind gleich hoch wie in Deutschland. Teurer als in Österreich ist die Arbeit nur in Skandinavien, Belgien und Frankreich, also Länder, in denen entweder die Produktivität deutlich höher ist als bei uns oder in denen der Anteil der Sachgütererzeugung am BIP seit Jahren rückläufig ist, weil die Industriebetriebe wegen der hohen Kosten nicht mehr wettbewerbsfähig sind. In einem EU-Produktivitätsranking liegt Österreich übrigens auf dem vierten Rang – mit 114,7 Prozent des EU-Schnitts sogar um 8,7 Prozentpunkte vor Deutschland. Aus Arbeitnehmersicht sind deshalb höhere Löhne durchaus gerechtfertigt. Dabei nehmen sie jedoch auf die niedrigen Nettolöhne Bezug, denn davon, dass in kaum einem anderen EU-Land die arbeitsbezogenen Belastungen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber so hoch sind wie bei uns, kann sich kein Arbeitnehmer etwas kaufen.

Der Anteil der Sachgütererzeugung an der Wertschöpfung wächst

Österreich ist Teil der erfolgreichen zentraleuropäischen Industriekernzone

Ein Bericht des IWF spricht nämlich vom Herausbilden »zentraleuropäischer Wertschöpfungsketten«. Und inzwischen gibt es klare empirische Nachweise dafür, dass sich die europäische Sachgüterproduktion zunehmend im zentraleuropäischen Raum

achtzigzehn | Foto: www.jasminschuller.com | Bezahlte Anzeige

Der Anteil der industriellen Wertschöpfung an der gesamten Wirtschaftsleistung liegt in Österreich mit 22 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich über dem EU-Schnitt von 19

Prozent. Der Anteil der Sachgütererzeugung – also von Industrie, Gewerbe und Handwerk (inkl. Bau) – am BIP beträgt sogar 57 Prozent. Und er ist weiter steigend. Trotzdem geht die Beschäftigung in der Sachgütererzeugung zurück. So fanden bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise noch beinahe 700.000 Menschen im produzierenden Sektor Arbeit. Im Jahr 2016 waren es nur mehr etwa 620.000. Also schon bevor die Digitalisierung die Arbeitswelt voll durchdrungen hat, kann das Wirtschaftswachstum nicht mit den Produktivitätssteigerungen Schritt halten. Daher drängt sich die Annahme auf, dass das Arbeitskräfteangebot auch in Zukunft deutlich schneller steigen wird als die Nachfrage. Die strukturelle Arbeitslosigkeit könnte daher sämtliche Bereiche erfassen, in denen die Arbeitnehmer sich wiederholende Tätigkeiten ausführen. Selbst ein Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent würde dann nicht mehr ausreichen, um die Beschäftigung zu heben. Doch welche Beschäftigungsauswirkungen die Digitalisierung im Detail haben wird, bleibt umstritten.

DIE STADT MEINES LEBENS Kreativ, mutig, bunt: Auch nach 2003 beleben Kunsthaus, Festivals, Spielstätten, Museen und eine freie Kunstszene unsere Kulturhauptstadt Graz. www.kultur.graz.at


Fazitthema

Wir sind die Steiermark – wir sind Europa

Eine starke Region im Herzen Europas

Steiermark 0,5

Steiermark Steiermark

0,5 0,5

in

der

in in

EU

der der

EU EU

Angaben in Prozent

0,25

Angaben in Prozent Angaben in Prozent

0,25 0,25

0 0 0

Flächenanteil Bevölkerungsanteil

BIP-Anteil

Flächenanteil Bevölkerungsanteil

BIP-Anteil

In Brüssel getroffene Entscheidungen haben Auswirkungen auf alle Steirerinnen und Steirer. Steir.

5

Steir. Steir.

5 5

Studierende

Studierende Studierende

im

im im

Ausland

Ausland Ausland

2,5 2,5 2,5

Deshalb mischen wir uns ein und vertreten steirische Positionen mit starker Stimme. 0

0 0

Forschungsquote

Forschungsquote

5 5 5

0 0 0

Steiermark

Steiermark

Die steirische Europastrategie „Europavision 2025“ Steigerung

10 10 10

Österreich

Österreich

Steigerung Steigerung

Exportquote

Exportquote Exportquote

Mehr unter: europa.steiermark.at/europastrategie Steiermark Österreich Österreich

Steiermark Steiermark

Jahr 2013 zeigt für die Länder der zentraleuropäischen Industriekernzone auf, dass deren Produktionsprozesse vorwiegend mit jenen der übrigen Mitglieder dieser Gruppe verwoben sind. Die stärkste Orientierung in dieser Produktionsvernetzung hin zu anderen Mitgliedern der zentraleuropäischen Industriekernzone zeigt sich für Österreich, wo rund die Hälfte aller bestehenden Produktionsvernetzungen mit anderen Ländern der Region bestehen. Dass sich nun auch ein Teil der »neuen Seidenstraße«, in die China Milliarden für die regionale und überregionale Infrastruktur investieren will, um sich besser wirtschaftlich zu vernetzen, mit diesem Gebiet deckt, kann die Entwicklung zusätzlich beschleunigen. Damit ist der Weg vorgezeichnet, dass die Industrie auch in Zukunft auf hochqualifizierte Mitarbeiter angewiesen sein wird. Dass sich die Liste der Mangelberufe in zehn Jahren allerdings mit jener der heutigen Mangelberufe decken wird, kann dennoch bezweifelt werden.

Die große Unbekannte: Die Auswirkungen der Digitalisierung

Selbst wenn die Digitalisierung niedrigqualifizierte Jobs durch hochwertige Arbeitsplätze ersetzen wird, ist davon auszugehen, dass dieser Austausch nicht im Verhältnis eins zu eins stattfindet. Es steht also ein herausfordernder Strukturwandel ins Haus, bei dem vorübergehend Arbeitsplätze wegfallen und es zu beruf-

BEZAHLTE ANZEIGE

bündelt. Die europäische Industrie verlagert sich also langfristig auf eine »zentraleuropäische Industriekernzone«. Sie besteht aus Deutschland, dem Dreh- und Angelpunkt dieser transnationalen Wertschöpfungsketten, sowie aus den vier Visegrád-Ländern Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen und eben aus Österreich. Die sechs zentraleuropäischen Industriekernländer weisen inzwischen eine wesentlich höhere »Exportintensität« – gemessen als Wertschöpfungsexporte der Sachgüterindustrie pro Einwohner – auf als die übrigen EU-Mitgliedstaaten. Die Exporte der Kernzone stiegen seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent schneller als jene der restlichen EU. Das ist signifikant. Die Mitglieder der zentraleuropäischen Industriekernzone konnten ihre Marktanteile am europäischen Warenverkehr seit 1995 daher um etwa 10 Prozent steigern. Das ist extrem viel und war nur auf Kosten aller anderen 22 EU-Mitgliedsländer möglich. Die Folgen erkennt man deutlich am sinkenden Anteil der industriellen Wertschöpfung in diesen Staaten. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Industrie weiter in der zentraleuropäischen Industriekernzone bündeln wird. Und zwar nicht wegen des Euro, der die Kostensituation der deutschen Wirtschaft womöglich besser darstellt, als sie ist, sondern wegen der inzwischen gut eingespielten Wertschöpfungsketten, die einen Bereich nach dem anderen erfassen und denen die restlichen EU-Staaten wenig entgegenzusetzen haben. Eine Studie des Wiener Instituts für Wirtschaftsvergleiche aus dem


Fazitthema

schaft, wenn sie sich nicht mehr bemühen würde – trotz Digitalisierung –, für alle eine Arbeit zu suchen, die Anerkennung und sozialen Schutz gibt. Mazal ist daher gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil es die Menschen durch Transferleistung zwar ruhigstellen, aber keinen Selbstwert durch Anerkennung verschaffen würde. Die Nachfrage nach Fachkräften wird sich jedenfalls völlig verändern und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf Bereiche mit kreativem und innovativem Potenzial konzentrieren, weil menschliche Tätigkeiten mit hoher Wiederholungsrate durch rund um die Uhr einsatzbereite, nahezu fehlerfrei arbeitende, vernetzte Systeme künstlicher Intelligenz ersetzt werden. Wie schon heute wird auch der Manager der Zukunft den Zeitpunkt für eine Rationalisierungsinvestition von den Kosten abhängig machen. Und wie schon heute ist auch in zwanzig Jahren davon auszugehen, dass jene Fachkräfte, die in der Lage sind, die komplexen Technologiesysteme zu implementieren, zu betreuen und zu reparieren, besonders gefragt sein werden. Der Fachkräftemangel wird uns also auch in das Zeitalter der Digitalisierung begleiten.

Konstant hohe Nachfrage im MINT-Bereich

Auch darin, dass die erforderlichen Qualifikationen, um den Herausforderungen der zukünftigen Arbeitswelt gewachsen zu sein, am ehesten in den sogenannten MINT-Fächern, also Mathematik,

Entgeltliche Einschaltung des Landes Steiermark. Fotos: iStockphoto.com

licher Um- und Neuorientierung kommen muss. Wohin mit den Arbeitnehmern, deren Jobs wegfallen? Wie sehen etwa die Übergänge für Lkw-Fahrer oder Taxilenker zu Jobs mit einem höheren Qualifikationsniveau aus, sobald sich das autonome Fahren tatsächlich in wenigen Jahren durchgesetzt hat? Der Arbeitsmarktexperte Wolfgang Mazal vergleicht die Art und Weise und den Umfang, in dem die Digitalisierung die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts verändern wird, mit der ersten industriellen Revolution Anfang des 19. Jahrhunderts, bei der der gewaltige Umbruch auch bereits früh erkennbar war. Auch damals, so Mazal, änderte sich die Lebens- und Arbeitswelt der Menschen binnen weniger Jahrzehnte radikal. Bei der Digitalisierung ginge das aber noch schneller. Der Kern sämtlicher Industrie-4.0-Studien reduziert sich darauf, dass Maschinen und Automaten die menschliche Arbeitskraft sogar in jenen Bereichen ersetzen werden, in denen das bis dato niemand für möglich gehalten hat. So soll die Bürosoftware der Zukunft Buchungsfehler schneller erkennen und korrigieren als der beste Buchhalter. Sie wird auch bessere Vorschläge für die Bilanzgestaltung machen als der schlaueste Steuerberater. Aber womöglich brauchen die Unternehmen der Zukunft eine noch viel gezieltere Beratung in Form menschlicher Expertise, die weit über die derzeit üblichen Benchmark-Vergleiche hinausreicht. Für Mazal wäre es eine Kapitulation der Humanität einer Gesell-

FORTSCHRITT IST STEIRISCH. DIE STEIERMARK IST VIZE-EUROPAMEISTER. Mit fast fünf Prozent Forschungs- und Entwicklungsquote führt die Steiermark das Ranking der Bundesländer an. Rund 18.000 Forscherinnen und Forscher machen die Steiermark zum Vize-Europameister.

Gemeinsam k ZUKUNFTS e S�eiermar di SCHAFT vo�a PARTNERSCHAFT nb�ingen. KOALITION.ZUKUNFT.STEIERMARK facebook.com/steiermark twitter.com/land_steiermark instagram.com/land_steiermark Noch mehr Steiermark gibt es auf www.steiermark.at | www.steiermark.com


Fazitthema

Informatik, Naturwissenschaften und Technik, vermittelt werden, sind sich die Arbeitsmarktexperten einig. Angeblich herrscht allein bei der österreichischen Industrie eine permanente Nachfrage nach etwa 1.000 Hochschulabsolventen dieser Studienrichtungen. Derzeit übernehmen übrigens viele HTL-Absolventen MINT-Jobs, die für Akademiker vorgesehen sind. Dazu zählen technische Berufe in der Industrie und Ingenieur-Berufe. Gerade in der industriellen Fertigung veränderten sich durch Digitalisierungsprozesse bereits in den vergangenen Jahren viele Tätigkeiten. Daher werden vor allem höher qualifizierte Mitarbeiter gesucht. Laut einer Studie des von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung betriebenen »Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft« (IBW) steigt in der Praxis allerdings nicht vorrangig der Bedarf nach Akademikern, sondern auch nach höher qualifizierten Lehr-, Fachschul- und BHS-Absolventen. Eine Befragung des IBW unter den heimischen Industrieunternehmen hat ergeben, dass die Mitarbeiter in Bezug auf den Einsatz intelligent vernetzter Technologien hinterherhinken. Beim Auffüllen dieser Lücke haben zwei Drittel der Unternehmen große Schwierigkeiten. Da etwa die TU Wien die Studienplätze zuletzt weiter reduziert hat, wird sich das Problem verschärfen. Und auch die hohe Drop-out-Rate bei Technikstudien – sie liegt bei Informatik nach zwei Semestern bei etwa 50 Prozent – muss deutlich, etwa durch eine bessere Studieneingangsphase, redu-

ziert werden. Und so suchen die Betriebe händeringend nach Technikern und Informatikern. Bereits zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen sehen im Fachkräftemangel den wichtigsten Grund dafür, dass sich die Unternehmen umsatzmäßig nicht so entwickeln können, wie es die Marktlage zuließe. Aktuell kann nur eine von vier offenen Stellen besetzt werden. Pro Jahr könnten in Österreich in den MINT-Fächern 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Das wird jedoch nicht der Fall sein. Erstens weil die Ausbildungskapazitäten fehlen und zweitens weil es viel zu wenige Interessenten für diese Fächer gibt. Denn für die angehenden Studiosi besteht bei einem MINT-Studium an meist bestenfalls durchschnittlichen österreichischen Universitäten die äußerst hohe Wahrscheinlichkeit, bereits kurz nach Studienbeginn zu scheitern.

Der Einzige mit einem Plan für unsere Zukunft. Bundeskanzler Christian Kern

Verantwortung für Österreich.


Man muss ja nicht grün sein, um Abgeordneter zu sein. Peter Pilz

Fotos: Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Peter Pilz mischt den Wahlkampf auf. Seine Stimmen würden vor allem die SPÖ und die Grünen schwächen. Pilz mischt den Wahlkampf auf Im Nationalratswahlkampf wartet derzeit alles auf die endgültige Festlegung von Peter Pilz, ob er antreten wird oder nicht. Sein Wahlziel hat Pilz mit der Verhinderung einer schwarzblauen Kurz-Strache-Regierung bereits formuliert. Derzeit sammelt das grüne Urgestein seine Kohorten und seine Sponsoren. Gemeinsam mit den beiden grünen Abgeordneten Bruno Roßmann und Wolfgang Zinggl dürfte Pilz die drei für eine Kandidatur erforderlichen Abgeordnetenunterschriften jedenfalls bereits in der Tasche haben. Pilz plant eine stramm linke Partei, die sich in der Migrationsfrage deutlich von den Grünen abhebt. Diesbezüglich trennt ihn wesentlich weniger von ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz als von seinen ehemaligen Mitstreitern, denn wie der Außenminister tritt auch Pilz für das Schließen der Mittelmeerroute durch Auffanglager in Afrika ein, in denen die geretteten Bootsflüchtlinge versorgt werden. Obwohl Bundeskanzler Christian 16 /// FAZIT AUGUST 2017

Kern diese Idee von Kurz noch kürzlich als »Vollholler« bezeichnet hat, lenkt auch er mittlerweile ein. Kern kämpft nach wie vor mit seiner gespaltenen Partei um die endgültige Linie in der Migrationspolitik. Während der SPÖ-Arbeitnehmerflügel lieber heute als morgen mit der FPÖ koalieren würde, wollen das die Bobos in der Wiener SPÖ unbedingt verhindern. Sollte Pilz kandidieren, stellt sich das Problem jedoch vielleicht gar nicht. Die jüngste GFK-Umfrage für den Kurier hat sowohl die Kandidatur von Peter Pilz als auch das Antreten von Irmgard Griss bei den NEOS berücksichtigt und stützt sich auf 1.000 Interviews. Demnach käme die Kurz-ÖVP auf 32 Prozent, die SPÖ auf 25, die FPÖ auf 22 die Grünen auf 7,5, Peter Pilz auf 6,5 und die NEOS auf 5 Prozent. Sollte der nächste Nationalrat tatsächlich aus sechs Fraktionen bestehen, schaut es nicht gut für eine rotblaue Mehrheit aus. Mit seinem Antreten könnte Peter Pilz daher genau das erreichen, was er eigentlich verhindern will. Einen Nationalrat, bei dem sich nur eine schwarzrote und eine schwarzblaue Zweierkoalition ausgehen.

Geplatzte Arbeitszeitflexibilisierung: Industrie sieht Leitl in der Verantwortung Das Scheitern der Gespräche zur Arbeitszeitflexibilisierung führt zu heftiger Kritik der Industriellenvereinigung an ÖGB und WKO. Vereinbart waren ja gemeinsame Gespräche über die Einführung eines Mindestlohns von 1.500 Euro und einer Arbeitszeitflexibilisierung mit einer Maximalarbeitszeit von 12 Stunden täglich. Die rotschwarze Bundesregierung hatte diese beiden Bereiche bei ihrem »Neustart« im Jänner an die Sozialpartner ausgelagert. Nach dem Zusammenbruch der Regierung hat ÖGB-Präsident Erich Foglar nun offensichtlich besser gepokert als WKO-Präsident Christoph Leitl. Herausgekommen ist nämlich ein Mindestlohn von 1.500 Euro, der bis 2020 flächendeckend eingeführt werden soll, aber keine Einigung zur Arbeitszeitflexibilisierung. Die starre österreichische Arbeitszeitregelung stellt aus Sicht des WIFO längst eines der größten Hemmnisse am heimischen Wirtschafts-

standort dar. Der steirische IV-Präsident Georg Knill zweifelte nach Bekanntwerden des Ergebnisses sogar offen die Zukunftsfähigkeit der Sozialpartner an. Wie und was da verhandelt worden ist, sei ein Ausdruck der Hilflosigkeit, so Knill. Der Vizeobmann des Fachverbands der Metallindustrie in der Wirtschaftskammer, der Kärntner Unternehmer Timo Springer, forderte Leitl sogar zum Rücktritt auf. Die WKO vertrete keine Unternehmerinteressen mehr, sondern Leitl stehe nur noch für eigene Interessen ein, kritisierte Springer in einem Mail an Leitl und einige der wichtigsten Industriellen des Landes. Leitl habe keinen einzigen Punkt durchsetzen können, der dem Wirtschaftsstandort zugute komme. Er solle daher über einen grundlegenden Wandel nachdenken und (mit seinem Rücktritt) der WKO die Chance auf einen Neubeginn geben. Leitl habe den vorab mit den Unternehmen vereinbarten Verhandlungskorridor nicht halten können und im Alleingang eine Einigung verkündet, bei der sich die Wirtschaftskammer in keinem einzigen Punkt wiederfände. Der WKO-Präsident rechtfertigte sich gegenüber Springer damit, dass dem Nationalrat angeblich ein Antrag über einen Mindestlohn von 1.750 Euro vorläge, und der zur Abstimmung gelangt wäre, wenn er den 1.500 Euro zugestimmt hätte. Springer solle sich daher direkt bei ÖGB-Präsident Foglar beschweren. Spannendes Ringen um die Leitl-Nachfolge Leitls Amtszeit als Präsident der Wirtschaftskammer endet mit der WK-Wahl 2020, bei der er nicht mehr antreten wird. Als vereinbart gilt, dass er Anfang nächsten Jahres seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge bekanntgeben wird. Leitl soll eine Frau für die Nachfolge präferieren. Angeblich steht der Rücktritt der WK-Vizepräsidentin Ulrike Rabmer-Koller als Chefin des Hauptverbandes der Sozialversicherungen mit der Nachfolge im Zusammenhang. Auch die Tiroler Touristikerin Martha Schulz soll wie die oberösterreichische WK-Präsidentin Doris Hummer gute Karten haben.


Politicks

MIT JOHANNES TANDL

Mit dem Wiener Kammerchef Walter Ruck drängt aber auch ein mächtiger männlicher Funktionär an die WKO-Spitze. Das eröffnet wiederum einigen Außenseitern Chancen. Die könnten dann zum Zug kommen, wenn sich Wien und Oberösterreich nicht einig sind. Dazu zählen auch zwei Steirer, und zwar WK-Präsident Josef Herk und WKO-Vizepräsident Jürgen Roth. Trotz Leits Ausrutschers bei den Verhandlungen um die Arbeitszeitflexibilisierung wird der Wirtschaftsbund geschlossen genug sein, um dem Obmann ein würdiges Abtreten zu ermöglichen, bei dem dieser selbst über seine Nachfolge als WB-Chef entscheiden kann. Dass der nächste WB-Obmann oder die -Obfrau gleichzeitig als nächster WKO-Präsident designiert ist, versteht sich ohnehin von selbst.

Schickhofer gibt Finanzressort ab Wer sich darum sorgt, dass der steirische Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer zu altruistisch für die Politik veranlagt ist, weil er schon wieder auf einen wichtigen Einflussbereich verzichtet, kann beruhigt sein. Schickhofer hat ja vor wenigen Wochen das Finanzressort freiwillig an den Leobner Anton Lang abgetreten. Und das, nachdem er – zumindest nach außen hin – schon 2015, als die SPÖ bei der Landtagswahl knapp, aber doch stimmenstärkste Partei wurde, zugunsten des Koalitionspartners ÖVP auf den Landeshauptmannposten verzichtet hatte. Dafür, dass die SPÖ auf Betreiben von Franz Voves nur deshalb auf den LH verzichtete, weil die Koalitionsverhandlungen vom Gespenst einer schwarzblauen Landeskoalition überschattet waren, kann Schickhofer gar nichts. Dafür, dass er nun die Finanzagenden freiwillig an Anton Lang abgibt, schon. Das Ressort des ehemaligen Leobner Finanzstadtrats umfasst nun die Bereiche Verkehr, Umwelt, erneuerbare Energien, Sport, Tierschutz und Finanzen. Schickhofer hat tatsächlich ohne parteiinternen Druck – zumindest deutet nichts auf einen solchen hin – auf den in der öffentlichen Darstellung wichtigsten Bereich seiner Agenda verzichtet. Sein wesentliches Ziel als Finanzlandesrat sei der Abschluss der

Michael Schickhofer gibt das Finanzressort an Anton Lang ab. Schickhofer will sich um das Regionalressort und um die Wiedererlangung des LH-Postens kümmern. Finanzausgleichsverhandlungen mit dem Bund gewesen, so Schickhofer. Und das hat er mit zusätzlichen 300 Millionen Euro für die Länder tatsächlich erfolgreich erreicht. Mit dem Doppelbudget und der Finanzrahmenplanung 2021 seien auch im Landesbudget die Weichen für die Fortsetzung der Konsolidierung gestellt. Schickhofer begründet seinen Verzicht mit der Landtagswahl 2020, bei der er jenen Landeshauptmannsessel für die SPÖ zurückholen wolle, den die Partei aufgrund des ungünstigen Verlaufs der Koalitionsverhandlungen an die ÖVP abgeben musste. Er wolle für die Partei und für sich die optimale Ausgangslage schaffen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Steiermark wertet die Regionen auf Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer hat derzeit auch mit dem Regionalressort genug zu tun. Die Koalition hat kürzlich die Weichen für die Aufwertung der Regionalkonferenzen beschlossen, die zukünftig eigene Budgets erhalten sollen. Seit dem Projekt »Regionext« besteht die Steiermark ja aus den sieben Großregionen Zentralraum Graz, Südweststeiermark, Südoststeiermark, Oststeiermark, Obersteiermark Ost, Obersteiermark West und Liezen. Mit dem Regionalentwicklungsgesetz stehen den Regionen nun mehr als zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Landeshauptmann

Hermann Schützenhöfer betonte, dass dieser Betrag nicht zur Umsetzung von Projekten gedacht sei, sondern dem Zweck diene, den Regionalvorständen eine finanzielle Basis für eigene Ideen einzuräumen. So seien bereits 440 regionale Projekte, wie das »Zentrum im Berg« in Eisenerz oder die touristische Erschließung der Kaiserau zwischen Rottenmann und Admont am Laufen. Das Regionalentwicklungsgesetz soll im Herbst im Landtag beschlossen werden und Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Ob das Regionalentwicklungsgesetz etwas an den zwei Entwicklungsgeschwindigkeiten des Landes ändern wird, darf dennoch bezweifelt werden. Während sich der Ballungsraum Graz, der sich inzwischen nicht nur über den Zentralraum Graz, sondern auch die »graznahen« Gemeinden der Regionen Südwest- und Oststeiermark erstreckt, boomt, kämpfen die gesamte Obersteiermark sowie die Südoststeiermark gegen die Abwanderung der Jugend und der Betriebe. Wenn man die peripheren Regionen tatsächlich wirkungsvoll unterstützen will, müssen Bund und Land dafür sorgen, dass die dort lebenden Menschen für ihr Steuergeld die gleichen Leistungen erhalten wie die Bewohner der Ballungsräume. Das ist aber wohl nur durch massive öffentliche Investitionen oder durch massive steuerliche Entlastungen der Menschen und Unternehmen in den Randlagen möglich. FAZIT AUGUST 2017 /// 17


Recht haben

Zur Besicherung von Gewährleistungsansprüchen wird im Rahmen von Bauvorhaben oftmals ein Haftrücklass vereinbart. Dieser räumt dem Auftraggeber (AG) das Recht ein, einen bestimmten Prozentsatz der Schlussrechnungssumme für die Dauer der Gewährleistungsfrist einzubehalten. Zur Ablöse des Haftrücklasses wird häufig die Ausstellung einer Bankgarantie vereinbart. Dadurch erhält der Auftragnehmer (AN) den vollen Werklohn, ohne dass sich das Risiko des AG erhöht. Konkret verpflichtet sich die Bank des AN, ohne Prüfung der Rechtsverhältnisse Zahlung zu leisten, sobald der AG die Bankgarantie abruft. Der AG muss den Eintritt des Garantiefalles nur behaupten, um die Bank zur Auszahlung zu verpflichten. Dadurch bleibt der AG so gestellt, als hätte er den Haftrücklass noch in Händen. Erfolgt der Abruf der Bankgarantie zu Unrecht, ist der AN dazu berechtigt, diese zurückzufordern. Dafür hatte der AN bislang 30 Jahre Zeit. Nach der jüngsten Entscheidung zu dieser Thematik (OGH vom 25 November 2016, 10 Ob 62/16i) verjährt der Rückforderungsanspruch einer zu Unrecht gezogenen Bankgarantie binnen drei Jahren ab dem Zeitpunkt, an dem die Bankgarantie abgerufen wurde. Dies führt zwar nicht zum Erlöschen des Rückforderungsanspruches, dieser ist jedoch nicht mehr einklagbar. Der AN ist dadurch einer äußerst unbefriedigenden Situation ausgesetzt, in der er auf die freiwillige Bereitschaft des AG zur Rückzahlung des Garantiebetrages angewiesen ist. Aufgrund der kurzen Verjährungsfrist, welche unabhängig von der Kenntnis des AN vom Abruf der Bankgarantie zu laufen beginnt, ist dieser dazu gezwungen, möglichst rasch zu prüfen, ob die Bankgarantie zu Recht oder zu Unrecht abgerufen wurde. Um die Gefahr der Verjährung des Rückforderungsanspruches zu minimieren, empfiehlt es sich, den AG vertraglich zur Verständigung des AN vom Abruf der Bankgarantie zu verpflichten. Sollte der AG gegen diese vertragliche Verpflichtung verstoßen, können daraus Schadenersatzansprüche des AN resultieren. Diese verjähren erst binnen 3 Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Selbst bei Vorliegen einer derartigen Vereinbarung ist jedem AN dringend zu empfehlen, den Abruf von Bankgarantien in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Foto: dklra.at

Dr. Andreas Kaufmann ist Rechtsanwalt und Universitätslektor in Graz. Kanzlei Daghofer, Kaufmann & Lausegger, Mariahilferstraße 20, Tel. 0316/7222950, dklra.at

18 /// FAZIT AUGUST 2017

Anzeige Foto: Marija Kanizaj

Bankgarantie bei Bauvorhaben zu Unrecht gezogen

Für VP-Klubobmann Karl Lackner bilden die Gemeinden das Fundament einer Region und müssen daher bei den regionalen Entscheidungen eingebunden sein.

VP-Klubobmann Lackner sieht neue Chancen für die Regionen Der ÖVP-Landtagsklub hat bereits im Jahr 2015, vor der Landtagswahl, sein Programm Land.Raum. Zukunft präsentiert. Mit dem neuen Landes- und Regionalentwicklungsgesetz befinden sich diese Konzepte der VP-Abgeordneten nun in Umsetzung. „Die Regionen erhalten einerseits die finanzielle Möglichkeit, von innen heraus Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Zudem soll auch ein Impuls gegeben werden, Förderungen auf EU-Ebene abrufen zu können“, beschreibt VP-Klubobmann Karl Lackner die Potenziale, die durch das Gesetz entstehen sollen.

D

ie Finanzausstattung der Regionen beträgt über 12 Millionen Euro. Diese kommen je zur Hälfte aus Landesund Gemeindemitteln. Für die rund 6,2 Millionen Euro, die das Land für die Regionen zur Verfügung stellt, wird ein spezieller Verteilungsschlüssel angewandt. Über Indikatoren wie die Bevölkerungszahl, die Fläche und die Steuerkraft werden strukturschwächere Regionen besondere Unterstützung erfahren. „Mit dem Verteilungsschlüssel der Landesmittel wird es uns gelingen, eine Art ‚innersteirischen Finanzausgleich‘ zu schaffen. Regionen, deren Strukturen noch stärker wachsen müssen, bekommen so die nötigen Impulse“, führt Klubobmann Karl Lackner zum Verteilungssys-

tem aus. Die Gemeindemittel, die in Form eines Vorwegabzugs der Bedarfszuweisungen einbehalten werden, fließen direkt in die jeweilige Region. „Die Gemeinden bilden das Fundament einer Region. Daher müssen Entscheidungen über die Verwendung der Mittel auch mit den Gemeinden – den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern – abgestimmt sein“, betont Lackner. Denn die Regionen gemeinsam voranzubringen, bedeute auch, jede einzelne Gemeinde zu stärken. Der Entwurf für das Landesund Regionalentwicklungsgesetz durchläuft derzeit ein Begutachtungsverfahren. Im Herbst 2017 soll es im Landtag beschlossen werden und mit Anfang 2018 in Kraft treten.


aktipp fotolia

Kurz & News

Mag.a Bettina Schrittwieser

Konsumentenschutz

Ab in den Flieger und rein ins Urlaubsvergnügen, und als kleiner Ratgeber mit dabei im Handgepäck die Reisebroschüre der Arbeiterkammer. Diese bekommen alle abreisenden UrlauberInnen an Wochenenden am Grazer Flughafen kostenlos.

Steirischer Wirtschaftsbund wählt Herk an die Spitze Der steirische WK-Präsident Josef Herk wurde Ende Juni zum Obmann des steirischen Wirtschaftsbundes gewählt. Ein Wechsel an der WB-Spitze wurde notwendig, weil Christian Buchmann wegen der Plagiatsaffäre, die im Zuge einer Politintrige hochgespielt wurde, nicht nur als Wirtschaftslandesrat, sondern auch als WB-Chef zurücktrat. Österreich brauche wieder klare Werte wie Freiheit, Leistung, Eigentum und Verantwortung, so Herk. Die Vollkaskomentalität müsse durch einen Kurs der neuen politischen Vernunft ersetzt werden. Im Leitantrag fordert der WB eine „Sunset-Legislation“ auf Landes- und Bundesebene, bei der die Gesetze und Verordnungen mit einem automatischen Ablaufdatum versehen werden. Der WB Steiermark fordert die Reduktion der Körperschaftssteuer auf 20 Prozent, die Einführung des Investitionsfreibetrags sowie die Abschaffung der kalten Progression.

»Schönen Sommer!« Denn wie man sich bei einer Buchung bettet, so liegt man leider nicht immer. Diese Erfahrung nehmen UrlauberInnen oftmals im Gepäck mit nach Hause. Was in diesen Fällen zu tun ist, steht in unserer Reisebroschüre. Etwa, dass man schon am Urlaubsort beim Reiseveranstalter reklamieren muss und Mängel gut zu dokumentieren sind. Für den Reiseärger kann man daheim eine Preisminderung fordern. Denn Sie haben sich einen erholsamen Urlaub verdient! Die AK wünscht allen ein perfektes Ferienvergnügen.

Zum Auftakt der Urlaubssaison lud auch heuer wieder der Steirische Presseclub zu seinem traditionellen Sommerfest in den historischen Hof des Priesterseminars. Politiker, Unternehmer und Journalisten trafen sich am wunderbaren Sommerabend des 5. Juli, um in gemütlicher Atmosphäre bei smoothen Jazzklängen von „Taste of Jazz“ zu netzwerken und sich am köstlichen Buffet zu delektieren: Sigrid Hroch, Elfriede Kahr und Heinz Fischer vom Presseclub freuten sich, bekannte Gesichter, wie Landtagspräsidentin Bettina Vollath, LH-Stv. Michael Schickhofer, Styria-AR Johann Trummer, Holding-Vorstand Barbara Muhr, AK-Präsident Josef Pesserl sowie zahlreiche Journalisten begrüßen zu können.

Länderversicherer halten gutes Ranking

Die Vereinigung Österreichischer Länderversicherer (VÖL) blickt auf ein stabiles Jahr 2016 zurück – das Prämienwachstum betrug 0,60 Prozent. Die Position auf dem heimischen Versicherungsmarkt wurde weiter gefestigt, die Länderversicherer liegen erneut auf dem 4. Platz des österreichischen Versicherungsrankings. „Die Mitgliedsunternehmen der VÖL sind ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner für ihre rund 1,6 Millionen Kunden. In ihrer bis zu 200-jährigen Erfahrung mussten die Länderversicherer schon manche Krisen meistern, aus denen sie jedes Mal gestärkt hervorgingen“, erklärt Othmar Ederer, Vorsitzender der VÖL. FAZIT AUGUST 2017 /// 19

Werbung

Fotos: Foto Fischer, Elmar Gubisch / Presseclub, Hannes Krainz,

Feines jazziges Sommerfest im Presseclub

Telefon: 05 7799-0


Kurz & News

peerpr ist Nummer 1 in der Steiermark In der aktuellen Ausgabe veröffentlichte das renommierte Branchenmagazin „Besteller“ das Ranking der erfolgreichsten österreichischen PR-Agenturen 2016. Bereits zum dritten Mal in Folge führt das Magazin peerpr als die umsatzstärkste PR-Agentur in der Steiermark an – österreichweit liegt die Grazer Agentur auf Platz 18. GF Richard Peer zum Ergebnis: „Wir freuen uns, dass wir uns als steirische Agentur im österreichischen Spitzenfeld halten können. Der Erfolg bestätigt, dass wir am richtigen Weg sind: Wir legen PR innovativ aus und setzen neben den klassischen Disziplinen verstärkt auf Blogger-Relations sowie Video-Content. Nicht zuletzt verdanken wir den Erfolg jedoch unseren Kunden.“

Neuer Leiter für AMS Graz West und Umgebung Mit 12. Juli wurde Christian Namor zum neuen Leiter der Regionalen Geschäftsstelle AMS Graz West und Umgebung bestellt. Er folgt damit auf Hannes Graf, der mit 1. Mai dieses Jahres die Verantwortung für den Bereich Service für Unternehmen übernommen hat. Er ist seit 2008 Mitarbeiter des AMS Graz und dort seit 2011 stellvertretender Geschäftsstellenleiter. Er ist Experte für die Entwicklung und die Bedürfnisse am Arbeitsmarkt in Graz. Das steirische AMS-Geschäftsführungsduo KarlHeinz Snobe und Christina Lind freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Leiter: „Christian Namor hat die Kompetenz und Erfahrung, die wir an zentraler Stelle am so wichtigen Grazer Arbeitsmarkt brauchen.“

Aktion „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“

BKS Bank platzierte erfolgreich Social Bond

Rauchen ab 18 – Gesetz geht in Begutachtung Gemeinsam mit ihrem Regierungskollegen LR Christopher Drexler und WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk präsentierte die Jugendlandesrätin am 6. Juli das neue Jugendgesetz, das nun in Begutachtung geschickt wird. Wesentliche Änderung ist die Anhebung des Schutzalters beim Rauchen auf 18 Jahre. LR.in Ursula Lackner betonte: „Ab Mai 2018 erfüllen wir endlich die internationalen Verträge zur Tabakprävention, die das Parlament vor zehn Jahren ratifiziert hat.“ LR Christopher Drexler ergänzte: „Tabak kann Jugendliche genauso süchtig und genauso krank machen wie Erwachsene. Aus Befragungen wissen wir, dass von den 15-Jährigen Schülern jedes sechste Mädchen und jeder zehnte Bursche täglich raucht.“

Als erste österreichische Bank hat die BKS Bank einen rfu-geprüften Social Bond begeben. Der Erlös aus dem „0,625% BKS Bank Obligation Social Bond 2017-2022/1“ dient der Finanzierung eines Pflegezentrums für Menschen mit Demenzerkrankung. Mit der erfolgreichen Platzierung des Social Bonds wird die Realisierung des Projektes „MaVidaVelden“ ermöglicht. „Wir freuen uns, dass unser Social Bond auf reges Interesse bei privaten und institutionellen Anlegern gestoßen ist und voll am Markt platziert werden konnte. Dies zeigt den Bedarf an nachhaltigen Geldanlagen. Daher planen wir, heuer einen weiteren Social Bond oder einen Green Bond aufzulegen“, erklärt BKS-Bank-Vorstandsvorsitzende Herta Stockbauer. 20 /// FAZIT AUGUST 2017

Fotos: Foto Fischer, Land Steiermark/Strasser, AMS / Fischer, Land Steiermark / Samec,

Bewegung und Sport haben einen signifikanten Einfluss auf ein gesundes und aktives Leben in späteren Lebensabschnitten. In steiermarkweit elf Schulen mit 35 Klassen wird daher die „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“ in einer Pilotphase getestet, um Kindern und Jugendlichen die Freude am Sport näherzubringen. Sportlandesrat Anton Lang und Bildungslandesrätin Ursula Lackner unterstützen das Projekt und zeigen sich vom Grundgedanken überzeugt: „Empirische Studien belegen, dass die körperliche und sportliche Aktivität im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahrzehnten abgenommen haben. Daher ist es aus unserer Sicht umso wichtiger, Initiativen zu setzen, um Kindern die Freude am Sport zu vermitteln.“


Foto: Fazit/Kanizaj

Kurz im Gespräch mit

Foto: Manuel Hausdorfer / limeART, honorarfrei

Georg Knill, Präsident der IV Steiermark und geschäftsführender Gesellschafter der Knill Gruppe

Der strahlende Race-Across-America-Sieger Christoph Strasser schwört auf Brillen-Know-how von Michael Pachleitner.

Race-Across-America-Gewinner setzt auf Grazer Brillen-Know-how Extrem-Radsportler Christoph Strasser gewann heuer zum vierten Mal das Race Across America, das längste und härteste Radrennen der Welt. Mit dabei auf der langen Tour quer durch Amerika war Grazer Brillen-Know-how.

D

as gesamte Paket − Design, Produktentwicklung, Produktion und Vertrieb – der Sportbrille von Christoph Strasser stammt von der Michael Pachleitner Group mit Sitz in Graz. Gerade Sportbrillen müssen vielschichtige Anforderungen erfüllen, wobei gutes Sehen – vor allem für Brillenträger – auch für Sicherheit steht. Eine gute Sportbrille sitzt perfekt im Gesicht, rutscht nicht, ist möglichst leicht, darf keine Druckstellen auf der Haut hinterlassen und soll dazu in ihrer Erscheinung sportlich und aerodynamisch aussehen. „Die Sportbrillenmarke ‚Jill‘ wurde vor knapp 15 Jahren von der MP Group

erstmals präsentiert und ist – auch dank der langjährigen Erfahrung des Designers Dieter Strohmayer – eine perfekte Kombination aus hoher Funktionalität, Komfort und sportlichem Design. Für Brillenträger wird die Sehstärke mit einem optischen Clip korrigiert, die optische Verglasbarkeit ist eine wichtige Voraussetzung an das Brillendesign“, erklärt CSO Dietmar Hermus von der MP Group und ergänzt sichtlich stolz: „Ein so beeindruckender Sieg freut uns zweifach: erstens für Christoph Strasser und zweitens für unser Team, das mit dem Sportbrillen-Design offensichtlich auf dem richtigen Weg ist.“

Herr Präsident, sie haben zuletzt die Zukunftsfähigkeit der Sozialpartnerschaft in Frage gestellt. Was ist geschehen? Die alte Sozialpartnerschaft ist nicht mehr willens oder fähig, Lösungen für die Menschen in diesem Land zu finden. Jüngstes Beispiel ist das Scheitern der Verhandlungen zur Arbeitszeitflexibilisierung. Für mich ist daher jeder Schritt in Richtung Stärkung der betrieblichen Sozialpartnerschaft begrüßenswert. Hier funktioniert der Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schon jetzt auf Augenhöhe und mit Augenmaß. Warum ist die Arbeitszeitflexibilisierung auf bis zu 12 Stunden Normalarbeitszeit für Sie so wichtig? Sie ist für das ganze Land wichtig und sie ist Signal für eine moderne, flexible und wettbewerbsfähige Gesellschaft. 80 Prozent der Österreicher geben in Umfragen an, flexibler arbeiten zu wollen, um Beruf, Familie und Freizeitgestaltung besser vereinbaren zu können. Aus Sicht der Industrie wäre eine bessere Abdeckung von Auftragsspitzen möglich. Wir benötigen endlich den entsprechenden rechtlichen Rahmen für das, was in vielen Kollektivverträgen schon möglich ist. Damit sichern wir Arbeitsplätze in Österreich. Was muss die neue Regierung besser machen als die alte? Sie muss weg vom Diskutieren ins Tun kommen und endlich die großen Reformen bei Pension, Gesundheit, Sozialem und Verwaltung umsetzen. Es liegt eine Vielzahl an Konzepten am Tisch, die für unser Land und die Menschen, die hier leben und arbeiten, durchaus Mehrwert schaffen können. FAZIT AUGUST 2017 /// 21


Anzeige Fotos: Joanneum Research

Die interaktive Spielmatte mit Touchsensoren bietet spielerisches Lernen auch für Gruppen.

Aktivierendes Anti-Demenztraining für daheim

Das Phänomen Altersdemenz bildet aufgrund gestiegener Lebenserwartung und zunehmender Vereinsamung eine der großen Herausforderungen sowohl im gesundheitlichen wie auch gesellschaftlichen Bereich. Ab Herbst 2017 kann man ein innovatives technologiegestütztes System für zu Hause erwerben, das Menschen mit Demenz länger ein Leben in den gewohnten vier Wänden ermöglichen soll.

D

ie steirische Forschungsgesellschaft Joanneum Research hat gemeinsam mit drei steirischen Partnern das Tablet-basierte Trainingsspiel „AktivDaheim“ entwickelt, das multimodale Trainingsfunktionalitäten innovativ integriert und so Demenzbetroffene dazu motivieren soll, gemeinsam mit ihren Betreuungspersonen und Angehörigen regelmäßig Gedächtnis- und Bewegungsübungen durchzuführen. Diese Übungen können 22 /// FAZIT AUGUST 2017

ganz einfach an ihre persönliche Biografie und jeweilige Situation angepasst werden. Stimulierung kognitiver Prozesse Demenzerkrankungen stellen aufgrund demografischer Faktoren und nicht zuletzt allgemein guter Gesundheitsvorsorge, die ein immer höheres Durchschnittsalter der Bevölkerung zur Folge haben, ein stark ansteigendes Krankheitsbild dar. Aktuellen Schät-

zungen zufolge leben derzeit in Österreich rund 130.000 Personen mit Demenz. Aufgrund eines kontinuierlichen Altersanstiegs in der Bevölkerung wird sich dieser Anteil bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln. Die adäquate und hinreichende Betreuung, ganz besonders im eigenen Wohnumfeld, ist eine der größten technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Bisherige Lösungen fokussieren

auf die Stimulierung kognitiver Prozesse, die Berücksichtigung des Bewegungsapparates wird im Allgemeinen eher vernachlässigt; Demenzerkrankungen können nach derzeitigem Stand der gängigen Therapieformen bestenfalls gestoppt oder hinausgezögert werden. Die Joanneum Research hat in einem gemeinsamen Projekt mit der FameL GmbH, mit Bouncing Bytes und dem Sozialverein Deutschlandsberg ein


Wissenschaft

Projektleiterin Maria Fellner: „Es gibt derzeit keine vergleichbaren digitalen Angebote für personalisiertes Demenztrainig.“

so genanntes „Serious Game“ namens „AktivDaheim“ entwickelt, das Menschen mit Demenz spielerisch fördert und das sowohl in betreuten Einrichtungen als auch zu Hause ohne großen Aufwand eingesetzt werden kann. Die Betroffenen werden dabei durch personalisierbare Übungen auf spielerische Weise motiviert und gefördert, sich geistig und motorisch zu betätigen und so kognitive Prozesse zu stimulieren. Intuitive Software für professionelle Betreuungspersonen und Angehörige ermöglichen die effiziente Planung, Durchführung und Dokumentation von täglichen Übungseinheiten im Wochenrhythmus und von der anfallenden Organisation, die sich aus der Betreuung ergibt. Damit soll das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt und den Betroffenen möglichst lange ein Leben in den gewohnten vier Wänden ermöglicht werden. „AktivDaheim“ ist für Einzelpersonen genauso verwendbar wie für Gruppen – etwa im stationären Umfeld. Das Set besteht aus einer mobilen App fürs Tablet (Einzeltraining) sowie

zusätzlich einer interaktiven Spielmatte für Gruppen.

Altersgerechtes Training „Im Bereich Demenz gibt es derzeit kein vergleichbares digitales Angebot für persönlich betreutes und inhaltlich personalisiertes Demenz-Training auf dem Markt, darum ist auch das Interesse von anderen Einrichtungen an unserem Trainingsspiel sehr groß“, erläutert Maria Fellner, Projektleiterin bei DIGITAL, dem Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien der Joanneum Research. Die Testphase, die in der Region Deutschlandsberg vom Sozialverein Deutschlandsberg durchgeführt wurde, zeigte so positive Ergebnisse, dass das System nun in den Markt eingeführt wird: „Der sechsmonatige Feldtest hat gezeigt, dass die älteren Teilnehmer die Tablets mit großer Freude verwenden und die Übungen täglich durchführen“, sagt Josef Steiner, Obmann des Sozialvereins Deutschlandsberg. Denn das personalisierte, aktivierende Anti-Demenztraining mit „AktivDaheim“ als technische Unterstützung ermög-

licht ein abwechslungsreiches, genau auf die individuelle Person abgestimmtes, stadiengerechtes Training sowohl bei der Vorbereitung als auch beim Ablauf. „AktivDaheim“ bietet Betreuenden und Angehörigen die Möglichkeit, Trainingseinheiten und einzelne Module daraus nach Belieben zu kombinieren und bereits Geübtes zu wiederholen. Die Betreuungspersonen können Betroffene motivieren und begleiten sowie die einzelnen Übungen vorbereiten, durchführen und anschließend Fortschritte dokumentieren. Ab Herbst 2017 können Sozialeinrichtungen und Angehörige das neue Produkt erwerben. Infos unter www.aktivdaheim. at bzw. office-aktivdaheim@ joanneum.at. Der demografische Wandel der Gesellschaft ist der wesentliche Grund, warum das Forschungsgebiet rund um „Active & Assisted Living“ (kurz AAL) so bedeutend und zukunftsorientiert eingestuft wird. Die Bedürfnisse des Menschen stehen im Mittelpunkt, wenn es um das Thema intelligente Assistenz im Alltag

geht. Lange gesund zu Hause leben zu können ist der Wunsch von uns allen. Manchmal sind es jedoch die kleinen Hindernisse oder Mängel, die das Wohnen daheim im Alter schwierig machen. Mit Hilfe von intelligenten Technologien und Lösungen soll „AAL“ diese überwinden und den Alltag daheim einfacher und sicherer gestalten. DIGITAL, das Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien der Joanneum Research, setzt einen Forschungsschwerpunkt in diesem Bereich und ist aktiv an mehreren Projekten beteiligt. Die Technologien dahinter sind „intelligente Ereigniserkennung“, „bedarfsgerechte online Online-Informationssysteme und neue Medien“, „Human Factors“ sowie „mobile Vision und Multi-Sensor Navigation“.

Kontakt:

JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH – Institut DIGITAL DIin Maria Fellner, MBA Tel.: 0316-876-1637 office-aktivdaheim@joanneum.at Steyrergasse 17, 8010 Graz www.aktivdaheim.at FAZIT AUGUST 2017 /// 23


Fazitgespräch Von Adrian Engel und Volker SchÜgler mit Fotos von Marija Kanizaj

Keine Frage des Mutes


Die Direktorin des JĂźdischen Museums in Wien Danielle Spera Ăźber Geschichtsbewusstsein und Antisemitismus in Zeiten von Rechtspopulismus und Migration.

Fazit August 2017 /// 25


Fazitgespräch

Danielle Spera ist Optimistin. Das sagt sie von sich selbst und man nimmt es ihr ab. Es gibt wenige Wörter, die sie öfter verwendet als dieses »positiv«. Wir treffen Danielle Spera im Büro des Jüdischen Museums Wien. Sie empfängt uns im Besprechungsraum.

Es ist ein heißer Julinachmittag, durch die offenen Fenster dringt warmer Wind und Straßentratsch in den dritten Stock. Hinter dem Stuhl, auf dem Danielle Spera sitzt, steht ein Bücherregal, das sie zur Untermalung des Gesprächs nützt. Bei Gelegenheit steht sie auf und geht so zielsicher zum Regal als wäre es ein einziges, überdimensionales Lexikon. »Schauen Sie, hier«, sagt sie dann und schlägt begeistert die passende Seite auf.

26 /// FAZIT AUGUST 2017




Fazitgespräch

Es ist Faktum, dass auch der Zweite Weltkrieg irgendwann einmal eine Geschichte in der Geschichte sein wird. Danielle Spera

Frau Spera, im Mai kam es zu einem Skandal um Studentenvertreter der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft am Wiener Juridicum. In Chatgruppen hatten sie rassistische, sexistische und auch antisemitische Bilder geteilt. Hat die junge Generation die Vergangenheit bereits vergessen? Wir haben alle Gruppenmitglieder zu einem Workshop eingeladen, einige sind gekommen. Es war sehr spannend. Ich glaube, dass ein großer Nachholbedarf in historischer Bildung besteht. Wir haben gemerkt, dass sehr viel Bewusstsein fehlt. Das hat uns überrascht. Immerhin handelt es sich um eine Gruppe, die ein Hochschulstudium absolviert und dieses Wissen eigentlich haben müsste. Woher kommt diese Entwicklung? Wir pflegen intensiven Kontakt zu Lehrern, weil wir häufig Schulklassen betreuen. Sie haben im Unterricht immer weniger Zeit für die österreichische Geschichte. In den letzten Jahren hat sich das gesteigert. Das merken wir daran, dass Schüler aus Maturaklassen nicht wissen, wer Simon Wiesenthal war. Bruno Kreisky, Kurt Waldheim – diese Namen hören sie bei uns zum ersten Mal.

Wenn man sich im Internet Plattformen wie 4chan ansieht, merkt man, dass diese Art des von der Aktionsgemeinschaft geteilten Humors bei jungen Leuten breiten Zuspruch findet. Früher wurden diese Witze in aller Öffentlichkeit ohne Hemmungen ausgesprochen. Meine Erfahrung ist, dass sich die Situation unglaublich verbessert hat. Vielleicht gibt es diese Plattformen im Internet, aber sehen wir uns Wien an: Wien ist zu einer Migrationsstadt wie schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit hoher Toleranz zwischen ihren Bewohnern geworden. Das war in den Neunzehnsiebziger und Neunzehnachtzigerjahren nicht so. Über die Zeit davor brauchen wir gar nicht zu sprechen. Wie reagieren Sie, wenn Sie solche Witze mitbekommen? Es ist ganz wichtig, dass man auf diese Leute zugeht und mit ihnen das Gespräch sucht. Auch die Tatsache, dass mir ein Vater eines Mitglieds der angesprochenen Chatgruppe einen langen, persönlichen Brief geschrieben hat, stimmt mich positiv. In unserem Workshop

haben die Studenten erfahren, dass einem das Lachen über andere vergeht, wenn man mehr über diese anderen Menschen erfährt.

Hitler-Witze sind heute im humoristischen Mainstream angekommen. Ist das für Holocaustwitze auch denkbar? Wir erleben es bereits ein bisschen im Kino. Es gibt Filme, die sich mit dem Thema aus einem anderen Blickwinkel auseinandersetzen, aber nicht antisemitisch sind. Es ist Faktum, dass auch der Zweite Weltkrieg irgendwann einmal eine Geschichte in der Geschichte sein wird. Meine Generation ist noch relativ nahe dran, aber für unsere Kinder ist er bereits Geschichte. Sie gehen dadurch unverkrampfter an das Thema heran, das ist positiv. Ich erlebe es bei meinen Kindern. Zwischen ihnen und nichtjüdischen, aber auch muslimischen Kindern, spielt es keine Rolle, woher jemand kommt und welche Religion er oder sie hat. Daher bin ich auch zuversichtlich, dass die Integration der Kinder funktionieren wird, die in den vergangenen zwei Jahren aus muslimischen Ländern nach Österreich geflüchtet sind.

Im Juni wurde dann in Deutschland eine breite Diskussion über »neuen Antisemitismus« geführt. Der Sender Arte hatte eine Dokumentation über Antisemitismus in Europa in Auftrag gegeben. Herausgekommen ist ein Film, der hauptsächlich Antisemitismus von Linken und Moslems thematisiert. Arte veröffentlichte die Doku zunächst nicht, was zu einem Aufschrei geführt hat. Wie stehen Sie zur Dokumentation? Zunächst einmal: Ich weiß nicht, ob dieser Antisemitismus »neu« ist. Den gibt es schon seit vielen Jahren. Ich sitze als Vertreterin des ORF im Beirat von Arte. Für mich stand die Machart der Dokumentation im Zentrum. Sagen wir so: Es gibt Dokus, die journalistisch besser aufbereitet sind. Wäre ich die Verantwortliche bei Arte gewesen, hätte ich die Journalisten in den Schneideraum zurückgeschickt. Der Auftrag war eine Dokumentation über Antisemitismus in Europa. Dann möchte ich auch erfahren, was sich in Ungarn oder Skandinavien abspielt. Das darf man bei diesem Thema nicht auslassen und es wurde nicht einmal erwähnt. Die Dokumentation dann gar nicht zu zeigen und damit die Aufmerksamkeit dafür zu steigern, war natürlich unglücklich.

FAZIT AUGUST 2017 /// 29


Fazitgespräch Die jüdische Gemeinde in Ungarn ist mit ihren 100.000 Mitgliedern im Vergleich zur Wiener Gemeinde mit rund 8.000 Mitgliedern sehr groß. Welche Anfeindungen finden dort statt? Ich habe mich zu wenig intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, um ins Detail gehen zu können. Ich war aber kürzlich in Budapest bei einer kleinen jüdischen Gemeinde zu Gast. Wir sind nach dem Gottesdienst am Freitagabend zusammengesessen. Sie sagten: Es sind auch andere Minderheiten betroffen, nicht nur wir. Dieser lakonische Blick auf eine Bedrohung ist typisch jüdisch, immer das Beste aus einer Situation zu machen.

Was sagen Sie zu den auffälligen Reisen von FPÖ-Politikern nach Israel? Ist das eine Vereinnahmung, ist das der Versuch einer Reinwaschung oder was sonst? Ja, diese Annäherung ist tatsächlich erstaunlich. Ich denke, die FPÖ möchte sich vom Image der „Ewiggestrigen“ befreien, gleichzeitig aber die ausländerfeindlichen Ressentiments politisch ausnützen. Der Schwenk der FPÖ in Richtung Israel hat auch damit zu tun, dass muslimische Zuwanderer mit antisemitischen Einstellungen zu uns kommen. Werden antisemitische Tendenzen von Moslems als Vehikel für antimuslimischen Rassismus genützt? Es stellt sich bei dieser Frage eine weitere Frage: Kommen diese jungen Leute mit einer Erziehung des Antisemitismus zu uns? Darauf sage ich: Ja. Das ist in vielen Fällen so. In den Herkunftsländern wird häufig tradiert: Jude ist gleich Israel ist gleich Feind. Wir haben daher, als die Flüchtlingswelle losging, an Betreuungs-

einrichtungen eine Einladung ausgesprochen, ins Jüdische Museum Wien zu kommen. Bei uns erfahren muslimische Flüchtlinge zum ersten Mal, was es bedeutet, Jude in Österreich zu sein. Sie haben gemerkt, dass die Geschichte eines Juden in Österreich eine Geschichte vom Verlust der Heimat und von Verwandten ist. Als sie diese Parallelen zu ihrer eigenen Geschichte realisiert hatten, hat das vielen die Augen geöffnet. Wir haben einander dann noch öfter getroffen, um in die Tiefe gehen zu können. Insgesamt haben wir uns mittlerweile mit ein paar hundert jungen Flüchtlingen zusammengesetzt, wir setzen dieses Programm auch fort. Ich glaube an den Dialog. Welche Szenen spielen sich bei diesen Workshops ab? Es beginnt mit einem Gespräch über die Flucht. Wir fragen: Welche Sachen konntest du mitnehmen? Was erinnert dich davon an deine Heimat? Wir zeigen dann Objekte von jüdischen Vertriebenen. Sehr wichtig ist hier die Schachtel für Lilly Bial. Sie war ein jüdisches Mädchen aus Wien, das 1939 mit einem Kindertransport nach England fliehen konnte. Ihre Eltern wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Davor packten sie noch eine Schachtel mit Spielsachen, Fotos, Notizbüchern und anderen Erinnerungen für ihre Tochter. 2004 konnte unser Museum Lilly Bial ausfindig machen. Jemand brachte ihr die Schachtel nach England, wo sie nur kurz ins Notizbuch ihrer Mutter hineinschaute und sagte: »Bitte nehmt sie wieder mit.« Mit dieser Schachtel können Flüchtlinge besonders viel anfangen. Auch von ihnen haben einige ihre Eltern verloren. Wir fragen sie: Was hättet ihr denn gerne nachgeschickt bekommen?

ELEKTROMOBILITÄT STEIERMARK Ich fahre elektrisch! Du auch? Förderung für private E-Fahrzeuge 

bis zu 5.000 Euro für E-Pkw

bis zu 400 Euro für E-Ladestelle

www.umweltfoerderung.at  Landesförderung Steiermark E-Mobilität für Private

0316 / 877-3955 Energieberatung-Serviceline

Bezahlte Anzeige

Weitere Infos:

www.ich-tus.at

Die Initiative des Landes Steiermark für Energie und Klimaschutz

Eine Förderungsaktion von Bund, Land und Automobilwirtschaft.


Fazitgespräch Sie haben sich vor sieben Jahren dazu entschlossen, die Zib1 zu verlassen und Direktorin des jüdischen Museums zu werden. Damit wurden Sie zu einem Aushängeschild der jüdischen Gemeinde in Österreich. Brauchte es dazu Mut? Dadurch, dass ich 22 Jahre die Zib moderiert habe, stand ich bereits in der ersten Reihe. Damals gab es noch kein Internet oder Privatfernsehen. Die Zeit im Bild war quasi ein Hochamt. Ich habe dort fast immer die Kette mit meinen Davidstern getragen. Es war kein Geheimnis. Und es ist überhaupt keine Frage des Mutes. Wann kam Ihnen der Gedanke, ins Judentum einzutreten? Mein Vater ist Jude, meine Mutter ist nicht jüdisch. Ich habe mich immer jüdisch gefühlt. Als Korrespondentin in den USA habe ich durch Zufall dort Mitglieder einer jüdischen Reformgemeinde kennengelernt. Dort war ich völlig akzeptiert, sie meinten: »Dein Vater ist Jude, also bist du für uns Jüdin.« Ich hatte aber immer im Hinterkopf, dass ich in Israel leben möchte, falls es in Österreich irgendwann einmal wieder so weit kommen sollte, dass man hier als Jüdin nicht mehr leben kann. Die israelische Staatsbürgerschaft bekommt man, wenn man Mitglied einer anerkannten Kultusgemeinde ist.

Unterscheiden sich die Meinungen innerhalb der jüdischen Gemeinden, was die Anerkennung jener betrifft, die ins Judentum eingetreten sind? Absolut. In Amerika hat sich über die Zeit eine Reformbewegung entwickelt, die sehr großen Zulauf hat. Viele dieser Gemeinden erkennen Menschen, die einen jüdischen Vater, aber keine jüdi-

sche Mutter haben, als Juden an. Eine Konversion braucht es für sie nicht. In Israel wird das gar nicht gerne gesehen. In Wien gibt es eine sehr kleine Reformgemeinde. Sie wird von der Kultusgemeinde nicht anerkannt.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Kultusgemeinde? Ich bin Mitglied der Kultusgemeinde. Ich bin Jüdin, mein Mann ist Jude, meine drei Kinder sind Juden. 2016 gab es einen Rabbinerwechsel in Wien. Er spiegelt wider, was sich in Israel tut. Der bisherige Oberrabbiner, Paul Chaim Eisenberg, ist Wiener und kennt die Bedürfnisse seiner Gemeindemitglieder genau. Sein Nachfolger kommt aus Belgien und ist in seinen Ansprüchen an die Gemeinde bestimmter. Wie gut das einer Gemeinde tut oder nicht – dafür bin ich nicht die richtige Ansprechpartnerin. [Anmerkung: Arie Folger, 42, ist seit Juli 2016 Oberrabbiner von Wien.] Was verwurzelt Sie mit dem Judentum? Die Tochter von Fritz Kortner, dem Schauspieler, fragte ihren Vater beispielsweise: »Was macht mich eigentlich zur Jüdin?« Er erwiderte: »Der Antisemitismus.« Das sagen viele Juden. Arik Brauer sagt zum Beispiel: »Die Nazis haben mich zum Juden gemacht.« Wir erleben in der wissenschaftlichen Recherche, dass für viele Juden vor 1938 ihr Glaube und ihre Herkunft kein Thema waren. Dann kamen die Nazis und machten sie zu Juden. Für mich ist es ein Gefühl. Der Gottesdienst, das festliche Nachtmahl an einem Freitagabend, die Feiertage, da fühle ich mich im jüdischen Glauben, in der jüdischen Tradition verwurzelt.

HYPO Steiermark präsentiert:

RUSSLAND

Einladung zum Ausstellungsbesuch Mo. - Fr., 8:00 - 16:00 Uhr HYPO Steiermark, Radetzkystraße 15-17, 8010 Graz

Kultur.Begegnung 22. 6. - 15. 9. 2017

Österreich aus dem Blickwinkel zeitgenössischer russischer Maler 14 KünstlerInnen ca. 100 Kunstwerke Informationen, wie Sie beim Gewinnspiel Eintritt frei

mitmachen können, erfahren Sie unter fazitmagazin.at. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

fazitmagazin.at fb.com/fazitmagazin

FAZIT


Danielle Spera wurde 1957 in Wien geboren. An der Universität Wien studierte Spera Publizistik und Politikwissenschaft, ihr Dissertationsthema war die sozialdemokratische Wahlpropaganda in der Zwischenkriegszeit. Während ihres Studiums begann Spera beim ORF zu arbeiten. 1987 wurde sie Auslandskorrespondentin in den USA. Ein Jahr später kehrte sie nach Wien zurück, um die Zib1 zu moderieren. Im Sommer 2010 übernahm sie die Leitung des Jüdischen Museums in Wien. Spera ist mit dem Psychoanalytiker Martin Engelberg verheiratet und hat drei Kinder.

Das Jüdische Museum Wien wurde 1988 gegründet. Das Museum besteht aus zwei Gebäuden: dem Palais Eskeles in der Dorotheergasse sowie dem Misrachi-Haus am Judenplatz. In den zwei Dauerausstellungen widmet sich das Museum einerseits der Wiener Gemeinde im Mittelalter sowie ihrer Geschichte von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Zusätzlich setzt sich das Programm derzeit aus drei vorübergehenden Ausstellungen zusammen: Eine Fotoausstellung über Bunker in Israel, eine über die jüdische Sekretärin von Elvis Presley aus Wien und eine über die Geschichte der jüdischen Kaufhäuser in Wien.


Fazitgespräch

Bei uns erfahren muslimische Flüchtlinge zum ersten Mal, was es bedeutet, Jude in Österreich zu sein. Danielle Spera

Sie betonen in Interviews häufig, dass das jüdische Museum kein Holocaustmuseum sei. Welchen Stellenwert nimmt das Erinnern daran in Ihrem Programm dennoch ein? Ich stehe dazu, dass wir kein Holocaustmuseum sind. Ich sehe nicht ein, warum nur wir als Museum in Wien den Holocaust breit behandeln sollten. Wo sind die Museen, die sich wirklich damit auseinandersetzen sollten? Wir haben lange diskutiert, wie wir diese Geschichte erzählen. Wir haben nicht viel Platz, denn wir wollen ja die gesamte jüdische Geschichte Österreichs zeigen. Wir haben uns dazu entschlossen, im Jahr 1945 zu beginnen. Es war das Ende der großen Wiener Gemeinde, aber auch ein Neuanfang. Damit beginnen wir überraschend. Wir zeigen Zitate von Politikern nach dem Zweiten Weltkrieg, die offen antisemitisch sind. Wir zeigen auch, dass erst durch die Waldheim-Affäre eine Diskussion um die Vergangenheit Österreichs entstand. Erst 1992 kam das erste öffentliche Eingeständnis zur Mitverantwortung von Österreichern an den Verbrechen des Nationalsozialismus durch Bundeskanzler Franz Vranitzky. Bräuchte es Ihrer Meinung nach für das Erinnern an die Shoah eine eigene Einrichtung? Auf jeden Fall. Die gibt es nur bei uns nicht. Erstaunlich.

Wie arbeiten Sie denn mit Nachkommen von Überlebenden zusammen? Wir bekommen immer mehr Schenkungen und Leihgaben von der zweiten und dritten Generation. Im Vorjahr hatten wir eine Ausstellung mit dem Titel »Das Wohnzimmer der Familie Glück«. Die Einrichtung wurde 1938 von einer jüdischen Familie aus Wien nach Paris und weiter nach New York gebracht. Jetzt hat sie ihren Weg zurück nach Wien gefunden, der Sohn hat sie uns überantwortet. Oder Martin Karplus, der Nobelpreisträger, hat uns den Tisch geschenkt, auf dem sein Großvater mit Sigmund Freud Karten gespielt hat. In Amerika gibt es einen Freundeskreis des Jüdischen Museums. Seine Mitglieder kommen immer wieder nach Wien. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Wien und dem großen Museum in Berlin? Das ist klassisch: Das »große Museum« in Berlin, das »kleine Museum« in Wien. Die jüdische Gemeinde in Wien war vor dem

Zweiten Weltkrieg bedeutender und vielschichtiger als jene in Berlin. Darum war es mir so wichtig, dass das Museum hier mehr ins Rampenlicht gerückt wird. In Berlin geht jeder Tourist und jeder Berliner ins Jüdische Museum, in Wien nicht. Es ist unsere wichtigste Aufgabe, die Leistungen, die Juden für unser Land vollbracht haben, wieder ins Bewusstsein zu rücken. Welche Mittel bräuchten Sie, um das Museum noch bekannter zu machen? Das Museum ist in der Waldheim-Zeit entstanden. Helmut Zilk, der damals Bürgermeister von Wien war, wollte ein Zeichen setzen. Heute werden die Subventionen für alle Kultureinrichtungen reduziert, auch für uns. Das ist kein gutes Signal. Derzeit haben wir weniger als 400.000 Euro Ausstellungsbudget. Eine kleine Subvention bekommen wir noch vom Bund. Sie ist unter Kulturminister Ostermayer aufgestockt worden, aber nicht wesentlich. Zum Glück ist das Museum mittlerweile so bekannt, dass wir sehr gute Besucherzahlen haben. 2015 hatten wir durch unsere Ausstellung über die Wiener Ringstraße 118.000 Besucher. Heuer werden wir diesen Rekord brechen, es wird unser bestes Jahr. Mit den Eintrittserlösen können wir die Subventionskürzung der Stadt abfangen. Hinzu kommen gleichzeitig hohe Ausgaben für Sicherheit. Die haben wir uns früher erspart.

Wir haben zu Beginn des Gesprächs über das Geschichtsbewusstsein der jungen Generation gesprochen. Was wünschen Sie sich, dass sich Schüler denken, wenn Sie aus dem Museum gehen? Sie sollen ein wenig das Gefühl loswerden, dass das Jüdische etwas Fremdes ist. Sie sollen die Gemeinsamkeiten erkennen. In vielen Schulklassen gibt es bosnische Kinder. Wir sagen zu ihnen: »Sucht euch ein Objekt, das euch am meisten anzieht.« Viele gehen dann zu einem mit bunten Steinen besetzten Chanukka-Leuchter in Form eines Halbmonds. Er kommt aus Sarajevo, das wussten sie aber vorher nicht. Man sucht immer das Bekannte. Uns geht es darum, dass sie eine Verbindung zwischen Bekanntem und Fremdem spüren und merken: Da ist keine Bedrohung. Frau Spera, vielen Dank für das Gespräch!

FAZIT AUGUST 2017 /// 33


Steuerboard

Mag. Alexander Hofer

Seit 1.4.2017 muss jede Registrierkasse durch eine technische Sicherheitseinrichtung gegen Manipulationen geschützt werden. Die Unveränderbarkeit der Aufzeichnungen muss dabei durch kryptographische Signatur bzw. durch ein Siegel jedes Barumsatzes mittels einer dem Steuerpflichtigen zugeordneten Signatur bzw. Siegelerstellungseinheit gewährleistet und die Nachprüfbarkeit durch Erfassung der Signatur bzw. des Siegels auf jedem einzelnen Beleg sichergestellt werden. Worauf Sie beim laufenden Betrieb achten müssen: Monatsbeleg: Zu jedem Monatsende sind die Zwischenstände des Umsatzzählers zu ermitteln und als Barumsatz mit Betrag Null und elektronischer Signatur im Datenerfassungsprotokoll der Registrierkasse zu speichern. Jahresbeleg: Mit Ablauf des Kalenderjahres ist der Monatsbeleg, der den Zählerstand zum Jahresende enthält (Jahresbeleg), auszudrucken, zu prüfen und 7 Jahre lang aufzubewahren. Quartalsweise Sicherung: Das vollständige Datenerfassungsprotokoll ist quartalsweise auf einem elektronischen externen Medium unveränderbar zu sichern und mindestens 7 Jahre aufzubewahren. Ausgabe Datenerfassungsprotokoll: Das Datenerfassungsprotokoll muss seit 1.4.2017 jederzeit auf einen externen Datenträger im Exportformat laut Z3 der Anlage zur Registrierkassensicherheitsverordnung ausgegeben werden können. Was tun bei Ausfall? Fällt die Registrierkassa länger als 48 Stunden aus, müssen Beginn und Ausfall sowie eine allfällige Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme jeweils binnen einer Woche über FinanzOnline gemeldet werden.

Verfassungsrichter lassen Flughafenausbau zu

N

achdem das Bundesverwaltungsgericht den Bau einer dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat wegen zu hoher Klimaemissionen untersagt hatte, hat sich das Land Niederösterreich an den Verfassungsgerichtshof gewandt. Dieser hat den Ausbau des Flughafens nun für zulässig erklärt. Das Verwaltungsgericht hatte sein Urteil auf das Staatsziel des Umweltschutzes gestützt. Der Verfassungsgerichtshof sieht den Umweltschutz zwar verfassungsrechtlich geboten, bei der Abwägung von Interessen müssten aber auch die im Gesetz

EU und Japan einigen sich auf umfassenden Freihandel

Anzeige

D Geidorfgürtel 20 8010 Graz +43 316 386001 0 graz@hoferleitinger.at www.hoferleitinger.at

genannten „sonstigen öffentlichen Interessen“ berücksichtigt werden. Da der Erhalt des Wirtschaftsstandorts bislang nicht zu den österreichischen Staatszielen gehörte, haben die Bundesländer gegen den Widerstand vieler Ökologen eine entsprechende Initiative gestartet. SPÖ und ÖVP haben sich daraufhin geeinigt, neben der Ökologie auch das Wirtschaftswachstum als gleichwertiges Staatsziel zu definieren. Dem Erkenntnis des Höchstgerichts liegt jedoch noch die ursprüngliche Gesetzeslage zugrunde.

ie EU hat ein umfassendes Freihandelsabkommen mit Japan vereinbart. Der Vertrag, den der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unterzeichneten, ist aber noch nicht vollkommen ausverhandelt und muss auch noch rechtsgültig ratifiziert werden. Mit dem Abkommen sollen Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse zwischen der EU und Japan beseitigt werden. Die Fertigstellung des Abkommens wird zwar noch einige Monate in Anspruch nehmen. Beide Seiten wollen jedoch ein politisches Signal gegen Protektionismus setzen und zeigen, dass die Entwicklung des Freihandels unter demokratischen Nationen auch ohne die USA möglich ist. 34 /// FAZIT AUGUST 2017

Foto: Flughafen Wien AG

Registrierkassen-Update


Industrie produziert 121.800 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle

Vermeidbare Lebensmittelabfälle fallen bei der Lebensmittelproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Landwirtschaft, Produktion, Handel, Gastronomie bis hin zu den Haushalten an. Das unabhängige Österreichische Ökologieinstitut hat in einer Studie herausgefunden, versucht, wie viele Lebensmittelabfälle vermeidbar wären. In Österreich sind das insgesamt 577.000 Tonnen. Davon entfallen 121.800 Tonnen auf die österreichische Lebensmittelproduktion.

I

m Rahmen einer Studie zum Thema „Abfallvermeidung in der österreichischen Lebensmittelproduktion“ erhob das Österreichische Ökologieinstitut in Kooperation mit der FH Wiener Neustadt und den Lebensmittel-Clustern von Oberund Niederösterreich erstmals die Zahlen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen in der Lebensmittelproduktion. Die österreichische Lebensmittelgroßproduktion besteht aus 250 Unternehmen und umfasst die Branchen Backwaren, Bier, Feinkost und Gewürze, Fette und Öle, Fleisch, Gemüse- und Obstveredelung, Getränke, Molkerei, Tiefkühlkost sowie Zucker und Süßwaren. Ursachen für das Entstehen von vermeidbaren Lebensmittelabfällen sind Herstel-

lungsprozesse, Retourwaren, Fehl- und Überproduktionen, Qualitätssicherung wie Rückstellmuster und Laborproben, Transport- und Lagerungsschäden. Den größten Teil der 121.800 Tonnen vermeidbaren Lebensmittelabfällen in der Lebensmittelproduktion bilden mit 51.700 Tonnen Backwaren. 35.600 Tonnen davon sind Brot und Gebäck, die der Lebensmitteleinzelhandel im Zuge einer Retourwarenvereinbarung an die Produzenten zurückschickt. Zahlreiche österreichische Betriebe setzen seit Jahren bereits erfolgreich Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung wie Investitionen in effizientere Technologien, die genauere Kontrolle der Lagerstände und ein Retourenmoni-

toring sowie die Weitergabe von optisch nicht marktfähigen Lebensmitteln an das Personal oder an soziale Einrichtungen. Trotz aller bereits umgesetzten Maßnahmen empfiehlt das Österreichische Ökologieinstitut, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Weitergabe von Lebensmitteln erleichtern. Produkte, die nicht marktfähig, aber genusstauglich sind, sollen vermehrt sozialen Einrichtungen gespendet werden, auch wenn es sich um Markenprodukte oder Eigenmarken der Handelsketten handelt.

Start!Klar Die Förderung für Beratung und Investitionen für Start-Ups! http://sfg.at/startklar

FAZIT AUGUST 2017 /// 35


Graz hat’s

Der Tourismus ist eine Branche des ständigen Wandels und neuer Ideen, um die Aufmerksamkeit der Gäste zu erlangen und zu lenken. Nachdem sich auch das Reiseverhalten der vielen Städtebesucher rasant verändert, muss sich das Besucherservice an neue Bedingungen anpassen. Das Info-Team von Graz Tourismus startet daher vor kurzem das Projekt „Mobile Info“ und geht in der Innenstadt aktiv auf Graz-Besucher, aber auch auf die Einheimischen zu, die sich ebenfalls in hohem Maße für aktuelle Infos und interessante Tipps begeistern. Bürgermeister Siegfried Nagl stattete dem Info-Team bei seinem Einsatz am Hauptplatz – in seiner Funktion als Tourismusreferent – einen kurzen Besuch ab.

1. Oktober

36 /// FAZIT AUGUST 2017

Foto: istock/Milan_Jovic

10.00 bis 17.00 Uhr

www.grazerhochzeitstage.at

Sanierung des Casino Graz um 8,5 Mio. Euro

International Business Center Graz ist e-mobil

14.00 bis 18.00 Uhr

am Freiheitsplatz

Seit 1998 belebt und bewegt das internationale Festival für Straßenkunst und Figurentheater „La Strada“ Graz und die Steiermark. Die Steiermärkische Sparkasse unterstützt von Beginn an das farbenprächtige Spektakel, als Hauptsponsor bereits das 12. Jahr. „Kunst zu fördern und Kultur zu bewahren, ist der Steiermärkischen Sparkasse seit ihrer Gründung ein Anliegen. Mit dem Sponsoring unterstreichen wir die bedeutende Rolle der Kunst im öffentlichen Raum. Und schaffen so einen Mehrwert für unsere Gesellschaft. Unvergessliche Inszenierungen vor den Vorhang zu bitten, ist uns ein Anliegen und eine Freude gleichermaßen“, betont Oliver Kröpfl, Leiter Generalsekretariat Steiermärkische Sparkasse.

Nach dem 2016 erfolgreich abgeschlossenen ersten Bauabschnitt startet das Casino Graz nun in den zweiten Teil der kompletten Erneuerung des Traditionshauses mit 33-jähriger Geschichte. Im Lebendspielsaal wird das komplette Interieur abgetragen. Aus diesem Grund ist das Casino Graz derzeit nur über den Eingang Albrechtgasse/Ecke Sparkassenplatz zu erreichen. „Kein Stein bleibt auf dem anderen“, erklärt Casino-Direktor Andreas Sauseng stolz. Und eines wird schon verraten: „Wir laden am 11. November zur Wiedereröffnung des Casino Graz und gehen als völlig modernisiertes Haus in die Zukunft. Das neue Casino Graz wird eine außergewöhnliche Ausgeh-Location im Herzen der Stadt“, so Sauseng.

30. September

Alte Universität Graz

Steiermärkische wieder Hauptsponsor von La Strada

Neuer Ladepunkt direkt an der A9: In Kooperation mit der Energie Steiermark entstanden auf dem Parkplatz des Hotel Ramada Graz beim International Business Center Graz E-Ladestationen für alle Elektroautomobile. Egal ob auf der Durchreise oder in Graz oder Premstätten wohnhaft, alle E-Mobilisten haben auf die die Elektro-Ladestationen rund um die Uhr, sieben Tage die Woche zum Laden Zugriff. Ein Dreifach-Charger mit 2x 50 kW Leistung (CCS, Chademo, Typ 2) und zwei Typ-2-Ladepunkte à 22 kW machen E-Autos rasch wieder „energiegeladen“. Während das Auto lädt, kann die Wartezeit in angenehmer Atmosphäre im Hotel-Restaurant, an der Bar oder auf der Terrasse verbracht werden.

Fotos: Graz Tourismus / Harry Schiffer, Steiermärkische Sparkasse, Casinos Austria - Sabine Hoffmann, Werner Krug, Stadt Graz / Gerhard Summer, WIFI Steiermark, Jauschowetz / AK Stmk.

Projekt "Mobile Info"


Foto: Fischer / Stadt Graz

CityRadeln als Hit in der Hitz’ Eine besonders attraktive Gelegenheit für hitzefeste Radler steht am 26. Juli auf dem Programm, wenn das beliebte CityRadeln der städtischen Abteilung für Verkehrsplanung zur möglicherweise heißesten Radparty des Jahres einlädt: der ökoTech-Tour, die auf insgesamt 18,9 Kilometern vor allem in Richtung gar nicht so wilder Westen führt. Die Tour beginnt am Mittwoch, 26. Juli, um 18 Uhr auf dem Mariahilferplatz. Für Sicherheit und Unterhaltung sorgen neben den Einsatzkräften KLS Sicherheit, hurtigflink, TRI Styria, ARBÖ, ModeRADor Gonzo Renger und Antenne Steiermark. Also nix wie hin am 26. Juli um 18 Uhr, wenn es auf dem Mariahilferplatz wieder heißt: Auf die Radln, fertig, los! Infos: www.graz.at/cityradeln.

Kurz im Gespräch mit Erich Schoklitsch Landesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft Steiermark Fast 1.000 WIFI-Diplome für erfolgreiche Weiterbildung Juli ist Zeugniszeit und so bekamen auch die zahlreichen WIFI-Kurs-Absolventen ihre Diplome überreicht. Frischgebackene Bilanzbuchhalter feierten gemeinsam mit Diplomierten Verkäufern, Fitnesstrainern, Personalverrechnern, Werksmeistern und Absolventen aus rund 40 weiteren Lehrgängen. Fast 1.000 Diplome wurden bei den Diplomverleihungen von 6. bis 14. Juli 2017 im Europasaal der WKO Steiermark übergeben. WIFI-Leiter Martin Neubauer gratulierte den Wifi-Kunden, die nach Abschluss ihrer Ausbildung bestens für ihre Karriere gerüstet sind. Moderiert wurden die Abende von Toni Monsberger, Michael Karrer und Heike Schönbacher, für die musikalische Untermalung sorgte Pianist Georg Lindbichler.

Mit der AK Steiermark im Handgepäck um die Welt

Am Flughafen Graz findet auch heuer wieder die Flughafenaktion der AK Steiermark statt: Bis 12. August gibt es in der Abflughalle des Flughafen Graz jeweils Dienstag und Donnerstag über Mittag sowie Samstag ganztägig einen AK-Infostand. Dort bekommen alle Abreisenden die AK-Reisebroschüre, die perfekt ins Handgepäck passt – denn wie man sich bei einer Buchung bettet, so liegt man leider nicht immer. Was in diesen Fällen zu tun ist, steht in der Broschüre: Etwa dass man schon am Urlaubsort beim Reiseveranstalter reklamieren muss und Mängel ausreichend zu dokumentieren sind. Zusätzlich erhalten die Urlauberinnen und Urlauber ein wasserfestes Handytascherl – gefüllt mit Infos rund ums Roaming.

Aviso: 5. D-A-CH Sicherheitsforum

Am 21. und 22. November 2017 kommen Sicherheitsverantwortliche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits zum 5. Mal beim D-A-CH Sicherheitsforum beim Stanglwirt in Going am Wilden Kaiser in Tirol zusammen. Das thematische Spektrum der Konferenz umfasst den Schutz kritischer Infrastruktur über Cybersicherheit, Krisen-, Notfall- und Risikomanagement, sowie strategische Unternehmenssicherheit. Teilnahmebeitrag: 1.050 Euro pro Person. Das Detailprogramm finden Sie auf www.simedia.de.

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage der Steiermark? Grundsätzlich schätze ich diese sehr gut ein, allerdings muss eine nachhaltig positive Entwicklung erst abgewartet werden. Der erwünschte Aufschwung wird primär durch die Exportwirtschaft erzielt, während die Binnenkonjunktur nach wie vor sehr labil ist. Unser Ziel ist es, die Wirtschaft langfristig zu stärken und vor allem die heimischen Unternehmer zu entlasten.

Welche Maßnahmen fordern Sie von der Politik zur Entlastung der KMU? Die Freiheitliche Wirtschaft setzt sich dafür ein, dass umfangreiche Reformen, wie etwa die Senkung der Lohnnebenkosten, ein Bürokratieabbau oder die Abschaffung der kalten Progression endlich umgesetzt werden. Zu unseren langjährigen Forderungen zählen außerdem die verstärkten Kontrollen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs. Wie stehen Sie zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung? Neue Arbeitswelten erfordern flexiblere Arbeitszeiten und es existieren bereits Modelle, wie etwa die Jahresarbeitszeit am Bau, die zeigen, dass dieses System sehr gut funktionieren kann. Ich bin der Meinung, dass die Flexibilisierung eine wichtige Voraussetzung ist, um Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver zu gestalten und die heimischen Betriebe bestmöglich zu fördern. FAZIT AUGUST 2017 /// 37


Zur Lage #83 Über die Parlamentswahl im Herbst, über die antretenden Parteien, über deren Hoffnungen und Hoffnungslosigkeiten. Über eine ehemalige Richterin und sogar was über die FPÖ. Und auch ein bisschen was über politisch Vergangenes.

A

lso die Grünen, die tun mir ja fast schon leid. Und wenn mir einmal die Grünen fast schon leid tun, dann muss es ihnen wirklich schlecht gehen. Angeführt wird die Partei neuderdings von einer Doppelspitze, eine sicher sehr kompetente Dame aus Tirol, von der weiß ich aber sonst nichts und Ulrike Lunacek, eine von ein paar Dutzend Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. Damit wir uns nicht falsch verstehen, die mag ich sehr. Wahrscheinlich bin ich in zwölf von zehn Themen mit ihr nicht einer Meinung aber zum einen macht das nichts und zum anderen ist sie mir sehr sympathisch. Nur muss Ulrike Lunacek offenbar noch ein klein wenig an ihrer »Performance« (sagt man da heute dazu) arbeiten, mir scheint nämlich, die kommt überhaupt nicht vor in der österreichischen Innenpolitik. Gut, bei Puls4, da war sie sicher großartig, aber – seien wir uns ehrlich – wen interessiert ein Sommergespräch mit Corinna Milborn? Außer den paar Hanseln, die schon vor so einer Sendung wissen, dass Grüne nur Gutes und Richtiges unter Menschen bringen können. Dann haben die Grünen auch noch den Peter Pilz, dieses rechte Urgestein, gegen so einen jungen »Hupf-ins-Bild« ausgetauscht und Pilz will jetzt, vielleicht, was weiß man, mit einer eigenen Liste antre-

Griss war übrigens erst nach langen und ergebnislosen Verhandlungen mit allen anderen Parteien aller Staaten dieses Kontinents bereit, die Partnerschaft mit den Neos einzugehen.

38 /// FAZIT AUGUST 2017

Von Christian Klepej ten. Man reiche mir den Spritzwein, würde es aus dem Wiener Bürgermeister fallen, das hat jedenfalls Potential für gute Unterhaltung in der Zeit bis zur Wahl. Und lässt mich natürlich hoffen, dass sich diese dann zwei grünen Listen auf so hohem politwissenschaftlichen Niveau matchen, dass selbst dem letzten Wähler klar werden muss, kein Parlament dieser Welt kann auch nur annähernd gut genug sein für deren große Ideen, und dass damit eine einfache Stimme für eine der beiden grünen Listen nie angemessen sein kann. Was haben wir im Oktober noch im Angebot? Da hat mich im Übrigen überrascht, es gibt noch immer ein BZÖ. Also zumindest im Landtag in Klagenfurt. Und zumindest bis soeben. Denn in der Presse musste ich heute lesen, dass sich die beiden verbliebenen Abgeordneten des BZÖ jetzt zu »unabhängigen« Abgeordneten erklärt haben. Gut, aber das Bündnis Zukunft Österreich – herrlich dieser Name eigentlich, vor allem so ex post ausgeschrieben – hatte ja eh niemand mehr auf seiner Rechnung. Ähnlich geht es dem Team Österreich formerly known as Team Stronach. Die haben per Parteibeschluss, das soll der einzige demokratische Akt dieser Partei gewesen sein – hört man, ich kann das natürlich nicht bestätigen –, entschieden, am 15. Oktober nicht mehr anzutreten. Ein kleiner Verlust für das Wahlvolk, ein großer für das politische Kabarett. Die FPÖ hingegen, ich weiß jetzt gar nicht, ob Sie das schon wussten, wird gegen alle anders lautenden Gerüchte dann doch noch einmal ihr Glück versuchen. Der, im sich abzeichnenden größten denkbaren Duell aller Zeiten und darüberhinaus, zwischen dem Slimfitkanzler Christian Kern und seinem Slimfitherausforderer Sebastian Kurz etwas ins Hintertreffen geratene bebrillte H. C. Strache will es noch einmal wissen. (Heinz-Christian, falls Sie es auch vergessen haben; Google sei Dank.) Inwieweit es ihm gelingen kann, zwischen den beiden Strahlemännern der österreichischen Innenpolitik, der roten Hoffnung auf den Endsieg des Guten und dem neokonservativen Hoffnungsträger aller Volksparteien, der alten wie der neuen und auch der listigen, das sei dahingestellt. Ein Einzug in das Parlament wird sich für die Blauen aber selbstverständlich ausgehen.

Anders schaut es da bei den Neos aus, deren CEO und Guru Matthias Strolz hat sich mit dem fleischgewordenen Gewissen Österreichs, der Altrichterin Irmgrad Griss zusammengetan, um das Projekt Vierprozenthürde von unten heraus – strategisch wohldurchdacht – anzugehen. Griss war übrigens erst nach langen wie zähen und durchaus ergebnislosen Verhandlungen mit allen anderen Parteien aller Staaten dieses Kontinents bereit, die Partnerschaft mit den Neos einzugehen. Dafür haben die jetzt einen lustigen Namen, den ich aber hier nicht unterbringen kann, weil diese Fazitausgabe sonst einen zusätzlichen Druckbogen benötigen würde. Positiv verbuchen muss man wohl jedenfalls das zwischenzeitige Fernsehengagement der ehemaligen Höchstrichterin bzw. ihre Erkenntnis nach nur zwei Sendungen, dass sowas nichts für sie ist. Leute mit so viel Selbsteinschätzungskraft würden wir viel mehr brauchen. Bleibt das schon angesprochene Kanzlerduell zwischen den beiden Großparteien, Sie verzeihen, ich hab das noch so abgespeichert, SPÖ und ÖVP meine ich. Linker werde ich auf meine alten Tage keiner mehr, aber das können Sie ja gerne versuchen. Für mich, das ist uns beiden von der ersten Zeile an klar, bleibt also nur die ÖVP, die ich unter welcher Bezeichnung auch immer mit verbundenen Augen und auch nur mit einem Arm wählen werde. Wobei, ich wär nicht ich, wenn mir das ganze Getue um den – er kann nichts dafür, da geht es ihm ein bisschen wie Obama – Superstar der Großen Alten Partei, nicht schon etwas auf die Nerven ginge. So habe ich etwa den – wahrscheinlich auch sehr netten – für die Liste Kurz wahlwerbenden Peter L. Eppinger, der war zuvor Moderator bei Ö3 und hat dadurch natürlich ein Abonnement auf gute Laune, zwischenzeitlich in meiner Mailbox stummgeschaltet. Ich weiß schon, dass bei uns aus welcher geistigen Verirrung auch immer heraus, Sechzehnjährige schon wählen dürfen, ich kenne aber auch meinen Patensohn. Und ich bin davon überzeugt, diese Jugendlichkeit in der Anmache, pardon, Ansprache, die wäre auch ihm suspekt. Und was werden Sie wählen? Wie auch immer, bleiben Sie mir gewogen, einen schönen Sommer! Wir lesen uns wieder im Herbst. n


Essay von Anselm Böhmer

Sprache, Kultur, Arbeit?

Zur Inklusion neu Zugewanderter durch Bildung

F

luchtbedingte Migration bewegt die europäischen Gesellschaften seit 2015 in einem lange nicht mehr gekannten Maß, und sie formt die deutsche Gesellschaft. [1] Insofern liegen vielfältige Erfahrungen über Chancen und Probleme für die Inklusion neu Zugewanderter in Bildungsinstitutionen vor. Im Folgenden soll jedoch nicht über die Ursachen und die Konsequenzen der Migrationsbewegungen diskutiert werden. Vielmehr wird aus einer bildungsbezogenen Perspektive danach gefragt, wo und wie neu Zugewanderte ihren Ort im deutschen Bildungssystem – und dabei vor allem in die Schule – finden können und vor welchen Herausforderungen die Bildungseinrichtungen infolgedessen stehen. Im Mittelpunkt stehen Fragen der Inklusion und damit der strukturellen Einbindung neu Zugewanderter in Bildungsinstitutionen. Gesellschaftlicher Rahmen für Inklusion durch Bildung

Die Altersstruktur der neu Zugewanderten hat Konsequenzen für die Bildungsarbeit in Deutschland. Wo und wie finden die Zugewanderten ihren Ort im Bildungssystem, und vor welchen Herausforderungen stehen Kindertagesstätten und Schulen?

Hintergrund der jüngeren Migrationsbewegungen sind globale Prozesse, die in ihrem Umfang und in ihrer Dynamik als einzigartig bewertet werden. So waren Ende 2016 65,6 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. [2] In Deutschland wird davon ausgegangen, dass 2015 die Zahl der Einreisenden »bei rund 890.000 Menschen gelegen hatte, von denen ca. 50.000 in andere EU-Staaten weitergereist sein dürften«. [3] Seitdem ist, nicht zuletzt wegen der sogenannten EU-Türkei-Erklärung, die Zahl der neuerlich Zuwandernden merklich zurückgegangen.

Internationale Vergleichsstudien wie Pisa, TIMSS und Iglu machen seit über eineinhalb Jahrzehnten deutlich, dass das deutsche Bildungskonzept merkliche Schwächen aufweist, da es aufgrund sozialer Unterschiede den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund bis zum heutigen Tag nicht dieselben Bildungschancen ermöglicht wie jenen ohne Migrationshintergrund. [7] Dass zudem eine erhebliche Zahl von Mädchen und Jungen mit dem erwähnten persönlichen oder familiären Bezug zu Migration nach der Regelschule keine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen können, sondern sich im sogenannten Übergangssystem wiederfinden – diejenigen afrikanischer Herkunft gar zu 70 Prozent –, ist darüber hinaus Indiz für eine Bildungspolitik, die ihre Aufgabe einer »Inklusion durch Bildung« nicht angemessen verwirklicht. [8]

Aktuell steht gerade für neu Zugewanderte ein recht heterogenes Bildungsangebot bereit, das grob formuliert drei Ziele zu erreichen versucht: erstens die Vermittlung der deutschen Sprache auf einem Niveau, das eine Verständigung im alltäglichen Umfeld erlaubt; zweitens den Anschluss an die alltägliche Lebensführung der Mehrheitsbevölkerung durch alltagspraktische Kenntnisse und Fähigkeiten; drittens die Vermittlung in Beschäftigung, wozu Praktika, Ausbildungen und unterschiedliche Formen der Erwerbsarbeit gehören.

Foto: Privat

Für die Situation in Deutschland wiederum wurde ermittelt, dass die Altersstruktur der Zugewanderten deutliche Konsequenzen für die Aufgaben der Bildungsarbeit in Deutschland haben wird. [4] Denn unter den im Zeitraum von Januar bis November 2016 insgesamt 702492 nach Deutschland Zugewanderten waren 36 Prozent im Alter zwischen Null und 17 Jahren (2015: 31 Prozent von 441889 Menschen). [5] Viele dieser Zuwandernden suchen Schutz, weitere Motive wie soziostrukturelle Besonderheiten oder individuelle Wertpräferenzen können hinzutreten. [6] Daraus ergeben sich recht vielfältige Konsequenzen für die deutsche Gesellschaft und die dabei praktizierten Bildungskonzepte.

Dr. Anselm Böhmer ist Professor für Allgemeine Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Inklusion und Partizipation, Migration und soziale Ausgrenzung. boehmer@ph-ludwigsburg.de

FAZIT AUGUST 2017 /// 39


Sprache, Kultur, Arbeit?

Einflussfaktoren für die Inklusion in Bildungseinrichtungen Die Praxis zur Bildung von neu Zugewanderten ist bislang bestenfalls in ersten Ansätzen erhoben, [9] dennoch lassen sich einige wissenschaftliche Publikationen, Erfahrungen mit der Bildungspraxis und Selbstdarstellungen von Bildungsinstitutionen heranziehen, um erste Tendenzen zu beschreiben. [10] Auf der Basis früherer Forschungsbefunde und jüngster Erhebungen zu Geflüchteten in Deutschland »erscheint eine Erwerbstätigenquote von 50 Prozent unter den Geflüchteten nach etwa fünf Jahren realistisch«. [11] Zugleich ist bekannt, dass bislang Migrantinnen und Migranten, selbst bei gleichen Leistungen, nicht dieselben Erträge im Bildungssystem [12] oder auf dem Arbeitsmarkt [13] erwarten können. Folglich muss bereits seit geraumer Zeit von einer Diskriminierung zugewanderter Menschen und ihrer Nachkommen im deutschen Bildungssystem sowie auf dem Arbeitsmarkt gesprochen werden. [14] Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie nicht primär als Zugewanderte, sondern als soziale Randgruppen benachteiligt werden. [15] Deutlich wird für die Bildungsungleichheit, dass »der Migrationseffekt im Grunde ein sozialer Effekt« ist. [16] Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Bildungsbenachteiligung von Migrantinnen und Migranten als soziale Benachteiligung zu verstehen und »eine deutliche Reduzierung der sozialen Selektivität des deutschen Bildungssystems, und hier speziell der Sekundarstufe« anzustreben. [17]

Mit dieser politischen Position korrespondiert eine geläufige schulische Praxis – die Verwendung einer Hochform der deutschen Sprache. Hierbei ist einem besonderen Vehikel der Integration Aufmerksamkeit zu schenken: Für die deutsche Sprache betont zum Beispiel die Kultusministerkonferenz im Hinblick auf junge Geflüchtete, dass »gelingende Integration der Kinder und Jugendlichen wesentlich davon abhängt, wie schnell und gut sie die deutsche Sprache erlernen und wie schnell sie in die Regelangebote unseres Bildungssystems aufgenommen werden können«. [18] Mit dieser politischen Position korrespondiert eine geläufige schulische Praxis – die Verwendung einer Hochform der deutschen Sprache. [19] Geht man gegenwärtig von einem »monolingualen Habitus« [20] der Schulen aus, der Gepflogenheit also, lediglich eine einzige Sprache für den Unterricht zu nutzen, so wird deutlich, warum auf das Erlernen und Beherrschen dieser deutschen Hochsprache so viel Wert gelegt wird. Denn aufgrund der faktisch gegebenen Verhältnisse in deutschen Schulen wird eine andere als die deutsche Sprache für gewöhnlich kaum Akzeptanz finden; eine Ausnahme können höchstens solche Sprachen bieten, deren sprachliches Renommee höher angesetzt wird. [21] Zugleich zeigt sich, dass der Beherrschung der deutschen Sprache in allen migrantischen Milieus in Deutschland ein hoher Stellenwert beigemessen wird. [22] Rund 90 Prozent der Geflüchteten geben bei ihrer Einreise in Deutschland an, über keine Deutschkenntnisse zu verfügen. Dies ändert sich allerdings bald: »Von den Geflüchteten, die länger als zwei Jahre in Deutschland waren, beläuft sich der Anteil mit guten oder sehr guten Deutschkenntnissen nach Selbsteinschätzung auf 32 Prozent, mit mittleren auf 37 Prozent.« [23]

40 /// FAZIT AUGUST 2017

Deutlich wird, dass die Effekte eines Bildungssystems, das unter anderem durch die starke Betonung (hoch-)sprachlicher Kompetenzen Ungleichheit zuallererst »produziert«, durch solche individuellen Anstrengungen allein nicht reduziert werden können. Die offenkundigen Fehler des deutschen Bildungssystems müssen insofern systematisch angegangen werden.


Essay von Anselm Böhmer

Geplante Maßnahmen zur Inklusion Aus der Forschung ist bekannt, dass sich Bildungsinvestitionen dann am meisten lohnen, wenn sie möglichst früh erfolgen. So wurde errechnet, dass der größte Nutzen von Bildungsinvestitionen daraus gewonnen werden kann, dass die Dauer der vorschulischen Bildung merklich erhöht wird. [24] Es konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, besonders gesteigert werden kann, wenn ein Kind eine Krippe besucht hat; für Migrantinnen und Migranten wird eine relative Steigerung von 55,6 Prozent ausgewiesen. [25] Kindertagesstätten Gerade auf kommunaler Ebene, auf der die öffentlichen Kindertagesstätten (Kitas) verortet sind, finden sich Planungen mit dem Ziel, integrative Maßnahmen zu etablieren. [26] Dazu zählen etwa die von der Arbeit mit Kindern aus Familien mit Bezug zu Migration bekannten Sprachförderprogramme, die dann allerdings exkludierend wirken, wenn Kinder aus ihrem Gruppenalltag herausgenommen werden, um andernorts an einem »besonderen« Projekt der Sprachförderung teilzunehmen. Aus kommunaler Praxis ist ferner bekannt, dass Kinder aus Gemeinschaftsunterkünften nicht in kommunale Kindertagesstätten inkludiert, sondern innerhalb ihrer Unterkünfte oder aber in exklusiv für sie geschaffenen Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Unterkünfte betreut werden sollen. Sozialräumliche Brückenprojekte wie zum Beispiel eine »Mobile Kita« in Gelsenkirchen, ferner Familienzentren oder mehrsprachige und alltagsintegrierte Elternarbeit – unter anderem Elternbriefe in unterschiedlichen Sprachen, Weiterbildungsangebote für zugewanderte Eltern innerhalb der Kita während der Betreuungszeit ihrer Kinder – können solche Separierungen bereits im Alltag unterlaufen. Darüber hinaus finden sich zahlreiche elternbildende Programme, die Erziehungskompetenzen, unter anderem von Zugewanderten, stärken sollen. [27]

Weitere Planungen beziehen zum Beispiel Kulturabende ein, bei denen man fremde Kulturen miteinander bekannt machen möchte. Dass dabei unterschiedlichste Menschen aus einem Herkunftsland homogenisiert und kulturell als »fremd« markiert werden, die sich in jenem Herkunftsland in aller Regel nicht bekannt oder gar suspekt waren, wird dabei für gewöhnlich nicht diskutiert.

Für die schulische Bildung wird die Trias von individueller (Sprach-)Förderung, rascher Integration in das Regelsystem sowie Unterstützung für die Schulkarriere maßgeblich gemacht. Schulen Für die schulische Bildung wird die Trias von individueller (Sprach-)Förderung, rascher Integration in das Regelsystem sowie Unterstützung für die Schulkarriere maßgeblich gemacht. Analyseinstrumente zur Erhebung von »Potenzial & Perspektiven« (Baden-Württemberg) wurden entwickelt, um die schulischen Angebote der Situation der neu Zugewanderten individuell angleichen zu können. Während der Schulphase können Schullaufbahnberatung und -konferenzen durchgeführt werden, sodass sich die individuellen Fortschritte in Form und Umfang des Unterrichts niederschlagen. Schulsozialarbeit ist eine Bildungsform, die auch Geflüchtete gut erreichen kann. Die sogenannten Willkommens-, Vorbereitungs- oder VABO[28]-Klassen mit ihrem Anfangsunterricht sind ein weiteres Beispiel, wie neu zugewanderte Kinder und Jugendliche auf die Nutzung der

FAZIT AUGUST 2017 /// 41


Sprache, Kultur, Arbeit?

Alltagssprache und institutionelle Regularien vorbereitet werden sollen. Dabei scheint sich eine vorübergehende Separierung nur dann zu bewähren, wenn sie kombiniert wird mit kultur- und sprachensensiblem Unterricht, situativ orientierter Flexibilität, sozialpädagogischer Betreuung und einem Übergangskonzept, das den Fokus auf eine tatsächlich gelingende Ausbildung oder den erfolgreichen Übergang in eine weiterführende Schule legt. [29] Darüber hinaus kommen Patenprojekte zwischen bereits länger in Deutschland beschulten und neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern etwa bei Sportaktivitäten oder Kontakten zu sozialräumlichen Akteuren (wie Kulturzentren und Jugendtreffs) zum Einsatz. An einzelnen Schulen werden eigene Sprachförderzentren etabliert, die Schülerinnen und Schüler im Wechsel mit dem Fachunterricht besuchen können (Nordrhein-Westfalen). Ferner werden in schulischer Hinsicht sprachsensible Unterrichtsmodelle (Zukunftsbaukasten für Inklusivklassen, Frankfurt am Main), empowerment-orientierte Online-Bildungsangebote (Kiron Open Higher Education, Berlin) oder die Vorbereitung Geflüchteter auf die Bewerbung für das Studium an einer Kunst- oder Designhochschule (*foundationClass, Berlin) entwickelt und auf diese Weise Inklusion auf dem Weg von Bildung angestrebt. [30] Wesentlich für die so geplante Entwicklung der Schulen ist die Bereitstellung von Ressourcen in angemessener Form und Umfang, die berufsbegleitende Weiterqualifikation der Lehrkräfte sowie die Bereitstellung von geeignetem didaktischen Material.

Im Bereich der Hochschulen finden sich unterschiedliche Initiativen, etwa weitere Lehrveranstaltungen auf Englisch anzubieten, um so Menschen mit geringen Deutschkenntnissen den Zugang zu akademischer Bildung zu eröffnen. Gleichzeitig werden höher qualifizierende Sprachkurse angedacht, die mit dem Sprachniveau C1 den Hochschulzugang gewährleisten können. Tandemprojekte, in denen regulär eingeschriebene Studierende und neu Zugewanderte in einer Art von Patenschaft miteinander lernen oder gemeinsam Freizeitaktivitäten ausüben, sind weitere Formen, in denen sich Hochschulen in der Arbeit mit Geflüchteten engagieren.

Auch ein Bildungsjahr soll sprachlicher Förderung und beruflicher Erprobung erwachsener Geflüchteter dienen (Baden-Württemberg).

42 /// FAZIT AUGUST 2017

Im Hinblick auf Erwerbsarbeit werden unterschiedliche Bildungsangebote realisiert. Auch hier scheint der Fokus auf der bekannten Trias zu liegen: »Sprache, Ausbildung und Arbeit sind Schlüssel zur Integration.« [31] Dabei plant etwa das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks in einer Stufung von »Sprachförderung und einer allgemeinen Orientierung und Wertevermittlung« [32], 10000 Geflüchteten bis 2018 den Weg in eine handwerkliche Ausbildung zu ermöglichen. Dies soll durch die Vermittlung von Berufsorientierung für Handwerksberufe in Verbindung mit individueller sozialpädagogischer Begleitung gelingen. Auch ein Bildungsjahr soll sprachlicher Förderung und beruflicher Erprobung erwachsener Geflüchteter dienen (Baden-Württemberg).


Essay von Anselm Böhmer

Zur praktischen Arbeit mit Geflüchteten wird ferner dargestellt, dass sich einige Konzerne mit betreuten und innerhalb des Konzerns anschlussfähig verorteten Praktika und mit Ausbildungsangeboten engagieren. Aus den handwerklichen Betrieben wiederum sind die Stimmen gegenwärtig doppeldeutig. Gelegentlich wird berichtet von einzelnen Verantwortlichen, die sich neu Zugewanderter in besonderer Intensität annehmen und dabei fast schon zum persönlichen Garanten der Inklusion einzelner Schutzsuchender werden. Nicht zu überhören sind jedoch auch jene Stimmen, die sich einen nach ihrer Vermutung hohen bürokratischen Aufwand ersparen wollen, den sie für den Fall der Bereitstellung eines Praktikums- oder gar Ausbildungsplatzes für einen Geflüchteten befürchten. Umgekehrt wird ebenso geschildert, dass dennoch angebotene Praktika als gewinnbringend für alle Beteiligten erlebt wurden.

Immer mehr öffentliche Einrichtungen, Mitarbeitende der Wohlfahrtspflege sowie Schutzsuchende selbst suchen den Kontakt zu Vereinen in der Umgebung.

Dass sich Inklusion gerade über Freizeit-und Sportaktivitäten erzielen lässt, scheint vielen Beteiligten bekannt zu sein. Immer mehr öffentliche Einrichtungen, Mitarbeitende der Wohlfahrtspflege sowie Schutzsuchende selbst suchen den Kontakt zu Vereinen in der Umgebung. Durch gemeinsame Aktivitäten bieten sie den neu Zugewanderten die Möglichkeit, mehr über den »deutschen Alltag« zu erfahren – und nicht zuletzt die Gelegenheit, die eigenen sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Die mitunter für Geflüchtete gegebene Armut (Einkommen, Wohnen, Arbeit) schließt sie allerdings von einigen Angeboten direkt aus. Längerfristige Auswirkungen der Zuwanderung auf das Bildungssystem Diese Planungen und begonnenen Maßnahmen haben ihrerseits Konsequenzen für das Bildungssystem. Wie diese im Einzelnen aussehen können, soll nun auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen geschätzt werden, um einige Hinweise auf mögliche Szenarien zu bieten.

So ist zunächst anzunehmen, dass die Zuwanderung die bisherigen Formen und etablierten Praktiken infrage stellen wird. Dies muss nicht zwingend deshalb erfolgen, weil neu Zugewanderte tatsächlich gänzlich andere oder schlicht keine Vorerfahrungen mit institutioneller Bildung mitbrächten, sondern bereits, weil eine diesbezügliche Vorannahme bei manchen Akteuren in den Bildungseinrichtungen (Schulleitungen, Schulverwaltung, Lehrende, Elternschaft) vertreten zu sein scheint. So genügt mitunter bereits die Ankündigung, dass alsbald Geflüchtete in die Schulklassen aufgenommen werden sollen, um rege Betriebsamkeit und Spekulationen über die Notwendigkeiten von besonderen Beschulungsformen in Gang zu setzen. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund eine Potenzialanalyse, die in einem Landkreis Baden-Württembergs erprobt wurde. Ziel des Verfahrens ist, die individuellen Potenziale von Schutzsuchenden sichtbar zu machen. Damit ließe sich ein Unterricht, der ohnehin mit Heterogenität umzugehen versteht, auf die Bildungsbedarfe neu Zugewanderter umstellen. Gleichwohl muss eine solche Bildungspraxis mit spezifischen Kompetenzen der Fachkräfte, multiprofessionellen Teams sowie finanziellen, räumlichen und zeitlichen Ressourcen gekoppelt sein, um tatsächlich zu »funktionieren«. [33] Des Weiteren erscheint es sinnvoll, institutionelle Entwicklungen im Hinblick auf zum Beispiel Klassengrößen und Unterrichtsformen anzustoßen, um auf diese Weise die exkludierenden Mechanismen einer gesonderten Beschulung

FAZIT AUGUST 2017 /// 43


Sprache, Kultur, Arbeit?

von neu Zugewanderten möglichst zu vermeiden. Als weitere Auswirkung wäre eine tatsächlich höhere fachdidaktische Differenzierung der Bildungsprozesse zu erwarten. Sofern unterschiedliche Kenntnis- und Kompetenzstände vorliegen und zudem die Bildungshochsprache weiterhin hauptsächliches Vehikel des Unterrichtens ist, müssen die verschiedenen Voraussetzungen für Bildung in unterschiedliche Ausgestaltungen dieser Bildungsarbeit münden. Dass dazu angemessene Lehrmaterialien erstellt und diagnostische Instrumente entwickelt sowie Kompetenzen für die Fachkräfte in den Bildungsinstitutionen vermittelt werden müssen, zeigen frühere Schulversuche. [34]

Die sozialräumliche Orientierung der Bildungseinrichtungen – wie die Arbeit mit sozialen Netzwerken vor Ort – kann gerade für neu Zugewanderte einen weiteren Schwerpunkt der Entwicklungen ausmachen.

Die sozialräumliche Orientierung der Bildungseinrichtungen (wie die Arbeit mit sozialen Netzwerken vor Ort) kann gerade für neu Zugewanderte einen weiteren Schwerpunkt der Entwicklungen ausmachen. Dies gilt angesichts der alltäglichen Lebensführung von Geflüchteten, die sich um die Inklusion in den deutschen Alltag, wie zum Beispiel das Vereinsleben, bemühen. Die dortigen Akteure stellen insofern wertvolle Unterstützungspotenziale für die inklusiven Prozesse innerhalb der Bildungsinstitutionen dar. Gerade die wachsende Zahl der Ganztagsschulen bietet hier zugleich den Rahmen, der solchen sozialräumlichen Akteuren ein angemessenes Setting eröffnen kann. Von besonderer Bedeutung ist ganz offensichtlich die Sprache. Andernorts wurde bereits vorgeschlagen, den »monolingualen Habitus« [35] durch einen multilingualen und zuweilen vorsprachlichen zu ersetzen. [36]

Die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass in solchen Zusammenhängen nicht völlig auf Sprache verzichtet werden kann, etwa wenn Konflikte zwischen verschiedenen Teilgruppen entstehen oder unterschiedliche Praktiken der alltäglichen Lebensführung aufeinandertreffen und hinterfragt werden. Des Weiteren sollten grundlegende Regelungen überdacht werden, wie sich insbesondere im Hinblick auf unbegleitete Minderjährige zeigt: »Hilfreich wäre es, wenn bundesweit die Schulpflicht nicht im Alter von 18 Jahren endete und Schulen den Bildungserwerb weiter unterstützen könnten. Sinnvoll wäre ferner, wenn bei Geduldeten die Altersgrenze bei Beginn einer Ausbildung höher angesetzt oder entfallen würde.« [37] Auf diese Weise könnte jungen Zugewanderten eine verlässlichere Perspektive auf Inklusion durch Bildung und Ausbildung gewährt werden. Ausblick

44 /// FAZIT AUGUST 2017

Von all diesen Auswirkungen können nicht nur neu Zugewanderte profitieren. Es ist letztlich nicht die Frage, wie »Andere« durch Bildung dazu gebracht werden können, »uns« gemäß zu leben. Vielmehr geht es um eine inklusive »Vergesellschaftung statt Integration« [38], die dabei den Raum für vielfältige – und durchaus streitbare – Debatten darüber eröffnet, wie ein gesellschaftliches Zusammenleben angesichts höherer Zuwanderungsraten aussehen soll. Dass eine solche Debatte nicht bei null beginnt, sondern stets schon die Maßgaben der »offenen Gesellschaft« zu berücksichtigen hat, dürfte selbstverständlich sein. Nun also kommt es darauf an, die offene Gesellschaft in einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens als inklusive Gesellschaft zu entwickeln – der Zuwanderung sei Dank. n


Essay von Anselm Böhmer

Fußnoten 1. Umfangreiche Hinweise bieten Hans-Peter Blossfeld et al., Integration durch Bildung. Migranten und Flüchtlinge in Deutschland, Gutachten, Münster 2016; Micha Brumlik, Flüchtlinge als deutsches Narrativ, in: Cinur Ghaderi/Thomas Eppenstein (Hrsg.), Flüchtlinge. Multiperspektivische Zugänge, Wiesbaden 2017, S. 67–78; Marianne Krüger-Potratz, Migration als Herausforderung für öffentliche Bildung. Ein Blick zurück nach vorn, in: Aysun Doğmuş/Yasemin Karakaşoğlu/Paul Mecheril (Hrsg.), Pädagogisches Können in der Migrationsgesellschaft, Wiesbaden 2016, S. 13–41; Jochen Oltmer, Globale Migration. Geschichte und Gegenwart, München 20162. 2. Vgl. United Nations High Commissioner for Refugees, Global Trends. Forced Displacement in 2015, Genf 2016, S. 5. 3. Bundesregierung, Migrationsbericht 2015, Drucksache 18/10700, 15,12.2016, S. 10. 4. Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, Geflüchtete Kinder und Jugendliche, Dossier 1/2016, S. 1; Bundeszentrale für politische Bildung, Zahlen zu Asyl in Deutschland, 9.5.2017, http://www.bpb.de/218788«. 5. Vgl. Anna-Katharina Rich, Asylerstantragsteller in Deutschland im Jahr 2015. Sozialstruktur, Qualifikationsniveau und Berufstätigkeit, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), BAMF-Kurzanalyse 3/2016; zu denen in 2016 vgl. Matthias Neske/Anna-Katharina Rich, Asylerstantragsteller in Deutschland im ersten Halbjahr 2016. Sozialstruktur, Qualifikationsniveau und Berufstätigkeit, BAMF-Kurzanalyse 4/2016. 6. Vgl. Herbert Brücker/Nina Rother/Jürgen Schupp, IABBAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: Überblick und erste Ergebnisse, Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, IAB-Forschungsbericht 14/2016; Herbert Brücker et al., Flucht, Ankunft in Deutschland und erste Schritte der Integration. IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, BAMF-Kurzanalyse 5/2016. 7. Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2016, Bielefeld 2016; Jürgen Baumert/Gundel Schümer, Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb, in: Jürgen Baumert et al. (Hrsg.), PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, Opladen 2001, S. 323–410; Kristina Reiss et al., PISA 2015. Eine Studie zwischen Kontinuität und Innovation, Münster–New York 2016. 8. Vgl. ebd., S. 176. 9. Vgl. Robert Bosch Stiftung/Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration, Was wir über Flüchtlinge (nicht) wissen, Berlin 2016, S. 25; Blossfeld et al. (Anm. 1); Werner Schiffauer et al., So schaffen wir das. Eine Zivilgesellschaft im Aufbruch, Bielefeld 2017. 10. Vgl. BAMF, Schulische Bildung von Migranten in Deutschland, Nürnberg 2008; Monika Stürzer et al., Schulische und außerschulische Bildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, München 2012. 11. Herbert Brücker et al., Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Deutschland: Der Stand zum Jahresbeginn 2017, IAB, Aktuelle Berichte 4/2017, S. 1. 12. Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Anm. 7), S. 170ff.; Reiss et al. (Anm. 7). 13. Vgl. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Diskriminierung am Ausbildungsmarkt. Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven, Berlin 2014. 14. Vgl. ebd., S. 33f. 15. Vgl. Martin Biewen/Madalina Tabalaga, Life-Cycle Educational Choices: Evidence for Two German Cohorts, Bonn 2016; Melihan Cinar et al., Kinder-Migrationsreport, München 2013.

16. Kai Maaz et al., Herkunft zensiert? Leistungsdiagnostik und soziale Ungleichheiten in der Schule, Düsseldorf 2011; vgl. Minna-Kristiina Ruokonen-Engler, „Die Macht der Sprache“. Zur Bedeutung der Sprache als Ausschlussmechanismus am Beispiel der Partizipation in schulischen Elternbeiräten, in: Migration und Soziale Arbeit 4/2015, S. 329–334. 17. BAMF (Anm. 10), S. 55. 18. Kultusministerkonferenz, Erklärung der Kultusministerkonferenz zur Integration von jungen Geflüchteten durch Bildung, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6.10.2016, S. 2. 19. Vgl. Annika Obermayer, Bildungssprache im grafisch designten Schulbuch. Eine Analyse von Schulbüchern des Heimatund Sachunterrichts, Bad Heilbrunn 2013. 20. Ingrid Gogolin, Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, Münster 20082. 21. Vgl. Inci Dirim/Anke Wegner, Bildungsgerechtigkeit und der Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit in Schule und Unterricht, in: dies. (Hrsg.), Mehrsprachigkeit und Bildungsgerechtigkeit, Opladen u.a. 2016, S. 198–222. 22. Vgl. Heiner Barz et al., Große Vielfalt, weniger Chancen. Eine Studie über die Bildungserfahrungen und Bildungsziele von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, Essen–Düsseldorf 2015; Ingrid Gogolin, Vervielfältigung von sprachlicher Vielfalt, in: Migration und Soziale Arbeit 4/2015, S. 292–298. 23. Brücker/Rother/Schupp (Anm. 6), S. 9. 24. Vgl. Blossfeld et al. (Anm. 1), S. 129ff.; Deutsches Jugendinstitut, Starting Strong III. Eine Qualitäts-Toolbox für die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, München 2013. 25. Vgl. Büro für Arbeits- und Sozialpolitische Studien, Volkswirtschaftlicher Nutzen von frühkindlicher Bildung in Deutschland, Gütersloh 2008. 26. Im Folgenden werden nur ausgesuchte Erfahrungen und Kenntnisse dargeboten, die der Autor im Rahmen seiner eigenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema sowie in ersten Erhebungen für ein Forschungsprojekt zu sozialräumlichen und bildungsbezogenen Räumen Geflüchteter sammeln konnte. Das Pilotprojekt wird gefördert durch die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg. 27. Vgl. Blossfeld et al. (Anm. 1), S. 134ff. 28. VABO: Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf. 29. Siehe Trägerkreis Junge Flüchtlinge e.V., http://www. schlau-schule.de«. 30. Vgl. Schiffauer et al. (Anm. 9), S. 103ff. 31. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berufsorientierung für Flüchtlinge, Bonn 2016. 32. Ebd. 33. Vgl. Anselm Böhmer, Bildung als Integrationstechnologie? Neue Konzepte für die Bildungsarbeit mit Geflüchteten, Bielefeld 2016, S. 84ff. 34. Vgl. Georg Auernheimer/Lisa Rosen, Lehrer-Schüler-Interaktion in der Migrationsgesellschaft, in: Martin K.W. Schweer (Hrsg.), Lehrer-Schüler-Interaktion, Wiesbaden 20173, S. 435–463, hier S. 450. 35. Gogolin (Anm. 20). 36. Vgl. Böhmer (Anm. 32), S. 87. 37. Angela Bauer/Franziska Schreyer, Ausbildung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, IAB-Kurzbericht 13/2016, S. 8. 38. Martina Löw/Thomas Geier, Einführung in die Soziologie der Bildung und Erziehung, Stuttgart 2014.

Vorliegender Text erschien erstmals am 30. Juni 2017 in der Zeitschrift »Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), Ausgabe 27-29/2017. APuZ wird von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn herausgegeben. bpb.de FAZIT AUGUST 2017 /// 45


Managementserie

Erfolg braucht gute Führung EInE SERIE Von CARolA PAyER [6]

Die Führungskraft als Teamentwickler

Fotos: Enlarge, Marija Kanizaj

Dr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

46 /// FAZIT AUGUST 2017

W

as ist inspirierender, als gemeinsam etwas zu bewegen? Was braucht es, damit das in einer Organisation auch gut gelingt? Wie entwickelt sich aus einer Gruppe ein Team? Was kann ich als Führungskraft oder Gruppenmitglied auch aktiv dafür tun? Teamführung bedeutet, aus einem Pool von Potenzialen eine Gruppe zu formen, die sich ergänzt und ihre Unterschiedlichkeit für gemeinsame Problemstellungen nutzen kann. Im Alltag werden jedoch Unterschiede oft zum Konflikt. Einen Sack voll Flöhe in die gleiche Richtung zu bringen braucht viel Aufmerksamkeit, Geduld und Konfliktmanagement-Kompetenz. Da Projekte immer mehr den Unternehmensalltag bestimmen, ist es wesentlich, aus Mitarbeitern unterschiedlicher Unternehmensbereiche schnell ein produktives Arbeitsteam zu schaffen. Es wird immer mehr zur Herausforderung, virtuellen Teams effektives und effizientes Arbeiten zu ermöglichen.

Das »Es« im Team Teams haben idealerweise einen Funktionszusammenhang. Jeder leistet einen Beitrag, eine Sache gemeinsam zu erreichen und zu erhalten. Das ergibt ein Ziel und einen Fokus. Die in der heutigen Zeit vorherrschende hohe Komplexität und Vielfalt an Arbeitsfeldern erfordert für Teammitglieder oft ganz unterschiedliche Zielsetzungen. Sie verbringen viel Zeit auf diversen »Baustellen«. Zur inhaltlichen kommt eventuell noch eine räumliche Distanz dazu. Hohe unterschiedliche Anwesenheit aufgrund von Arbeitszeitmodellen und externe Verpflichtungen geben wenig Raum für fachliche und persönliche Berührung. Ein beliebtes Spiel von Reform- oder Changeprozessen ist das Zusammenfassen von Abteilungen »unter« einer Führungskraft. Ziel der Organisationseinheit ist nicht ein gemeinsamer Auftrag, sondern eine Zugehörigkeit. In einem »richtigen« Team sind Maßnahmen zur klaren Auftragsklärung für das Gesamtteam und jeden einzelnen eine


Erfolg braucht Führung

bedeutende Basis. Die Abstimmung von Prozessen, Schnitt- bzw. nahtstellen, Kommunikations- und Informationsarchitektur fördert die gemeinsame Ausrichtung. In Pseudoteams ohne gemeinsamen »Sinn« oder Auftrag, sind Maßnahmen zur Verbundenheit zum Unternehmen oder Kollegialität vorrangig.

Das »Wir« im Team Gute Beziehungen leben, zueinander stehen und Vertrauen fördern erfolgreiche Teamarbeit. Vertrauen – ein großes Wort, mit großer Wirkung. Kein Vertrauen – eine große Herausforderung mit negativer Team- und Gruppendynamik. Das »Wir« steht nicht für das Schaffen einer kuscheligen Familienatmosphäre, wo jeder gnadenlos akzeptiert wird. Das »Wir« steht für Wertschätzung der Potenziale der Kollegen, einem positiven und konstruktiven Umgang mit den Schwächen der Arbeitspartner und einer hohen Kompetenz, qualitative Dialoge zu gestalten. Die Kunst, gut zu kooperieren, ist alles andere als ein Kindergeburtstag. Erwachsene Verhaltensweisen statt unerwachsener Spielchen müssen erst gelernt werden. Zu sehr ist man geprägt, Störungen in Beziehungen kindlich zu bewältigen. Angreifen, kämpfen, verdrängen, totschweigen, überdecken, banalisieren, wegwünschen, trotzen, anpassen, ertragen, verschieben ... sind nur einige der Strategien. In einer Gesellschaft, die Selbstbezogenheit und Hedonismus fördert, muss auch die Bereitschaft für die Gemeinschaft wieder attraktiv gemacht werden. Das »Wir« hört aber nicht im eigenen Team auf, sondern das »Wir« zwischen zwei Teams ist die nächste Entwicklungsbaustelle. Das »Ich« im Team langfristige Motivation einzelner Teammitglieder ist garantiert, wenn sich diese selbst verwirklichen und persönlich auch von der Zughörigkeit zum Team profitieren. Seine Talente und Fä-

Managementserie

higkeiten einzubringen und gleichzeitig damit zum Erfolg beizutragen, befriedigt ungemein. Schwieriger wird es, wenn definitiv jemand »falsch« eingesetzt ist und trotzdem verlässlich und produktiv seine Arbeitsleistung bringt. Hier sind Rahmenbedingungen, wie Arbeitszeiten, Incentives, Teamkultur oft ein Ersatz für die im gegebenen Kontext nicht mehr mögliche eigene Karriereund Persönlichkeitsentwicklung. lieblingsthema in Seminaren sind immer wieder »schwierige« Mitarbeiter. Sie fordern sowohl die Teammitglieder als auch die Führungskräfte oft aller Hierarchieebenen. Hinter diesem »Schwierigem« stecken oft ganz unterschiedliche Geschichten und Biografien. Selbst hier können Entwicklungsmöglichkeiten ausgelotet werden. Interessant ist die Frage: Was haben wir dazu beigetragen, dass die Person den Raum und Rahmen hatte, sich hier zu dem zu entwickeln, was sie heute ist? oft können diese Herausforderungen viel über die Team- und Führungskultur erkennen lassen. Es, ich und wir: Teamführung und -entwicklung ist eine hohe Disziplin. Eine große Freude und Interesse, Menschen und Menschengefüge zu entwickeln, eine Voraussetzung. Die Zeit dafür wird in Stellenbeschreibungen von Führungskräften zu gering oder gar nicht berücksichtigt. Operatives hat meist Vorrang. Führungskräfte, die dieses »Teamklavier« beherrschen, werden jedoch belohnt mit hoher Teamleistung, Motivation und lustvoller Zusammenarbeit. n

FAZIT AUGUST 2017 /// 47


Da Wanko

Gute Fahrt oder buon viaggio!

Z

ug fahren ist großartig, vor allem in den Ferien, kein Stau, kein Stress, denkt man. Wirklich gerne erinnere ich mich an eine Zugfahrt von Rom zurück nach Graz. Meine Family und ich buchten drei Bahntickets auf dem Roma Termini. Das war vor rund 15 Jahren und die Zeit, in der Italien vorbildlich die Raucher aus den Zügen verbannte, also keine Raucherabteile mehr und basta! So stand’s zumindest in den Gazetten geschrieben. Die Realität war irgendwie anders. Jeder IC-Zug blieb jede Station fünf Minuten länger stehen und die Menschen rauchten aus den geöffneten Türen hinaus. Wir kamen mit mehr als einer Stunde zu spät in Mestre bei Venedig an, aber mit null Stress. Für die gewohnten Bahnfahrer war das vollkommen normal. Mein Kollege, Dieter Bachmann, beschreibt das ungefähr so: Eine Verspätung bis zu einer halben Stunde ist eigentlich keine. Die Italiener nennen sie »Ritardino«, auf gut Deutsch ein »Verspätungslein«, ein Wort, das es in unserem Sprachgebrauch gar nicht gibt. Das passt nicht in unsere Gründlichkeit. So eine anständige Verspätung, eine »Ritardo«, die kann schon so vier Stunden dauern, aber immerhin, der Zug kommt an, denken sich die Italiener. Bei uns wäre der Groll angesagt und in Deutschland der Weltuntergang. Bei uns würden die Kunden protestieren und den Schaffner lynchen, in Italien rückt man näher zusammen. Eine Flasche Wein kann ja mal geöffnet werden. Wir fuhren also mit einer nicht ungewöhnlichen »Ritardo« in Mestre ein, um in den Anschlusszug Richtung Wien umzusteigen. Tatsächlich war der Zug aus Österreich noch nicht da. Dafür ungefähr 50 hoffnungsvolle Tennis-Aspiranten, die in Thomas Musters Fußstapfen steigen wollten. Mit Tennisschlägern bewaffnet, Testosteron versprühend und Pickeln im Gesicht, verhielten sie sich wie ungeordnete Ameisen auf einem Haufen, und wir in der Mitte. Die Tennislehrer und Betreuer eher abseits, man braucht ja Ruhe. Zufällig betraten wir den richtigen Waggon, doch die auf uns reservierten Plätze fanden wir nicht vor. Beispielsweise gab es die Sitznummer 80 und darauffolgend kam bereits die Nummer 85. Nummer 81 bis Nummer 84 mussten vom Weg von Wien nach Mestre verloren gegangen sein. Wir saßen also auf »fremden« Plätzen, bis einer der netten Tennislehrer meine Frau aufforderte, Martin G. Wanko (47) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at

48 /// FAZIT AUGUST 2017

ihren Platz für einen seiner Schützlinge freizumachen. »Er is’ die ganze Woche g’rennt, jetzt braucht er einen Platz zum Entspannen, des wern’ S’ schon verstehen, oder?«, war seine Antwort. Ein Italiener in feinem Zwirn machte meiner Frau sofort und ungefragt Platz. Einige Minuten später flüchteten wir dennoch in den Speisewagen. Nach wie vor wollte ich wissen, wie es zu den verschwundenen Sitzplätzen kam, immerhin zahlten wir die Reservierung. Der italienische Kontrolleur erklärte uns, die Österreicher schickten eine zu kleine »Carrozza«, also warf der Computer in Italien unregelmäßig Platznummern aus, daher fehlen jetzt einige Nummern. Endlich wieder in Österreich angelangt, versprach uns der freundliche Schaffner eine Rückerstattung der Kosten, die durch die Platzreservierungen entstanden sind. Feinsäuberlich schrieb er auf die Rückseite der Reservierung den Betrag von rund 10 Euro, unterschrieb und stempelte ab. Erschöpft in Graz angekommen, mittlerweile war es schon eine ganz passable »Ritardo« von rund zwei Stunden, ging ich dennoch am Hauptbahnhof zum Kartenschalter und wollte das Geld zurückhaben. Die Schalterdame griff einmal routiniert nach einem Antragsformular für Reklamationen. Aber dann schüttelte sie den Kopf und teilte mir Folgendes mit: »Der Antrag ist dort zu stellen, wo das Ticket gekauft wurde. Sie müssen also zurück nach Rom.« Mein Argument, dass die Lulu-Carrozza immerhin die ÖBB stellte, brachte nichts ein. Ich könnte ja eine Beschwerde einreichen, wieder ein Formular. Voll nett und aus und basta! Ich haben fertig, alle Flaschen leer! Und dann sitzt du ermattet am Balkon, trinkst dein erstes Glas Wein und denkst an die Schalterbedienstete in Rom, mit welchen Augen die dich anschauen würde, wenn du wegen eines Antrags auf 10 Euro zurück in die ewige Stadt fährst. Beim zweiten Glas kommst du dir noch wie die Flipperkugel vor, die durch die Lulu-Carrozza geballert wird, und beim dritten Glas denkst nix mehr, aber gar nix mehr, außer dass dir nix passieren darf, nirgendwo, schon gar nicht im Ausland und schon überhaupt nicht in einem Zug. In diesem Sinne, frohen Urlaub und gute Fahrt, G Punkt. n


Kurz & News

Das Zündeln muss ein Ende haben Das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bestätigt im Fall des Grazer Murkraftwerks das Nein zur Volksbefragung. Gemeinderat und WB-Direktor Kurt Egger ruft zur Deeskalation auf. Der Verwaltungsgerichtshof gibt im Fall des Grazer Murkraftwerks nun bekannt, dass die Abweisung des Antrags auf Durchführung der Volksbefragung zu Recht erfolgte. „Der aktuelle Fall zeigt wieder einmal, dass sich die Berufsdenunzianten nicht durchsetzen. Ich fordere die Stadträte Kahr und Wirnsberger, die im Hintergrund zündeln, dazu auf, die Entscheidung des VwGH zu akzeptieren. Es wird Zeit, dass die Rechtsstaatlichkeit endlich von beiden Seiten anerkannt wird“, so Gemeinderat und WB-Direktor Kurt Egger.

Grazathlon für den guten Zweck

Fotos: LK / Musch, Regine Schötter, photoworkers.at, Magna Steyr

Der Grazathlon erweiterte die härteste Sightseeingtour der Welt zum 5-jährigen Jubiläum um eine karitative Komponente. Fast 4.000 Athleten sowie zahlreiche Prominente verwandelten Graz am 10. Juni in ein sportliches Eldorado der Extraklasse. Die vom Radsportverein Inglourious Radsters initiierte und von der Grazer Agentur Rittler & Co. konzipierte Initiative „Get Moving!“ ist gleichzeitig eine Charity-Aktion, die Gelder für die kostenlose Betreuung von Krebspatienten durch die Österreichische Krebshilfe Steiermark sammelt. Dank der großzügigen Unterstützung von Magna Steyr, die zwei Euro pro Teilnehmer spendete und die Summe großzügig aufrundete, kam ein Scheck von unglaublichen 10.000 Euro zustande. „Soziales Engagement hat bei Magna Steyr einen sehr hohen Stellenwert“, betont Anton Schantl, Vice President Finance Magna Steyr. Für Sportstadtrat und Teilnehmer Kurt Hohensinner eine tolle Aktion: „Ich würde mich freuen, wenn viele weitere Firmen diesem tollen Beispiel bei möglichst vielen Sportveranstaltungen folgen.“

Die Steiermark hat neue Weinhoheiten Die neue steirische Weinkönigin heißt Katja I. Sie und ihre beiden Hoheiten Lisa und Maria wurden am 11. Juli von einer achtköpfigen Jury aus Tourismus- und Weinexperten für die kommenden zwei Jahre gewählt. Am 18. August 2017 werden die neuen Weinhoheiten bei der Eröffnung der Steirischen Weinwoche in Leibnitz gekrönt werden. Katja I. heißt mit bürgerlichem Namen Katja Silberschneider und kommt aus Eichberg Trautenburg bei Leutschach. Katja (21) stammt von einem Weinbaubetrieb, der sich auch mit der Klapotetzerzeugung beschäftigt, und studiert derzeit International Marketing & Sales Management am Campus 02. Sie möchte den Leuten die unglaublich vielen Facetten des steirischen Weines näherbringen.

Railcontact ’17: Wohin geht die Reise?

Am 5. Juli tagte in Graz eine ACstyria-Fachkonferenz zur Zukunft der Bahnindustrie. Führende Experten der Bahnindustrie diskutierten über die Zukunft der Bahnsystemtechnik. Der vom Mobilitätscluster bereits zum 5. Mal organisierte Fachkongress bildet ein Zukunftsforum der steirischen Mobilitätsindustrie. Auftakt der Veranstaltung bildete eine Betriebsbesichtigung bei der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH. Die Tagungsteilnehmer der Railcontact ’17 konnten nicht nur die dienstälteste Dampflok der Welt, sondern auch moderne Schienenfahrzeuge und Busse der GKB besichtigen. MitarbeiterInnen der GKB gaben Einblicke in technische Details sowie den Wartungsbetrieb.

Gewinnen Sie Ihre Daniel-Hechter-Sonnenbrille!

Rechtzeitig zum Sommerhöhepunkt verlost Fazit zehn hochwertige Sonnenbrillen (fünf Damenund fünf Herrenmodelle) von Daniel Hechter Eyewear, hergestellt von der Michael Pachleitner Group. Mitmachen ist ganz einfach: Senden Sie ein E-Mail an sonnenbrille@wmedia.at und schreiben Sie in die Betreff-Zeile »Daniel Hechter Eywear«! Schönen Sommer wünscht Fazit.

FAZIT AUGUST 2017 /// 49


Kurz & News

Die Steiermark nimmt mit der Neuen Mittelschule Graz-Straßgang mit Schwerpunkt Holz und Gestaltung eine Vorreiterrolle ein. An insgesamt acht Projekttagen wurde den Schülern der 3. Klasse die gesamte Wertschöpfungskette eines Parkettbodens aufgezeigt. Krönender Abschluss: Ende Juni verlegten die Jugendlichen den Boden des Klassenzimmers neu. „Uns von proHolz Steiermark ist wichtig, den Kindern den nachhaltigen Baustoff näherzubringen. Da Holz ein Werkstoff ist, der uns von Anfang an begleitet, haben wir als Drehscheibe zwischen Schulen, Betrieben und Institutionen die Koordination dieses Schulprojekts übernommen“, freut sich proHolz-Steiermark-GF Mag. Doris Stiksl über die Umsetzung.

25. Green Panther für josefundmaria Außergewöhnliche Ideen, klare Botschaften und starke Motive, mit dieser Strategie überzeugt die Grazer Kommunikationsagentur josefundmaria seit Jahrzehnten mit ihrer Arbeit vor allem in Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich. Beim Green Panther, dem steirischen Landespreis für kreative Kommunikation, wurde bei der diesjährigen Preisverleihung das Projekt „Plastiksäcke sind kein Bioabfall“ des Abfallwirtschaftsverbandes Mürzverband in der Kategorie Public Space Advertising mit dem Green Panther in Silber ausgezeichnet. Das Team von josefundmaria communications freut sich über den inzwischen insgesamt 25. Green Panther.

Leoben: Heimat von Gösser

Am 4. August, dem internationalen Tag des Bieres, startet am Hauptplatz in Leoben das erste Brau-Stadt-Fest, das den Brückenschlag zwischen der Innenstadt und dem Stadtteil Göss – und speziell der Gösser Brauerei symbolisieren soll. Um deren Bedeutung für die Stadt Leoben zu unterstreichen, werden demnächst an den Stadteinfahrten Hinweistafeln montiert, die darauf verweisen, dass Leoben die Heimat von Gösser Bier ist. „Das Citymanagement Leoben und die Brauerei Göss sind die großzügigen Stifter der Hinweistafeln. Wir alle sind sehr stolz auf ‚unseren‘ Braustandort. Mein Dank gilt aber auch allen Mitarbeitern, die dieses Projekt verwirklicht haben“, so Bürgermeister Kurt Wallner.

Aus für Regress ein Bekenntnis zum Sozialstaat

50 /// FAZIT AUGUST 2017

Großen Beifall gibt es von der steirischen Soziallandesrätin Doris Kampus für die Abschaffung des Pflegeregresses. Sie sieht in der Abschaffung des Regresses auf das Eigentum der in Heimen gepflegten meist betagteren Mitbürger und Mitbürgerinnen einen großen Erfolg in Hinsicht auf mehr soziale Gerechtigkeit und erklärte aus diesem Anlass: „Das ist ein deutliches Bekenntnis zum Sozialstaat“, und sie lobt den Parlamentsbeschluss, der von einer großen Mehrheit der Abgeordneten mitgetragen wurde. Der Hauptverdienst für diesen „sozialpolitischen Meilenstein“ gebühre aber vor allem Bundeskanzler Christian Kern, dessen Forderung nach Abschaffung des Pflegeregresses nun umgesetzt wurde.

Fotos: Foto Fischer, Wiesner / Konstantinov, Freisinger,

Schulprojekt: vom Baum zum Parkett-Boden


Foto: SPÖ Steiermark

Kurz im Gespräch mit

Foto: Viktoria Resch

Johannes Schwarz, Klubobmann der SPÖ Steiermark

Via Tablet und spezieller Kamera werden die Gesichtszüge für die individuelle Brillenfassung bei Neuroth exakt gescannt.

Maßgeschneidertes Sehen aus dem 3D-Drucker

Eine Brille, die exakt auf das eigene Gesicht abgestimmt ist und aus dem 3D-Drucker kommt – das ist ab sofort kein Wunschtraum mehr. Denn ab sofort bietet Optik Neuroth in Graz als erster Anbieter in der Steiermark individuell angepasste Brillen an.

O

b Augen, Nase, Augenbrauen oder Ohren, jedes Gesicht ist einzigartig. Und auch bei der Brillenwahl geht der Trend immer mehr in Richtung Individualität. Als erster Optik-Store in der Steiermark bietet Optik Neuroth am Eisernen Tor in Graz nun erstmals maßgefertigte Brillen an, die mithilfe eines Infrarot-Scans exakt an die persönlichen Gesichtszüge angepasst und schließlich mit 3D-Drucktechnologie gefertigt werden. „You Mawo“ heißt das neue Label aus Deutschland, mit dem Optik Neuroth exklusiv zusammenarbeitet. „Individueller kann eine Brille nicht sein“, freut sich Pierre Furman, Store-Manager bei Optik Neuroth. „Mit einer speziellen Kamera und einer App wird das Gesicht Zehntel-

millimeter genau gescannt und die Brille im 3D-Drucker maßgefertigt. Jede Brille ist ein Unikat. Dementsprechend hoch ist auch der Tragekomfort“, sagt Furmann. In wenigen Schritten kommt man zur individuellen Brille: Zuerst wird das Gesicht von einem Optiker mit Infrarot-Kamera gescannt. Nach Auswahl des Designs werden die Daten in die „You Mawo“-Manufaktur nach Deutschland übertragen. Nach Justierung des Prototyps durch den Kunden folgt der finale 3D-Druck: Schicht für Schicht wird das Gestell aus Nylonpartikeln aufgebaut und per Laser gehärtet. Die maßgefertigten (optischen und Sonnen-)Brillen der Marke „You Mawo“ sind ab sofort bei Optik Neuroth am Eisernen Tor in Graz erhältlich.

Mit welchen Themen positioniert sich die SPÖ in der Steiermark für die kommende Nationalratswahl im Herbst? Arbeit und Beschäftigung für alle Steirerinnen und Steirer ist das Ziel. Wir sehen bereits jetzt, dass die Arbeitslosenzahlen nach unten gehen und die Wirtschaft anzieht. Unsere Maßnahmen greifen und wir dürfen da nicht lockerlassen. Schließlich geht es um Arbeit, von der man gut leben kann, der Mindestlohn ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung! Wie mobilisieren Sie die vielen potenziellen Wechsel- bzw. Nichtwähler? Christian Kern hat mit seinem Plan A ein konkretes und modernes Programm vorgelegt, das alle wichtigen Themen anspricht. Gleichzeitig laden der Plan A und die SPÖ dazu ein, mitzumachen und eigene Ideen einzubringen. Inwiefern hat das vorzeitige Ende der Regierungskoalition Auswirkungen auf die steirische Reformpartnerschaft? Es ist Wahlkampfzeit, natürlich merkt man das ein wenig, aber die Zukunftskoalition aus SPÖ und ÖVP leistet gute Arbeit für die Menschen in der Steiermark. Die Nationalratswahl hat keine Auswirkung auf unsere gute Zusammenarbeit im Landtag Steiermark.

Sind Sie mit der Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner im Land zufrieden? Die aktuellen Arbeitslosenzahlen und die Wirtschaftsdaten zeigen uns, dass wir mit unserer Arbeit zufrieden sein können. Unser Ziel ist es, die Steiermark nach vorne zu bringen, noch mehr Jobs zu schaffen, Betriebe anzusiedeln und die Steiermark sozial gerechter zu machen. FAZIT AUGUST 2017 /// 51


Wirtschaft

Anzeige Foto: Foto Fischer

WKO-SteiermarkPräsident Josef Herk und Direktor Karl-Heinz Dernoscheg freuen sich über positive Konjunkturaussichten.

Steirische Konjunktur gewinnt deutlich an Fahrt Ob Umsatz, Auftragslage, Investitionen oder Beschäftigung – erstmals seit vielen Jahren zeigen im Wirtschaftsbarometer der WKO Steiermark wieder alle Konjunkturpfeile nach oben, sowohl was die bisherige Entwicklung als auch die Geschäftserwartungen betrifft.

7

06 steirische Unternehmer haben an der Konjunkturumfrage teilgenommen. „Sie spiegelt alle Branchen, Regionen und Betriebsgrößen wider“, erklärt Karl-Heinz Dernoscheg, Direktor der WKO Steiermark: „Die Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf, die Trends der Herbstumfrage haben sich bestätigt.“ Mit der Aufhellung der konjunkturellen Lage steigt auch die Investitionsbereitschaft. Positiver Konjunkturtrend Der Aufwärtstrend bestätigt sich bei der Frage nach dem Wirtschaftsklima: Hier ist der Positivsaldo von zuletzt +5,8 Prozentpunkten, nämlich auf +34,4 Prozentpunkte angestiegen. Der lang erwartetet Aufschwung scheint nach fast zehn mageren Konjunkturjahren Realität zu werden. Trotzdem warnt WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk vor voreiligem Jubel: „Die Regierung darf nicht wieder in politischen Stillstand verfallen. Es braucht Reformen.“ Die Konjunktur in der Steiermark 52 /// FAZIT AUGUST 2017

hat in den vergangenen sechs Monaten deutlich an Dynamik gewonnen, im Detail: Beim Umsatz beträgt der Positivsaldo +44,7 Prozentpunkte, bei der Auftragslage +29,2 Prozentpunkte, beim Preisniveau +13,8 Prozentpunkte, bei den Investitionen +25,5 Prozentpunkte und bei der Beschäftigung +24,7 Prozentpunkte. „Unterm Strich ergibt das die besten Konjunkturdaten der letzten Jahre“, so Herk. Auch das wirtschaftliche Gesamtklima wird deutlich positiv bewertet: Konkret beurteilen 49,4 Prozent die Entwicklung der letzten 12 Monate positiv und lediglich 15,0 Prozent negativ. Das ergibt einen Saldowert von +34,4 Prozentpunkten. Noch besser fallen die Erwartungen aus: Hier übertrifft der Saldowert mit +44,9 Prozentpunkten sogar den Wert vom Frühjahr 2011.

Optimistische Exportbilanz Der Außenhandel hat nach der Delle im Herbst 2016 wieder angezogen. Der Saldo der bisherigen Exportumsätze ist

in der vorliegenden Umfrage wieder von +2,9 auf +24,8 Prozentpunkte angestiegen. Die Verunsicherung durch Brexit, Trump-Wahl und internationale Krisenherde, die im Herbst deutlich zu spüren war, dürfte sich wieder etwas gelegt haben. Laut aktuellem Wirtschaftsbarometer überwiegt bei den Exporteuren nämlich auch für die Zukunft die Zuversicht: Der Saldo der erwarteten Exportumsätze ist gegenüber Herbst 2016 (26,1 Prozentpunkte) mittlerweile wieder auf 57,8 Prozentpunkte geklettert – und damit der höchste Wert seit dem Frühjahr 2011. Viel Arbeit für neue Regierung Damit sich die Konjunktur weiterhin positiv entwickeln kann, braucht es rasch wieder eine handlungsfähige Regierung. „Das Ziel muss sein, nach der Wahl am 15. Oktober so rasch als möglich wieder anzupacken“, betont WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk. Die Wirtschaft müsse

mit Investitionsanreizen auf Kurs gehalten werden. Dies soll beispielsweise mit der Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages gelingen. Die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter soll auf 1.500 Euro angehoben werden. „Außerdem muss die neue Regierung dringend nötige Reformen, die immer wieder auf die lange Bank geschoben wurden, umsetzen.“ Konkret nennt Herk dabei die Eindämmung der kalten Progression, aber auch eine Eindämmung der überbordenden Bürokratie. So sollen Bagatellsteuern ersatzlos gestrichen, der Vorschriftendschungel gelichtet und ein Paradigmenwechsel in der öffentlichen Verwaltung eingeleitet werden. „Das Prinzip muss künftig lauten: Beraten statt strafen“, fordert Herk. Neben diesen Themen muss auch der Faktor Arbeit weiter entlastet werden: Die Lohnnebenkosten müssen sinken, Arbeitszeiten flexibler sowie Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft werden.


Anzeige Fotos: Bruno Köllinger / Gemeinde Ragnitz

Die neue gebaute Kinderkrippe und die Sanierung des Kindergartens sorgen für ein zeitgemäßes Betreuungsangebot.

Ragnitz – Lebenswerte Drei-Schlösser-Gemeinde

Die südsteirische Gemeinde Ragnitz im Bezirk Leibnitz verzeichnet seit Jahren ein erfreuliches und nachhaltiges Wachstum von Einwohnern und Unternehmen. Der konsequente Ausbau von Infrastruktur, großzügige Zuzugsförderung und Kinderbetreuung machen die Großgemeinde vor allem für Familien attraktiv. m Jahr 1969 aus der Zusammenlegung der drei Gemeinden Badendorf, Haslach und Ragnitz mit den malerischen und geschichtsträchtigen Schlössern Frauheim, Laubegg und Rohr entstanden, profitierte die Gemeinde dank weitsichtiger Politik schon früh von einer Modernisierung des ländlichen Lebens, sodass lange vor anderen Orten in der Region ein lückenloser Ausbau von Wasserleitungen und Abwasserentsorgung abgeschlossen war. Attraktiv für den Zuzug Das Angebot von schönen Baugründen sorgt für rege Nachfrage, sodass allein im vergangenen Jahr 14 neue Einfamilienhäuser errichtet wurden. Die Gemeinde Ragnitz unterstützt die neuen Hausbesitzer bei der Verlegung der Wasserleitung bis zum Zähler bzw. des Kanals bis zum Übernahmeschacht beim Wohnobjekt. Die wirtschaftlichen Aktivitäten des Ortes können sich ebenfalls sehen lassen: insgesamt 34 Firmen schaffen 318 Arbeitsplätze. Als jüngster Zuwachs hat sich das Betonwerk Daniel S. (Semlitsch) mit acht Arbeitskräften angesiedelt, weitere vier sollen folgen. Für

Foto: Marija Kanizaj

I

Sichtlich stolz nahm die Gemeindearbeitergruppe ihr neues Arbeitsgerät in Empfang. die medizinische Versorgung von Mensch und Tier sorgen ein Allgemeinarzt in Gundersdorf sowie eine Tierärztin in Ragnitz. Optimale Kinderbetreuung Mit dem Errichten einer eigenen Kinderkrippe für 14 Kinder hat man seitens der Gemeinde auf die große Nachfrage an Kinderbetreuungsplätzen reagiert, nicht zuletzt da sich die Anzahl der Geburten erfreulich entwickelt, wie der seit dem Jahr 2000 amtierende Bürgermeister Rudolf Rauch erklärt. Am 23. Mai 2017 erfolgte der Spatenstich für den Neubau, der gemeinsam mit der Erweiterung, Renovierung und thermischen Sanierung des

1977 errichteten Kindergartens eine Investition von rund 440.000 Euro erforderte. „Der zweigruppige Kindergarten für insgesamt 50 Kinder und die Halbtags-Kinderkrippe, die im Herbst den Betrieb aufnehmen wird, sind bis auf sehr wenige Plätze ausgebucht. Mit diesem Um- und Zubau wird ein wichtiger Schritt für die Zukunft unserer Gemeinde und den Familien gesetzt“, betont Rauch nicht ohne Stolz. Weitere Investitionen in diesem Jahr betreffen den Ersatz des in die Jahre gekommenen Gemeindebusses durch ein modernes Fahrzeug sowie die Anschaffung eines neuen Traktors für die Schneeräumung und weitere Arbeiten

Bürgermeister Rudolf Rauch auf Gemeindeebene. Ein Projekt, das Bürgermeister Rauch sehr am Herzen liegt, ist für die nähere Zukunft die 1,5 Kilometer lange Verbindung des Stiefingtal-Radweges R50 mit dem Murradweg R2, wofür die Grundablösen und Planungen bereits beschlossen sind, aber die Finanzierung in Höhe von 230.000 Euro noch vom Land Steiermark gesichert werden muss. Gemeinde Ragnitz (Bezirk Leibnitz) Fläche: 21 km² Einwohner: 1.587 (2017) Wegenetz: 40 km Kanal- und Wasserleitung: je 40 km FAZIT AUGUST 2017 /// 53


Wirtschaft

Der „Hacker“ ist näher, als man denkt

Technische Vorkehrungen für den Datenschutz sind unerlässlich, aber es braucht mehr. Die „Bedrohung“ kommt nämlich allzu oft nicht aus fernen Ländern, sondern aus dem Nachbarbüro. Der „Faktor Mensch“ spielt für den Datenschutz eine wesentliche Rolle. Am Runden Tisch im Rahmen der Gesprächsserie WeITblick diskutieren dazu Martin Binder (Steuerberatungskanzlei Binder, Grossek und Partner), Igo Huber (Citycom), Gregor Reautschnig (FH CAMPUS 02) und Andreas Schwarz (SANLAS Holding).

Anzeige Foto: Citycom/Lunghammer

strengen europäischen Datenschutzrichtlinien und österreichisches Recht gelten. Und man ist als Kunde mehr als eine Kundennummer, sondern hat einen persönlichen Ansprechpartner, sodass man auch eine individuelle Lösung kriegen kann.

Expertenrunde (v.l.): Igo Huber (Citycom), Andreas Schwarz (SANLAS Holding), Martin Binder (Steuerberater) und Gregor Reautschnig (CH CAMPUS 02) In Zeiten von Facebook, Kundenkarten und Co. ist es für die Menschen nahezu selbstverständlich, locker mit ihren Daten umzugehen. Inwiefern spiegelt sich dies in den Unternehmen wider? Huber: Das private Verhalten überträgt sich ins Berufliche. Da werden vertrauliche Dokumente via WhatsApp verschickt, da werden Firmeninterna in Facebook behandelt, da wird jede E-Mail geöffnet, … Es braucht deutlich mehr Eigenverantwortung, denn es ist Gott sei Dank ja so, dass in den meisten Fällen Datenverlust im Unternehmen mit einfachen Maßnahmen zu verhindern gewesen wäre. Man darf einfach nicht bedenkenlos auf den Link in einem Mail klicken, das in gebrochenem Deutsch formuliert ist und von 54 /// FAZIT AUGUST 2017

einem unbekannten Absender kommt. In so einem Fall hält sich mein Mitleid in Grenzen. Und auch das Vier-Augen-Prinzip etwa bei Finanztransaktionen ist ein Grundsatz, den man nicht vergessen darf. Datenschutz beginnt im Kopf. Reautschnig: Unsere Studie zur IT-Sicherheit im steirischen Mittelstand bestätigt, dass die Unternehmen ihre technischen Sicherheitsvorkehrungen als gut einschätzen. Zum Datenschutz zählt aber auch Bewusstseinsbildung der Mitarbeiter und da gibt es noch viel Potenzial. Schwarz: Man darf das Ganze aber nicht nur den Mitarbeitern in die Schuhe schieben, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und zu schulen ist Aufgabe des Unternehmens. Wenn man erklärt,

dass wahnsinnig schnell Daten in die falschen Hände gelangen, wenn man nach einer Besprechung Unterlagen herumliegen lässt, kann man viel bewegen.

Und außer Acht lassen darf man technische Vorkehrungen natürlich auch nicht … Binder: Für uns war die externe Rechenzentrumslösung der Citycom dazu ein wesentlicher Schritt. Die Bedrohungsszenarien ändern sich so schnell, da muss man auch technisch immer auf dem neuesten Stand sein, und diesen Aufwand sparen wir uns unternehmensintern nun völlig. Huber: Wir machen regelmäßig Penetrationstests und haben auch den Vorteil, dass die Daten bei uns in Österreich gespeichert sind – sprich die

Wie könnte man das Bewusstsein für Datenschutz bei den Mitarbeitern steigern? Reautschnig: Vielen ist nicht bewusst, wie einfach ein Angriff heute möglich ist. Selbst als Laie kann man mit Tools aus dem Internet ein Smartphone eines anderen überwachen, einem Bekannten von mir ist das passiert. Ich denke, mit solchen konkreten Beispielen kann man schon einiges an Bewusstsein schaffen. Binder: Eine wesentliche Aufgabe unseres IT-Mitarbeiters ist es, die Kollegen zu sensibilisieren. Schwarz: Die neue Datenschutzgrundverordnung bringt es mit sich, dass wir uns unternehmensintern abermals intensiv mit der Thematik beschäftigen. In erster Linie sind das zwar die IT-Verantwortlichen, die ohnehin schon ein höheres Bewusstsein haben. Aber man muss da wirklich auf allen Ebenen ansetzen. Es bringt wenig, wenn die Eingangstüre zwar einbruchssicher ist, die Fenster aber weit offen stehen. Info & Kontakt: Citycom Telekommunikation GmbH Gadollaplatz 1, A-8010 Graz Tel. 0316/887-6225 www.citycom-austria.com www.knoxdata.at


Besser leben dank Smart Production

Anzeige Foto: Fleischhof

Wirtschaft

v.l.n.r.: Sebastian Prödl (Vulkanlandschwein Landwirt), Johann Kaufmann, (Fleischhof Raabtal), Christoph Holzer (GF SPAR-Steiermark), Franz Fartek (Obmann Stv. Steirisches Vulkanland), Maria Pein (LK Vize. Präs), Alois Rauch (Obmann Feldbacher Bienenhonig) und Siegfried Weinkogl (Leiter TANN Graz) setzen sich für den Schutz der Bienen ein.

Biene trifft Vulkanlandschwein Die Einzelhandelskette SPAR schafft 70.000 m² neue Bienenweiden. Dafür wurden an 70 Standorten in der Südoststeiermark Blumenwiesen angesät: Dort, wo die Futterpflanzen für das steirische Vulkanlandschwein gedeihen, entstehen Bienenweiden.

A

usgesät wurde auf den insgesamt sieben Hektar ein einjähriges, gemischtes Saatgut. Die Mischung sorgt dafür, dass den ganzen Sommer lang verschiedene Pflanzenarten in Blüte stehen. So finden die Bienen von Ende Juni bis September ausreichend Nahrung. Den Hintergrund des Projekts erläutert DI(FH) Johann Kaufmann, Markenverantwortlicher des Steirischen Vulkanlandschweins: „Die Äcker, wo die Futterpflanzen für das Steirische Vulkanlandschwein gedeihen, werden dadurch sinnvoll genutzt. Vielen unserer Landwirte ist es ein Anliegen, etwas für den Artenschutz und speziell für die Biene zu tun.“ Bienenhochburg Vulkanland Das Bienen-Projekt ist doppelt sinnvoll: Einerseits werden Rand- und Ackerflächen sinnvoll genutzt, andererseits erhalten die vielen Bienen-

völker in der Genussregion Feldbacher Honig vielfältige Nahrung. In der Region Südoststeiermark arbeiten 260 Imker, die das gesamte Vulkanland gut abdecken. (15 Imker im Verein Feldbacher Bienenhonig, 260 Imker gibt es im Bezirk). Einer von ihnen ist Alois Rauch, der an fünf Standorten mehr als 120 Bienenvölker betreut. Er versichert: „Durch mehr Bienenweiden kommt es zu einer Qualitätssteigerung des Honigs.“ Auch bei SPAR denkt man an eine Ausweitung des Programms. „80 Prozent unserer Lebensmittel sind von der Bienenbestäubung abhängig. Gemeinsam mit den Vulkanlandschweinebauern setzen wir als Handel ein Zeichen für den Bienenschutz“, betont Mag. Christoph Holzer, Geschäftsführer SPAR Steiermark und Südburgenland. „Für 2018 planen wir, noch größere Fläche als Bienenweiden zu nutzen.“ FAZIT AUGUST 2017 /// 55

Johanna liebt ihr Rad und den Sommer, wo die Nächte lang und die Abende lau sind. Die Spezialistin für Lagerlogistik betreut ihre Kunden weltweit und ist unermüdlich als Servicetechnikerin im Einsatz. Früher saß Johanna dafür viele Stunden im Flugzeug – auch an ihren geliebten Sommerabenden. Heute kann sie dank neuer Technologie und Spezialbrille in Graz bleiben und trotzdem in Sekunden zum Störfall in Mexiko oder zur neuen Anlage in China schalten, wo sie jedes Problem mit den Technikern vor Ort behebt. Das spart Zeit, Geld und rettet so manchen Sommerabend. Schlauer arbeiten in der steirischen Industrie.

Einer nachhal g guten Qualität des Lebens verpflichtet.


Kurz & News

Bauernhoferlebnistage 2017 am Alt-Grottenhof

Im Rahmen der 6. Odilien Golf Charity 2017 wurde am 14. Juli 2017 am Grazer Golfclub Thalersee mithilfe der Flightsponsoren und zahlreicher Spender und Spenderinnen ein Reinerlös von 11.000 Euro für das Odilien-Institut erspielt. Ein Ergebnis, das den Direktor und GF des Odilien-Institutes Rudolf Zangl, sehr erfreut. „Der großartige Einsatz von sozial engagierten Firmen und Menschen ermöglicht es uns, Projekte umzusetzen, die über eine reine Regelfinanzierung nicht machbar wären“, meinte Zangl. Er dankte den Mitwirkenden für tolle Ergebnis und erläuterte, dass man nun die ersten baulichen Maßnahmen für die Erneuerung der behindertengerechten Garten und Spielgeräte in Angriff nehmen könne.

Was frisst die Kuh? Wie viele Eier legt die Henne am Tag? Vier Stationen, viel Wissen und Erlebnis rund um das Thema Bauernhof und Lebensmittelherkunft konnten rund 650 Grazer Volksschulkinder im Zuge der Bauernhoferlebnistage am 4. Und 5. Juli in der land- und forstwirtschaftlichen Fachschule Alt-Grottenhof erleben. Fragen wie „Wie kommt die Milch ins Supermarktregal oder wie wird aus dem Getreidekorn ein wohlschmeckendes Weckerl?“ wurden dabei von pädagogisch ausgebildeten Bäuerinnen beantwortet. LK-Vizepräs. Maria Pein: „Die Bauernhoferlebnistage sind ein wertvoller Beitrag, gerade den Kleinsten die Herkunft unserer Lebensmittel direkt am Bauernhof zu zeigen.“

Saubermacher gewinnt erneut Gold

Das Unternehmen Saubermacher erhielt Ende Mai für sein gesamtheitliches CSR-Engagement die Auszeichnung „Trigos Steiermark 2017“ in der Kategorie Großunternehmen. Der Preis wurde im Rahmen einer feierlichen Gala in der Alten Universität an den Umweltpionier verliehen. „Schon seit der Unternehmensgründung wird ökologische und soziale Verantwortung bei Saubermacher groß geschrieben. Auch wenn soziales Engagement wirtschaftlich gesehen nicht immer ganz einfach umzusetzen ist, ist mir die Wahrnehmung unserer Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, der Gesellschaft und der Umwelt eine ganz besondere Herzensangelegenheit“, freut sich Hans Roth über den Preis.

Generali schützt Gewerbekunden bei Cyber-Attacken

Die Generali Versicherung bietet nun auch für KMU eine IT- und Cyber-Assistance. Diese neuartige Assistanceleistung umfasst präventive Unterstützung zur Minimierung des individuellen Cyber-Risikos sowie Hilfe nach einem Cyber-Angriff. Kunden erhalten Unterstützung per Telefon, online über das Generali Kundenportal oder durch die Fernwartung. Chief Insurance Officer Walter Kupec von der Generali Versicherung erläutert: „Neben den klassischen Risiken werden KMU immer häufiger mit neuen Bedrohungsszenarien wie Cyber-Angriffen konfrontiert und benötigen maßgeschneiderte Lösungen.“

Startschuss für „Aktion 20.000“ in der Weststeiermark

Rund 2.500 neue Jobs für ältere Langzeitarbeitslose werden in der ganzen Steiermark durch die „Aktion 20.000“ der Bundesregierung bereitgestellt, 220 davon allein in den Bezirken Voitsberg und Deutschlandsberg. BM Jörg Leichtfried und LR Doris Kampus waren beim Startschuss in der Modellregion Weststeiermark vor Ort. Bei Beschäftigungen für die Langzeitarbeitslosen gibt es praktisch keine Einschränkungen, ein Bereich ist zum Beispiel die Betreuung älterer Menschen. „Als Soziallandesrätin freut es mich besonders, dass hier zusätzliche Angebote entstehen, zum Beispiel bei der Versorgung und Unterstützung im Alltag bis hin zu Begleitungen zu Veranstaltungen oder bei Arztbesuchen“, unterstrich Kampus.

Mehr Lebensmittelqualität durch „Stertz“

WhatsApp-Soforthilfe bei Ärger im Sommerjob

Probleme im Pflichtpraktikum oder im Sommerjob? Von Juli bis Oktober bietet die AK Steiermark Soforthilfe über WhatsApp an. Sieben Tage, 24 Stunden sind Experten aus der Bildungs- und Jugendabteilung zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wird. „Wir haben über den Sommer rund 100 Anfragen von Jugendlichen“, schildert AK-Jugendexpertin Petra Trabi: „Es geht immer ums Entgelt: Es wird zu wenig bezahlt, der Praktikant ist falsch eingestuft oder Überstunden werden nicht ausbezahlt.“ Um den Jugendlichen noch besser zur Seite stehen zu können, gibt es heuer zum ersten Mal die Soforthilfe über den Instant-Messaging-Dienst WhatsApp. Unter 0664/366 22 12 stehen die AK-Experten rund um die Uhr zur Verfügung.

Agrarlandesrat Hans Seitinger, Gesundheitslandesrat Christopher Drexler und Wirtschaftslandesrätin Barabara Eibinger-Miedl initiierten das Steirische Ernährungs- und Technologiezentrum (Stertz) als Kompetenzzentrum für innovative, nachhaltige Lebensmittel. Dabei sollen nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Ernährung gefördert und kommuniziert werden. Es gilt auch, den hohen Stellenwert regionaler Nahrungsmittel zu untermauern. Stertz versteht sich in diesem Bereich als Stütze für Wissenschaft und Forschung. Präsentiert wurde Stertz von den Landesräten Seitinger und Drexler sowie von der Ernährungsexpertin und Landtagsabgeordneten Sandra Holasek. 56 /// FAZIT AUGUST 2017

Fotos: WKO Burgenland, Manfred Lach, LK / Foto Fischer, Geopho − Jorj Konstantinov, Land Steiermark, WKO / Wiesner, STVP/Foto Fischer, Fazit

Odilien-Golf-Charity am Thalersee


Anzeige Foto: Manninger

Wirtschaft

Steiermark: Niedrigere Vorzugstimmenhürde bei VP Die Steirische Volkspartei hat ein eigenes Vorzugstimmenmodell beschlossen, bei dem die Hürden für eine Vorreihung einfacher zu bewältigen sind als beim Modell der Bundes-ÖVP. Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer und Landes-GF Detlev Eisel-Eiselsberg wollen damit dem Wählerwunsch besonderes Gewicht verleihen. Ein weiteres Ziel bei der Listenerstellung ist es, den Frauenanteil zu erhöhen. Schützenhöfer und Eisel-Eiselsberg sehen im Reißverschlusssystem auf Bundes-, Landes- und Regionallisten eine richtungsweisende Chance für mehr Frauen in der Politik. Die Regionalwahlkreislisten werden von den Bezirksparteiobleuten erstellt, vom Landesparteivorstand bestätigt, der auch die Landesliste beschließt. In den Regionalwahlkreislisten sind zur Vorreihung sechs Prozent der auf die ÖVP im Regionalwahlkreis entfallenen Stimmen notwendig. Um auf der Landesliste vorgereiht zu werden, sind vier Prozent der auf die ÖVP in der Steiermark entfallenen Stimmen erforderlich.

„Beim EPU Erfolgstag stehen motivierende Vorträge und praktische Workshops zum Nulltarif auf dem Programm“, wirbt Dominic Neumann für die Veranstaltung.

Steirischer EPU Erfolgstag 2017 Ein-Personen-Unternehmen (EPU) sind oft auf sich alleine gestellt – obwohl sie die größte Gruppe von UnternehmerInnen im Land bilden. Daher veranstaltet das EPU-Referat der WKO Steiermark gemeinsam mit den Partnern Wirtschaftsressort des Landes Steiermark und der Stadt Graz am 9. September 2017 wiederum den EPU Erfolgstag.

W

Green Panther 2017 neu mit Kreativexpo Bei der größten Party der steirischen Werbewirtschaft wurden die begehrten Trophäen in 13 Kategorien vergeben. Neu in diesem Jahr: Eine Kreativexpo mit spannenden Keynotes vor der Gala am 29. Juni 2017. Zu den Abräumern des Abends zählten moodley brand identity, Rubikon, Lupi Spuma, En Garde und Fredmansky. Als Newcomer hatten die beiden Agenturen M. Kraxner – Bild und Buchstabe und Hungry Grund zum Feiern. „Durch die Kreativexpo haben wir dem Green Panther in diesem Jahr weiteren Mehrwert gegeben. Die Veranstaltung ist das perfekte Parkett zum Netzwerken und die Preise sind ein Zeichen der Wertschätzung für Kreativleistungen“, sagt Edgar Schnedl, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation.

ie schon in den vergangenen Jahren steht der EPU Erfolgstag ganz im Zeichen der steirischen EPU und liefert im Kompaktformat wesentliche und fruchtbare Inputs für die Unternehmerkarriere. „Spannende Vorträge, mitreißende Redner, praktische Workshops und wertvolle Beratung stehen auf dem Programm“, erklärt Dominic Neumann, Vorsitzender des EPU-Beirates. Als Referenten fix dabei sind heuer u. a. Starwinzer Leo Hillinger, Kommunikationsexpertin Silvia Pitz, Verkaufsprofi Daniel Enz, Business-Trainerin und Moderatorin Silvia AghaSchantl, Stimmcoach Brigitte Ulbrich sowie Trainer für Selbstmotivation Michael Altenhofer. Daneben haben sich noch zahlreiche weitere Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Medien und Wissenschaften als Vortragende verpflichtet.

„In der Steiermark gibt es über 44.000 Ein-Personen-Unternehmen und diese verdienen unsere Unterstützung“, betont Bernd Liebminger, EPU-Beauftragter der WKO Steiermark, und ergänzt: „Mit unserem Erfolgstag bieten wir den Teilnehmern Vorträge, Workshops und persönliche Beratung zum Nulltarif. Ein Angebot, das in den vergangenen Jahren begeistert angenommen wurde.“

Infos:

Am 9. September 2017 ab 9:30 Uhr startet erneut der EPU Erfolgstag. Die Veranstaltung findet in der WKO Steiermark statt. Fachvorträge, Workshops, Beratungen und vieles mehr speziell für EPU. Die Teilnahme ist für alle steirischen EPU kostenlos. Anmeldung und Infos ab Ende Juli auf www. erfolgstag.at.

FAZIT AUGUST 2017 /// 57


Reportage

Sportförderung der Spitzenklasse Die International Football Camp Styria GmbH sorgt für Spitzenfußball vor der Haustür. Eine Studie stellte nun fest: Die Unternehmung ist längst auch zum Wirtschaftsfaktor für die Steiermark geworden. Text: Peter Wagner Fotos: Carlo Baroncini

58 /// FAZIT AUGUST 2017


Reportage

A

lles begann in Kapfenberg. Im Sommer 1996 absolvierte der italienische Fußballklub AS Roma dort ein Trainingslager als Vorbereitung auf die neue Saison. Es war der Beginn der Erfolgsgeschichte der International Football Camp Styria GmbH – kurz IFCS. Bis zu 40 Camps werden auch in der Saison 2017 wieder an über 20 Standorten zwischen Bad Radkersburg und Schladming von IFCS veranstaltet. Das Land Steiermark unterstützt die Unternehmung mit einer Förderung. Eine Förderung, die ankommt. Wie eine im Mai veröffentlichte Studie von Economixs feststellte.

Jeder Euro Förderung bewegt 41 Euro

»Jeder Euro Förderung für das Unternehmen IFCS bewegt 41 Euro«, sagt Studienautor Florian Schwillinsky. Daraus resultiert eine jährliche Wertschöpfung von 4,35 Millionen Euro in der Steiermark. »In Branchen wie dem steirischen Tourismus, Freizeitwirtschaft, Handel und Transport werden dank IFCS jährlich über 60 Vollzeitjobs gesichert. Außerdem sorgt das Unternehmen im Jahr für bis zu 13.500 zusätzliche Nächtigungen.« »Die jährlich stattfindenden Trainingslager in der Steiermark sind für uns als Tourismusstandort von unschätzbarem Wert“, sagt auch Tourismuslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl. »Die Fußballteams werden von Journalisten und Fans begleitet. Das sorgt einerseits für zusätzliche Nächtigungen und prominente Botschafter, andererseits wird über die Medienberichte das vielfältige Angebot des Urlaubslandes Steiermark auf wichtigen Märkten präsentiert.«

Highlight 2017: 1. FC Köln mit Peter Stöger

Als Highlight der heurigen Saison kamen unter anderen der deutsche Bundesligaklub 1. FC Köln – samt dem österreichischen Trainer Peter Stöger – sowie der englische Premiere-League-Klub West Ham United in die Steiermark. Dass sich derlei Spitzenteams, deren Mannschaften hunderte Millionen Euro wert sind, überhaupt noch für Regionen wie die Steiermark entscheiden, wo die Aufenthalte selbst bezahlt werden müssen, ist alles andere als selbstverständlich. Üblicherweise werden solche Teams nach Asien, Südamerika oder in die USA auf eine Marketingtournee eingeladen. »Wir bieten Unterbringung in gehobener Hotellerie und erstklassigen Trainingsstätten, aber auch Teambuildingaktivitäten und Top-Gegner für Testspiele«, bringt Kian Walizadeh, Geschäftsführer von IFCS, die Vorzüge seines Unternehmens auf den Punkt. Er durfte in den vergangenen Jahren auch Real Madrid, den FC Arsenal aus London oder Paris Saint-Germain in der Steiermark begrüßen. Peter Stöger, der mit Köln im Juli in Bad Radkersburg Quartier bezog, war von den Bedingungen jedenfalls wie viele Trainer vor ihm angetan. »Bad Radkersburg war eine sehr gute Wahl.« Es dürfte nicht der letzte Aufenthalt der Kölner in der Steiermark gewesen sein. Und vielleicht werden sie ja auch Stammgast. Wie der AS Roma. Insgesamt zehn Mal schlugen die Premierengäste von 1996 bereits ihre Zelte im grünen Herzen Österreichs auf.

FAZIT AUGUST 2017 /// 59


Kurz & News

Landesrechnungshof feiert sein 35-jähriges Bestehen

Große Investitionen im UKH Kalwang

Aus Anlass des 35-jährigen Bestehens des Landesrechnungshofes wurde am 29. Juni eine Festveranstaltung im Landtag Steiermark abgehalten. Die Landtags-Präsidentin Bettina Vollath lud gemeinsam mit Landesrechnungshofdirektor Heinz Drobesch in das steirische Landesparlament ein, um dieses freudige Jubiläum in würdigem Rahmen zu begehen. Durch die Veranstaltung begleitete Moderatorin Bettina Zajac (ORF), die − nach einleitenden Grußworten von LH Hermann Schützenhöfer und LH-Stv. Michael Schickhofer − Landesrechnungshofdirektor Heinz Drobesch und Mario Kunasek zu einem gemeinsamen Gespräch ans Rednerpult holte. Anschließend hielt die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle eine Festrede.

Große Investitionen hat in den vergangenen zehn Monaten die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA, der Träger des UKH Kalwang, in das obersteirische Spital getätigt. 1,8 Mio. Euro wurden in den Umbau der Ambulanz des Unfallkrankenhauses investiert, u. a. in zwei neue Ambulanzen im Doppelkojensystem, um die Abläufe optimieren und verkürzen zu können. „In den aktuellen Ambulanzräumlichkeiten waren wir sehr beengt. Die Neugestaltung bringt eine wesentliche Verbesserung für unsere Patienten, aber auch für unsere Mitarbeiter“, so die Mitglieder der Kollegialen Führung des Hauses, ärztlicher Leiter Harald Etschmaier, Verwaltungsleiter Helmut Kreiner und Pflegedienstleiter Michael Pichler.

Jetzt ist es amtlich und mit Unterschrift besiegelt: Im Jahr 2020 geht in Graz erstmals eine Berufs-EM in Österreich über die Bühne. Bei dem Megaevent mit 500 Teilnehmern aus 28 Mitgliedsländern werden rund 100.000 Besucher erwartet. Um auch schon im Vorfeld die Werbetrommel zu rühren, wurden Ende Juni Goldmedaillengewinner aus den Bundesländern zu Botschaftern der kommenden Heim-EM ernannt, die für Stimmung und rege Teilnahme an den Bewerben sorgen sollen, die auch für die Qualifikation entscheidend sind, u. a. die Steirer Manfred Zink (Gold Möbeltischler, WorldSkills 2015), Birgit Haberschrick (Gold Floristen, EuroSkills 2014) und Lisa Janisch (Gold Malerin, Best of Europe, EuroSkills 2016).

Initiative gegen überzogene Verwaltungsstrafen

Start der Euro-Info-Tour in der Steiermark Auch in diesem Jahr machte die Euro-Info-Tour der OeNB an mehreren Standorten in der Steiermark Halt. Der Auftakt in diesem Jahr fand wie schon in den Jahren zuvor in der steirischen Landeshauptstadt statt. Die Grazer schätzten trotz hochsommerlicher Temperaturen das Informationsangebot zu Themen wie Bargeldsicherheit oder Zahlungsverkehr. Viele nahmen den kostenlosen Schilling-Euro-Tausch in Anspruch. Auch die verbesserten Sicherheitsmerkmale der Euro-Banknoten stießen nicht zuletzt bei den Handelsangestellten in der Grazer Innenstadt auf großes Interesse. Sogar Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, besuchte persönlich den Euro-Bus am Tummelplatz in Graz.

Die Industrie hat genug: Einerseits werden Gesetze und Verordnungen immer mehr und immer komplexer, sodass es immer schwieriger wird, keine Verstöße zu begehen; andererseits werden die Folgen von Regelübertretungen immer gravierender und können für Betriebe existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Dazu Angelika Kresch, Obmann der Sparte Industrie der WKO Steiermark: „Wir halten die derzeitige Praxis überbordender Strafen für weit überzogen. Wir schlagen daher die Einführung von Ermahnungen, bedingten Strafen und eines Strafrahmens anstelle der kumulativen Bestrafung vor.“ Kresch wird mit Spartenkollegen in den kommenden Wochen Gespräche führen, um die Erleichterungen umzusetzen. 60 /// FAZIT AUGUST 2017

Fotos: Reisinger, Marija Kanizaj, AUVA / Lippitsch, OeNB, KK, Sinwin, WKO Stmk

Botschafter für Berufs-EM 2020 ernannt


Kurz & News

Alternativer Wohnen

Berufschancen nach der Matura Viele Eltern stellen sich jetzt die Frage: Wo hat mein Kind nach der Matura die besten Chancen? Antworten darauf lieferte am 27. Juni eine Informationsveranstaltung bei der Andritz AG. Das Technical-Experts-Projektteam – eine Initiative der WKO Steiermark – lud Eltern und alle anderen Interessierten ein. Eine fundierte Ausbildung, wie es auch jene zum Technical Expert ist, wird immer wichtiger. Angeboten wird die Ausbildung in rund 35 steirischen Hightech-Unternehmen. Projektinitiator Hans Höllwart: „Es gibt viele gute Gründe für eine technische Ausbildung nach der Matura, einer davon: Die Wirtschaft braucht diese jungen, engagierten und geschickten Menschen.“ Infos: www.technicalexperts.at

Sich etwas aufbauen, den eigenen Kindern ein gutes Aufwachsen ermöglichen, dabei auch zufrieden sein und ein ökologisches und soziales Leben zu führen. Wer träumt nicht davon? Barbara Nothegger versucht es seit 2013 im Wohnprojekt Wien und beschreibt das in ihrem im Frühjahr dieses Jahres erschienenen Buch. Sehr persönlich schildert sie die Entscheidung, die im Rahmen einer Schwangerschaft gefallen ist, den Prozess der Suche auf konventionellem Weg und schließlich die Planung, das Einziehen und die Organisation des Zusammenlebens. Auch die Konflikte und ihre Lösungswege kommen nicht zu kurz. Man bekommt den Eindruck: Die Teilnahme an so einem Wohnprojekt erweitert den Horizont und hat auch seine persönlichkeitsbildenden Anteile. Geholfen haben ihr bei der Auswahl der für sie richtigen Lösung und beim Schreiben ihre Tätigkeit und ihre Kontakte als Immobilienjournalistin. Viele dieser Kontakte sind auch interessante Quellen mit Expertenstatements. „Sieben Stock Dorf – Wohnexperimente für eine bessere Zukunft“ von Barbara Nothegger, Residenz-Verlag, März 2017

Sinwin-Businessbreakfast zu Employer Branding

Im Rahmen des Netzwerks Sinwin lud GF Claudia Schenner-Klivinyi in Kooperation mit Tagesmütter, Promedico und dem Ingenieurbüro Pilz am 11. Mai zum Businessbreakfast. Dabei stellte Schenner-Klivinyi, Betriebliche Gesundheitsberaterin und Auditorin des Audits Beruf und Familie, zwei Modelle zur Lösung der Herausforderungen der neuen Arbeitswelten und zur Stärkung des Employer Brandings vor. Mit betrieblichen Gesundheitsund Vereinbarkeitsmaßnahmen halten Arbeitgeber bestehende Mitarbeiter langfristig gesund und motiviert. Impulsvorträge zu BGF-Projekten sowie zu Vereinbarkeit Beruf und Familie wie als auch Erfahrungsberichte von Sinwin-Kunden boten den Teilnehmern die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch.

Historischer Steirertriumph bei Lehrlingswettbewerb

Der 58. Bundeslehrlingswettbewerb der Tischler in Wien am 24. Juni stand wieder ganz im Zeichen ausgezeichneter Leistungen der steirischen Tischlerlehrlinge. Die Steirer waren in Wien nicht zu schlagen. Das Team um Wolfgang Ramminger, Andreas Kaindlbauer, Thomas Reisinger, Alexandra Maier und Michael Kindler gewann überragend die Länderwertung und holte sich somit den Bundessieg. „Ein sensationeller Erfolg für die Lehrlinge und für die steirische Lehrlingsausbildung“, freute sich der stolze Landesinnungsmeister-Stv. Landeslehrlingswart KommR Anton Ulrich.

5. MAI-17. SEPT. 2017 Di.-So., 10-17 Uhr

Die Kunsthalle Leoben präsentiert von 05.05. bis 17.09.2017 im Rahmen der Ausstellung „HOFFNUNGS(T)RAUM PHANTASTISCH“ ausgewählte „phantastische“ Kunst aus nationalen und internationalen Museen und Sammlungen, die in dieser Fülle und Komplexität noch nie zu sehen waren.

www.kunsthalle-leoben.at

für kleine Druckwerke

FAZIT AUGUST 2017 /// 61


Kurz & News

In der Steiermark gibt es seit 2006 ein Gesetz, um Gentechnik maximal einzuschränken. Damit gelang es, ein Ausbringen von Gentechnisch Veränderten Organismen (GVO) – wie beispielsweise Pflanzen – weitläufig zu unterbinden. Nach langen Verhandlungen wurde ein weiterer wichtiger Meilenstein gesetzt: Im Landtagsausschuss wurde eine Änderung des Gentechnikvorsorgegesetzes beschlossen, die es dem Land Steiermark ermöglicht, gentechnisch veränderte Organismen zu verbieten. Agrarlandesrat Hans Seitinger erklärt dazu: „In der Gentechnikfrage konnte nun endlich ein klares Nein zu gentechnisch veränderten Organismen erzielt werden. Das kommt vor allem den steirischen Konsumenten zugute.“

StyrianSkills − Die besten steirischen Lehrlinge Die StyrianSkills holen Jahr für Jahr die besten Lehrlinge vor den Vorhang. Die Besten der Besten unter den steirischen Nachwuchsfachkräften standen im Mittelpunkt der großen StyrianSkills-Abschlussgala im Europasaal der WKO am 26. Juni. Die 46 strahlenden Siegerinnen und Sieger aus 39 Berufen nahmen die begehrten gläsernen StyrianSkills-Awards entgegen. „Ohne Spitzenfachkräfte wäre die Steiermark nicht da, wo wir heute sind“, freute sich Vize-Präs. Andreas Herz.

Stein Reinisch: Der nächste Coup

Saubermacher inspizierte Mount Everest Österreichs erfolgreichster Höhenbergsteiger Hans Wenzl bestieg am 27. Mai 2017 ohne zusätzlichen Sauerstoff und ohne Hilfe von Hochträgern den höchsten Berg der Welt. Bei seiner Expedition führte er im Auftrag vom Saubermacher eine Umweltinspektion über das Abfallaufkommen am Mount Everest durch. Hatte die einheimische Bevölkerung in Nepal bei der Erstexpedition mit Wolfgang Fasching 2001 noch mit Unverständnis auf die Müllsammlung reagiert, so ist jetzt schon ein kleines Umdenken bemerkbar. „Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Verpflichtung, einen Beitrag bei der Gestaltung der Abfall- und Kreislaufwirtschaft zu leisten, auch außerhalb unseres Kerngebietes“, erläuterte Saubermacher-Chef Hans Roth.

Hoch hinaus – Flugtag für Kinder mit Behinderung Am 25. Juni ging der 4. Lyoness Child & Family Foundation Kinderflugtag unter dem Motto „Hoch hinaus“ in Alberndorf in der Riedmark über die Bühne. Veranstaltet vom Verein Lyoness Child & Family Foundation, bot das Event körperlich und geistig beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen auf Einladung des Diakoniewerks die Gelegenheit, einen Helikopterrundflug über die wunderschöne Landschaft Oberösterreichs zu erleben.

Nach der Verleihung des Designpreises lässt das Steinmetzunternehmen Reinisch mit der nächsten Sensation aufhorchen. Ab Mai produziert man Küchenarbeitsplatten aus Natur- und Kunststein für MHK, einen der größten Küchenanbieter Österreichs. MHK-GF Ernst Tanzler: „Mit unserem neuen Lieferanten Stein Reinisch, der in diesem Bereich ein anerkannter Profi ist, entsprechen wir dem Wunsch unserer Küchenstudios nach hochpräziser Fertigung und rascher Auslieferung.“ Stein-Reinisch-GF Siegfried Wurzinger: „Unsere technische Ausstattung erlaubt uns inzwischen, das kleine Ein-Mann-Küchenstudio in der gleichen Qualität und einzigartigen Geschwindigkeit zu beliefern wie den Küchenstudio-Giganten MHK.“ 62 /// FAZIT AUGUST 2017

Fotos: Lebensressort, Saubermacher, Foto Fischer, Johann Hammer

Keine Chance für die Gentechnik


Foto: Schiffer

Kurz im Gespräch mit

Foto: AK Steiermark / Jauschowetz

Christian Scherer, Geschäftsführer der Österreichischen Krebshilfe Steiermark

AK-Präsident Josef Pesserl, VHS-Geschäftsführer Martin Bauer (li.) und AKDirektor Wolfgang Bartosch (re.) mit einem 3-D-Modell des VHS-Neubaus.

Arbeiterkammer baut die Volkshochschule Graz neu Bildung ist eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung von Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft. Die VHS Steiermark trägt einen wesentlichen Teil dazu bei: Mit 4.600 angebotenen Kursen und 65.000 Hörerinnen und Hörern ist sie steiermarkweit die größte Bildungsanbieterin. In Graz wird sie nun völlig neu gebaut.

M

it Anfang 2017 wurde die VHS Graz mit der VHS Graz Umgebung verschmolzen und weist nun eine Höreranzahl von rund 25.000 und etwa 1.600 Kurse auf. Mit dem Neubau der VHS Graz in der Köflachergasse 7 (schließt die Lücke im PVA-Komplex zwischen dem Hotel A&O und dem Studentenwohnheim) wird im Herbst 2017 begonnen. Das Gebäude beherbergt auf 6.000 Quadratmetern unter anderem einen 430 m² großen Turnsaal inklusive Tribüne, zehn Bewegungsräume, zehn Multifunktionsräume, eine Cafeteria, eine „VHS-Kinderwelt“, ein Tonstudio, vier Musikproberäume oder eine Multi-Media-Bibliothek sowie eine Schul- und Schauküche. Die sechs Oberund zwei Untergeschoße sind allesamt barrierefrei. Fertiggestellt werden soll

der Neubau im Herbst/Winter 2018. „Im Vollausbau können bis zu 2.000 Veranstaltungen pro Jahr am neuen Standort angeboten und von bis zu 30.000 Hörerinnen und Hörern besucht werden“, freut sich VHS-Geschäftsführer Martin Bauer. „Die Kosten für die Errichtung belaufen sich auf rund 15 Millionen Euro“, so AK-Direktor Wolfgang Bartosch: „Ein Generalunternehmer wird mit der Errichtung beauftragt.“ AK-Präsident Josef Pesserl: „Die VHS wird ihre Rolle als aktive und kooperative Bildungspartnerin für alle Generationen und alle Zielgruppen festigen und ausbauen, indem sie besonders am neuen Standort attraktive, qualitativ hochwertige Bildungsangebote für die Menschen zur Verfügung stellt.“

Die Wahrscheinlichkeit, als Österreicher an Krebs zu sterben, ist in den letzten 50 Jahren von einem Fünftel auf ein Viertel gestiegen. Warum ist der Krebs so unbesiegbar? Unsere Lebenserwartung hat sich in diesem Zeitraum deutlich erhöht. Und Krebs ist nach wie vor überwiegend eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters, wenn auch die Ausnahmen kontinuierlich zunehmen. Personen, die früher etwa an Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc. verstarben, können heute besser versorgt werden und kommen daher überhaupt erst ins „krebsgefährliche“ Alter.

Welche lebensstilabhängigen Krebsarten sind auf dem Vormarsch? Brust-, Prostata-, Darm-, Lungen- oder Hautkrebs gehören nicht nur zu den häufigsten Tumoren, sie sind oft – aber nicht immer – Ausdruck eines aus der Balance geratenen Lebensstils, der Ernährung, Bewegung oder Alkohol- und Tabakmissbrauch zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Krebs kann aber auch einfach „biologisches Pech“ sein. Sommerzeit ist Hautkrebszeit. Wie gefährdet ist man beim Sonnenbaden im Freibad oder am Strand und wie schützt man sich am besten? Weißer Hautkrebs steht praktisch ausschließlich mit einer lebenslangen, zu starken UV-Belastung der Haut in Verbindung. Wir verzeichnen österreichweit mittlerweile mehrere Zehntausend Fälle. Beim selteneren, aber viel gefährlicheren „Schwarzen Hautkrebs“ (Melanom) ist dieser enge Zusammenhang nicht ganz so klar. Grundsätzlich: Babys raus aus der prallen Sonne! Das Zeitfenster 11 bis 15 Uhr bitte generell möglichst im Schatten verbringen. FAZIT AUGUST 2017 /// 63


Foto: Archiv

Wirtschaft

Mit dem Mountainbike entlang der ehemaligen innerdeutschen Granze

S

eit 2009 gibt es ein Rennen quer durch Deutschland, entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze BRD/ DDR: die Grenzsteintrophy. Heuer startete dieses Mountainbike-Event am 17. Juni an der bayrisch-tschechischen Grenze mit Ziel Ostsee. Mit dabei der Steirer Helmut Wagner. „Seit ich im letzten Jahr beim Transcontinental Race am Start war, bin ich vom Langstreckenvirus infiziert“, so Wagner. Gefahren wurde die Grenzsteintrophy als

64 /// FAZIT AUGUST 2017

Selbstversorger, das heißt, die Fahrer haben keine Betreuermannschaft unterwegs, sondern müssen für alles selbst sorgen – angefangen bei Pannenbehebung, Routing, Essen besorgen bis zum Quartier und was sonst noch alles anfällt. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Uhr nie still steht und somit jeder Fahrer selbst beschließt, wie viele Stunden er pro Tag auf dem Rad sitzt. Die Schwierigkeiten bei diesem Rennen lagen vor allem bei der Route. Auf einer

Länge von 1.267 Kilometern mit knapp 20.000 Höhenmetern galt es etwa, 500 Kilometer historische Plattenwege, also ehemalige Versorgungwege des Militärs, zu bewältigen. „Ich habe die Plattenwege davor nicht gekannt und habe sie ein wenig unterschätzt. Das ist, als würde man auf Wellblech fahren. Ein schreckliches Gerumpel mit vielen kurzen, aber dafür teilweise 30-prozentigen Steigungen. Da Teile dieser Wege kaum bis gar nicht mehr genutzt werden, sind sie

mitunter mit hüfthohem Gras oder schlimmer mit teilweise meterhohen Brennnesseln verwachsen gewesen“, erzählt Wagner weiter. Der Lohn des Ganzen? „Eine wirklich spannende Fahrt durch die Natur, viele nette Begegnungen. Alles in allem ein großartiges Abenteuer und eine körperliche und psychische Herausforderung“, so Wagner abschließend, der das Ziel Priwall an der Ostsee mit dem 7. Rang nach 8 Tagen, 4 Stunden und 10 Minuten erreichte.


Autotest

Der neue Peugeot 5008 Ä

Airbags, Tempomat, Audioanlage und elektrisch einstellund beheizbare Außenspiegel zum Serienstandard. Der Einstiegspreis für den neuen SUV liegt bei 26.901,– Euro.

Foto: Peugeot

ußerlich ist der neue 5008 typisch SUV und zeichnet sich durch seine lange, waagerechte Motorhaube, aufrechte Frontpartie und eine hohe Gürtellinie aus. Über die gesamte Karosse sind immer wieder edle Akzente gesetzt, wie die Chromflügel am Bug, die LED-Leuchten am Heck und die schwarz-schimmernde Blende unter der Rückscheibe. Innen glänzt der Franzose vor allem durch sein enormes Platzangebot. Durch den Radstand von 2,84 Metern wird der Peugeot 5008 zum geräumigsten SUV in seinem Segment. Das zeigt sich insbesondere im Kofferraum mit Handsfree-Heckklappe, der mit einem Fassungsvermögen von 1.060 Litern zum größten seiner Klasse gehört. Wer noch mehr Platz braucht, kann die zweite und dritte Sitzreihe

versenken und den vorderen Beifahrersitz zusammenklappen, wodurch sich bis zu 3,20 Meter lange Gegenstände mühelos transportieren lassen. Das Interieur wartet mit angenehm anzufassenden und gut verarbeiteten Materialien auf. Serienmäßig ist in allen Versionen das i-Cockpit mit frei kon-

figurierbarem 12,3-Zoll-Bildschirm vor dem kleinen und oben wie unten abgeflachten Lenkrad eingebaut. Schon in der Ausstattungslinie „Access“ gehören etwa Klimaanlage, Verkehrsschild-Erkennung, vier elektrische Fensterheber, Frontkollisions-Warner, aktive Sicherheitsbremse, sechs

Peugeot 5008 2.0 GT BlueHDi

Hubraum: 1.997 cm3 Leistung: 133 kW / 180 PS Drehm.: 400 Nm b. 3.750 U/min Verbrauch komb.: 4,8 l/100km CO2-Emission: 124 g/km Höchstgeschw.: 211 km/h Beschl.: (0-100 km/h): 9,1 s Abgasnorm: Euro 6

www.peugeot.at

ab

209,– MONATLICH 1)

3 MONATE LEASING1) GESCHENKT 12 MONATE VOLLKASKO 2) GESCHENKT CO2-Emission: 105 –140 g / km, Gesamtverbrauch: 4,0 – 6,1 l /100 km. Symbolfoto. 1) Leasingangebot gültig für Privatkunden bei teilnehmenden Händlern vom 01. 07. bis 31. 08. 2017 gemäß § 1 KSchG für den 5008 Access 1.2 PureTech 130 S&S 6-Gang ECO, € 7.732,– Eigenl., Lfz. 48 Mon., Sollzinssatz 3,49 %, Gesamtleasingbetrag € 18.168,–, effektiver Jahreszins 3,97 %, Fahrleistung 15.000 km/Jahr, Restwert € 9.990,–, Bearbeitungsgeb. € 160,–, Rechtsgeschäftsgeb. € 154,–, Gesamtbetrag € 28.069,–. 3 Monatsraten geschenkt: Nach Zahlung der ersten Rate werden drei Leasingraten inkl. eventuell abgeschlossener Zusatzservices (ZAV Basis Schutz, ZAV Komfort, Top-Cover) maximal jedoch € 270,– brutto/Mon.) auf dem Kundenkonto gutgeschrieben. Der Einzug der Leasingraten wird bis zum Verbrauch dieser Gutschrift gestoppt. 2) Vollkaskoversicherung für 12 Monate gratis nur in Verbindung mit einem Peugeot Autoversicherung Vorteilset (KH, VK und IU, B/M= S5, SBH € 300,– bei Reparatur beim PEUGEOT Partner, inkl. motorbezogener Versicherungssteuer) mit einer Laufzeit ab 36 Monaten. Keine Barablöse möglich. Alle Beträge verstehen sich inkl. USt. Aktion gültig bis auf Widerruf. Angebot der PSA BANK Österreich, Niederlassung der PSA BANK Deutschland GmbH.

DER NEUE PEUGEOT 5008 SUV

Autohaus Edelsbrunner Peugeot Graz-Nord

Grabenstraße 221, 226 Tel. 0316 / 67 31 07-0 office@edelsbrunner.at www.edelsbrunner.at FAZIT AUGUST 2017 /// 65


Bauen & Wohnen

Foto: Lebensressort

Eggersdorf! Obj.Nr. 18403 attraktive und großzügig aufgeteilte 3-Zimmer-Wohnung mit Loggia, sehr gefällige Wohnanlage unweit des Ortskerns, Einzelgarage, WFL ca. 86m², HWB 71 kWh, KP EUR 139.500,00 Thomas Kormann, 0316/8036-2597, www.raiffeisen-immobilien.at

(v.l.n.r.) Leistbarer Wohnraum für Jungfamilien: LR Hans Seitinger, Bgm. Peter Koch und Vizebgm. Susanne Kaltenegger

Leistbare Startwohnungen für die Jugend

Auf Initiative von Wohnbaulandesrat Hans Seitinger fördert das Land Steiermark die Schaffung von 250 günstigen Jugendstartwohnungen mit 24 Mio. Euro. Im Sinne einer optimalen Nutzbarkeit und Leistbarkeit werden sich Architekten und Planer bei einem österreichweiten, zweistufigen Wettbewerb für Wohnungen mit dem Thema „Smart-Start-Kompakt“ auseinandersetzen.

D

er Ort, an dem das Leuchtturmprojekt realisiert wird, ist Bruck an der Mur. Vorrangig werden die Wohnungen nach Kriterien wie Erreichbarkeit des Stadtzentrums sowie Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel geplant. Zudem soll der geschaffene Wohnraum mit Breitband-Internet ausgestattet sein. „Wohnen muss leistbar sein und höchste Lebensqualität bieten – vor allem für junge Menschen, die sich heute eine multifunktionale Wohnumgebung vorstellen“, betont Seitinger. Auch Peter Koch, Bgm. der Stadt Bruck an der Mur, betont die Bedeutung des Startpro-

66 /// FAZIT AUGUST 2017

jekts und erklärt: „Das Projekt Jugendstartwohnungen kann ein toller Impuls für die Weiterentwicklung in unserem Bahnhofsviertel sein. Wir wollen Bruck an der Mur als das lebenswerte Herz der Region positionieren und noch mehr als Stadt der Familien und Kinder etablieren.“ Vzbgm. Susanne Kaltenegger ergänzt: „Bruck ist eine Stadt mit einer sehr hohen Lebensqualität. Bei den Entwicklungszielen unserer Stadtvision 2030 haben wir auch für Familien die Schaffung von Wohnraum mit niedrigen Wohnkosten festgelegt. Wohnen mit einer hohen Lebens-

qualität sollte die Möglichkeit bieten, seinen Arbeitsplatz in der Nähe zu haben. Der Architektenwettbewerb legt die Weichen für eine ausgewogene Kombination von Wohnen und Arbeiten.“ Die Wohnungen sind für Personen unter 35 Jahren zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. Jungfamilien vorbehalten, mit Küchen ausgestattet und dürfen eine maximale Wohnfläche von 60 Quadratmetern nicht überschreiten. Die Miete pro Quadratmeter beträgt 4,63 Euro, die Förderungswerber sind gemeinnützige Bauträger und Gemeinden.

Graz-Stiftingtal Obj.Nr. 18470 Kleines Grundstück – große Lage: Auch auf einem kleinen Grundstück lässt sich so mancher Wohntraum verwirklichen! Überschaubar im Aufwand, hochwertig in der Lage und letztendlich leistbar in Bezug auf die Gesamtkosten. ca. 430 m² WR 0,2-0,3, 130.000,- Euro Thomas Kormann, 0316/8036-2597, www.raiffeisen-immobilien.at

Exklusive Immobilien im Fazitimmobilienmarkt 0316/6719290 office@wmedia.at


Laßnitzhöhe: Obj.Nr. 18407 Willkommen Daheim, top gepflegtes Familienhaus ( ca. 140 m² Wfl.) mit eigener Garconniere (ca. 40 m² Wfl.) mit Garten, Doppelgarage und Doppelcarport. Perfekte Sonnenlage mit 1.671 m² Grundfläche, VB: 384.000,Euro, HWB 129, Ing. Wolfgang Sixt, 0316/8036-2598 www.raiffeisen-immobilien.at

WOHNEN ON TOP/Geidorf Obj.Nr. 18240 Vier Penthouse-Wohnungen mit herrlichen Westterrassen in perfekter Lage warten auf Sie! 73 m² bis 122 m² Wohnfläche, Terrassenflächen bis 85 m², Bezug Sommer 2017, HWB 30,9 kWh/m²a, KP: ab 357.945.- Euro. Sabine Roschitz, 0664/85 50 199, www.raiffeisen-immobilien.at

Absolute Seltenheit! Obj.Nr. 18556 Exklusive 7-Zimmer-Maisonette mit Dachterrasse und herrlichem Stadtblick, rd. 230 m² Wohnfläche, Top-Ausstattung, HWB 83 kWh/m²a, KP: 865.000,- Euro plus TG. Sabine Roschitz, 0664/85 50 199,

www.raiffeisen-immobilien.at Hausmannstätten Obj.Nr. 17996 Neubauwohnung mit ca. 70 m² NNFL, Carport, perfekte Infrastruktur, Ruhelage mit Grünblick, KP.: 188.000,Euro, HWB 42kWh/m²a; Ing. Wolfgang Sixt, 0316/8036-2598 www.raiffeisen-immobilien.at

Vasoldsberg/Schemerlhöhe Obj.Nr.17302 Gewerbegrundstück ( Dichte 0,2-0,8) bis ca. 5.300 m² möglich –perfekte Autobahnanbindung, KP.: 68,- Euro/m². Ing. Wolfgang Sixt, 0316/8036-2598 www.raiffeisen-immobilien.at

St. Peter Obj.Nr. 18572 Ein Schmuckstück in herrlicher Aussichtslage! Hübsche Villa mit rd. 135 m² Wfl. auf rd. 1159 ² Grund, voll unterkellert, großer Pool, schöne Gartenanlage, HWB in Arbeit, KP 749.000,- Euro. Sabine Roschitz, 0664/85 50 199, www.raiffeisen-immobilien.at

Ein herrlicher Platz in den Weinbergen! Obj.Nr. 18298 Liebevoll gestaltete Liegenschaft mit eigenen Weingarten und Traumausblick im Südburgenland HWB 121,7 kWh/ m²a, KP: 199.900,- Euro. Sabine Roschitz, 0664/85 50 199, www.raiffeisen-immobilien.at

Exklusive Immobilien im Fazitimmobilienmarkt 0316/6719290 office@wmedia.at

Sie suchen kompetente Unterstützung bei Ihrem Hausverkauf in Graz und Umgebung? Gerne stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite: Michaela Rettenbacher, MA 0664/818-41-30, www.sreal.

Attraktive Anlegerwohnungen im Brauquartier Puntigam mit optimaler Raumaufteilung, 21,95 m² - 96,20 m² Nutzfläche, Freiflächen: Balkon, Loggia, Terrasse, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Fertigstellung: Herbst 2019, HWB: 27,56 kWh/m²a, fGEE: 0,763, KP auf Anfrage; Tel. 0664/818 41 30, Michaela Rettenbacher, MA, www.sreal.at

Südsteiermark - Rarität in Gamlitz: Herrenvilla, stilgerecht saniert, am Ortsrand gelegen, Scheibengrundstück ca. 3,3 ha, schöne Gartenanlage (Obst, Wald, Wiese), Wfl. 295 m², HWB: 154,11, fGEE: 2,38, KP € 790.000,00. Silvia Stelzl 0664-8184143, www.sreal.at

FAZIT AUGUST 2017 /// 67



Fazitportrait Von Volker Schรถgler mit Fotos von Marija Kanizaj

Der Wert der Marken

Fazit August 2017 /// 69


Fazitportrait

Seit mehr als einem halben Jahrhundert vermittelt Erich Fabianek in zweiter, und Sohn

Oliver in dritter Generation Ruhe, Ordnung und Beständigkeit mit ihrem 1939 ursprünglich in

W

enn die Welt aus den Fugen zu geraten scheint, hilft ein Spaziergang durch die Sporgasse. Nicht, dass hier für immer alles beim Alten bliebe – man denke nur an die zahlreichen neuen Eisgeschäfte oder an nicht mehr vorhandene, wie die Konditorei Strehly –, aber hier gibt es noch die sprichwörtlich gewordenen guten alten Dinge. Keine Sporen vom Sporenmacher mehr, die der Gasse ihren Namen gegeben haben, dafür aber Briefmarken vom Briefmarkenhändler. »Briefmarken-Styria Fabianek« heißt der kleine, aber feine Spezialitätenladen auf Hausnummer 14, etwa auf halber Höhe der Gasse, rechts, wenn man hinaufgeht. Seit fast achtzig Jahren besteht dieses Unternehmen bereits. Fast, weil es erst achtundsiebzig sind, weil es sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Herrengasse befand und weil es bis zur Schließung von besagter Konditorei direkt rechts daneben, auf Nummer 12 angesiedelt war.

Briefmarken und Bildung Seniorchef Erich Fabianek steht mit 81 Jahren noch immer hinter dem Ladentisch. Mit offensichtlicher Freude tut er dies gemeinsam mit Sohn Oliver (47), der auch schon seit bald zwei Jahrzehnten die Fahne der Philatelie (neben dem Fechtsport) hochhält und eine verläßliche Anlaufstelle für Sammler garantiert. »Briefmarken sind aber mehr als bunte Bilder«, sagt Erich Fabianek: »Ein Markenbild kann uns über Meere und Gebirge, Länder und Zeiten tragen.« Die Briefmarke erziehe zu Ordnung, Genauigkeit und Geduld. »Ein Drittel der Fragen in der Millionenshow im Fernsehen weiß ich wegen der Briefmarken«, ist er sich sicher und führt als Beispiel die TV-Frage nach dem Erfinder der ersten Correspondenzkarte (= Postkarte) an (Emanuel Hermann, 1869, Österreich). Auch beim Erfinder der Nähmaschine hat der Philatelist gepunktet (Josef Madersberger, 60-Groschen-Marke von 1950). Diese Marke ist heute einen dreistelligen Eurobetrag wert. Es gehört Erfahrung und wohl auch Glück dazu, aus seiner Briefmarkensammlung Kapital zu schlagen. Was ist Wert, was ist Glück? Die seinerzeitige Aktie des kleinen Mannes ist eher eine Aktie des erfahrenen Mannes geworden. Mannes im wahren Sinn des Wortes,

70 /// FAZIT AUGUST 2017

Pressburg gegründeten Briefmarkengeschäft

im Zentrum von Graz. Was Briefmarken

sammeln, Fußball und fechten miteinander

zu tun haben, lesen Sie in dieser Geschichte.

es gibt seit jeher kaum Briefmarkensammlerinnen. Warum das so ist, wissen nur Tiefenpsychologen und Witzeerzähler. Außerdem hat die Sache mit dem »Darf-ich-Ihnen-meine Briefmarkensammlung-zeigen« ohnehin nie funktioniert; wenn, dann könnte es logischerweise nur umgekehrt funktionieren, aber vielleicht hatte in den Neunzehnsechzigern, als gerade einmal der Fernseher die Wohnzimmer eroberte, der Reiz einer Briefmarke ein anderes Potenzial oder einfach eine andere Qualität als Ausrede und Vorwand? Auch bei Briefmarkenprofi Erich Fabianek, der als Nachfolger des Firmengründers, seines Vaters, schon als Kind mit der Materie vertraut war, lief die Sache rein ehetechnisch gesehen völlig anders. »Das könnte man auch Bestimmung nennen«, spielt er auf die Umstände an, unter denen er seine Frau kennengelernt hat. Dreimal hintereinander ist er ihr in kurzen Abständen völlig zufällig begegnet. »Zum ersten Mal war das auf der Grazer Messe, in der alten Weinhalle, als ich mit einem Freund dort war. Mir ist eine junge Dame aufgefallen, über die ich zu meinem Freund sogar gesagt habe, dass das eine Frau zum Heiraten wäre.« Er hat sie auch sogleich angesprochen, ist jedoch abgeblitzt. Kurz darauf haben sich die beiden Freunde ein Damenhandballspiel angesehen und besagtes Fräulein unter den Spielerinnen identifiziert, ohne aber in Kontakt zu kommen. Noch einmal kurze Zeit später musste er auf einen Sprung die elterliche Wohnung verlassen, um im Auto etwas zu holen. Da begegnete sie ihm auf der Straße. Er sprach sie wieder an und sie ließ sich überreden, mit seinem Auto zu ihrem Ziel, einer Freundin, geführt zu werden. Die war dann nicht zu Hause und man verabredete sich. Alles ganz ohne Briefmarken. Motorboot, Motorboot Der Ehe entsprang im Übrigen noch ein zweiter Sohn, Andreas, der auch nicht ganz unbekannt ist. Andy Fabianek von KGB, der Kurt-Gober-Band? Mit dem Hit »Motorboot, Motorboot« (ruadern tua i nur zur Not), dem österreichischen Nummer 1 Hit von Ö3, aus dem Jahr 1984? Genau! Als Tontechniker und gefragter Komponist ist er heute zum Beispiel für die Filmmusik von Universum oder Terra Mater verantwortlich. Benannt ist er nach seinem Großvater


Fazitportrait

Andreas Fabianek, der das Familienunternehmens im Jahr 1939 in Pressburg (Bratislava) in der Slowakei gegründet hat, wo das Briefmarkengeschäft aber den Kriegswirren zum Opfer gefallen ist. Mit einem Partner baute er es im Jahr 1945 in der Grazer Herrengasse wieder auf, bevor er 1947 in die Sporgasse übersiedelte und allein weitermachte. Heute befindet sich im ehemaligen Geschäftslokal in der Herrengasse 28 das Eisgeschäft von Charly Temmel, der Anfang der 1990er Jahre Sturm-Präsident war. Das ist insofern erwähnenswert, als auch Erich Fabianek eine Sturm-Vergangenheit hat.

Fußball mit Leopold Stastny Wenn das nicht der ideale Anstoß für die regelmäßige Abschweifung im Fazitportrait ist! Auch wenn sie dem hohen Anspruch des Paganinis der Abschweifung, jenem von Harry Rowohlt, nicht immer gerecht zu werden vermag – der Versuch, noch besser zu scheitern lohnt allemal. Es ist nämlich so: Firmengründer Andreas Fabianek hat in Bratislava mit Leopold Stastny Fußball gespielt. Wie zumindest nicht mehr ganz junge Leser, aber auch Leserinnen, allesamt auch nicht fußballaffine, wissen, war das ein legendärer Trainer, der den österreichischen Fußball über viele Jahre geprägt hat. Er war nach Hugo Meisl (Wunderteam) und neben Herbert Prohaska der längstdienende Nationaltrainer und ÖFB-Teamchef und sein Humor war so trocken, wie sein Deutsch slowakisch. Sein Wort war Gesetz und es fehlte immer nur ein Quäntchen Glück

FAZIT AUGUST 2017 /// 71



Fazitportrait

Marken sind grafische Kunstwerke, die von der Kultur und Schönheit eines Landes erzählen. Erich Fabianek, Briefmarkenprofi

zum großen Sieg; etwa um zu Beginn seiner Trainerkarriere mit Wacker Innsbruck Meister zu werden (um ein Tor zu wenig) oder am Ende mit der Nationalmannschaft die WM-Qualfikation 1974 zu schaffen (gegen die punktegleichen Schweden in Gelsenkirchen auf Schnee knapp 1:2 verloren), nachdem die Spieler trotz oder gerade wegen der verpassten WM-Qualifikation 1970 an ihm als Trainer festgehalten hatten. Nach seinem Rücktritt 1975 gründete er die österreichische Schülerliga und reformierte nachhaltig die Trainerausbildung. Legendär auch seine lakonischen ORF-Interviews in denen er Dolmetscher von osteuropäischen Spielern staubtrocken ausbesserte (»Dahs chat err jetzt aberr niecht gesagt.«). Und Legion die Kicker, die unter ihm im Team debütierten: Herbert Prohaska, Hans Krankl, Bruno Pezzey, Erich Obermayer, Kurt Jara, Willy Kreuz oder Torhüter Friedl Koncilia. Womit wir wieder beim heutigen Seniorchef sind: Erich Fabianek war ebenfalls Tormann und stand nach seinen Anfängen 1949/50 bei Sturm im Jahr 1953 beim GAK zwischen den Pfosten, wurde dann für ein Jahr nach Voitsberg verliehen, wo er als Techniker bei der ÖDK unterkam. Es folgte noch ein Engagement beim KAC in Kärnten (und der Kelag) sowie 1964 noch in Kapfenberg, bevor er ins väterliche Briefmarkengeschäft in die Sporgasse zurückkehrte. Millionen, Millionen Die schnelllebige Zeit lässt die Briefmarke heute anachronistisch erscheinen: Es wird etikettiert, gestempelt, gesimst, gemailt; Briefmarken gibt es nicht einmal mehr in der Trafik – aber das ist eine ganz andere Geschichte. Der Mensch ist ja nicht nur Jäger, sondern auch Sammler und auf einer gewissen Ebene sogar mit Leidenschaft. Zu letzteren gehören die Kunden des Famili-

enbetriebs Fabianek. Viele haben ein »Abo« und erhalten damit regelmäßig, das heißt vier- bis fünfmal im Jahr, die neuesten Marken der Post, aber auch Besonderheiten wie Ersttagsbriefe zugeschickt. »Wir haben Kunden bis Hollywood und Kanada«, erklärt Erich Fabianek. Dass die Kunden vorwiegend ältere Herren sind, macht ihm keine Sorgen. Er ortet vor allem bei der Jugend wieder einen Trend zum Sammeln, wobei Computer und Internet sich von der ablenkenden zur unterstützenden Kraft entwickelt hätten, wenngleich gerade Tauschbörsen eine starke Konkurrenz sind. »Bis in die Neunzehnneunzigerjahre gab es am Samstag, wenn alle zum Einkaufen in die Stadt gekommen sind, das große Wochenendgeschäft. Das machen die Leute heute nicht mehr, dafür ist bei uns das Versandgeschäft entsprechend stark gestiegen«, so der ehemalige Gremialvorsteher in der Wirtschaftskammer und Sachverständige für Philatelie. Hauptkriterien der meisten Sammlungen sind nach wie vor Länder und Motive. Und wenn man nicht gerade hinter Kalibern wie der seltensten Österreich-Marke her ist (»Zinnoberroter Merkur« gestempelt, Katalogpreis vor zehn Jahren 80.000 Euro, heute 120.000 mit Falz beziehungsweise 400.000 gestempelt), zählt Briefmarkensammeln seit mehr als 170 Jahren zu den billigsten Hobbys. Nur der Vollständigkeit halber: Die »blaue Mauritius« wurde von der »British Guiana 1 Cent magenta« als teuerste Briefmarke der Welt abgelöst. Ein Unbekannter hat das Zwanzigfache des Katalogpreises von unserem Merkur dafür hingelegt. Apropos Millionen – falls Herr Assinger oder Herr Jauch einmal fragen: Die Briefmarke wurde 1840 erfunden (One Penny Black, Großbritannien). Als Telefonjoker empfehlen sich Erich Fabianek und Sohn. n

Briefmarken Styria 8010 Graz, Sporgasse 14 Telefon +43 316 812020 briefmarken-styria.at

FAZIT AUGUST 2017 /// 73


Fazitreise

74 /// Fazit August 2017


Trauben, Drachen und Meer Zu Besuch im kroatischen Urlaubsjuwel Bol



Fazitreise

Das älteste Küstenstädtchen auf der Insel Brač pflegt eine lange

Tennistradition, besitzt traumhafte Strände und preisgekrönten Wein. Und eine Höhle, die von Göttern längst vergangener Tage erzählt.

Ein Spaziergang.

Text von Maximilian H. Tonsern, Fotos von Lucas Kundigraber

S

ie seufzen erfreut auf, all diese Touristen im Bus, als jener die scharfe Serpentine brummend bergab rollt und unten am Meer die ersten Häuser mit den typisch roten Dächern zu sehen sind. Bol, dieses bekannte, dieses kleine Städtchen auf der Insel Brač ist in unmittelbarer Reichweite, die Möwen kreischen bereits. Zarter Kiefernduft liegt in der Luft. Die Straße endet, das Hotel Borak dient als Unterkunft. Weil das Essen, das ist dort wahrlich exzellent. Und ein Pläuschchen mit dem deutschsprachigen Koch wohl ein Geheimtipp für eine surreale Unterhaltung.

Tennis- und Schwimmparadies Bol Direkt hinter dem Hotel liegt eine große Tennisanlage. Als Gastgeber eines ehemaligen WTA-Turniers pflegt Bol nämlich eine langjährige Tennistradition. Berühmte Turniere fanden dort bereits ab dem Jahr 1991 statt, Tennisgrößen wie Ana Kurnjikova oder Amelie Mauresmo traten dort auf. Nach längerer Pause wurde das Event nun als »WTA Croatia Bol Open« reaktiviert, gewinnen konnte heuer die Serbin Aleksandra Krunić, aktuelle Nummer 124 der Weltrangliste. Über zwanzig Plätze mit Granulatboden laden zudem ein, den Schläger selbst in die Hand zu nehmen und es Krunić gleich zu tun. Durch den kühlenden Wind und der herrlichen Aussicht auf Meer und Berge im Hintergrund sind häufige Fußfehler aber möglich. Nach anstrengenden Matches lädt der pittoreske Strand zum Verweilen und Ausruhen ein, besonders bekannt ist »Zlatni Rat«, das »Goldene Horn«. Es zeigt diesmal nach links. Das Wahrzeichen Bols, eine aus feinem Kies bestehende Zunge, reicht weit ins Meer hinein und verän-

dert je nach Wind- und Strömungsrichtung die Position. Segelsurfer, auch dafür ist Bol beliebt, fahren bei gutem Wind daran vorbei. Unter Wasser wiegt sich sanft Seegras, zwischen den Halmen ruhen Fische. Ein Seestern läuft gemächlich von einem Stein. Das kristallklare Wasser erfordert keinerlei Tauchgänge, um dies sehen zu können.

Nach erfrischendem Badegang geht es auf langen, von Pinien und Kiefern gesäumten Strandwegen entlang bis hin zu einem kleinen, runden Hafen. Dort befindet sich nicht nur das sehenswerte »Palača«, ein kleiner Palast mit Renaissance- und Barockstil-Fassade, sondern auch zahlreiche kleine nett anzusehende Geschäfte, die sich in Torbögen befinden. Ramsch, Kitsch und Muscheln werden dort feilgeboten. Letztere verkaufen auch kleine Kinder am Straßenrand, die sich über die wenigen Kuna mehr freuen. Schmale Gassen führen dann den Berg hinauf, die Balkone an den Häusern ringsum werden von verschnörkelten, zierlichen Eisengeländern umrandet. Am östlichen Ende der Stadt thront das ehemalige Hotel »Bjela Kuća«. Heute ist das »Weiße Haus« eine Ruine, davor liegt aber eine kleine, malerische Bucht. Dort ist eigentlich der schönste Strand im ganzen Ort, fernab von jeglichem Tourismusrummel am Goldenen Horn und kaum besucht.

Preisgekrönte Trauben Zurück im kleinen Hafen. Dort liegt auch der Weinkeller »Vinarija Jako vino«, im großen Haus der hiesigen Winzergenossenschaft. Hergestellt wird der weltberühmte und mit Preisen überhäufte Wein »Stina Plavac mali«. Die Trauben werden per

Steinernes Andenken an die Donaumonarchie. Die Franz-Josef-Brücke auf Brač wird heute meist nur mehr von einigen wenigen Weinbauern der Insel benutzt. FAZIT AUGUST 2017 /// 77


Foto: Vjeko Bilota


Fazitreise

Hand verlesen, sämtliche landwirtschaftliche Tätigkeiten im Weinberg ausschließlich von Hand verrichtet, nur rund 250.000 Flaschen im Jahr abgefüllt. Durch spezielle Eichenfässer aus den USA und Frankreich erhält jeder Wein seine besondere Note: rauchig oder intensiv fruchtig oder würzig-scharf, mit leichten Geschmacksempfindungen von Honig, Schokolade, Kirschen und Pflaumen. Bis zum Jahr 2005 besaß die Winzerei große Zisternen aus Zement, die aus der österreichisch-ungarischen Herrschaft stammen. Bei der Reinigung der Zisternen von den fermentierten Trauben konnten Arbeiter trotz doppeltem Lohn nur zwei bis drei Stunden arbeiten. Dann, so lacht man heutzutage bei Führungen durch den Weinkeller, waren sie einfach zu betrunken. Diese Trauben werden entweder von kleinen Winzern angekauft oder aus den eigenen Weinhängen bezogen, die sich mit 45 Grad Hanglage steil an die Bergketten rund um Bol schmiegen. Das Geheimnis der Drachenhöhle An eben diesen Weinlagen vorbei klettern Pinzgauer zur Drachenhöhle bei Murvica. Zu Fuß einige Stunden, dauert die Fahrt mit den österreichischen Oldtimern nur vergnügliche fünfzehn Minuten. Die Drachenhöhle überzeugt sowohl mit ihrer interessanten Geschichte als auch mit den sich dort befindlichen Reliefs. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Drachenhöhle im Jahr 1420, als Mönche des slawischen Ordens der Glagoliter sie als Einsiedelei nutzten. Die Glagoliter, hauptsächlich wegen ihrer eigenen Buchstabenschrift bekannt, flüchteten vor türkischen Angriffen im 15. Jahrhundert auf die Insel Brač. Neben der Höhle unterhielten sie auch zahlreiche Klöster auf der Insel. Die Geschichte der Höhle jedoch ist weitaus älter, so nehmen kroatische Wissenschafter an. Aufgrund der Datierung der Skulpturen, die in die Höhleninnenwände geschlagen sind, reicht sie gar bis in das vorchristliche vierte Jahrhundert. Damals wurde die

Höhle als Fruchtbarkeits- und Begegnungsstätte verwendet. Davon zeugt auch ihre vaginale Form. Besonders sehenswert ist das Relief beim Eingang, nach erfolgreicher Christianisierung eine Darstellung der Offenbarung nach Johannes: Eine Frau, gekleidet in Mond und Sterne, wird von einem Löwen vor einer Teufelsfratze und einem angedeuteten siebenköpfigen Drachen beschützt. Vor den Glagolitern war es eher eine andere, eine aus der slawischen Mythologie stammende Geschichte, wie gemutmaßt wird: Eine über den Gott des Himmels, Perun, und seinem Gegenpol in Schlangen- oder Drachengestalt, genannt Veles, der Gott der Unterwelt und der Erde. Wenn Bol nicht reicht, lässt sich auch in der Umgebung Schönes entdecken. Vorbei an Feldern, übersät von »Gomela« genannten aufgeschichteten Steinhaufen, betritt man nach einem sozialistischen Partisanendenkmal das kleine Dörfchen Škrip, das älteste Dorf auf der Insel. Noch heute lassen sich die Reste einer Steinsarkophag-Herstellungsstätte besichtigen, nämlich in Form von Sarkophagen, die jedoch aufgrund von Produktionsfehlern nicht verkauft wurden. So stehen sie am Straßenrand, grau und manche tausendjährig alt und alle in irgendeiner Art und Weise fehlbar. Im Ort lebt auch ein altes Mütterchen, die, wenn sie nicht gerade Kohl zerpflückt, kurze Führungen mit anschließender Schnapsverköstigung und -verkauf anbietet. Das ist auch Tourismus, aber von unten. Einige Kilometer von Škrip entfernt liegt eine Brücke mit dem Namen »Frane Josipa«, wohl das wunderlichste Bauwerk auf der ganzen Insel Brač. Durch ein Unwetter im Jahre 1898 wurde eine kleine Holzbrücke zerstört. Üblicherweise selten genützt von einigen wenigen Weinbauern. Gemeldet an die Obrigkeit ließ Österreich-Ungarn dort sofort eine kolossale, breite, wuchtige Steinbrücke errichten. Sie wird in Erinnerung an den österreichischen Kaiser und König Jugoslawiens, Franz Josef der I., bis heute genützt – von einigen wenigen Weinbauern. n

Anreiseinformationen Per Auto oder Bus mit der Fähre von Split nach Supetar, dann weiter nach Bol. Flüge gehen entweder direkt nach Bol oder nach Split. Weiters verkehrt ein Katamaran zweimal täglich zwischen Split und Bol. croatia.hr bol.hr stina-vino.hr

FAZIT AUGUST 2017 /// 79


Ziel ist eine europäische Friedensordnung, die nicht von einzelnen Mächten diktiert, sondern von den Völkern Europas in freier Selbstbestimmung eigenhändig gestaltet wird. Helmut Kohl, Kanzler der deutschen Einheit, 1930–2017

Out of Graz

Dixieland- und Swingfestival in Fürstenfeld Von Andreas Pankarter

A

ls Jeremiah Dixon gemeinsam mit Charles Mason irgendwann in den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts mit der Vermessung der Mason-Dixon-Linie einen Grenzstreit in den amerikanischen Kolonien der Engländer schlichtete, hatte er keine Ahnung, dass er einmal Spitznamensgeber für die US-Südstaaten und später für die im Dixieland gespielte Musik sein wird. Während Dixieland in den USA nach wie vor in erster Linie für den Bibelgürtel

80 /// FAZIT AUGUST 2017

steht, verwenden wir den Begriff in Europa für jene Epoche der Jazzmusik, in der das Jazzfieber erstmals auch die Weißen erfasste und sich von New Orleans aus in Richtung Chicago ausbreitete. In der Steiermark wiederum steht Dixieland für den Jazzklarinettisten Johannes Hödl. Und nach dem Erfolg im Vorjahr findet in Fürstenfeld von 18. bis 26. August das zweite Dixieland- und Swingfestival statt. Die beiden Festivalleiter Johannes Hödl und Àdàm Ladànyi zogen bei der Besetzung sämtliche Register und konnten

wieder einige europäische Topformationen verpflichten. Darunter befinden sich die kultigen Dizzy Birds aus Berlin, die Hot Jazz Band aus Budapest – sie gilt übrigens als die beste Dixielandband Europas, die slowenischen »Knights of Rhythm« und als besondere Highlights die Steirerin Marina Zettel mit ihren »Marina & the Cats« sowie das heimische Urgestein des Genres, die »Royal Garden Jazz Band« aus Graz. Dazu kommt das elfköpfige Ensemble von »Eddie Luis und die Gandenlosen«, die »St. Barbara Dixielanders« aus dem Mürztal, das »Dóra Wohner Quartett« und natürlich der »Streetview Dixieclub« bei dem auch die beiden Festivalleiter mitspielen. Nach jedem Konzertabend gibt es im Braugasthaus Fürstenbräu einen AfterShow-Act, an dem ein Ragtimepianist den Gästen einheizt. Dazu wurden Nobuo Watanabe aus Japan, Mátyás Barta Ungarn und der Steirer Michael Hortig verpflichtet, die den Stride-Style pflegen werden. Wie schon im Vorjahr gibt es auch heuer Lindy-Hop-Tanz-Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene. Heuer swingt die oststeirische Thermenmetropole an fünf Abenden. Mit Österreichs einzigem Dixieland- und Swingfestival steht ein fröhliches Sommerspektakel ins Haus. »Fürstenfeld goes New Orleans« wird wild, leidenschaftlich und voll sinnlicher Spielfreude. n

Fotos: Bundesarchiv, RGJB, Archiv, Antonia Renner

Die Royal Garden Jazz Band ist ein Genre-Urgestein und ist bis heute die Hausband des Royal Garden Jazz Club in Graz.


Alles Kultur Provinzielle Theateravantgarde

Waldrausch usw. Sommertheater ist steiermarkweit beliebte Unterhaltungsform. Wer mehr will als Krimi und Shakespeare, fährt in die steirische Toskana. Dort tragen sich seit 2011 gar überraschende Dinge zu.

Von Peter K. Wagner

W

Die »Dizzy Birds« (oben) und »Marina an the Cats«. MITTWOCH 23. AUGUST 19.30 Uhr Royal Garden Jazz Band (A) und The Hot Jazz Band (HU), Stadthalle Fürstenfeld

DONNERSTAG, 24. AUGUST 19.30 Streetview Dixieclub (A), Marina & The Cats (A), Stadthalle Fürstenfeld 23.00 Ragtime-After-Show mit Nobuo Watanabe (JPN), Fürstenbräu [FS = Freiwillige Spende] FREITAG, 25. AUGUST 19.30 Eddi Luis & Die Gnadenlosen XL (A), Dorà Wohner-Quartett (HU), Stadthalle Fürstenfeld 23.00 Uhr Ragtime-Battle mit Màtyàs Barta (HU) und Nobuo Watanabe (JPN), Fürstenbräu [FS] SAMSTAG, 26. AUGUST 10.30 Dizzy Birds (D), Hauptplatz Fürstenfeld [FS] 15.00 The Knights of Rhythm (SLO), St. Barbara Dixielanders (A), Dizzy Birds (D), Klostergasse & Pfeilburg-Hof (Bei Schlechtwetter Stadthalle!) [FS] 23.00 Boogie-Woogie After Show mit Michael Hortig (A), Fürstenbräu [FS] Karten gibt es bei Ö-Ticket, beim Tourismusverband Fürstenfeld und an der Abendkasse. dixiefestival-fürstenfeld.com

enn sich Mensch aufs Land zum Sommertheater begibt, wird es gerne idyllisch. Ob Naturschauplatz mit Freiluftbühne oder meist etwas gar überhitztes Kulturzentrum: Eine alte, aber unterhaltsame Krimigeschichte mit dem Dorfpostler in der ungeahnt grandios gespielten Rolle des Bösewichts oder eine mehr gut gemeinte als sehenswerte Adaptierung eines Shakespeare-Klassikers – ja, der geneigte Liveschauspielfreund weiß, wovon die Schreibe ist. Wer nun bejahend nickt, war noch nie im Hoftheater Mathans. In St. Ulrich im Greith gelegen, also dort, wo man gerne von der steirischen Toskana spricht, finden die meisten Navigationssysteme entlang der vielen Hügel einen Ort vor, an dem sich in Sachen Sommertheater gar überraschende Dinge zutragen. Ob »Waldrausch«, »Wo die Kanonen glühen«, »Rosemaries Werte«, »Heu Nun« oder »Sankt Fight« – allein die Titel der hier seit 2011 gespielten Uraufführungen wollen uns sagen: Nix Krimi, nix Shakespeare, lieber nahezu Avantgarde. »Vitamins of Society« nennen sich die Menschen, die heuer zum sechsten Mal in Folge ein Stück auf die Freiluftbühne inmitten von Weinbergen zaubern. Wolfi Lampl ist der älteste Sohn des Hofes und führt Regie. Der Zweitgeborene, der aus Film und Fernsehen durchaus schon bekannte Harry Lampl, ist in der Hauptrolle zu sehen. Die jüngste des Hofes schneidert die Kostüme, die Mutter sorgt fürs leibliche Wohl an den Abenden und steht ebenso mit helfender Hand zur Seite wie der Herr Vater, der auch schon mit kleiner Gastrolle gesehen ward. Es ist ein Familientheater. Aber eben doch gar nicht provinziell.

Die Feder des Grazer Dramatikers Jony Schrettle zaubert nämlich Jahr für Jahr einen modern-kritischen wie gewieften Plot auf die Wiese, der sich heuer »Planet der Waffen« nennt. Der offizielle Inhalt sollte hier in voller Länge wiedergegeben werden. Also bitte: »Onkel Donalds Forderung nach Erhöhung der Rüstungsausgaben lässt auch das Herz des jungen, südweststeirischen Waffenfabrikanten Horst Schmied höher schlagen. Mit den Erfindungen seines verstorbenen Vaters und seinem treuen, aber nicht ganz legal angestellten Mitarbeiter Oleg will er die Absätze kräftig steigern und am zu erwartenden Boom ordentlich mitverdienen. Aber auch die Polizei, lokale Aktivistinnen des Staatenbundes Steiermark und eine geheimnisvolle Nachbarin, die ihrem stressigen Lobbyistinnendasein in Brüssel entflohen ist, um dem Landyoga zu frönen, zeigen Interesse an den regionalen Entwicklungen im ländlichen Raum.« Ja, das klingt ein bisschen wirr, ist aber aufgrund der Umgebung, die so viel Idylle ausstrahlt wie eine alte, dafür unterhaltsame Krimigeschichte oder eine mehr gut gemeinte als sehenswerte Shakespeare-Adaptierung, dennoch gut verdaulich. Und noch stimmungsvoller. Dank einem Musikensemble unter der Leitung des Klaviervirtuosen Roli Wesp, der so in die Tasten haut, wie es der junge Joe Cocker gemacht hätte. Also, Mensch, wenn du dich heuer aufs Land zum Sommertheater begibst, das Hoftheater Mathans könnte eine Reise wert sein. n

Planet der Waffen

Uraufführung am 27.7, 19.30. Weitere Vorstellungen am 29.7. sowie 4./5./6./7./11. und 12.8., jeweils 19.30 im Hoftheater Mathans, Kopreinigg 52 in 8544 St. Ulrich im Greith FAZIT AUGUST 2017 /// 81


Tandl macht Schluss! Allmonatliche Finalbetrachtungen von Johannes Tandl

E

rinnern Sie sich noch, als sich Daimler-Chef Dieter Zetzsche vor zwei Jahren wegen der vielen Menschen, die nach Europa kamen, auf ein neues Wirtschaftswunder freute? Mit den Worten »Genau solche Menschen suchen wir bei Mercedes« machte er sich nicht nur bei Angela Merkel und den Bahnhofsklatschern beliebt. Er verhielt sich politisch korrekt. Genau so, wie sich ein guter weltverbessernder Konzernboss im Angesicht des deutschen Mainstreams eben zu verhalten hat. Schade nur, dass es ein Jahr später nicht viele von diesen zwei Millionen fleißigen arabischen und afrikanischen Händen in die Werkshallen von Mercedes geschafft haben. »Die Zeit« hat recherchiert, dass gerade einmal neun Flüchtlinge bei Daimler eine Arbeit gefunden hatten. Nun ist auch Mercedes-Benz vom Abgasskandal erfasst worden. Und das ist wegen des Beschwichtigungsopportunisten Zetzsche an der Konzernspitze gut so. Aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart geht hervor, dass

Wenn Manager vor dem grünen Zeitgeist einfach einknicken

82 /// FAZIT AUGUST 2017

die Ermittler Daimler verdächtigen, fast ein Jahrzehnt lang bei den Abgaswerten seiner Dieselfahrzeuge getrickst zu haben. Bei Volkswagen und Audi ist es bereits bewiesen, und bei Daimler erhärtet sich der Verdacht: Man schummelt, lügt und betrügt offenbar lieber, als sich dem grünen Zeitgeist zu widersetzen. Anstatt endlich zu sagen, dass die technischen Vorgaben in Bezug auf die Abgaswerte wirtschaftlich unerfüllbar sind, wird nicht nur bei VW herummanipuliert. Dieter Zetzsche steht seit Jänner 2006 an der Konzernspitze von Daimler. Gemeinsam mit seinen Managerkollegen beim Mitbewerb hat er eine Gesetzeslage hingenommen, die – wenn man sie einhalten würde – Hunderttausende Jobs in der deutschen Automobilindustrie und über die vernetzten Wertschöpfungsketten auch bei den österreichischen Zulieferunternehmen gefährden würde. Die Manager haben uns stattdessen suggeriert, dass sie die technischen Standards zur Erfüllung der strengen Abgaswerte problemlos im Griff haben. Problemlos war es für die Manager bisher jedoch nur, die Gesetze zu ignorieren und den Kunden die versprochene Umweltfreundlichkeit der Motoren vorzugaukeln. Und zwar aus reiner Feigheit und großer Angst vor einem deutlich grünen Zeitgeist. In den Vorstandsetagen drückt man sich etwas gewählter aus, und sagt halt »Compliance« oder »Corporate Social Behavior« dazu. Im Zuge der Elektrifizierung des Individualverkehrs steht die deutsche Großindustrie wieder vor der Wahl. Sie kann der Bevölkerung endlich reinen Wein einschenken und ihr sagen, dass die Ökobilanzen von Elektroautos selbst bei Betrieb mit kohlendioxidfreiem Strom aus Wasserkraft furchtbar sind oder sie kann die Elektromobilität in opportunistischer Tradition grünwaschen. Das schwedische Umweltforschungsinstitut IVL hat erst kürzlich in einer Studie bestätigt, dass allein die Batterieherstellung für einen »Tesla S« so viel Kohlendioxid versursacht wie ein Verbrennungsfahrzeug mitsamt dem Treibstoff, den es in acht Jahren ver-

brennt. Anstatt der Politik angesichts des Elektroautounsinns einen Vogel zu zeigen, haben die Autokonzerne jedoch eine Prämie zum Kauf von Elektrofahrzeugen durchgesetzt. Wieder einmal geben Zetzsche und Co klein bei und versichern wider besseren Wissens allen, die es hören wollen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hätten und sie die E-Mobilität voranbringen wollen. Ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail sollte bei der politischen Entscheidung über den künftigen Antrieb übrigens auch eine Rolle spielen. Statt sieben Mitarbeitern, die zur Herstellung eines klassischen Verbrennungsmotors etwa zur Verbrennung von kohlendioxidneutralen synthetischen Kraftstoffen oder von Wasserstoff benötigt werden, kann ein Elektromotor von einer Person produziert werden. Vielleicht sollten Wirtschaft und Politik endlich versuchen, den Bürgern in Bezug auf »Ökologie« und »Nachhaltigkeit« die Augen zu öffnen. Etwa indem sie ihnen mitteilen, dass fast jedes einzelne Kreuzfahrtschiff gleich hohe Schadstoffemissionen verursacht wie der gesamte österreichische Straßenverkehr. n

Sie erreichen den Autor unter johannes.tandl@wmedia.at WIR LESEN UNS WIEDER AB 27. SEPTEMBER 2017!



LIEGENGEBLIEBEN. JUNGGEBLIEBEN.

Lebenssituationen sind vielfältig. Unsere Lösungen auch. Um zu verstehen, muss man zuhören. Sprechen Sie mit uns und wir finden die Lösung, die am besten zu Ihnen passt. www.generali.at Regionaldirektion Steiermark, T +43 316 8056 0, office.stmk.at@generali.com Unter den Flügeln des Löwen.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.