Luigi archetti apodemica 2015

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APODEMICA

Bilder: Luigi Archetti / Video-Stills aus „Musik für Wind - 2015“ / © by Luigi Archetti, 2015

Luigi Archetti

April - Mai 2015


Bilder: Luigi Archetti / Video-Stills aus „Musik für Wind - 2015“ / © by Luigi Archetti, 2015


APODEMICA

Reisebericht Luigi Archetti - April-Mai 2015 02. April 2015 Zürich – Schaffhausen - Horb Christoph Ransmayr – Der fliegende Berg Schwarzer Schnee? Schwarzer Schnee: Wie verkohltes, von einem unsichtbaren Feuer zerrissenes Papier taumelten schwarze Flocken aus der Wolkenlosigkeit. Sich angewöhnen. Reisen, Strassen, Vorfreude, anregende Spannung, offen wie eine Antenne, Alltagsbewältigung im Wohnwagen, erste Übernachtung im Wohnwagen. 03. April 2015 Horb – Homberg Klarer Sternenhimmel (Nacht), Morgenkälte, Frische. Ich ist ein Er, eine Kunstfigur. Herr mit schwarzem Anzug, Hut und E-Gitarre. Er erkundet die (neue) Umgebung (visuell und akustisch), er nimmt wahr, er greift ein, er stellt sich der jeweiligen Umgebung. Er legt den Ort des Geschehens fest. Die Augen sind geöffnet, die Ohren horchen. Ganz Aug ganz Ohr. 04. April 2015 Homberg – Padenstadt (Neumünster) Sich anfreunden mit der Morgenkälte, erfrischend, erheiternd und ansporndernd. Camping-Leben: etwas gar fremdiges mit ungewohnten Momente.

die Saiten zum vibrieren gebracht (Resonanz). Aelosharfe oder Afflatus: Sinnbild für den Poeten. Lichtenberg beschrieb 1789 über eine 15-Saitige, fast 100 Meter lange und auf der einen Seite fast 50 Meter hohe Wetterharfe in einem Garten in Basel (G. L. Lichtenberg im Göttinger Taschenkalender, Rubrik: Neue Erfindungen, physikalische und andere Merkwürdigkeiten). Musik für Wind 13. April 2015 Kristiansund – Bud (Atlantic Road) Spiegelverkehrte Landschaft. Welt auf den Kopf. Regen und Hagel in der Nacht. Rhythmische Geräusche aufs Dach. Bitterkalt. 14. April 2015 Bud Regen, Regen, Regen, Regen, Wind..... Wunderschöner Spaziergang zuerst durch Wald und Moore, dann am Meer entlang. Plante eine Szene: Feedback-Klänge Versus Möwengeschrei. Nestplatz der zahlreichen Möwen gestern entdeckt, als die Vögel wunderbare gutturale Schrei-Klänge erzeugten. Heute, mit ganzer Apparatur nochmals vor Ort, aber die Vögel waren nicht mehr da! Hatten sie etwas vorausgeahnt? Wollen sie mich bestrafen oder benasführen mit hrer Abwesenheit? Ist es Boshaftigkeit? Ist es Spass? Oder ist es eine ganz simple und völlige Gleichgültigkeit vor dem menschlichen Tun? Nacht: Klang des Windes.

05. April 2015 Padenstadt – Frederikshavn (Sæbi – Dänemark) Meer. Immense Weite. Das immerwiederkehrende Erstaunen über die Entdeckung (oder Erfahrung?) der Weite und des speziellen Lichtes. Das Leben findet unter der Horizontlinie statt. Erinnerungen an eine andere Weite wird geweckt. An die als Kind erfahrene Weite der Po-Ebene.

06. April 2015 Frederikshavn (Sæbi ) – Oslo (mit Fähre) Schwankende Meeroberfläche. Schiffskabine. Schwanken als Bedrohung und Gefahr. Gleichgewichtsorgan befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Hör-Organ. Schwankendes Ohr? Schwankendes Hören?

16. April 2015 Ålesund Draussen Regen, Kälte, Wind und nochmals Regen. Innen warm, trocken, warm (Hotelzimmer). Tropfen an der Fensterscheibe. Aussicht auf Hafen. Kommen und Gehen. Abfahrt und Ankunft. Hier nach Dort. Dort nach Hier. Am Meerhorizont Hügelschären mit Schnee obendrauf.

07. April 2015 Oslo (Stadtbesichtigung) Elias Canetti – Das Buch gegen den Tod Heute vor fünf Jahren ist meine Mutter gestorben. Seither hat sich die erde von innen nach aussen gestülpt. Mir ist es, als wäre es gestern geschehen. Kann ich wirklich fünf Jahre gelebt haben, und sie weiss von nichts. Ich will sie aus dem Sarg zurückholen, und müsste ich jede Schraube mit den Lippen wieder aufdrehen. Ich weiss, dass sie tot ist. Ich weiss, dass sie verfault ist. Aber ich werde es nie wahrhaben. Ich will sie wieder lebendig machen. Wo finde ich ihre Teile? Am meisten von ihr steckt noch in meinen Brüdern und mir. Aber das ist nicht genug. Ich will jeden Menschen finden, der sie gekannt hat. Ich will alle Worte wiederhaben, die sie je gesagt hat. Ich muss ihre Orte betreten und ihre Blumen riechen, die Urenkel jener Blüten, die sie an ihre machtvollen Nüstern hielt. Ich will die Spiegel zusammenstückeln, die einmal ihr Bild geworfen haben. Ich will jede Silbe kennen, die sie hätte sagen können, in jeder Sprache. Wo sind ihre Schatten? Wo ist ihr Zorn? Ich leihe ihr meinen Atem. Auf meinen Beinen soll sie gehen. 15. Juni 1942 Stadt. Wo ist das Fremde? Das Andere? Was macht das Fremde aus? Das Auge späht. 08. April 2015 Oslo – Lillehammer Eine Landschaft rundherum die sich langweilig und nichtssagend anfühlt. Eine zu Grosse Ähnlichkeit mit der bekannten Umgebung (Schweiz)? Musik für zwei Birken (Hin und Her). 09. April 2015 Lillehammer – Dovre Langsame Änderung wie sich die Landschaft, die Umgebung sich präsentiert. Immer noch nichtssagend? Das Fremde zeigt sich ganz langsam. 10. April 2015 Dovre – Molde Molde und seine Schären...... Auf einer Insel war Kurt Schwitters im Exil. Nach Wolfgang Müller (Die Tödliche Doris, Berlin) hört man auf dieser Insel ab und zu Vögel, die ähnliche Laute wie bei Schwitters URSONATE hervorbringen. Vögel als Ton-Träger des Gewesenen. Schöne Vorstellung. Wer kriegt die Urheber-Tantiemen? 11. April 2015 Molde (Stadtbesichtigung und Hausberg) Durch Schneefelder gestapft. Schären-Landschaft. Austernfischer – Haematopus ostralegus Musik für eine schwankende Mole. 12. April 2015 Molde – Bud – Kristiansund (Atlantic Road) Gewaltige kolossale Landschaft, und immer wieder das kindliche Erstaunen betr. Weite, Licht usw. Farbspiel in den Wolken, in der Landschaft und auf der Meeresoberfläche. E-Gitarre wird zu einer Äolsharfe. Durch Einwirkung eines Luftstroms werden

Musik für Möwen (gescheitert)

15. April 2015 Ålesund Fahrt in Begleitung von Wind und viele, allzuviele Regentropfen. Graue aber wundervolle nördliche Landschaft.

17. April 2015 – 19. April 2015 Vogelinsel Runde (bei Ålesund) Möwen, Grau-Möwen, Raub-Möwen, See-Adler, Seehunde..... Sonne, Wind und weiter Raum. Innere Zufriedenheit und Ruhe. Insel = Abgeschlossener und übersichtlicher Raum, trotzdem eine innere Weite weckend. Die Insel ist ein Raum-Oeffner.

Musik für eine Landschaft Musik (Miniaturen) für eine Camping-Hütte

20. April 2015 Sande Philippe Jaccottet – Sonnenflecken, Schattenflecken All diese Vögel, in Schwärmen oder allein, kreisend, herabschiessend, aufsteigend: welche Kraft lässt sie die Luft bewohnen? Sie schreien „hier, hier, hier“, und dieses Hier ist niemals da, wo sie sind. Wanderung zum Brigsdale-Gletscher. Eingefrorene Zunge, die eine mit Birken bewaldete Landschaft kitzelt. Spiegelungen im zum Teil zugefrorener kleinen See. Verkehrte Welt als hyperscharfe Erscheinung auf der Wasser- und Eisoberfläche. Wunderbar gewundene Birkenwäldchen. Birkenholz (Norvegian Wood). Kälte obwohl Sonne. Lautes stilles Licht.

Musik für vorüberziehende Landschaft Musik für (mit) Kieselsteine Musik für eine Parkbank Musik für eine Gletscherzunge Musik für eine Umsteige-Mole aus Holz Musik für ein Fels Musik für zwei Felsen Musik für ein Zweig Musik für norwegisches Holz

20. April 2015 Vassenden Tankstelle und rauschende Flüsse...... Rausch (Noise) überdeckt andere Klänge. Ausradieren von Geräuschen. 21. April 2015 FlØro Regen, Regen und übler Gestank von Abwasser...... penetrant. Geruch der sich in der Erinnerung einbrennt. Erinnerung in der Nase? Draussen aber ein herrlicher Regen mit vielen Grauschattierungen und differenzierter Geräuschkulisse. Tote, fast Menschenleeres Städtchen. Pflaster nass, brüchig und starkreflektierend.

Musik für eine (abgeschabte und verbrauchte) Küche


Musik für Taschenlampe Musik für Stuhllehne Musik für Stuhl Musik für Küchenwand

23. April 2015 bis 25. April 2015 Bergen Wochenaufenthalter im Camping und völlig unerwartet: eine Pferderennbahn ganz in der Nähe. Ansager-Stimme (mit Flatter-Echo). Eine gestikulierende Stimmlage. Crescendo, je nach Gewinner im Rennen. Stadt aus der Vogelperspektive. Anfängliche Befremdung wegen den vielen Leuten rundherum (meistens Menschen aus Littauen und Spanien), aber zunehmend sympathisch. Flanieren mit Regen durch die Stadt. Austellungen, Aquarium. Schwarm Fische der sich gleichmässig und wie ein Tornado in Zeitlupe im Kreis bewegt.

Musik für ein Gebüsch

26. April 2015 Odda Symmetrische Spiegelung in der Berglandschaft. Kälte obwohl Sonne. Wundersamer stilles Licht. Alles schon gesehen auf dieser Reise, aber doch ganz Anders. Spiegelung der Erinnerung? Oder: Erinnerung an die Erinnerung an die Erinnerung usw? 27. April 2015 RØldal Hausdächer im Schnee. Weiter und akustisch leergeschluckter weisser Raum. Leeres Blatt und Stille ohne Echo. Eine Linie in unberührte Schnee gezeichnet (mit Gitarre), der Klang eher stumpf und abgedämpft. Klang unter Watte (eben: leergeschluckt). Musik für Schnee 28. April 2015 Rjukan Schiessübungen (Gewehr?). Klang der wie ein Rinnsal durch das Tal geht, von Links nach Rechts. Links und Rechts Hohe Felswände. Musik für Sträucher. 29. April 2015 Seljord See. Inselchen im See. Strassenlampen im Strand. 5-Uhr-Morgen-Licht und Stille. Wasseroberfläche spiegelt den Morgen-Himmel. Wasseroberfläche als Echo. 30. April 2015 – 03. Mai.2015 Sandefjord (Vesteroja) Engel, Seraphim, Cherubin...... Bunker-Anlage an einem schönen Ort. Trügerische Idylle. Zeitgeschichte die präsent ist und doch vergessen daliegt. Klangstein. Lithophon. Klangkörper aus Stein, die durch Anschlag in Schwingung versetzt werden. Nacht-Fähre, wie ei Kandelaber beleuchtet fährt ganz langsam und still in Richtung Hafen von Sandefjord. Gespentisch und faszinierend. Musik für einen Kreis (einmal umkreisend) Musik für einen Kreis (mehrmals umkreisend)

rufer entlang, dann (durch eine vermeintliche Abkürzung) zu Lange auf Asphalt gelaufen und zuletzt: den Bus verpasst! Friedliches Licht, alles „englisch“ anmutend..... Friedlich und still. Friedlich Seiendes. Der Ort nur durch Zufall“entdeckt“. 09. Mai 2015 Kopenhagen Lousiana-Museum (Jeff Wall; David Hockney –Zeichnungen; Richard Mosse, Peter Doig) Jeff Wall: Situationen als Verdachtsmomente. Die Fotos zeigen ein Kurzes Bevor und/oder ein kurzes Danach. Das hauptgeschehen ist abwesend. Fotografischer Moment der sich beim Betrachten desselben auflädt. Bildtafeln (Grossformatig) in der das Auge des Betrachters herumspaziert und immer wieder Neues (Details, Verweise und Andeutungen) entdeckt. David Hockney: Kohlezeichnungen! Detailgetreue zeichnerische Struktur versus zeichnerische Andeutung, Verwischung, Tonung (Grauwerte). Was (wie) lässt der Zeichner aus? Was (wie) betont er? Unprätentiöse Show, berührend und beglückend. Richard Mosse: die Video-Installation wirkt hilflos und angestrengt. Der Künstler ist bemüht ..... Zu viele „ästhetische falsche Momente und zuviel Selbstzweck“..... Peter Doig: links liegengelassen....... „Giacometti-Room“: wunderbar, nicht nur wegen der diversen Skulpturen, sondern auch wegen der Architektur. Architekten: JØrgen Bo & Vilhelm Wohlert 10. Mai 2015 – 13. Mai 2015 Kopenhagen Eindruck der Stadt: frisch, lebendig, heiter, wunderschön, jugendlich...... Ausstellungsbesuch: „What’s Happening? – Avant-garde art and feminism in the 1960s and 70s“ im SMK National Gallery of Denmark. Ueberraschende und inspirierende Ausstellung! Film: Fargo von Björn Norgaard 1969 (Musik von Henning Christiansen); Video von Kirsten Justesen und Jytte Rex „Sleeping Beauty“ 1971; frühe Bilder von Per Kirkeby; Susanna Ussing (Kartoffel aus Gips mit Haaren); Paul Gernes; Stig Brogger; Lene Adler Petersen Collage/Installation). Botanischer Garten leider geschlossen! Besuch wird auf den morgigen Tag verschoben...... Das grüne Ohr von Henning Christiansen..... „Ueberall wo die Menschen gewirkt haben, prägen sich die Bilder ein“ „Denkt mit den Augen“ Zitate aus der Installation von Lene Adler Petersen. „Pamela thinks of approximately six tons“ Zitat aus der Installation von Stig Brogger. Weitere KünstlerInnen: Peder Balke (4.11.1804 – 5.2. 1887 - Norwegischer Maler) Martin Erik Andersen *1964 Thomas Bang * 1938; Julia Oschatz (Ausstellung in der Galerie Mikael Andersen „Sight by Sight). Zitat der Ausstellung: „Der Blickfindet die Welt nicht fertig vor, er ist weiter für ihre Entstehung mitverantwortlich“ Otto Pächt BIRD vom Architekten Kristian Vedel. THE BOWL von Jörgen Möller & Nanna Skibsted.

04. Mai 2015 Kungshamn (Schweden) Jean-Luc Nancy – Zum Gehör Das Hören öffnet (sich) der Resonanz und die Resonanz öffnet (sich) dem Selbst: Das heisst gleichzeitig, sie öffnet auf sich (auf den widerklingenden Körper, auf seine Schwingung) und sie öffnet auf das Selbst (auf das Sein, insofern sein Sein sich für sich selbst ins Spiel bringt). Ein Ins-Spiel-Bringen nun, das heisst der Verweis einer Präsenz auf etwas anderes als sie selbst, auf eine andere Sache (autre chose) oder auf eine Abwesenheit von Sache (absence de chose), der Verweis eines Hier auf ein Anderswo, eines Gegebenen auf eine Gabe und stets, in gewisser Hinsicht, von etwas auf nichts (rien).......

Musik für eine grüne Hecke (Hommage an das grüne Ohr von Henning Christian sen) ....leider durch eine Ueberzahl an frei laufenden Hunden nicht zur Aufführung gekommen. Wird nachgeholt.....

Versuchte eine Möwenschar dazu zu bewegen (mittels vergebliches Brotkrümelwerfen) mit mir zu musizieren. Nichts! Die Vögel ignorierten mich gänzlich. Ich bleibe dabei: Vögel zeigen an uns Menschen ein völliges Desinteresse.

14. Mai 2015 Insel FanØ Susan Sontag – The Doors und Dostojewski – Das Rolling-Stone-Interview mit Jonathan Cott Du bist nicht die Welt, die Welt ist nicht mit dir identisch, aber du bist in ihr und schenkst ihr deine Aufmerksamkeit.

Musik für das Ausschauen nach Vögel

05. Mai 2015 Göteborg Stau. Langer Stau. Ca 1 ½ Std als „verlorene und nichtige“ Zeit. Ursache des Staus war nicht bekannt auch dann als der Stau wie aus dem Nichts sich auflöste. Zeit ohne Anspruch und zum Vergessen. Rainy-Day. Abweisender Ort..... aber am Schluss doch noch ein schönes Plätzchen gefunden. 06. Mai 2015 – 09. Mai 2015 Torekov (Skåneleden) Jean-Luc Nancy – Zum Gehör Ein offenes Ohr haben, lauschen, das ist also immer ge spannt sein zu oder in einem Zugang zum Selbst (accés au soi) (J. L. Nancy) Meer, Wind, Weite und Ruhe. Grosse Wanderung, erst wunderschön am Mee-

13. Mai 2015 Insel FanØ Wattenmeer, starker Wind, immense Weite, Nordsee. Im Wirkungsbereich der Gezeiten. Herrlich...... Am Strand zwei Kinder, die laut und spitzig gegen den Wind schreien in der Hoffnung, dass ihr Geschrei das Geräusch des Windes übertönt.

Am Wattenmeer spaziert. Das quasi verschwinden im schier unendlichen Raum, nichts bedrohliches aber auch nichts vertrautes oder beschönigendes. Melancholie breitet sich aus. Die kleinen Menschen, die man ab und zu in der Weite sichtet, ihre Reduzierung auf etwas Kleines, auf ein Pünktchen, ihr „Geschrumpft-Sein“ hat gleichzeitig etwas von Komik aber auch etwas von Dramatik und Grossem. Der Raum atmet. Vögel: Sanderling, Stare und Austernfischer 15. Mai 2015 Insel FanØ Susan Sontag – The Doors und Dostojewski – Das Rolling-Stone-Interview mit Jonathan Cott Es gibt kein Bewusstseinmehr für das Heilige oder eine andere Form von Transzendenz, über die Menschen geredet haben, seit sie denken können. Das religiöse Vokabular, mit dem dieser andere Zustand beschrieben wurde, ist verkümmert.


Fahrrad gemietet und damit denStrand entlang gefahren (Rückenwind!). Fahrradtempo so gehalten (kann gar nicht schneller fahren), dass doch ein beobachtendes eintauchen in der Landschaft möglich war. Keine Robben auf den Sandbänken gesehen. Dafür unzählige Sanderlinge und Möwen. 16. Mai 2015 Insel FanØ Vogelkoje – Der Name Vogelkoje stammt aus dem holländiscen und bedeutet „Kooi“ –Falle. Ursprünglich stammt die Vogelkoje aus Japan und kam im 13. Jahrhundert nach Holland. Die Vogelkojen auf Fanö sind die grössten, die in Dänemark angelegt worden sind. Mit Hilfe von zahmen Enten (Lockenten) wurden die wilden Enten (Stockenten, Krickenten, Spitzenten und Pfeifenenten) gefangen und getötet. Im Jahr 1931 kam ein neues Jagdverbot und es durften keine Enten mehr gejagt werden. Einige Vogelkojen werden heute als Museum oder als Vogel-Markierungsstation genützt. Das Markieren der Vögel mit Ringen ist eine dänische Erfindung (H.C. Mortensen). Springflut (Neumond) Nippflut (Halbmond) Springflut (Vollmond)

Musik für Wattenmeer Musik für kleine Hecke

17. Mai 2015 Insel FanØ In ca. 150 meter Entfernung ein toter Robbe am Strand! Nicht in der Nähe gegangen, wollte mir den Anblick ersparen. Star: ist für sein „Spotten“ berühmt, also für seine Fähigkeit, Tierstimmen und Laute zu imitieren. Der Star (vornehmlich das Männchen) lässt sich stark durch seine unmittelbare Umgebung inspirieren: Handy-Klingeltöne, miauende Katzen und knarrende Türen. Je grösser das Singvermögen ist, umso besser stehen die Chancen auf ein Erfolg bei den Weibchen. Nahe an einem Fussballplatz hat man sogar einen Star erlebt, der die Schiedsrichterpfeife zu imitieren verstand. Der Vogel hat bei den örtlichen Fussballspielen für viel Verwirrung gesorgt, besonders weil sich ein Schiedsrichterpfeifen-gesang bei zunehmender Aktivität des Schiedsrichters intensivierte – wahrscheinlich weil der Star den Schiedsrichter als Nebenbuhler wahrnahm. Stare bewegen sich in riesigen Schwärmen. Die Schwärme ziehen sich ähnlich wie ein Fischschwarm ruckartig zu annähernder Kugelform zusammen, pulsieren oder bilden Wellen. Diese Manöver sollen wohl im Wesentlichen dazu dienen, dem angreifenden Greifvogel dfie Auswahl eines einzelnen Vogels unmöglich zu machen. Musik für Wind und Dünen 18. Mai 2015 Insel FanØ nach Soltau (D) Am Hafen auf der Insel Fanö (beim Warten auf der Fähre), ca. 7 Robben auf einer Sandbank gesichtet. In Soltau den Frühling gerochen (Flieder usw). Ueppige und saftige Natur. 19. Mai 2015 Soltau nach Halberstadt Halberstadt die Orgelstadt! Besuch in der Burchardi-Kirche in Halberstadt. Das Stück Organ2/ASLSP (As Slow As Possible) von John Cage angehört (resp. „nur“ ein ganz kleiner Teil davon gehört, denn das Stück hat eine Gesamtdauer von 639 Jahren!). Was ist Dauer in der Musik? Hören im Raum, Skulpturale Musik, Erfahrung der Ausbreitung von Klang im Raum. Musik, die in die Zukunft sich denkt. Klänge, die mein Leben überdauern werden...... Besuch des Doms zu Halberstadt, Martinikirche (Gröninger Orgel von David Beck 1592) und Liebfrauenkirche (viertürmige romanische Basilika mit wunderschönen Chorschranken 1200). Domplatz „Kultivierung der Leere“. „Im Zusammenhang mit der Erforschung von Leere in Halberstadt wird auf dem Domplatz deutlich, dass Leere auch erhaben und schön sein kann“ „Im Unterschied zu anderen europäische Stadtplätzen wie den Märkten herrscht hier im Kern des alten Halberstadt eine angenehme Offenheit, Weite und erhabene Stille. Mit dem Wechselspiel des Himmels setzt sich der Platz täglich neu in Szene.“ 20. Mai 2015 Halberstadt nach Dessau (Bauhaus) Uebernachtung im Ateliergebäude im Bauhaus / Rekonstruierte Atelierwohnung (Gropiusallee 38). Führung Bauhaussiedlung Dessau-Törten (Walter Gropius Reihenhaussiedlung 1926-1928; Konsumgebäude 1928); Laubenganghaus (Hannes Meyer 1930); Stahlhaus (Muche/Paulick 1926/27); DEWOG Siedlung (Richard Paulick 1930, 1931). 21. Mai 2015 Dessau (Bauhaus) Besuch Hauptgebäude Bauhaus und Meisterhäuser (Walter Gropius, Moholy-Nagy, Muche, Feininger, Schlemmer, Klee, Kandinsky). Ausstellungseröffnung über Hannes Meyer (2. Bauhaus-Direktor). Nazi-Deutschland (und später auch DDR-Deutschland) hat alles gewaltsam erstickt. Sie hatten Angst vor so viel Modernem, von so viel Künftigem und vor menschlicher Neugierde und Forschungsgeist. Welch ein Bösartigkeit und

welch eine Traurigkeit. 22. Mai 2015 Dessau – Weimar Besuch Goethe-Nationalmuseum mit Goethes Wohnhaus – Haus am Frauenplan (Gebronzte Gipsabgüsse in dunklen Nischen, Farbkonzeption im Haus, der Garten). Sonderausstellung „Lebensfluten – Tatensturm) Foto-Postkarten von Ute Klophaus (Goethes Haus) entdeckt...... Weimar geschlendert, Park mit Goethes Gartenhäuschen und Schillerhaus auf Morgen vertagt....... 23. Mai 2015 Weimar Goethes Gartenhaus (Park an der Ilm); Schillerhaus; Römisches haus; Rebecca Horn – Installation Konzert für Buchenwald (E-Werk Weimar). Weimar ist ein Museum. Erstarrt in der Verherrlichung von Goethe und Schiller (und weitere mehr....). Touristisch geplündert und verzerrt. 24. Mai 2015 Weimar - Ilmenau Wanderung um den Kickelhahn, Goethehäuschen, Herrmannstein (Fels und Höhle), Goethe‘s Gedicht „Ueber allen Gipüfeln ist Ruh.....“

Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur – balde Ruhest auch du. J. W. v. Goethe 6. Sept. 1780

Goethehäuschen ist eigentlich ein Museum für ein Gedicht....... ein schöner Gedanke. Flechten und Moosen (Bioindikatoren). Goethe zum (jungen) Mendelsson Bartholdi: „Komm Jüngelchen, mach mir ein bisschen Lärm“ 25. Mai 2015 Ilmenau – Günzburg (bei Ulm) Ausgestorbene Stadt. Trist und nix Heiteres, Helles und Leuchtendes....... Wo ist denn der Goethe hin? Im Wohnmobil das Vertraute Geräusch von Regentropfen. Herrlich und „häuslich“ anmutend! Die aufgezeichnete Video-Sequenzen angeschaut....... Wunderbar, freue mich auf das zusammenstellen, auf das „Komponieren“ der Szenen. Was für ein Titel wird das Video haben? 26. Mai 2015 Ulm anschliessend weiter nach Hausen i. T. (bei Beuron, Sigmaringen – oberer Donautal) Ausstellungen in Ulm: Kunsthalle Weisshaupt – Philippe Decrauzat ; Robert Longo (Kohlezeichnung die Welle); Markus Oehlen (Malerei) Ulmer Museum: „Löwenmensch“ und andere Prähistorische Funde der Region Alch- und Lonetal, Schwäbischen Alb bei Ulm. Geierknochenflöte (Entdeckt im Jahr 2008!) und die sog. „Schwanenflügelknochenflöte“ von der Schwäbischen Alb. Alter: ca. 35000 Jahren (!), gilt als die ältesten Musikinstrumenten, bzw. die ältesten Flöten, die zur Zeit bekannt sind. „Venus vom Hohle Fels“...... wie klein sie ist...... Münster in Ulm besucht. Deckengewölbe (Seitenschiffe) wie filigrane Baumäste oder Aderkanäle. Versuchter Turmaufstieg, musste aber abbrechen wegen Schwindelgefühl. Victor Hugo nannte die Musik „Das Geräusch, das denkt“. 27. Mai 2015 Hausen i.T. (Beuren / Sigmaringen) nach Zürich An der Donau (oberer Donautal). Das ruhige dahinfliessen, eine Metapher für geronnene Zeit, für verbrachte Zeit..... 28. Mai 2015 Zürich Auto geputzt und in Ebikon (Garage Portmann) abgegeben.... Fazit eine inspirierte, produktive, wunderschöne Zeit!


Eindrücke / Alle Fotos: © Luigi Archetti, 2015


Bilder: Luigi Archetti / Video-Stills aus „Musik für Wind - 2015“ / © by Luigi Archetti, 2015


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