eigenart #76-80

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Mensch und kein mit akademischen Phrasen programmierter Roboter des Kunstdiskurses. Etwas ungeübt, doch nicht ohne Stolz, präsentiert Herr Rausch dem Publikum die Fotos einer Kunstsammlung, deren Eigentümer er ist. Bedeutend ist das deshalb, weil diese Sammlung aus Werken ehemaliger Studierender einer Stars produzierenden Kunsthochschule besteht, welche die Studierenden Hartmut Rausch über die Jahre geschenkt haben. Eine Kunstsammlung als Momentaufnahme Frankfurter Kunstsoziologie, ähn­lich den zwischendrin gezeigten Fotos von Grillparties im Städelgarten – die Konstellation ruft leise Empörung hervor. (Oder ist es nur der Neid im Angesicht der altbekannten Old-Boys-Networks und einer zufällig zusammengewürfelten Sammlung, die sich un­versehens an den Wänden der Portikus-Galerie und der Berliner Kunst­werke wiederfindet?) Hartmut Rausch selbst trifft dabei keinerlei Vorwurf, sondern vielmehr diejenigen, die ihn auf die UdK-­Bühne bestellt haben; diejenigen, die auf den Kontext der informellen Kunst­hochschulnetzwerke als Karriere-Katalysator setzen und die diese Kultur des gegenseitigen Schulterklopfens und VorteileZuschanzens nicht als Probleme thematisieren, sondern durch Herrn Rauschs kuriosen „Fall” anekdotisch aufbereiten. Im weiteren Verlauf nehmen zwei VertreterInnen von Berliner Galerien zu der Frage nach künstlerischem Erfolg Stellung, wobei Giti Nourbakhschs radikal ehrliches Statement, dass Galerien nichts an der Kunsthochschule zu schaffen hätten und dass die Studierenden sich keine großen Illusionen über die Galeriewelt dort draußen machen müssten, noch am gradlinigsten daher kommt. Auch die Forderung nach einer fundierteren Ausbildung im Hinblick auf Kunstkritik ist in Person von Ludwig Seyfarth vertreten, der ein überzeugendes Plädoyer für die notwendige Arti­­ kulationsfähigkeit der Studierenden in Bezug auf die eigene Arbeit im Kontext sowohl der Gegenwartskunst als auch kunstgeschichtlicher Grundlagen hält. Die in der Struktur der künstlerischen Ausbildung an der UdK angelegte strikte Trennung von Praxis und Theorie wird leider ausschließlich durch diesen Gast reflektiert, der kaum Einblick in diese anachronistische und ärgerliche institutionelle Praxis der Fakultät Bildende Kunst hat. An dieser Stelle vermissen wir ein Panel mit Mitarbeiter_innen und Studierenden der Fakultät, die diese Unzulänglichkeit ausführlich und auch im Ver­gleich mit anderen internationalen Kunsthochschulen hätten erör­tern können. Offenbar war diese Problemlage jedoch kaum auf der programmgestaltenden Ebene artikuliert worden. Dies zeigt sich im Rahmen dieses Symposiums auch in der Marginalisierung der theoriebasierten oder theorienahen Institute der Fakultät zugunsten einer Diskussion über Materialkultur und Distributions­ konventionen. Von einigen Andeutungen abgesehen, wurden die Probleme, die wir als Studierende in der Fakultät Bildende Kunst täglich vor Augen haben, fast vollständig ignoriert, auch fehlte jegliche Selbst­kritik der künstlerischen Lehrinstitution. Bei dem vielen Sprechen über Kunstmarkt und Galerien wurde vergessen zu erwähnen, wie viele der UdK AbsolventInnen tatsächlich von künstlerischer Produktion Bauch und Kopf ernähren können. Hilfreich wäre eine strukturelle Kritik des Kunstsystems und darin eine progressive und zeitgemäße Umrandung des künstlerischen Arbeitsfeldes gewesen. Es hätte in diesem Zusammenhang nicht geschadet, eine solche Übersicht bspw. von einem Vertreter / einer Vertreterin des Berufs-

verbandes Bildender KünstlerInnen zu bekommen. Dass die Hochs­ chule solche Erhebungen nicht selbständig vornimmt, liegt nahe. Geradezu zynisch erscheint es in diesem Hinblick, dass die Diskussionsrunde zum Thema „Was ist Erfolg?“ die einzige Gelegenheit bietet, eine Studierende auf der Bühne zu sehen und dass dieser Austausch am Ende des Symposiums stattfindet. Eine Diskussion über den Studienerfolg zu Beginn der Veranstaltung könnte ihn als selbstgewählte Kenngröße der Ausbildung definieren und „Erfolg“ nicht als zufällig eintretendes Zusammenspiel der Kräfte des Marktes und kuratorischer Diskurse erscheinen lassen: bezeichnenderweise hat die Fakultät BK hierzu wenig anzubieten. Auch die in den letzten Jahren erfahrenen Zurichtungen der Kunsthochschulausbildung (oder sollte man gar vom Verlust künstlerischer und akademischer Autonomie sprechen?) bei den KunstpädagogInnen durch die Einführung des BA/MA-Modus wird nicht diskutiert. Stattdessen werden mit den Mythen von Autonomie, Materialverliebtheit, Studio-Individualismus und dem hartnäckigen Glauben an größtenteils männlich geprägte Buddy-Netzwerke weitere Blasen reproduziert. Zu gute halten möchten wir, dass wir die Gesichter und Stimmen aller Lehrenden der Fachklassen (mit Ausnahme der GastprofessorInnen) zu sehen und zu hören bekommen, und mit allerlei Informationen zu den „closed shops” der Fachklassen versorgt werden. Dass diese Berichte teils erfreulich und teils haarsträubend ausfallen würden, war sicherlich schon im Vorfeld abzusehen. Doch genau diese Art von Diver­sität hätte zumindest eine Grundlage für eine interessantere Diskussion als diejenige bieten können, die über den Tag geführt wird. Es gibt viele Gesichter zu sehen, doch um welchen Preis: auf Grund der fehlenden studentischen Mitgestaltung, lückenhafter Repräsentation der Lehrenden, fehlender Partizipationsmöglichkeiten und fehlendem Follow-Up stellt sich die Frage, ob Veränderungen in der Fakultät überhaupt eingeplant waren. Die insgesamt diskursfeindliche Gestaltung des Tagesprogramms legt nahe, dass diese Art von Veranstaltung reinen Repräsentations-Zwecken dient und weit davon entfernt ist, eine Akademie als Potenzial zu verstehen.7

die evaluation des nichts

Anmerkungen:

1 – zitiert aus einem persönlichen Gespräch mit Dehning/Scheffler vom Referat Kommunikation und Marketing am 30.03.2011 2 – Bericht des Präsidenten im Akademischen Senat am 8.7.2009 3 – Pressenewsletter der UdK November 2010 4 – Bericht des Präsidenten im Akademischen Senat am 3.11.2010 5 – lediglich zweimal wird das Symposium in den Protokollen des Institutsrats am 16.6.2010 und im Fakultätsrat am 10.11.2010 erwähnt – das erste mal, um nach Zustimmung zum Titel zu ersuchen, das zweite mal, um einen Tag vorher daran zu erinnern 6 – nur Michael Fehr tritt in Form eines wenig aufschlussreichen Testimonials und in der Rolle des Kurators der begleitenden Ausstel- lung in Erscheinung 7 – zur Akademie als Potenzial siehe Irit Rogoff „Academy as Potentiality“, http://summit.kein.org/node/191, abgerufen am 22.4.2011 Literaturempfehlung:

Jaques Derrida, „The University Without Condition”, in: Alibi, Stanford University Press, 2002. Publikationsreihe „Unbedingte Universitäten”, Diaphanes Berlin

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