Dark Feather # 24

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AUSGABE 24

FRÜHJAHR 2013 1


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DARK FEATHER # 24

INHALT

04 Intro 46 Impressum

Künstler: 34 Aeon Sable 130 I-M-R 44 Killing Tofu 057 Molllust 26 Mystigma 23 Sturtzfrequenz 380 Totengeflüster

Specials: 30 Literatur-Lounge: Michael Buttler

Dark Feather „...pearls from the Underground Vol. 24“

19 Szene-Story: Gothic Christ

Der CD-Sampler zur Ausgabe mit:

10 Künstlerportrait I: Aeon Sable, Killing Tofu, Molllust,

Barbara Klingenberg

36 Künstlerportrait II:

Sturtzfrequenz und Totengeflüster

J-R-M

43 Gedanken

zum Free Download auf unserer Seite: www.darkfeather.de

www.darkfeather.de Facebook: Dark Feather-Zine www.myspace.com/darkfeather_zine

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DARK FEATHER # 24

INTRO

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Tage sind spürbar länger geworden, der Frühling hat Einzug gehalten, doch ganz überstanden ist der Winter noch nicht, herrschen draußen doch noch Minusgrade als ich dieses Intro schreibe. Doch so wie sich die Natur regelmäßig erneuert, so ist es auch uns wieder gelungen, Euch ein neues Dark Feather Magazin zu präsentieren. Aus aktuellem Anlaß, unterhielt sich Axel mit Mystigma, haben die Dark Rocker doch im März ihr nunmehr 4. Album veröffentlicht. Mit der Szene-Story zum jährlich, im Rahmen des "WGT", stattfindenden "Gothic Christ", geben Axel und sein Interviewpartner Franz Steinert einen Ausblick auf das, was interessierte Besucher im Mai in der Leipziger Peterskirche erwarten können. Aber auch den Opera-Metallern von Molllust solltet Ihr einmal Euer Ohr leihen wie auch Totengeflüster, die sich mit ihrem Symphonic Black Metal abseits gängiger Klischees bewegen und mit ihrem Debut ein vielschichtiges und ambitioniertes Gesamtkunstwerk geschaffen haben. Apropos Kunst: Für die Künstlerportraits von J-R-M - Fotografie und Barbara Klingenberg zeichnet dieses Mal unser Nino verantwortlich. In der Literatur Lounge stellen wir Euch den Autor Michael Buttler und seinen Roman "Die Bestie von Weimar" näher vor. An seinen Gedanken läßt uns erstmalig der vielseitige Autor und Künstler Raimund J. Höltich lyrisch teilhaben. Ralf Jesek spricht im Interview mit Axel über sein neues Projekt I-M-R. Das Alternative-Rock-Duo Killing Tofu beehrt das Dark Feather zum zweiten Mal und mit Sturtzfrequenz stellt sich ein recht untypisches EBM-Projekt vor. Ihr seht also, Dark Feather #24 ist in der inhaltlichen Ausrichtung seiner Beiträge wie auch der vorgestellten Bands und Künstler erneut sehr abwechslungsreich geworden, deckt sehr unterschiedliche Stile und Interessensgebiete ab und verspricht somit ein informatives wie auch unterhaltsames Lesevergnügen. Doch der Frühling ist auch eine Zeit des Wandels und vielleicht hat der eine oder andere von Euch, bei einem Blick auf den Inhalt, schon das Fehlen einer bestimmten Kolumne bemerkt? Ich spreche hier von Kikis "Meine Dunkle Seite". Leider muß sich Kiki eine Auszeit beim Dark Feather nehmen, um sich voll auf ihre berufliche Zukunft konzentrieren zu können. Aber sicherlich wird es in Form von Gastbeiträgen ein Wiederlesen mit ihr geben. Kiki, wir danken Dir für Deine kompetente Mitarbeit und Deine zahlreichen Beiträge, die nicht nur eine Bereicherung für das Dark Feather waren, sondern in denen Du Dich auch engagiert für den Female Fronted Metal und die Anerkennung von Frauen im Rockbusiness eingesetzt hast! Wir wünschen Dir alles Gute für die Verwirklichung Deiner Pläne! Aber auch Nino, dem wir u.a. den gelungenen und professionellen Webauftritt des Dark Feather verdanken und der die Redaktion ebenfalls mit interessanten Beiträgen versorgt hat, wird sich verstärkt seinen beruflichen Aufgaben, den multimedialen Künsten, wie auch seinen zahlreichen Bandprojekten, dessen bekanntestes sicherlich Aeon Sable ist, widmen und mit Dark Feather #24 seine Abschlussarbeit vorlegen. Auch ihm danken wir für seine Mitarbeit und wünschen ihm den verdienten Erfolg! Wir alle arbeiten ja mit viel Idealismus und Herzblut in unserer freien Zeit an den Artikeln, Interviews und Rezensionen, um Euch, liebe Leserinnen und Leser, ein interessantes und anspruchsvolles Magazin bieten zu können, mit Beiträgen, die es anderen Ortes so nicht zu lesen gibt. Und um diesen selbstgestellten Qualitätsanspruch auch weiterhin halten zu können, gilt es demnächst die ein oder andere organisatorische Klippe zu umschiffen, so dass wir das Erscheinen unserer Jubiläumsnummer, des Dark Feather #25, zunächst einmal auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. Eine Entscheidung, die uns gewiß nicht leicht fällt, aber eine schlichte Notwendigkeit darstellt, damit unser Jubiläum zu dem herausragenden und besonderen Ereignis wird, mit dem wir, aber vor allem Ihr da draußen rundum zufrieden sein können/ könnt. Über die weitere Entwicklung werden wir Euch über unsere Facebook-Seite auf dem Laufenden halten. Wir danken Euch für Eure Treue! Bleibt uns gewogen und unterstützt den Underground! Stefan und das Dark Feather - Team PS: Die Verlosungsaktion der VADOT-CD´s wird übrigens fortgesetzt! Wer uns ein Feedback in Form eines Leserbriefes oder einer Mail zum aktuellen Dark Feather schickt, hat Chancen auf ein Exemplar von "Teufels Beitrag"! Schreibt Eure Meinung einfach an die Redaktion. (April 2013)

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Opera-Metal aus der Perspektive der Klassik

Die Band MOLLLUST aus der Bachstadt Leipzig gibt es seit Anfang 2010. Das Sextett unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Opera-Metal-Bands. Dadurch, dass die meisten Bandmitglieder einen Background in der klassischen Musik haben, besitzen die Songstrukturen auch eine andere Ausrichtung als typische Metal-Songs. Das „Lied zur Nacht“ auf unserem Sampler gibt Euch einen Hinweis auf die sehr experimentelle Herangehensweise der Band. Im letzten Jahr erschien das Debut-Album „Schuld“. Hallo Janika. Willkommen bei uns im Dark Feather Magazin. Letztes Jahr erschien Euer Debut-Album „Schuld“. Bevor wir ins Eingemachte gehen: was für ein Gefühl ist es, wenn man das erste Album seiner Band das erste Mal in Händen hält? Hallo Axel! Das kann man schwer beschreiben. Zunächst einmal natürlich eine gehörige Portion an Stolz, Freude, Genugtuung, sein „Baby“ jetzt so richtig greifbar in den Händen zu halten. Doch dann kommt viel mehr hinzu. Die ganzen Erinnerungen, die daran hängen – die unglaubliche Freude, zu sehen, wie das Ganze im Studio Gestalt annahm, aber auch die vielen kleinen Hürden auf dem Weg dahin. Die nervliche Anspannung, die Erschöpfung, bei jedem Bogenstrich

mitzufiebern und zu hoffen, dass das, was man im Kopf hat, die CD auch so transportieren können wird. Das Wissen, dass die CD nie perfekt sein kann – und die Frage: Lag unsere Messlatte an uns selbst hoch genug? Dann die Angst, das „Baby“ auf die Realität, die Welt loszulassen – werden die Leute es mögen, es verstehen? Wird die Kritik ihm Unrecht tun, wird es geliebt? Wohin wird das alles führen? Und dann wieder die Hoffnung, der Welt etwas ganz Eigenes, Persönliches geben zu können, die Neugierde auf die Reaktionen, das Bangen, dass auch etwas zurück kommt. Wenn ich die CD höre, höre ich immer alle kleinen Makel, ärgere ich mich über die kleinen Unzulänglichkeiten. Ich würde am liebsten wieder ins Studio fahren und hier

und da einen Ton austauschen. Doch ich weiß auch, dass dies eine unendliche Geschichte ist – ein bisschen besser geht immer. Und dann freue ich mich wieder an den gelungenen Passagen und besonders schönen Tönen. Meine Bandmitglieder haben schon häufig zu mir gesagt: „Sei nicht so streng zu dir selbst.“ Doch gleichzeitig ist das auch der Ansporn, immer weiter an sich zu arbeiten und sich nicht auf der Vergangenheit auszuruhen. Ich bin also stolz und voller Tatendrang zugleich. Was mich sehr beeindruckt hat, war das qualitativ hochwertige Instrumentenspiel auf „Schuld“. Das ist für ein Debut einer solch jungen Band sicherlich ungewöhnlich. Magst Du etwas über die Gründungsgeschichte erzählen? Ich muss gestehen, ich bin mit einer totalen Fehleinschätzung auf Bandsuche gegangen. Ich war es aus der Klassik gewöhnt, dass man sein Instrument eben in Kindertagen lernt und wenn man sich als Erwachsener auf Ensemblesuche begibt, dann eben den entsprechenden Leistungsstand mitbringt. Und wer ein ambitioniertes Projekt startete, war auch entsprechend ausgebildet. Also habe ich mich erst auf die Suche begeben, als ich meine Kenntnisse als konkurrenzfähig bühnenreif einschätzte. Ich habe erst einmal gelernt, dass die Rockwelt etwas anders funktioniert. Häufig finden sich Bands mit eher rudimentären Instrumentenkenntnissen zusammen und wachsen dann gemeinsam. Neue

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Truppen entstehen aus alten Projekten, wo sich die Musiker bereits untereinander kennen. Ich suchte nun als Outsider aber „fertige“ Musiker, und diese steckten dann fast alle bereits in Projekten oder aber hatten wenig Interesse daran, eine Band von Anfang an aufzubauen. Also hat es eine ganze Weile gedauert, die passende B e s e t z u n g z u fi n d e n . Z u m a l d i e Anforderungen an die Musiker durch den Stilmix auch recht speziell waren. Und ich hatte ja nichts zum Vorzeigen: Nur meine Ideen im Kopf und Noten auf dem Papier.

stammt aus einer Schlagzeugerfamilie. Sein Vater und sein Bruder spielen ebenso – er hat den Rhythmus einfach im Blut. Daher hat er auch schon in verschiedenen Bands getrommelt und ist damit quer durch Europa getourt – damit ist er zwar unser neustes, aber zugleich auch routiniertestes Bandmitglied.

Songstrukturen sind immer sehr Metal lastig. Bei Euch ist das, aufgrund des musikalischen Backgrounds, anders. Man merkt an den Kompositionen Deinen klassischen Background.

Zunächst einmal ist natürlich jeder Kind seiner eigenen Biographie und auch ich kann nicht aus meiner Haut heraus. Wenn man an Begriffe wie „Opera D a h e r w ü r d e i c h w a h r s c h e i n l i c h Metal“ denkt, fallen einem spontan überhaupt nicht ohne klassischen Bands ein, die zwar klassische Einschlag komponieren können. Aber Instrumente benutzen und häufig auch natürlich klingen meine Kompositionen Soprangesang bieten, aber die nicht ganz zufällig so, wie sie klingen: Ich

Magst Du ein wenig über den musikalischen Background der Bandmitglieder erzählen? Ich hatte zunächst knapp 10 Jahre lang klassischen Klavierunterricht bei einer sehr fähigen und mich zugleich auch ziemlich fordernden und fördernden Klavierlehrerin, Caroline Häberle. Nebenbei war ich in Projekten wie dem Schulorchester, im Chor, in der MusicalAG aktiv. Ab 2003, als ich nach Leipzig gezogen bin, habe ich dann zunächst im Unichor mitgesungen und mich dann voll auf den klassischen Sologesang konzentriert – auch hier wieder mit der Unterstützung fähiger Pädagogen. Mein erstes Bandmitglied war Frank – und seine Musikbiographie liest sich total anders. Er hat sich als Jugendlicher das Gitarrespielen zunächst selbst beigebracht und gründete die Grungerockband „Lost Innocence“. Erst später kam dann Unterricht in Gesang und Gitarre bei ihm hinzu, um sich weiterzuentwickeln. Und da kam ich dann auch mit meinem Projekt genau zum richtigen Zeitpunkt. Sandrines und Lisas Biografien sind meiner relativ ähnlich. Sie haben auch beide an ihrem Instrument klassischen Unterricht gehabt und in Ensembles gespielt – Lisa ist nur f ü r k l a s s i s c h e Ve r h ä l t n i s s e e i n Spätstarter, da sie erst als Jugendliche angefangen hat. Johannes ist ein Überläufer: Er hat ebenso klassisch mit d e r Vi o l i n e u n d e n t s p r e c h e n d e m Unterricht angefangen und in Ensembles gespielt, aber nach und nach sein Instrument zu immer tieferen Vertretern ausgetauscht. Zunächst die Viola, dann die Gitarre, nun der Bass. Tommaso

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hätte ja schließlich auch einen rein klassischen Weg einschlagen können. Für mich bietet die Kombination der Genres einen Zugewinn an Ausdrucksmöglichkeiten. An der Klassik liebe ich das Vielschichtige, Nuancenreiche sowie die zarten, zerbrechlichen Klangfarben sehr. Im Metal fasziniert mich dieses Rohe, Ungeschliffene, Ungezügelte. Metal kann einfach nicht so zart und fein klingen wie Klassik – und Klassik nicht so brutal und ehrlich wie der Metal. Daher sind sie für mich wie verschiedene Farben auf der Malpalette eines Malers – und ich setze sie eben ein, wenn ich entsprechende Emotionen zum Ausdruck bringen will und nutze den Kontrast, damit sie sich gegenseitig verstärken. Dadurch wird für mich mein musikalisches Schaffen plastischer. Was ich des Weiteren sehr b e m e r k e n s w e r t fi n d e , i s t d e r romantische sowie barocke Einschlag in Eurer Musik. Ich habe die Romantik immer sehr geliebt, insbesondere Rachmaninow. Mir gefällt die Art und Weise der Epoche, wie die klassischen Instrumente dort spielen: mit starken Emotionen, ausdrucksstark, häufig auch etwas düster oder dramatisch und voller Leidenschaft. Die Streicher und die Stimme setzen ihr Vibrato bewusst ein und zeigen sich mit großer Bandbreite. Die althergebrachten Kompositionsstrukturen werden aufgebrochen. Dagegen ist die Barockmusik oder die Periode der Klassik

Daher ist auch die Romantik ein für mich besonders kompatibles Genre zum Metal – seine Ausdrucksmöglichkeiten enden dort, wo der Metal ansetzt und hätten die Romantiker sehr geordnet und diszipliniert.

damals E-Gitarren gehabt, hätten sie diese sicherlich auch eingesetzt. Barockmusik dagegen schlägt sich fast ausschließlich in unseren Bachinterpretationen nieder – weil wir uns hier eben mit Bach auseinandersetzten,

die BachSpiele luden uns ja geradezu dazu ein und in einer Bachstadt kommt man an Bach wohl auch gar nicht vorbei. Aber auch hier habe ich mich bewusst über viele barocke Aufführungskonventionen hinweggesetzt und häufig die Klangfarbpalette der Romantik ausgepackt. Unter Liebhabern historischer Aufführungspraxis werden unsere Bachwerke vermutlich wenig Freunde finden – sie sind für diejenigen gedacht, die sich anders, aus einer heutigen Perspektive, mit dem alten Meister auseinandersetzen wollen.

Ich finde es generell eine gute Sache und kann es mir für die Zukunft auch vorstellen. Doch damit so etwas funktioniert, braucht es erst einmal eine gewisse Fanbasis. Wir haben allerdings mit den Vorbereitungen zu unserem Debütalbum zeitgleich mit unseren allerersten Konzerten überhaupt mit Molllust begonnen. Daher konnten wir uns auf diese zu dem Zeitpunkt natürlich auch noch nicht verlassen und haben es auch nicht getan. Beim nächsten Album werden wir aber definitiv darüber nachdenken, welche Wege wir einschlagen, um nicht noch eine Produktion komplett aus In Euren Texten geht es sehr häufig um eigener Tasche stemmen zu müssen. das Mensch-sein an sich und zwischenmenschliche Beziehungen. Ihr habt bisher vor klassischem MetalDass in den Texten eher negative Publikum als auch vor klassisch Erfahrungen verarbeitet werden, verrät versiertem Publikum gespielt. Das sind allein der Albumtitel „Schuld“. Wie sicherlich Unterschiede wie Tag und w ü r d e s t D u D e i n e Te x t e s e l b s t Nacht, kann ich mir vorstellen? einordnen und was bedeuten sie Dir Bislang haben wir von beiden Seiten viel persönlich? Zuspruch erhalten. Wir sind aber in Häufig sind sie für mich Verarbeitung von beiden Genres irgendwo Exoten und Erlebnissen oder kleinen seelischen stoßen natürlich nicht bei jedem Zuhörer Verletzungen. Teils zeitnah, teils von auf Gegenliebe. Wenn ich das Feedback Dingen, die in meiner Kindheit oder vergleiche, ist es aus der Klassikszene Jugend lagen. Mir helfen Texte und Musik tendenziell sachlicher, verkopfter, in der abzuschließen. Wenn etwas Schönes Metalszene eher aus dem Bauch heraus passiert ist, kann man sich zwar bewusst gesprochen. Doch da wir bislang deutlich daran zurückerinnern und das gute Gefühl mehr Konzerte im Metalumfeld gegeben wieder hervorrufen. Aber bei negativen haben, ist der Vergleich noch nicht ganz Erfahrungen ist es anders – sie kommen fair – in der Klassik muss man uns erst immer mal wieder in den Kopf, überfallen einmal richtig entdecken. Um dem etwas einen in den verschiedensten Situationen auf die Sprünge zu helfen, gibt es im März und im Traum. Daher beschäftigen sie dann auch die Studioeinspielung unserer mich länger und daher landen diese Bach-Cover. Erfahrungen auch eher in den Songtexten. Ich war zunächst noch etwas Ihr habt Euch mit Eurem Stil eine sehr scheu, mein Innenleben zu sehr auf dem e i g e n e u n d i n d i v i d u e l l e N i s c h e Silbertablett zu präsentieren und habe eingerichtet. Ich kann mir vorstellen, daher oft innere Auseinandersetzungen in dass dies, wo am liebsten alles einem anderen Kontext versteckt. Doch überkategorisiert wird, Nachteile mit meine neueren Texte werden zunehmen sich zieht, zum Beispiel wenn es darum geht, geeignete direkter. Auftrittmöglichkeiten zu finden, oder? Ihr vertreibt Eure Musik ohne Label und für „Schuld“ habt Ihr die Kosten Ja, das gestaltet sich alles andere als selbst bestritten. Könntet Ihr Euch leicht, weil wir immer zwischen den vorstellen für das nächste Album, Stühlen sitzen. Wir passen längst nicht in ähnlich wie Nadine (Maria Schmidt, jeden Metalabend und für eine typische Anm. d. Red.), Sponsoren zu suchen Klassikveranstaltung sind wir zu laut und oder ein Crowdfundingprojekt zu benötigen zu viel Technik. Abgesehen von initiieren? Wie ist Deine Einstellung zu dem einen oder anderen Vorbehalt, der unweigerlich auftritt, wenn man die solchen Finanzierungsmethoden? 7


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Grenzen überschreitet: Ein Gitarrenverstärker auf einer Klassikbühne? Und eine klassische Diva in einem Metalschuppen? Und dann brauchen wir auch noch relativ viel Platz und eine fähige Besetzung am Mischpult,

Ich habe großen Respekt vor seinem umfangreichen Schaffen. Er hat zu seiner Zeit auch viel Neues geschaffen und war ein großartiger Komponist und Musiker. Außerdem verträgt sich sein Werk extrem gut mit meiner Stimme. Dennoch ist mein

Einsatz dorthin gekommen waren. Das ergab an sich schon mal ein bizarres Bild. Entsprechend irritiert betrachtete mich auch die Belegschaft. Dann habe ich angefangen zu singen – und hatte am Ende einen zarten, lang ausgehaltenen Schlusston. Dieser sorgte dafür, dass ein ergriffenes Raunen durch die kleine Firma ging und ich wurde hinterher mehrfach angesprochen, dass man gar nicht gewusst hätte, wie schön klassischer Gesang sein kann, wie ergreifend das war. Das hat mich sehr bewegt und stolz gemacht. Ähnlich muss sich Frank wohl gefühlt haben, als er mit seiner vorherigen Band zum zweiten Mal in Gera gespielt hat und ein ihm völlig unbekannter Zuhörer seinen Text mitsang. Wenn man spürt, dass man jemandem mit seiner Musik etwas geben konnte, ist das unendlich wertvoll. Vielen Dank für Deine Zeit, Janika! Die letzten Worte gehören Dir… Ich danke dir ebenso herzlich für das Interview, Axel! Ich freue mich sehr über das Interesse an unserer Musik und die Gelegenheit, hier ein wenig darüber zu sprechen. Ich hoffe, wir sehen uns einmal bei einem Konzert!

Axel Meßinger

visit: www.molllust.com

die möglichst beide Musikrichtungen kennen sollte. Wir haben frisch unsere Zusammenarbeit mit Stagecat-Booking begonnen und hoffen, dass diese uns dabei unterstützen können, die richtigen Orte für unsere Musik zu finden. Im März erscheint die bereits erwähnte EP mit Bach-Coverversionen. Sicherlich eine Reaktion auf den Gewinn des Nachwuchspreises der Leipziger BachSpiele im letztes Jahr. Was bedeutet Bach und seine Musik Dir ganz persönlich?

Herz mehr in der Romantik als im Barock zu Hause. Zum Schluss unsere Standardfrage: Was war das Schönste oder Schrägste, welches Euch in Eurem Musikerleben passiert ist? Ich habe einmal auf einer Firmenfeier als Überraschung eine Arie gesungen. Der Beschenkte hatte einen Handwerksbetrieb – ich kam dort also mit Ballkleid und Hochsteckfrisur hin und fand mich plötzlich zwischen lauter Blaumännern wieder, die direkt aus dem 8


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Molllust "Schuld" (09/2012 | Eigenproduktion) Zugegeben, als ich letztes Jahr von Nadine Maria Schmidt auf Facebook den Tipp zu Molllust mit den überschwänglichen Worten „Die Truppe hier, die passt sehr gut in Euer Magazin“ bekommen habe, war ich anfangs skeptisch. Nun liegt die Zeit, als ich exzessiv Metal gehört habe, sicherlich schon ein wenig zurück. Doch die Hörproben auf der Bandhomepage ließen mich nicht so recht los und ich fragte Janika daraufhin nach Promomaterial. Ich bekam also das Album „Schuld“ zugeschickt und meine Gedanken und Gefühle beim ersten Hördurchlauf gipfelten in einem euphorischen „Wow, ist diese Musik genial“; gleichzeitig wurde ich aber auch vor den Kopf gestoßen. Und das ganz gewaltig. Zu sehr unterscheidet sich das Gehörte von all dem, was ich in den letzten 10 Jahren aus der Metal-Ecke gehört hatte. Doch mit jedem Durchlauf nahm meine Begeisterung zu… Wie schon im Interview thematisiert, kommen die meisten Bandmitglieder aus der Klassik. Janika Groß hat sämtliche Kompositionen und Texte geschrieben. Und durch diesen Background kommt eben auch der große Unterschied zu anderen genreverwandten Bands zustande. Häufig läuft es so, dass Metalbands irgendwann die Klassik als Stilmittel entdecken. Eine ausgebildete Sopranistin singt den Text, unter das Metal-Gewand werden noch ein paar Streicher und Klavierpassagen gelegt und fertig sind die häufig glattproduzierten. Diese elf Songs auf "Schuld" sind eine definitive Antithese zu dem eben skizzierten Vorgang. Das Fundament ist hier eindeutig die klassische Musik, genauer: die Romantik. Die Melodien sind vielschichtig und können sich in einem Song durchaus auch einmal verändern. Die Songs brechen häufig auch mit dem Strophe-Refrain-Strophe - Rhythmus. Auch der Gesang Janikas unterscheidet sich von den üblichen Female-Fronted-Konventionen. Wo ich das Gefühl habe, dass bei vielen anderen Bands die Sopranistinnen immer dieselbe Stimmlage für ihren Gesang benutzen, steckt Janikas Gesang voller Persönlichkeit und Authentizität. Ihr Stimmorgan ist auf der einen Seite sehr, sehr kraftvoll, auf der anderen Seite meistert sie aber auch ruhige, zerbrechliche Passagen mit Bravour. Die Instrumentierung ist auf hohem Niveau und man merkt jedem Bandmitglied die jahrelange Erfahrung als Musiker förmlich an. Das Zusammenspiel gestaltet sich als routiniert und gefühlvoll. Stilistisch orientiert man sich auf der Metalseite fast schon am Doom-Genre. Es gibt sehr harte, sehr düstere Passagen, die ab und an auch mal gut losrocken und ausbrechen können. Auf Growl-Gesang müsst Ihr aber verzichten, denn auch Sänger Frank Schumacher arbeitet ausschließlich mit sehr klaren, sauberen Vocals. Nun, wie schon erwähnt, gestaltet sich „Schuld“ als ein sehr schwer zugängliches Album. Die Kompositionen sind sehr, sehr komplex, die Texte sehr interpretationsoffen und die Instrumentierung vielschichtig. Beim "nebenbei hören" wird man kaum mit der Musik warm werden. Vielmehr müsst Ihr Euch in Ruhe hinsetzen und Euch in die Musik hinein hören. Sie fordert Eure komplette Aufmerksamkeit und es wird mehrere Durchläufe brauchen, bis Ihr all die filigranen und graziösen Melodien für Euch entdeckt. Die Songs stecken voller kleiner Details, die es gilt, für sich erobert zu werden. Belohnt werdet Ihr aber mit einem Werk, welches Euch nicht so schnell loslassen wird. Das Album ist also nicht für jeden geeignet. Aber wenn Ihr Lust habt, Euch Musik zu erobern, auch beim Hören Euch fordern zu lassen, dann seid Ihr hier genau richtig. Molllust verlangen viel Geduld und Konzentration, belohnen dies aber mit einer Mischung, die für mich dem Begriff „Opera-Metal“ so nahe kommt wie keine andere Band, die ich aus diesem Bereich bisher gehört habe.

Axel Meßinger

(Anmerkung der Redaktion: Am 17.03.13 haben Molllust mit "Bach Con Fuoco" neues Material auf einer 4-Track-EP veröffentlicht!)

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Künstlerportrait I

Barbara Klingenberg

In der visuellen Werkstatt von Barbara Klingenberg werden Gedanken und Impressionen zu Papier - und Farben zu Formen geführt.

Hallo Babs! Auf meiner Suche nach handwerklich talentierten Künstlern im Netz, stolperte ich über deine Website und was ich dort sah, verleitete mich spontan zu einem Interview mit dir. Hat dich das Zeichnen seit eh und je begleitet oder gab es eines Tages einen Aha-Moment? (Zeigst du uns ein frühes Werk?)

studiert. Im Hauptstudium Schwerpunkt Illustration. Da entdeckte ich auch meine Leidenschaft zur Schriftillustration. Gezeichnet hätte ich sicher auch ohne zu studieren, aber das Studium hat meine Interessengebiete in Richtung Typografie und Design erweitert. Ausserdem hatte ich eine fabelhafte Illustrationsprofessorin, von der ich viel lernen konnte... und Fächer wie z.B „Recht“ waren auch Ich zeichne schon mein ganzes Leben. In hilfreich. den Grundschulzeugnissen der ersten und zweiten Klasse steht, dass ich sehr Bist Du eine Vollzeit-Illustratorin oder gerne im Untrerricht male und singe. :) ist das eher dein Nebenjob? (Womit Daran hat sich seitdem nichts geändert. verdienst du sonst dein Geld?) So richtig frühe Werke habe ich leider nicht mehr, aber hier ist ein Bild aus Ich bin seit 2010 selbständige Illustratorin meiner FOSzeit. Entstanden und Designerin. Je nach Auftragslage hatte ich noch einen Nebenjob. Wie jeder selbständige Künstler weiß, gibt es gute und schlechte Jahre. Ich frage mich immer wieder, ob ich mit dieser Unsicherheit des nicht planbaren Einkommens leben kann und ob es nicht besser wäre, einen Job mit regelmäßigen Einkommen zu haben.

vorhandenen Font suchen, der meinen Anforderungen entspricht. Wenn nicht, ist das vielleicht der Grund, weshalb du gerne selber Typografien entwickelst? Solche, die haargenau den verborgenen Sinn, der sich hinter den Wörtern verbirgt, in den Vordergrund rücken lassen? Das ist natürlich immer mit ein Grund für die Entwicklung von eigenen Schriften. Man kann individuell auf das Thema eingehen. Kann kleine Besonderheiten einbauen. Meiner Meinung nach gibt es kein entweder / oder. Es wird die Schriftlösung verwendet, die am passendsten für das vorliegende Projekt ist. Sowohl Lettering als auch Satztypos. In welchen Nischen befindet sich deine Kundschaft?

Meine Kunden sind Kinder- und Jugendbuch - Verlage, in letzter Zeit immer mehr Musiker und Bands (was mich sehr freut, denn ich liebe es, zur Auf deiner Website findet man oft M u s i k z u z e i c h n e n ) , a b e r a u c h auch typografische Spielereien. Wie Gastronomen und Privatkunden, die eine ist dein Bezug zur Typografie? Illustration benötigen. Typo ist toll! Es macht mir Spaß, spielerisch mit Typo umzugehen. Wörter zeichnerisch auch mal bis zur Unlesbarkeit aufs Papier zu bringen. Bild und Schrift zu vereinen, ist eine wundervolle Möglichkeit, Gestaltungsideen umzusetzen.

ca. 2000/1999: "Fruchtbare Erde"

Hast du eine zeichnerische Ausbildung genossen oder bist du eine „self made Illustratorin“? Mir war immer klar, dass ich einen Beruf in dieser Richtung ergreifen werde. Also habe ich nach meinem Fachabi in Gestaltung Kommunikationsdesign

Gibt es für dich überhaupt gute Standardschriftarten? Wenn ja, welche und warum? Gibt es. Für einige Designs oder auch Fließtexte sind sie unverzichtbar. Es kommt immer darauf an, was man für ein P r o j e k t h a t . F ü r d e n Ti t e l e i n e s Fantasyromans zum Beispiel, würde ich immer erst versuchen, einen Schriftzug zu zeichnen. Für ein cleanes Firmenlogo, würde ich die Buchstaben konstruieren oder einen

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“Shadow“

An welche Auftragsarbeit denkst du gerne zurück? Im Moment mag ich das Cover und Booklet für Minor Colour Orchestra besonders. Dieses Projekt wurde im Winter 2012 abgeschlossen. Es hat sehr


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viel Spaß gemacht und die Musik und das Artwork harmonieren sehr gut. Ich freue mich auf die CD. Kann es kaum abwarten, das fertige Ganze in den Händen zu halten. Hier ein kleiner Auszug aus dem 12-seitigen Booklet:

Gibt es Vorbilder? Andere Künstler, die dich inspirieren oder vor denen du den Hut ziehst? Wenn ich gute Arbeiten sehe, bin ich Du zeichnest bestimmt nicht ohne grundsätzlich inspiriert. Deswegen habe Musik im Hintergrund? Ja immer, wenn möglich. Sag uns ganz offen und ehrlich, gibt es eine Band oder eine Musikrichtung, die dir einen richtigen Kick beim Zeichnen gibt? Es ist immer ganz unterschiedlich. Bei privaten Bildern entscheide ich nach Stimmung. Diese Stimmung in Verbindung mit der Musik, die ich höre, beeinflusst das, was am Ende auf dem Papier ist. Privat ist es oftmals Postrock, viel Melancholisches, Treibendes, Gemütliches. Oder chilliger drum ʻnʻ b a s e , P s y c h e d e l i s c h e s , Wa v e , Industrial, Mittelalterliches etc. Sehr gerne zeichne ich im Moment zu Get Well Soon, Mogwai und VnV Nation. Ich muss gestehen, dass ich auch bei Auftragsarbeiten oft passende Musik zum Thema laufen lasse. Und wenn`s mal schnell gehen muss, wirkt Skapunk oder GOA.

"Bookletauszug - MOC"

ich viele Artbooks im Regal stehen. Vorbilder habe ich nicht wirklich. Mich Gibt es ein „Unverkäufliches Werk“ beeindrucken Menschen, die es schaffen, oder eine Nichtauftragsarbeit, die alles ihre Gedanken und Gefühle zu Papier zu bisherige toppt? bringen oder auch in Musik zu verwandeln. Da möchte ich dann auch Es gibt unverkäufliche Werke. Diese sind sofort loslegen. wichtige Erinnerungen für mich und ich kann genau sagen in welcher Gibt es einen bestimmten Traum, den Lebensphase ich zu der Zeit war als sie du dir als Künstlerin verwirklichen entstanden sind. Hier zwei Beispiele: willst?

"Midgard" "Rabe" 11


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Einen Traum verwirklichen.. hmm.. das liegt ja immer auch an Anderen, die einem entsprechende Chancen geben. Man vieleTräume haben. Ob man die Möglichkeit bekommt, sie zu verwirklichen, ist die Frage. Ein großer Wunsch wäre es, von meiner Kunst gut leben zu können. Es war mir ein großes Vergnügen, dieses Interview, im Namen des Dark Feather, mit dir zu führen. Danke. Ich danke auch. Gib uns doch noch ein paar Links zu deinen Arbeiten. Ab hier gehört das Interview eh dir - Du kannst hier gerne auf deine sozialen Netzwerke aufmerksam machen, für Kunden werben, deine Familie grüßen...

Nino Finke

visit: www.babsologie.de

"Cover-Idee zum Dark Feather"

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Auf zu neuen Ufern I-M-R ist nichts geringeres als das Nachfolgeprojekt der im Jahr 2011 aufgelösten IN MY ROSARY. Ende letzten Jahres veröffentlichte die Band um Ralf Jesek ihr Debut „Letters from the paper garden“. Grund genug also, ein wenig mit Ralf zu plauschen. Herausgekommen ist ein sehr persönliches Interview, in dem Ralf nicht nur auf das neue Album eingeht, sondern auch auf seine Freundschaft zu Kultmusiker Paul Roland, seine Musikkarriere der letzten 25 Jahre und seine Erfahrungen im Business. Hallo Ralf! Willkommen bei uns im „Dark Feather“. Schön, dass Du Dir Zeit für das Interview nimmst. Aber gerne doch :) I-M-R ist das Nachfolgeprojekt, welches Du, nach dem Ende von In My Rosary, zusammen mit Deinen LiveMusikern gegründet hast, um die musikalische Idee weiterleben zu lassen. Wieso kam es eigentlich zur Trennung? Es war offensichtlich geworden, dass wir uns in den letzten Jahren immer weiter voneinander entfernt hatten. Sowohl künstlerisch als auch menschlich. Und da machte eine weitere Kooperation einfach keinen Sinn mehr. Schade, aber sowas kann nach einer derart langen Zeit nun mal passieren. Und hatte letztlich auch die wunderbare Folge, dass Holger, Martin, Hansi und ich jetzt nicht mehr nur live zusammenarbeiten. Ein sehr angenehmer Zustand... Seit November 2012 ist das I-M-R Album „Letters from the paper garden“ erhältlich. Wie zufrieden bist Du mit dem Endergebnis und wie waren die Reaktionen seitens Fans und Presse auf diese Veröffentlichung? Wir selbst sind mit dem Album natürlich mehr als zufrieden, andernfalls hätten wir

es erst gar nicht veröffentlicht. Wir haben ja alle eine gewisse Historie im Rücken, da macht ein Release nur des Releases wegen wirklich keinen Sinn mehr. Und erfreulicherweise sind die Reaktionen darauf bislang überaus positiv. Von der Fan-Seite gab es wunderbare Mails und auch die Medien sind mit „Letters“ sehr wohlwollend umgegangen. Ehrlich gesagt hatte ich eher mit gemischten Reaktionen gerechnet, weil sich In My Rosary als Vergleich natürlich erst mal aufdrängt und zumeist werden Änderungen von Gewohntem ja dann mit dem „also früher, da waren sie besser“-Satz kommentiert. Das ist bisher überhaupt nicht passiert. Im Gegenteil. Es gab Beschreibungen wie „frischer Wind“, „ihr bestes Album“ oder „befreit klingende Songs“ in den Rezensionen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Wobei man allerdings auch sagen muss, dass wir I-M-R als eigenständiges Projekt sehen und die Hinweise auf früher deshalb mitunter dann doch ein bisschen nervig sein können. Aber diese Assoziation war ja zu erwarten gewesen und mal sehen, vielleicht erledigt sie sich ja mit dem nächsten Album. Sofern wir denn noch eines machen... man weiß ja nie... ;)

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Das wird sicherlich an der Abkürzung „I-M-R“ liegen, dass das Projekt mit In My Rosary in Verbindung gebracht wird. Wäre es nicht besser gewesen, einen komplett neuen Namen zu wählen oder was hat es mit der Abkürzung auf sich? Intern steht sie für „in medias res“, weil: kaum war das Ende von In My Rosary beschlossen, gab es eine kurze Telefonkonferenz und schon war die Band geboren. Aber natürlich haben wir die Abkürzung damals auch wegen der möglichen Assoziation gewählt. In erster Linie aus dem ganz pragmatischen Grund, dass wir ja noch für Konzerte gebucht waren und es zu umständlich gewesen wäre, den Veranstaltern und natürlich auch dem Publikum zu erklären, dass wir jetzt zwar komplett anders heißen, sich aber sonst nichts geändert hat. Da schien uns und der Agentur diese Lösung am einfachsten. Und zu guter Letzt ist es ja musikalisch durchaus eine Fortführung. Insofern sollte das jetzt keine Klage sein. Dass man Relationen herstellen würde, war klar, ist berechtigt und schadet uns ja auch nicht. Es geht nur darum, dass es noch schöner wäre, wenn das Album öfters mal außerhalb des


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Historien-Kontexts, also für sich selbst stehend, betrachtet werden würde. Und sich infolgedessen vielleicht auch nicht vorwiegend alles auf meine Person, sondern auf die Band konzentrierte. Das meinte ich mit „eigenständiges Projekt“. Was natürlich auffällt, sind die vielen Zusammenarbeiten mit Musikern wie Annette Kosakowski, Sara Noxx, Paul Roland oder Isabelle Dekeyser. Liegt da ein besonderes Konzept dahinter oder hat sich dies zufälligerweise so entwickelt? Letztlich eher zufällig. Nach dem letzten In My Rosary Album, brauchte ich unbedingt (und wie immer) Abstand vom Projekt und hatte die Idee, einfach mal eine EP mit Duetten aufzunehmen. Dafür habe ich bei Sara Noxx, Elena Fossi, Isabelle Dekeyser und Nicole Rellum angefragt und quasi währenddessen kam

dann das Projektende und I-M-R entstand. Da bot es sich natürlich an, die Duett-Idee mit ins Boot zu nehmen, weil es wirklich schade gewesen wäre, diese Kooperationen nach hinten zu verschieben oder aus Zeitgründen sogar sterben zu lassen. Zumal ich mich wirklich darauf gefreut hatte. Und während der Postproduktion haben sich dann die Ideen für weitere Gäste einfach so ergeben. Ein Konzept haben wir damit wahrlich nicht verfolgt. Wozu auch? Es war einfach spannend zu erleben, wie engagiert sich andere Künstler in ein Projekt einbringen, das nicht ihr eigenes ist. Und wir sind ihnen wirklich dankbar dafür. Einfach wunderbare Menschen, allesamt.

wirkt alles wie aus einem Guss. Man hört immer Deine ureigene Handschrift, die man schon seit Deinen Anfangstagen bei Example A 1987 oder in den verschiedenen IN MY ROSARY Veröffentlichungen gehört hat. Wie wichtig ist Dir diese Beständigkeit in den von Dir komponierten Songs?

Oops, Example A … das nenne ich Recherche ;) Nein, Beständigkeit war nie mein Anliegen. Aber ich scheine wohl tatsächlich einen bestimmten Schreibstil zu haben. Trotz aller musikalischen Vielfalt, scheint es immer etwas zu geben, was auf mich als Beteiligten hinweist. Auch wenn ich selbst denke, dass es sich überhaupt nicht nach mir anhört. Und Mir gefällt die musikalische Bandbreite ehrlich gesagt, finde ich das durchaus a u f d e m A l b u m . D u r c h d i e schmeichelhaft, weil es ja bedeuten elektronischen, folkigen und rockigen würde, dass ich so etwas wie einen ganz Songs, kommen viele unterschiedliche eigenen Pinselstrich hätte. Was will man Stimmungen zustande. Und trotzdem als Künstler mehr?

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Sehr interessant ist natürlich der Song „Poisened Eyes“, der zusammen mit Deinen alten DERRIÈRE LE MIROIR Mitstreitern Nicole Rellum und Kai Kampmann eingespielt wurde. Dieser Song klingt auch wieder so vertraut, ganz so, als ob da keine 10 Jahre Pause dazwischen waren. Wie war die Chemie, als Ihr das erste Mal nach 10 Jahren wieder an einem Song gearbeitet habt und könnte dieser Song wieder ein wenig Feuer in Euch geweckt haben, die Band für eine LP zu reaktivieren?

getroffen, uns gegenseitig sympathisch gefunden und am Ende des Abends saßen wir bei Paul auf der Terrasse und haben über eventuelle Zusammenarbeiten gesprochen. Was für mich als Fan natürlich ein merkwürdiges Gefühl war. Da sitzt man plötzlich mit jemandem, dessen Alben man seit Mitte der 1980er in seinem Schrank hat, auf Gartenmöbeln in einer Karlsruher Wohnsiedlung, diskutiert über alles mögliche und wird sogar noch eingeladen, bei seinem kommenden Album als Backgroundsänger mitzuwirken. Irgendwie surreal. Seither arbeiten wir sozusagen regelmäßig zusammen. Seit 2008 kreiere ich beispielsweise das Artwork für seine CDs. Leider ist Paul ja vor einigen Jahren wieder zurück nach England gegangen, so dass wir uns natürlich nicht mehr einfach so mal eben treffen können, aber, den Kommunikationsmitteln sei Dank, findet immer noch ein reger Ideenaustausch statt. Und für dieses Jahr haben wir uns sogar endlich ein „richtiges“ Gemeinschaftsprojekt vorgenommen. Mal sehen, ob etwas daraus wird.

Anfangs waren wir alle ein bisschen nervös, weil es halt doch eine ziemlich lange Pause gewesen war. Aber nach einer Weile hat sich das glücklicherweise verflüchtigt. Ich möchte zwar nicht behaupten, dass es so war, als hätten wir nie aufgehört, gemeinsam Musik zu machen, aber es war schon nahe dran. Und Kai hat uns ja auch Ende letzten Jahres als Gastkeyboarder bei unserem Auftritt in Madrid unterstützt, die Chemie ist also noch da. Wir haben uns jedenfalls vorgenommen, uns demnächst mal unverbindlich zu treffen und über eine Neuauflage zu sprechen. Insofern bin ich Musikalben sind das Endergebnis da guter Dinge. e i n e s h ä u fi g s e h r l a n g e n Kreativprozesses. Wenn Du auf die Was mich, als alter Paul Roland Fan, Konzeptionen und die Aufnahmen von natürlich freut, ist die Zusammenarbeit „Letters“ zurückschaust: wie viele mit ihm in „Part of it“. In „Retro“, dem Ideen gab es, die am Ende mit in das letzten Rosary-Album, gab es schon Album geflossen sind und wie viele einmal eine Zusammenarbeit und Du Ideen wurden wieder rausgenommen? wirktest damals auch an seinem Hattet Ihr am Anfang ein relativ klares „Nevermore“ mit. Euch beide verbindet Ziel, wo Ihr hinwolltet oder habt Ihr seit Jahren eine gute Freundschaft. einfach drauflos komponiert und Wie kam der Kontakt zwischen Euch geschrieben und dann einfach mal eigentlich zustande? geschaut, was da herauskommt? Auf recht kuriose Weise. 2006 bekam ich über MySpace eine Nachricht, dass Paul Roland nach Karlsruhe gezogen sei und er mich gerne mal treffen würde, da er irgendwo gelesen habe, dass ich ihn als einen meiner musikalischen JugendHeroen bezeichnet hätte. Zuerst dachte ich natürlich an einen Scherz, zumal ich den Absender auch nicht kannte, aber dann hat die Neugier halt doch gesiegt und ich habe positiv geantwortet – auf die Gefahr hin, mich zum Trottel zu machen. Glücklicherweise hat sich das Ganze aber als wahr herausgestellt. Wir haben uns

Das konzeptionelle Element kam erst bei der letztendlichen Titelauswahl in Spiel. Anfangs gab es circa 23 fertige Skizzen, aus denen dann 18 in die engere Auswahl kamen und zu ersten Demos umgearbeitet wurden. Daraus wurden dann wiederum 13 bzw. 14 für die Produktion ausgewählt. Und hier macht man sich dann natürlich schon Gedanken bezüglich einer gewissen Klammer. Zwei Songs sind beispielsweise gestrichen worden, weil sie ein bisschen, nun ja, zu albern geworden sind. Und am Ende ist ein Track unfreiwillig vom Album geflogen, weil er leider nicht rechtzeitig fertig wurde. Er ist übrigens auch der einzige Outtake, der „überlebt“ hat, sprich, der irgendwann noch zu Ende produziert werden soll. Alle anderen sind Geschichte. Hat sich Deine Herangehensweise an das Komponieren von Songs in den letzten 25 Jahren geändert und wenn ja, in welcher Weise? Nein, nicht, dass es mir bewusst wäre. Wahrscheinlich gibt es inzwischen einige unterbewusste Kniffe, wie man etwa Strophen mit Refrains verbindet oder ähnliches, aber das Komponieren selbst war bei mir schon immer ein rein intuitiver Vorgang. Lieder zu konstruieren, wie man das heutzutage ja gerne am Computer macht, war nie mein Ding. Insofern gehe ich auch nicht an die Lieder heran, sondern warte eher, bis wir uns treffen. Deshalb wäre ich wohl auch als Auftragskomponist nur bedingt zu gebrauchen. Wenn mir eine Idee über den Weg läuft, wird sie mit Gitarre und BlablaGesang auf ein Diktiergerät gebannt und wenn ich mich nach etwa zwei Wochen noch an die Melodie erinnern kann, heißt das für mich, dass sie funktioniert und die Aufnahme wird für später archiviert. Ansonsten wird sie gelöscht. Very old school indeed... Da hat sich seit meiner Schülerband-Zeit wahrlich nichts geändert. Bei der späteren Produktion bzw. dem Arrangieren sieht das natürlich anders aus, weil hier ja schon allein die Möglichkeiten angewachsen sind und man generell einige Erfahrungswerte gesammelt hat.

Unser einziges Ziel war ein Album. Konzeptionell haben wir uns da überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich meine, es war zwar relativ klar, dass wir wohl kein Hip-Hop oder Schlageralbum aufnehmen würden, aber sonst war alles völlig offen. Und der Vorlauf war diesmal auch relativ kurz. Kurioserweise hat das Ende von In My Rosary die Kreativität ungeheuer befeuert. Kaum war klar, dass Martin, Holger, Hansi und ich nunmehr als I-M-R weitermachen würden, wurden auch schon die ersten Ideen aufgenommen. Du bist seit den 1980ern in der Dark Wa v e - S z e n e u n t e r w e g s . Wi e 15


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schwierig war es damals als Undergroundband, auf sich aufmerksam zu machen? Welche Vorund Nachteile siehst Du zwischen der heutigen digitalen Gesellschaft und der damaligen Zeit, aus der Sicht eines (Szene-)Musikers? Braucht es heute aus Deiner Sicht - noch Szenelabels und wenn ja, wie sollten diese heute arbeiten? Puh, ein schwieriger Fragenkatalog, den ich natürlich nur extremst subjektiv beantworten kann. Also ich fand es früher bedeutend einfacher als heute, einen Platz in der Szene zu bekommen. Sie war

ü b e r s c h a u b a r e r, d i e L e u t e w a r e n aufgeschlossener und man musste sich noch nicht nach irgendwelchen Marktregeln richten. Man war eben Underground, wollte auch nicht mehr sein, und diese Einstellung verband irgendwie. Anfang der 1990er war Darkwave noch eine von der Masse weitgehend ignorierte Nische. Es gab nur wenige Labels und das wichtigste Medium waren kopierte Fanzines, die von Idealisten und, wie der Name schon sagt, Fans herausgegeben wurden. Und dort bekam man relativ schnell eine Plattform, weil diese Art von Musik eben etwas Besonderes war und alles Neue interessiert aufgenommen

wurde. Da spielte die einzelne Stilrichtung keine große Rolle, Hauptsache, es passte in den Gesamtkontext. Ende der 90er wurde die Szene dann aber als Markt entdeckt und unter dem Label „Gothic“ zu einem festen Segment der Musik- und Modeindustrie gemacht, das sein Zielpublikum mit Hochglanz-Produkten und initiierten Trends entsprechend konditionierte. Sowas setzt neue Bands natürlich unter Druck, weil sie Kompromisse eingehen, sich den Marktgegebenheiten anpassen und Szene-spezifische Erwartungen erfüllen müssen, um irgendwie dazu zu gehören.

Inzwischen gibt es tatsächlich einen GothicMainstream, der unglaublich viele austauschbare Projekte in die Szene spült. Und da ist Aufmerksamkeit fast nur noch durch aufwändiges und im Printmedien-Bereich recht teures Marketing zu erreichen. „Ohne Anzeige kein Artikel im Heft“ ist dort so ein Standardsatz. Zufälligerweise hat mir Stan_I von Stillife letzthin ein sehr treffendes Zitat von Sam Rosenthal geschickt: 'But these days, an artist has to

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be a full time social media / marketing machine. That's what a band is now, a marketing department that makes music.' Ein weiteres Problem ist meiner Meinung nach auch das Überangebot an Produktionen. Es scheint beispielsweise als ob jeder, der einen Computer besitzt, auch sofort ein Electro-Album veröffentlicht. Diese überbordende Kreativität kann man natürlich toll finden, aber in einer Masse zu schwimmen, macht es einem nicht unbedingt leichter, seinen Kopf zu heben. Mal davon abgesehen, dass angesichts dessen manche Labels angefangen haben, ihr Geschäftskonzept dahingehend zu erweitern, dass sie sich für Veröffentlichungen von den Bands bezahlen lassen. Es ist eben alles kommerzieller geworden und im Vergleich zu früher, hat die Vermarktung von Klischees einen extremen Stellenwert bekommen. Was das Ganze dann leider ziemlich oberflächlich und vor allem durchschaubar macht. Insofern bin ich wirklich froh, dass wir schon eine Weile dabei sind und deshalb unsere Sturheit beibehalten können. Was das digitale betrifft: anfangs hielt ich das Internet noch für eine ideale Plattform für Musiker, weil sie nun die Möglichkeit hatten, abseits der Industrie, einen eigenen Kulturbereich einzurichten. Das hatte damals alles einen leicht punkigen Einschlag. Aber zwischenzeitlich ist das Internet ja auch nur noch Teil der Industrie und wird vor allem als weiteres Marketinginstrument genutzt. Da herrschen die gleichen Mechanismen wie in der sogenannten realen Welt. Ich kann nicht wirklich erkennen, dass es dem „Underground“ viel gebracht hätte. Klar, man kann seine Songs höchst independent ins weltweite Netz stellen und etwa auf YouTube ein Video hochladen, aber letztlich ist die User-Kultur ja auch schon konditioniert. Das sieht man schon allein daran, dass


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auch in den meisten Online-Magazinen immer die gleichen, vermeintlich Klicksteigernden Gesichter zu finden sind. Hübsche Magazine wie eures, dass sich auch um unbekanntere Künstler kümmert, sind zumindest für mich leider nur schwer zu finden. Meinem Empfinden nach, wiegen sich die Vor- und Nachteile also weitestgehend auf und es ist bezeichnend, dass analoge LiveAktivitäten immer wichtiger werden. Und bezüglich der Szene-Labels: ja, ich finde tatsächlich, dass es sie immer noch braucht. Natürlich ist es fein, dass heutzutage jeder seine eigenen Veröffentlichungen machen kann, aber eine Kanalisierung finde ich durchaus hilfreich. Und außerdem ist es nicht schlecht, wenn auch noch mal jemand von außen auf deine Arbeit sieht. Independent-Labels haben sich eigentlich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie gemeinsam mit ihren Künstlern etwas schaffen und nicht nur ein Produkt verkaufen wollten. Und so sollten sie auch weiterhin, respektive in manchen Fällen endlich wieder, arbeiten. Wie bewertest Du die Veränderung der Gothic-Szene als solche im Laufe der letzten Jahre aus Deiner Sicht? Gab es denn in den letzten Jahren großartige Veränderungen? Natürlich sind wir inzwischen keine großen Szenegänger mehr, aber soweit ich das beurteilen kann, hat sich in den letzten zehn Jahren nicht sonderlich viel getan. Trends kommen und gehen, klar, aber sonst? Mir ist zwar schleierhaft, wie beispielsweise der sogenannte „Schwarze Schlager“ derart populär werden konnte, aber das hat natürlich persönliche Geschmacksgründe. Ansonsten sage ich an dieser Stelle immer wieder gerne, dass ich prinzipiell die Gothic-Szene außerhalb von Deutschland wesentlich angenehmer fi n d e , d a s i e n i c h t g a n z s o v o m Modediktat beherrscht ist. Da gibt es tatsächlich noch so etwas wie dieses frühere Underground-Feeling. Aber bevor ich jetzt in der „och nee, der Onkel erzählt wieder von damals“-Nummer ende, höre ich lieber auf...

als Musiker sicherlich schon viel rumgekommen. Wo liegen Deiner Meinung nach die Unterschiede beim Publikum in Deutschland und dem anderer Länder? Schwierig, weil man das sicherlich nicht verallgemeinern kann und wir jetzt ja auch keine ausgedehnten Touren hinter uns haben, die uns eine Art Erhebung erlauben würden. Aber aus unserer Erfahrung heraus ist es wohl die in Deutschland zur Schau getragene Coolness. In anderen Ländern war bisher alles ein bisschen, nun ja, sagen wir mal herzlicher. Nach Auftritten gibt es nette Gespräche und wir sind dort tatsächlich auch mal auf der Tanzfläche zu finden, weil eben die Atmosphäre entspannter ist. Hierzulande ist dieser direkte Kontakt eher schwieriger. Da herrscht mitunter eine irgendwie seltsame Distanz, so eine „ätsch, ich bin viel cooler als du“Stimmung. Wobei wir das aber auch schon völlig anders erlebt haben, gerade letztes Jahr in Köln. Aber prägend war für uns sicherlich ein Auftritt in Bayern, bei dem wir während des Konzerts tatsächlich dachten, die Leute würden uns nicht mögen. Der Applaus war träge und man hatte das Gefühl, dass jeder nur mit sich selbst beschäftigt war. Nach dem Auftritt kam dann aber der Veranstalter ganz aufgeregt in den Backstageraum und fragte, warum wir denn nicht nochmal wegen einer Zugabe auf die Bühne gekommen wären, weil, wie man am Abschlussapplaus doch hätte hören können, es den Leuten wirklich gut gefallen habe. Offensichtlich hatten wir da also die Szene-Spielregeln nicht verstanden, beziehungsweise falsch gedeutet. Christian (Dörge, Sänger von Syria; Anm. d. Red.) erzählte mir 2011 in einem Interview, dass er es als angenehmer empfinde, im Ausland zu spielen, weil man dort von den Veranstaltern häufig mehr geschätzt und auch pünktlicher bezahlt wird. Kannst Du diese Aussage teilen? Und im Zusammenhang damit: wie stehst Du zu solchen Dingen wie Pay2PlayVerträgen, die sich auch in unserer

Du hast Euren Auftritt in Madrid angesprochen. Du bist in Deiner Zeit 17

Szene in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt haben? Hm, nein, da hatten wir wohl mehr Glück als Christian. Bisher sind wir auch bei unseren Auftritten in Deutschland von den Veranstaltern immer sehr nett behandelt worden und Probleme wegen der Gage hatten wir auch noch nie. Aber prinzipiell ist es natürlich schon so, dass man im Ausland automatisch einen anderen Status hat. Das ist bei ausländischen Bands hierzulande ja genauso. Und da es generell ziemlich kostspielig ist, eine Band e i n fl i e g e n z u l a s s e n , w ä h l t e i n Veranstalter mit Sicherheit keine Künstler aus, die er nicht schätzt. Selbst wenn es nur darum geht, dass er mit ihnen ein bisschen Geld verdienen kann. Das ist bei „Heimspielen“ natürlich anders. Wenn du nicht gerade ein Topact bist, bist du halt eine Band unter vielen anderen. Aber wie gesagt, wir selbst haben bis jetzt noch keine negativen Erfahrungen gemacht. Was das Pay2Play-Prinzip betrifft, dass manche Bands dafür bezahlen, auf großen Festivals oder als Support von bekannteren Bands auftreten zu dürfen, ist ja nichts Neues. Wie genau das heutzutage bei Clubauftritten aussieht, da habe ich wirklich keine Ahnung. Bisher ist mir diese Art von Vertrag noch nicht in die Finger gekommen und deshalb kenne ich auch die Konditionen nicht. Sollte es so sein, dass man einen Veranstalter bestechen muss, um überhaupt spielen zu dürfen, dann ist das wirklich eine üble Entwicklung. Und es wäre wünschenswert, dass sich möglichst wenige oder besser noch, gar keine Bands darauf einlassen würden, denn auch wenn gerne mal so getan wird: ohne Künstler gibt es auch keinen Veranstalter! Ganz einfach. Ein allgemeiner Boykott wäre da vielleicht ganz sinnvoll. Aber gut, Solidarität unter Musikern, das ist wieder ein anderes Thema... In einem Interview, welches schon 10 Jahre zurückliegt, hast Du mal gesagt, dass Du eigentlich ein sehr schüchterner Mensch bist. Das hat mich ein wenig überrascht, weil ich es mir sehr schwer vorstellen kann, dass man als schüchterner Mensch sicher auf der Bühne musizieren kann.


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Welches Gefühl hast Du auf der Bühne, können. Schön fand ich beispielsweise als wenn Du vor Menschen spielst, die ich vor einigen Jahren Paul Roland bei wegen Deiner Musik gekommen sind? seinem Auftritt in Athen als Gastmusiker unterstützt habe. Da war ich lediglich der Zwischenzeitlich habe ich natürlich Hintergrundgitarrist, von dem keiner was gelernt, mit dieser Situation einigermaßen wollte. Das habe ich wirklich genossen.

Da mir aber die Tendenz zur Rampensau abgeht, empfinde ich das „vorne stehen“ nach wie vor als ziemlich unangenehm. Aber da muss ich eben durch. Zumal ich die LiveErfahrung auf keinen Fall missen möchte. umzugehen.

der Band unterwegs sind. Das hat immer etwas von einem ausgelassenen Schulausflug. Und mitunter ist sogar eine Tüte Eisbonbons dabei... Vielen Dank fürs Interview, Ralf. Die letzten Wort gehören Dir…

Zum Schluss natürlich auch an Dich u n s e r e l e i c h t a b g e w a n d e l t e Um mal komplett albern zu werden: S t a n d a r d f r a g e : w a s w a r e n d i e Danke, die wollte ich immer schon schönsten Momente, die Dir in Deinem haben... ;) langen Musikerleben passiert sind? Axel Meßinger Außer diesem Interview? Hm, schwierig, weil ja tatsächlich viel passiert ist. Insofern täte ich sagen wollen, dass zu den schönsten Momenten auf jeden Fall visit: www.i-m-r-project.de jene gehören, die passieren, wenn wir mit

Es ist wirklich etwas ganz besonderes vor Menschen stehen zu dürfen, die tatsächlich das hören wollen, was du dir so ausgedacht hast. Und schon allein die Tatsache, dass ich ja nicht alleine auf der Bühne bin, bringt ein enormes Gefühl der Sicherheit. Ich meine, wir spielen jetzt bereits seit über zehn Jahren zusammen, da entsteht natürlich eine interne Chemie, die mehr als nur hilfreich ist. Aber trotzdem werde ich mich an das „im Mittelpunkt stehen“ wohl nie richtig gewöhnen

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Szene-Story: 13. Gothic Christ zum WGT Auch

in dieser Ausgabe haben wir wieder eine Szenestory für Euch parat. Diesmal geht es um die Veranstaltungsreihe „Gothic Christ“, welche alljährlich zum Wave Gotik Treffen in der Peterskirche, in Leipzig, stattfindet. Diese ist eine der wachsenden alternativen Veranstaltungen, welche man ohne ein WGTBändchen besuchen kann. Im folgenden Interview mit Franz Steinert, einem der Organisatoren des „Gothic Christ“, erfahrt Ihr mehr über die Veranstaltungsreihe, das Konzept sowie seine persönlichen Gedanken zu Szene und Glauben. Hallo, Franz! Zuerst einmal herzlich willkommen bei uns in der Dark Feather. Magst Du Dich unseren Lesern vorstellen? Ja, natürlich gern. Ich bin 29 Jahre alt und vor ein paar Monaten mit meiner Familie

etwas südlich von Leipzig in eine Wohngemeinschaft gezogen. Vorher haben wir zehn Jahre in der Messestadt gelebt. Der Beginn der Leipziger Zeit war

für mich zugleich auch der Startschuss in die Schwarze Szene hinein. Anfangs habe ich sie vor allem über die Musik kennen und schätzen gelernt. Bands wie Lacrimosa und Haggard haben mich damals fasziniert. Zusammen mit meiner Frau war ich dann selbst in zwei Musikprojekten a k t i v, d i e s i c h stilistisch ganz grob mit Gothic bzw. Gothic-Metal umschreiben lassen. In den Jahren, als wir live unterwegs waren, habe ich viele offene, freundliche M e n s c h e n getroffen, mit denen sich oft tiefgründige G e s p r ä c h e ergeben haben. Interesse für Persönliches, Offenheit für Spirituelles – das waren die prägenden, p o s i t i v e n Erfahrungen für mich mit Menschen aus der Szene. Deswegen habe ich mich gern in der Szene bewegt und sympathisiere auch heute noch, vier Jahre nach der letzten Bandaktivität und einigen Veränderungen im Leben, mit dem Schwarzen Völkchen.

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Das "Gothic Christ" wird seit dem Jahr 2001 alljährlich im Rahmen des Wave Gotik Treffens veranstaltet. Was kann man sich unter der Veranstaltung vorstellen und wie entstand die Idee? Ein paar Christen aus der Stadt haben 2001 die Idee gehabt, die Festivalbesucher des Wave-GotikTreffens ausdrücklich Willkommen zu heißen, anstatt sie in die satanistische Ecke zu stecken und im wahrsten Sinne des Wortes zu verteufeln. Anfangs war Gothic Christ eine Konzertveranstaltung. Mit der Möglichkeit, ab 2004 die Peterskirche als Veranstaltungsort zu nutzen, lag dann der Gedanke eines Szenegottesdienstes auf der Hand. Die Kirche selbst mit ihrem neogotischen Baustil ist natürlich ein ästhetischer Genuss. Aber uns als Freundeskreis, der Gothic Christ trägt, geht es natürlich nicht darum, lediglich geronnene Formen von Religion in Form eines beeindruckenden Kirchengebäudes zur Schau zu stellen. Wir erleben selbst den christlichen Glauben als lebendige, befreiende und verbindende Kraft, die Gott uns Menschen schenken will. Der Glaube macht das Leben vielleicht nicht unbedingt einfacher, aber erfüllter und weist uns einen Weg über den Tod hinaus. Mit Gothic Christ und den Veranstaltungen, die dazu gehören, wollen wir das zum Ausdruck bringen, feiern und dabei ins Gespräch kommen, Erfahrungen austauschen, andere Sichtweisen kennen lernen...am Veranstaltungstag gibt es in der Regel zwei Szenegottesdienste und dazu ein bis zwei Konzerte in der Kirche. In der Zeit dazwischen, sorgt seit zwei Jahren das Musikprojekt Lambda für eine dezente, stimmungsvolle Untermalung der Programmpausen, die bewusst recht


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großzügig geplant sind. So bleibt Zeit für die Mitwirkenden und die Gäste, sich zu begegnen – oder einfach die Atmosphäre zu genießen. Wie in einem Gottesdienst üblich, gibt es natürlich auch bei Euch Predigten. Wo sind Unterschiede zu den normalen Predigten, wie sie in unseren Kirchen üblich sind? Bisher haben wir das Predigtthema meist mit Hilfe von besonderen Dekorationen und szenischen Handlungen umgesetzt. 2012 zum Beispiel war unser Prediger, Patrik Thiele, ein Schiffbrüchiger, der nach einem Sturm einsam an einer verlassenen Küste gestrandet ist. Aus dieser Situation heraus, hat Patrik dann zu den Besuchern des Szenegottesdienstes zum Thema Gnade gesprochen. Die Predigten tragen seine Handschrift, die eines Schriftstellers: die Sprache ist lyrisch und von Metaphern durchzogen. Patrik ist wie wir anderen auch „theologischer Laie“, also kein ausgebildeter Pfarrer oder so was. Ansonsten gibt es wie bei „normalen“ Predigten biblische Bezüge und Fragen und Antworten dazu, was Gott mit unserem Leben zu tun hat, um es mal ganz allgemein zusammenzufassen. Als ich vor 3 Jahren bei Eurem Szenegottesdienst war, hat mich die Toleranz sehr beeindruckt. Es schien keine Regeln zu geben, jeder konnte auf seine Weise seinen christlichen Glauben „ausleben“. Kinder konnten auch mal laut sein und durch die Kirche rennen – etwas, was sonst in klassischen Gottesdiensten nicht gern gesehen wird. Aber es herrscht auch eine sehr tiefe Atmosphäre der Ruhe vor. Und was ich, als nicht gläubiger Mensch, sehr schön fand, dass niemand versucht hat, einen zu bekehren. Es freut mich zu hören, dass du das so empfunden hast. Dann haben wir ja atmosphärisch erreicht, was wir uns wünschen ;-) Wir möchten gern zum bewussten Innehalten an diesem, von Programmpunkten so vollen, WGTPfingstwochenende einladen. Wir hoffen natürlich darüber hinaus, dass Menschen Gott begegnen oder sich durch Gothic

Christ vielleicht zur Suche nach ihm inspirieren lassen. Aber das ist etwas, was (zum Glück) nicht in unserer Macht steht, sondern meiner Überzeugung nach nur Gott selbst bewirken und schenken kann. Wir bieten dazu einen gewissen Rahmen an, wir wollen aber weder Gott noch unsere Gäste unter Druck setzen. Wir selbst lernen am Veranstaltungstag und beim Vorbereiten jedes Mal etwas dazu – zum Beispiel neue Menschen und weitere (Glaubens-)Erfahrungen. Der Eintritt ist natürlich kostenlos. Auch ohne WGT-Bändchen kann man zum Gothic Christ kommen. Wie finanziert sich die Veranstaltung? Alle Kosten werden ausschließlich durch private Spenden getragen. Sehr dankbar sind wir in diesem Zusammenhang auch der Peterskirchegemeinde, die uns zu sehr günstigen Konditionen die Kirche überlässt. Trotzdem müssen wir jedes Jahr einen vierstelligen Betrag stemmen – bisher haben immer im richtigen Moment genügend Leute gespendet.

Veranstaltungsort ist die Peterskirche. Wie hat sich die Suche nach einer geeigneten Kirche gestaltet? Seid ihr auf Widerstände gestoßen oder gab es dahingehend weniger Probleme? Die Hintergründe, wie es 2004 dann in die Peterskirche ging, kenne ich selbst nicht genau. Ich bin erst seit dem Gothic Christ 2006 dabei. Der ehemalige Pfarrer der Kirchengemeinde, Herr Toaspern, und der Kirchenvorstand der Gemeinde, sind uns jedenfalls in den vergangenen Jahren mit viel Vertrauen begegnet, waren stets interessiert und haben uns trotzdem machen lassen. Echt keine Selbstverständlichkeit. Umso dankbarer sind wir für die Möglichkeit, dieses tolle und für den Anlass so passende Gebäude nutzen zu dürfen.

Häufig begegne ich in unserer Szene Vorurteile und geradezu Anfeindungen gegenüber dem christlichen Glauben. Nicht selten ist dann von „verrückten Spinnern“ die Rede. Hast Du auch diese Beobachtungen gemacht, dass das „Religionsbashing“ in den letzten Neben Predigten gibt es bei Euch Jahren zugenommen hat und wenn ja, natürlich auch Musik. So spielten in was sind Deine Gedanken dazu? den letzten Jahren Ebenbild, Lambda und die Irrsterne. In der Tat ist Musik Es wird sicherlich immer Menschen ein sehr, sehr wichtiger Bestandteil geben, die sich über die Inhalte und Eurer Veranstaltungen, richtig? Gibt es F o r m e n v o n R e l i g i o n o d e r auch die Möglichkeit für andere Bands, G l a u b e n s ü b e r z e u g u n g e n e r e i f e r n . bei Euch aufzutreten? Solange es nicht persönlich und gezielt verletzend wird, sehe ich das eher Ja, Musik ist sehr wichtig, viele der sportlich: Kritik hält fit und provoziert M i t w i r k e n d e n m a c h e n s e l b s t i n Selbstreflexion. Manchmal stimmt sie ja irgendeiner Form Musik oder haben auch schlichtweg. Im persönlichen welche gemacht. Musik kann Eindrücke, Gespräch ist es mir auch noch nie Erkenntnisse und Gefühle transportieren, passiert, dass jemand wegen meines zu denen Worte nicht in der Lage wären. G l a u b e n s a u s f ä l l i g g e w o r d e n i s t . D a z u n o c h d i e s e A k u s t i k i n d e r Beleidigungen und Pauschalisierungen Peterskirche...mmh...Wir sind prinzipiell kenne ich vor allem durch das Lesen in a u f g e s c h l o s s e n g e g e n ü b e r n e u e n Foren, Gästebüchern usw. Und ja, musikalisch Mitwirkenden. Wichtig ist uns manchmal frage ich mich dann schon, wie dabei, dass sie sich mit der Idee von es dazu passt, dass ausgerechnet Gothic Christ identifizieren können und wir Toleranz so oft als der zentrale Wert der uns in irgendeiner Form vor einem Auftritt Szene genannt wird. Ich finde es schade, persönlich kennen lernen. Da Gothic dass dem ein oder anderen Zeitgenossen Christ keine kommerzielle Veranstaltung schon ein paar Signalwörter wie „Kirche“ ist, haben wir Bands auch nicht viel mehr oder „Christen“ ausreichen, um sein zu bieten als unsere Idee und unser G e g e n ü b e r a b s c h l i e ß e n d z u persönliches Engagement...und, na gut, schubladisieren und „ganz genau“ zu eine sehr schöne Location ;-) wissen, was das für ein Mensch und wie beschränkt sein Denken sein muss. Und 20


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in der digitalen Welt ist die Hemmschwelle, solche Einschätzungen zu treffen und sie öffentlich kund zu tun, anscheinend sehr gering. Aber was sollʼs. Bei forentypischen „Wer-hat-RechtDiskussionen“ ist es in Glaubens- wie bei Beziehungsfragen: diese Fragerichtung führt selten zu einem Ergebnis, das den eigenen Horizont erweitert, sondern eher dazu, dass der Horizont enger wird und ich mich von meinem Gegenüber distanziere. So habe ich mich schon vor einiger Zeit aus Foren usw. zurückgezogen und bevorzuge es, mit Menschen ins persönliche Gespräch zu kommen, die das auch wollen und sich auch darauf und auf mich einlassen. Ich versuche mich also, als Rezipient für antireligiöse Reflexe, rar zu machen ;-) Und andererseits natürlich trotzdem Stellung zu beziehen und klare Auskünfte über mein Denken und meinen Glauben zu geben, wo das gefragt ist.

auseinandersetzt, dann merkt man: eigentlich ist die Gothic-Szene gar nicht so weit vom christlichen Glauben entfernt. Sei es durch Bands wie Lacrimosa, Saviour Machine, Virgin Black oder Illuminandi. In der Neoklassik trifft man häufig auf sakrale Chorgesänge und viele Symbole und Motive, wie beispielsweise Engel, sind der christlichen Religion entnommen – häufig auch in der Bedeutung. Auch auf anderer Ebene gibt es Zusammenhänge: etwa im Streben nach Toleranz, nach Frieden – dass jeder so sein kann, wie er will - kurz: Nächstenliebe. Und doch hatte ich schon Diskussionen mit christlichen Menschen, gerade aus dem institutionellen Umfeld der Kirche, die einem etwas anderes über die Szene weiß machen wollten. Da stößt man als Szenenanhänger mitunter auf sehr viel Ablehnung und Intoleranz. Du bist ja auch ein eher kritischer Mensch, was In der Gesellschaft wiederum wird die Institution Kirche betrifft. Aus unsere Szene zwar nicht mehr als denselben Gründen? satanistisch wahrgenommen, wie beispielsweise noch vor 15 Jahren, Vorurteile gibt es bei Christen über die aber christliche Religion wird damit Szene, wie es sie umgekehrt in der Szene auch nicht verbunden. Wie sind die über Christen gibt. Für mich ist es aber Reaktionen, wenn Du sagst: „Natürlich schon bitter mitzubekommen, dass bin ich Christ und in der Gothic- Menschen, denen Jesus Retter und Szene“? Vorbild ist, pauschal und oft ohne jeden

persönlichen Bezug über die Szene urteilen. Aber da gibt der christliche Glaube und eben Jesu Vorbild selbst, wie du andeutest (Stichwort: Nächstenliebe), einiges her, um solches Verhalten zu hinterfragen. Ich möchte da aber auch nicht blind eine Lanze weder für DIE Christen noch für DIE Schwarze Szene brechen. Die zentrale Frage, die Gott (so wie ich die Bibel verstehe) interessiert ist, ob ich meine Identität aus der Beziehung zu ihm beziehe oder nicht – Institutionen, Subkulturen usw. können dabei helfen oder Ausdrucksformen sein, genau so wie sie behindern oder vom Wesentlichen ablenken können. Christliche Institutionen sind demzufolge für mich nicht automatisch Schrott, auch wenn ich zugegebener Maßen angesichts manch weltlicher Angepasstheit und einigen Äußerungen ihrer Vertreter eine gewisse Skepsis nicht verleugnen kann. Andersrum ist die Szene, bei aller persönlicher Sympathie, ja auch ein Ort, wo manch menschenverachtendes Gedankengut kursiert, wo der Unterschied zwischen Ignoranz und Toleranz teilweise nicht mehr existiert, wo der Kommerz seinen festen Platz gewonnen hat. Also: Je nachdem, was jeder persönlich mit Christen oder Gothics erlebt hat und welche Werte und Erfahrungen sein Weltbild besonders geprägt haben,

Meistens sind die Menschen irritiert, die das erste Mal von dieser Kombination hören.

Irritationen sind oft ein guter Gesprächseinstieg, ziehen sie doch viele Fragen nach sich. Und Aber

oft frage ich dann mittlerweile reflexartig zurück, was denn die Leute unter „Gothic“ und „Christ“ verstehen. Das ist dann mindestens genau so interessant wie mein Versuch zu erklären, warum sich beides nicht automatisch ausschließen muss :-) Wenn man sich intensiver mit unserer Subkultur

WGT - Gothic Christ / Peterskirche Leipzig 21


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reagiert man auf die Unzulänglichkeiten der einen oder anderen Gruppe sensibler - oder auch nicht. Wie schon angedeutet, finde ich es spannend, in Situationen der (Vor-)Verurteilung, herauszufinden, welche Annahmen beim Gegenüber dahinter stecken. Egal, ob ich nun mit einem Christen oder Szeneanhänger rede. Kannst Du schon etwas zum nächsten Gothic Christ sagen? Was wird den Besucher erwarten, der vielleicht durch dieses Interview Interesse bekommen hat? Gothic Christ richtet sich in erster Linie an alle Besucher des Wave-Gotik-Treffens, egal welchen Glauben jemand mitbringt oder nicht. Wir freuen uns sehr über das Interesse der „nichtgläubigen Menschen“, die jedes Jahr vorbeikommen und sich die Szenegottesdienste anschauen. Die Veranstaltung war von Anfang so gedacht,

dass Leute, die in der Szene unterwegs oder ihr verbunden sind, etwas für die Szene anbieten und nicht exklusiv für Christen. Darüber hinaus hat sich über die Jahre das Ganze aber auch zu einem Anlauf- und Sammelpunkt für „Schwarze Christen“ entwickelt, die es genießen, G l e i c h g e s i n n t e z u t r e ff e n . E s t u t anscheinend gut, nicht wie sonst oft die (mindestens optischen) Außenseiter zu sein oder erklären zu müssen, wie Glaube und Szene zusammenpassen, sondern ganz selbstverständlich einen Gottesdienst zusammen feiern zu können. So laden wir auch dieses Jahr wieder zu zwei Szenegottesdiensten am Pfingstsonntag (16 und 18 Uhr) ein, diesmal unter dem Motto „Der Rabe und das Kreuz“. Wer genaueres wissen will, kommt am besten am 19. Mai zu besagten Zeiten in die Peterskirche. Zwischen den Szenegottesdiensten und danach, wird es viel Zeit zum Innehalten

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und Live-Musik geben, mit Musikern der drei Bands Lambda, Ebenbild und Winterglas. Genaueres zum Programm, zur Idee von Gothic Christ usw. gibt es auf unserer Website. Vielen herzlichen Dank für das Interview, Franz. Du hast die letzten Worte. :-) Danke Axel für das spürbare Interesse, das aus deinen Fragen gesprochen hat! Und lieber Leser, wenn du noch mehr wissen willst oder uns deine Gedanken mitteilen möchtest, dann schreib mir gern an franz@gothicchrist.com oder ins Gästebuch unserer Website.

Axel Meßinger

visit: www.gothicchrist.com


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Die dunkle Seite unserer Informationsgesellschaft Seit dem letzten Jahr gibt es das zweite Album „Digitalkrieg“ zum freien Download. Wo siehst Du persönlich den Unterschied in Deiner Musik zu den vielen, vielen anderen Projekten aus der Szene?

Mit

STURTZFREQUENZ haben wir nach längerer Zeit wieder ein EBMProjekt in unserem Magazin. Das Projekt Sturtzfrequenz übt inhaltliche Kritik an unserer Informationsgesellschaft und der Gefahr der neuen Medien. Die Musik ist dabei sehr abwechslungsreich und recht untypisch, im Vergleich zu vielen anderen Projekten aus dem Genre, da bei Sturtzfrequenz die Texte im Vordergrund stehen. Mastermind Jogi wird Euch im nun folgenden Interview Näheres zu berichten wissen.

In erster Linie liegt für mich der Unterschied darin, dass ich meine eigenen Gedanken in den Texten meiner Musik verarbeiten kann. Das ist für mich sehr wichtig. Musikalisch ... naja, in meinem Bekanntenkreis hat man mir schon öfters gesagt, dass man meine Lieblingsbands heraushört. Aber das ist auch o.k. so, schließlich haben diese Bands (ohne Namen nennen zu wollen) mich in meiner Jugend stark geprägt. Ich habe nicht vor, irgendjemanden zu kopieren, will aber auch nicht das Rad neu erfinden, sondern das produzieren, was mir selbst am besten gefällt und Spaß macht.

Sehr gut gefallen mir in den Songs die klaren Melodien und Songstrukturen, Hallo, Jogi. Willkommen bei uns im sowie der klare Gesang. Hier merkt Dark Feather Zine. man, dass nicht einfach nur Musik zusammen geklickt wurde, sondern Ja, hallo. Ich bin der Jogi, komme aus auch wirklich schönes Songwriting dem wunderschönen Sachsenland und dahintersteckt. bin der Kopf des Musikprojekts STURTZFREQUENZ, welches ich schon Ja, das ist auch der Grund, warum seit seit einigen Jahren betreibe und bei der letzten Veröffentlichung so viel Zeit welchem ich tatkräftig von meiner Frau vergangen ist. Da ich Sturtzfrequenz Aurinko unterstützt werde. neben Familie und Beruf betreibe und nicht einfach schnell etwas Sturtzfrequenz gibt es seit 2003. Mit zusammenbauen werde, nur um welcher Intention hast Du damals das möglichst bald wieder ein neues Release Projekt gegründet? feiern zu können, dauert es eben eine Bevor ich mit Stutzfrequenz anfing, habe Weile, bis die Songs wirklich so klingen ich noch 1 Jahr zuvor mit einem Freund wie es mir gefällt. Wenn ich eine neue (DJ Maik) an einem Elektro-Dance Projekt Songidee habe und den Text dazu g e a r b e i t e t . D a m e i n p e r s ö n l i c h e r schreibe, welcher meistens als erstes Musikgeschmack aber doch eher in entsteht, dann habe ich oft schon ziemlich Richtung EBM geht, ich mehr Wert auf genaue Vorstellungen davon, wie sich der textliche Inhalte legte und mein Kumpel Song am Ende mal anhören soll. Und irgendwann nach Berlin gezogen ist, dann wird eben solange herum probiert konzentrierte ich mich bald hauptsächlich und mit den analogen und virtuellen Synthesizern experimentiert, bis der Song auf Sturtzfrequenz.

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auch wirklich so klingt, wie ich mir das vorgestellt habe. Als Retrospieler sind mir auch die kleinen Chiptune-Anleihen in der Musik aufgefallen. Wie kam es zu diesem Stilmittel? ...weil ich selbst Retrospieler bin! ;-) Da die Antwort etwas kurz war - nun eine genauere Erklärung. In erster Linie bin ich großer Fan von 80er-Jahre-SynthieSounds, welche man in den Songs auch sehr oft wiederfindet. Was den 8-bit Sound, speziell im Song „Handheld“, angeht, so kommt das davon, dass ich früher mal stolzer Besitzer eines alten Gameboys war. So ein großer grauer Kasten der ersten Generation, welcher nur schwarz/weiß anzeigte und eben diesen tollen Sound erzeugte. Viele Jahre später bin ich im Internet auf eine Seite gestoßen, die sich mit Gameboymusik befasst. Da gibt es also Leute, die für diese alte Konsole Programme geschrieben haben, mit denen man den Gameboy als eine Art Synthesizer und Drumsequenzer benutzen kann. Da ich nun leider nicht mehr im Besitz eines solchen Gerätes bin, habe ich mir einen entsprechenden Emulator auf mein Palm geladen und kann damit loslegen, rumspielen und tolle Sounds erzeugen. Macht Spaß. K o m m e n w i r z u d e n Te x t e n . I n „Digitalkrieg“ geht es um die Gefahren unserer virtuellen Informationsgesellschaft. Kannst Du einen Überblick zum Inhalt des Albums geben? In dem Album geht es um all die Dinge, die mich in der aktuellen Medien- und virtuellen Netzwerkgesellschaft am meisten nerven. Um die Gefahren, die sie mit sich bringen und deren Auswirkungen auf uns. „Digitalkrieg“ - Es geht um eine Welt, in der die Menschen nur noch das tun und


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denken dürfen, was der Computer in ihre Gehirne eintrichtert. Für viele Politiker ein Traum und an manchen Stellen leider schon Realität.

man darüber nachdenkt, wie sehr sich die Welt in den letzten Jahren geändert hat und das es immer schneller wird – bekommst Du da manchmal auch Angst, wohin sich das alles entwickeln „Weltentraum“ - Computerspielsucht könnte? Im Song „Zu schnell für diese Zeit“ höre ich gewisse Sorgen darüber „Zu schnell für diese Zeit“ - Wir tun leider heraus wie sehr wir uns von viel zu viele Dinge im Zusammenhang mit Plattformen wie Facebook abhängig der aktuellen Technik und den vielen machen. sozialen Netzwerken, ohne immer über deren Folgen nachzudenken. Ich habe keine Angst vor der technischen

Facebook ja bekanntlich seit letztem Jahr noch mehr Geld verdienen muss, wird man derzeitig auf dieser Plattform permanent mit Werbung zugemüllt. Zufällig sind es meistens Angebote von Produkten oder Dienstleistungen, die man am Tag zuvor selber noch gegoogelt hat. Mal schauen, wie sich das weiter entwickelt. Ich habe vor kurzem gelesen, „myspace“ wäre wieder im Kommen. Und das Profil dort gibt es ja auch noch. ;-)

Entwicklung in der Zukunft, solange ich „Netzwerkliebe“ - Unser Song zum Thema sie noch halbwegs verstehe und Facebook. nachvollziehen kann, was da passiert. Man muss sich halt damit befassen und „Deutsches Fernsehen“ - Der Name sagt bereits, worum es geht. Und gesagt sich vor der Benutzung dieser Technik Gedanken darüber machen, wo, wann werden musste es schon lange mal. und mit wem ich diese Technik benutze.

Sehr interessant finde ich „BurnoutUrlaub“, in dem Du anklagst, dass Menschen sich mittlerweile hinter Krankheiten verstecken, Ärzte zu schnell Diagnosen erstellen. Im Song geht es um jemanden, der sich hinter einer Burnout-Erkrankung versteckt.

„Burnout-Urlaub“ - Schlimm für die, die es Wie viele Leute haben schon Freunde, wirklich betrifft, schön für die, die es Arbeit oder Geld verloren, weil sie einfach nur ausnutzen wollen. unüberlegt Dinge bei Facebook und Co. posten ohne darüber nachzudenken, wer „Das Experiment“ und „Mein Leben“ - alles Zugriff darauf hat? Nicht jeder Beide Songs sind Science-Fiction „Freund“ im Internet ist auch in echt ein Freund! „Handheld“ - Ich mag den Gameboy. :-)

Ich habe mich beim Hören gefragt: verstecken sich die Menschen wirklich oder gibt es nicht in der Tat mehr Erkrankungen, weil beispielsweise der Druck auf Arbeitnehmer weiter erhöht wird? Ich persönlich finde, dass die gestiegenen Burnout-Erkrankungen in der Gesellschaft im Song selbst ein Natürlich haben die sozialen Netzwerke wenig heruntergespielt werden. Würde man eine Zeitmaschine bauen auch ihre Vorteile. Deshalb nutze ich sie und 20 Jahre zurückreisen, würden die ja auch selbst. Wobei mich momentan Ja, und das ist auch beabsichtigt. Der Texte höchstwahrscheinlich als pure e t w a s g a n z b e s o n d e r s n e r v t . D a einzige Hinweis auf die Ernsthaftigkeit Science-Fiction abgetan werden. Wenn 24


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dieser Krankheit befindet sich in der letzten Zeile des Liedtextes: „Mich plagt mein Gewissen … vor denen, die das wirklich haben“. Ich habe mich mit dem Thema befasst, bevor ich den Song schrieb. So hat mir ein Psychologe mal die Hintergründe von Burnout erklärt, deren Ursachen und Auswirkungen auf die betroffenen Personen. Allerdings bin ich mit diesem Thema eben auch schon mehrfach ganz anders konfrontiert worden. Was dann auch die Grundlage für den Song „Burnout-Urlaub“ war. Ein Beispiel dazu. Ich habe vor einiger Zeit eine berufliche Weiterbildung / Studium gemacht. Das heißt, über drei Jahre hinweg, dreimal die Woche, nach der Arbeit, bis abends die Schulbank drücken und lernen. Das war mit Sicherheit nicht immer einfach. Es gab aber eben auch Mitstreiter, die es sich einfach gemacht haben, gerade als es auf die Prüfungszeit zu ging. Diese haben uns dann freudestrahlend erzählt, wie einfach es war, den Arzt davon zu überzeugen, dass sie das alles nicht mehr schaffen und sie dringend frei bräuchten. Da passte es natürlich, dass sich Burnout in dieser Zeit durch die Medien zur Modekrankheit etablierte. Stress haben wir alle im Beruf. Und dass der Stress in den letzten Jahren, gerade durch die Computer- und Kommunikationstechnik, ein anderer geworden ist, eben weil alles immer schneller geht und sofort erledigt werden muss, ist auch klar. Aber ob nun wirklich jeder Burnout hat, der dies angibt … ich weiß nicht.

können. Die Frage ist halt, wie und in welcher Größenordnung man das Ganze aufzieht. Gerade in unserer Szene kann man allein vom CD-Verkauf nicht leben. Viele Musiker arbeiten neben ihrer Hauptband an verschiedenen anderen Musikprojekten mit, stehen am Wochenende auf der Bühne oder als DJ hinterm Mischpult. Da kann man schnell mal 7 Tage die Woche volles Programm haben. Wenn dann am Ende des Monats nicht genug Geld zum „normalen“ Leben übrig ist, dann ist das nicht in Ordnung. Was die digitale Verbreitung von Musik angeht, da ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Von illegalen Downloads halte ich gar nichts und es ist auch irgendwie nicht mehr zeitgemäß. Es gibt unzählige Internetradios und MusikStreaming-Dienste, wo man sich die kompletten und aktuellen Alben von seinen Lieblingskünstlern legal und kostenlos anhören kann. Natürlich sollte an dieser Stelle der Urheber nicht leer ausgehen. Womit wir auch schon beim Thema GEMA wären. Die mag ich nicht besonders! Wenn man ein berühmter Musiker ist, dann ist sie ein tolle Sache, für Newcomer ist sie eher hinderlich. Kein Veranstalter will hohe Gebühren für eine Band zahlen müssen, die kaum jemand kennt. Ich biete meine Musik kostenlos an, da für mich die Musik immer noch Hobby ist und ich auf diese Weise viel mehr Hörer erreichen kann.

Herzlichen Dank für das Interview! Die S t u r t z f r e q u e n z i s t e i n r e i n e s letzten Worte gehören Dir… Studioprojekt. Gibt es Bestrebungen, Ich habe zu danken und hoffe, den Lesern das Projekt auch einmal auf die Bühne des Dark Feather hat der Ausflug in meine zu bringen? kleine Welt gefallen. Ich freue mich, dass Ein Traum wäre es schon von mir, aber es noch „echte“ Underground Magazine geplant ist es nicht. Der Hauptgrund dafür wie dieses hier gibt. Danke! ist vor allem wieder der Zeitmangel.

Beste Grüße auf allen Frequenzen…

Du bietest Deine Musik kostenlos an. In den letzten Monaten entbrannte eine riesige Debatte darüber, wie viel und auf welche Weise Musiker und Künstler allgemein in unserer digitalen Gesellschaft verdienen dürfen.

Axel Meßinger

visit: www.sturtzfrequenz.de Wer Musik zu seinem Beruf macht, sollte damit natürlich auch Geld verdienen 25

Weiterhin erhältlich Das DARK präsentiert:

FEATHER

"Snowflakes" u.a. mit Antichrisis, Paul Roland, Nadine Maria Schmidt, Oilensanc, Quellenthal uvm. Ein melancholischdunkelromantisches Samplerprojekt mit 18 Bands und einer Laufzeit von 86 Minuten. Download auf unserer Homepage unter "Ausgaben": www.darkfeather.de Facebook: www.facebook.com/ SnowflakesSampler


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Seit zwei Jahrzehnten „unzerbrechlich“ Mit

MYSTIGMA begrüßen wir in dieser Ausgabe eine der am längsten aktiven Gothic-RockBands in Deutschland. Ende März erschien das neue Album „Unzerbrechlich“ und dies nahm ich zum Anlass, das Brüdergespann Torsten und Jörg Bäumer über den neuen Longplayer auszufragen. Hallo Ihr beiden! Schön, dass Ihr Euch Zeit nehmt und herzlich willkommen in unserem kuschligen Dark Feather Zine. Mögt Ihr Euch und die Band den Lesern vorstellen? Torsten: Also ich bin Torsten, der Sänger u n d Te x t e r d e r D a r k R o c k B a n d MYSTIGMA, die in diesen Tagen ihr mittlerweile viertes Album „Unzerbrechlich“ veröffentlicht hat. Ich beantworte die Fragen zusammen mit Gitarrist und Songwriter Jörg!

„Unzerbrechlich“ entspricht sehr unseren Stammproduzent geworden, da er auch Vorstellungen von stimmungsvoller, guter schon „Universal Surrender“ (2005) Musik. produziert hat. Er kennt uns sehr gut und spielt selbst Gitarre und singt, das ist sehr Mit dem Songwriting haben wir kurz nach h i l f r e i c h . D i e G i t a r r e n , B a s s u n d Veröffentlichung unseres letzten Albums Keyboards sind allerdings alle in unserem „Andagony“ begonnen. Der Prozess lief - bandeigenen Lunaticstudio entstanden. wie für uns üblich - so ab, dass ich erst Vocals und Drums und der Mix sind bei die Musik geschrieben habe und Torsten Peter gemacht worden. Dank der dann die Texte verfasst hat. Während des heutigen Technik und der Möglichkeiten Schreibens entsteht dann zwischen uns ist diese Arbeitsweise zum Glück ein Dialog, d.h., wir besprechen die problemlos. einzelnen Songs in Bezug auf Gesangslinien und Songstrukturen. In der Mir ist aufgefallen, dass es vermehrt Regel liefere ich immer schon recht auch deutschsprachige Texte gibt. fertiges Material ab, es kann aber sein, Schon auf den letzten beiden Alben dass Änderungen wie beispielsweise g a b es jeweils einen Kürzungen oder Änderungen in Rhythmik deutschsprachigen Song. Vor ein paar und Abfolge gemacht werden. Die Jahren habt ihr Euch noch als Gesangslinien werden zum Teil dann auch hauptsächlich englischsprachige Band noch besprochen. gesehen. Wie kam es zu der Entwicklung, hin zu mehr Als Produzent hatten wir Peter „Pani“ deutschsprachigen Texten? Pauliks. Er ist so etwas wie unser

Mit „Unzerbrechlich“ wurde Ende März Euer neues Album veröffentlicht. Wie zufrieden seid Ihr mit dem Ergebnis, welches nun in den 12 Songs vorliegt? Könnt Ihr etwas über die Aufnahmen und das Songwriting zum Album sagen? Jörg: Wir sind mit dem nun vorliegenden Resultat insgesamt gesehen sehr zufrieden. Natürlich gibt es immer Dinge, die man im Nachhinein vielleicht anders gemacht hätte, das ist aber normal, denke ich.

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Torsten: Wie Du schon richtig festgestellt hast, gab es auch schon auf den letzten Ve r ö f f e n t l i c h u n g e n j e w e i l s e i n e n deutschsprachigen Song. Nun war es so, dass viele Fans auf uns zugekommen sind und uns gebeten haben, doch mehr in diese Richtung zu machen.

unserer Sicht unser bisher abwechslungsreichstes Album geworden. Man erkennt unterschiedliche Stilelemente und darauf haben wir diesmal auch mehr Wert gelegt als in der Vergangenheit. Diese Verlässlichkeit, wie du es nennst, ist uns schon wichtig und zeigt sich darin, dass typische Mystigma Trademarks, wie z.B. die oft vorherrschende Melancholie, vorhanden bleiben. Dennoch werden wir in Zukunft mit Sicherheit versuchen, unser Spektrum zu erweitern ohne jetzt einen kompletten Bruch zu vollziehen. Dies wird eine spannende Aufgabe werden.

Und diesmal war das Songwriting von Jörg dementsprechend. Die Songs, die letztendlich in deutscher Sprache vorgetragen werden, haben bei mir während des Schreibens der Stücke definitiv andere Gefühle und Emotionen in mir geweckt. Die Umsetzung dieser in deutscher Sprache erschien mir als sehr passend. Sehr schön finde ich den Titelsong zum Album, „Unzerbrechlich“. Was Gibt es für Dich Unterschiede, ob Du kannst Du über den Hintergrund und einen Song auf Deutsch oder Englisch die Idee zum Text erzählen? schreibst? Wenn ja, welche sind diese? Torsten: Der Titelsong stellt auch für mich einen der Höhepunkte des Albums dar. Es Torsten: Oh ja, die gibt es. Was in ist ein sehr persönlicher Text. Grob Englisch vielleicht funktioniert, muss nicht umrissen, geht es um dieses Gefühl der zwangsläufig auch in deutscher Sprache totalen Leere nach einem Negativerlebnis gut klingen. Ich kann auch nicht einfach oder einem Schicksalsschlag, aber auch einen englischen Text ins Deutsche darum, aus diesem wieder Kraft zu übersetzen, da ja auch die Rhythmik und schöpfen und vielleicht gestärkt aus der Melodieführung eine große Rolle spielen. Situation heraus zu gehen. Es war ein sehr komisches Gefühl, den Text zum Das Schreiben deutscher Texte fällt mir ersten Mal zu singen und den anderen definitiv schwerer und dauert bei mir auch Jungs diesen vorzustellen. länger. Schließlich kehrt man all sein Innerstes nach außen und jeder versteht Auf dem Album ist auch eine sehr es auf Anhieb. Das war am Anfang der schöne Coverversion von Billy Idol`s d e u t s c h e n Te x t e , d i e i c h f ü r „Rebell Yell“ zu finden. Auch in Euren „Unzerbrechlich“ schrieb, für mich nicht so eigenen Songs kann man immer mal einfach. wieder Reminiszenzen aus den 80er Des Weiteren ist mir beim Hören des Albums wieder aufgefallen, wie beständig eigenständig Euer Stil über die Alben geblieben ist. Euren Stil, eine Mischung aus härteren Songs wie „Pretending Cross“ und Melancholie wie in „Tiefes Rot“, konnte man damals s c h o n i n d e n a l t e n " Te a r s o f Mystigma"-Zeiten hören. Wie wichtig ist Euch musikalische Verlässlichkeit? Jörg: Das ist uns sehr wichtig und ich würde sagen, dass es uns diesmal endlich geglückt ist, die richtige Abwechslung zu finden. Früher war diese sicher auch schon ein Stück weit vorhanden. Aber „Unzerbrechlich“ ist aus

Jahren, vor allem der damaligen Rockmusik, entdecken. Täuscht mich der Eindruck oder seid Ihr in der Tat von jenem Jahrzehnt musikalisch beeinflusst?

Musik aus dem dunklen Sektor wirklich höre, vielleicht mal nebenbei, aber nicht intensiv. So gesehen bin ich von Neuem wenig bis kaum beeinflusst. Manchmal lese ich Reviews, in denen wir mit aktuellen Bands verglichen werden, die ich noch nie gehört habe, das ist manchmal lustig. Und gelegentliche Vergleiche mit den 80er stören mich auch nicht so wirklich, so lange wir nicht als altmodisch bezeichnet werden, denn altbacken wollen wir nicht klingen. Nebenbei geht Ihr alle ja auch "normalen" Berufen nach, um am Ende des Monats etwas zu Essen auf dem Tisch zu haben. Wie lässt sich das Berufsleben mit dem Musikerleben (beispielsweise wenn Ihr Auftritte oder Bandproben habt sowie in Aufnahmephasen seid) vereinbaren? Zumal Ihr sicherlich nicht immer die gleichen Arbeitszeiten habt und natürlich auch noch Zeit für die Familien bleiben soll. Wie kriegt man das alles unter einem Hut? To r s t e n : A l l e n i n d e r B a n d i s t MYSTIGMA sehr wichtig. Wir haben klare Tage, an denen wir proben und die hält sich auch jedes Mitglied frei. Neben den Proben, beschäftigen wir uns auch sonst sehr viel mit der Band, sei es Songwriting,

Die Band wird von uns sehr leidenschaftlich und diszipliniert gelebt. Dafür braucht Promo oder Gigs buchen.

man aber auch die richtigen Charaktere, die wir defintiv haben. Unsere beruflichen Positionen lassen es zu, dass wir uns auch für Auftritte die nötigen Freiräume schaffen können. Zu guter Letzt benötigt man aber natürlich auch eine Jörg: Ja vielleicht ein wenig, aber dann verständnisvolle Familie und Partner, die eher unbewusst. Wir haben gelegentlich wir zum Glück auch haben. Keyboard Sounds, die evtl. ein wenig an Depeche Mode erinnern und bei der Die Band gibt es jetzt schon seit bald Gitarrenarbeit sind vielleicht hier und da 18/19 Jahren. Wie hat sich Eure latente 80er Einflüsse. Vielleicht kommt Herangehensweise an das Songwriting das daher, dass wir mit Rock und Metal und die Musik an sich in dieser Zeit aus dieser Epoche aufgewachsen sind. verändert? Ich habe mir manchmal auch schon die Frage gestellt und weiß es auch nicht Jörg: Früher sind wir unbefangener und hundertprozentig. Ein Grund könnte auch unkritischer ans Schreiben gegangen. sein, dass ich persönlich kaum neue Uns fehlte auch der Background, der ja 27


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über die Jahre immer mehr erweitert wird. Dieser Background und der verstärkte Wunsch, sich zu verbessern, fließt heute in unsere Kompositionen mit ein. Wenn ich heute komponiere, achte ich viel mehr darauf, dass die Atmosphäre und

Natürlich legen wir heute auch viel mehr Wert auf das korrekte Einspielen der Songs. Unsere musikalischen Fertigkeiten haben sich logischerweise auch verbessert. Des Weitern spielen für uns sound- und produktionstechnische

Eher zum Positiven oder zum Negativen? Torsten: Beides würde ich sagen. Zum einen spürt die Musikindustrie ja schon länger die zurückgehenden Verkaufszahlen bei der traditionellen, physikalischen CD oder auch bei Konzerten, was sicherlich auch auf die Übersättigung des Marktes zurückzuführen ist. Positiv finde ich aber die heute viel größeren Möglichkeiten, sich als Band vorzustellen, um Kontakte zu knüpfen und die eigene Musik letztendlich auch zu vermarkten. Soziale Netzwerke spielen da sicher eine große Rolle. Wenn man dem als Band nicht offen gegenüber steht und nur jammert, dass früher alles besser war, dann wird es natürlich schwierig. MYSTIGMA sind eine Band, die neuen Entwicklungen und Strömungen immer offen gegenüber stand und steht. Deshalb gibt es die Band ja auch schon ein Weilchen. Zum Schluss natürlich auch an Euch unsere liebgewonnene Abschlussfrage: Was ist das Schönste und/oder Schrägste, was Euch in Eurem Musikerleben so passiert ist? Jörg: Schön ist es immer, wenn wir von Fans positive Rückmeldung bekommen. Sei es direkt nach den Konzerten oder beispielsweise über Facebook. Komische oder schräge Momente erleben wir oft, wenn wir live unterwegs sind oder früher bei Aufnahmesessions in so einigen Studios. Da gab es schon so einige Anekdoten die wir aber lieber für uns behalten wollen (ha, ha) Vielen Dank für das Interview. letzten Worte gehören Euch…

Die

Torsten: Wir danken auch Dir, Axel, für das Interview und grüßen selbstverständlich alle Leser des Dark Feather. Hoffe, wir sehen uns mal bei einem unserer Konzerte. Checkt unsere S t i m m u n g f u n k t i o n i e r t , d a s s e s Aspekte heute eine viel größere Rolle als Musik und tretet mit uns in Kontakt. harmoniert. Auch ist es wichtig, dass die früher. Axel Meßinger einzelnen Komponenten und Instrumente Und wie hat sich Eurer Einschätzung zum Tragen kommen und dass es nicht z u ü b e r f r a c h t e t m i t G i t a r r e n u n d nach die Musikszene als solche in den Keyboards wird. Diesen Fehler haben wir letzten zwei Jahrzehnten entwickelt?

visit: www.mystigma.de

in der Vergangenheit manchmal gemacht. 28


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Mystigma „Unzerbrechlich“ (Release: 22.3.2013 | Label: Echozone) Da sind sie wieder, die sympathischen Gothicrocker aus Recke. Seit ihrer EP „Higher Circumstance“, aus dem Jahr 2002, sind mir die Jungs nun bekannt und es ist durchaus spannend mitzuerleben, wie sich in den letzten 10 Jahren hier eine Band entwickelt hat, die einen noch an das Gute und Schöne in der deutschen Gothicmusikszene glauben läßt. Nun rotiert die neue CD „Unzerbrechlich“ schon einige Male in meinem Notebook und was ich höre, ist kurz und einfach gesagt: richtig guter Gothic-Rock! Damit könnte ich das Ganze jetzt auch schon wieder beenden, aber ich möchte natürlich doch noch näher erläutern, warum mir dieses Album so gut gefällt. Eine Antwort, warum mir das Album so gut gefällt, liefert Bandkomponist Jörg in unserem Interview: er hört kaum aktuelle Musik aus dem dunklen Sektor und ist demzufolge auch kaum von ihr beeinflusst. Dies hört man den Melodien an. Sie klingen für mich sehr frisch, sehr frei im Goth-Rock-Sektor. Ich weiß nicht, ob Ihr dieses Gefühl kennt: häufig hat man in der modernen Gothic-Rock-Musik das Gefühl, dass irgendwie alles gleich klingt. Die Alben verschiedener Bands gleichen sich im Aufbau, die Refrains klingen ähnlich und textlich geht es auch nur noch um Liebe bis in den Tod. Mystigma umschiffen auf ihrem vierten Longplayer all diese Klischees geschickt. Da wäre beispielsweise der sehr gesellschaftskritische Song „Uhrwerk Stille“, der sehr von den schönen Lyrics lebt. Torsten hat es auf dem Album einmal mehr geschafft, komplexe Geschichten und Emotionen in knackige Zeilen zu packen. Auch wenn Texte wie „Tiefes Rot“ oder „Erinner Dich“ leider nicht an die gewohnte Qualität von Mystigma heranreichen. Torsten sagte es schon im Interview, dass ihm das Schreiben von deutschen Texten schwerer fällt. Gerade bei diesen beiden Songs merkt man es deutlich. Auch wirkt Torstens Gesang auf mich in deutscher Sprache unsicherer als in der englischen Sprache. Singt er in Englisch, kommt seine sehr markante und einprägsame Stimme einfach besser zur Geltung! Kommen wir zurück zu den guten Seiten dieser Veröffentlichung. Diese sind wieder einmal in der gelungenen Instrumentierung zu finden. Kleine elektronische Einlagen verpacken krachende Gitarrenriffs, welche sich wiederum mit eher ruhigen Momenten abwechseln. Ein sehr gutes Beispiel für die gute Gitarrenarbeit von Jörg und Stephan ist der Song „Hurt“. Die melodische Hookline im Refrain ist ja wohl mal mit das eingängigste, was ich in den letzten Monaten in einem Rocksong gehört habe. Und dass die Jungs richtig losbrettern können, beweisen sie in "Razorspirit", einem Song, der live sicherlich einige zum Tanzen und Headbangen animieren wird. Und auch wenn die Singleauskopplung „Tiefes Rot“ textlich für mich schon arg an der Grenze zum Kitsch kratzt (das könnt ihr wirklich besser, Jungs!), musikalisch erinnert mich das ein klein wenig an die eher gitarrenlastigen Depeche Mode-Songs der 90er. Aber nur ein klein wenig. Aber allgemein lässt sich sagen, dass in „Unzerbrechlich“ die Gothic-Anteile ein wenig zurückgeschraubt wurden und die Songs auf mich eher rockiger wirken als beispielsweise beim Vorgänger „Andagony“. Gleichzeitig sind die Stücke auch einprägsamer und abwechslungsreicher. Waren früher die Übergänge von härteren und ruhigeren Passagen noch sehr abrupt, sind die Stimmungswechsel auf „Unzerbrechlich“ viel gleichmäßiger und im Gesamtbild auch harmonischer gestaltet. Hier hat sich die Band definitiv nach vorn entwickelt. Auch wenn ich einige Kritikpunkte vorgebracht habe, wie etwa die für mich eher unglücklichen Texte in deutscher Sprache (mit Ausnahme von „Uhrwerk Stille“ und „Unzerbrechlich“), bleibt für mich unterm Strich das Fazit, dass hier ein sehr starkes Album veröffentlicht wurde, welches die Band in der Tat so spielfreudig und experimentell wie nie zuvor präsentiert. Es ist kein altbackenes Album, garantiert nicht. Vielmehr begeistern mich die Elemente aus vergangenen Tagen in neuem Gewand, ohne das die Band sich irgendwelchen Trends unterwirft, sondern schnurstracks ihren ganz eigenen Weg geht! Und allein dafür gehört den Musikern hinter der Band einfach auch Respekt gezollt. Sie gehen neue Wege, ohne ihre eigentlichen Wurzeln zu verlassen. Die Musiker bleiben in ihren Songs immer authentisch. Ich nehme Torsten wirklich den Inhalt der Songs ab und was er damit sagen will. Genau diese Authentizität hebt die Band um das Brüdergespann Torsten und Jörg herrlich von so vielen Bands dieser Szene ab. Wer also ein gutes Stück Gothic-Rock für die Sammlung sucht und nebenbei einer in sich gewachsenen und experimentierfreudigen Band zuhören will, der macht hier tatsächlich nichts falsch. Hoffentlich verschlägt es die Jungs einmal ins Sachsenländle, denn live stelle ich mir diese Songs richtig, richtig geil vor!

Axel Meßinger

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Literatur-Lounge Michael Buttler „Schreiben ist Passion“ Der

noch junge Verlag "Saphir im Stahl" veröffentlichte mit der Trilogie um den Belgier Luuk de Winter eine Reihe historischer Kriminalromane, deren Abschlussband "Die Bestie von Weimar" von Michael Buttler geschrieben wurde. (Band 1: "Das Geheimnis der Ronneburg" von Jörg Olbrich; Band 2: "Der Mannwolf von Königsberg" von Timo Bader & Hannah Steenbock) Michael Buttler ist bekannt durch s e i n e Ve r ö f f e n t l i c h u n g e n i n diversen Anthologien wie auch von zwei phantastischen Romanen. Wie es zu seinem schriftstellerischen Ausflug in die Weimarer Historie

Hallo Michael, willkommen in der Literatur Lounge des Dark Feather Magazins! Magst Du Dich vorab unseren Lesern selbst einmal kurz vorstellen? Ein paar biographische Daten zu Deiner Person wären schön. Hallo Stefan! Das mache ich doch gerne. Ich bin Jahrgang 1968. Mit meiner Familie lebe ich schon immer im Rhein-MainGebiet. Ich arbeite als Bankkaufmann. Seit eineinhalb Jahren bereichern ein Kater und eine Katze unseren Haushalt, womit auch dieses Autoren-Klischee bedient wird. Flohmärkte besuche ich gerne und ab und zu genieße ich ein Glas Whisky. Natürlich lese ich auch gerne. Mein Interessensspektrum ist breit gefächert. Zu meinen Lieblingen gehören Siegfried

Trilogie geschrieben, deren Bindeglied der belgische Ermittler Luuk de Winter ist. Können die Romane aber auch für sich stehen und kann ich als Leser "Die Bestie..." auch ohne Kenntnis von Band 1 und 2 genießen? Ja. Natürlich ist es mir als Autor des sogenannten dritten Bandes wichtig, dies hervorzuheben. Alle drei Abenteuer Luuk de Winters sind in sich abgeschlossen. Der Ermittler spielt dabei nie die Hauptrolle in den Büchern, aber immer eine wichtige Nebenrolle. Wer die Bände in der richtigen Reihenfolge liest, der kann zwar eine gewisse Entwicklung de Winters erkennen, doch man kann sich durchaus auch einzelne Abenteuer herauspicken, die einen besonders interessieren. Denn – auch das ist eine Besonderheit der Luuk de Winter-Reihe – es handelt sich um Krimis, die jeweils eine bestimmte Region historisch aufarbeiten. Die Bücher spielen auf und um die Ronneburg, in Königsberg und in Weimar. Wer also eine besondere Affinität zu einer bestimmten Region hat, der kann sich ganz gezielt eins der Bücher heraussuchen. Drei Romane, vier Autoren. Wie kann man sich den Entstehungsprozess dieser Reihe vorstellen? Wurden die Themen, das Konzept von Verlagsseite her vorgegeben oder seid Ihr, die Autoren, vielleicht mit einem gemeinsamen Exposé, an den Verlag herangetreten?

kam und was es bei einem solchen Projekt zu beachten gilt, erzählt uns Michael in nachfolgendem Interview.

Lenz, John Irving und Stephen King. Auch bei der Musik (Pink Floyd und Element of Crime) und den Filmen (Woody Allen, Tim Burton und Quentin Tarantino) verhält es sich ähnlich schräg. Mit "Die Bestie von Weimar" hast Du den Abschlussband einer Kriminal30

Die Bücher haben eine lange Geschichte. Die Idee, sie zu schreiben, resultierte aus einer Roman-Anthologie der Autorengruppe „Die Geschichtenweber“. D e r Ve r l a g w o l l t e E i n z e l r o m a n e bestimmter Autoren. So haben wir uns zusammengefunden und im Rahmen eines Chats und von Diskussionen im Internetforum der Geschichtenweber die Romanreihe geplant. Die Umsetzung des Projektes erfolgte schließlich über einen anderen Verlag. Wir konnten „Saphir im Stahl“ dazu begeistern, sich auf dieses gewagte Projekt einzulassen, denn für einen Kleinverlag birgt es immer ein gewisses Risiko, wenn gleich eine Romanreihe mit unbekannten Autoren vorfinanziert werden muss.


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Nachdem von Verlagsseite das "o.k." gegeben wurde, habt Ihr Euch danach zusammengesetzt (ich gehe mal davon aus, dass Ihr Euch untereinander kennt) und habt die angedachten Kriminalfälle sozusagen unter Euch aufgeteilt oder stand schon vorab fest, wer welchen Fall aufbereitet? Habt Ihr gemeinsam die Charakterisierung de Winters erstellt etc. und Euch bei der Erstellung der Einzel-Exposés gegenseitig unterstützt bzw. hast Du überhaupt nach Exposé geschrieben? Die Vorgabe des Verlages war, auf das, was wir am besten konnten, zu verzichten: Ein phantastisches Element, das die Romane miteinander verband. Im besagten Forum entstand die Idee, eine Person diese Rolle übernehmen zu lassen. Luuk de Winter war geboren. Allerdings wollten wir nicht einen stereotypen Ermittler, sondern jemanden, der sich durch die Erfahrungen, die er in seinen Abenteuern erlebt, persönlich entwickelt. Dies musste natürlich geplant werden, und so arbeiteten wir gemeinsam die Grundideen der Einzelbände heraus, nach denen sich die Autoren zu halten hatten. Dabei wurde auch die Arbeit „verteilt“. Soweit betraf das alles hauptsächlich die Rolle de Winters. Für die Kriminalfälle und die Recherchen zur jeweiligen Region, waren die Einzelautoren bzw. für Band 2 das Autorenteam alleine zuständig. Band 1 und 3 wurden zeitgleich geschrieben. Jörg Olbrich und ich haben uns die Texte kapitelweise um die Ohren geschlagen und gegenseitig kommentiert. Die Arbeiten zu Band 2 starteten etwas später, doch auch da haben alle noch einmal drüber geschaut. Nicht zuletzt unsere Lektorin Christine Rix hat dafür gesorgt, dass die Bände in sich und im Rahmen der Person Luuk de Winter stimmig wurden. "Die Bestie von Weimar" spielt im Jahr 1825, wir haben es hier also mit einem historischen Kriminalroman zu tun, d e r, n e b e n fi k t i v e n , a u c h r e a l existierende Personen der damaligen Zeit - wie u.a. den Geheimrat von Goethe - in die Handlung einbezieht. Aber auch Faktoren wie das herrschende Rechtssystem, die Sprache u.v.a. sind zu berücksichtigen. Wie umfangreich waren Deine Recherchen und wie gestalteten sich diese? Weimar war bereits zur damaligen Zeit ein Gelehrten- und Touristenmagnet. Es war

üblich, im Rahmen von Briefen oder Reisetagebüchern, die Erlebnisse aufzuschreiben. Auch die Menschen, die dort lebten, schrieben viele Briefe, insbesondere natürlich, wenn es die Person Goethe betraf. Diese Briefe und Tagebücher wurden zusammengefasst und es gibt sie heute in jeder Buchhandlung zu kaufen. Diese und weitere Sachbücher zur damaligen Zeit habe ich durchgearbeitet und wichtige Informationen herausgezogen. Es waren nicht nur nüchterne Fakten auf die ich dabei traf. Personenbeschreibungen, Gerüchte und Lästereien waren ebenso nachzulesen. Das Kriminalgericht betreffend, habe ich Informationen von den offiziellen Archiven erhalten. Und natürlich habe ich Weimar zweimal auch selbst besucht. Mit einem Stadtplan von 1812 bin ich durch die Innenstadt gelaufen und habe alle wesentlichen Orte und Gebäude wiedergefunden. Die Zeit, die dies alles dauerte, ist schlecht zu schätzen, auch weil die Recherche teilweise während der Schreibphase passierte.

Wann schreibst Du am liebsten, abends, an den Wochenenden? Hast Du beim Schreiben einen festen Zeitplan, nach dem Du Dich richtest; Anzahl der Stunden, der Seiten? Ich setzte mir ein Zeichenziel pro Monat. Das breche ich dann auf die Wochen und anschließend auf die Tage herunter. Da ich in der Woche sowieso meinem „Brotberuf“ nachgehe, bleibt mir da nur der Abend. Am Wochenende ist das Zeichenziel pro Tag etwas höher, deshalb setze ich mich auch schon mal früher am Tag an den PC, das meiste bleibt aber doch für den Abend. "Schreiben ist Passion", so lautet Dein Motto. Wann hast Du diese Leidenschaft für Dich entdeckt? Gab es da vielleicht einen bestimmten Auslöser; vielleicht ein Buch, bei dem Du gesagt hast, das möchte ich auch können?

Ich habe als Kind und Jugendlicher schon geschrieben. Nachrichten aus Entenhausen fanden ihren Weg in ausrangierte Schreibhefte. Ebenso erging Beruht der geschilderte Kriminalfall es einer Bildergeschichte, bei der Mutters e v t l . z u m Te i l a u f h i s t o r i s c h e n Versandhauskatalog herhalten musste. Begebenheiten oder ist die Handlung Durch „John Sinclair“ kam ich als komplett frei erfunden? Jugendlicher zur Phantastik. Ich habe aber sehr lange gebraucht, bis ich mit Die Handlung ist frei erfunden. meinem Geschreibsel an die Öffentlichkeit gegangen bin. Inklusive Deiner Nachforschungen im Vorfeld, wie lange hast Du an dem W i e e r g e h t e s D i r , w e n n D u Roman insgesamt gearbeitet? beispielsweise eine grausame Mordszene beschreibst? Ist es für Dich Alles zusammen hat es ungefähr ein Jahr s c h w i e r i g , D i c h i n d e n M ö r d e r gedauert. Das ist eine komprimierte hineinzuversetzen? Leidest Du mit den Betrachtung. Es gab lange Wartezeiten O p f e r n ? B e l a s t e t D i c h d a s dazwischen. Niederschreiben einer solchen Szene psychisch oder gar physisch? Die Schriftstellerei ist ja nicht Dein Brotberuf. Was würdest Du sagen, Nein, ich leide nicht mit. Ob ich deswegen wieviel Deiner freien Zeit verbringst Du ein gefühlskalter Mensch bin und mich die mit dem Schreiben? Kann man diese vielen Horrorgeschichten, die ich gelesen Angabe vielleicht sogar in Prozent habe, abgestumpft haben, weiß ich nicht. ausdrücken? Ich glaube aber, es liegt daran, dass die meisten Opfer eh nur eine kleine Rolle in Es ist ja nicht nur das Schreiben alleine. der Geschichte hatten. Mehr trifft es mich, Dazu kommen ja noch Lesungen, Messen wenn sich eine Hauptperson unglücklich und die Kontaktpflege. Da ich aber verliebt. Messen auch besuchen würde, wenn ich Die Mordszenen werden in „Die Bestie nicht schriebe, und auch anderes einfach von Weimar“ haupsächlich aus der Sicht „freiwillig“ täte, kann man sagen, dass ich des Mörders erzählt, weil ich dessen ungefähr jeden Abend ein bis zwei psychischen Zustand darstellen möchte. Stunden investiere. In der Woche ist es Ich habe tatsächlich versucht, mich in meistens weniger, dafür am Wochenende seine Situation hineinzuversetzen. mehr. Man kennt Dich durch zahlreiche Kurzgeschichten in diversen 31


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Anthologien und "Die Bestie..." ist auch nicht Dein erster Roman, aber, sofern ich richtig informiert bin, Dein erstes Prosawerk, welches sich nicht eines phantastischen Sujets bedient. Wie kam es zu diesem Ausflug ins Krimi-Genre? Wolltest Du einfach mal etwas Neues ausprobieren...? Ich habe auch schon Kurzgeschichten geschrieben, die ohne Phantastik auskommen. Ich gebe aber zu, sie sind in deutlicher Unterzahl. Als Leser bin ich, wie oben schon angedeutet, nicht auf ein Genre festgelegt. Außer Liebesschnulzen, Lyrik und SF würde ich nicht viel mehr ausschließen wollen. Wie es zum Krimi kam, habe ich schon erläutert. Es war die Vorgabe des ursprünglichen Verlegers, der wir Autoren uns stellen mussten. Naja, welcher unbekannte Autor würde sich einem kleinen, aber erfolgreichen Verlag verweigern, wenn er diese Chance erhält. Bereut habe ich diesen Ausflug nicht. Und er wirkt sich noch auf die Zukunft aus. Welches sind Deine bevorzugten literarischen Genres, sowohl als Leser als auch als Autor? Gibt es vielleicht Genre-Romane oder -Geschichten, die Du selbst gerne liest, aber denen Du Dich als Autor nie zuwenden würdest und vice versa? Neben der Phantastik bevorzuge ich noch Geschichten von außergewöhnlichen Menschen, die nicht immer nach der Einheitslogik vorgehen. Deshalb steht auch John Irving mit auf der Liste meiner Lieblingsautoren. Im Augenblick fällt mir kein Genre ein, das ich gerne lese aber niemals schreiben würde. Umgekehrt ist es genauso. Was liest Du im Moment? Welche Bücher liegen aktuell auf Deinem Nachttisch? Derzeit lese ich „Der Banditendoktor“. Das ist ein Buch mit Erzählungen von B. Traven. In Papier und auf meinem Lesegerät habe ich insgesamt ca. 150 Bücher auf meinem Lesestapel. Die Autoren reichen von Jules Verne über Egon Erwin Kisch und Gabriel Garcia Marquez zu Hanns Heinz Ewers, Markus Heitz, Stephen King und Richard Laymon. Und noch viele mehr. Seit "Die Bestie von Weimar" erschienen ist, hast Du bereits einige Lesungen bestritten und weitere Termine liegen noch vor Dir. Wie

wichtig sind Dir persönlich Lesungen besteht, dann schaut ihr am besten in und wie bereitest Du Dich darauf vor? gängigen Suchmaschinen nach „Edition Geschichtenweber“. Da findet ihr uns und Zu Lesungen habe ich ein gespaltenes unser Forum in der dann aktuellen Form. Verhältnis. Es ist manchmal so einfach, Oder ihr kommt zum Buchmesse-Convent mit Veranstaltern Termine zu machen. Ist im Oktober nach Dreieich. Da treten wir ja noch lange hin. Wenn es dann aber traditionell im Rudel auf. soweit ist, bin ich ganz schön nervös. Dann frage ich mich immer, warum ich mir Hast Du bereits einen neuen Roman in das überhaupt angetan habe. Arbeit und falls ja, kannst Du uns Während der Lesung finde ich es toll, schon etwas über Thema und Genre wenn die Zuhörer an den richtigen Stellen verraten? entsetzt sind oder lachen. Das zeigt mir, dass es gut ankommt. Im Rahmen der Recherche zu Weimar Ich bin für jeden Zuhörer sehr dankbar, und seinen Bewohnern, ist mir noch eine der es auf sich nimmt, seine kostbare Zeit tolle Idee gekommen, die ich unbedingt mit mir und meinem Text zu verbringen. umsetzen wollte. Das bedeutet, der Deshalb möchte ich Lesungen möglichst n ä c h s t e R o m a n w i r d w i e d e r e i n gut machen und den Gast unterhalten. h i s t o r i s c h e s A b e n t e u e r s e i n , d a s Also suche ich mir geeignete Textstellen vorwiegend in dieser Stadt spielt. aus und übe anschließend fleißig. Allerdings ist diese Geschichte völlig Bei den Lesungen zu meinem Weimar- losgelöst von „Die Bestie von Weimar“. Roman habe ich Zeitspannen von 25 bis Ich habe vor kurzem den Buchvertrag 75 Minuten zur Verfügung. Ich habe die unterschrieben, der eine Veröffentlichung Zeit für jeden Abschnitt, den ich im Frühjahr 2014 verspricht. ausgewählt habe, gestoppt. So kann ich die Lesung immer passend planen. Du bist ja nun schon etliche Jahre als Schriftsteller aktiv. Wenn Du so Du gehörst, wie weiter oben schon zurückblickst, gibt es da vielleicht die e r w ä h n t , d e r G r u p p e d e r ein oder andere kuriose Begebenheit, Geschichtenweber an. Kannst Du uns das ein oder andere positive wie auch ein paar Informationen zu diesem negative Erlebnis von der/dem Du uns Autoren-Verbund geben? Welches sind berichten magst? z.B. die Ziele der Geschichtenweber? Kurioses und Negatives habe ich natürlich W i r G e s c h i c h t e n w e b e r h a b e n e i n erlebt, doch davon möchte ich nicht Internetforum, in dem wir gemeinsam an berichten, weil sich der eine oder andere Projekten arbeiten und sie zu Büchern vielleicht auf den Schlips getreten fühlt. werden lassen. Dabei sind wir bislang Und Nachtreten möchte ich auch nicht. recht phantastisch-lastig, doch wir haben Schöne Dinge gibt es natürlich auch: Die mittlerweile auch andere Genres für uns e r s t e Ve r ö f f e n t l i c h u n g , d i e t o l l e entdeckt. Unsere Erfolge mündeten Zusammenarbeit mit Jörg Olbrich wie jedoch hauptsächlich beim "Deutschen oben erwähnt, der Zusammenhalt der Phantastik Preis" in zählbare Preise und Luuk de Winter-Autoren, als ein neuer Nominierungen. Verlag gesucht werden musste, positives Unsere Mitglieder sind hauptsächlich Feedback nach Lesungen oder wenn die Autoren, aber auch Kleinverleger, Geschichte dem Leser gefallen hat, wenn Illustratoren und – wenn auch in der Leute auf dich zukommen und mit dir absoluten Minderheit – reine Testleser zusammenarbeiten wollen. So wie bei und Konsumenten. Wir sind von Kiel bis diesem Interview! Wien oder Zürich verteilt. Einige von uns h a b e n b e r e i t s a u ß e r h a l b d e r Lieber Michael, ich bedanke mich ganz Geschichtenweberprojekte, sozusagen im herzlich bei Dir für das Interview. Die Rahmen ihrer Solokarrieren, Bücher bei letzten Worte gehören Dir: großen Publikumsverlagen unterbringen können. Aber auch Schreibanfänger Vielen lieben Dank für das Interesse an zählen zu unseren Mitgliedern. Gerade meiner Person und dem, was ich zu hier halte ich unsere Gemeinschaft für Papier bringe. Das ist für mich eine große beispielhaft, weil wir im Forum alle gleich Sache. sind, jeder hilft jedem bei Recherchen und Etwas Schlaueres fällt mir leider nicht ein. bei schreibtechnischen Angelegenheiten, Und etwas Besseres auch nicht. man gratuliert zur Veröffentlichung oder Stefan Bellack auch mal zum Geburtstag. Derzeit wird unsere Homepage überarbeitet. Falls Interesse an uns visit: www.michael-buttler.de 32


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Michael Buttler „Die Bestie von Weimar“ Verlag Saphir im Stahl, Dezember/2012 Hardcover, 285 Seiten, € 15,95 ISBN: 978-3-943948-01-1 Historischer Kriminalroman Wir schreiben das Jahr 1825. Auf einem Gutshof, in der Nähe von Jena, in Thüringen, begeht ein Mann, der sich selbst Wolf nennt, seinen ersten Mord an einem Stallburschen. Kurz darauf, in Weimar, wird die 17jährige Frederike Börner Zeugin des Mordes an ihren Eltern, Besitzer eines Kolonialwarenladens. Bei einem Empfang im Stadthaus Johann Wolfgang von Goethes, erscheint unerwartet der belgische Ermittler Luuk de Winter, der den Weimarer Doppelmord wie auch den Mordfall bei Jena aufklären will. De Winter ist auf der Suche nach dem hiesigen Kriminalrat Schwabe, doch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden stellt sich schnell als problematisch heraus. Als der Unbekannte namens Wolf ein Stubenmädchen auf offener Straße tötet, mißfallen de Winters Untersuchungsmethoden der Bevölkerung wie auch der Obrigkeit und Schwabe untersagt de Winter die Fortsetzung seiner Ermittlungsarbeit. Doch de Winter ist nicht bereit, ein einmal gegebenes Versprechen, nämlich das der Ergreifung des Mörders, zu brechen und so setzt er seine Polizeiarbeit im Geheimen fort. Dafür versichert er sich der Assistenz des Polizisten Hans Kreuzer, den er quasi als Strohmann vorschiebt, aber gleichzeitig auch dessen Potenzial fördert. Hans erhält sogar die Vollmacht über ein kleines Sonderkommando, doch einen weiteren Mord, begangen an einer Dienstmagd, kann er trotzdem nicht verhindern. De Winter und Kreuzer stehen jedoch nicht allein. In der Person von Goethes, erhalten sie einen prominenten und einflußreichen Verbündeten. Aber Weimar kommt nicht zur Ruhe. Ein Verdächtiger wird gefaßt, doch ist dieser tatsächlich der gesuchte Mörder? Gibt es womöglich sogar mehr als einen Täter? Im Gartenhaus des Geheimrats von Goethe kommt es schließlich zum fesselnden Finale, welches nicht ohne Überraschungen bleibt. Mit "Die Bestie von Weimar" hat Michael Buttler sein erzählerisches Können einmal mehr unter Beweis gestellt, weiß er doch mit dem Kriminalfall um einen Serienmörder, der im historischen Weimar, zu Anfang des 19. Jahrhunderts, sein Unwesen treibt, spannend zu unterhalten und den Leser auf eine fesselnde Hatz nach dem Täter durch manch enge Gasse der thüringischen Stadt zu schicken. Buttler bedient sich dabei einer klaren, präzisen Sprache und einer zeitgemäßen Wortwahl, dem Charakter der damaligen Epoche angepaßt. Die Handlung ist unterteilt in 34 Kapitel, die wiederum eingebunden sind in Prolog und Epilog. Neben den bereits genannten Faktoren, trägt auch die augenfreundliche Schriftgröße dazu bei, dass die Lektüre flott vonstatten geht. "Die Bestie von Weimar" ist der Abschlussband einer Trilogie, die als Bindeglied die Figur des belgischen Ermittlers Luuk de Winter aufweist, dem dadurch aber nicht automatisch die Rolle der Hauptperson zukommt. Diesen Part nehmen meist andere Charaktere ein. Aber man sollte die Funktion de Winters auch nicht unterschätzen, bergen seine, für die damalige Zeit, recht unorthodoxen Ermittlungsmethoden, die man heute sicherlich forensischer Kriminaltechnik subsumieren würde und bei denen auch die Psychologie eine wichtige Rolle spielt, doch ein gewisses Konfliktpotenzial. De Winter bringt die Handlung voran und seine Mitstreiter, langfristig gesehen, auf die Zielgerade. Hinter der rauen Schale, des recht verschlossenen wirkenden Kriminalers, verbirgt sich sogar ein ungeahnt weicher Kern. De Winters Welt ist differenzierter als die seiner Kollegen, bei ihm gibt es kein simples Gut-Böse-Schema. Für den geschichtlich interessierten Leser ist der Roman zudem von besonderem Interesse. Wenn auch die Handlung fiktiv und ein Luuk de Winter ebenfalls frei erfunden ist, hat Buttler geschickt reale Personen in sein Geflecht aus Mord und Tätersuche eingewoben, allen voran natürlich der, nicht nur für seine Dichtkunst, bekannte Johann Wolfgang von Goethe, der zum Zeitpunkt der Geschehnisse 75 Jahre alt ist, über einen wachen und interessierten Verstand verfügt, der auch im Ausland ein hohes Ansehen genießt und dessen Stadthaus einen kulturellen Mittelpunkt des damaligen Weimar verkörpert. Das Titelbild des Buches ziert übrigens eine Fotografie des Gartenhauses des Herrn von Goethe, einem ebenfalls wichtigen Schauplatz im Roman, vom Autor bei seiner Vor-Ort-Recherche selbst aufgenommen. Aber auch das Fräulein Ulrike von Pogwisch und deren Schwester Ottilie, und ebenso den Kriminalrat Schwabe gab es in realiter, wie der Autor nach einer Lesung verriet. Ein Anreiz, sich selbst einmal während oder nach der Lektüre des Romans auf Spurensuche in der deutschen Vergangenheit zu begeben. An vielen Details des Romans wie z.B. den geschilderten Umgangsformen, den nachvollziehbaren Örtlichkeiten, der Struktur der Exekutive, den Berufsbezeichnungen etc. merkt man, dass sich Buttler intensiv mit Zeit und Ort auseinandergesetzt und somit ein glaubwürdiges Ambiente geschaffen hat. Neben den schon erwähnten Stilmitteln, bedient sich der Autor mindestens zweimal im Text einer sehr interessanten und spannungsfördernden Erzähltechnik, die man beim Film wohl als "Split Screen" bezeichnen würde. Gleichzeitig ablaufende Handlungen, von unterschiedlichen Personen ausgeführt, werden quasi nebeneinander montiert. Hier springt Buttler, innerhalb der entsprechendenden Kapitel, erzählerisch zwischen seinen Protagonisten hin und her, so dass der Leser in der Summe mehr weiß, als die Agierenden, um dann die einzelnen Fäden zu einem gemeinsamen zu verknüpfen. Wie man meinen bisherigen Ausführungen entnehmen kann, ist "Die Bestie von Weimar" durchaus mehr als ein einfacher Kriminalroman. Großen Wert legt Buttler ebenfalls auf die glaubhafte Schilderung seiner Charaktere, wobei deren handlungsrelevante Anzahl überschaubar bleibt. Schaut man sich gerade die Person des Polizisten Hans Kreuzer wie auch die der Waise Frederike Börner einmal näher an, wird man feststelllen, dass diese Protagonisten eine deutliche Entwicklung, einen Reifeprozess durchlaufen, der sie verändert, aber auch erstarken läßt und aus ihnen am Ende des Romans deutlich andere Menschen geworden sind als sie es zu Beginn waren. Fazit: "Die Bestie von Weimar" ist ein intelligenter, vielschichtiger Kriminalroman, mit Wurzeln in der realen deutschen Geschichte, der spannend und unterhaltsam ist, sprachlich wie auch in Handlungsdetails überzeugt und Wert auf glaubwürdige Charaktere legt. Vorkenntnisse der Bände 1 und 2 sind zum Verständnis der Lektüre nicht erforderlich und schmälern auch nicht den Lesegenuß. Stefan Bellack

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Die Rückkehr des Saturns Vor einigen Monaten haben AEON SABLE mit „Saturn Return“ ihr zweites Album herausgebracht und damit für ein weiteres Achtungszeichen im düsteren Underground gesorgt. Masi sprach mit N1N0, einem der beiden Hauptakteure und Mitbegründer jener interessanten Combo. Woher stammt der Bandname Aeon Gefühlstechnisch war es ein sehr Sable? Ist er dem Französischen befreiendes Erlebnis. Wir hatten ja bis entlehnt? dato noch nie zuvor gemeinsam gespielt und im Angesicht der Tatsache, dass wir Der Name Aeon Sable steht wörtlich noch vor einem Jahr Konzertanfragen übersetzt für “Düsteres Zeitalter”. Das ist ausgeschlagen haben, weil wir eigentlich darauf zurückzuführen, dass wir stets “Studiomusiker” sind, haben wir uns bei versuchen, einen düsteren Soundtrack der Releaseparty beweisen können, dass abzuliefern mit dem sich unsere Hörer in wir auch auf einer Bühne stehen können. andere Dimensionen katapultieren Wir waren sehr erstaunt, dass so viele können und welcher die gewohnte den Weg zu unserer Releaseparty Realität unserer Hörer verzerrt. gefunden haben, schließlich tobten an dem Freitagabend, in unmittelbarer Nähe, Welche sind die festen Bandmitglieder unzählige GruftieParties. Die knapp 70 und wie habt Ihr Euch kennengelernt? Besucher waren ein wunderbares Publikum. Manch einer bemängelte im Aeon Sable bestehen hauptsächlich aus Anschluss die Soundqualität, aber die DinTah Aeon und mir. Derzeit haben wir können wir derzeit nicht beeinflussen. noch zwei exzellente Livemusiker an Die Resonanz war eigentlich sehr gut und Bord, die wir sehr schätzen, Wishbone wir freuen uns schon auf weitere und Quoth. Die Geschichte von Aeon Konzerte. Sable ist schnell erzählt. Vor mehreren Jahren, lange bevor wir die Idee mit Aeon Handelt der Albumtitel eher von der Sable hatten, liefen wir uns zufällig über Rückkehr des Saturn oder von einer den Weg und realisierten schnell, dass wir Rückkehr zu(m) Saturn? Ist der uns ergänzen könnten. Din hatte das mythische oder doch der astrologische KnowHow, ich die Inspiration. Saturn gemeint? Fortan lud ich Din dazu ein, Teil meiner Projekte mit Deied und Melanculia zu Es handelt sich um die Rückkehr des werden. Zuerst kümmerte er sich nur ums astrologischen Saturns. Hintergrund ist Mixing und Mastering, bis er sich peu à zum einen die apokalyptische Zeit in der peu mit den Projekten identifizierte und wir die Tracks geschrieben haben (das eigene Kreativität in sie steckte. 2009, Ende des Mayakalenders 2012...) und während der Recordings für ein neues zum anderen nimmt es Bezug auf ein Melanculia Album, kam ihm die Idee, eine Phänomen, welches viele Stars, die sich gruftigere Version eines Melanculia in Ihrer “Saturn Return” Phase befinden, Tracks zu bauen. heimsucht, wenn sie mit 27 Jahren diese Mit “Darkriders” (Melanculia 2009 / Aeon Welt verlassen. (Morrison / Hendrix / Sable 2010) war dann der Grundstein für Joplin / Cobain / Winehouse). Aeon Sable gelegt. Auf dem Album finden sich sieben I h r h a b t v o r k u r z e m d a s Songs, war diese Zahl von vornherein ReleaseKonzert zum neuen Album beabsichtigt? Gab es Songs, die es "Saturn Return" in Mülheim gespielt. nicht auf das Album "geschafft" haben, Jetzt mal zurückblickend: wie war die und wenn ja: wie waren Eure Kriterien Veranstaltung für Euch, was war super, für die Auswahl? was hätte besser sein können und womit lässt sich das Gefühl eines Die zeitliche Länge eines Musikalbums ist R e l e a s e K o n z e r t e s a m e h e s t e n für uns immer stark mit dem gefühlten beschreiben oder vergleichen? Wert des Albums verbunden. Ist ein Album zu kurz, lässt es den Hörer 34

unbefriedigt zurück. Ist es zu lang und überschreitet dessen Zenit, wirkt es langweilig. Da unsere Songs im Vergleich zu vielen anderen Bands Überlänge haben, ergab sich die Zahl 7 aus eben diesen Längen. Weiterhin ist diese Songanzahl ein Merkmal, da die meisten Musikalben eben mehr Tracks haben. Dadurch, dass sich dieses Merkmal durch (bisher) alle Alben zieht, deuten wir eine Einheit in unserem Schaffen an. Bisher wurden alle Tracks, die wir als Aeon Sable geschrieben haben, auch veröffentlicht. In welchem Zeitraum sind die Songs entstanden und wie arbeitet Ihr daran? Zeichnet der eine für die Musik, der andere für die Texte verantwortlich oder jammt Ihr zusammen oder sitzt gemeinsam vor dem Computer oder, oder, oder...? Da wir mehrere Musikprojekte haben, zieht sich die Produktionszeit immer ein wenig. “Saturn Return” wurde zwischen Mai 2011 und Oktober 2012 gestrickt. Der Entstehungprozess läuft meistens so ab, dass Din und ich uns über die Woche hinweg ganz individuell mit Tracks befassen. Sonntags treffen wir uns in unserem Heimstudio und tragen das zusammen, was uns im Laufe der Woche eingefallen ist, daraus picken wir dann einen Track raus, an dem wir gemeinsam weiterarbeiten. Es gibt immer eine Melanculia Phase, eine Deied Phase und eine Aeon Sable Phase, je nachdem, an welcher Produktion wir gerade sitzen. Welchen Wert haben Eure Pseudonyme/Künstlernamen für Euch? Findet dadurch eine Art Abgrenzung zu den "wirklichen" Personen hinter Aeon Sable statt? Die Pseudonyme entstanden aus der Grundidee heraus, dass unsere Musik e b e n k e i n e Ve r a r b e i t u n g u n s e r e r alltäglichen Realität beinhalten soll, sondern uns und den Hörer aus dieser für


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eine kurze Weile entreißen soll. Von daher passt es, dass wir als eine Art Botschafter des Irrealen, Pseudonyme anstatt unserer weltlichen Namen verwenden. Mittlerweile stehen diese Pseudonyme auch als Trademark unseres Grundvibes, den wir auch in unseren anderen Projekten (Deied / Melanculia) fortfahren.

irgendeinen Künstler nachahmen. Das, was wir mit unserer Kunst zum Ausdruck bringen, ist nun mal die Summe unserer Impressionen plus die Handhabe unserer Werkzeuge. Wenn es “so klingt wie”, dann klingt es eben “so wie”, dann haben die Sisters und die Fields von früher und wir wohl gerade eine identische Phase.

Inwieweit ist das Ende des Mayakalenders für Euch eine ernstzunehmende apokalyptische Zeit gewesen? Der überwiegende Teil der Berichterstattung war ja teilweise bis komplett falsch, da die Maya selbst ja nie ein Weltende vorhergesagt hatten.

Wie kam der Kontakt zu Eurem Label AF Music zustande und wie arbeitet Ihr mit den Kollegen zusammen? Die Tatsache, dass Ihr für Euer Album Fundraising ins Leben gerufen habt, macht einen Labelvorschuss schon einmal unwahrscheinlich. ;)

Wir hatten nicht wirklich mit dem Weltuntergang spekuliert, auch wenn wir ein paar Konserven mehr in unseren Luftschutzbunker geschafft haben.

Vor mehreren Melanculia die machte, bekam afmusic. Da ich

Unabhängig vom Mayakalender, sind postapokalyptische Thematiken immer wieder Teil unserer Musik und Texte, daher passte es.

einem Label war, welches nicht den gängigen Klischees der Musikindustrie folgte, kamen wir schnell zusammen. Entgegen der Vermutung vieler, hat sich afmusic sehr wohl für die Produktion von “Saturn Return” eingesetzt. Schließlich war das Album ursprünglich lediglich als Vinyl geplant und diese Produktion (welche wesentlich höher als die CD Produktion ist) wurde durch afmusic begünstigt. Als wir dann aber kurz vor der Release das Album als Vinyl anpriesen, kamen immer mehr Stimmen auf, welche nach einer CD-Ausgabe des Albums schrien. Demnach haben wir uns kurzerhand dazu entschlossen, aus unseren mündigen Fans aktive Beteiligte zu machen. Was ja dann auch wunderbar funktionierte.

Musikalische Vorbilder sind teils s o f o r t h ö r b a r, t e i l s a u s E u r e n Interviews erkennbar, unter anderem Fields Of The Nephilim und die Sisters Of Mercy. Gibt es auch aktuelle Bands, die Euch in dieser oder jener Hinsicht beeinflussen?

Jahren, als ich mit ersten Gehversuche ich ein Angebot von auf der Suche nach

vergleicht, welches Gefühl stellt sich am ehesten ein? Ist es für Euch die konsequente Weiterführung oder ein neues Kapitel? Ersteres. Auf dem neuen Album haben wir den roten Faden des ersten Albums weitergesponnen und verfeinert. Dabei ist manches gleich geblieben, manches hat sich verändert. Gleich geblieben ist zum Beispiel, dass wir alles in Eigenregie erstellen. Anders ist, dass wir nicht, wie beim ersten Album, etwas aus dem Nichts erschaffen mussten, sondern bereits ein Grundgerüst hatten. Ihr habt eine "special edition" auf Russisch produziert. Gab es dafür einen bestimmten Grund, wie kam es dazu, und wie seid Ihr mit der Sängerin in Kontakt gekommen?

Russland fanden wir, unter anderem aufgrund seiner schier unendlichen Weiten, schon immer sehr anziehend. Als wir dann über unseren Labelboss den Kontakt zu “Maria Shikhireva” (Puppet Lane / Andromeda Eye) erhielten, kam die Idee des "Dancefloor Satellite over Russia" quasi von selbst. Es ist stets eine besondere Freude, wenn das eigene Schaffen von geschätzten Künstlern angereichert wird.

Wir bedienen uns gerne und oft an vielen Masi Kriegs Blüten, die im Garten der Musik gedeihen. Denn schließlich sind wir verrückt nach Musik, das waren wir schon immer und es gibt so viele interessante Techniken visit: www.aeonsable.de überall in der Musik zu entdecken. Dass uns einige gerne mit den Sisters oder den Fields auf eine Stufe stellen, ist zwar Wenn Ihr Euer neues Album mit dem charmant, aber wir wollten niemals letzten ("Per Aspera Ad Astra") 35


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J-R-M

Künstlerportrait II

In diesem kurzen (und seltenen) Interview möchte ich euch J-R-M vorstellen. Einen Künstler, der für zeitgenössische Fotokunst mit einem Hauch von düsterer Perversion steht – manche der Bilder führen uns direkt in die Hinterkammern des Geistes, dort, wo die Dämonen sich für gewöhnlich austoben. Mir ist zu Ohren und Augen gekommen, dass du ziemlich abgefahrene Fotos machst. Was findet man oft auf deinen Bildern?

Menschen, die sich bewusst Grenzerfahrungen aussetzen und gerade Frauen, die auf Grund ihrer prallen Körperlichkeit nicht in die gängigen, medial verbreiteten Vorstellungen von

Schönheit passen. Absolut konträr zu dem, was man sonst so vielleicht sieht, mal dokumentarisch erfasst und mal sorgfältig inszeniert, ich mache es stets abhängig vom jeweiligen Moment. Manchmal blickt man eben auch ohne Weichzeichner und Retusche auf die schonungslose und ungeschminkte Wirklichkeit. Tragen deine Bilder üblicherweise Titel oder sind Titel niederes Beiwerk? Ich mache es vom jeweiligen Bild abhängig, es gibt Bildreihen, die ich seit Jahren verfolge und erweitere und manchmal ist es einfach so… Viele deiner Bilder besitzen eine Verknüpfung zu einem Musikstück – spielt die Musik eine große Rolle bei der Erstellung deiner Bilder oder nutzt du diese Verknüpfungen, um den Bildern eine zusätzliche interpretatorische Komponente zu verleihen? Die Musik spielt immer eine Rolle, sei es beim Fotografieren, Bearbeiten oder sie spiegelt sich in Bildern oder Titeln wider…ich bin ein großer Musiknarr und lasse mich immer wieder gerne inspirieren. In deinen Bildern spielen hauptsächlich Menschen eine Rolle – finden die Personen dich oder findest du die Personen? Beides, kurz und knapp. Willst du uns etwas über dein Pseudonym sagen? Ganz einfach NEIN, für mich stehen die Bilder im Vordergrund und nicht die Person dahinter…

Ghost I 36


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Hä…ich hab keine Ahnung ;-) Vorarbeit oder Nachbearbeitung? Ich investiere mehr Zeit in die Vorarbeit. Die letzten Worte dieses Interviews gehören Dir!: The World in my Eyes ! Thanks !

Nino Finke

visit:

JRM

www.j-r-m.net

The Golden Age Of Grothesque

Ok – ich habe noch ein Paar Minifragen für dich vorbereitet:

Ghost II

Analog oder Digital? Die analoge ist leider im Schrank eingemottet, daher nur noch digital. Schwarzweiß oder in Farbe? Ich mag beides und mache es vom jeweiligen Motiv abhängig. Presets oder Know-How? 37


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"Das Totgeglaubte meldet sich zu Wort"

TOTENGEFLÜSTER sind im Diesseits angekommen und überzeugen mit ihrem Debut "Vom Seelensterben", in dem Musik, Text und Kunst eine stimmige Einheit bilden und für ein sinnliches Erlebnis der besonderen Art sorgen. (Bei der Beantwortung der Interviewfragen ergänzten sich Totleben und Narbengrund.) Seid gegrüßt, Totengeflüster und lange hat dieser Prozeß insgesamt herzlich willkommen hier im Dark gedauert, bis Ihr zu der Überzeugung Feather Magazine! gelangt seid, dass die Zeit reif für den nächsten Schritt ist? Wie würdet Ihr Im Januar 2013 traten Totengeflüster die einzelnen Stufen dieses Prozesses erstmals offiziell an`s Licht der beschreiben? Öffentlichkeit und präsentierten mit "Vom Seelensterben" ein bereits Im Jahre 2007 hatte ich für mich erste f e r t i g e s , a u s g e r e i f t e s u n d Black Metal Songs komponiert, verfolgte konzeptionell überzeugendes Stück zu diesem Zeitpunkt jedoch keinen symphonischen Black Metals. Gerade Bandgedanken. Ich schrieb sie, weil sie in Zeiten schon manchmal inflationär mir gefielen und ich Spaß daran hatte. Im anmutender Nutzung von Internet- gleichen Jahr zeigte ich sie einem sehr P l a t t f o r m e n u n d S o c i a l M e d i a , guten Freund - Narbengrund, welcher überrascht diese Geheimhaltung im einen sehr großen Gefallen an den von Vorfeld. Wie kommt es, dass man zuvor mir geschaffenen Stücken fand und wir nichts von dem Projekt Totengeflüster s c h l i e ß l i c h g e m e i n s a m d a r a n gehört hat? Weder den Namen, noch weiterarbeiten wollten. ein Demo oder Sonstiges? Im darauffolgenden Jahr trafen wir uns sporadisch zum Proben und Jammen, wo Bei Totengeflüster ist uns ein stimmiges wir uns auch auf den Bandnamen Gesamtkonzept aus allen Elementen "Totengeflüster" einigten. Die Proben enorm wichtig. Dazu kommt, dass unser waren jedoch nicht von all zu langer Dauer, worauf wir uns wieder etwas D e b u t „ Vo m S e e l e n s t e r b e n “ e i n zurückzogen und von zu Hause aus an Konzeptalbum mit einer durchgängigen den Songs weiterarbeiteten. Zwischen Geschichte ist. Narbengrund verfasste die den Jahren 2009 und 2011 begann dann Liedtexte so, dass, wenn man sie alle der richtige Arbeitsprozess, wo es auch nacheinander liest und hört, eine zunehmend ernster wurde und wir rasch zusammenhängende Geschichte entsteht. b e g r i ff e n , d a s s d a s , a n d e m w i r Man erkennt also, dass bei Totengeflüster arbeiteten, doch größere Dimensonen annahm als zunächst gedacht. So schrieb weit mehr vor sich geht, als "nur" Black Narbengrund alle Liedtexte und baute das M e t a l G i t a r r e n r i f f s u n d r a s e n d e Konzept "Vom Seelensterben" aus. B l a s t b e a t s . D a d a s g e s a m t e Anschließend war es an mir, das Artwork Zusammenwirken aller Elemente (Musik, dazu zu ertellen, damit der Betrachter, Ly r i c , A r t w o r k ) d e n G e i s t v o n Leser & Hörer alles miteinander Totengeflüster ausmacht, wäre es falsch verknüpfen konnte. Anschließend, nach und eben nicht im Sinne der Band Abschluss des Artworks, begab ich mich in ein von einem Freund geleitetes, gewesen, einzelne Teile oder Fragmente privates Tonstudio in der Nähe meines vorher zu veröffentlichen, da sie dadurch Wohnortes, wo wir gemeinsam unser nur herabgestuft werden würden. Debut aufnahmen. Ich kannte unseren Produzenten bereits, da ich für seine To t e n g e fl ü s t e r s i n d a l s o k e i n Band 'Chaossphere' bereits Grafiken Schnellschuß, sondern die Essenz erstellt hatte und wir auch privat gute einer mehrjährigen Entwicklung. Wie Freunde sind. Während dieser Zeit stieß 38

ich auch auf unseren Schlagzeuger Schattendorn, welcher damals noch in einer Deathcore Band spielte, für die ich ebenfalls Grafiken erstellte. Während diesem Schaffenprozess, welcher parallel zu meiner Studioarbeit ablief, lernte ich Schattendorn immer besser kennen und erzählte ihm von Narbengrund und mir. Schattendorn war sofort begeistert und teilte mir seine Leidenschaft für diese Art extremer Musik mit. Kurze Zeit später löste sich seine Deathcore Band auf und Schattendorn wurde ein festes Mitglied Totengeflüsters. Als die Arbeit im Studio dann Ende 2011 / 2012 abgeschlossen war, drehten wir unseren offiziellen Videoclip und es war an mir, nun alles abzurunden und abzuschließen bzw. aufeinander abzustimmen. Als diese Arbeit getan war, bewarben wir uns hoffnungsvoll bei diversen Plattenfirmen, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin beschlossen wir, gemeinsam unsen Weg, unabhängig von Plattenfirmen, zu gehen und veröffentlichten unsere erste CD am ersten Februar diesen Jahres. In Eurer offiziellen Bandbiographie, liest sich die Entstehungsgeschichte von Totengeflüster sehr geradlinig und zielgerichtet. Verlief tatsächlich immer alles nach Plan oder galt es auf dem Weg zum Ziel auch die ein oder andere Hürde zu nehmen? Natürlich bringt jeder Schaffensprozess seine Kurven mit sich, jedoch als große Hürde würde ich ihn weniger bezeichnen, das Gute war, dass jeder von uns eine genaue Vorstellung von dem hatte, wie es nachher sein und sich anfühlen sollte. Unser roter Faden war daher stets vorhanden. Totleben, Du bist der Kopf hinter Totengeflüster, der Initiator dieses ambitionierten Projekts. Wie erklärt


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sich Deine Affinität zum Genre des Black Metal und letztendlich Deine Entscheidung, musikalisch eine Melange aus hartem Schwarzmetall und klassischer Musik zu kreieren? Ich bin zwar der musikalische und bildgestalterische und derzeit auch organisatorische, aber nicht der einzige leitende Kopf hinter Totengeflüster. Klar, von mir ging damals die erste Intention aus, jedoch muss ich dazu sagen, dass Narbengrund ebenfalls einer der entscheidenden und kreativen Köpfe hinter Totengeflüster ist. Von ihm kommen z.B. sämtliche Texte, Inhalte und die eigentliche Seele hinter Totengeflüster. Ich bin sozusagen der Handwerker - der praktische, weniger philosophische Part bei Totengeflüster. Ich denke, meine Affinität besonders zum symphonischen Black Metal liegt darin, dass die Bands, mit denen ich früher aufgewachsen bin, sich mit der Zeit sehr verändert hatten bzw. diese auch teilweise an ihren eigenen Meisterwerken scheiterten. So verschwand diese einst so faszinierende Musik von der Bildfläche. Ich denke, dies wird einer der Gründe sein, warum ich besonders dieses Genre favorisiere. Es ist eben atmosphärische,

bildererzeugende Musik, das passt zu mir dementsprechend porfessionelle Fotos und im Endeffekt auch zu Totengeflüster. schießen. Anschließend bekam ich die Rohdaten Totengeflüster stehen nicht nur für ein und konnte mit dem Artwork beginnen. ausgefeiltes musikalisches Konzept, sondern auch für eine sehr individuelle Totleben, neben dem Artwork bist Du und starke visuelle Komponente. bei Totengeflüster verantwortlich für In Deiner Eigenschaft als Cover Artist alle Kompositionen, spielst Gitarre und warst Du, Totleben, schon einmal zu Bass und bist zuständig für die Gast im Dark Feather. Wie gestaltete Orchestrierung. Hast Du speziell für sich Deine Arbeit am Artwork von "Vom Deine musikalischen Fertigkeiten eine Seelensterben"? Jeder Song des Ausbildung genossen, studiert o.ä.? Albums hat zudem eine eigene, beeindruckende optische Umsetzung Nein, ich habe mir soweit alles quasi erfahren. Kannst Du uns etwas zum selbst beigebracht, die Musik sowie die Entstehungsprozess dieser Bilder Grafikbearbeitung. Dazu muss ich aber erzählen? sagen, dass ich aus einer sehr musikalisch und künstlerisch geprägten Totengeflüster- und in dem Fall auch ich- Familie komme und mir der Umgang mit legen viel Wert auf den Gesamteindruck, diesen Elementen daher nie fremd war. da ich eben auch die Möglichkeit besitze, Ich selbst arbeite im Gesundheitswesen Bilder demenstprechend selbst zu und habe von beruflichen Wegen her gestalten. Die Bilder entstanden komplett e b e n f a l l s v i e l m i t K u n s t u n d d e r a u s m e i n e r H a n d u n d i c h h a t t e Behandlung erkrankter Menschen, mit Unterstüzung bei den Fotografien des Hilfe von Kunst und Handwerk, täglich zu Protagonisten. Eine gute Freundin und tun. Bekannte meinerseits, die ebenfalls auch unsere Bandphotos und bei unserem Vor allem früher habe ich mir die Software M u s i k v i d e o d i e V i d e o k a m e r a für die Grafik und Musikbearbeitung übernommen hatte, half mir dabei aus. gekauft und dann angefangen, mich mit Wir konnten sie also bei sich in ihrem Hilfe von Handbüchern, Workshops und F o t o s t u d i o b e s u c h e n u n d d o r t Making of -Videos einzuarbeiten und mich

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damit zurecht zu finden. Ich verspürte rasch, dass ich einen guten Anklang mit meinen Werken fand und so wurde eben diese ganze Musik / Grafik- Sache immer größer für mich. Aber studiert habe ich nichts dergleichen. Wie haben Totleben, Narbengrund (Lyrics + Vocals) und Schattendorn (Live Drums) zueinander gefunden? Narbengrund war und ist schon immer ein langjähriger guter Freund meinerseits. Ich komponierte damals wie gesagt zunächst für mich, ich kannte ihn zunächst über das Internet und dann auch rasch persönlich. Wir hatten / haben ähnliche bzw. den gleichen Freundeskreis und ich zeigte ihm eines Tages meine Songs und er war davon begeistert - wir fanden zusammen und beschlossen uns dann nach einiger Zeit "TOTENGEFLÜSTER" zu nennen. In dieser Zeit war ich auch für das Erstellen diverser Grafiken für verschiedene Metal Bands zuständig - unter andererem Necronomicon(Canada), Imperium Dekadenz, Unlight und Lyfthrasyr aus Deutschland. Schattendorn spielte damals in einer Deathcore Band, für die ich die ich ebenfalls Grafiken erstellte. Ich lernte ihn daher näher kennen und erzählte ihm von Totengeflüster und unseren Ideen. Von diesen begeistert, stieß er rasch zu uns und wurde ein festes Mitglied unserer finsteren Vereinigung. Neben der Musik und der Kunst, sind die Lyrics eine weitere wichtige Komponente bei Totengeflüster. Hatte Narbengrund da völlig freie Hand beim Schreiben oder habt Ihr die inhaltliche Ausrichtung der Texte wie auch deren formale Gestaltung vorab gemeinsam besprochen? Alle Texte kommen komplett von ihm, dies ist sein Aufgabengebiet, in dem er sich ausleben soll und darf - dies ist mir sehr wichtig. Die Lyrics auf "Vom Seelensterben" erzählen eine zusammenhängende Geschichte. Hattest Du, Totleben, dieses thematische Konzept beim Komponieren schon im Hinterkopf und magst Du uns das "Traumgespinst" inhaltlich etwas aufschlüsseln? Da ich selbst den Liedtext nicht verfasst habe bat ich Narbengrund, diese Frage für euch zu beantworten - hier sein Statement diesbezüglich: Ich habe einst einen Selbstversuch unternommen, der darin bestand mich,

wenn ich denn einmal träumen sollte, während des Traumes zu zwicken, um so zu erfahren, ob ich denn nun träume oder nicht. Es hat tatsächlich funktioniert und ich hatte in diesem Traum die Möglichkeit, mich zu zwicken, das Ergebnis war allerdings mehr als ernüchternd, ich konnte nämlich nicht klar bestimmen, ob ich im Traum Schmerz verspürt habe oder nicht und so bleibt auch beim Protagonisten von „ein Traumgespinst“ ein fader Beigeschmack als er sich in einem Traum wiederfindet und nicht klar bestimmen kann, ob dies nun Realität oder Fiktion ist. Ist er tot? Am Leben? Sein Fleisch ist offensichtlich nicht mehr existent und doch verweilt sein Geist – worin wir übrigens einen Verweis auf den Bandnamen haben, das Totgeglaubte, tief in den Katakomben der Seele verschüttete Ich, welches eigentlich längst verwest sein müsste, meldet sich zu Wort, d a s v e r s t o r b e n e I c h fl ü s t e r t – Totengeflüster. Ironischerweise beginnt dieses Stück mit „Ich brach aus meinem Traum heraus“, was darauf anspielt, dass sein bisheriges Leben nicht das ist, was es sein sollte, er existiert, doch ist fern seiner eigentlichen Essenz. Innerhalb des Traums werden die Erfahrungen des Individuums als reiner Geist, als befreiend, ja regelrecht erleuchtend erachtet. Diese astrale Projektion verspürt allerdings auch einen tiefen Hass gegenüber dem Leben des fleischlichen Seins und allem, was damit zusammenhängt, da auf parasitäre Art und Weise von einem falschen Dasein der eigentliche Bestimmungsort geraubt wurde. Das Erwachen des Protagonisten ist dementsprechend desillusionierend und enttäuschend. Er merkt, wie ihn die Wirklichkeit wieder packt und erdrückt, wie er in Bitterkeit ertrinkt und wie nun sein Hass auf sein jetziges Dasein wächst. Doch da diese Gedanken nicht mit seinen falschen moralischen Instanzen vereinbar sind, projiziert er seine Wünsche auf den kalten, bleichen Mond – oder dieser spricht tatsächlich zu ihm, dies bleibt dem Leser überlassen. In jedem Fall aber erbittet er den „Wahnsinn zum Geleit“, er möchte „kränklich“ handeln, um vor sich selbst zu rechtfertigen, weshalb er die kommende Reise zu seinem Ich bzw. 40

dessen Verlust wagt… Ich denke, Leben und Tod stehen in einem Gleichgewicht zueinander und der Tod des falschen Seins ist notwendig, um fruchtbare Erde für die Essenz des eigentlichen Seins zu schaffen und vielleicht erfordert dies eben Maßnahmen, die als unkonventionell oder gar als abstrus gesehen werden. Totleben, wie zufrieden bist Du insgesamt mit dem fertigen Album "Vom Seelensterben"? Konntest Du Deine mit Totengeflüster verbundenen Visionen zur Gänze verwirklichen? Zufrieden bin ich und auch der Rest der Band auf jeden Fall, aber dass nach oben noch Luft ist, war mir schon während des Komponierens der einzelnen Stücke bewusst, ich liebe alle Stücke, verstehe

es gibt z.B. Musik, die mich beeindrucken und faszinieren kann und an diesen Punkt möchte ich selbst einmal gelangen, mich selber so zu faszinieren. Ich mich nicht falsch, aber

b i n v o n To t e n g e fl ü s t e r v o l l s t e n s überzeugt, Narbengrund und Schattendorn ebenfalls. Wir haben das, was uns 100% möglich war zu dieser Zeit, als wir "Vom Seelensterben" schufen, umgesetzt, jedoch ist jetzt, wo auch einige Zeit schon vergangen ist, für mich derzeit Luft nach oben spürbar! Der 01. Februar 2013 war das offizielle Release-Datum Eures Debuts. Wie sind die bisherigen Reaktionen auf die CD ausgefallen? Zum größten Teil sehr wertschätzend. Die Durchschnittsbewertung unserer CD liegt derzeit bei 7,5/10 oder teilweie schon 8/10 Punkten - das mag schon etwas heißen! Der schönste Grundtenor aus fast allen Kritiken und Reviews ist, dass die Hörer und Betrachter unser gewolltes Gesamtkonzept und die Stimmigkeit von allen Elementen sehr schätzen! Sie erkennen also, dass wir viel Mühe, Leidenschaft und Herzblut in die Verknüpfung von allem investiert haben! Die Veröffentlichungsform des Albums ist sehr exklusiv gehalten. In welchen Editions ist dieses erschienen? Was sind die Gründe für die strenge Limitierung?


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Wenn man eben spezielle Ausgaben einer CD erstellt , wie z.B. Digipacks und Artbooks, dann ist dies auch immer mit höheren Kosten verbunden, wie die Standardversion aus Plastik... Qualität ist uns wichtig, nicht die Menge der Stückzahlen. Lieber weniger, aber dafür wertvoll. Daher haben wir uns entschlossen, 25 Artbooks im LP-Format mit CD zu machen, desweiteren gibt es

wir haben noch ein paar wenige Exemplare der Artbooks auf Lager sowie Digipacks. Wir wollten uns aber auf der anderen Seite auch nicht in Unkosten stürzen. Unser Konzept ist aber aufgegangen und überzeugt nun mit (haptischer) Qualiät - in einer Zeit von Millionen Musikdownloads, clouds, mp3s , i-tunes und Spotify. Ich finde es zum Reinhören noch relativ brauchbar, jedoch gibt es immer mehr Menschen, die ihre

dann im Booklet stöbert und sich für die geschaffene Kunst Zeit nimmt. Ich finde es eine Art von Respekt gegenüber der Band und der Schöpfer, ich selbst weiß mittlerweile, wie viele, teils endlose Stunden ich im Auto oder im Studio oder am Computer saß, um dies alles zu ermöglichen und zu erschaffen. Da Ihr mit Schattendorn einen Live Drummer im Line-Up habt, wird es Totengeflüster auch irgendwann auf den Bühnen dieser Welt zu hören geben. Gibt es hier schon etwas Konkretes zu vermelden hinsichtlich geplanter Live-Auftritte? Leider stehen noch keine Live-Auftritte an, da bisher alles in den Händen unserer „Dreifaltigkeit“ lag und uns schlicht und ergreifend Bandmember fehlen, um unsere Kunst auch live rüberzubringen. Wir haben uns jedoch vorgenommen, in diesem Jahr mit gemeinsamen Proben zu beginnen, zudem sind wir derzeit einfach noch nicht komplett und benötigen ein paar Mitstreiter, die uns auf der Bühne zur Seite stehen könnten.

Ich bedanke mich herzlich für die Möglichkeit des Interviews. Die letzten Worte gehören traditionell Euch: Und ich leite weiter an Narbengrund.. NG: Endlich ist es geschafft! Totengeflüster pulsiert, Totengeflüster weilt im Diesseits! Wir sind sehr stolz auf unser Werk und wollen allen danken, die unseren Enthusiasmus teilen! Danke auch an dich, dass du die Mühe auf dich nahmst, uns zu interviewen. Totengeflüster ist soeben erst der Gruft unserer Vergangenheit entstiegen, macht euch darauf gefasst, dass wir wachsen werden und unsere Präsenz euch noch viele Jahre heimsuchen wird! Danke, Simon

Stefan Bellack

visit: www.totengefluester.de 150, hand-nummerierte Digipacks mit einem 20-seitigem Booklet. Limitierung ist leider auch mit den Herstellugnskosten für die gewollte Qualität gleichzusetzen. Aber

Musik ausschließlich nur noch über diese Plattformen konsumieren. Ich bin eher der Mensch, der sich abends gemütlich ein Bierchen oder einen Wein aufmacht und 41


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Totengeflüster "Vom Seelensterben" (01.02.2013, Eigenproduktion) Das Debut-Album von Totengeflüster hat einen mehrjährigen Entwicklungsund Reifeprozess hinter sich. Das Ergebnis sind 10 Tracks, verteilt auf 46:37 Minuten, die die Härte und Schwere des Black Metal verweben mit der Erhabenheit einer klassischen Orchestrierung. Totleben, Narbengrund und Schattendorn haben mit ihrem Erstling eine dunkelschillernde Preziose symphonischen Black Metals geschmiedet, die den Zuhörer einspinnt in einen morbiden Albtraum zwischen Wahn und Wirklichkeit. "Die Prophezeiung" eröffnet rein instrumental die CD. Piano, Bass und Streicher vereinen sich, schwingen sich empor und kulminieren zum 2. Track "Ein Traumgespinst". Übergangslos wird der Hörer mit Narbengrunds Schreien und extremen Gekeife konfrontiert, Gesang, dem Zuschnappen jagender Höllenhunde gleich. Schnelles Riffing und Drumming begleiten den lyrischen Albtraum, von Narbengrund in finstere Poesie gegossen (zu Inhalten und Hintergründen unbedingt das Interview lesen!). Nach Chaos herrscht dräuende, vibrierende, kratzende Ruhe. Das schneidende, abschließende Riff leitet gleichzeitig den 3.Track "Ein Monolog im Mondschein" ein. - An dieser Stelle einmal die Empfehlung, sich nach Möglichkeit die physische CD mit dem kunstvollen Booklet und allen Lyrics zu besorgen, um beim Hören der Musik in den vollen Genuß der Texte und der erzählten Geschichte zu kommen, bilden beide Elemente, zusammen mit dem wundervollen Artwork, doch ein Kunstwerk, welches man in seiner Gesamtheit genießen sollte. Doch zurück zu "Ein Monolog im Mondschein". Der Wandel wird herbeigeführt, die Veränderung nimmt ihren Lauf. Melodiebögen werden gesponnen, doch auch wüstes Geprügel findet seinen Raum, der inneren Zerrissenheit wird ein musikalisches Gewand umgelegt. "Gefrorene Tränen" glänzen in einem kurzen, rein instrumentalen Intermezzo, orchestral, mit Choreinsatz verfeinert. Ganz anders der nun folgende Titeltrack "Vom Seelensterben", der sich schneidend, mit messerschafer Klinge, seinen Weg bahnt und mit infernalischen Klängen der Seele Tod zelebriert. "Der Pakt" beginnt recht rockig, im Heavy Metal - Sound, doch alllein schon durch Narbengrunds förmlich ausgespiene Worte, wechselt das Gefühl der Vertrautheit schnell zu einer treibenden, dämonischen Beschwörung. Auch der "Blutsegen" gönnt dem Hörer keine Atempause. Stampfender Rhythmus, schnelle Riffs und Narbengrund krächzt sich die Seele aus dem Leib. "Ein neuer Pfad" verspricht zu Anfang eine trügerische Ruhe, die aber schrill und schneidend endet. Ein weiteres, schönes Beispiel für die Verquickung von extremen Metal mit symphonischen Elementen. Nach einem quasi kataklysmischem Höhepunkt, vermittelt uns "Im Tau der toten Morgensonne", auf instrumentale Weise, ein Gefühl von Leere, welches hinübergleitet in die Möglichkeit eines Neubeginns. Den Abschluß bildet mit dem 10. Titel, dem Bonus-Track, die rein instrumentale und orchestrale Fassung von "Ein Monolog im Mondschein". Gerade auch durch die Choreinschübe, wirkt der Song im Vergleich noch bombastischer als die reguläre Version. Ein würdiges Ende dieses komplexen und facettenreichen Albums. Fast 47, sehr intensive Minuten sind vergangen, in denen sich eine Musik entfaltet hat, die einen fast schon hypnotischen Sog auf den Hörer ausübt. Totengeflüster langweilen nicht mit dumpfem Geschrubbe, sondern bieten dem Rezipienten ein intelligentes Konzept aus dunklem, harten Metal gepaart mit der Schönheit klassischer Musik, ergänzt um tiefgründige, verstörende und gleichsam sehr poetische Lyrics, dargeboten ausschließlich in deutscher Sprache und in der Form des Paarreims. All dies wird komplettiert und perfektioniert durch die morbide und surreale Ästhetik des Artworks. Alle Songs gehen nahtlos ineinander über, es gibt keine Brüche, die den Hörer bei seinem Genuß dieses Albums stören, ihn aus seinen Gedanken reißen könnten. Mich persönlich hat "Vom Seelensterben" jedenfalls sehr beeindruckt. Hier werden keine gängigen Klischees des Black Metal bedient, die Musik ist abwechslungsreich und die Texte sind es Wert, sich intensiver mit ihnen zu beschäftigen und lassen trotz der zusammenhängenden Geschichte noch genügend interpretatorischen Spielraum. Musik und Worte dringen mit bildhafter Wucht in der Vorstellung des Hörers, die im Artwork Totlebens ihre ganz eigene optische Komponente erfährt, die kongenial den Albtraum in Szene setzt. Bei diesem sehr ambitionierten und qualitativ hochwertigen Werk von epischer Dimension, spürt man förmlich die Leidenschaft aller Beteiligten (einige Gast-Vokalisten sind ebenfalls mit von der Partie) an ihrer Arbeit, die es wert ist, dass man ihr uneingeschränkte Beachtung und ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt und damit sowohl das handwerkliche wie auch das ideelle, kreative Können und dessen meisterhafte Umsetzung honoriert. Stefan Bellack

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'Todesreigen In Schwarz gehülltes Schweigen, feucht, kalt und vergrämt.

Gemietetes Land

Wiegend tanzend im betäubten Reigen ist der Geist wie gelähmt.

Gemietetes Land. Die Spanner,

Die Sonne im Grau ertrunken.

bekannt,

Zähflüssig mutiert die Luft.

waren gebannt,

In depressiven Gedanken versunken wird demütig mein Haupt zur Gruft.

gespannt,

Weiß wie Schnee die kalte Haut.

warteten an der Peripherie,

ihm zugewandt, warteten am Rand

Sehnend friert allein das Ich.

und schenkten zum Schluss

Mein Eispalast wird gebaut. Blutend verkrieche ich mich.

eine Hand

Ich will nicht weiter gehn.

der gewandt

voll Sand, in der Grube verschwand,

Die Stille ist mein Zuhaus.

als man Tränen fand.

Nur in Einsamkeit vermag ich in Ruhe zu sehn. Die Realität schließe ich aus.

Raimund J. Höltich Raimund J. Höltich

Das bisherige schriftstellerische Gesamtwerk des Autors und Künstlers Raimund J. Höltich ist am ehesten der Schwarzen Romantik zuzuordnen, das trifft vor allem auf die meisten seiner Gedichte zu. www.raimund-hoeltich.de.to

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Verloren in der Plastikwelt? Mit

KILLING TOFU begrüßen wir ein Alternative-Rock-Duo, das schon in Ausgabe 15 zu Gast war. In den letzten 2 Jahren sind die Mönchengladbacher nach Hamburg übergesiedelt, haben viele Konzerte gespielt und Ende letzten Jahres auch ihre erste LP veröffentlicht. Grund genug also, einmal kurz nach dem Stand der Dinge zu fragen. Dabei kam heraus, dass sich das Duo noch immer in einem Prozess der Selbstfindung befindet. Für unseren Sampler haben uns Killing Tofu den Song „Plastikwelt“ zur Verfügung gestellt, zu dem es auch ein Video auf YouTube gibt. Hallo Jim, hallo Fiona! Willkommen unseren Kindern erzählen?“ Kam diese zurück in der „Dark Feather“. Seit Entwicklung bewusst? unserem letzten Interview vor 2 Jahren ist ja einiges geschehen. Fiona: Ich glaube, diese Entwicklungen kann man nur sehr begrenzt steuern. Die Fiona: Das kann man wohl so sagen. meisten Texte sind Resultate von Jim: Es ist vor allem viel Zeit vergangen. Erlebnissen der letzten zwei Jahre, vor allem von denjenigen, die wir so nicht Vor kurzem erschien Euer erstes kommen sahen. Album „Video killed the Realitystar“. Jim: „Zukunftsmusik“ ist ein Song, den ich Die Songs darauf sind, im Vergleich nach einigen Diskussionen in der Uni zur alten EP, sehr abwechslungsreich geschrieben habe. Wir haben in der und man merkt Eurem Zusammenspiel Schule gelernt, welche Konsequenzen der einen großen Reifeprozess an. Nationalsozialismus hatte, welche Rolle unsere „Eltern“ dabei gespielt haben usw., Jim: Wir haben sehr viel experimentiert. und dieses geschichtliche Wissen ist Fiona: Oh ja. natürlich wichtig, aber heute sind Nazis J i m : W i r w u s s t e n , d a s s w i r u n s nicht mehr das größte Problem. Im weiterentwickeln wollten. Irgendwie Gegenteil: Sie machen viele blind für die mussten wir weg von dem, was wir bisher wirklichen Probleme. Unsere Kinder gemacht haben, aber wir wussten werden uns nicht fragen, wieso wir alle so gleichzeitig nicht, wohin eigentlich. Das tatenlos zugesehen haben, als der Album ist kein besonders rundes Album. Nationalsozialismus größer und größer Es ist vielmehr ein Einblick in diesen wurde – denn das wird nicht passieren. In Prozess, den wir unseren Fans schuldig der fiktiven Zukunft des Songs fragen sie waren. uns ganz andere Dinge, bloß die Antworten bleiben die gleichen: „Nein D i e T e x t e a u f E u r e m A l b u m Nein, wir haben nichts gemerkt, in der beschäftigen sich sehr mit Euren Schule hat man uns das nicht gelehrt. Gedanken zur a k t u e l l e n Nein Nein, wir haben nichts geahnt, in der gesellschaftlichen Entwicklung wie der Schule trug das Böse stets nen Bart“. Entsolidarisierung der Menschen und Fiona: Die Fragen sollen auch dazu was der Mensch als solcher in der anregen, sich selbst zu fragen, was man heutigen, schnelllebigen Zeit als antworten würde. Wir wollen dazu Einzelner erreichen könnte. Dabei fiel veranlassen, sich vorzustellen, was man mir beim Lesen der Texte auf, dass Ihr später über unsere Zeit schreiben könnte s e h r o f t F r a g e n s t e l l t . I n und sich selbst zu fragen: Wobei sehe ich „ Z u k u n f t s m u s i k “ h e i ß t e s gerade tatenlos zu? beispielsweise: „Was wollen wir Sehr gut hat mir auch der Song 44

„Plastikwelt“ gefallen, der die nachdenkliche Seite Eurer Musik sehr gut zum Ausdruck bringt. Jim: Wir alle leben in einer Plastikwelt. Manche wissen von ihr, manche erahnen sie nur, manche haben den Mut, dem Kaninchen in die Tiefe seines Baus zu folgen, die meisten aber wagen es nicht. Wir wurden in sie geboren, wir haben sie angenommen, wir lieben sie, aber doch leiden wir und wir haben das ständige Gefühl, dass etwas nicht stimmt, dass uns etwas verschwiegen wird. Fiona: Es gibt sehr viele Menschen, die mit den politischen Verhältnissen unzufrieden sind, die sich so fühlen, als lebten sie in einer Matrix, die aber einfach weitermachen wie bisher. Wir schließen uns in diesen Kreis ein. Wie schon erwähnt, ist die Musik sehr a b w e c h s l u n g s r e i c h . M a n fi n d e t Anleihen aus der Punk Musik der 80er Jahre, ein wenig Einflüsse aus dem Singer/Songwriter-Genre und sehr viel Alternative-Rock. Dabei habt Ihr in den letzten Jahren auch sehr viel mit akustischen sowie wilderen Songs experimentiert. Kann man sagen, dass der Stil auf dem Album der Killing Tofu - Stil ist, den Ihr auch in Zukunft beibehalten werdet? Jim: Absolut nicht. Ich glaube aber daran, dass wir kurz davor sind, ihn zu finden. Fiona: Jim hört nicht auf zu schreiben. Wir haben im Laufe der letzten zwei Jahre Songs für drei Alben geschrieben und auch jetzt schon wieder genug für ein


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neues. Immer wenn ich dachte, wir haben einigen können. es geschafft, wollte er wieder alles neu machen. Schade finde ich persönlich, dass Songs wie „Die Angst vor dem Tod“ Zum Album gehören auch B-Sides, die oder „Die Fabel der Liebe“ nicht man auf Eurer Homepage, mit einem verwendet wurden. Passwort, herunterladen und anhören kann. Was hat es mit diesen Songs auf Jim: Das Problem ist, dass Songs sich? sterben können, wenn man nicht aufpasst. Wenn man sie zu oft nur Fiona: Weil wir viel zu viel Material hatten halbherzig gespielt hat, wenn man schon und es unmöglich war, mit Jim eine weiß, welche live nicht gut angenommen Auswahl zu treffen, weil er am einen Tag werden. Dann ist es, als würden alle alles genial und am anderen Tag alles Skeptiker im Raum stehen, wenn man sie grottenschlecht fand, haben wir viele einspielt. unserer Songs Freunden vorgespielt. Die F i o n a : W i r h a b e n d i e S o n g s B-Sides sind solche, die wir nicht aufs aufgenommen, aber sie waren sozusagen Album nehmen wollten, aber von kurz vor dem Herzstillstand. manchen so gemocht wurden, dass wir sie unseren Fans auch nicht vorenthalten Ihr habt in den letzten Jahren eine wollten. kleine und sehr treue Fangemeinde Jim, kannst Du dies näher erläutern? aufgebaut. Was ist das für ein Gefühl, Jim: Ich glaube, ich schwanke ständig wenn man merkt: „wir erreichen mit zwischen dem Wunsch, die Message unseren Texten Menschen“? möglichst direkt auszudrücken und dem Wunsch, möglichst viele Leute damit zu Jim: Es ist gemischt. Wir haben vor allem e r r e i c h e n . M a n m u s s s i c h b e i m a u f u n s e r e r l ä n g e r e n To u r 2 0 11 Songwriting eben jeden Satz sehr gut festgestellt, dass Mensch eben ein sehr überlegen. Es gibt bestimmte Songs, da weites Wort ist. Manchmal fanden uns weiß ich: Mit diesem Satz verlierst du eine handvoll Autonome gut und der Rest womöglich 20% des Publikums, wenn es des Publikums hat den Saal verlassen. jetzt noch nicht auf deiner Seite ist. Das war nicht das, was wir wollten. Wir Zugleich will man aber auch nicht zu glatt wollten die Zuschauer nicht sortieren. werden. Das ist der eine Hauptkonflikt. Nach dem Motto: So, alle Fleischfresser Der andere hängt mit der Frage nach der können jetzt gehen. Relevanz zusammen. Ich will keinen Song Fiona: Aber das war nur ein paar mal so machen, den jemand anders hätte schlimm. Alles in allem sind wir sehr froh schreiben können. Die Songs sollen über unsere Fans und auch über das, was Dinge sagen, die so noch nicht gesagt sie uns nach Konzerten sagen oder per wurden - inhaltslose Musik gibt es Mail schreiben. Ein Effekt ist da auch schließlich schon genug. Und es ist zum nach zwei Jahren noch der gleiche: Wenn Beispiel so, dass ich am einen Tag das uns jemand gut findet, dann auch wirklich. Gefühl habe, es käme total gut, das Eindeutig genug sind wir, glaube ich. Publikum so provokant wie möglich damit zu konfrontieren, dass es sein Leben von Was sind die Zukunftspläne mit Killing Angst dominieren lässt. Dann denke ich Tofu? Sicher wird es in Zukunft wieder aber wieder, dass es besser wäre, mit der v e r m e h r t Auftritte geben, oder? Musik Hoffnung zu geben. Im Bezug auf die Relevanz stellt sich die Frage: Ist es sinnvoll, das Publikum so zu schocken? Ist es sinnvoll, dem Publikum eine Hoffnung zu schenken, die nicht existiert? Wurde das eine nicht schon zu genüge durchgepunkt und das andere im Radio durchgedudelt? Für mich ist Musik eine Form der Kommunikation - und so wie ich mir in einem Gespräch gut überlege, was ich sage, zu wem ich es sage und wie ich es sage, so schreibe ich zwar nicht, aber s o r e fl e k t i e r e i c h d a s , w a s i c h letztendlich veröffentliche. Auf diesem Album singen, wenn man so will, viele verschiedene Stimmen durcheinander, die sich auf nichts 45

Fiona: Versprochen. Wir werden im Mai eine Konzertreihe spielen und im Sommer e i n e l ä n g e r e To u r d u r c h d e n deutschsprachigen Raum machen. Die Te r m i n e w e r d e n b a l d a u f www.killingtofu.de veröffentlicht. Jim: Und vielleicht haben wir dann auch ein neues Album im Gepäck. Fiona: Ja, vielleicht... Was waren die schönsten Momente, die Euch als Musiker in den letzten 2 Jahren widerfahren sind? Fiona: Das ist schwierig. So spontan. Jim: Vielleicht als das Publikum zum ersten Mal von sich aus getanzt hat? Fiona: Stimmt. Das war so ein Moment, wo man dachte: Gerade sind wir da. Die Energie kommt an – und wird nicht in Flucht, sondern in Tanz umgewandelt. Vielen lieben Dank für das Interview. Irgendwelche letzten Weisheiten? Fiona: Jim, dein Moment. Jim: Das ist jetzt schwierig... Fiona: Es kann sich nur noch um Stunden handeln. Jim: Wie wäre es hiermit: Viele, die glauben, dass sie ihren eigenen Weg gehen, weil sie nicht das machen, was ihre Eltern wollen, oder weil sie sich anders kleiden oder reden als es die gesellschaftliche Ordnung vorsieht, folgen in Wahrheit bloß einer ebenso naiven Illusion, einem Traum, den sie für ihren eigenen halten, der ihnen aber auch bloß vorgeschlagen wurde, vielleicht vom Fernseher, vielleicht vom Radio, wer weiß, und solange sie an diesen Traum glauben, werden sie nicht frei sein. Axel Meßinger

visit: www.killingtofu.de


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Impressum dieser Ausgabe: Herausgeber: Dark Feather c/o Warschkow Dorotheenplatz 1 04109 Leipzig

Redaktionsleitung: Stefan Bellack Karl-Marx-Str. 18 65199 Wiesbaden Redaktion: Stefan Bellack Axel Meßinger Masi Kriegs

Layout: Holger Warschkow Logo / Webdesign: Nino Finke Frontcoverzeichnung: © Mihaela „Miky“ Warschkow www.miky-warschkow.jimdo.com Korrektorat: Stefan Bellack Internet: www.darkfeather.de Email:

redaktion@darkfeather.de

Nino Finke

Hinweis: Das Dark Feather Zine arbeitet nicht gewinnorientiert und ist keine Veröffentlichung im Sinne des Pressewesens!

Eventuelle Einnahmen dienen allein der Kostendeckung.

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