Dark Feather # 23

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AUSGABE 23

WINTER 2012/13 1


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DARK FEATHER # 23

INHALT

INTRO

Künstler:

Willkommen zur Dark Feather # 23!

30 Antimatter 380 Enter And Fall 50 Oilensanc 147 Quellenthal 46 Resomus 33 Shade Of Shambles 080 Syria 18 Tiamat 05 Vadot

Specials: 41 Literatur-Lounge: Kathrin Hartmann

25 Szene-Story: Spontis-Blog

49 Gedanken 04 Verlosung

Nachdem der Weltuntergang - mal wieder - nicht stattgefunden hat, begrüßen wir das neue Jahr und Euch liebe Leserinnen und Leser zu einer neuen Ausgabe des Dark Feather und zwar der mittlerweile dreiundzwanzigsten! Spätestens seit Joel Schumacher`s Film "The Number 23" wissen wir um das Mysterium, welches diese Zahl umgibt. Die Geschichte des Films beginnt an einem 23. Dezember und ich schreibe dieses Vorwort Weihnachten 2012. Zufall? Schicksal? Jim Carrey alias Walter Sparrow gibt hier mal nicht den Clown, sondern vermittelt in diesem unheimlichen Thriller eindrucksvoll seine fortschreitende Paranoia und Obsession. Ist das Dark Feather - Team jetzt auch besessen? Haben wir ebenfalls Visionen? Ja, ganz sicher, aber solche vom Heben musikalischer Schätze und Finden außergewöhnlicher und beachtenswerter Künstler, kurz, die Perlen des Untergrunds ans Licht des Tages zu fördern. Ganz im Sinne dieses hehren Anspruchs, präsentieren wir Euch in der vorliegenden Ausgabe sowohl eher regional bekannte Bands und Musiker als auch Acts der Szene, die schon länger international erfolgreich sind. So ist es Masi gelungen, Johan Edlund von Tiamat vor`s Mikrofon zu bekommen und Mick Moss von Antimatter wirft u.a. einen Blick zurück auf das vergangene Jahr. Christian Dörge und Zasu Menil gaben Axel erschöpfend Auskunft zur Auflösung von Syria nach 20 Jahren Bandgeschichte. Aber auch Quellenthal und Oilensanc stellten sich Axels Fragen im Interview. Enter And Fall haben ein erfolgreiches Jahr hinter sich, ernteten sie doch die Früchte langer, harter Arbeit, wovon sie Kiki gerne berichteten. VADOT aus Berlin haben ihr zweites Album, "Teufels Beitrag", veröffentlicht, welches ich Euch ganz besonders ans Herz lege. Warum? Lest einfach Interview und Review in dieser Nummer. Resomus und Shade Of Shambles haben ebenfalls neue Veröffentlichungen am Start und Masi hat bei beiden Bands nachgefragt. In unserer Literatur Lounge gibt es ausnahmsweise mal kein Prosawerk in der Analyse, sondern Axel bespricht hier erstmals ein Sachbuch zum kontroversen Thema "Armut in Deutschland" und unterhält sich kundig mit der Autorin und Journalistin Kathrin Hartmann. Eine weitere Premiere gibt es in unserer Rubrik Gedanken und zwar die Künstlerin Pale Violett mit einem Gedicht ihrer "Trauerlyrik". Last but not least ziert unser Cover erneut eine Illustration von VeeJas aus Wiesbaden, gleichzeitig Bestandteil eines phantasievollen Kalenders für das Jahr 2013 (mehr dazu auf unserer Impressumseite am Ende dieser Ausgabe). Wir freuen uns auf Euer Feedback zum Zine und beachtet bitte in diesem Zusammenhang unsere Verlosungsaktion auf Seite 4. Wir jedenfalls wünschen Euch unterhaltsame und informative Lesestunden mit dem neuen Dark Feather sowie einen guten Start ins neue Jahr!

www.darkfeather.de Facebook: Dark Feather-Zine www.myspace.com/darkfeather_zine

Stefan und das ganze Dark Feather - Team (Januar 2013)

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Verlosungsaktion Unter allen Lesern des Dark Feather, die uns ein schriftliches Feedback zur aktuellen Ausgabe geben, egal ob per Mail, Brief oder Karte (bitte Name und Anschrift nicht vergessen), verlosen wir CD`s des neuen Albums von VADOT: "Teufels Beitrag", die uns die Berliner Band freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Einen Vorgeschmack auf dieses besondere Album bekommt Ihr auf unserem Sampler "Pearls From The Underground" Vol. 23. Also ran an Tastatur und Stifte! Wir freuen uns auf Eure Meinungen zum Zine. Euer Dark Feather-Team Kontakt: redaktion@darkfeather.de Unsere Redaktionsanschrift findet Ihr im Impressum am Ende dieser Ausgabe.

PS: Die Aktion endet mit Erscheinen von Dark Feather #24.

Layouter, Das Dark Feather Team sucht Dich! Für die Zukunft (ab etwa Sommer/Herbst) suchen wir einen Layouter. Du hast Lust in einem interessanten und kreativen Team mitzuwirken? Print- bzw. PDF-Design, Schriftsetzung und Bildbearbeitung sowie der Umgang mit den dazugehörigen Programmen sind Dir nicht fremd? Das Dark Feather ist ein Non-Profit Zine, das die Philosophie verfolgt, den Underground zu supporten. Niemand, weder Künstler, noch Leser haben irgendwelche Kosten zu tragen, d.h. alle im Team beleben das Zine ausschliesslich durch viel Herzblut und Idealismus! ;-) Interesse? Dann komme zu uns ins Team! Kontakt: redaktion@darkfeather.de p.s. Der Wohnort spielt keine Rolle, unsere Kommunikation verläuft primär über das Internet.

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Auf der Suche nach dem Guten und dem Bösen im Menschen Im

Oktober 2012 hat das Berliner Trio VADOT, nach einer EP- und einer CD-Veröffentlichung sowie zahlreichen Beiträgen auf diversen Samplern, sein neuestes Werk, "Teufels Beitrag", veröffentlicht. VADOT, die in den letzten Jahren eine interessante musikalische Entwicklung durchgemacht haben, in verschiedenen musikalischen Genres zu Hause sind und sich gängigen SchubladenKategorisierungen entziehen, legen einen Schwerpunkt auf intelligente, aussagekräftige, deutsche Texte. Ein außergewöhnliches und beachtenswertes musikalisches Projekt und damit natürlich genau richtig im Dark Feather.

Hallo VADOT und herzlich willkommen beim Dark Feather! VADOT ist mit den Jahren vom Solozum Bandprojekt gereift. Mich würde interessieren, wer sind die Menschen hinter der Musik? Selbst die Presseinfo hält sich hier - und sicherlich mit voller Absicht - recht bedeckt. Vielleicht seid Ihr aber dennoch dazu bereit, dass jeder von Euch (Vadot, Beate von Shuffle, Skeet) etwas von seiner Person preisgibt was über die reine Funktion innerhalb der Band hinausgeht?

stilistische wie auch kompositorische Erweiterung sozusagen ein natürlicher Prozess oder hat Vadot irgendwann festgestellt, dass ihm sein Schaffen allein am Synth nicht mehr genügt?

Überhaupt die Texte: Ich bin ja ein Bewunderer von Künstlern wie Musikern, Komponisten, Poeten, denen es gelingt, sich eloquent in der deutschen Sprache auszudrücken, ohne dass die Texte beispielsweise hinterher kitschig wirken. Woher kommt dieses Wort-Gefühl, kritische wie auch romantische Aussagen so gelungen zu formulieren? Liest Du beispielsweise sehr viel? Wurdest Du vielleicht schon in der Schule entsprechend geprägt? Oder gibt es gar Vorbilder, die Dich inspiriert haben?

Der Weg vom Synth zur Gitarre, von der Gitarre zum Schlagzeug, vom Schlagzeug wieder zum Gesang war gar nicht so weit. Viele Songs entstehen zunächst an der Gitarre oder am Klavier und wandern später durch den Sequenzer. Wir haben ja alle auch schon vorher Musik gemacht und stehen den verschiedensten Einflüssen völlig offen gegenüber. Die Anfänge eines Electro-Studioprojekts haben sich mittlerweile wunderbar mit Das mit den Texten ist ja auch immer ein dem vermischt, was vor Vadot in unserm bisschen eine Geschmacksfrage. Aber Leben stattfand. vielen Dank für das Kompliment. Gefördert wurde ich nicht. Nein :) Aber E i n u n v e r k e n n b a r e s u n d sicher gibt es Bands, die herausragende unverändertes Stilmittel seit 2006 sind Texte machen, vor denen ziehe ich mit die deutschen Texte jeder Produktion. Sicherheit meinen Hut. Kettcar, Keimzeit, Wa r u m D e u t s c h u n d n i c h t d i e Tocotronic, Rio Reiser oder DAF. Zum V e r w e n d u n g d e s s i c h e r l i c h Lesen komme ich leider etwas seltener. massentauglicheren Englisch? Aber von Hermann Hesse habe ich so gut wie alles gelesen. Die Frage der Sprache hat sich für mich nie gestellt. Aber die Verständlichkeit ist Den thematischen Kern des neuen mir schon wichtig. Jeder Mensch sollte Albums "Teufels Beitrag" bilden die 7 versuchen, seine Gedanken irgendwie zu Todsünden. Stand dieses Konzept von formulieren. Egal ob in Bildern, Text, oder Anfang an fest oder hat sich dieser sonst wie. thematische Überbau erst beim

Alles was man wissen muss, transportieren im Grunde die Songs. Ich offenbare sehr viel in meinen Liedern. Der Zuhörer, die Zuhörerin wird dort sehr persönliches entdecken können. Außerdem spielen wir ja recht häufig live. Auf unseren Konzerten erfährt das Publikum alles von uns ;)

VADOT hat/haben von den Anfängen bis heute eine deutlich hörbare Entwicklung vollzogen. Einst ein recht synthetisches Electro- und Industrial Projekt, ist die Musik inzwischen sehr viel komplexer, multiinstrumentaler und ausgereifter geworden. War diese 5


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Schreiben der Texte nach und nach Wenn ich heute am SO36, Künstlerhaus herauskristallisiert? Bethanien oder am Mariannenplatz in Kreuzberg vorbeikomme, denke ich Zunächst war der Album-Titel nur eine tatsächlich oft an Rio Reiser und die Idee als unser Debüt "In Gottes Namen" Menschen, die unerschrocken ihre fertig war. Ich habe viel über die Sünden Vorstellungen von einem alternativen gelesen. In "In Gottes Namen" steckt viel Leben frei äußerten. Vieles wäre heute Wut und Aggression. Es handelt von ohne sie undenkbar. Werten, die scheinbar bis zur Sakralität In den 70er und 80er Jahren sind so viele verehrt werden. Werte wie Geld, Sex oder Subkulturen entstanden. Die große weite Konsum, die in unserer heutigen Zeit zur Welt war etwas für Supermächte. Der G o t t g l e i c h h e i t a v a n c i e r e n . S o v i e l Tenor vom "Weltuntergang" durch Spannung fordert einen zweiten Pol. atomare Aufrüstung, West-Ost-Konflikt " T e u f e l s B e i t r a g " i s t e i n e usw. hat Menschen zusammengetrieben Auseinandersetzung mit den Werten und bewegt. Punks, Grüne, Skins, Gruftis davor geworden. Was zunächst sehr und und und. Ob man die Ideale des klischeebehaftet klingt, ist der Versuch, anderen mochte oder nicht, spielte keine nach dem Guten und dem Bösen in uns Rolle. Es gab jedoch in allen Subzu suchen, um dann womöglich zu Gruppierungen den Wunsch, eine entdecken, dass beides sehr, sehr nah A l t e r n a t i v e z u d e n b e s t e h e n d e n und eng beisammen in uns wohnt. Konventionen zu finden. In den letzten 20 Jahren wurde all dies Was wollt Ihr mit diesem Konzept vom Markt, vom Kapital geschluckt. Die erreichen? Die Verdorbenheit der Welt Szenen sind Produkte eine Ware anprangern? Die Lasterhaftigkeit der geworden. Ob Pop, Goth, Jazz, Klassik, Menschen kritisieren? Indie, Metal, Currywurst oder Cheeseburger. Alles ist käuflich. Ich Ich glaube, die Welt war schon immer vermisse oft die Eigenständigkeit und verdorben. ;) Nein, im Ernst, vieles ist beobachte zunehmend Egalität. Mir gefällt heutzutage besser denn je. Aber wir diese portionierte Warenwelt nicht. sollten es nicht als selbstverständlich Abziehbilder verkleben und bleichen aus. betrachten. Leider gibt es so viele Niemand wird die Namen, die auf den Tendenzen zur Gleichgültigkeit. Dabei Bildchen standen, nach ein paar Jahren brauchen wir uns nur drei oder vier noch kennen. Geschweige denn, den Stunden in einen Flieger setzen, um eine blassen Farben irgendeinen Wert Welt von Tyrannen und Wahnsinnigen beimessen. Vielleicht bin ich daher auch vorzufinden. etwas optimistisch :)

Übt Ihr mit Eurer Musik, neben der Unterhaltung, auch eine soziale Funktion aus?

Diese Kategorisierung menschlicher Laster steht natürlich in einem religiösen Kontext wie auch die Titel Eurer Alben. Nach "In Gottes Namen" nun "Teufels Beitrag". Ist der Mensch nur Verführter, korrumpiert durch die Gesellschaft, in der er lebt und interagiert?

Wir danken Euch. Schön das es immer und immer wieder ambitionierte Menschen gibt, die fernab der marktverbindlichen Gesetzmäßigkeiten eigene Wege beschreiten. Ihr macht tolle Arbeit. Vielen Dank.

Apropos "Schreiben": Wird das Songwriting ausschließlich von Vadot bestritten oder ist es doch eher ein gemeinschaftlicher Prozess?

Nein, nicht wirklich. Aber wir versuchen darauf zu achten was wir essen, was wir kaufen, mit wem wir Geschäfte machen :) Nicht nur die Berliner konnten Euch in den letzten Jahren live bewundern, auch auf diversen Festivals wart Ihr schon zu Gast. Wie wichtig ist es für Euch, Eure Musik vor Publikum präsentieren zu können? Gibt es schon Pläne/Termine für 2013? Live spielen ist uns sehr wichtig. Es gibt tatsächlich schon Pläne für 2013. Im März werden wir unterwegs sein und im Herbst soviel steht fest . Die Termine findet Ihr auf unserer Internetseite. Wenn Ihr mal zurückblickt, was waren bisher Eure positivsten, schrägsten, aber auch schlechtesten Erfahrungen in der Musikwelt? Freud und Leid liegen ja bekanntlich sehr nah beisammen. Die größten "Erfolge" waren alle mit viel Schmerzen verbunden. Daher liegt uns auch mehr an den kleinen Gesten der Menschen. Ich bedanke mich für das Interview und wünsche Euch den gebührenden Erfolg! Die letzten Worte gehören traditionell den Künstlern:

Wir besprechen die Ideen schon gemeinschaftlich. Die Texte kommen zwar allesamt aus meiner Feder, aber gerade bei den Arrangements besprechen wir viel Die gegenwärtige Gesellschaft spielt mit zusammen. Sicherheit immer eine Rolle, aber dies zeigt auch, dass sich Dinge verändern. "Uns fehlt die Nahrung für`s Gehirn" Nichts muss so bleiben wie es ist. Und ist ein Zitat aus "Nahrung für die visit: www.vadot.de von jeder Wahrheit ist das Gegenteil Seele". möglicherweise genauso betrachtenswert. Verdummen die Menschen immer mehr? Woran liegt`s? An der Gerade mit "Kaputt" habt Ihr ein Lied Bildungspolitik, den Medien? Was wäre geschrieben, dass ich aufgrund seines e i n e a d ä q u a t e , n o t w e n d i g e kritischen Inhalts - und nicht nur Gehirnnahrung? wegen des Titels und Eures Standortes - durchaus in der Tradition von "Ton Mehr Qualität statt Quantität. Wir haben Steine Scherben" sehe. Gibt es da eine heute eine riesige Auswahl. Die Menge spirituelle Anbindung zwischen VADOT erschlägt uns alle. Weniger ist eher mehr. und den "Scherben"? Wie politisch sind VADOT? Würdet Ihr Euch als politische Band bezeichnen? 6

Stefan Bellack


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VADOT “Teufels Beitrag” (Danse Macabre, Oktober 2012) Die Berliner VADOT haben, nach "In Gottes Namen" (2010), mit "Teufels Beitrag" ihr zweites Album veröffentlicht. Releasedatum der CD war der 31.10.2012. Alternative-Wave bezeichnen sie selbst ihren elektronisch geprägten Stil, der aber durchaus auch rockige Elemente aufweist. Die Instrumentierung besteht aus Synthesizer, Gitarren und Schlagzeug. Doch am markantesten sind sicherlich die anspruchsvollen, deutschsprachigen Texte, die intensives Zuhören verlangen und von Vadot, dem Mastermind des Trios, nicht nur allesamt geschrieben wurden, sondern von ihm auch mit markanter Stimme, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzt, zum Vortrage gebracht werden. Thematisch stehen dieses Mal die sieben Todsünden im Focus und damit das Böse, aber auch das Gute, im Menschen. "Teufels Beitrag" ist ein Werk fernab von gängigen Klischees, das den Intellekt seiner Zuhörer fordert, aber gleichzeitig auch einen musikalischen Unterhaltungswert bietet mit einem Songwriting, dem durchaus tanzbare Rhythmen zu eigen sind. Gleich der erste Track "Nahrung für die Seele" übt Kritik an unserer Konsumgesellschaft, dem Verlust an Qualität und der zunehmenden Verdummung und Antriebslosigkeit der Menschen. "Motten ums Licht", der Song, der sich auch auf unserem Dark Feather-Sampler findet, erzählt von Verführung, Fremdbestimmung, Abgestumpftsein und der Ohnmacht des Einzelnen. Untermalt von einem einprägsamen Pianomotiv, teils elektronisch verfremdet, entwickelt der Song eine ganz eigene, treibende Dynamik. "Hochmut" ist da weitaus synthetischer instrumentiert, geht eher in Richtung EBM. Der beschriebene Höhenflug gleicht dem des Ikarus und tanzend steuern wir auf den Untergang zu. Das "Tal der Tränen" kündet von der Vergänglichkeit des Seins. Depressiv, verzweifelt auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. "Zerrissen" vermittelt mit einer faustischen Komponente Ruhelosigkeit, Getriebenheit. Die eigene Persönlichkeit wird aufgegeben, zerbricht an auferlegten Zwängen. Einst gute Absichten verkehren sich ins Gegenteil. "Neidlos": Die Unfähigkeit des Menschen aus der Geschichte zu lernen. Angepaßt und mit einer Biedermann-Mentalität ausgestattet, läßt der Mensch Dinge zu, die eigentlich im Widerspruch zu seinem innersten Wesen stehen. Der Refrain ist eingängig und verdeutlicht gleichzeitig die sprachliche Kompetenz des Verfassers hinsichtlich singbarer Lyrik: "Wir werden taub sein, wir werden Staub sein, wie totes Laub sein." "Beweg Dich" wartet mit einer längeren Instrumentalpassage zu Beginn auf, die Tasten dominieren und setzen die Akzente, das Schlagzeug untermauert den treibenden Beat. Inhaltlich geht es erneut um Hochmut, Eitelkeit und Trägheit. "Ein Loblied" feiert ironisierend die Korruption, prangert die Ausbeutung Unterpriviligierter an, Profit um jeden Preis. Im Gegensatz zu diesem mehr als ernsten Thema steht der fast fröhlich zu nennende Rhythmus, der den Körper sich im Takt wiegen läßt. Bittersüß und dadurch umso eindringlicher. "Hüte Dich" schlägt musikalisch eine ganz andere Richtung ein. Generiert dieser Song doch eine unheimliche, bedrohliche Atmosphäre. Eindringlich, beschwörend, mit einem Touch "Nightmare Before Christmas". Warnend und fordernd zugleich werden Sexualtrieb und Mißbrauch thematisiert. Einer der nachhaltigsten Titel des Albums. "Kaputt" swingt orchestral, ist rockig und ruft dabei nicht nur zu verbalem Protest gegen die Dekadenz der Gesellschaft auf. Erinnerungen an die legendären "Ton Steine Scherben" werden wach. "Verdammte Seelen" überrascht den Hörer mit dunkelromantischer Schönheit und melancholischer Verklärtheit. Gepaart mit einem Refrain, der sich sofort festsetzt und noch Tage später im Ohr bleibt. Zerrissenheit, Ziellosigkeit, Licht und Schatten, ein Song mit Gänsehautgarantie. "Du mit Dir" weist eine starke sakrale Komponente auf, die sich dann auch auf textlicher Ebene metaphysisch fortsetzt. "Deine Scherben": Selbst dem Scheitern kann etwas Positives immanent sein, doch gleichzeitig verdeutlicht dieses Lied auch die Bedeutungslosigkeit des Einzelnen. Ein überlegter, bewußter Abschluß der vorangegangenen Kompositionen. 13 Tracks und knapp 60 Minuten später weiß man, dass man mit "Teufels Beitrag" ein ganz besonderes, ich möchte gar sagen, wertvolles Stück Musik gehört hat. Eine Bestandsaufnahme unseres gesellschaftlichen Zustandes, die sich nicht scheut, Mißstände beim Namen zu nennen. Texte von visueller Ausdruckskraft, gekleidet in das Gewand dunkler, teils umschmeichelnder, teils elektronisch enervierender, manchmal swingender und manchmal rockiger Töne sowie eine Melange aus all diesen Komponenten und Stilen. Ein Album, das gehört werden will und muss, das nachdenklich macht und doch auch zum Tanzen auffordert und Mitsingen animiert. Ein Album, das man so schnell nicht vergißt, kurz, ein wichtiges Album!

Stefan Bellack

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SYRIA

Wenn der letzte Vorhang fällt

Erneut sind Christian Dörge und Zasu Menil bei uns zu Gast (zuletzt in Ausgabe 18). Auf lange, einleitende Worte können wir deshalb dieses Mal verzichten. In diesem Interview geht es nun um die letzten Veröffentlichungen sowie die Auflösung der Band SYRIA. Hallo Christian, hallo Zasu! Schön, dass Ihr Euch wieder die Zeit für ein hoffentlich erhellendes Interview nehmt. Seit unserem letzten Gespräch ist einiges passiert und ich denke, dass wir in diesem Interview einiges aufgreifen können. Fangen wir am besten mit der Veröffentlichung des aktuellen SYRIA-Albums ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ an. Ein Album, wo ich mich - wie bei Euren anderen Alben der letzten Jahre - erst einmal hineinhören musste. Aber im Großen und Ganzen wirkt dieses Album auf mich sehr vielschichtig. Wie die letzten Werke, ist auch dieses Album in der elektronischen Musik anzusiedeln. Es enthält Elemente aus dem Trance-, Pop-, Rock- und Psychedelic-Genre wenn wir die Schubladen bemühen wollen. Aber es i s t a u c h m e h r. E i n e Collage von Zitaten und Anspielungen aus der Popkultur und daraus werden ganz eigene Räume mit Inhalt transformiert. Christian Dörge: Ja, in der Tat, viel ist geschehen im Verlauf des vergangenen Jahres. Irgendwie sind wir nicht für einen Augenblick zur Ruhe gekommen. Was mir auffällt - wenn ich das mal kurz anmerken und aufgreifen darf - ist, daß Du betonst, daß Du Dich in unser neues Album ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ erst einmal hineinhören mußtest. Nun mag die Betonung solchen Umstands vielerlei bedeuten: die Gründlichkeit, mit der Du Dir das Gehörte durch den Kopf gehen läßt, der zeitliche Aufwand, den es bedarf, um ein Doppel-Album vollständig

anzuhören... oder Du deutest an, besagtes Album sei schwer zugänglich etwas, das uns im Zusammenhang mit unserer Musik immer wieder gesagt wird. Ich möchte kurz die Gelegenheit nutzen, diesem - nun ja - Eindruck dezent zu widersprechen: Ich empfinde unsere Alben der letzten Jahre - wobei mein Eindruck natürlich ein subjektiver ist, schließlich fehlt mir als Urheber jegliche objektive Distanz - als durchaus zugänglich, dies betrifft insbesondere ʻSixties Alien Love Storyʼ, ʻAmerican Gothicʼ und ganz aktuell ʻFlower, Mercy,

das ʻProblemʼ eher darin zu suchen ist, in welcher Art und Weise die Gleichförmigkeit der CDVeröffentlichungen, welche seit rund 15 Jahren geradezu erschreckende Ausmaße angenommen hat, die Hörgewohnheiten der Menschen - und somit auch die des Chronisten? schleichend, in kleinen Schritten, verändert hat. Aus diesem Raster muß Syria zwangsläufig herausfallen, denn ich produziere meine Songs nicht zwangsläufig radiofreundlich; ferner mag ich es nicht, mich in Belanglosigkeiten zu ergehen. Was viele Menschen mittlerweile völlig übersehen: Musik ist eine Kunst-Form und nicht der kleinste gemeinsame Nenner in Sachen Dummheit. Wie auch immer: Ich denke, wir haben inzwischen einen guten Mittelweg gefunden zwischen künstlerischem Anspruch und Zugänglichkeit, zwischen Vielfalt und Homogenität.

Zasu Menil: Collagengleich sind unsere Alben in der Ta t . D a s i s t e i n e wunderbare Möglichkeit, Wahrnehmungen durch Poesie, Ästhetik und Technik in unterschiedliche R i c h t u n g e n fl i e ß e n z u lassen. Der eine mag unsere Musik als schwer und unzugänglich betrachten, dem anderen bietet sie Raum für Sinnlichkeit und Kunsterlebnis. Ins Blickfeld geraten jedoch immer wieder Themen, die uns beschäftigen: Literatur, Kunst, dystopische Needle, Chainʼ, die (trotz ihrer S t r u k t u r e n u n d p e r s ö n l i c h e musikalischen Vielfältigkeit) sehr sortiert, Empfindungen, die gekonnt durch Worte, s e h r k l a r u m g e s e t z t s i n d . M i c h Intellekt und Musik transportiert und somit beschleicht allerdings der Eindruck, daß entfaltet werden. Und eine gehörige 8


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Portion Humor gehört selbstverständlich in den 60er Jahren in den Edgar-Wallaceauch dazu. Verfilmungen der Rialto-Film zu hören gewesen sind, auf spezielle Syria-Weise Christian Dörge: Ein weiterer Punkt, den aufzunehmen und in unsere Alben zu ich nicht unkommentiert lassen möchte, integrieren; wir hatten auffallend viel ist Dein Quer-Verweis darauf, ʻFlower, Freude an unserer Interpretation von Mercy, Needle, Chainʼ und unsere Werke ʻNachts Im Nebel An Der Themseʼ, davor wären primär in der elektronischen ʻBesonders In Der Nachtʼ, ʻSohoʼ und ʻBei Musik anzusiedeln. Innerhalb gewisser Mir Ist Alles Naturʼ. Ja, das war eine Toleranzen gebe ich Dir selbstverständlich schöne Zeit. recht, nichtsdestotrotz: Wir verwenden auf unseren Alben - neben einer Vielzahl Zasu: Oh, ja! Diese Cover-Versionen elektronisch motivierter Instrumente - haben mir persönlich großen Spaß auch eine ganz erhebliche Anzahl echter bereitet. Es ist immer interessant, das Instrumente; auf ʻFlower, Mercy, Needle, künstlerische Anliegen eines Kollegen in Chainʼ waren dies u.a. verschiedene d i e e i g e n e S p r a c h e r e s p . M u s i k G i t a r r e n u n d P i a n o s , e i n e S i t a r, umzusetzen. Gerade im Bereich des verschiedene Saxophone und Trompeten, 60er-Jahre-Schlagers findet man sehr viel e i n e Vo x - C o n t i n e n t a l - O r g e l . . . d i e Charme, Tiefe, Ausdruck, Freude aber Instrumentierung bei Syria war und ist a u c h e i n e b e w u ß t e , s e x u a l i s i e r t e stets denkbar umfangreich. Manipulation des anderen Geschlechts. Ferner nehmen wir die einzelnen ʻ B e s o n d e r s i n d e r N a c h t ʼ h a t t e Instrumente auch in sehr spezialisierten diesbezüglich eine erstaunliche Wirkung: Studios auf, um klanglich so authentisch In diesen Minuten war man tatsächlich in wie möglich arbeiten zu können - und um einer verrauchten Hafenkneipe und in letzter Konsequenz (heißt: beim rauchte mit einer erotischen Gelassenheit Abmischen) einen optimalen Ausgleich Zigarettenrauch in die Luft - natürlich in zwischen organischer und elektronischer Schwarz-Weiß... Instrumentierung zu erreichen. Und ja, Du hast recht: Auch in unserem Sehr bemerkenswert finde ich das neuen Album sind wieder diverse (pop-) instrumentale Stück ʻThe Angel With kulturelle Anspielungen versteckt, mal Television Eyesʼ. Es ist ein durchaus offensichtlicher, mal subtiler - ich freue auf der Oberfläche melodisches Stück, mich, daß Dir dies aufgefallen ist, Axel! wenn ich aber genauer hinhöre, Nun, es ist uns tatsächlich enorm wichtig empfinde ich auch ein Gefühl der festzuhalten und für Dritte nachvollziehbar Destruktivität. So wiederholen sich im darzustellen, welche kulturellen Insignien Stück Muster und Melodien und genau uns während der Entstehung eines dies empfinde ich eigentlich als Albums umgeben haben. Hinzu kommen untypisch für SYRIA. Wenn ich nun natürlich die inhaltlichen Auswirkungen den Titel dazu nehme, kann man davon solchen Tuns auf die Songs selbst; auf ausgehen, das dieses Stück eine diese Weise erlebt ein Album eine ganz instrumentale Abbildung und ein Stück spezielle Atmosphäre, zu welcher man Kritik an unserer Gesellschaft ist, auch in späteren Jahren gern wieder oder? zurückblättert - und man erinnert sich gern an die Entstehung von Songs wie Christian Dörge: ʻThe Angel With z.B. ʻJamie Lee Curtisʼ, ʻDrink And Drive Television Eyesʼ war der erste Song, den With Dylan Thomasʼ und ʻOrlando (On Her ich für ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ Return To England)ʼ. vollständig aufgenommen und abgemischt Solcherlei ist selbstverständlich nur habe: Somit ist dies der Song, um den möglich, wenn man als Band in sich ruht, herum das gesamte Album gewebt wurde; wenn man untereinander harmoniert - und die gleiche Funktion hatten übrigens auch dieser menschliche und künstlerische die instrumentalen Stücke ʻThe Time Gleichklang findet sich bei Syria erst seit Tunnelʼ und ʻA Tree Grows In Trinityʼ auf 2005 wieder; in den 90er Jahren wäre den Alben ʻSixties Alien Love Storyʼ resp. dies undenkbar gewesen, weil Syria in ʻAmerican Gothicʼ. jenem Zeitraum eher... disharmonisch Die Wiederholung von Mustern und aufgestellt gewesen ist. Melodien - also: gewissermaßen Eine recht hübsche Erinnerung traditionelles Songwriting - ist für Syria h i n s i c h t l i c h p o p k u l t u r e l l e n allerdings nicht gar so untypisch, Augenzwinkerns war auch die Zeit - wenngleich ich dies Schema niemals zwischen 2005 und 2008 - als wir die eine durchgängig auf einem Album verfolgt oder andere Gelegenheit nutzten, Cover- habe; dazu bin ich als Künstler einfach zu Versionen von Schlagern, die ursprünglich experimentell veranlagt. Aber dies verse9

chorus-verse-Schema findet sich bei Syria durchaus häufig, völlig gleichgültig, ob nun im Rahmen von instrumentalen oder von gesungenen Stücken - auch ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ vermag damit zu dienen: man bedenke Songs wie beispielsweise ʻPhasedʼ, ʻKafka And Concubineʼ, ʻSkull Iʼ oder ʻZero Historyʼ. ʻThe Angel With Television Eyesʼ wiederum wurde inspiriert durch den gleichnamigen Roman von John Shirley, einem meiner literarischen Helden. In besagtem Roman, welcher in einer ziemlich seltsam-verdrehten, geradezu surrealen (aha!) Welt spielt, gehtʼs um den Darsteller einer Soap, der sich an weitaus anspruchsvolleren Rollen versucht - und in der Folge von allerlei merkwürdigen (und ich meine: wirklich merkwürdigen) Ereignissen vollumfänglich (und auf geradezu kafkaeske Weise) scheitert. Der Roman, der leider nicht auf Deutsch erhältlich ist (allein dies: eine Schande!), ist ein echtes literarisches Kleinod, welches ich jedem ans Herzen legen möchtʼ. Die von Dir, Axel, vermutete Kritik findet sich eher indirekt in dem Song wieder auf Umwegen über die - wenn man so will - literarische Vorlage. Im Grunde habe ich versucht, die Essenz des Romans einzufangen und diese wiederum in den Kontext des Albums zu rücken; nicht umsonst, ist dem Album - im Booklet - ein Zitat von John Shirley vorangestellt (aus seiner legendären Erzählung ʻWolves Of The Plateauʼ). In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß Black October-Records im Januar 2013 von John Shirley das Mini-AlbumʼMountain Of Skullzʼ sowie das Doppel-Album ʻBroken Mirror Glass. The Anthology 1978 - 2012ʼ veröffentlicht: Der Mann ist nämlich nicht nur ein begnadeter Schriftsteller, sondern auch Sänger und Songwriter - und zwar einer von den wirklich relevanten. Wie schon gesagt, empfinde ich ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ als recht abwechslungsreich. Dies liegt auch an den verschiedenen musikalischen Elementen sowie den unterschiedlichen Texten. Wie lang hat die Ausarbeitung vom ersten Songwriting bis hin zu den finalen Aufnahmen gedauert? Christian Dörge: Die ersten Songs schrieb ich Anfang 2011, also noch während der abschließenden Aufnahmen zu ʻAmerican Gothicʼ. Die Aufnahmen etc. selbst fanden von April 2011 bis Juni 2012 statt.


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Einige der Songs, die auf ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ zu hören sind, haben wir bereits 2011 während der ʻAmerican Gothicʼ-Tour ʻausprobiert - ʻPhasedʼ beispielsweise, den wir als Opener eingesetzt haben (zumindest in Europa in den USA ʻeröffnetenʼ wir mit der Electric Light Orchestra-Cover-Version ʻCalling Americaʼ - sic!), aber auch ʻSkull Iʼ und ʻTurn Me Onʼ. Wie seht Ihr das Endresultat des Albums im Zusammenhang mit der Tatsache, dass dies das letzte SYRIAAlbum für eine lange Zeit, wenn nicht gar für immer, bleiben wird? Wie kam es zu der Entscheidung, das Kapitel SYRIA zu schließen?

Christian Dörge: Nun, in diesem Zusammenhang muß man wohl bedenken, daß ich seit über zwanzig Jahren Platten veröffentliche, und beinahe ebenso lang existiert Syria bereits; irgendwann kommt sodann zwangsläufig der Punkt, an welchem man sich fragt (resp. fragen muß), wie lange man dies noch tun möchte - und für mich wurde mehr und mehr klar: Ich möchte nicht noch weitere zwanzig Jahre lang Syria sein. Verstehʼ mich bitte richtig - es war (meistens) eine gute Zeit, mitunter gar

eine euphorische ebensolche, es war und ist ein Privileg, Musik schreiben zu können, jedoch muß ich als Künstler auch in der Lage sein, Kreisläufe zu durchbrechen, Routine zu vermeiden; und gottlob bin ich künstlerisch recht vielseitig, sodaß ich mich nicht zwangsläufig darauf beschränken muß, Musiker und Sänger zu sein. Im Frühjahr 2012 waren Zasu und ich für ein paar Wochen in Island - nicht, um dort unseren Urlaub zu verbringen, sondern um in einem Studio in Reykjavik die Songs ʻVertigoʼ und ʻTea And Symathyʼ aufzunehmen. Immerhin: Neben den Aufnahmen blieben uns zwei, drei Tage Zeit, die wir für lange Spaziergänge und ʻErkundungenʼ nutzten - es war u n g l a u b l i c h befreiend, in der Ruhe der Landschaft und in der Reinheit der isländischen Luft, einen klaren Kopf zu bekommen, dieses und jenes zu überdenken; das führte letztlich dazu, daß ich verhältnismäßig spontan beschloß, noch ein letztes Syria-Album aufzunehmen und dies Kapitel danach zu beenden. Es gab keinen bestimmten Anlaß für diese Entscheidung - im Grunde warʼs der Endpunkt eines langen GedankenProzesses. Es war keine beliebige Entscheidung, nichts, das mir leicht gefallen wäre, aber es war auch eine Entscheidung, die ich ganz allein treffen mußte. Somit ergab sich die Möglichkeit, dieses Ende ganz bewußt zu gestalten und zu erleben, die Aufnahmen zu genießen, Spaß zu haben, für ein wirklich gutes, angemessenes Ende Sorge zu tragen, besonders viel Gefühl mit den finalen Songs zu transportieren: Am ehesten erkennbar wohl in ʻThe Death Of You And Meʼ, ʻAs You Walk Byʼ und ʻLike An Angel Passing Through My Roomʼ. Ich gebe zu: Ich bin sehr zufrieden und glücklich mit dem, was auf ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ zu hören ist, zumal liebe 10

Menschen aus der jüngsten SyriaGeschichte sozusagen ʻvorbeischauenʼ: Stina Suntland - die bereits in den Jahren 2005 bis 2010 bei Syria als Sängerin mitgewirkt hat und die ich sehr bewundere und schätze - singt beim Song ʻHypocritical Kissʼ die Lead Vocals und bei ʻZero Historyʼ die Backing Vocals, Karen Park - eine ganz und gar wunderbare Frau, mit der ich seit 2005 die ParklandStudios in Linköping/Schweden betreibe spielt Drums bei ʻTea And Sympathyʼ, Nina Aalto - die seit 2010 fester Bestandteil unserer Live-Band ist - singt Backing Vocals bei ʻHypocritical Kissʼ und spielt Baß bei ʻDrink And Drive With Dylan Thomasʼ. Es waren schöne, harmonische, lustige Aufnahmen - einen besseren Abschluß hätte ich mir für Syria nicht wünschen können. Zasu Menil: Es ist der Zauber der Vertrautheit, der Gewißheit, daß alle Bilder und Worte, die durch unsere Köpfe gingen, tatsächlich existent waren. Das berührt mich zutiefst, wenn ich dieses letzte Album vor Augen habe, und macht die Arbeit hierfür so wertvoll. Zwar werden diese Eindrücke im Lauf der Zeit ein wenig unschärfer, aber sie verblassen nie, weil man sie im Herzen weiterführt. Die Arbeit mit Christian ist Faszination am Verborgenen, ein Vordringen in Zwischenräume, ein Tanz im Kubus, umgeben von Fleiß, Kontinuität und Stringenz - oft ist es gar nicht so einfach, einen Song beim ersten Mal zu durchschauen. Läßt man sich jedoch darauf ein, wächst und wabert alles voller Energie und Kraft. Christian, nachdem Du das Kapitel Musik abschließen wirst, hast Du vor, Ende 2013, einen Roman zu veröffentlichen und 2014 wieder zum Theater zu gehen. Dies wird in gewisser Weise der Schritt zurück zu Deinen Wurzeln bedeuten. Immerhin warst Du in diesem Bereich, vor der Zeit als Musiker, aktiv. Persönlicher gefragt: Wie sehr hast Du die Inszenierung am Theater vermißt und was genau zieht Dich zurück zu Deinen Wurzeln? Christian Dörge: Grundsätzlich hat mir mein musikalisches Wirken in den letzten zwanzig Jahren nur sehr, sehr wenig Zeit für meine literarische/dramatische Arbeit gelassen; in gewisser Weise habe ich dies durch meine literarischen Alben zu kompensieren versucht, was aber nur bedingt ein wirklicher Ausgleich gewesen ist.


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Und, ja - es hat mir sehr gefehlt, Bücher zu veröffentlichen und als Schauspieler und Regisseur tätig zu sein; insofern freue mich wahnsinnig darauf, diesen viel zu lange unterbrochenen Faden wieder aufzugreifen, wenngleich sich dies gesundheitsbedingt - ein wenig verschieben wird. So wieʼs im Moment aussieht, dürften diese Aktivitäten erst ab 2014 schrittweise möglich sein. Aber: Literatur und Theater, das ist meine Welt, dort fühle ich mich wirklich wohl. Es ist ein gutes Gefühl, dorthin zurückzukehren. Und so ganz und gar werde ich der Musik selbstverständlich nicht adieu! sagen, denn meine/unsere Alben werden weiterhin lieferbar bleiben - der BackKatalog wird gepflegt und gehegt, ganz so wie es sich gehört. Zasu, auch Du wirst natürlich der Kunst treu bleiben. So kann man, neben den Cover-Illustrationen der SYRIA-CDs, auf Deinem FacebookProfil einige Deiner Artworks und P h o t o g r a p h i e n b e w u n d e r n . Wa s fasziniert Dich an der visuellen Kunst? Was möchtest Du z.B. mit Deiner ʻStructuresʼ-Reihe ausdrücken? Zasu Menil: Die visuelle Kunst ist die Möglichkeit, eine veränderte Realität zu konstruieren und zu erschaffen. Grenzen zwischen reiner Abbildung und Phantasie zerfließen und es entsteht ein eigener Kosmos aus Farben, Schatten, Struktur, Ästhetik, Inhalt und Interpretation. Eine narzißtische Identifikation mit den gewählten Motiven, wenn Du so willst. Ich arbeite besonders gern mit Collagen, mit den Möglichkeiten der Schwarz-WeißPhotographie und der installativen Kunst. Formen, Linien, Kurven, Licht und S c h a t t e n g e h e n i n e i n a n d e r ü b e r, verlassen sich, werden durch surreale Einsprengsel vernichtet oder zur Frage erhoben. Ich möchte den Raum beim Betrachten zwar für eine eigene Meinung offenlassen, jedoch durch die Verwendung bestimmter eigener Stilmittel den Weg unweigerlich in eine -meine Richtung führen. Auch hier greift natürlich die Inspiration durch verschiedene Werke der Literatur, der Kunst und Photographie - beispielsweise die Photographie des frühen 19. und 20. Jahrhunderts, die durch Ästethik, Schönheit und durchdachte Lichtsetzung besticht. Ebenso inspiriert und beflügelt mich die Kunst der Moderne, wie zum Beispiel die wie ich finde - recht humorige Kunst Marcel Duchamps, die wunderbaren Collagen Kurt Schwitters, Robert Rauschenbergs, aber auch die Werke von

Andy Warhol, Joseph Beuys, Nam June Paik und vielen, vielen anderen Künstlern. Insofern werden in diesem Zusammenhang noch viele Werke entstehen und zu gegebener Zeit auch öffentlich zugänglich gemacht - alles rauscht und fließt. Christian, neben dem aktuellen SYRIAAlbum und dem Re-release von ʻSixties Alien Love Storyʼ, erschien 2012 auch der letzte Teil Deiner Reihe der Literatur-Musik-Alben seit 2008. So bietet ʻTristana 9212ʼ eine Reise aus dem Jahr 1992 bis zum genannten Jahr 2008. Der Stil unterscheidet sich sehr von dem SYRIAs. So arbeitest Du durchgehend mit Sprechgesang und die Untermalungen erinnern mehr an Sound-Installationen. Diese Installationen sind sehr minimalistisch, erschaffen aber genau den klanglichen Raum für Deine Texte. Manchmal erinnert mich die Art ein wenig an eine Theateraufführung oder eine Lesung. In diesem Album hast Du viele alte Stücke neu vertont und musikalisch neu interpretiert. Dies hatte sicher etwas sehr Intimes für Dich selbst mitgebracht. Christian Dörge: ʻTristana 9212ʼ ist ein sehr spezielles Album für mich - nicht nur deswegen, weil es meine literaturvertonende Arbeit abschließt. Primär ergab sich für mich mittels dieses Albums die Gelegenheit, einige frühere Vertonungen meiner Texte - aus den Jahren 1992 bis 2002 - erneut aufzugreifen, sie in angemessenerer Weise neu aufzunehmen und in den Kanon der Alben der Jahre 2008 bis 2012 einzufügen. Neben dem qualitativen Quantensprung dieser Neu-Vertonungen, hat sich für mich auch ein emotional weitaus tieferer Zugang zu den Texten, die z.T. zeitlich bereits sehr, sehr weit fort sind, eröffnet, was mir besonders hinsichtlich der Aufnahmen zu den Stücken ʻHeidentorʼ, ʻMoldavia I - IIIʼ und ʻKafka/Fragmentʼ lebhaft und enorm berührend in Erinnerung geblieben ist. Es mag seltsam klingen, aber durch ʻTristana 9212ʼ habe ich neuen Zugang zu einigen meiner alten Texte gefunden - in gewisser Weise habe ich sie in dieser Zeit zum ersten Mal wirklich gespürt und mich mit ihnen ausgesöhnt, wenn man so will. Und: Mit ʻTristana 9212ʼ habe ich eine Brücke bauen können zwischen meinem Debüt-Album ʻAnonymusʼ (1992) und dem Album ʻLycia. Reduxʼ aus dem Jahr 2008. In den Jahren dazwischen bin ich zumindest, soweit es meine 11

literaturvertonende Arbeit betrifft - ein wenig vom Weg abgekommen: Die Alben ʻLyciaʼ (1993), ʻAntiphonʼ (1996) und ʻMoldaviaʼ (2004) hatten zwar durchaus ihre Momente, waren aber definitiv Schritte in falsche Richtungen. Hinsichtlich der Art und Weise meiner Alben ʻLycia. Reduxʼ (2008), ʻAnalogʼ (2010), ʻApotheosisʼ (2011) und schließlich ʻTristana 9212ʼ hast Du natürlich recht - der Eindruck einer inszenierten Lesung resp. einer TheaterAtmosphäre ist durchaus beabsichtigt und erwünscht - schließlich gilt es auch, sich von gewissen entfernt vergleichbaren Alben Dritter abzugrenzen. Wie auch immer, meine seit 2008 veröffentlichten Literatur-Alben fangen recht gut ein, wo meine künstlerischen Wurzeln liegen. Und ich bin froh und dankbar, daß ich diese Alben konsequent so umsetzen konnte, wie ich es mir gewünscht habe - ohne jegliche Einmischung von dritter Seite. Die Texte auf Alben, die Du solo herausgebracht hast, sind durchweg in deutscher Sprache gehalten. Gibt es für Dich gefühlsmäßige Unterschiede, ob Du einen Text auf Englisch oder auf Deutsch schreibst? Christian Dörge: Der wesentliche Unterschied zwischen meinen deutschen und den englischen Texten ist zunächst eher ein intellektueller, weniger ein emotionaler: Meine deutschsprachige Lyrik ist in erster Linie zu dem Zweck erschaffen, in einem literarischen Kontext - also in meinen Büchern oder im Rahmen von Lesungen - zu ʻfunktionierenʼ, derweil meine englischen Texte direkt als SongTexte entstehen. Auf emotionaler Ebene unterscheiden sich die Texte eher nicht, d a i c h m i c h a l l m e i n e n Te x t e n gleichermaßen verbunden fühle. Auf ʻTristana 9212ʼ sind auch einige Stücke aus dem Jahr 1992 zu finden. Diese fand ich ganz besonders interessant, da sie zum einen noch nirgendwo veröffentlicht wurden und zum anderen, weil sie in einem Kontrast stehen zu den späteren, reiferen Werken wie ʻCabalʼ oder ʻMalinaʼ. Was war der Beweggrund, diese alten Werke aus dem Archiv zu kramen und wie empfindest Du diese alten Aufnahmen im Nachgang? Christian Dörge: Nun, die Aufnahmen aus dem Jahr 1992 sind meinem DebütAlbum ʻAnonymusʼ entnommen, welches damals von der Plattenfirma, bei der ich ärgerlicherweise unter Vertrag stand, als


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ʻzu akademischʼ und ʻzu intellektuellʼ abgelehnt wurde und letztlich von dem Verlag, bei welchem seit Ende der 80er Jahre meine Bücher erschienen sind, veröffentlicht wurde. Gegen diese Veröffentlich ging wiederum besagte Plattenfirma vor, wogegen ich mich meinerseits gerichtlich zur Wehr setzte. Da die Mühlen der Justiz in Deutschland und in der Schweiz bekanntermaßen eher langsam mahlen, zog sich der Prozeß bis ins Jahr 1996 hinein - ich bekam zwar letztlich recht, aber zu diesem Zeitpunkt war ʻAnonymusʼ geschäftlich tot. Seit dem Jahr 2000 habe ich sodann versucht, mithilfe der Gerichte, an die originalen Multi-Track-Bänder und das Master-DAT - beides war bei meiner ehemaligen Plattenfirma ʻeingelagertʼ heranzukommen, was jedoch seitens der P l a t t e n fi r m a i m m e r w i e d e r herausgezögert wurde; dies ärgerte mich umso mehr, als ich ʻAnonymusʼ endlich regulär veröffentlichen wollte, weil mir das Album sehr am Herzen liegt. Der langen Rede kurzer Sinn: Im Jahr 2010 ist es meinen Anwälten endlich gelungen, die Bänder, unter Androhung von gerichtlichen Zwangsmaßnahmen, bei meiner ehemaligen Plattenfirma herauszuholen, allerdings stellte sich heraus, daß die Bänder, aufgrund unsachgemäßer Lagerung, schwer beschädigt und zum größten Teil unbrauchbar waren. Dennoch ist es uns mit erheblichem technischen und finanziellen Aufwand gelungen, einige der Songs - um genau zu sein: deren fünf zu restaurieren. Somit konnte ich zwar letztlich nicht das vollständige Album wiederveröffentlichen, aber zumindest einen Teil davon im Zusammenhang mit ʻTristana 9212ʼ verwenden. Und das bedeutet mir sehr, sehr viel. Natürlich war es seltsam, diese alten Aufnahmen nach all den Jahren wieder zu hören - aber es war (und ist) ein schönes Gefühl, denn die Songs sind immer noch gut und sie fangen den Esprit von damals ganz wunderbar ein. Gewiß würde ich manches, was die Songs von damals ausmacht, heute völlig anders umsetzen, allerdings ist dies ein Impuls, dem man stets nachzugeben versucht ist, wenn man sich mit dem eigenen künstlerischen Werk auseinandersetzt. Was sich ein wenig wie eine rote Linie durch Deine Texte zieht, ist Deine Verehrung gegenüber dem Schriftsteller Franz Kafka. Nicht nur die zahlreichen, namentlichen Erwähnungen fallen auf, sondern,

genauso wie er, verwendest Du die Worte eher als Werkzeuge und nicht um ihrer selbst Willen und verzichtest auf unnötigen Ballast. Christian Dörge: Fürwahr, Franz Kafka ist einer meiner Lieblings-Schriftsteller,

wenngleich ich einräumen muß, daß ich ihn erst verhältnismäßig spät irgendwann in den frühen 90er Jahren und auf Umwegen - über Michael Moorcockʼs ʻDie goldene Barkeʼ und Mervyn Peakeʼs ʻGormenghastʼ-Trilogie für mich entdeckt habe. Seither habe ich jedoch sein Gesamtwerk in allerlei verschiedenen Ausgaben und Sprachen geradezu verschlungen. Was mich und Kafka in einem literarischen (also: technischen) Sinne verbindet, ist das Bestreben, die Sprache 12

von ihrer reinen Nutz-Anwendung zu befreien (etwas, das auch James Joyce in ʻUlyssesʼ und Arno Schmidt in ʻZettel´s Traumʼ um- und antrieb) und die Sprache auf die Handlung und nicht die Handlung auf die Sprache wirken zu lassen.

Eigentlich sollte es 2013 eine Abschieds-Tournee von SYRIA geben. Diese wurde traurigerweise leider abgesagt. Magst Du auf die Gründe genauer eingehen? Christian Dörge: Wie bereits oben erwähnt, sind es gesundheitliche Gründe, die mich einstweilen dazu zwingen, meine Aktivitäten weitestgehend zurückzustellen. Das ist kein besonders glücklicher Zustand, er läßt sich jedoch leider nicht ändern. Die besagte


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gesundheitliche Schieflage zeichnete sich schon seit einigen Monaten ab, allerdings war ich der Meinung, ich würde die Tour dennoch irgendwie ʻhinkriegenʼ, weswegen die Vorbereitungen bereits ziemlich weit vorangeschritten waren, als ich endlich einsah, daß ich eine solche Anstrengung unmöglich würde auf mich nehmen und riskieren können. Somit wird wohl die 2011er ʻAmerican Gothicʼ-Tour unser Abschied von der Konzert-Bühne gewesen sein. Diese Absage trifft uns alle schwer, und es tut mir von Herzen leid für die Band, für die Fans. Aber: Wir haben für die Fans eine schöne Entschädigung vorbereitet, die Ende 2013/2014 erhältlich sein wird. :) Zum Schluß laß mich noch eine leicht philosophische Frage stellen: Was nimmst Du aus den 20 Jahren MusikerKarriere für Dich ganz persönlich mit? Es waren sicher nicht immer die einfachsten Zeiten, wenn man beispielsweise bedenkt, wie unfrei Du Dich künstlerisch in den 90ern, durch verschiedene Einflüsse wie Labels, gefühlt hast. Und umso schöner natürlich die Entwicklung, die SYRIA in den letzten 12 Jahren genommen hat. Christian Dörge: Wenn ich zurückblicke, so geschieht dies mit dem fast schon sprichwörtlichen lachenden und weinenden Auge; und natürlich muß ich ganz klar unterscheiden zwischen den Jahren 1992 bis 1999 und den Jahren 2000 bis 2012. Natürlich gab es in den 90er Jahren seitens der Plattenfirmen, bei denen ich unter Vertrag stand, Bestrebungen, mich künstlerisch in die eine oder andere Richtung zu drängen, von Hit-Singles zu schwafeln und dergleichen mehr; das war nicht wirklich problematisch, denn ich bin ziemlich gut darin, solcherlei Ansinnen zu ignorieren. Ich bin niemals irgendwelche künstlerischen Kompromisse eingegangen. Weitaus unerquicklicher war, daß die vorgenannten Plattenfirmen sich nur gelegentlich der geschlossenen Verträge zu erinnern vermochten und sich insbesondere in Bezug auf den finanziellen Aspekt als ausgesprochen unseriös erwiesen haben, indem sie mich z.B. nicht bezahlten. Hinzu kommt, daß ich mir in den 90ern mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit stets die falschen Musiker zum Zwecke des Zusammenwirkens ausgesucht habe, was letztlich zu unschönen menschlichen und künstlerischen Situationen geführt hat. Ich möchte gar nicht aufzählen, wie oft ich

mich in diesen frühen Jahren grundlegend in Menschen getäuscht habe. Die Jahre seit 2000 verliefen dementsprechend viel, viel angenehmer was natürlich auch daran liegt, daß ich seither meine eigene Plattenfirma betreibe und eben nicht mehr auf eine Cooperation mit albernen (Gothic-) Labels angewiesen bin. Hinzu kommt, daß ich Anfang 2000 die komplette Band gefeuert habe und seither sämtliche Instrumente auf meinen Alben selbst einspiele; musikalische Gäste lade ich mir zwar immer wieder gern ein, aber nicht, weil ich sie brauche, sondern weil ich sie gern dabei haben möchte. Weiterhin habe ich das Glück, daß unsere Live-Band aus engen Freundinnen besteht, wir sind eine durch tiefe Freundschaft verbundene Gemeinschaft - wir haben Spaß daran, Zeit miteinander zu verbringen, künstlerisch zu agieren. Für diese Nähe und dieses Vertrauen bin ich sehr, sehr dankbar, denn dies ist im Musik-Geschäft eines gewiß nicht: selbstverständlich. Und ich nehme aus diesen 20 Jahren mit, daß ich Syria seit 2003 mit meiner Frau teile - erstmals ist sie auf dem Album ʻSlow Nightʼ (2003) - übrigens bis heute eines meiner liebsten Syria-Alben - beim Song ʻMorphineʼ zu hören. Seit ʻThe Return Of Saturnʼ (2005) ist Zasu fester und absolut unverzichtbarer Bestandteil der Band - und insbesondere die Alben ʻAmerican Gothicʼ und ʻFlower, Mercy, Needle, Chainʼ hat sie entscheidend (auch gesanglich) geprägt. Im Grunde hätte ich diese Alben ohne sie überhaupt nicht aufgenommen. Letztlich möchte ich all die guten Aspekte rund um Syria (und meine Projekte Christian Dörge, Borgia Disco und The Atomic Nurses) mitnehmen: Das Privileg, über einen so langen Zeitraum recht erfolgreich Platten veröffentlicht zu haben, viele liebe Menschen kennengelernt und tiefe Freundschaften geschlossen zu haben. Es gibt Momente, in welchen diese menschlichen Umstände die künstlerischen bei weitem überstrahlen. Und es macht mich glücklich, daß unsere Platten zahlreichen Menschen so viel bedeuten, daß wir unseren Fans etwas Bleibendes geben durften. Und natürlich nehme ich mehrere hundert Songs mit, die mir sehr nahe sind und die ich jeweils mit einer ganz speziellen Erinnerung verknüpfe - seit 2009 wurde der Syria-Back-Katalog Schritt für Schritt in Form von SpecialEdition-CDs wiederveröffentlicht, und dies gab mir die Gelegenheit, auch mit den Alben aus den 90er Jahren 13

gewissermaßen meinen Frieden zu machen. Ganz prosaisch: Ich habe in den vergangen 20 Jahren über 60 CDs veröffentlicht und weiß-ich-wieviele Konzerte gespielt - ich brauche einfach mal Urlaub, will Zeit mit meiner Familie verbringen und möchte nicht mehr an 365 Tagen im Jahr im Tonstudio sitzen Wenn Ihr diese 20 Jahre Musikerleben mit einem Gemälde darstellen würdet, was wäre auf diesem Gemälde zu sehen? Christian Dörge: Ich glaube, meine Wahl fiele wohl eher auf eine Photographie: ʻNusch Éluard With A Mirrorʼ von Man Ray. Zasu Menil: Eine gute Wahl, Christian. Ich würde auch lieber eine Photographie wählen: ʻThe Somnambulistʼ von Ralph Gibson. Eine Tür, die ins Unbekannte führt. Christian Dörge: Ja, das Bild paßt sehr gut zu Dir. Christian, Zasu, vielen Dank für das Interview! Ihr wißt, die letzten Worte gehören bei uns immer den Künstlern... Christian Dörge: Ich fürchte, Schlußworte sind nicht gerade meine Stärke. Aber: Ich danke Dir für die interessanten Fragen, Axel! Zasu Menil: Wie, das war alles, Christian? Christian Dörge: Na, Du hast gut reden! Schlußworte sind eine Kunst, auf die sich nur wenige verstehen. Albert Camus zum Beispiel. Und William Gibson. Zasu Menil: Reine Selbstauflösung? Ein wenig traurig vielleicht. Eine andere Idee? Wie wäre es zum Beispiel mit dem großen Abenteurer William T. Kirk? Christian Dörge: Wobei das ʻTʼ bei William T. Kirk selbstverständlich für Tiberius! steht. Zasu Menil: Und was wußte dieser Mann am Ende zu berichten? Christian Dörge: Ich darf dann mal zitieren: „Das war ein... Spaß.“

Axel Mexinger

visit: www.facebook.com/pages/ Syria-official/101789206573960


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Quellenthal Quellenthal

waren schon länger auf meiner Interview-Liste für das Dark Feather. Doch durch die einnjährige Bandpause hat sich auch die Umsetzung des Interviews verzögert. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben und so lest Ihr nun ein Interview mit dem sympathischen Folk-Duo. Wir haben ein wenig über Musik, aber auch über Mareks Reise nach Indien geplaudert. Dazu könnt Ihr den Song "Maientau" auf dem Dark Feather - Sampler hören. Hallo Ihr beiden. Ich heiße Euch ganz herzlich willkommen bei uns im Dark Feather Magazin. Mögt Ihr Euch selbst unseren Lesern mit eigenen Worten vorstellen? Marek: Hallo, wir sind Quellenthal, wir spielen gar traurige Lieder zur Gitarre. Marina: ...und haben verdammt viel Spaß dabei! Seit 2005 gibt es nun die Band Quellenthal. Euer Konzept ist es, Gedichte und Texte von alten Dichtern und Schriftstellern zu vertonen. Dabei steht ein gewisser Hang zur Romantik und Naturverbundenheit im Vordergrund. Wie kam es zu dieser Idee? Marek: Die Idee war direkt mit der Musik da. Ich bin kein besonders zielstrebiger Mensch. Für Quellenthal gab es nie den einen großen Plan. Es begab sich im Sommer 2005, dass ich mit angeknackstem Knöchel zu Hause saß. Eigentlich hätte ich mich damals um meine Diplomarbeit kümmern müssen. In solchen Momenten ist jede Ablenkung willkommen. Diese Ablenkung bestand aus einem wunderbaren Band mit Gedichten von Ludwig Uhland. Ich hatte schon öfter darin geblättert, aber in diesem Moment ging mir zum ersten Mal auf, dass viele seiner Gedichte nicht umsonst Lieder heißen. Eine Gitarre war schnell zur Hand und ein paar Stunden später hatte ich 6 Lieder vertont. Später wurden die Vertonungen zeitaufwändiger und anspruchsvoller. Trotzdem sind mir

Einmal nach Indien und zurück

auch unter den später entstandenen noch wenig antrifft. Die Arrangements Liedern oftmals die sehr einfachen die sind bewusst ruhig gehalten und alles liebsten. erinnert mich ein klein wenig an die Musik traditioneller Liedermacher aus Marina, Du bist im Jahr 2007 zu den 60er und 70er Jahren, verbunden Quellenthal gekommen. Wie bist Du auf mit klassischen Instrumenten wie einer die Band von Marek aufmerksam Flöte. Auf mich wirkt die Musik geworden und schließlich in die Band ungemein beruhigend, aber trotzdem gekommen? bieten die Interpretationen auch genug Tiefe zum Nachdenken und Marina: Ich hatte jahrelang im Schulchor Eintauchen. Sicher ist diese Art des mitgesungen (einfach, weil ich schon Musizierens auch für Euch eine immer gern gesungen habe). Das hat willkommene Abwechslung zum Alltag dann leider mit Beginn des Studiums u n d u n s e r e r s c h n e l l l e b i g e n aufgehört. Ich wollte also unbedingt Gesellschaft? wieder etwas mit Musik zu tun haben. Zuerst habe ich im "Schwarzen Leipzig" Marek: Ach, ich finde die vielgescholtene e i n e n V e r s u c h g e s t a r t e t , e i n e schnelllebige Gesellschaft nicht wirklich Mittelalterband zu finden, die noch schlimm. Es ist doch famos, dass wir jemanden gebrauchen kann. Leider gab problemlos mit Freunden am anderen es da keinerlei Reaktion. Dann wurde ich auf Mareks Gesuch aufmerksam: „Suche Sängerin für romantische Folkband“. Tja, dann hab ich mich riesig gefreut und hab einfach mal geantwortet, dass ich großes Interesse hätte. Er hat mir dann ein, zwei Lieder geschickt und ich war überzeugt, auch vor allem deshalb, weil es musikalisch mal ganz was anderes war! Wir haben dann ein Treffen vereinbart und ich wurde „gecastet“. Offensichtlich war ich ganz brauchbar, denn es hat von Anfang an mit uns funktioniert. Eure Musik birgt eine Sinnlichkeit, die man heutzutage nur 14


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Ende der Welt kommunizieren und sie im Zweifelsfall in ein paar Stunden besuchen können. Natürlich gibt es Menschen, die sich von der ganzen Technik, die dieses Tempo ermöglicht, versklaven lassen. Es gibt allerdings auch genug Menschen, die besonnen mit den modernen Möglichkeiten umgehen. Ich glaubte nie an die Vorhersagen der Kulturpessimisten, dass irgendwann niemand mehr Instrumente spielen wird, weil Musik per Knopfdruck aus dem Radio, Computer, etc. kommt. Trotz aller technischer Möglichkeiten, schnappen wir uns immer noch eine Gitarre und ein paar andere akustische Instrumente und singen dazu – und unzählige andere Leute tun es uns gleich. Aber um Deine Frage zu beantworten: Natürlich ist die Musik für mich eine schöne Möglichkeit, z u r R u h e z u k o m m e n . We n n i c h anderweitige Probleme habe, mache ich zum Ausgleich entweder Sport oder singe ein paar Lieder. Marina: Ich kann mich Marek da nur anschließen. Sicher ist unsere Gesellschaft schnelllebig, ständig entsteht neue Technik, aber man muss sich dem ganzen Trubel ja auch nicht unbedingt aussetzen. Ich kann mit meinem Handy z.B. noch nicht mal ins Internet gehen und ich lebe immer noch . Ich finde, es gibt für jede Situation die passende Musik. Morgens im Bad läuft bei mir Klassikradio, morgen besuche ich ein DoomMetalkonzert und am Wochenende haben wir mit Quellenthal in einer Metalkneipe gespielt. Gerade die Mischung ist doch sehr reizvoll. Ihr beide wohnt in verschiedenen Städten. Marek, Du in Leipzig und Du, Marina, in Hattingen bei Witten. Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit auf so große Entfernung?

Instrumenten kann man auch mal für sich allein proben und Organisatorisches kann man locker über das Telefon oder Internet klären. Quellenthal lag über ein Jahr auf Eis. Dies hatte den Grund, dass Du, Marek, mit dem Fahrrad von Leipzig bis nach Indien geradelt bist. Insgesamt warst Du ein Jahr unterwegs und hast in dieser Zeit über 20 Länder gesehen. Wie kam es zu der Idee, allein mit dem Fahrrad eine solche Strecke zurückzulegen? Marek: Die Idee entstand nach meinem ersten Aufenthalt in Indien im Jahre 2003. Als ich nach einem halben Jahr wieder zurück in der Heimat war, entwickelte sich der Wunsch, einmal auf dem Landweg Indien zu erreichen. Indien mag von Europa aus gesehen sehr exotisch erscheinen – es gibt jedoch in Kultur, Sprache und Riten viele Verbindungen. Diese Verbindungen wollte ich erforschen, deshalb wollte ich sehen, was dazwischen liegt. Später hörte ich von Radfahrern, welche wirklich lange Distanzen zurücklegen. Mir wurde schnell klar, dass man durchaus nach Indien radeln kann man braucht nur ein gutes Fahrrad, ein bisschen Geld und ein bisschen Zeit. Ich habe mir das alles besorgt, habe Arbeit & Wohnung gekündigt und bin losgeradelt. Auf solch langen Strecken ist das Fahrrad ein wunderbares Reisemittel - man bekommt ein wirkliches Gefühl für die Entfernung, man ist immer abhängig vom Wetter, man kommt voran, ist aber trotzdem offen für jede Begegnung am Wegesrand. Natürlich ist man auch immer auf eine zumindest rudimentäre, menschengemachte Infrastruktur angewiesen. Ich glaube, bei meiner nächsten großen Reise sollte ich Kajak fahren oder laufen.

Marek: So viel hat sich an der Zusammenarbeit gar nicht verändert. Wir haben ja ohnehin nie sonderlich viel geprobt. Soll heißen: wenn wir hätten proben sollen, wurde mehr Rotwein getrunken als wirklich gearbeitet. Dass wir aufgrund der Entfernung jetzt viel seltener Rotwein trinken können, ist natürlich schon sehr schade.

Du hast auf Deiner Reise sicherlich sehr viele Menschen kennengelernt. Ich habe in dieser Zeit Deinen Blog verfolgt und fand es sehr beeindruckend wie gastfreundlich die Menschen in diesen Ländern waren. Ich war ja auch schon ein wenig in Osteuropa unterwegs und meine Erfahrung ist, je ärmer die Gegend wird, desto gastfreundlicher und Marina: Ich empfinde die Entfernung gar offenherziger werden die Menschen. nicht als so groß. Ich bin in 4 ½ h mit dem Kannst Du diese Beobachtung teilen? Auto in Leipzig und mit dem Zug in 4h 45min, da hat man viel Zeit zum Lesen. Marek: Ja, wenn man Deutschland in Außerdem haben wir ja keinen Zeitdruck, Richtung Osten oder Süden verlässt, was das Proben angeht. Wir haben nicht schlägt einem mit jedem Schritt größere ständig überall Auftritte, mit den jeweiligen Gastfreundschaft entgegen. Ich erzähle 15

auf meinen Reisevorträgen gerne eine von vielen, vielen Begebenheiten: Ich war mit 2 mitradelnden Freunden bei Sonnenuntergang in einer türkischen Kleinstadt angekommen und es ließ sich einfach kein geeigneter Platz zum Zelten finden. Wir waren vom Radfahren völlig durchgeschwitzt und dreckig. In diesem Zustand klopften wir schließlich an einem Haus neben einem Zitronenhain und fragten (mangels gemeinsamer Sprache mit Händen und Füßen), ob wir in selbigem unsere Zelte aufschlagen dürften. Dies wurde nicht nur freudig bejaht, wenige Minuten später brachte uns der Hausherr auch reichlich Essen & Trinken. Wir hatten eine geruhsame Nacht, wurden am nächsten Morgen wieder bewirtet und mit den besten Wünschen für unseren weiteren Weg (wiederum mit Händen und Füßen) zurück auf die Straße entlassen. Jetzt stelle man sich die Szene umgekehrt vor: drei, vom stundenlangen Radfahren völlig durchgeschwitzte, dreckige Türken fragen einen deutschen Kleingärtner, ob sie ihre Zelte in seinem Reich aufstellen dürfen. Ich würde mutmaßen, dass dies meist einen anderen Ausgang als bei uns finden würde. Das soll keine Schwarzmalerei über die ach so ungastlichen Deutschen sein - eher eine Aufforderung: wenn ihr Besitzer eines Kleingartens seid, wisst ihr hoffentlich, was in einer ähnlichen Situation zu tun ist. Seit ein paar Monaten bist Du wieder in Deutschland. Nachdem Du ein Jahr lang in Ländern wie der Türkei, Iran oder Arabien unterwegs warst, wie siehst Du unser Land, unsere Menschen? Diese Zeit war bestimmt prägend und Du siehst heute sicherlich vieles aus einem anderen Blickwinkel, oder? Marek: Ich bin schon immer relativ viel gereist, somit wurde bei dieser großen Reise meine Sicht auf unser Land und unsere Menschen nicht grundlegend verändert. Jede Reise macht mir aber immer wieder bewusst, dass die Deutschen viel zu oft vergessen, wie unglaublich gut es ihnen geht. Ich schließe mich da ausdrücklich mit ein s o b a l d i c h e i n e We i l e w i e d e r i n Deutschland bin, nehme ich unseren Reichtum, unser sicheres, unkompliziertes Leben wieder als ganz normal wahr. Das ist es nicht! Unser luxuriöses Leben hier ist absolut außergewöhnlich und wir sollten jeden Tag dankbar dafür sein.


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Kannst Du schon sagen, inwiefern, oder ob überhaupt, das Jahr einen Einfluss auf die Musik von Quellenthal haben wird? Marek: Ich habe auf der Reise viele musikalische Ideen gesammelt und auch ein paar neue Lieder aufgenommen. Ich hatte auf meinem Fahrrad ja eine Minigitarre mitgenommen, welche glücklicherweise die Reisestrapazen bis zu Ende gut überstanden hat. Die Zeit wird zeigen, ob ich diese neuen Ideen mit Quellenthal oder mit anderen Projekten verwirkliche. Ein Thema, welches Euch sicher schon zum Halse raushängt, aber bei uns in der DF noch nie großartig thematisiert wurde, ist der Ruf des Neofolk-Genres. Häufig werden Bands, die besonders romantische Stücke von Schriftstellern und Dichtern vertonen, immer in die rechtsextreme Richtung gedrängt. Dieser Vorwurf kommt vor allem aus dem extremen linken Lager und diese Menschen sind auch im Internet sehr aktiv was die sogenannte „Bekämpfung“ solcher Genres betrifft. Habt Ihr selber dahingehend schon Probleme gehabt?

Marek: Ich weiß nicht, ob wir wirklich die richtigen Ansprechpartner für dieses Thema sind, da ich uns nur sehr bedingt dem Neofolk zuordnen würde. Wir machen einfache, romantische Musik ohne jeden Pathos. Wie alle Menschen, die auch nur ein bisschen Herz und ein bisschen Verstand haben, kann ich nichts mit Ideologien anfangen, welche ausschließlich auf Hass und Ausgrenzung beruhen. Ich bin ein ziemlicher Hippie ich stehe voll auf Licht und Liebe. Es ist für mich allerdings völlig nachvollziehbar, dass der Neofolk dermaßen verrufen ist. Ein Teil der Bands und Fans versuchen bewusst, mit dubiosen Symboliken, zweideutigen Texten und Samples, angeblichen Uniformfetischismus, etc. zu provozieren. Mir persönlich will es nicht gelingen, es als wirklich gefährlich anzusehen, wenn streng gescheitelte Jungs höchstpathetisch die Trommel rühren - ich finde es einfach albern und langweilig. Kunst kann und soll gerne provokant sein, aber jede Provokation verliert ihren Reiz, wenn sie zum zehnten Mal kopiert wurde. Es ist jedoch wenig überraschend, dass sich Leute finden, die diese Provokation tatsächlich ernst nehmen. Diese Leute wiederum schießen des Öfteren über das Ziel hinaus und

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verteufeln alles, was auch nur im Entferntesten mit Neofolk zu tun hat. Ich glaube jedoch nicht, dass Quellenthal für Kritik aus dieser Richtung eine Angriffsfläche bietet - es ist weithin bekannt, dass wir sehr weltoffene Menschen sind, jeder ist bei unseren Konzerten willkommen und es gibt nichts zweideutiges in unserer Musik, unserer Textauswahl und unserem Auftreten. Marina: Aber vielleicht noch etwas zu deiner Frage, ob Quellenthal schon einmal Probleme mit diesem Thema hatte. Ganz am Anfang der Bandgeschichte, da war ich noch gar nicht dabei, hat Marek mit ein paar Bands (die bei anderen scheinbar diesen rechten Eindruck hinterlassen) zusammen ein Konzert gespielt. Wir haben irgendwann einfach mal den Bandnamen „Quellenthal“ gegoogelt, um herauszufinden, wer über uns schreibt. Da tauchte ein Bericht über diesen Konzertabend auf mit den schönen Worten…“diese Bands agieren am rechten Rand der Gesellschaft“... Da Ihr selbst sehr romantische Musik macht: wie wichtig ist Euch allgemein Romantik und Tiefe in der Musik? Damit zusammenhängend auch die


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Frage: wie bewertet Ihr das heutige Konsumverhalten vieler Musikhörer? Habt Ihr das Gefühl, dass sich viele Menschen, gerade in unserer Szene, nicht mehr auf Stimmungen einlassen können? Marek: Oh nein, nicht schon wieder so eine Schwarzmalerei. Die schwarze Szene ist natürlich nicht mehr dieselbe wie vor 20 Jahren. Es sind Subgenres entstanden, welche mit dem ursprünglichen romantischen Gedanken nichts mehr zu tun haben. Auch wenn es darunter einiges gibt, was mich überhaupt nicht anspricht, sehe ich diese eher als Erweiterung denn als Verdrängung der alten Szene. Ja, es haben sich viele Menschen der Szene angeschlossen, welchen es offenbar eher darum geht, ihr krasses Outfit spazieren zu tragen. Es gibt jedoch noch genug Menschen, welche sich auf die alten Stimmungen einlassen können. Und es gibt nach wie vor Veranstaltungen, welche eben diese Stimmungen atmen - wie z.B. die grandiose Blaue Stunde in Leipzig (Eine ausführliche Vorstellung der Blauen Stunde findet Ihr in Ausgabe 19; Anm. d. Red). Für mich ist Romantik jedoch nur einer von vielen Aspekten, welche Musik interessant machen. Ich höre gerne extreme Musik - was nicht nur bedeutet extrem laut, extrem schnell, extrem brutal, sondern vor allem auch extrem leise, extrem langsam, extrem minimiert, extrem gefühlvoll, extrem abwechslungsreich. Das könnte die von Dir angesprochene Tiefe sein - wobei jeder für sich selbst entscheiden muss, was ihn berührt. Zum heutigen Musikkonsumverhalten kann ich nur schon Gesagtes wiederholen: aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten, können wir immer und überall unsere Lieblingsmusik konsumieren. Das ist doch grandios. Ich nutze diese Möglichkeiten gerne und lege trotzdem zu Hause noch des öfteren in Ruhe eine Schallplatte auf. Da wir unsere Musik ausschließlich zu unserem eigenen Vergnügen machen, kann ich auch wenig zu den kommerziellen Aspekten des heutigen Musikkonsums sagen. Letztendlich glaube ich daran, dass auch in einer Zeit, in der kaum ein Musiker von CD-Verkäufen überleben kann, die wirklich Guten durchkommen werden. Natürlich wird von den Mächtigen im Musikbusiness auch jede Menge Müll gepusht. Ich würde aber nicht sagen, dass sich der Anteil von Müll zu guter Musik signifikant verändert hat - das kommt uns nur manchmal so vor, weil uns

der Müll von früher nicht mehr so allem als beim „Abendlied“ die Bäume gegenwärtig ist. rauschten und ein Regenbogen am Himmel erschien. Am Abend haben wir Bisher gab es immer kleinere EPs von die Mühlenatmosphäre wieder verlassen Q u e l l e n t h a l , d i e m a n s i c h a u f und besuchten ein anderes Konzert, auf "Bandcamp" runterladen kann. Gibt es dem wiederum ein guter Freund mit P l ä n e , e i n m a l e i n A l b u m seiner Band aufgetreten ist. Hier handelte aufzunehmen? es sich um puren Black-Metal…Was für ein Tag…. Marina: Ehrlich gesagt, gab es noch gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Marek Marek: Ich bin grundsätzlich IMMER ist ja erst seit ein paar Monaten wieder im darauf vorbereitet, Kauderwelsch singend Lande. In den letzten Wochen haben wir meinen Körper im Rhythmus der Klänge uns auf unseren ersten Auftritt, nach zu wiegen! Aber, ja, der Tag war knorke. einem Jahr Pause, vorbereitet, der ja nun i m Z u s a m m e n h a n g m i t M a r e k s Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit R e i s e b e r i c h t e n a m e r s t e n genommen habt! Die letzten Worte Dezemberwochenende stattgefunden hat. gehören Euch… Jetzt geht das Jahr erst mal zu Ende und d a n a c h k a n n m a n w e i t e r P l ä n e Marek & Marina: Vielen Dank für das schmieden. Interesse an Quellenthal und für das nette Interview. Wir hoffen Euch demnächst bei Marek: Genau, konkrete Pläne gibt es einem unserer Konzerte begrüßen zu nicht. Die Band ist für uns beide nur ein dürfen. Hobby - aber eines, welches uns beiden sehr viel Freude bereitet und welches wir weiterverfolgen werden. Wir werden auf jeden Fall weiter aufnehmen und vor allem Konzerte spielen. Wir spielen auch Axel Meßinger immer gerne in Veranstaltungsorten, welche klein genug sind, um völlig ohne Technik auszukommen - ohne Mikrofone, visit: nur unsere Instrumente und Stimmen. Jetzt, da die ersten Auftritte nach meiner www.facebook.com/quellenthal Rückkehr erfolgreich absolviert wurden, sollten wir da wieder auf die Suche gehen. Zum Schluss fragen wir die Bands immer nach den lustigsten oder schrägsten Momenten, welche ihnen in ihrem Musikerleben widerfahren sind. Ihr seid da keine Ausnahme und wir und unsere Leser würden uns über ein, zwei Anekdoten wahnsinnig freuen. Marina: Mir fällt ein bestimmter Konzertsamstag vor etwa 2-3 Jahren ein. Wir waren herzlich eingeladen, zum Geburtstag eines Bekannten auf seinem Mühlenhof ein kleines Konzert unter freiem Himmel zu spielen. Es war ein herrlicher Sommertag und wir kamen zu dritt in komplettem Konzertoutfit auf diesen wildbewucherten Hof, auf dem sich ca. 15-20 Gäste tummelten. Innerhalb von 1 Stunde befanden wir uns inmitten eines afrikanischen Trommeltanzkreises, haben Kauderwelsch gesungen und unsere Körper im Rhythmus der Klänge gewiegt….Wir waren darauf NICHT vorbereitet! Nach diesem ersten Schock haben wir trotzdem noch einen sehr schönen Konzertnachmittag erlebt, vor 17


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A talk with the visionaire…follow him, if you dare Johan

Edlund is. This short sentence – with all its room for interpretation, speculation and “oi, thereʼs a word missing”-thoughts pretty much sums up in the shortest possible way what you are about to read. What started out to be an interview with the Swedish singer about the new Tiamat-album “The Scarred People” turned into a one-and-a-half hour talk about art, politics, people, travelling and the music industry in general and one of the inspiring interviews I ever did. The Dark Feather team is proud to feature one of the leading Gothic Metal artists, and we hope you enjoy reading it. Johan Edlund is. This short sentence – with all its room for interpretation, speculation and “oi, thereʼs a word missing”-thoughts pretty much sums up in the shortest possible way what you are about to read. What started out to be an interview with the Swedish singer about the new Tiamat-album “The Scarred People” turned into a one-and-a-half hour talk about art, politics, people, travelling and the music industry in general and one of the inspiring interviews I ever did. The Dark Feather team is proud to feature one of the leading Gothic Metal artists, and we hope you enjoy reading it.

market which is a sightseeing point of interest, and they usually gather there. Normally they do not pass my place, but some lazy protesters recently have discovered that they can take a shortcut by using my street.” I wasnʼt aware that you still live in Greece. I thought you had moved elsewehere in the meantime. “No, Iʼve been living here for seven years now, maybe a bit more.” How do you get along with speaking Greek?

Johan, where are you at the moment and what did you do until now? “I donʼt speak it that well. But I am not really making that much of an effort. I do „I am in Thessaloniki, in Greece . I just understand a lot, but if I can avoid came straight from the beach, actually. speaking it, I do so. Plus I like a lot to feel Then I had a little siesta and then I woke like a tourist, I enjoy my life being a up from the demonstrations outside and constant holiday – and when I want the police sirens. Thatʼs the two worlds something I can be pretty stubborn in you are living in here: you go to the succeeding.” beach, take a swim and have a Margherita, and then you take the bus The reason of this call is the new home to have a siesta - only to be woken Tiamat album “The Scarred People”, of up by police sirens.” course. Now, surprisingly, the opening song is also the title track, also called Do you have to worry about the “The Scarred People”. Since Tiamat situation? havenʼt used eponymous song and album titles very often – what came “I live in the exact city center and I live first, the name of the song or the name almost next door to the youth organization of the album? center of the leftist party where the people gather for the demonstration. I live pretty “No, we usually donʼt do it. Iʼll tell you high up, on the top floor – and when I look exactly how it works – the honest way, down, what I am doing right now – I look because I like to be transparent and to at some old city square, and old ancient say real things, even if they sound stupid. 18

The fact is that I had another song for this album called ʻThe Scarred Peopleʼ, I had the music and the lyrics written already, but time didnʼt allow me to work much on it for this album, so we had to find another title for it. But abstract as we are as a band, we can move titles to other songs without fucking up too much. The working title of the first song on the album was ʻDarknessʼ, because thatʼs the word I am singing a lot in the chorus, but then I just really wanted the album title to have a title track. As you say, I am not used to this, but there was something with the title that struck me more than the song that I had that was called ʻThe Scarred Peopleʼ. So I thought it could fit with the first song, because it obviously deals with someone that is a bit scarred. Apart from that I liked the title I had to start thinking why I liked it so much. Most of the time I have things popping up in my head and I just go for them, and at some point I have to force myself to think a little bit and see if thereʼs something more. And it started to feel…not like a concept album, because thatʼs not what we do… but it started to feel like a concept atmosphere that stays throughout the album. I like to see it like a kaleidoscope or this visualizer app in the Windows media player, where the different colours entwine and create a smooth transition from one colour to the next. The title…I guess it has to do a lot with outsiders, thatʼs how I see it now. It could also refer to humanity itself, but outsider people is something I feel strongly for.”


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So the idea for the title song came meaning yourself: even better, because rather subconsciously, like picking up then the album will interest you even more vibes with an internal antenna? and itʼs gonna be more interesting to perform the songs live yourself, because “I realize now that I feel a little bit guilty, every evening is going to be different, and because in rock music, what we do, it is youʼll still be struggling with where this all expected to have some explanation to comes from. So again, we donʼt present what we do. And I for my part can say – answers to anything, just more questions.” because I am very interested in art – that I am very inspired by how surrealist So in some way your style of writing painters could paint or the Dadaists could lyrics is similar to what writers call free create their collages, for example. You writing? know, it comes from somewhere: you could put stuff together, let it out flow out, “Yes, or the way automative painting is you donʼt need to really worry about that. done, it can be like this. In the 90s, for Because it comes from you anyway, example, I got interested in the electronic movement and the techno scene – you whether you can explain it or not. If you piece stuff together, if you create know, when all the rock bands went like a Frankenstein out of different pieces, electronic and all the techno acts wanted putting song fragments together or even to be rock n roll. But the cool thing with lyrical pieces – taking one piece from here them was: they often started with just a and another one from another place…it little sound and worked on from there. And might look like you are close to doing if you relate that to the beginning of bullshit, but at the same time it comes Surrealism, it was common to start with a from somewhere. And I believe that if you splash some paint on a canvas and then just do it freely enough without thinking try to see things in there. too much about it, it will have some kind And I am very good at that – maybe it isnʼt of meaning. And if you donʼt know the a virtue, but more some kind of problem:

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when you are staying at a cheap hotel with this awful 70s wallpaper with patterns on, and you have been out partying all night and you wake up and look at this wallpaper and you start to see demons and things. I am sure that everybody had this experience at some point in their life: staring at a wallpaper or at clouds and discovering shapes and motives. And thatʼs often how surrealist paintings started, without having a plan beforehand as compared to the classics. And I think that songwriting can be like this, too. In the 90s I learned that we are not really an electronic band, we are not Prodigy, but you can pick some influences in thinking. You can start with a drone or something, like the end of a guitar take where the guitar is just screaming. So you think ʻthat sounds goodʼ and you start create stuff around it. And in the end you take away the drone, so thatʼs not even part of the song any longer, but it was the thing that started it.” Is this writing style the reason why itʼs impossible to predict when a new Tiamat album comes out?


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“Yeah, we are definitely not a factory. We do it when we feel for it, when itʼs time for it when itʼs really time for it. And so far we always found someone to help us along the way, to release it.” How do you realize itʼs time? Is it that magical moment when you pick up the phone to call Anders and Anders immediately answers, because he was about to call you? “Oh, that has happened. We know each other so well we usually click within the band. But it can also be a more superficial reason, like when we realized playing live that we have been playing the same setlist now for ages, and with realizing that comes the need for something new. You just feel the need that is just within you when you are someone creating music.” From listening to the album I have decided to think that the album feels as it conveys a very relaxed and balanced atmosphere. Does it feel similar to you as the creator? And if so, is this feeling also connected to the fact that you arenʼt working under pressure, but letting things happen when they happen? “Yes. And I speak for myself now – I am saying that because I like that we are all individuals in the band, so I should not speak for the whole band, because we are too different from each other – in a good way! We have to complement each other. But we are relaxed and we donʼt strive for anything. Personally I think that I am not really looking for anything. If we would never make another album, then so be it – life would go on. I myself take ourselves very seriously and not seriously at the same time. I mean when we do something, many things that I say I know might sound a bit arrogant, like for example that we donʼt really care what other people want us to do. But we donʼt really care what we want to do, we just do without thinking too much. Ahead of that I think that is the only way to do it, so something good can come out of it, because thatʼs the only thing we can do. I think it would be extremely silly if we would try to pretend or try to do it

differently. So back to your question: the whole procedure of making a Tiamat album, this time it was very relaxed, because we wouldnʼt stress. We just wouldnʼt do it and nothing would get us to stress. We wouldnʼt delivery the album in time – we never do – because someone says so, if we werenʼt happy with it. If itʼs not done, itʼs not. On the other hand we do want the best of it, because we really are not arrogant. We donʼt want to put people that we work with in an awful situation, like if we have deadlines we will work hard. But if we need more time, we will take it, as long as we can reach results. Itʼs a matter of negotiations with the record company, you have to make some phone calls ask for a bit more time. But we will never become like the Sisters Of Mercy where nothing ever happens, or with that last Guns`N`Roses album, for example. I donʼt want to put people we work with in a situation where nothing happens and thereʼs no news ever.” There is a couple of songs which stand out to me and I would like to ask you a question about each of them – which may turn out to become three or four questions in the end, if you donʼt mind. The first one is “Thunder & Lightning”. The song sounded familiar to me, and I discovered that there had been a Lucyfire demo song you had put online some years ago. How did it end up on the album?

I realized it would be great if he played the guitar solo on ʻThunder & Lightningʼ. He is a full-blown guitar hero, he knows that stuff definitely.” Another song that stands out has a really enigmatic title: “384 – Kteis”. I tried to do some research and discovered that “Kteis” is a magic symbol and 384 is a number significant in numerology which refers – among other interpretations – to the number of possible personality traits in a human. Does the song have anything to do with either of these topics? “I like your interpretation, but I keep mine to myself. I donʼt know if it is silly to put a lot of symbolism there and then refuse to explain it. But I like this, thatʼs how it should be: people should interpret it in different ways. It works obviously, people start to think, try to look up things, they get interested – and at the end, if nothing more, know more than before. Thatʼs how I like music, thatʼs what triggers me when I get into something.” Then thereʼs another song title which is named “Messinian Letter”. Since Messinia is a part of Greece, is that where you live? “Itʼs an area in Greece which is a bit more to the south, I think the main city is Kalamartha. And itʼs the area where my girlfriend comes from. When I was about to move here I had already picked an apartment, but I was still living in Dortmund, and I felt pretty awful there. I lived in an apartment that I didnʼt like at all and I pretty much hated life, just wanted to get out of there, you know, and I was longing for the move to happen. There was a lot of work to do, of course, and she sent me a letter. I kind of rewrote the letter a little bit to fit into a song, together with her – sheʼs actually my lyrical co-writer on that one – so what I am singing is more her talking to me that everything will be fine. Someone that tells me ʻyou donʼt have to look at everything in such a pessimistic way all the time. Cheer up! Things will be fine!ʼ “

“We had already started the production for the album and we already had decided on the songs that should be on the album, so all the pre-production was finished. And I was in the studio in Hagen in Germany to start the stuff. And then because I am not so familiar with how bands do it today – we have so many years between every album – I didnʼt have a clue about how long albums are these days. Sometimes we end up making a too short album or a too long one, because we are not in sync with the times. Now we realized that we could have another song on the album, and we wanted to invite our friend Gus G, who plays guitar in Firewind and for Ozzy Osbourne, to play a guitar lead, and we Well, well, is that the way to talk to a were thinking about where it would fit. And Goth metal star? 20


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“This thing…it really troubles me a little bit There is one song that evidently – the clichés of the Goth…” creates a contrast between the joyful and the dark sides of life and that song But I was just joking… is called “Love Terrorists”. These are two words which you do not see “Yes, I know. But it happens quite a lot. I together very often. spend a lot of time in the sun and on the beach. I just got back from the beach, “I think thatʼs a brilliant song title, if I may completely sunburned and took a siesta say so myself – and I am old enough to and I had to set an alarm clock to not miss recognize a good title if I see one. It is the interviews, because I was a bit actually a bit political, which is something I crashed from the sun. And I have heard deliberately didnʼt do that often in Tiamat. people say that itʼs silly to enjoy the sun… I told you that all of us in the same band or football, for example. ʻYouʼre a Goth, do not necessarily agree with each other you shouldnʼt be doing that.ʼ Thatʼs silly. I all the time. But there I felt that there was just try to enjoy life. I still can relate to a really a need for it, and it actually deals a lot of the darker topics which I also have a lot – again on a pretty abstract level and lot in the songs I write. But I also think that you can read even more into it that what I you can only point out darkness if you am going to say – with the situation in have some light. Thatʼs when it gets Greece, even if itʼs not necessarily about obvious. When the sun is shining all day the situation here directly. Because I am a and then goes down, then you have Swede and I have lived eight years in darkness for real. If itʼs all dark all day, itʼs Germany, I pick up a lot of news about less interesting. We did the song ʻThe Sun Greece from Sweden and Germany. And Always Risesʼ which is a famous the view on Greece, I think, has been very Hemingway book, but itʼs also a sentence misguided and misunderstood.” from the bible, from the Old Testament, about the thing that everything has to T h e r e i s a t e n d e n c y o f c e r t a i n pass. Everything goes on, life goes on, we newspapers here to publish polemic go on. Weʼre born, we live, we die, we rot articles, which is why the majority of in the soil to give birth to other life. And the Greek think that the Germans do the sun goes up, but it also goes down not like them. and up again. This thing, I guess, itʼs hard to take in, even when itʼs so obvious. But “Yes, and that is a problem to me. I really itʼs also not just negative, so when do not like the way this has been Hemingway quoted this at the beginning reported, but for this you cannot blame of his book it had a lot to do with the the German people. Doing that would be positive energy from that, the fact that the the same than when people say ʻthe Greeks are spoiledʼ. In any situation itʼs sun also goes up.” wrong to take a countryʼs population as a I donʼt know to what extent those Goth whole in one sentence. There are so clichés are minted by people outside many different people in so many different the Gothic community. When you are at situations that you simply cannot one of the Gothic festivals, this scene generalize. Mrs Merkel would be welcome consists of the most friendly people to visit me for a day, and I would show her you could imagine, and they do not around my Greece, so she could see the seem overly depressive . other side of what sheʼs talking about. On the other side I have lived in Germany “I think that is actually very interesting. I and I like it – I feel very much at home mean itʼs not a role-playing game, like if there. I have been in Frankfurt recently. I you go to one of these middle-age have a long history there, I get around conventions and you like to dress-up in very easily, I feel comfortable and I like it. I middle-age clothes - thatʼs all fun if you do think itʼs a nice well-working country, and it as a hobby. But itʼs not my hobby, and - if I would ever move away from Greece I speaking for myself - Tiamat is reality. The would definitely consider another move to dark stuff that we write about, it really Germany for these reasons. So for all comes from somewhere, it is not fiction.” these reasons I do not like seeing here 21

that the Greek people are starting to dislike Germany. All this is unnecessary, we should all be able to get along. But itʼs a dilemma of the whole idea of European community and itʼs not that easy to unite Europe – we are so different.” Is this also somehow caused by the human behavior to look for someone to blame when things are starting to go wrong? “I guess they do and thatʼs maybe a very big part of the problem. We just need to go on, and the past is the past. We have to live with it and at the same time have to find ways to get out of it. With Europe, for example, with such a big long history – you can pick how long you wanna go back in time. I mean, should Sweden start to reclaim parts of Germany and Holland or half of Finland and Norway? That would be very silly. In that way I am very Swedish, still, because I think of it in a logical way. I could live with if we were called Scandinavians instead of Swedish and my passport would say that I am from Scandinavia not Sweden – that would not mean anything to me, so you can see I am not a nationalist at all in that sense. But still I think that itʼs kind of charming that all countries have their own culture and history, and it was naïve from the beginning to think it would be possible to unite Europe. A look at our history clearly shows that, because we are very different, and it wonʼt work that everybody in Europe is exactly the same. Sometimes itʼs the smaller things…like: forbidding the Swedish chewing tobacco, what the hell was that? That stuff actually helps people to stop smoking.” Here in Germany they try to ban electrical cigarettes, so I see what you mean. Maybe a couple of hundred years in the future there could be something like the United States of Europe – but in the past hundred years there have been several incidents which had torn this continent apart, in some parts itʼs still happening. So progress, if any, has to come in small steps.


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“And not all people are the same, you know, we donʼt all strive for the same things, all of us. I can agree that for example the politicians in Greece over the last years – quite a couple of years – have been totally corrupt and did a lot of bullshit, thatʼs no doubt. And they should be criticized for it and maybe sentenced. But there are also many good things in the mentality of the Greek people that get a little bit lost among all the footage of Molotov cocktails on the streets of Athens. There is so much more to it: how people value things. And somehow I think that – and itʼs difficult to talk about this stuff, because you always risk generalizing a countryʼs people as one unit – that the Greek people maybe do not have the same urge to always strive for the next best thing. Itʼs not as important here to cue up for the new iPhone 5 when itʼs released. I donʼt think there are Greek people who sit in a tent for two weeks to get one of the first devices. People do not always need a new flat screen TV if their old unit is still working.” You were talking about living in Greece now for seven years. Before that you lived in Germany for eight years, which is quite a time abroad. How does a place qualify as home for you? “I think I was 26 when I moved from Sweden…that was in 1997, and I never had a fulltime job or anything there. I became a musician, and thatʼs been in my life until now, and I got used to travel and I realized that I liked it a lot, moving from one place to another and I realized it feels, you know, Metallica-style: ʻWhere I lay my head is homeʼ. I have never been having problems with that, it is very easy – especially if you have someone you love.” Are you still in touch with the people you knew in Germany when you lived here? “Not that much, you know. Everybody is growing older, getting a family and such, so it happens sometimes on Facebook on a Friday night when the kids are asleep when you sit at the computer with boxed wine…thatʼs how it works. But itʼs funny: when I talked to my friends from

Stockholm, our ex-guitarist lives like twenty meters away from my parentʼs house. And he is friends with a couple of my other friends, so I assume that they see each other regularly. But when I ask our drummer Lars ʻhow is Thomas?ʼ I get replies like ʻI havenʼt got a clue, I havenʼt seen him in ages.ʼ And it turns out that I see him more often than they do, because whenever I visit my parents, I visit him, too. But even if I lived in Stockholm it wouldnʼt be much different, those people donʼt go out much anymore. So everybodyʼs nightmare is to become single and to have to go out again, I would really hate that.” You were just talking about Facebook a bit, so a question related to that: have you as Tiamat, as a band, deliberately retreated from the internet? There is no official website anymore, and while you use Facebook and Twitter, most posts these days are related to “buy our new album.” A couple of years ago, as far as I remember around the times of “Judas Christ” you yourself had been pretty active online on your website, like posting in forums, responding to comments and so on. Has it become too much? “I just feel that we never signed up to that. We became a rock band in the end of the Eighties when a rock band did rock music. Nowadays a lot of people demand from us that we should do everything, we should be everything: we should be web designers, video makers, forum moderators – everything! And I say: ʻNo, thatʼs not gonna happen.ʼ And they say: ʻBut this is how it is today.ʼ And I honestly canʼt care about if it is like that – I wonʼt do it. From other bands I have noticed that they spend so much to promote the band that it takes time away from actually be a band, which is something that I really miss, you know. Live as a rock band, full out, full-blown, write songs, make great songs, go out and tour and make all the bullshit that a rock band has to do in their lifespan, and _then_ sell the t-shirts and so on . Today I feel that itʼs starting in the wrong end. So I am totally uninterested, so if someone out there wants to do a website for us, go ahead!, but I wonʼt do it.

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I could do it, you know, I have done homepages in the past, but it takes time and itʼs no fun. And from the perspective of our band itʼs like focusing on the wrong things.” How is your attitude towards online communication in general? “I like it, thatʼs not the problem. To interact with people, to communicate with people…I always have promoted communication as something nice and important, so thatʼs not the real problem. I think I am pretty accessible if that would be a virtue.” Is this album for you, when you look at it, a different one than any Tiamat album before? A different attitude, maybe? Was there a time when you felt more stressed about an album than you do now? “Yeah, I think so. All my friends are musicians, many of them much more successful than I am, and so I am part of the scene or the business, even when I did not intend to be. Anyway, everybody is complaining about downloads and low record sales, but I am not follow that. I do not think the industry is dying, I even think it is easier now – because you do not have to care anymore. You do not have to depend on labelʼs opinions any more, you have more options to say ʻNoʼ. Some years ago many more people were involved in creating, marketing and selling an album – so in fact some jobs depended on what you did as a musician. If your album wasnʼt successful, the promoter would get fired. Back then there were meetings for everything, I remember long meetings with half a dozen people only to discuss one photo that should be used for some posters, so yes, it was more stress than today. With that structure the whole industry was bound to fail.” Is there a temptation to mock this business and to make fun of it when you are less dependent on it? “Maybe, but now I feel so outside of it that I do not feel the urge to do that, I am pretty happy as it is. I am content that the new album will bring us out to the world


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again to play live. And some things are changing for good: in some corners of the world people would download your albums as bootlegs and never show up at concerts. Nowadays we play a lot of shows, for example, in Russia where we never went to before. It goes for all of - or most of - the metal bands: we aren't really huge anywhere in the world, but we have a small but steady fanbase here and there and there. So we donʼt have to focus on Europe and America that much anymore. Also the way of selling music have changed, so this time I had to ponder on stuff like download versions and bonus tracks and digipacks and much more. I have been sitting over this album trying to figure out all the different formats. You know, we have been away for four years and before that we didnʼt make an album in five years – so with two albums in nine years you lose track of how things are done in the business, with bonus tracks and everything. When we started making music all we had to take care of was that the album would fit on the two sides of a vinyl record. Then later we recorded one bonus track for the CD version, and we were very proud that we would be released on CD at all.”

At the beginning of our talk you said something like your way of writing lyrics is somehow similar to how a dadaist poem or a surrealistic painting comes to life. Aside from the high times of these art forms, is there anything that still inspires you today from an art admirerʼs perspective?

“No, not really. It means nothing, it doesnʼt help me in any way, you know. The one thing that we have more today than years ago is confidence in our own abilities – if we run into a problem we do not panic as easily as when we were younger.”

And how is it on a personal level? Do you let yourself acknowledge the fact “I am pretty old-school with that, actually. that you made some good music that What I really like with my interest in art is has touched a lot of people and you that I keep it pretty much to myself, I donʼt toured all over the world? share it with anybody in the band, for example. Sometimes when we are on tour “On a personal level I am happy with what I sneak out and go to the local modern art we have done, but it is on so many museum, I also like that I do not really fit different levels. Touring for example, is a in there. If you go to a museum on a great experience, to me it is a lot about Thursday noon you are usually quite travelling and meeting different people in alone there, and I like that atmosphere different places. The hour on stage still is very much. It is something I have the greatest hour of the day, but there is completely on my own, something for also a lot more touring than just that.” myself. Funnily enough, I think that I hate nostalgia so much, because I am nostalgic myself.”

Masi Kriegs

How about achievement? Is that a feeling that you allow yourself to have? Looking back and say “I already did visit: www.facebook.com/tiamat some pretty cool things”?

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DARK FEATHER # 23

Tiamat “The Scarred People” (Napalm Records, November 2012) Man kann den schwedischen Gothic Metal-Pionieren um Johan Edlund wahrlich keine übermäßigen kommerziellen Hintergedanken vorwerfen, dafür ist das Tempo, mit dem sie ihre Alben veröffentlichen, einfach zu niedrig. Nachdem Fans auf das letzte Album „Amanethes“ geschlagene fünf Jahre warten mussten, gelobte die Band Besserung...und brauchte nun für „The Scarred People“ tatsächlich ein Jahr weniger. „Wir veröffentlichen ein neues Album, wenn es fertig ist“, ist das Motto der Band und „The Scarred People“ bildet da keine Ausnahme. Das Album klingt rund, in sich geschlossen und ausgeglichen, und ist dabei fast so etwas wie ein Streifzug durch die musikalische Geschichte von Tiamat, ohne dabei ein Best Of zu werden. Der Opener: "The Scarred People" ist zum Beispiel eine treibende Nummer im Viervierteltakt, die etwa auch auf "Skeleton Skeltron" hätte sein können, aber mit Sprachsamples und retro klingenden Synthiesounds die notwendige Abwechslung und Auflockerung bringt. Die gesampleten Kirchenglocken am Ende des Songs klingen so täuschend echt, dass ich wiederholt den Kopfhörer abnehme, um zu checken, ob mein Zug nicht doch gerade an einer wirklichen Kirche vorbeifährt. Das folgende "Winter Dawn" hat einen anderen Ansatz: offene Akkorde und ein eigentlich un-Edlund-iger Gesang qualifizieren diesen Song für den Status „experimentell" und rücken ihn somit in die Richtung des "A Deeper Kind Of Slumber"-Albums. Die verwendeten Sitar-Klänge, eine weitere Ladung Samples und programmierte Beats, verstärken diesen Eindruck noch. Darüber hinaus ist "Winter Dawn" ein sehr gutes Beispiel für die mentale Ausgeglichenheit des Albums - man hört den Kompositionen einfach durch die Bank weg an, dass hier Musiker arbeiten, die mit sich selbst im Reinen sind und keine Kompromisse eingehen. Im enigmatischen "384 Kteis" warten, außer einer magischen Symbolik, auch die ersten echten Doom-Passagen des Albums auf, der Drum-Rhythmus wirkt stellenweise wie eine direkte Referenz an das klassische Tiamat-Album „Wildhoney“. Im Großen und Ganzen ist „The Scarred People“ aber ein ruhigeres Albums als sein Vorgänger „Amanethes“, die Songs sind ebenso beeindruckend komponiert und arrangiert, die Headbang-Passagen sind jedoch deutlich in der Minderheit, wie etwa das Song-Paar „RadiantStar“ und „The Sun Also Rises“ zeigt: die Riffs wiegen sich gemächlich im Low Tempo ein und die Songs haben trotz der verzerrten Gitarrenriffs eine Art Balladen-Feeling. Langweilig wird es jedoch nie: in dem Moment, in dem man glaubt, einer vorhersehbaren Nummer zu lauschen, setzt zum Beispiel eine Bläsersektion ein, die zwar keine komplexen Melodien oder Passagen spielt, aber dem Song genau an der richtigen Stelle das gewisse Etwas verleiht. "Messinian Letter" ist so etwas wie die große Überraschung auf dem Album, hier regiert König Pop mit eingängiger Struktur, Mitsing-Refrain und einer positiven "nicht aufgeben!"-Botschaft. Wie Ihr im Tiamat- Interview in dieser Ausgabe nachlesen könnt, hat dieser Song tatsächlich eine tiefe persönliche und romantische Bedeutung für Johan, und somit sind die Stilmittel zweifellos stimmig "Thunder & Lightning" hätte eigentlich auf einem Album von Johan Edlunds mittlerweile eingestelltem Nebenprojekt Lucyfire landen sollen, ist mit seinem zügigen Gothic Rock aber auch auf "The Scarred People" gut aufgehoben. Hier kehrt der Druck und Groove zurück, der in den letzten paar Songs etwas zurückgeschraubt wurde – definitiv Headbang-Material. Insgesamt ist "The Scarred People" kein Album, das ich einem Tiamat-Einsteiger als allererstes in die Hand drücken würde, dafür ist es stellenweise zu verspielt, an anderer Stelle wieder zu selbstreferenziell, um von Neu-Fans direkt verstanden zu werden und insgesamt nicht musikalisch zwingend genug. Wer aber Tiamat schätzt und zumindest einige ihrer bisherigen Alben kennt, für den ist "The Scarred People" eine gute Erweiterung.

Masi Kriegs

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DARK FEATHER # 23

Szene-Story:

Der SPONTIS-Blog

Es begab sich im Juli 2012. Da überraschte uns ein Blogartikel zur 20. Dark Feather -Ausgabe. Das war das erste Mal, dass unser Magazin in einem größeren Blog aus der Gothic-Szene thematisiert wurde. Dieser Blog heißt SPONTIS und diesen gibt es seit nunmehr 5 Jahren. Anfangs als eine Art Tagebuch geführt, entwickelte sich der Blog in den letzten Jahren zu einer kritischen und manchmal provokanten Sicht auf unsere Szene. Die Artikel schaffen dabei den Spagat zwischen der individuellen Subjektive und der recherchierten Objektive. Mittlerweile hat sich zwischen dem SPONTIS-Blog und dem Dark Feather Magazin eine Partnerschaft entwickelt. So wird die jeweils aktuelle Dark Feather-Ausgabe auch im SPONTIS-Blog zum Download angezeigt und auch bei "Snowflakes" findet eine gemeinsame Präsentation statt. Grund genug also, einmal mit dem Gründer des Blogs, Robert Forst, über die Geschichte des Blogs, seinen Zielen und seine Gedanken zu dem Blog, aber auch allgemein zur Gothic-Szene zu plauschen. Hallo, Robert! Schön, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst und damit ein herzliches Willkommen im Dark Feather Magazin! Den Spontis Blog gibt es seit 2008. Was waren die Ereignisse, die zu der Gründung des Blogs geführt haben? Magst Du ein wenig von der Entstehungsgeschichte erzählen? Dafür muss ich ein wenig ausholen. Geschrieben habe ich eigentlich schon immer gerne, vor allem auf einer Tastatur. Das fiel mir immer leichter, als die Hände für das Führen eines Stiftes zu begeistern und außerdem konnte man so seine Fehler schneller korrigieren. Das mag daran liegen, dass ich mich selbst zur Generation „C64“ zähle. Ich bin mit Computern aufgewachsen und würde mich durchaus als „Nerd“ bezeichnen; habe alles genutzt, was die Technik und vor allem das Internet geboten haben. 2005 entdeckte ich Blogs als Form des Schreibens und folgte begeistert einigen nationalen und internationalen Blogs. Ich fand es spannend, wie intensiv und akribisch sich manche mit speziellen Themen auseinandersetzten. Ich fing an, über einen eigenen Blog nachzudenken und setzte 2007 einen Wordpress-Blog auf. Doch worüber sollte ich schreiben? Was mir immer fehlte, war die Motivation über etwas zu schreiben und Leidenschaft zu entwickeln, mich mit etwas auseinanderzusetzen. Ich beschäftigte mich lieber damit, den Blog zu gestalten und die Technik zu verstehen.

der ich für rund 12 Jahre den Rücken gekehrt hatte, war plötzlich die Idee geboren. Nach einem Besuch des "Blackfield Festivals" 2008 war ich gleichzeitig erfreut und erschüttert, was aus der Szene g e w o r d e n w a r. I c h w o l l t e aufschreiben, was ich erlebte, was mich störte und was ich gut fand. So verband ich die Lust zu schreiben mit der Motivation, über die Szene zu berichten, über meine Gedanken zu sinnieren und zu zeigen, was ich schön fand. Magst Du das Spontis-Konzept für diejenigen, die die Seite noch nicht kennen, erklären? Ganz zu Beginn gab es überhaupt kein Konzept. Ich wollte schreiben, von meinen Erfahrungen erzählen, Geschichten verfassen und von Dingen berichten, die mich faszinierten. Ich begriff Blogs in ihrer Entstehungsgeschichte immer als Tagebücher mit Kommentarfunktion und so habe ich sie zu Anfang auch genutzt. Als ich merkte, dass es tatsächlich Leute gab, die interessierte, was ich schrieb und vor allem verstanden, was ich sagen wollte, wuchs die Leidenschaft, sich aktiv in die Gestaltung der Szene einzubringen.

Ich will die Leute zum Nachdenken anregen, denn was ich anfangs in der Gothic-Szene erlebte, war eine Feierkultur in schwarzen Klamotten. Ich will, dass die Leute ihre Szene-Zugehörigkeit mit Als ich etwa zur gleichen Zeit wieder Inhalten füllen und versuche seitdem, intensiver in die Gothic-Szene eintauchte, Möglichkeiten der Befüllung zu zeigen 25

und Wissen zu vermitteln. Ich habe auch angefangen, nach den Wurzeln zu suchen, um herauszufinden, wie sich die Szene entwickelt hat und wie man das aktuelle Bild erklären könnte. Wenn man heute von Konzept sprechen kann, so liegt das darin, dem Leser zu zeigen, dass Gothic mehr ist als Musik und Klamotten und dass auch rein musikalisch nicht unbedingt alles „schwarz“ ist, was die Oberfläche uns suggeriert. Im Laufe der Jahre hat sich ein fester Leserkern um den Blog geschart. Sie diskutieren nicht nur leidenschaftlich in den Kommentaren miteinander. Man kann auch Gastbeiträge beisteuern,


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Piet Noir stellt regelmäßig musikalische Geheimtipps vor und es gibt auch gelegentliche Spontis-Treffen zu speziellen Anlässen wie dem WGT. Als Du damit angefangen hast, vor fünf Jahren Deinen Blog zu betreiben, hättest Du jemals gedacht, dass sich daraus eine Art „Bewegung“ herauskristallisieren würde?

Diese Diskussionen sind der Kern der Sache. Nur wer diskutiert, setzt sich mit dem Thema auseinander, beschäftigt sich mit seiner Meinung, lernt etwas dazu oder kann anderen etwas von seiner Anschauung vermitteln. In gewisser Weise forciere ich diese Diskussionen und lasse in jedem Artikel InterpretationsSpielraum, stelle kontroverse Gedanken gegenüber, stelle plakativ dar und lasse Ob es sich um eine „Bewegung“ handelt, so ganz bewusst viele Fragen offen und vermag ich nicht zu beurteilen. Ich möchte fordere die Auseinandersetzung. diesen Begriff auch nicht für mich und den Blog vereinnahmen, denn eine Bewegung Was ich gelernt habe ist, dass man eine ist für mich immer ein Produkt vieler, die 30 Jahre alte Szene nicht auf einen in die gleiche Richtung laufen. Ich gemeinsamen Nenner bringen kann, weil begreife mich eher als jemanden, der a l l e i n d e r A l t e r s u n t e r s c h i e d , d e r einer Bewegung mit einem winkenden persönliche Reifegrad, die Dauer der Fähnchen zeigt, in welche Richtung man Zugehörigkeit und die Gründe dafür viel laufen könnte. zu unterschiedlich sind. Vor allem die Menschen, die schon länger in der Szene Eines ist jedoch sicher: Ohne die dabei sind, haben einen Status erreicht, in Kommentare der Leser würde es Spontis dem ihre persönliche Entwicklung nicht mehr geben und hier liegt für mich abgeschlossen zu sein scheint und die ihr die eigentliche „Bewegung“. Ich finde es persönliches Verständnis der Szene als faszinierend, wie intensiv und wortreich Maß aller Dinge nehmen. Was die Gothicauf Spontis kommentiert wird, denn es Szene jedoch ausmacht, hat sich in 30 zeigt mir, dass man sehr wohl bereit ist, Jahren ebenfalls verändert. Alte Dinge sich auseinanderzusetzen. Es ist die sind fast verschwunden, neue Dinge sind Bestätigung, dass doch mehr vorhanden hinzugekommen. Ich kann mich mit vielen ist als Musik und schwarze Klamotten. Ich Dingen, die heute als „Gothic“ gelten, habe so viele interessante Menschen überhaupt nicht anfreunden, andere kennenlernen dürfen, so viel begrüße ich als willkommene Leidenschaft, Talent und Wissen. Erweiterung. Diskussionen sind wichtig, um zu begreifen, wie andere die Szene Es kommt mir manchmal wie auffassen. Ich halte es für nahezu Verschwendung vor, wenn diesen unmöglich, Gothic allgemeingültig zu Menschen keine Plattform geboten wird, definieren, da sich mittlerweile so viele auf der sie von ihren Erfahrungen Facetten unter diesem Wort verstecken, erzählen, ihre Talente präsentieren oder die unterschiedlicher nicht sein könnten. etwas von dem vermitteln können, was ihnen am Herzen liegt. D a s s D i s k u s s i o n e n h ä u fi g v o m Ein großes und viel diskutiertes Thema im Blog ist die Veränderung der Gothic-Szene in den letzten 30 Jahren. Regelmäßig lässt sich erkennen, dass die Generationen der 80er, 90er und 2000er Jahre eine ganz eigene Interpretation haben, was die Szene ausmacht und ausmachen sollte. Wie stehst Du diesen Diskussionen allgemein gegenüber? Häufig tauchen solche Diskussionen beispielsweise auf, obwohl das eigentliche Ausgangsthema nur wenig damit zu tun.

So entstehen innerhalb einer Diskussion plötzlich neue Diskussionen, die mit dem Ursprung nichts mehr zu tun haben. Ich versuche zumindest, das Ganze irgendwie in die Richtung zu lenken, auch wenn ich oft genug fasziniert bin, welcher Diskussionsbaum sich entwickelt und gebe zu, dass nicht selten die Diskussion spannender ist als das Ausgangsthema. Auf der einen Seite scheint es einen unendlichen Diskussionsbedarf zu geben, auf der anderen Seite habe ich persönlich das Gefühl, dass sich sehr vieles im Kreis bewegt. Das ist ja nicht nur im Spontis-Blog zu beobachten, sondern in vielen großen GothicCommunity`s. Wie bewertest Du diese ständigen, sich wiederholenden Diskussionen? Diskussionen sind, wie bereits erwähnt, der Kern der Sache. Ohne Diskussionen gibt es kein Nachdenken und keine Auseinandersetzung.

Wir drehen uns im Kreis, weil diese Diskussionen nicht beendet, nicht abschließend betrachtet und zusammengefasst werden. Vor allem in großen Communities wird viel gefragt und diskutiert, ohne eine Lösung zu finden. Nicht etwa, weil es keine gibt, sondern weil man dazu oft Kompromisse eingehen müsste. Hier wird auf seiner Meinung beharrt, sein Weg als allgemeingültig betrachtet und nicht gemeinsam an einer Lösung gearbeitet. Man schreibt lieber: „Das finde ich nicht, meiner Ansicht nach ist das ganz anders...“ als zu schreiben: „Stimmt, so habe ich das noch gar nicht gesehen.“ Niemand schreibt auf, zu Ausgangsthema abweichen, ist der welchem Ergebnis man gekommen ist, es Diskussion selbst geschuldet. Es treffen gibt keine Antwort auf eine Frage, nur M e i n u n g e n a u f e i n a n d e r, d i e a u f eine Diskussion. unterschiedliches Hintergrundwissen und Die Veränderung oder das Infragestellen verschiedene Sichtweisen aufbauen. dieser Meinung findet im Stillen statt, in Vielleicht ist es auch ein deutsches den Köpfen. Darüber wird leider nicht Phänomen, dass man zunächst nicht kommentiert, weil es offensichtlich immer seine Meinung überdenkt und einlenkt, noch sehr schwer ist, eigene Fehler sondern den Anderen versucht, von zuzugeben oder Kompromisse seiner Meinung zu überzeugen, indem einzugehen. Im Netz, insbesondere in man die Wissenslücken oder vielen großen Gothic-Communities, gibt vermeintlichen Fehl-Interpretationen des es viel zu viele Profilneurotiker und Anderen aufgreift und sich nicht mit der Besserwisser, die sich seitenweise eigentlichen Aussage beschäftigt. darüber auslassen können, wenn jemand 26


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etwas falsch interpretiert hat oder eine merkwürdige Ansicht vertritt. So sucht man dann auch in einer möglichen Lösung, die sich herauskristallisiert hat, weiterhin die Fehler oder die Inkompatibilität zu seiner Meinung, anstatt einzulenken und an einer gemeinsamen Umsetzung zu arbeiten. Du bist Anfang der 1970er Jahre geboren und schreibst, dass Du Deine Szene-Wurzeln in den 80ern hast. Wie kamst Du damals eigentlich zur GothicSzene? Meine musikalischen Wurzeln liegen in den 80ern. Ich bin aufgewachsen mit Musik von Depeche Mode, The Cure, Psyche oder auch Billy Idol und den Ärzten, als „Szene“ habe ich das Ganze damals gar nicht wahrgenommen. Ich fand die anderen Jungs in meiner Schule cool (ich war auch in einer Jungenschule, Mädchen konnte ich also nicht cool finden), die mit schwarzen Klamotten, Band-Shirts und Buttons und wilden Haaren in einer Ecke des Pausenhofes standen. Ich war ja eher der nerdige Typ, mit Brille, Aktenkoffer und Digitaluhr. Ich wollte zu einer Gruppe dazugehören, die die gleiche Musik gut fand, die Texte verstand und darüber redete. So habe ich mich damals mit einem Mixtape und viel Herzklopfen, bei einem Besuch im Freibad, in die „Szene“ geschlichen, von

der ich gar nicht wusste, dass sie eine solche war. Als mein Tape Anklang fand und im furchtbar leiernden Kassettenrekorder gespielt wurde, war ich mittendrin. Ein paar Jahre späte verlor ich das Zugehörigkeitsgefühl, womöglich, weil ich auf der Suche nach mir selbst war. Im Herzen bin ich immer ein Gruftie geblieben, mein Äußeres änderte sich unter dem Druck der Anpassung. Ich musste erst 30 werden, um mein Leben infrage zu stellen, den Klamottenstil endlich so zu wählen, wie ich wollte und mich auf die Spurensuche nach mir selbst zu begeben. Was dabei herausgekommen ist, kann man heute im Blog sehen.

von der ich mich gerne tragen oder mitreißen lasse.

Sehr wichtig. Musik ist für mich immer mit Gefühlen verbunden, sie ist in der Lage, Emotionen zu verstärken oder zu betäuben, die Richtung zu wechseln oder sich einfach mal in ein Gefühl fallen zu lassen. Nur wenn ich auch mal bewusst traurig und melancholisch sein kann, erkenne ich, wie bewusst man leben kann. Musik hilft mir dabei, sie ist der Katalysator. Musik ist aber auch Energie,

Ich habe auch nicht den Eindruck, dass das ein zunehmender, sondern ein konstanter Trend ist. Es gibt nach wie vor eine Gruppe von Menschen, die Musik mit ihren Stimmungen begreift, die Gruppe derer, die Musik nur zum „feiern“ hören, wächst allerdings stetig. Es gibt einfach Menschen, die können mit Musik nicht viel anfangen und antworten auf die Frage „Welche Musik hörst du?“ immer „Alles

Worauf führst Du den Trend zurück, dass sich viele in der Szene nicht mehr auf Stimmungen einlassen können?

Können sie sich nicht mehr auf Stimmungen einlassen oder wollen sie nicht? Ich habe einen anderen Eindruck. Es gibt immer Leute, für die spielt Musik eine untergeordnete Rolle. Sie plätschert dahin, beschallt lustlos den Alltag und wird am Wochenende laut gehört, um zu tanzen, zu feiern und ausgelassen zu sein. Das war immer schon so und wird auch immer so bleiben. Die größere Da der Spontis-Blog auch Partner beim Massenkompatibilität der Szene sorgt für „Snowflakes“-Sampler ist, komme ich eine große Anzahl an Sympathisanten, natürlich nicht umhin zu fragen: wie die mal anders sein möchten und die wichtig sind Dir ganz persönlich Musik gut finden, weil sie sich toll anhört. M e l a n c h o l i e , R o m a n t i k u n d Vielleicht beschäftigen sie sich nicht mit verschiedene Stimmungen in der sich selbst und wenn, dann vielleicht nicht mit Musik als Katalysator. Musik?

Spontis-Treffen auf dem WGT 27


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mögliche, was so im Radio läuft.“ Die finden den Zugang zu sich selbst vielleicht anders oder auch gar nicht. Doch die Gruppe derer, die mit mir auf der Tanzfläche stehen, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen haben, langsam über die Tanzfläche schleichen und die Musik „ganz tief in sich reinkriechen lassen" ist existent, auch wenn es auf großen Veranstaltungen und Festivals anders erscheint.

kennengelernt, von denen noch einige im Laufe der Zeit dazugekommen sind.

Wenn Du die letzten 5 Jahre Revue passieren lässt, was waren die schrägsten und lustigsten Momente, die Dir in Bezug auf Deinen Blog widerfahren sind?

Und wo siehst Du Spontis im Jahre 2017?

Auch dass auf den Spontis-Treffen, die jährlich zum WGT stattfinden plötzlich Menschen auftauchen, die ich noch nie zuvor gesehen habe, finde ich großartig. Es ist eine merkwürdige Art von Vertrautheit im Raum, ein Gefühl für die gleichen Gedanken, Vorlieben und Leidenschaften.

Wenn der deutsche Gesetzgeber und irgendein windiger Abmahnanwalt mir wegen irgendwas die Lust am Schreiben nicht gründlich versauen, werde ich immer noch Spontis betreiben. Vielleicht kann ich die Ideen, die im Blog immer wieder gesponnen werden, in die Tat umsetzen, vielleicht mal eine eigene Veranstaltung organisieren, einen neuen Gothic-Friday ins Leben rufen oder was auch immer. Ganz sicher ist jedoch: Ich werde 2017 immer noch dafür kämpfen, dass Gothic mehr ist als Musik und Klamotten, es zeigen und darstellen und nicht aufgeben, mögliche Ziele und Richtungen aufzuzeigen, um fasziniert dabei zuzusehen, wie sich alles entwickelt. Ich wünsche mir, dass ich noch mehr Menschen aus der Schwarzen Szene auf Spontis versammeln kann, die mit ihren Talenten, Leidenschaften und Meinungen mich und andere zum Staunen oder Nachdenken anregen.

Ja, da fällt mir eine Geschichte ein. Es war auf dem WGT 2011, als ich nach einem harten Festivaltag Entspannung auf einer „Depeche Mode und The Cure Party“ suchte und auf der völlig überfüllten Tanzfläche zu „Nothing“ versuchte zu tanzen. Die Augen wie immer geschlossen. Bis ich durch ein heftiges Zupfen an meiner Kleidung jäh aus meinem Tanzwahn gerissen wurde. Zunächst konnte ich nicht ausmachen, wer oder was da zupfte und erst auf den zweiten Blick erkannte ich vor mir eine recht kleine Person, von der ich im Nebel und zuckenden Licht nur die Umrisse wahrnehmen konnte. Jedenfalls blickte sie (das konnte man erkennen) zu mir auf, um etwas zu sagen. Ich verstand natürlich kein Wort - Discothekengespräche sind immer schon im Kern zum scheitern verurteilt. Ich beugte mich also runter, um Robert, ganz herzlichen Dank für das dem Lautstärkeniveau entgegenzuwirken Interview. Dir gehören die berühmten und hörte die Frage: „Bist du der Robert letzten Worte… von Spontis?“ Bis dahin fand das, was im Blog stattfand, immer nur in meiner virtuellen Welt statt. Nie hatte ich es für möglich gehalten, dass jemand einfach so auf mich zukommt, mich als Schreiberling entlarvt und anspricht. Ein wichtiger Augenblick für mich, fühlte ich doch, dass man das las, was ich schrieb.

Ich danke vor allem den Kommentatoren und Besuchern, von denen ich viele kennenlernen durfte, dafür, dass sie Spontis zu dem gemacht haben, was es heute ist. Und nie vergessen: Der Kopf ist rund damit das Denken seine Richtung ändern kann.

Ich habe „sie“ später kennengelernt, sah sie auf dem WGT 2012 wieder und treffe sie auch bald wieder und habe sie als gute Bekannte (mehr lässt die Entfernung visit: www.spontis.de einfach nicht zu) und lieben Menschen 28

Axel Meßinger

Das DARK präsentiert:

FEATHER

"Snowflakes" u.a. mit Antichrisis, Paul Roland, Nadine Maria Schmidt, Oilensanc, Quellenthal uvm. Ein melancholischdunkelromantisches Samplerprojekt mit 18 Bands und einer Laufzeit von 86 Minuten. Download auf unserer Homepage unter "Ausgaben": www.darkfeather.de Facebook: www.facebook.com/ SnowflakesSampler


DARK FEATHER # 23

Dark Feather „...pearls from the Underground Vol. 23“

Der CD-Sampler zur Ausgabe mit:

Enter And Fall, Oilensanc, Quellenthal, Resomus und Vadot

zum Free Download auf unserer Seite: www.darkfeather.de

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DARK FEATHER # 23

ANTIMATTER M ick

Moss ist nicht nur ein begnadeter Songwriter, sondern auch sonst eine interessante Persönlichkeit. Und weil der gute Mann in einer Art Plauderlaune war, haben wir das Interview zum Album „Fear Of A Unique Identity“ (VÖ: 11/2012) zweigeteilt und beginnen den zweiten Teil gleich mal mit einem persönlichen Jahresrückblick des Engländers:

Aufgestaute Energie Part 2

Is the turn of the year a significant event for you? Do you contemplate a lot and recall the past year or is it more of a party time?

playing my massive collection of vinyl, which has been sadly ignored for years! God, no, itʼs no coincidence that The Beatles released their vinyl around the same time as the new Antimatter, as EMI got in touch begging to know when my new album was out so they could jump on the bandwagon and release theirs at the same time! Calculating bastards!”

“Itʼs both, really. I think everyone naturally compartmentalizes his or her life into calendar years, and at the end of every cycle we tend to look back and chew over what happened. Itʼs a time to reflect and also to learn, if we have made mistakes in If you could create a sampler where the past we can at least try to make sure artists and bands play Christmas “The year 2012 has been extreme, in we never do the same thing again. And songs, who would you pick to play and different aspects. Musically Iʼve recorded and released the strongest album Iʼve ever been a part of. It is strong both lyrically and musically, and Iʼm very proud of that. It is enlightening to think that creatively I can still be ascending even after all these years. On the personal side of things Iʼve learned a lot about people this year, although Iʼve learned the hard way. But all in all the experience Iʼve had has left me wiser. Iʼve learned that in the music business people will come with fake smiles, forging fake friendships, and then stab you in the back. This is a very selfish industry and parasitic people struggling to make a name for themselves, or trying to get into what youʼre part of, will work their way into your life. Exactly one year ago I was having lunch with two ʻfriendsʼ, both of them being warm and friendly towards me, and both of them in the process of also if we have achieved something we which song? ripping me off for everything they could are proud of, itʼs a good time to give get, neither one aware that the other was yourself a pat on the back. “ “Iʼd get an ensemble cast of Michael doing the same. Itʼs quite funny really. Jackson, Gary Glitter and Pete Townsend Also funny that the next Antimatter album, If you could pick the coolest Christmas to record a 12 inch version of ʻLittle for release in 2014, deals with the idea of gift ever for yourself, what would that Drummer Boyʼ.” having dinner with people who have betrayed you. My eyes are open now, and be? You have already started working on it is a good thing that these people have “Iʼd like to be a 10 year old kid back in the the follow-up album to “Fear Of A exposed themselves to me as they could 80s for a day, see people who have died, Unique Identity”. Can you pinpoint have done a lot more damage than they already did. Strangely enough, I heard and just have that mindset again.” what triggered your inspiration that theyʼre actually using and screwing each rapidly after finishing the “Fear Of…” other over now. I guess some people just Is it mere coincidence that the songs? canʼt help themselves. Worms.” remastered Beatles vinyls are released near the release date of “Fear Of A “Iʼve actually been working on ʻThe Judas Mick, how do you spend Christmas, Unique Identity” on vinyl? Do you Tableʼ for quite some time now. Over the New Yearʼs Eve and the time in listen to vinyl a lot by yourself? last two years I was writing two albums at between this year? once – ʻFear …ʼ and ʻJudas…ʼ and at one “Over-indulgence. In the UK our festive “Iʼve actually just borrowed a turntable point I wasnʼt even sure which one would culture is centered on family, food and from David Hall who played violin on the end up being the 5th Antimatter album. alcohol. Its great!” new album and Iʼm having a great time ʻThe Judas Tableʼ is about betrayal, and in 30


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light of some pretty despicable recent every minute of your life. I need time to events I have no shortage of songs for write, digest and analyze music, and if Iʼm this one!” tied down to doing a million other things then my music is ultimately going to be Which song on “Fear Of A Unique blocked and delayed.” Identity” you are the most proud of? How long did it take to figure out the “I love each song equally, really I do. In running order of the songs on the the process of compiling an album I make album. When “Paranova” kicks in with sure that each song has its own merits. “When the stage is set…” it appears, Nothing goes on an album that doesnʼt that it has been built to be an opener. have a deep impact with me, so itʼs very Has it? hard to then have to choose a ʻfavouriteʼ. I guess from time to time certain songs will “Haha, god, the running order of an album stick out more than others to me. But at always has my head in tatters. Whilst I the moment? I love them all!” was working on the demos for the album I was convinced I had the running order. I Even though none of your previous was actually going to start with the song albums are 100% alike, this one is ʻWide Awake In The Concrete Asylumʼ as pretty different. Did you ever had any a way of saying ʻOK I´ve been away for 5 concerns while working on the songs years, so, have this!ʼ… and in theory it or was it clear for you all the time what worked great. Unfortunately things donʼt the result would sound like – and the run as smoothly in reality as they do on rest of the world would have “to live paper, as once the album was actually with it”? recorded the running order I had in my head didnʼt work, so I had to scrap all of “I donʼt really ever have any concerns with my plans and start again. The truth is, the music I record as Iʼm always 100% ʻParanovaʼ wasnʼt built to be an opener, committed to the music itself, thatʼs why it none of them were. But when I had to go is chosen to go on an album. If I wasnʼt back to the drawing board and find which happy, or if I was unsure, with any music I track would kick the album off, ʻParanovaʼ had written then I wouldnʼt take it further was standing there waving its hands at than the demo, or even writing stages, me. I liked that as well because it kind of and it certainly wouldnʼt end up on an reminded me of the very first Antimatter album. Sure, I do what I do, and I do it for album which kicked off with a very myself, and the world can either like it or energetic track.” listen to something else!” A few years ago you have founded your own label, now you released “Fear…” on Prophecy like your earlier albums. Having been both, your own boss and a label band, which are the advantages and disadvantages of both to you? Could you recommend founding a label to any musician or band? “Running a label was ok when I was just releasing my own material. The problem for me is that there is so much administration to do when you are running a label by yourself, really, where is the time to create music. Iʼm an artist, first and foremost. I do strive for as much independence as possible but at some point that independence can take away

decision fast. I had already seen two promos made by the team of Nicolas Giraldon, Mehdi Messouci, Grégoire Orio and Clémentine Decremps, and I was also sent Nicolasʼ portfolio, which had some great stuff in it. They seemed enthusiastic and were ready to get to work. Also I knew Mehdi already, as he played keys for us for a few gigs in 2003, so that is always a bonus for me. I sent them over my concept and we took it from there.The videoʼs concept is basically the theme of the album as well, so the promo was well suited as a forerunner to the main release. ʻFear..ʼ out of all Antimatter albums has a very strong image, and a lot of themes are cross referenced between the lyrics, artwork, video and photoshoot. The characters in the video are, conceptually, the characters on the album cover. The idea of being censored (blindfolded and gagged) runs from the photoshoot into the video. Everything is connected.” The video also stars Colin Fromont, Vic Anselmo, Ste Hughes and David Hall who have appeared as your live line-up as well. Will the next Antimatter-album become more band-driven , or is it too early to say?

“I canʼt really even begin to comment on the sound of the next album. Iʼm actually thinking about going to Armenia to record it there, which will mean I will use, again, a completely different set of session Yo u h a v e r e l e a s e d a v i d e o t o musicians. I think if I use new people each “Uniformed And Black” which quite time, I will get a freshness for each album, seems to refer to social/peer pressure and also a distinctiveness.” and sheep mentality. Who came up with the idea for the plot and who Is the song “Monochrome” more about directed/made the video? being uninformed and not making up oneʼs mind, or about running with the “I had the idea for the plot of the video pack? Isnʼt there a general…say… quite soon after the album was recorded. human tendency to blend in with the ʻUniformed And Blackʼ always stuck out to masses? me as being a potential release of some sort, with its short running time, infectious “Thatʼs the concept that I explore on the hook and driven energy. With that in mind album. Itʼs obvious that the majority of I approached Prophecy Productions with people do try to blend in with the masses, my concept for the video, which they were which is problematic if the masses happy to go ahead with. ʻUniformed & themselves are on the wrong path Blackʼ kind of stands alone for me, it is a spiritually and ideologically. If the masses self-contained world. By the time we are scared of behaving outside of the decided to make the video it was getting ʻnormʼ then we need to make sure that the late in the day and I needed to make a ʻnormʼ never becomes maniacal. There 31


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are plenty of events in recent history that terrified of stepping, or being seen to step, serve as a warning to this kind of outside of its confines. I donʼt understand disease.” that kind of behaviour myself, especially around music scenes. Music is music is To what extent do you think is being music. I can easily listen to the best works consciously individual part of our Being? If of Otis Redding as much as I can listen to you take a look at certain scenes, who the best works of Slayer. Iʼm a music wants to be and claims to be individual - fanatic, not a scene clone.” be it Goth, Metal, Punk, or Progressive Vegetarian Deathcore – you would find, What are your next plans? Will we see that people there want to blend in and you on tour, another album, project, etc.? resemble their peers as well. “Straight away Iʼm going to go on a few “God, yes, of course. Thatʼs why in any acoustic mini-tours with Vic Anselmo. The scene people are essentially clones of album has just been released and I want each other. There is no free will once to tour it as soon as possible. My old tour people fully commit themselves to any manager Aftermath Music is setting it up scene, as they build a very small box and Iʼm actually quite looking forward to it. around their own mind and then are Vic and myself have a great chemistry on

stage and Iʼm eager to hear the new songs played live. After that Iʼm working on a new project called ʻSleeping Pulseʼ with Luis Fazendeiro from Portuguese band ʻPainted Blackʼ, which again has me very excited. Itʼs a step away from Antimatter and itʼs refreshing to actually work with another writer rather than being in total control. Weʼre aiming to have that album released in 2013. Once thatʼs finished itʼll be back to Antimatter for the 6th album ʻThe Judas Tableʼ which I am already busy finishing off the writing at the moment. Iʼm a very busy boy!”

Masi Kriegs

visit: www.antimatteronline.com Antimatter “Fear Of A Unique Identity” (Prophecy Productions 2012) “Here the faceless conjugate and breed.” ist eine Zeile aus dem Opener „Paranova” und diese Zeile fasst das Konzept des Albums schon ziemlich gut zusammen: es geht um die gesichtslose Masse und wie einfach es ist, als Individuum Teil derselben zu werden. Anpassung und Konformität at itʻs worst, gewissermaßen. Auch wenn die Songs zu diesem Zeitpunkt schon geschrieben waren, hatte Sänger und Mastermind Mick Moss in der Vergangenheit die England Riots 2011 als eines der negativsten Beispiele für dieses Thema angeführt: ein vermummter Mob, bei dem der Einzelne mitmacht, weil er sich in der Menge aufgehoben und unerkannt fühlt. „Fear Of A Unique Identity“ kann als ein negatives Album gesehen werden, weil es keine Antworten liefert. Es stellt aber eine Reihe von Fragen, mit denen sich jede/r einzelne beschäftigen kann – und die Frage, bis wohin das eigene Verhalten unter notwendige gesellschaftliche Kompromisse und Regeln fällt, und ab wann das Schwimmen mit dem Strom und das Nachgeben dem Druck der vorherrschenden Meinung(en) einsetzt? Diesem nicht ganz angenehmen Konzept liegt ein musikalisches Werk zugrunde, dass meiner persönlichen Meinung nach das stärkste Antimatter-Album seit dem Debüt „Saviour“ darstellt. Das bereits erwähnte „Paranova“ sowie das folgende „Monochrome“ sind energiegeladene Songs mit starkem Rock-Einschlag, insbesondere „Monochrome“ könnte sich gut um den Platz des „härtesten Antimatter-Songs überhaupt“ bewerben, was der Aussage gut zu Gesicht steht. Der Titeltrack „Fear Of A Unique Identity“ ist getragener, melancholischer und lässt sich Zeit – die Gitarrensoli-Passagen lassen kurz an die Gemeinsamkeiten mit Anathema denken, von wo man die klagenden Melodien ebenfalls kennt. Ein Song, der sich ebenfalls Zeit lässt, ist das achtminütige „Firewalking“, wobei es sich trotz der Länge nicht um eine Progressive-Nummer handelt. Aber anstatt die Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Refrain - Struktur in vier Minuten zu packen, baut sich „Firewalking“ langsam auf, lässt genug Zeit für Intro und Outro und lässt dem Hörer so genug Zeit, den Text zu reflektieren. Nach dem hauptsächlich akustischen „Here Come The Men“ kommt das kontroverse „Uniformed And Black“. Kontrovers wurde der Song als erste Single mit Video im Internet deswegen hitzig diskutiert, weil er aus den Parametern bisheriger Antimatter-Songs mit seinen Alternative-Anleihen herausfällt. Nicht alle Fans scheinen mit diesem Bruch einverstanden, wobei Mick Mossʻ Liebe zur Rockmusik nie ein besonders gehütetes Geheimnis war. Was diesen Song auf „Fear Of A Unique Identity“ einzigartig macht ist die Tatsache, dass er in Strophe und Refrain eigentlich aus demselben Teil besteht, die Abwechslung kommt einzig aus der Art des Gesangs und dem Arrangement. Nach „Wide Awake In The Concrete Asylum“, folgt das ungewöhnlich doomige Instrumental „The Parade“, bevor mit “A Place In The Sun” wieder eine typisch akustische Antimatter-Nummer das Album beschließt. Wie bereits erwähnt, könnte man „Fear Of A Unique Identity“ als das rockigste Antimatter-Album bezeichnen, auch wenn man abseits der drei offensichtlichen Rock-Songs „Paranova“, „Monochrome“ und „Uniformed And Black“ die bekannten AntimatterStilmittel wiederfindet: ein ruhiger Songaufbau abseits jeglicher Rock-/Pop-Konventionen was die Länge angeht, klagendschöner Gesang und der Einsatz der Akustikgitarre. Erweitert wird das Spektrum durch vermehrt auftretende SynthesizerSounds, den häufigeren Einsatz der Violine (gespielt von Antimatter-Live-Gitarrist David Hall) und nicht zuletzt den GastBackingvocals der lettischen Sängerin Vic Anselmo, mit der Antimatter auch auf Tour gehen werden. Alles in allem: ein Album mit Mut zum Risiko, von einem Künstler, der an sich und sein Konzept glaubt und die tradtitionellen Antimatter-Elemente gekonnt erweitert. Masi Kriegs

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Shade Of Shambles

Bewegte Geschichte(n)

Mit

einer inzwischen mehr als zwanzigjährigen Geschichte, sind Shade Of Shambles eine der älteren Untergrund-Bands hierzulande. Einige unglückliche Besetzungswechsel führten dazu, dass das Erscheinen des aktuellen Albums „closed doors.“ sich etwas verzögerte. Umso beeindruckender ist das Resultat, das die Band in Eigenregie erschaffen hat. Im Interview erzählen uns die Musiker von den Hintergründen der Entstehung von „closed doors.“ und der Thematik, die den Songs innewohnt. Die Geschichte von Shade of Shambles ist ja durchaus eine ereignisreiche. Kannst du in eigenen Worten beschreiben, was es für dich bedeutet hat und wie es sich anfühlte, dann doch endlich die fertige aktuelle CD vor dir zu haben und diese dann wiederum später auch zu veröffentlichen? Es ist wahr, seit unserer Gründung haben viel Unerwartetes und einige wichtige Reformationen bei Shade Einzug gehalten. Dass es nicht einfach ist, als Spartenband so viele Jahre zu überleben, kann sich wohl jeder vorstellen, doch dass wir einen so wilden Musikerwechsel erund überleben würden, war wohl nicht zu ahnen. Es ist und war immer eine spannende und erlebnisreiche Zeit, die alle Musiker und Fans mit Shade erlebten und bestimmt noch weiter erleben werden. Entwicklung lässt uns so auch immer wieder neue Wege beschreiten und bannt die Gefahr, immer wieder im selben Nass zu fischen.

nie darauf angelegt hatten und haben, um jeden Preis erfolgreich und bekannt zu werden. Unser Ziel ist es, Musik zu machen, authentisch zu sein mit der Musik, die in uns lebt, und dies in selbstbestimmten Grenzen, ohne Vorgaben von außen. Das neue Album „closed doors.“ ist in dieser Ära ein Meilenstein - auch wenn wir schon einige Tonträger selbst produziert haben, ist dieser doch das erste professionelle Stück Musik. Alles was für Shade wichtig ist, haben wir mit diesem Album verwirklicht. Es hat aus personellen und finanziellen Gründen ja auch fast 4 Jahre gebraucht bis das Album fertig war. Wir sind nun alle sehr stolz, mit eigener Kraft dies auf die Beine gestellt zu haben.

Auch wenn wir im Vergleich zu vielen andern Musikern unseres Genres nicht den erhofften Bekanntheitsstatus erreicht haben, sind wir dennoch zufrieden mit dem, was wir künstlerisch erschaffen haben. Es liegt wohl auch daran, dass wir es 33

Als Wegbereiter für Shade, habe ich oft Kompromisse finden müssen, dies wollte ich bei diesem wichtigen Album nicht. Ich verbinde mit diesem Album den Wunsch, Menschen zu erreichen, Gedanken anzustoßen und Hoffnung zu geben. „closed doors.“ ist keine hochgezüchtete Hitproduktion, es ist ein ehrliches Album mit vielen Gedanken, sei es der Text als auch die größtenteils handgemachte Musik. Es fühlt sich gut an und sollte langsam wie eine Blume in den Herzen der Hörer aufgehen. Das Album braucht Zeit, ich hoffe, dass sich viele Menschen diese nehmen werden - wir haben auch viel davon hineingesteckt. Die erste Version von Shade Of Shambles war eurer Webseite zufolge


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eine Wave- / Chanson-Band. Bis zu Hörer etwas geben können, egal wie alt welchem Grad siehst du die heutige sie sind. Besetzung und die heutigen Songs Zum Titel „closed doors“: in noch in dieser „Tradition“? Verbindung mit eurer thematischen Chris Renniér war seit anbeginn der Ausrichtung auf die Schattenseiten musikalische Kopf von Shade. Seine des Seelenlebens, stehen wir als Kompositionen und Inhalte sind prägend lyrisches „Ich hier vor verschlossenen im Sound von Shade of Shambles. Türen“ oder geht es darum, selbst Es sind wichtige Fragmente, die sich in Türen zu schließen, um bestimmte Liedern wie „my Garden“ oder „feelings“ Kapitel zu beenden? widerspiegeln. Doch ohne die Entwicklung der Gruppe mit ihren Mitgliedern, wäre die Sowohl als auch und noch mehr, es geht umso mehr um das Öffnen eigener Bandbreite unserer Musik auch nicht so verschlossener Türen. Die Tür ist eine möglich gewesen. Jeder Musiker hat bei Möglichkeit, sich dem zu öffnen, was jeder Shade neue Facetten eingebracht. So ist von uns in sich verschlossen und die Musik von Shade kein Soloprojekt versteckt hat. Im Gegensatz zu einer eines Kopfes, sondern das Ergebnis Wand, gibt es die Möglichkeit und ein g e m e i n s c h a f t l i c h e r A r b e i t . D e r Angebot, dahinter zu schauen. Unsere Grundgedanke der Kompositionen liegt, Musik, unser Album ist dieses Angebot. Die Tür öffnen und einen Schritt hinein wie am Anfang der ersten Lieder, beim wagen, muss jeder für sich... Klavier und der Stimme. Hier beginnt Auch die inhaltliche Reibung zum jeder Song und wächst mit uns bis er das Coverbild erzeugt eine Spannung und ist, was alle wollen. zeigt wie verschlossen die eigenen Türen sein können, obwohl man sich frei und Welche Songs sind die ältesten auf ungebunden fühlt. Der Punkt hinter dem dem Album „closed doors“ und welche Titel dieses Albums ist ein Symbol, hier einen Punkt hinter der Verschlossenheit die neuesten? zu machen. D i e s e F r a g e i s t n i c h t l e i c h t z u Ich denke, niemand kann wirklich frei und ungebunden sein. Ist er es mit allen beantworten, da die Entstehung der Konsequenzen doch, wäre es wohl mehr Lieder nicht chronologisch zu fassen ist. eine Qual als ein zu erstrebendes Ziel. Manche Lieder gab es als Teilkomposition Die Konsequenz der Einsamkeit und seit Jahren wie z.B. „no thoughts“. Dieser Kommunikationslosigkeit ist wohl kein Song lag viele Jahre unfertig auf meiner erstrebenswertes Lebensglück. Atari-Festplatte, bis er 2008 in die neue Die Deutung zielt hier auf die inneren Softwareumgebung portiert und dort fertig Türen, wie auch die, mit denen wir oft andere außen vor lassen und außen vor arrangiert ins Programm genommen gelassen werden. Es ist die eigene wurde. Ähnlich war es bei „world of two“ . Entscheidung, diese zu öffnen, dahinter „Feelings“ wiederum haben wir schon in zu blicken, sich mit seinem Selbst zu den 90er Jahren live gespielt. Dieser b e s c h ä f t i g e n . A u c h a n d e r e n d a s w u r d e 2 0 1 0 m i t n e u e n S o u n d s Vertrauen zu schenken, ihnen einen Blick umarrangiert und ist nun nicht mehr zu in die eigene Persönlichkeit zu geben. Ein Blick hin zu Gefühlen und Situationen, die vergleichen mit der ersten Version. kommen oder schon erlebt und D i e w o h l n e u e s t e n L i e d e r i n verschlossen in uns sind. Hinter denen wir kompositorischer Hinsicht sind „mein die Türen geschlossen haben oder Feind“ und „Paganini". Das älteste Lied unsicher sind, diese öffnen zu können. wäre nach diesen Maßstäben „young G e s c h l o s s e n e T ü r e n s i n d forever“. Dieses Lied wurde in der zweiten Entscheidungen, die getroffen werden und Gründungsbesetzung geschrieben, wurden. Wir wollen in diesem Album dies thematisieren. welches aber 2010 eine deutliche Unsere Lieder handeln zum großen Teil Frischzellenkur erfahren durfte. Diese von Erfahrungen, Gefühlen und Ängsten I n f o r m a t i o n e n d e c k e n j e d o c h n u r einer inneren Auseinandersetzung. Im Teilbereiche von dem ab, was die Lieder Mittelpunkt steht hier stets ein Gefühl im erfahren haben, ob sie wichtig sind, kann Bezug auf eine erlebte eigene Reflektion. nur jeder selbst bestimmen. Für uns ist es Es ist eine "Wahrhaftigkeitsmachung" der wichtig, dass die Lieder leben und dem eigenen inneren Kommunikation. 34

Kein Mensch kann vor seinen Gedanken und Gefühlen fliehen, sie sind ein Teil seiner Welt. Diese beschreiben und verarbeiten wir in und mit unserer Musik. Die Texte unserer Lieder haben keine einzige Wahrheit oder eindimensionale Sichtweise. Sie blühen nur mit den Gedanken des Erlebenden. Es sind keine Geschichten, die uns vergessen oder fliehen lassen vor der Realität. In Verbindung mit unserer Musik, geben wir dem Hörer ein Angebot der Auseinandersetzung mit seinen thematisch passenden Ängsten und Gedanken, führen muss er sie jedoch selbst. Unsere Musik ist ein Angebot sich zurückzuziehen, hinter seine “closed doors.” Diese zu öffnen ist eine Kraft, die wir dem Hörer geben möchten. Gibt es einen Song, der für Shade of Shambles textlich oder musikalisch repräsentativ ist? Oder ist die stilistische Vielfalt Teil des Konzepts? Unsere textlichen und musikalischen Inhalte sind sehr weit gestreut, hier ein Lied voran zu stellen wird unserer Sache nicht gerecht. Sollten wir eine Auswahl treffen, würde jedes Bandmitglied wohl ein anderes nennen und dies würde auch nach kurzer Zeit Berichtigung erfahren. Welche Bedeutung hat die Musik zu den Emotionen der Musiker und/oder Hörer? Soll sie eurer Meinung und Absicht nach die tatsächlichen Emotionen widerspiegeln? Shade: Jeder, der Musik hört, wird unweigerlich mit eigenen Emotionen konfrontiert. Der Mensch sucht auch in der Musik unterbewusst nach Strukturen, die er kennt und ordnet sie emotional dort ein, wo seine Erinnerung eine Verbindung dazu geschaffen hat. Welche Emotion von welcher Art von Musik hervorgerufen wird, ist oft individuell aus der Vergangenheit des Einzelnen begründet, so wird es immer authentisch sein, was jeder fühlt; in welchem Bereich sich dies bewegt, können und wollen wir nicht bestimmen. Der Text eines Liedes zeigt, was meine jeweiligen Intentionen sind, das kann bei jedem aber anders sein, ob Musiker oder Hörer. Eine vorurteilsfreie Offenheit der Musik gegenüber ist als Grundverständnis wünschenswert, um unsere Musik so zu erleben, wie sie erdacht und geschaffen wurde. Die inneren Schatten sollen in eine Wahrnehmung gelangen, die jedem eine Chance gibt, das eigene Erlebte zu verarbeiten. Wir lassen Licht auf die


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Seelen und Gemüter fallen. Hinschauen muss jeder für sich. Ein Ziel ist es, dem Hörer Kraft zu geben, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich aus seinen oft unbewussten Zwängen und Selbstlügen zu befreien. Wie seid ihr die Aufnahmen angegangen? Habt ihr alles selbst aufgenommen, produziert und arrangiert, wart ihr im Studio? Hattet ihr bestimmte festgelegte Zeiträume, in denen ihr gearbeitet habt oder kam es eher Schritt für Schritt? Die Produktion ist in vielen Schritten

gefunden, der uns in vielen Situationen durch Probleme manövrieren konnte. Überraschenderweise war nach den ersten Terminen schnell klar, dass wir nicht zufrieden waren und mussten schweren Herzens, aus Qualitätsgründen, den Schlagzeuger austauschen. Das kostete viel Zeit. Dennis, unser ehemaliger Schlagzeuger, spielte das Set als Gastmusiker und guter Freund der Band ein. Unser Anspruch ließ uns immer wieder an den Aufnahmen verbesserungswürdige Passagen finden, die umgesetzt werden mussten. So zogen sich die Aufnahmen über mehr als ein

wollte, entschlossen wir uns, ein eigenes zu gründen. Nach allem, was wir für dieses Album getan und durchgemacht hatten, wollten wir nicht auf halber Strecke stehen bleiben. So wurde gegen alle Widrigkeiten „ape45 Production“ ins Leben gerufen. Ein Vertriebsweg für die CD war eine weitere Herausforderung, die wir zu meistern hatten. Alle Planungen wurden nun sehr zeit- und geldintensiv, so dass wir die Veröffentlichung von „closed doors.“ zwangsweise verschieben mussten. Im September 2012 konnte dann das neue Album von Shade of Shambles erscheinen. Songs wie „Feelings“, „my Garden“ oder „This is a dream” haben fast schon fatalistische Texte. Beziehen sich diese Texte auf bestimmte Situationen oder Ereignisse oder sammelt ihr für die Songs von Shade of Shambles gewissermaßen die dunklen Stunden eurer Seele über einen gewissen Zeitraum?

abgelaufen; wir wollten uns Zeit lassen und alles nach unseren Vorstellungen umsetzen. Da fast alle Lieder früh arrangiert und durchgeplant waren und die Synthesizerparts von Chris schon vorgemixt vorlagen, haben wir uns ein Studio gesucht, um die Schlagzeug-, Gitarren- und Gesangsaufnahmen mit einer professionellen Akustik aufzunehmen. Wir haben lange gesucht, um ein gutes Studio zu finden, das mit unserer Musik umgehen kann. Wir hatten leider aus der Vergangenheit einige schlechte Erfahrungen im Gepäck was gute Studioarbeit angeht. Doch haben wir mit Tino und seinem 4ling-Studio einen sehr geduldigen, fähigen und aufmerksamen Tonmeister

Jahr hin, bis wir mit allen Spuren fertig waren. Nach dieser lagen Zeit, benötigten wir eine kleine Pause, um für den Mix Abstand vom aufgenommenen Material zu bekommen. So wurde unser Projekt „Shade acoustic“ ins Leben gerufen. Es war eine völlig neue Herausforderung und machte unsere Köpfe frei. Wir waren voller Euphorie, so dass wir auch gleich Studioaufnahmen davon machten. Kurz vor unserer Akustiktour, mussten wir dann den Schicksalsschlag unseres plötzlich gestorbenen Pianisten verkraften. Wir legten das Projekt auf Eis und ich arbeitete nach einer Pause an dem Album „closed doors.“ im Studio weiter. Da wir jedoch kein Label gefunden hatten, welches unser Album veröffentlichen 35

Wir setzen uns thematisch mit Emotionen, Hoffnungen und Ängsten auseinander. Gedankenspiele sind oft Teil der Inhalte. In meinen Texten sind keine wirklich fatalistischen Züge. Es mag sein, dass es in einigen Passagen so gesehen werden kann, dies ist jedoch keine thematische Grundlage der lyrischen Aussagen. „Feelings“ ist eine Auseinandersetzung mit einer wie auch immer gearteten Trennung, ein Irrweg, den man emotional beschreiten muss, um Klarheit für sich und die Situation zu finden. In dem Lied „my Garden“ geht es um das Recht, einen Rückzug in die eigene Welt z u fi n d e n , s i c h m i t s i c h s e l b s t auseinanderzusetzen und Zeit für Trauer zu haben. In der Zeile „ which fingers will be soiled, if they donʼt need to be“ könnten fatalistische Ausrichtungen gesehen werden, sie zeigt jedoch nur auf, wie schwer es ist, Menschen zu finden, die bereit sind, dem anderen in schweren Zeiten zur Seite zu stehen. Auch bei „This is a dream“ geht es um eine Auseinandersetzung mit dem Gegebenen und den Möglichkeiten, die man hat. Ein Ansporn, sich zu bewegen, aus der aussichtlosen Sichtweise hinaus


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zu gehen und seine Zufriedenheit selbst zu erreichen, wohnt dem Text inne, dort liegt der Traum, das Gute und Positive. Gedanken über depressive Verstimmungen oder Ausweglosigkeit können leicht mit fatalistischem Gedankengut verwechselt werden. Ich sehe keine Aussage in den Texten, alles so hinzunehmen wie es ist und in Lethargie zu verfallen. Ich finde daher den Bezug zum Fatalistischen in unseren Musik nicht wieder.

könnten jetzt viele Namen nennen, ziehen es jedoch vor, dies nicht zu tun, da es zu komplex und nicht wirklich aussagekräftig wäre. Wir leben in einer Welt, die uns b e e i n fl u s s t u n d i n d e r a u c h w i r beeinflussen.

Haben verschiedene Besetzungswechsel und –änderungen in den vergangenen Jahren euren LiveRhythmus und euer Bühnengefühl stark geprägt? Fühlt ihr euch momentan bereit für Konzerte oder Kam die Entscheidung, auch deutsche seid ihr noch in der Vorbereitung? Songs zu schreiben, eher bewusst o d e r u n b e w u s s t ? F ü r w e l c h e Wir sind schon sehr geschüttelt vom Ausdrucksformen oder welche Themen Besetzungswechsel einzelner Positionen, eignet sich Deutsch eurer Meinung doch wächst der Pool an Stilistiken durch den Wechsel auch stetig an. Es werden nach besser? die Anforderungen an die Musiker Welche Sprache ich für Lieder verwende, dadurch natürlich nicht leichter und es entscheidet die Emotion. Die Worte finden fallen viele Musiker heraus, die den mich, nicht ich die Worte. Das Thema Anforderungen nicht gewachsen sind oder steht zuerst, dann kommen Strukturen sich diesen nicht stellen wollen. Viele und Worte, die entscheiden, welche Musiker sagen auch deutlich, dass sie mit Sprache es wird. Beide Sprachen sind im unserer Musik überfordert sind und sich textlichen Ausdruck, seit Anbeginn der nicht hineinfinden können. Auch kämpfen Band, vorhanden. Wir haben auch schon wir fast jedes Mal neu mit dem Negativbild ein komplettes Konzert in Deutsch d e r d e p r e s s i v e n G o t h i c - B a n d . I n gegeben. Alle Lieder wurden ins Deutsche Musikerkreisen ist Gothic - Musik noch übersetzt. Wir wollten sehen, ob die immer ein Bereich, den viele meiden. englischen Lieder auch in unserer Fröhlich bunter Poprock ist und wird aber Muttersprache funktionieren. Es war nicht nun mal nicht unser musikalisches Kind. l e i c h t , d i e Te x t e u n d I n h a l t e s o Da wir unseren Schlagzeuger kurz vor der umzusetzen, dass die gleiche Intention Fertigstellung des Albums verabschiedet erreicht werden konnte, was mich oft haben, sind wir in dieser wichtigen Zeit störte. Es war jedoch ein spannender wieder auf der Suche nach einer fähigen Versuch, der uns gezeigt hat, dass die Person am Schlagzeug. Um jedoch nicht Endscheidung der Sprache im Moment den Kontakt zu unseren Fans zu verlieren des Schaffens kommt und gewollte und auch selbst wieder auf die Bühne zu Zwänge den Liedern manchmal schaden kommen, sind wir gerade dabei, eine würden. Elektro-Version des Albums „closed doors.“ zu erarbeiten. Es wird „E-doors“ Habt ihr musikalische oder allgemein heißen und nur als Download in allen künstlerische Vorbilder? bekannten Portalen zu bekommen sein. Dieses wird zusammen mit einigen Diese Frage kommt sehr häufig und wir Konzerten - wenn alles gut läuft - im stehen immer wieder unsicher vor deren Februar zu sehen und zu kaufen sein. Beantwortung. Es gibt viele Musiker, die Infos hierüber gibt es natürlich im wir schätzen und mögen, diese jedoch als Newsletter und den einschlägigen Vorbilder zu betrachten, wäre nicht richtig. Informationsforen: Shade-Homepage, Wir machen unsere Musik und die facebook, twitter, myspace... anderen ihre. Wir lernen von Musikern, aber bauen unsere eigene musikalische Auf eurer Webseite ist die Rede von Welt. Es gibt für jeden von uns Künstler, einem Akustik-Album, an dem ihr die uns beeinflusst haben, diese sind gearbeitet hattet – ist das nach wie vor jedoch für jeden stets andere. Wir auf eurer Agenda oder hat dessen 36

Veröffentlichung jetzt erstmal eine niedrigere Priorität? Das Akustik-Album „Another view“ wird definitiv 2013 erscheinen, ob es nur als Download oder als gepresste CD kommt, wird vom finanziellen Erfolg der „closed doors." abhängen. Da wir alle Kosten selber tragen, können wir auch nur refinanzieren was wir haben. Da spielt auch die GEMA eine große Rolle. Wir hoffen jedoch, dass es finanziell möglich ist, die CD zu produzieren. Es ist ein sehr spannendes Stück Musik, das wir dort verwirklicht haben, es wird auch ein neues Licht auf Shade werfen. Welche Bedeutung hat das Klavierinstrumental „Paganini“? Zum einen stellt es eine Art Schlussakkord im Ablauf des Albums dar, aber woher stammt dieses Stück thematisch und entstehungsgeschichtlich? Es klingt vielleicht komisch oder für manche etwas albern, doch es ist was es ist. Eine sehr private Verabschiedung. Es ist das letzte Stück des Albums, das fertig wurde. In der letzen Produktionszeit des Albums starb Paganini, die langjährige Katze unseres Sängers und Produzenten Chris Renniér, die im Shade-Studio stets an seiner Seite war. Beide verband eine besondere Beziehung, die vielleicht nur Menschen nachvollziehen können, die auch ein besonderes Verhältnis zu Tieren haben. Es war ein sehr überraschender Tod, der an keinem von der Band spurlos vorüberging. Das Lied ist ein Nachruf und eine musikalische Verarbeitung an ein Lebewesen, das alle bei Shade begleitet hat. Wer die CD sein eigen nennt, kann nach einiger Suche auch ein Foto von Paganini im Booklet finden.

Masi Kriegs

visit: www.shade.de


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Shade Of Shambles “Closed Doors” (2012) Es ist ein starkes und sehr eigenes Werk, das Shade Of Shambles aus Berlin mit „closed doors.“ vollendet haben und mit dem sie selbstbewusst und konsequent Genre-Grenzen überschreiten. Startet der Opener „fromthenext“ noch als eine Art Piano-unterstützter Gothic Rock, ist das folgende „Creatures“ schon schwieriger einzuordnen, warten Gitarre und Drums hier doch fast schon mit einem Funk-Rhythmus auf. Aber so kann man sich dem ganzen Album nähern: man erwarte das Unerwartete und stelle sich auf positive Überraschungen ein. Denn auch wenn die musikalische Wanderung den Hörer zwischen verschiedenen Stilen wie Wave, Rock und in Richtung Chanson/Cabaret umher führt: die Songs auf „closed doors.“ sind durchweg stimmig, was zum einen an der markanten Stimme von Sänger und Bassist Chris Rennier liegt, zum anderen auch an den eingesetzten Gitarren und Synthesizer-Sounds. Kurzum: man erkennt einen Song von „closed doors.“ direkt als solchen, egal ob es der rockige Opener „fromthenext“ ist oder die Ballade „my Garden“. Auch die deutschsprachigen Kompositionen „Gleitlicht“, „Fremde“ und „mein Feind“ fügen sich perfekt in die englischsprachige Mehrheit der Songs ein. „closed doors.“ ist kein Album für den schnellen Konsum. Es benötigt Zeit, sich mit der Musik und den Texten zu befassen und macht es mit seinen komplexen Arrangements nicht immer einfach. Aber das Ergebnis dieser Entdeckungsreise ist ein faszinierendes Album voll beeindruckender Musik.

Masi Kriegs

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...kommen mit ihrem Debütalbum, um zu bleiben. Und im Interview erzählen sie uns, wie glücklich sie darüber sind. Hallo Enter And Fall! Willkommen zum zweiten Mal beim Dark Feather! Beim letzten Interview mit uns, hattet Ihr gerade den „Battle of the Bands“ Contest vom Sonic Seducer gewonnen. Wie sind die 2 Jahre danach für Euch gelaufen? Hallo liebes Dark Feather Team, Hallo Cristina! Vielen Dank, dass wir wieder mit dabei sein dürfen! Die letzten zwei Jahre, seit dem Sieg des "Battle of the Bands", waren die wohl aufregendsten, spannendsten und wichtigsten zwei Jahre

meines Lebens! :-) Wir haben eigentlich die ganzen zwei Jahre kontinuierlich an den Songs für das Debüt- Album "Push Enter And Fall Down" gearbeitet bis es im August 2012 endlich soweit war, dass wir das Album veröffentlichen konnten! Wir haben jetzt unsere erste Tour zusammen mit Project Pitchfork hinter uns, das Album hat es bis an die Spitze der Deutschen Alternative-Charts geschafft und die Kritiken des Albums waren mehr als positiv. Ich war echt platt wie das alles

gelaufen ist und kann sagen, dass sich die intensive und harte Arbeit gelohnt hat! Die letzten Wochen, Monate, Jahre waren für mich persönlich eine wahnsinnige Bereicherung und ich bin glücklich, diese ganzen Erfahrungen gemacht zu haben!

ich nach Daniels Ausstieg alle Songs nochmal neu eingesungen habe! Ich denke auch, dass wir uns seit der EP bis hin zum Album stetig weiterentwickelt haben! Wir wollten immer das Maximum aus dem Sound rausholen. Von daher weiß ich nicht, inwieweit die Euer Debütalbum „Push Enter And Fall Songs der EP mit denen vom Album noch Down“ kam im August diesen Jahres zu vergleichen sind. :-) auf den Markt. Enthält es auch Tracks von der zweimal veröffentlichten EP Die Texte des Albums handeln von der „Push Enter“? Oder ist der Name Kontrolle der Gesellschaft und der zufällig eine Erweiterung dieser? Technologie und manche sogar von Liebe. Gibt es eine gemeinsame Thematik in den Texten?

Die "Push Enter EP" war damals unser erster Schuss in welche Richtung es mit Enter And Fall gehen soll! Schon damals stand für uns fest, dass das Album im Prinzip auf die EP aufbaut und auch der Name des Albums stand 2009, als die "Push Enter EP" rauskam, schon fest. Auf dem Album sind auch Songs, die auf der EP enthalten waren. Wir haben aber noch die ein oder andere Sache an den Songs geändert und optimiert! Markanteste Veränderung sind da wohl die Vocals. Da 38

Wie bei der Musik selbst, haben wir, denke ich, nie an einem bestimmten Grundsatz festgehalten, was das schreiben der Texte und der Musik angeht. Wir haben uns immer von unseren Gefühlen, Emotionen und Sachen leiten lassen, die uns beschäftigen und die wir selber erlebt haben. Das macht, denke ich, auch die Vielfalt auf dem Album aus, was die Musik und die Texte angeht. Wie du schon richtig gesagt hast, sind einige Texte sozialkritisch zu sehen, wie z.B. "Aufsicht Ost", "Paradox" oder "Running out". Andere beschreiben Situationen, die wir selber durchlebt haben. Es geht um die Liebe, wie bei "So much to see" oder "Lose Control". Aber auch positive Aspekte sollten nicht fehlen. Was "Empire of Sound" recht gut beschreibt. In diesem Song geht es um die Magie der Musik und die Kraft, sich von ihr treiben zu lassen. Musik ist mein Leben! Die Luft, die ich atme! Das wollte ich in diesem Song ausdrücken. Wie waren bisher die Reaktionen auf das Debütalbum? Was könnt Ihr uns über eure Fanbase und die Szene, in


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der ihr unterwegs seid, erzählen? Habt z.B. immer noch am schönsten, eine CD Ihr schon mal Unterschiede zu anderen oder gar eine Schallplatte von Künstlern Städten erkannt? in den Händen zu halten oder mir am Kiosk ein "Szene"Magazin zu kaufen und Die Reaktionen auf das Album waren darin zu stöbern und zu lesen. sehr, sehr positiv! Ich war echt überwältigt Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile von dem Zuspruch, den wir von unseren eine solche Vielfalt auf dem Musikmarkt, Fans, den Medien und DJ`s bekommen dass es schon gar nicht mehr möglich ist, haben! Ganz ehrlich gesagt, habe ich mir sich alles in physischer Form zu kaufen. das auch so nicht träumen lassen. :-) Gerade auf der Tour zusammen mit Eine Thematik, mit der ich mich oft Project Pitchfork, kamen sehr viele Leute beschäftige in letzter Zeit: Wie seht Ihr zu uns, die uns bis dato noch nicht kannten und die Musik und die Show super fanden. Das hat mich echt umgehauen. :-) Auch über das Internet bekommen wir regelmäßig sehr positive Reaktionen auf das Album. Das macht mich alles ganz schön glücklich! :-) Da wir gerade erst am Anfang stehen, baut sich unsere Fanbase gerade erst auf. Regionale Unterschiede sind mir aber während der ganzen Zeit nicht wirklich aufgefallen. Die Leute waren, egal ob in München, Leipzig oder Bremen, alle unglaublich nett zu uns und haben uns so unglaublich unterstützt! Das ist echt großartig! Als Supportact einer so erfolgreichen und langjährigen Band wie Project Pitchfork, geht man ja mit recht gemischten Gefühlen und Erwartungen an eine solche Tour ran, wie das Publikum reagieren wird! Und auch hier wurden wir von den Fans mehr als positiv überrascht! Vom ersten Song an sind die Leute mitgegangen, haben uns unterstützt und mit uns gefeiert! Das war ein tolles Gefühl! :-)

Das ist eine sehr gute Frage! Die Musikindustrie geht natürlich mit der Zeit und passt ihr Angebot immer mehr den Wünschen und Ansprüchen der Konsumenten an, siehe die Vielfalt an legalen Downloadportalen. Die Frage ist, denke ich, eher: wie gehen die Konsumenten mit dem Thema Musik um? Wie oder als was wird Musik "im Auge" des Hörers verstanden. Zu 99% würde nach meiner Erfahrung jeder sagen, dass er ohne Musik nicht leben könne. Das

Ihr seid im Internet auf verschiedenen Netzwerken vertreten. Wie wichtig sind neue Medien für Euch und für die Promotion Eurer Musik? Das Netz und seine verschiedenen Plattformen ist meiner Meinung nach eine große Bereicherung für mich als Musiker. Diese verschiedenen Foren und sozialen Netzwerke bieten eine riesige Plattform, um News rund um "Enter And Fall" mit den Fans zu teilen. Jedoch denke ich, dass die ganzen virtuellen Kontakte das wirkliche Miteinander z.B auf Konzerten und Partys nicht ersetzen können. Es macht einfach großen Spaß, sich mit Leuten über das Netz auszutauschen und zu kommunizieren, aber so ein Gespräch bei einem Drink im Club oder nach dem Konzert ist doch immer noch das Beste! :D Für die Musik an sich ist es ohne das Internet wohl kaum mehr vorstellbar. Was natürlich in einigen Situationen Fluch und die Zukunft der Musikindustrie? Habt Problem ist nur, dass zum einen der Weg, Segen zugleich ist. Ich selber finde es Ihr selbst einen Vorschlag, um diese zu sich Musik illegal zu beschaffen, einfach „retten“? 39


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zu einfach ist, andererseits fehlt es vielleicht manchmal an der Bereitschaft, für Musik zu bezahlen, weil Musik nicht als wirkliche Arbeit angesehen wird! Ich möchte das jetzt hier auf keinen Fall verallgemeinern! Es gibt sehr, sehr viele Menschen da draußen, die das Musikhandwerk schätzen und respektieren und die Arbeit der Musiker honorieren. Aber ich denke nicht, dass wir den anderen Teil bekehren können, dasselbe zu denken! Dafür ist es, wie schon gesagt, einfach zu einfach! Leider wird es so gerade für Newcomer, aber auch feste Größen, immer schwieriger werden, zu bestehen bzw. aufzusteigen. Was mich wieder zu den 99% bringt. Ich denke nicht, dass es irgendwann gar keine Musik mehr geben wird! Aber auf jeden Fall werden unter diesen Umständen viele gute neue Musiker nur eine sehr geringe Chance haben, sich zu etablieren. Aber auch das

ist nicht einzig und allein an den Konsum nachgelesen werden. Ich freue mich riesig von Musik gekoppelt. auf das nächste Jahr! :-) Und welche Zukunftspläne haben Ich danke dir für deine Zeit und das tolle ENTER AND FALL selbst? Interview!!! Enter And Fall wünscht allen Lesern des Dark Feather, dem ganzen Nun :-) jetzt steht ja die Weihnachtszeit DF- Team und dir eine wunderschöne vor der Tür! Als kleines Dankeschön an Weihnachtszeit im Kreise eure Freunde unsere treuen Anhänger und neuen Fans, und Familie und einen guten Rutsch ins bereiten wir gerade eine Single vor, die neue Jahr! Und vielleicht sieht man sich ja dann am 24.12. veröffentlicht und zum bei einem unserer nächsten Gigs! Wir kostenlosen Download bereitgestellt wird. würden uns riesig freuen! :-) Wie die Single heißt, will der We i h n a c h t s m a n n a b e r n o c h n i c h t verraten. Auf jeden Fall ist jeder gut Cristina ,Kikiʻ Grijalva beraten, uns auf unserer Enter And FallFacebook-Page zu besuchen! Dort werden dann alle Infos zur Single veröffentlicht! :-) Natürlich sitze ich auch schon wieder fleißig an neuen Sachen für visit: www.enterandfall.de das nächste Album! Auch live werden wir 2013 wieder Vollgas geben! Einige Termine sind schon bestätigt und können auf unserer Facebook-Page oder unserer Homepage unter enterandfall.de

ENTER AND FALL “Push Enter And Fall Down” (August 2012) "Push Enter And Fall Down" heißt das Debütalbum des Dresdner Duos ENTER AND FALL: Eine Platte mit 11 dunklen EBM-Songs. Da ich mich persönlich wenig im Genre EBM auskenne, versuche ich im folgenden Review so neutral wie möglich zu sein. Das energiegeladene Intro erinnert an Musik vom Vampirjäger-Film „Blade“ und führt zum Titelsong, der von der Kontrolle des „Systems“ spricht. Das Album geht weiter mit relativ ähnlichen Liedern, in guter Sound-Qualität, mit verzerrtem Sprechgesang. Highlights sind für mich die Liebeslieder ʻLose Controlʼ und ‚So Much To Seeʼ. Für mich sind diese Duette besonders schön wegen der melodischen weiblichen Stimme, als krassem Kontrast zur „Maschinenstimme“. Abgesehen von ein paar Remixes schon vorhandener Stücke am Ende der Platte, sind die Songs monoton und klingen ähnlich. Das kann durchaus an meinem EBM-untrainierten Gehör liegen. Was mich ansonsten persönlich ein bisschen stört ist die Tatsache, dass die englischen Texte weder besonders verständlich, noch (nach dem Lesen der Texte online) besonders gut geschrieben sind. Das ist aber auch nur meine persönliche Sprachen-Macke. Also: hört mal rein! Vielleicht ist es ja für euch etwas.

Cristina ,Kikiʻ Grijalva

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Literatur-Lounge Kathrin Hartmann „Ich halte die ganze Agenda 2010 für eine Menschenrechtsverletzung“ Selbstveredelung. In der Konsumgesellschaft wird Zugehörigkeit Journalistin und Autorin. Sie wurde über den Lifestyle organisiert. Diese 1972 in Ulm geboren, studierte Spaltung – insbesondere wie die besser Kunstgeschichte, Philosophie und verdienende Mittelschicht und die Skandinavistik an der GoetheReichen Arme diffamieren, um eigene Universität in Frankfurt/Main. Nach P r i v i l e g i e n z u s i c h e r n o d e r a u s Abstiegsangst – ist mir in der Folge immer einem Volontariat bei der stärker aufgefallen. "Frankfurter Rundschau" war sie

Kathrin Hartmann ist freiberufliche

dort Redakteurin im Ressort "Nachrichten und Politik", von 2006 bis 2009 Textredakteurin bei NEON. Nachdem 2009 ihr erstes Buch „Ende der Märchenstunde“ erschien, folgte letztes Jahr das Buch „Wir müssen leider draußen bleiben“, publiziert im Blessing Verlag. Dieses Buch nimmt die Armut in unserer Konsumgesellschaft zum Thema und genau davon lest Ihr im folgenden Interview!

Und wie kann man diese Armut definieren?

Es ist eine sogenannte Relative Armut – was zunächst harmlos klingt. Scheinbar haben diese Menschen, anders als absolut Arme, ein Dach über dem Kopf, bekommen Geld vom Staat und haben zu essen. Auch das stimmt nur bedingt – denn das Geld reicht nicht zum Leben und auch Hartz-IV-Empfänger (die einen großen Teil der neuen Armen ausmachen) haben Hungerphasen – etwa dann, wenn die Stromkosten steigen oder die Waschmaschine kaputt geht. Dazu Frau Hartmann, danke, dass Sie sich kommt: ein großer Teil der Armen arbeitet Zeit für das Interview nehmen. Sie sind Autorin und Journalistin, im März 2012 erschien ihr aktuelles Buch „Wir müssen leider draußen bleiben“. Dafür haben Sie ein Jahr recherchiert. Wie kam es dazu, dass Sie sich die Armut in unserer Konsumgesellschaft als Thema ausgesucht haben? Ich bin darauf bereits bei den Recherchen zu meinem ersten Buch „Ende der Märchenstunde - Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt“ gekommen. Damals ist mir aufgefallen, dass sich die Idee des „ethisch korrekten“ Einkaufs vor allem an Besserverdienende richtet, die ihrerseits mit dem Finger auf die „unethischen“ Kunden zeigen, die sich keinen Einkauf im Biosupermarkt leisten können, sprich: die weniger gut gestellten Menschen. Mit Gerechtigkeit und Solidarität hat das nichts zu tun – was man übrigens auch daran sehen kann, wie viele Leute Pelzmäntel tragen, wenn sie im Biomarkt einkaufen. Der Einkauf sorgt für die eigene moralische Überlegenheit und markiert auch, wer dazu gehört und wer nicht. Grotesk, denn grundsätzlich ist die Idee des ökologischen Landbaus eine zutiefst solidarische Idee. Darum geht es aber nicht im Bio-Supermarkt – sondern um

oder hat, wie die Altersarmen, ein Leben lang gearbeitet. Relativ arm bedeutet nicht, „nicht so schlimm arm“ – sondern ärmer als der Durchschnitt. Es ist ein Gradmesser für gesellschaftliche Ungleichheit und die immer tiefer werdende Kluft zwischen arm und reich. Wa s d i e n e u e A r m u t n e b e n d e m finanziellen Mangel ausmacht, ist der Ausschluss aus der Gesellschaft: Kino, Restaurant, Theater, Konzerte, Sport etc., das ist für Arme meistens nicht drin. Und weil die Armen sich die rapide steigenden innerstädtischen Mieten nicht leisten 41

können, sind sie gezwungen, an den Stadtrand zu ziehen. Die Wohnung zu verlassen, das vertraute Umfeld – das ist für viele Arme eine so große Katastrophe, dass sie hungern, um einen Teil der Miete aus dem Hartz-IV-Regelsatz zu bezahlen. Am schlimmsten empfinden aber die meisten, mit denen ich gesprochen habe, die Diskriminierung und Kriminalisierung – zum einen in Form von Repressalien der Ämter, zum anderen in Form von Verachtung durch die Gesellschaft: Arme unterstehen dem Generalverdacht des Schmarotzertums, des faulen, unwilligen Arbeitslosen, der uns auf der Tasche liegt. Eine groteske Umkehr der Tatsachen: uns liegen die Reichen auf der Tasche, nicht die Armen. Nicht nur, dass sie durch etliche Steuergeschenke und sanktionierten Steuerbetrug ihr Vermögen mehren können, die Wirtschaftsmächtigen profitieren von der Arbeitsmarktreform, dank derer man Arme zu fast kostenloser Arbeit zwingen kann (Minijobs, Leiharbeit, „Maßnahmen“) – denn nur wer wenig für Arbeit bezahlt, macht auch Profit. Und

indem die Allgemeinheit die Folgen der Finanzkrise gezahlt hat, haben wir auch das Vermögen der Reichen gerettet. Das ist nämlich weltweit angestiegen – genauso wie die Armut. Einen großen Kritikpunkt in Ihrem Buch nehmen die "Tafeln" ein. Sie kritisieren, dass die Tafeln im Endeffekt nicht die Armut bekämpfen, sondern zementieren. Dies steht ziemlich im Widerspruch zu der landläufigen Meinung, dass in Deutschland für jeden gesorgt sei.


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D i e Ta f e l n w i e d e r h o l e n d i e gesellschaftlichen Zustände. Aber Almosen sind nicht das gleiche wie verbriefte Bürgerrechte. Das ist 19. Jahrhundert – die Reichen geben den Armen Brosamen. Das perfide ist, dass mit der Existenz und dem Lob der Tafel, einem Mangel das Wort geredet wird, den es gar nicht gibt: Deutschland ist ein reiches Land – nur teilen sich diesen Reichtum immer weniger untereinander auf, auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist der Skandal. Wir brauchen keine Suppenküchen – wir sind ja nicht im Krieg! Zudem kritisieren Sie, dass vor allem die Wirtschaft einen zu großen Einfluss auf die Tafeln hat, etwa, dass die entsprechende Tafel kein Essen mehr bekommt, wenn diese sich zu kritisch äußert. Wird dabei der Grundgedanke der Tafeln nicht komplett ins Absurde geführt? Diese Sorge äußerte eine Tafelgründerin. Aber eigentlich ist das gar kein Widerspruch: die Tafeln sind ja davon abhängig, dass viel weggeschmissen wird, sonst gibt es ja nichts zu verteilen. Das heißt: Tafeln ändern weder die Strukturen der Armut, noch die der Verschwendung. Im Gegenteil wird der Überproduktion und Verschwendung von Lebensmitteln, die ja für einen Gutteil der Armut und Umweltzerstörung in der Welt verantwortlich sind, durch die Tafeln ein „Sinn“ verliehen. Die Wirtschaftsmächtigen profitieren auf die vielfältigste Art und Weise von den Tafeln. Handelskonzerne sparen sich Entsorgungskosten, bessern ihr Image auf und verschleiern die Verschwendung. Lebensmittelkonzerne, die Neuware spenden (Nestlé, Mars, Coca Cola etc.), bringen Fertigprodukte und Süßkram an den Mann und wecken Konsumsehnsüchte. Und die Wirtschaft generell profitiert von der Verschleierung der Armutsstrukturen, weil sie am Abbau des Sozialstaats zu ihren Gunsten und am Erhalt der Armut interessiert ist: sie sorgt schließlich für das Reserveheer billigster Arbeitskräfte. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet McKinsey die Tafeln bei der Gründung mit einem Handbuch beraten hat. Ein weiterer, sehr großer Teil ihrer Kritik an dem Tafelsystem besteht darin, dass die Bedürftigen häufig wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. So belegen Ihre Recherchen,

dass Menschen, die vielleicht einmal aus der Emotionalität heraus „rummeckern“, unter anderem auch Hausverbot bekommen und die Ehrenamtlichen häufig gar nicht mehr so nett und freundlich sind, wie es die Außendarstellung weiß macht. Sie haben zum Beispiel von einer Frau berichtet, die traurig darüber war, dass sie wegen ihrem 1€-Job immer zu spät kommt und daher nicht mehr so viel bekommt. Die Tafeln leisten freiwillige Hilfe, die Währung ist Dankbarkeit und Anerkennung für die Ehrenamtlichen, die aus dieser Arbeit ja auch für sich selbst etwas ziehen. Die Gewissheit, auf der richtigen Seite des Tisches zu stehen, das Gefühl, „wenigstens was zu tun“ – und für die Wohlhabenden unter den Ehrenamtlichen die Legitimation des eigenen Reichtums, man gebe ja dafür auch etwas „zurück“. Nach dem Motto: „Gut, dass ich so reich bin, so kann ich was für die Armen tun.“ Da möchte man sich nicht gern in Frage stellen lassen von den, wie sie der Soziologe Georg Simmel nennt, „Objekten der Fürsorge“. Die Tafelmitarbeiter bezeichnen ihre Arbeit als Solidarität mit den Armen – aber Müll einsammeln, um ihn an die Armen zu verteilen, das hat nichts mit Solidarität zu tun. Solidarität heißt, Seite an Seite gemeinsam und auf Augenhöhe für Gleichheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Vor ein paar Jahren wurde in Hamburg eine geplante Schulreform, welche sich das skandinavische Modell ein Stück zum Vorbild nahm, gestoppt. Dieser Fall zeigte sehr deutlich, wie sehr die Upperclass dafür kämpft, „unter sich“ zu bleiben. Können Sie diesen Fall noch einmal zusammenfassen und wie wirkte sich das auf das Solidaritätsgefühl aus? Angst macht die Menschen nicht solidarisch, sondern schickt sie in einen Wettbewerb. Der Fall in Hamburg ist dafür exemplarisch. Der schwarz-grüne Senat hatte eine Schulreform beschlossen, die bedeutete, dass alle Kinder gemeinsam sechs Jahre in die Grundschule gehen. Damit sollte die allzu frühe Selektion in der vierten Klasse aufgehoben werden und mehr Bildungsgerechtigkeit durch längeres, gemeinsames Lernen erreicht werden. Eine Initiative namens „Wir wollen lernen“ um den Anwalt Walter Scheuerl, bestehend vor allem aus der Hamburger Upperclass, hat durch elitären und skrupellosen Protest einen Bürgerentscheid erreicht, der diese 42

Reform kippte. Die Eliten haben an einem wettbewerbsorientierten, selektiven Schulsystem Interesse – denn nur das bescheinigt ihnen ja ihre „Leistung“, die ihren Reichtum legitimiert. Dabei gibt es genug leistungsschwache Kinder aus reichen Familien – nur haben da die Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder mit Nachhilfe und in Auslandsinternaten zum guten Abschluss zu bringen. Die Initiative hat ganz bewusst an die Ängste der Mittelschicht gerührt, indem sie suggeriert hat, die Kinder hätten einen Nachteil, wenn sie länger gemeinsam mit sozialoder leistungsschwächeren Schülern lernen. Dabei belegen allerhand Studien das Gegenteil. Die damalige Bildungsministerin Schavan lobte das Ergebnis sogar – und zementierte so den Bildungswettbewerb, der nicht solidarisch ist. Gemeinsames Lernen, Orte, an denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft begegnen, das sind schon Möglichkeiten für mehr Solidarität. Aber genau das findet durch die tiefe Kluft immer weniger statt. Und je mehr sich die Mittelschicht abschottet, umso tiefer wird die Kluft. Wenn wir über die Armut in unserer Konsumgesellschaft sprechen, dann müssen wir auch die Rolle der Medien thematisieren. Vor einiger Zeit wurde vom Statistischen Bundesamt erhoben, dass ungefähr 16 Millionen Menschen von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Eine sehr hohe Zahl, was dazu führte, das daraufhin sämtliche Kommentatoren von Tageszeitungen diese Erhebung schöngerechnet haben. Und häufig kam dann auch die Keule: „Was würden die Menschen in Afrika sagen?“ Das Erschütternde ist, dass es längst nicht mehr das Boulevard ist, das gegen „Florida-Rolf“ u.a. hetzt. Auch die seriösen Zeitungen wie "Zeit" und "FAZ" treten, hochtrabend formuliert allerdings, nach unten. Ausgerechnet diejenigen, die es besser wissen müssten (und vielleicht auch besser wissen). Ich bin manchmal e n t s e t z t d a r ü b e r, w i e w e i t d i e s e Diffamierung geht – etwa, wenn ZeitChefredakteur Giovanni di Lorenzo ausländerfeindlich gefärbte Thesen verbreitet oder in der FAZ gegen Alleinerziehende gehetzt wird. In den Redaktionen sitzt überwiegend die Mittelschicht, die ja auch für die Mittelschicht schreibt – und die ist vollauf mit Selbstmitleid und Besitzstandswahrung beschäftigt und der Angst, dass sie für ihre Leistung nicht ein


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angemessen großes Stück vom Kuchen abbekommt. Viele halten sich deshalb an der grotesken Idee fest, dass wir mit Hartz IV gut durch die Krise gekommen wären, das wird unhinterfragt nachgeplappert, wahrscheinlich als Selbstschutz. Dabei ist das ja ein riesiger Zynismus: wie kann man behaupten, gut durch die Krise gekommen zu sein, wenn 16 Millionen Deutsche Opfer dieser „Krisenbewältigung“ sind? Auf andere zu zeigen, denen es viel schlechter geht, funktioniert ja leider immer verlässlich gut – das verschleiert, dass die Strukturen von Armut, Entrechtung und Unterdrückung überall auf der Welt die gleichen sind. Und es hält die Leute klein und „dankbar“. Es ist ein respektloses, ignorantes, autoritäres und dummes Argument, und es macht mich besonders wütend, wenn es Leute benutzen, die schlau genug wären, die wahren Hintergründe zu durchschauen. Was meinen Sie mit Selbstschutz? Müssten nicht gerade Journalisten unabhängig berichten? Unabhängig berichten heißt, nicht unter der direkten Einflussnahme von Parteien oder Unternehmen zu berichten. Das ist aber nicht das Problem, das Problem ist viel mehr die Haltung der Journalisten. Je mehr sich auch diese aus höheren gesellschaftlichen Schichten rekrutieren, je mehr sie die Interessen der Wohlhabenden teilen (oder zu teilen m e i n e n ) , d e s t o m e h r fi n d e t d a s Niederschlag in den Medien. Auch Journalisten, die zum allergrößten Teil der Mittelschicht entstammen, hängen oft der Idee der Leistungsgerechtigkeit an und haben selbst immer weniger Kontakt und Bezug zu weniger Wohlhabenden oder Armen. Medien funktionieren durch die Krise noch dazu immer mehr als Wirtschaftsunternehmen und agieren nicht inhaltlich, sondern ökonomisch. Geld für Zeitungen haben nicht Arme, sondern die Mittelschicht – und die muss man ansprechen, deren Interessen vertreten. Außerdem sind Zeitungen und Magazine abhängig – allzuviel Sozial- und Konzernkritik schafft da kein anzeigenfreundliches Umfeld und fördert auch keine Karrieren Vor allem Fernsehsender haben sich in den letzten Jahren regelrecht darauf spezialisiert in ihren „ScriptedReality“-Sendungen das Thema Armut auf eine häufig sehr kritisierte Art darzustellen. So kritisieren verschiedene Sozialverbände, dass die Darstellungen in diesen Sendungen

mit der Realität nicht mehr viel zu tun Widerstand sind die Deutschen ja nicht haben. Welche Ziele verfolgen die eben berühmt. Die Franzosen haben Sender damit? zumindest schon mal eine Revolution hinbekommen. Medienkonzerne gehören ja auch zu den Profiteuren der Strukturen und haben In den letzten Wochen und Monaten Interesse am Erhalt. Außerdem ist es ein rückt auch die Sanktionspolitik seitens Klischee, dass das Zeug allein die der Jobcenter ins öffentliche Blickfeld. sogenannte Unterschicht anschaut – es wird auch von der Mittelschicht geschaut. Ich halte die ganze Agenda 2010, zu Sonst würde kein Autokonzern dieser Welt deren Prinzip ja „Fördern und Fordern“ in den Unterbrechungen Werbung g e h ö r t , für eine schalten. Solche Sendungen sind Menschenrechtsverletzung. Ich habe bei außerdem wahnsinnig billig herzustellen, meiner Recherche so viele unfassbare vor allem dann, wenn man Arme, die Geschichten über Gängelungen und Arme spielen, mit Geld erpresst und ihnen Repressalien gehört, es ist ein Skandal. alle Rechte nimmt, sobald sie einen Aber sie hält die Menschen klein und in Vertrag unterschrieben haben. Und Angst, auf dass sie sich bloß nicht Socialbashing funktioniert in Deutschland solidarisieren und aufmucken. Dazu traditionell hervorragend. Dem werden sie auch noch von der Deutschen, der selber aufs Dach kriegt, Gesellschaft verachtet – eine perfekte geht es gleich viel besser, wenn er dann Unterjochungsmaschine zum Vorteil der andere erniedrigen kann. Auch die Herrschenden. Hartz IV ist Gewalt und Bedürftigen hält das bei der Stange, wenn der Alltag gleicht einem offenen Vollzug. sie sich vergewissern können, dass sie so weit unten noch immer nicht sind. Mit Jüngst hat die Bundesagentur für anderen Worten: es hetzt die Leute A r b e i t e i n e P r e s s e m i t t e i l u n g gegeneinander auf und zementiert den herausgegeben, dass von Juli 2011 bis Mythos Sozialschmarotzertum. Juli 2012 über eine Million Hartz IVBezieher sanktioniert wurden. In der Laut Ihrem Buch, betreiben auch P r e s s e m i t t e i l u n g u n d i n v i e l e n Politiker "Socialbashing". Da waren M e d i e n b e r i c h t e n i s t v o n e i n e r und sind die Gründe eindeutig: eine „konsequenten Bekämpfung gegen S t i m m u n g z u s c h a f f e n , d a m i t Missbrauch“ die Rede. Gerade unter Kürzungen von Sozialleistungen von 25jährige wurden häufig sanktioniert. der Mittelschicht und der arbeitenden Was passiert eigentlich bei einer Bevölkerung als gerecht empfunden Sanktionierung? werden. Dabei werden alle schön gegeneinander aufgehetzt: die Sanktionierung heißt, dass Geld Arbeitslosen gegen die Beschäftigten g e s t r i c h e n w i r d , w e n n H a r t z - I Vim Niedriglohnsektor, diese wiederrum Empfänger nicht den Aufforderungen des gegen die Mittelschicht, usw. Versucht Amtes nachkommen, also entweder man so das Volk zu endsolidarisieren, Termine verstreichen lassen oder damit nicht solche Demonstrationen „zumutbare Arbeit“ ablehnen. Das ist wie beispielsweise in Frankreich oder nichts anderes als Arbeitszwang, und der Griechenland entstehen? Man stelle ist in Deutschland verboten. Genauso sich mal vor, ein Gesetz wie die verstößt es gegen das Grundgesetz, Agenda 2010 würde bei den Franzosen M e n s c h e n e i n e G r u n d v e r s o r g u n g ernsthaft erwogen werden… vorzuenthalten. Aber nur mit dieser Sanktionierung und der dazu gehörenden Ich bin davon überzeugt, dass diese Propaganda ist es möglich, Hartz-IVunhaltbaren Zustände ausschließlich mit Empfänger weiter als Schmarotzer zu dem G e g e n s a t z p a a r diffamieren, ja eigentlich als Verbrecher L e i s t u n g s g e r e c h t i g k e i t v e r s u s an den Pranger zu stellen. Dabei handelt Sozialschmarotzertum gerechtfertigt es sich bei den angeblich massenhaften werden können. Außerdem sitzt die Angst Sanktionsfällen gar nicht um Missbrauch. vor dem eigenen Abstieg tief. Auch das ist Da geht es um nicht eingehaltene Termine gewollt und wird geschürt – auch dafür beim Amt zum Beispiel. Verheerend ist, sind die vielen Armen und Hartz-IV- dass sich von FAZ über Süddeutsche bis Empfänger nützlich, sie dienen als hin zur taz ALLE auf die Nachricht Drohkulisse für diejenigen, die noch Arbeit gestürzt haben, es habe einen „Rekord“ haben. Nach dem Motto: entweder ihr bei Sanktionen gegeben. Dabei verhalten akzeptiert die schlechter werdenden sich mehr als 96 Prozent der Hartz-IVBedingungen oder ihr gehört morgen Empfänger korrekt. Und nur etwa drei schon zu denen. Naja, und für den Prozent der Sanktionen beziehen sich 43


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wirklich auf „Missbrauch“ – was auch immer das sein kann. Wie oft solche Sanktionen zu Unrecht verhängt wurden, auch drüber wurde nirgends ein Wort verloren. Seit der Einführung der Hartz-Gesetze im Jahre 2005 sind die Sozialgerichte dauerhaft aus- und überlastet. In jedem 2. Fall wurden die Klagen zumindest zum Teil immer von den Gerichten geteilt. Nun hat die Politik die Hürde erhöht, sodass Kläger nicht mehr so einfach klagen können. Wie empfinden sie dieses Signal seitens der Politik? Konsequent. Wenn schon klein und mundtot machen, dann aber auch richtig... Aber natürlich ist das grotesk, denn das ändert ja nichts an den Ursachen, sondern leugnet sie. Eine billige, aber effektive Methode. Eigentlich müsste man darüber fast lachen – wie ein kleines Kind, das die Hände vors Gesicht hält und schreit: haha, ihr könnt mich nicht sehen! Nun haben wir einige Themen im Rahmen des Interviews angeschnitten. In Ihrem Buch begegnen sie dem Ganzen, auch durch Ihre Recherchen bei Betroffenen, mit Wut. Aber spüren Sie nicht auch ein Stück Ohnmacht? Ja, sicher. Vor allem dann, wenn ich merke, wie tief die Abscheu gegen Arme sitzt und wie sehr die Menschen wirklich überzeugt sind, dass es jeder schaffen kann. Und wenn ich spüre, wie abgeklärt viele bereits sind und die Dinge einfach hinnehmen, was nichts anderes ist als eine Einverständniserklärung. Aber mir sagen viele Leute auch, dass ich ihnen aus dem Herzen spreche und ich habe viele Leute kennengelernt, die genauso denken und ebenso wütend sind auf die Ungerechtigkeit. Das macht mir Mut. Mut gemacht hat mir auch meine Reise nach Bangladesch. Ich habe dort so viele tolle Menschen getroffen, die sich so dringend eine bessere Welt wünschen und so mutig und entschieden dafür kämpfen, davon war ich sehr angetan und habe viel Hoffnung mitgenommen. Ich habe noch immer engen Kontakt zu einigen und ich lerne viel von ihnen. Ich halte mich daran fest und glaube unbedingt, dass wir es gemeinsam schaffen können, diese Welt zu verändern, so dass jeder Mensch auf dieser Welt ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit, ohne Angst und Hunger führen kann. Das ist möglich und das muss das Ziel sein.

Wie erklären Sie sich eigentlich diese und Missstände zu erkennen und sich t i e f e A b s c h e u s e i t e n s d e r gegen sie auflehnen zu können. Armut, Mittelschicht? Ausbeutung und Umweltzerstörung sind ja nicht deshalb in der Welt, weil „die Es ist eine große Portion Abstiegsangst Lösung“ dafür noch nicht gefunden ist. im Spiel, denn es kann heute wirklich Sondern weil Menschen davon profitieren jeden treffen. Und der Abstieg geht ganz und ein Interesse daran haben, dass s c h n e l l . I c h h a t t e j a z u m e i n e r diese Strukturen erhalten bleiben. Es ist Buchrecherche mit vielen gesprochen, die also nicht die Frage, was die Lösung ist, eine ganz normale Jobbiographie hatten, sondern wer sie verhindert. Dafür muss die sagten: ein Jahr, höchstens – und du man aber das Denken ändern: wir dürfen bist draußen. Und es geht auch um uns nicht zufrieden geben mit den Besitzstandswahrung. Ständig fühlt sich Antworten, wir dürfen uns nicht im die Mittelschicht um ihren „gerechten“ Pragmatismus einrichten. Wir müssen uns Anteil betrogen und hat dabei einen völlig mit Machtverhältnissen beschäftigen – verqueren Begriff von Gerechtigkeit und und auch mit Geschichte: wie sind beharrt darauf, auf jeden Fall mehr als die R e v o l u t i o n e n u n d U m w ä l z u n g e n Generation vorher haben zu müssen e n t s t a n d e n ? W e l c h e a l t e r n a t i v e n („Generationengerechtigkeit“) oder als Gesellschaftsmodelle gibt es? Wie sozial S c h w ä c h e r e können wir sie umsetzen? Ich kann diese („Leistungsgerechtigkeit“). Aber natürlich Fragen nicht beantworten, die bedürfen ist es auch so, dass die Deutschen einer Debatte. traditionell nun nicht eben für ihre Solidarität bekannt sind, sondern dafür, Wie reagieren Sie eigentlich auf dem Menschen auszugrenzen und nach unten V o r w u r f , I h r B u c h w ä r e zu treten, um sich selber zu schützen. linkspopulistisch? We l c h e R ü c k m e l d u n g e n g a b e s eigentlich auf Ihr Buch? Gab es Reaktionen von Politikern und Ve r b ä n d e n , d i e s i c h n a c h d e r Veröffentlichung gemeldet haben?

Ich bin ja links. War es immer und werde es immer sein. Wir haben im Interview den Blick auf Deutschland gerichtet. Die EU hat, unter Schirmherrschaft Deutschlands, anderen Ländern drakonische Sparbeschlüsse verordnet, möchten diese in der EU bleiben. Nun wurden Stimmen aus der Wirtschaft laut, dass das Prinzip der Agenda 2010 für Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien doch genau das Richtige wäre.

Ich habe vor allem positive Rückmeldungen und auch Besprechungen bekommen, was mich sehr freut. Von den Politikern, die im Buch vorkommen, hab ich jedenfalls nichts gehört. Aber damit habe ich auch nicht gerechnet. Was mich aber sehr freut ist, dass ich von Betroffenen viele positive Reaktionen bekommen habe. Einige haben gesagt: „Es ist exakt so, wie Sie es Das war zu erwarten. Aber die Menschen beschreiben“. dort sind sich der Enteignungen bewusst und gehen auf die Barrikaden. Wir sollten Ein Vorwurf, den ich häufiger im solidarisch mit ihnen sein, denn wir sitzen Internet gelesen habe, war, dass Sie alle im gleichen Boot und leiden unter z w a r s e h r g u t d e n I S T- Z u s t a n d d e n s e l b e n H e r r s c h a f t s - u n d analysiert und recherchiert haben, aber Besitzverhältnissen. eine Antwort auf die Probleme schuldig bleiben. Frau Hartmann. Ich bedanke mich sehr herzlich für das Interview. Die letzten Ja, es wurde mir bei meinem ersten Buch Worte gehören Ihnen… schon dauernd vorgeworfen, ich würde ja nur rummeckern, hätte aber nicht „die Ich möchte mit meiner Analyse Teil der Lösung“. Mich nervt das, denn das ist Gegenöffentlichkeit sein. Und ich hoffe, passiv und konsumistisch. Wahrscheinlich dass ich damit ein bisschen Wut schüren ist das auch sehr deutsch: jemand soll kann, um Menschen dazu zu bringen, sich kommen, „die Lösung“ bringen und der Zustände bewusst zu werden, sich umsetzen. So funktioniert Demokratie Änderungen zu wünschen und an sie zu aber nicht – zum Glück! Ich bin der glauben, vermeintliche Gewissheiten zu Meinung, dass man erst die hinterfragen, Leidenschaft für Zusammenhänge und Hintergründe G e r e c h t i g k e i t z u e n t w i c k e l n , verstehen muss, um Ungerechtigkeiten Großkonzerne, die plötzlich öko und 44


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sozial sein wollen, auszulachen und an der Debatte teilzunehmen. Vor allem aber zu begreifen, dass gesellschaftliches wie individuelles Glück nur dann entstehen kann, wenn wir mit den Armen solidarisch sind. Ganz nach dem wunderschönen Satz von Antonio Gramsci: „Bildet euch, denn wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, denn wir brauchen eure

ganze Begeisterung. Organisiert euch, Anmerkung: denn wir brauchen eure ganze Kraft.“ Die in diesem Beitrag vertretenen Ansichten und getroffenen Aussagen, Axel Meßinger s p i e g e l n n i c h t d i e M e i n u n g d e r visit: Gesamtredaktion des Dark Feather www.ende-der-maerchenstunde.de Magazines wider. w w w . f a c e b o o k . c o m / wir.muessen.leider.draussen.bleiben

Kathrin Hartmann Wir müssen leider draussen bleiben Karl Blessing Verlag, März 2012 416 Seiten/ 18,95 € ISBN: 978-3-89667-457-9 Im Interview mit der Autorin, habt Ihr schon einen groben Einblick zu den Themen des Buches und dem Ziel der Autorin erhalten. Eigentlich spricht das Interview inhaltlich auch für sich, doch möchte ich an dieser Stelle dennoch ein paar Worte zu diesem Buch verlieren. Eine größere Inhaltsangabe ist an dieser Stelle nicht nötig, ohne dass ich Punkte aus dem Interview wiederhole. Insgesamt hat das Buch 9 große Kapitel: 1. Kultivierter Hass: Warum die Konsumgesellschaft ihren Bestand durch Ausgrenzung sichert und die Mittelschicht sich nach oben orientiert, während sie nach unten tritt 2. Dann sollen sie doch Kuchen essen! Überschuss für die Überflüssigen: Wie die Tafeln arbeiten und was sie bewirken 3.Von der Gentrifizierung zur Gated Community: Wie in den Städten Arme durch Wohlhabende verdrängt werden und warum die Politik dies befördert 4. Die Macht der Eliten: Warum sich die Reichen aus der Gesellschaft verabschiedet haben und wie sie um mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmihren Vorteil kämpfen 5. Endlich sagt's mal einer! Wie das Feuilleton die Rechte der Etablierten verteidigt 6. Das Ende der Solidarität: Wie die Politik zugunsten der Wirtschaft Arbeit zerstört und Menschen bricht 7. Die Privatisierung der Weltrettung: Social Business oder Profite mit den Ärmsten 8. Mikrokredite: Wahnsinn mit Methode. Eine Reportage aus Bangladesch 9. Her mit dem schönen Leben! Warum nur wir als Gesellschaft für gerechten Wohlstand kämpfen können Dabei dient „Kultivierter Hass“ als Einleitung und „Her mit dem schönen Leben!“ als eine Art Schlusswort der Autorin. In den restlichen 7 Kapiteln geht es um die jeweiligen Themen. Jedes Kapitel ist dabei noch einmal in einzelne Unterkapitel aufgeteilt. Was mich beim Lesen des Buches beeindruckt hat, war die leicht verständliche Sprache der Autorin. Sie erklärt in ihren Texten auf die einfachste Weise komplexe Zusammenhänge, etwa wie die Gentrifizierung in den Großstädten vonstatten geht oder welcher Zusammenhang zwischen Mikrokrediten in Bangladesch mit der Armut in unserer westlichen Konsumgesellschaft besteht. Dabei muss der Leser nicht zwingend täglich Nachrichten gucken oder politisch überinteressiert sein, um mitzukommen. Denn die einzelnen Themen wurden soweit aufgearbeitet, dass diese auch Menschen verstehen, die etwa erst seit der Occupy-Bewegung etwas von sozialer Ungleichheit gehört haben. Hartmann geht in den Kapiteln immer ähnlich vor. Zuerst werden individuelle Schicksale wiedergegeben, etwa das einer alleinerziehenden Frau von zwei Kindern, die bei der Tafel Essen holt. Danach folgt die wissenschaftliche Empirie. Wann haben sich die Tafeln gebildet, wie groß ist der Anstieg an Menschen, die auf die Tafeln angewiesen sind, in den letzten Jahren? Welche Ziele haben sich die Tafeln selbst gegeben und welche Rolle spielt die Lebensmittelindustrie dabei? Anhand der Empirie, werden die Vorgänge in den Reportagen nicht nur erklärt und ihnen auf den Grund gegangen, sondern es wird auch gezeigt, welche Auswirkungen diese auf die anonymisierten Protagonisten der einzelnen Reportagen haben. So wechselt das Buch immer wieder zwischen Empirie und Theorie sowie der Praxis und der Lebenswirklichkeit. Diese Gegenüberstellung macht das Buch so spannend. Als Leser bekommt man dabei Zusammenhänge aufgezeigt, die man vorher – auch wenn man sich schon länger mit der Sozialpolitik auseinandergesetzt hat – so vielleicht noch nicht gesehen hat. Unterfüttert wird die Recherche dabei mit einer sehr großen Zahl an Quellenangaben und Verweisen. Am Ende des Buches sind über 500 solcher Quellenangaben akribisch aufgeschlüsselt. Wenn im Buch also von einer Studie, einem Interview oder einem Artikel die Rede ist, worauf sich der Inhalt bezieht, dann ist dies mit einer Fußnote markiert und am Ende des Buches näher erörtert, zu 99% mit Internetlink. So kann man bei der Lektüre jederzeit nachvollziehen, woher die Autorin ihre Informationen hat. Loben muss man auch den Schreibstil Hartmanns. Wie schon erwähnt, sind die Texte, die im einzelnen manchmal ausführlichen Zeitungsartikeln gleichen (was kein Wunder ist, wenn man schaut, wo die Autorin ihre professionellen Wurzeln hat), leicht verständlich. Doch trotzdem geht die Analyse sehr tief und bleibt nicht an der Oberfläche stecken. Die Reportagen und Berichte von zumeist betroffenen Menschen sind angenehm objektiv und neutral gehalten, kommen ohne weitere gefühlsbetonte Phrasen aus. Nichtsdestotrotz gibt es Stellen im Buch, wo sich die Autorin anhand ihrer recherchierten Inhalte auch mal Luft macht, wütend ist – Emotionen zeigt und ihre eigenen Ansichten und Gedanken wiedergibt. Dies erkennt man dann an einem persönlicheren Schreibstil und kann diese Passagen daher gut von den anderen Inhalten unterscheiden. Insgesamt ist „Wir müssen leider draussen bleiben“ ein gelungenes Buch. Die Mischung aus Reportagen, Interviews und journalistischen Zusammenfassungen sorgt dafür, dass die Lektüre abwechslungsreich ist. Die Texte kommen nicht trocken, sondern geradezu lebendig daher. Schön finde ich zudem, dass auch betroffene Menschen zu Wort kommen, eben nicht nur über sie geschrieben wird, sondern auch mit ihnen. Wie im Interview angedeutet, geht es Kathrin Hartmann nicht darum, eine Lösung zu präsentieren. Sondern ihr geht es vielmehr darum, den derzeitigen Zustand von Millionen Menschen aufzuzeigen – ganz ohne Phrasen, Vorurteile und Klischees. Die Inhalte des Buches sollen zum Nachdenken und zum Diskutieren anregen. Und vor allem dazu, kritisch die von Medien gesäten Klischees und Vorurteile zu hinterfragen. Axel Meßinger

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RESOMUS

....sind rockifiziert

Die Stadt Trier ist bislang eher durch ihre römische Geschichte als durch ihren Stellenwert in der deutschen Rock- und Metalszene bekannt. Dass das einzelne Künstler und Formationen nicht daran hindert, ihr eigenes Ding zu machen und sich vom Underground aus langsam nach oben zu arbeiten, zeigen Bands wie Resomus. Die Formation um Sänger und Bassist Danny Reeves spielt harte Rockmusik mit deutschen Texten und stellte unlängst ihre EP „Völkermord“ vor. Wir sprachen mit Danny über die Veröffentlichung und die Songs, sowie über die Bandgeschichte im Allgemeinen.

Nachdem ich 2010 mein erstes Album gemacht hatte, wuchs in mir der Wunsch, wieder in einer Gemeinschaft zu musizieren und auch wieder live zu spielen. Auch wenn es für den Anfang, für die Stilfindung, völlig Hallo Resomus, hallo Danny! Auch in Ordnung war, alleine zu starten, so ist wenn auf eurer Webseite schon ein es doch ein ganz anderes Feeling, mit paar Worte zu eurer Geschichte einer Truppe loszulegen. stehen, fangen wir doch mal mit den Details an: wie seid ihr als Band Wa s w a r e n o d e r s i n d f ü r d i c h zusammen gekommen? ausschlaggebende Voraussetzungen Hallo Dark Feather. Nun, die Mitstreiter findet man ja heutzutage nicht mehr wie früher durch Aushang im Musikgeschäft um die Ecke (meist gibt es ja keinen Laden mehr), sondern durch Ausschreibungen im Internet, auf Musikerportalen oder am virtuellen, schwarzen Brett von OnlineMusikgeschäften. Auch dort nutzte ich die Gelegenheit und somit wurden schnell weitere Bandmitglieder gefunden.

für eine Zusammenarbeit als Musiker? Woher wusstest du, dass die anderen die richtigen Leute für eine gemeinsame Band sind?

Für mich galt es Leute zu finden, in denen das gleiche Feuer brennt wie in mir. Um es mit einem meiner Lieblingswörter zu sagen: die rockifiziert sind. Wir hatten zwischendurch ja Besetzungswechsel, aber die Truppe wie sie heute steht ist definitiv rockifiziert! Was für mich eben gar nicht geht sind Leute, die von vornherein Ursprünglich war die Band Dein denken, sie können mit dem Hobby und Soloprojekt, wie ist es dann dazu dem Status Newcomer direkt Hits gekommen, dass ihr eine feste Band schreiben und 'ne Menge Knete mit der wurdet? 46

Musik verdienen. Das ist sowas von lächerlich und das sind für mich Leute, die das Herzblut nicht besitzen, eigene Musik zu vertreten. Die müssen sich entweder eine Band suchen, die auf der Erfolgsleiter ganz oben ist oder eben - ohne das abwertend zu meinen - in eine Coverband einsteigen. Stand von vornherein fest, dass die Texte auf deutsch verfasst werden sollen oder habt ihr das später entschieden? Stand jemals zur Debatte, englische Texte zu schreiben? Für mich stand das fest, meine Texte in Deutsch zu verfassen. So haben es die nachher dazugestoßenen Mitglieder ja von vornherein kennengelernt. Englisch stand bislang nicht zur Debatte, sollte man grundsätzlich nie ausschließen. Sollte der Hit nicht in deutsch gelandet werden, versuchen wir es eben auf englisch....Sorry, der musste einfach sein (lacht). Also ohne Flachs jetzt, man sollte es nicht ausschließen, bisweilen gibt es da aber noch keine Songs in englischer Sprache. Eure EP „Völkermord“ ist vor ein paar Wochen erschienen und ist mit sechs Songs gut bestückt. Gab es Überlegungen, direkt ein komplettes Album zu machen und was gab


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letztendlich den Ausschlag in Richtung Mensch eine Art von Hass entgegen, für EP? den es überhaupt keinen Grund gibt. Wenn mich jemand kennenlernt und sagt: Richtig. Die EP ist das erste, größere “Oh Mann ist das ein A****, der geht mir Gesamtwerk als komplette Band. Um nicht ab“, ist das ja ok. Aber mich im einen Einblick in unseren Stilmix zu Vorfeld zu verurteilen, ist einfach nur gewähren, empfanden wir eine EP vorerst lächerlich. mal als besten Weg, es den Hörern zu präsentieren. Wie kann ein Mensch ernsthaft denken, er sei wegen seiner Herkunft etwas Der Opener „Rockifiziert“ beginnt mit besseres als Menschen mit anderer einem recht einprägsamen Gitarrenriff Herkunft, Religion oder Hautfarbe? – h a t t e s i c h d e r S o n g d a m i t Deshalb hat es uns sehr getroffen, als uns automatisch zum Opener qualifiziert vor ein paar Tagen eine Email erreichte in oder hat es länger gedauert, bis ihr die der jemand behauptete, unsere Musik Reihenfolge der Songs fertig hattet? würde in die rechte Ecke gehen.

Gitarren und ist deutsch. Hattet ihr schon Momente, wo Veranstalter oder Konzertbesucher nicht die richtigen Erwartungen an euch hatten?

Ich korrigiere an der Stelle.Der Song beginnt mit einem Bassriff (lacht) Aber ja, das war schon so gedacht. Bei der restlichen Reihenfolge waren wir uns auch recht zügig einig geworden. Den Titelsong „Völkermord“ in die Mitte zu packen lag für uns da auf der Hand und erschien uns am sinnvollsten.

So etwas Hirnrissiges habe ich schon lange nicht mehr gehört. Da sieht man aber wieder wie oberflächlich die Leute sind. Ein Blick auf unser Bandfoto, einmal richtig hingehört, dann sind schon alle Fragen geklärt. Da wurde auch gerade der Song „Einer von Euch“ angeprangert.

Wenn mich jemand fragt, welche Musik macht ihr, sage ich: „Rockmusik mit deutschen Texten“ - in welche Richtung es geht, lässt sich ja anhand gewisser Faktoren etwas genauer erkennen: ist es eher punkig, hat es Metal-Einflüsse oder ist es doch PopRock?

D i e Te x t e s i n d o f t m e h r f a c h interpretierbar, scheint mir. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Songtexten oder steht jeder für sich?

Ich bin auch kein Freund von unzähligen Genre -Titulierungen, aber es könnte vielleicht manches Missverständnis im Vorfeld schon ausräumen.

Der Gesang hat je nach Song andere Facetten: auf der einen Seite gibt es melodischen Klargesang („Spiegel der Seele“), auf der anderen Seite kommt in „Völkermord“ auch das gerollte „rrr“ und etwas mehr Gebrüll zum Tragen. Sind das bewusste Entscheidungen im Arrangement oder kam das von alleine?

Das ist doch das Schöne an Musik. Man schafft einen Freiraum, in dem sich jeder, auf seine Erlebnisse bezogen, ein Bild machen kann, die Songs so sehen, wie es ihn glücklich macht und antreibt. Deshalb Ich bin darauf bedacht, meinen Gesang möchte ich das auch so stehen lassen. auf das Thema, die Stimmung im Song, Bin aber immer interessiert wie Hörer die anzupassen und dabei immer das, was Songs oder Texte interpretieren. ich fühle mit einfließen zu lassen. So wie sich das textlich Beschriebene vor Waren die Songs schon soweit fertig, meinem geistigen Auge abspielt, so als ihr mit den Aufnahmen begonnen bringe ich es über die Stimmbänder nach habt oder habt ihr während der außen. Aufnahmen noch an den eigentlichen Songs gearbeitet? Ist „Einer von Euch“ derselbe Song wie auf Eurem Debütalbum? Wenn ja, Die Songs wurden bis dato ja schon eine h a b t i h r i h n n e u a u f g e l e g t ? Weile gespielt und auch soweit fertig. Und...warum? Man stellt immer mal fest: „Hey ich könnte das auch mal so versuchen“. Das Korrekt, gut aufgepasst (lacht). Der Song gehört auch dazu und ist manchmal auch ist für mich selbst einer der wichtigsten, sehr bereichernd. denn er greift das Thema auf, das es schon viel zulange auf diesem Planeten Unter dem Begriff „Deutschrock“ fasst gibt... und wohl solange es Menschen gibt die schreibende Presse ja inzwischen auch immer geben wird: es schlägt einem alles von Revolverheld bis zu den heute noch als „anders“ aussehender Onkelz zusammen, Hauptsache, es hat

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Das hast du wirklich schön ausgedrückt. Was manche als Deutschrock deklarieren ist für mich oft eher Deutschpop. Bislang blieb uns das erspart. Ich denke, dass ein guter Veranstalter sich die Bands, die er bucht, im Vorfeld anhört und entscheidet, ob sie auf seine Veranstaltung passen oder nicht. Natürlich ist das noch keine Garantie auch beim Publikum zu bestehen. Wie gesagt, das blieb uns zum Glück bislang erspart.

Welcher deutschsprachigen Band oder welchem deutschsprachigen Künstler fühlt ihr euch selbst denn am ehesten nahestehend – musikalisch und/oder textlich? Tja, das ist ja so eine Frage, das überlassen wir am Liebsten auch den


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Hörern, das zu sagen. Was uns bislang häufig begegnet ist die Aussage, wir wären eine Mischung aus den diversen großen Acts. Es heißt dann: „Ihr klingt wie eine Mischung aus Onkelz, Rammstein und Schandmaul.“ Für unser Empfinden ist das eines der besten Komplimente, die man bekommen kann im deutschsprachigen Bereich. Unsere Einflüsse sind vielseitig, auch über den Bereich der deutschsprachigen Musik hinaus. Gerne kannst du uns ja mal ein Feedback geben ;)

angesprochen, und wie war eure erste Reaktion? Du sagst es, das Ganze ist noch recht frisch und an dieser Stelle vielen Dank an die Leute, die das Ganze ins Leben gerufen haben! Den ersten ResomusFanClub. So richtig kam das glaube ich - Anfang November:

Habt ihr für die nähere Zukunft konkrete Tourpläne oder was steht bei euch als Nächstes an? Am 8.12. haben wir in Saarbrücken unseren letzten Gig für das Jahr 2012 gespielt. Zur Zeit schreiben wir an neuen Songs, um diese im neuen Jahr mit im Gepäck zu haben. Einige Termine stehen schon fest für 2013. Diese findet ihr auf unserer Homepage www.resomus.de Wir freuen uns auf 2013 und mit euch zu rocken! Resomus wünschen euch ein rockiges neues Jahr! Weiter rocken!!

Sie haben mich per Mail kontaktiert, ob sie, erstmal virtuell, bei Facebook einen Fanclub starten dürften. Natürlich freut einen das sehr und macht einen auch Wäre „Völkermord“ eine Frucht oder stolz, wenn es Leute gibt, die a) unsere ein Gemüse, welches wäre es am Mukke hören und b) so drauf stehen, dass sie sagen: „Wir starten einen Fanclub“. Ihr ehesten? seid wahrlich rockifiziert! Ganz klar eine Zitrone! Es kann jeder mitmachen, der will. Eine Tatsache, die für eine Band nach A b s o l u t f r e i w i l l i g . J e d e r, d e r u n s visit: www.resomus.de zwei Jahren eher unüblich ist: ihr habt supporten will, kann das, wenn er möchte, euren eigenen Fanclub. Wann haben auch über den RFC. euch die Gründer auf die Idee

Masi Kriegs

Resomus “Völkermord” (EP, November 2012) Kompromissloser Rock mit deutschen Texten, das mag das passendste Schlagwort für Resomus aus Trier sein. Mit "Völkermord" veröffentlichen die Jungs ihre erste EP und schaffen es mit den sechs Songs gekonnt, jedem eins-zu-eins Vergleich mit musikalischen Kollegen zu entgehen. So sind die Songs beispielsweise eine Spur zu sauber, um im Fahrwasser Onkelz'schen Kneipenrocks zu schwimmen, die Texte wiederum sind zu durchdacht und existentialistisch für eine Cross-Referenz zu den Toten Hosen. Auch der musikalische Stil ist ein eigener: zu punkig für reinen Metal, zu metallisch für echten Punk, insofern machen Resomus aus den offensichtlichen Tatsachen eine Tugend und ziehen ihr eigenes Ding durch, und das konsequent. Inhaltlich bewegen sich die Texte zwischen seelischen Statusmeldungen und Einblicken in die Gedankenwelt von Sänger Danny Reeves ("Rockifiziert", Das Labyrinth", "Spiegel der Seele") und dem sprichwörtlichen Spiegel, den die Band der Welt und der Gesellschaft vorhält ("Völkermord", "Einer von euch"), ohne dabei jedoch unangenehm ins Moralisieren abzudriften. Obendrein gibt eine dermaßen stabile Headbang-Garantie, dass man den Live-Aktivitäten und der nächsten Veröffentlichung von Resomus gespannt entgegensehen kann.

Masi Kriegs

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'Lebe wohl – Eine verhaengnisvolle Affaire' Kalt und leer erscheint mein Zimmer, meine Muse ist hinfort... Fort auf ewig, fort fuer immer...

Niemand weiß, wie ich mich fuehle...

Mit Ihr malerisches Wort...

Fuehl' ich nichts, fuehl' ich zu viel... Weißt Du nicht, wie ich mich quaele ?

Meine Traenen bilden Meere...

War das alles bloß ein Spiel ?

Liebeskummer peitscht mich nieder... Schonungslos verschlingt mich Leere,

Ich bedecke meine Glieder,

schließ' ich meine Augenlider...

huelle mich in schwarzes Tuch... Sanft erklingen Totenlieder,

Ach, wie gern' wuerd' ich Dich hassen,

Blut tropft auf ein leeres Buch...

hassen, gleich dem aergsten Feind ! Doch ich kann nicht von Dir lassen,

Meine Wunden bilden Seen,

von Dir lassen, wie es scheint...

Seen aus tiefstem Dunkelrot... Kann denn Sehnsucht je vergeh'n ?

Niemand, der Dich je ersetzt

Ueberdauert Sie den Tod ?

oder die Novemberwochen... Tief gekraenkt und schwer verletzt,

Alles, was Du jemals hast

hat mich Dein Verlust zerbrochen...

tief in meinem Herz entfacht, zuckt im Strick an einem Ast

Seit Du mich verlassen hast,

bis zum Ende jener Schlacht...

ist mein Leben eine Qual... Ich ergeb' mich dieser Last

Niemals habe ich verheimlicht

als mein letztes Henkersmahl...

vor Dir, wer ich wirklich bin... Meine Ware, schwer beschaedigt,

Weil ich nicht ertragen kann

laengst verloren, ohnehin...

Sehnsucht bis zum Lebensende, setze ich die Klinge an...

Schwer sind meine Augenlider,

Schwaeche faehrt durch meine Haende...

schwach, das Pochen in der Brust... Das was war, kehrt nimmer wieder... Ewig lebt nur unser Kuss. Pale – 1December, 2012

...von der Muse gekuesst, schreibt die Dunkelkuenstlerin und Musikerin Pale Violett wieder Gedichte... Trauerlyrik, um das Kind beim Namen zu nennen... Kontakt: paleviolett@web.de 49


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Alte Musik neu interpretiert Langjährige

Dark Feather - Leser kennen die Band Oilensanc. So waren sie bereits 2009 schon einmal bei uns zu Gast. Letztes Jahr erschien die neue LP „Spigelzit“ und so haben wir die Spielleutʻ wieder einmal in unser kuscheliges Magazin eingeladen. Wir haben ein wenig über die neue Platte sowie über die Szene und die Einflüsse der Band geplaudert. Die Antworten folgen nun… Hallo, Ihr Oilen! Schön, dass Ihr Euch Zeit für das Interview nehmt und damit ein herzliches: „Willkommen zurück im Dark Feather!“ Letztes Jahr erschien Euer aktuelles Album „Spigelzit“. Wie war die Reaktion nach der Veröffentlichung? Ragnar/Gerhard: Von der Presse haben wir ein tolles Echo bekommen, Folker, Zillo und Karfunkel haben sehr gute Rezensionen verfasst, in denen vor allem

die Vielfarbigkeit und die kreativen Arrangements des Albums gelobt wurden. Allerdings haben wir es damit unseren eingefleischten Fans nicht immer ganz leicht gemacht, weil wir doch wirklich viele unterschiedliche Stilistiken und Arrangements verwendet haben und auch die ruhigeren Töne viel Raum bekamen. Man musste sich diesmal vielleicht erst ein wenig mehr reinhören, aber dann gefiel es doch ziemlich gut. Das Heranwachsen eines neuen Albums ist bekanntlich immer eine recht intime Angelegenheit. Von der Auswahl der Songs, dem Komponieren neuer Stücke und der Aufnahme und der Veröffentlichung vergehen Monate, wenn nicht manchmal Jahre. Wie würdet den Entstehungsprozess von „Spigelzit“ beschreiben? Welche Gefühle und Intentionen stecken in diesem Album?

unseren legendären Probewochenenden, wo wir uns mit unseren Ideen dann gegenseitig befruchten. Ich denke, wir sind in unserer Art, Arrangements zu gestalten und unsere vielen Instrumente und Stimmen einzusetzen, mit „Spigelzit“ gereift. Der Entstehungsprozess bis zum fertigen Mastering war dieses Mal recht lang, da wir das zum Teil nebenberuflich machen und der ein oder andere Studiotermin etwas nach hinten verschoben werden musste aufgrund von plötzlichen Zwischenfällen. Das hat dann andererseits aber auch wieder einen positiven Einfluss auf das Endprodukt, was sich über einen eben sehr langen Zeitraum immer weiterentwickelt.

Anne: Dieses Album ist in meinen Augen gefühlvoller und persönlicher als unser vorheriges. Nicht nur durch die vielen eigenen Stücke, Texte oder Melodien, auch durch die Art des Arrangierens und Instrumentierens. Die CD spiegelt uns Ragnar/Gerhard: Bei uns gibt es Alle, in allen Facetten wider. Und ja, eigentlich viele kreative Köpfe, an Ideen m a n c h e s b r a u c h t s e i n e Z e i t z u m mangelt es nie. Das Meiste entsteht bei Entstehen. Das Lied „Nu rue mit Sorgen“

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zum Beispiel hat drei Jahre gebraucht bis ich, dass die Szene, grade was die Musik es zu unserem wurde. Andere Stücke sind angeht, momentan unglaublich an Vielfalt nach zwei Stunden schon fertig. gewinnt. Es gibt so viele neue, unterschiedliche Bands, die man nicht in eine bestimmte Schublade stecken kann. „Spigelzit“ wirkt auf mich sehr gereift. S o fi n d e i c h d i e Q u a l i t ä t d e r Ragnar: Natürlich gibt es immer mal Aufnahmen und die Abwechslung im wieder Menschen, die einem bestimmte I n s t r u m e n t a r i u m u n d d e n Schranken auferlegen wollen, aber ich verschiedenen Gesängen sehr gut. Wo denke, wir sind da recht unempfindlich seht Ihr selbst die Unterschiede zu geworden. Wir mischen halt gerne Euren früheren Veröffentlichungen? verschiedene Stile, Epochen, Texte usw., aber mögen trotzdem, wenn es Bezug Ragnar: Danke, das ist ein sehr schönes zum Mittelalter hat oder eben etwas „alt“ Kompliment. Ich denke auch, wir haben klingt. unseren typischen Sound oder sagen wir, die Art und Weise, wie die Oilen alte Dahingehend folgende Frage: Wie Weisen oder Eigenes interpretieren, e m p fi n d e t I h r d i e s e h ä u fi g weiterentwickelt. Beim letzten Album gab a n z u t r e f f e n d e M e i n u n g , d a s s es ein paar Stücke, die haben wir einfach m i t t e l a l t e r l i c h e M u s i k a u c h s o drauflos gespielt, eben etwas roher noch. authentisch wie möglich sein muss? Und man versucht natürlich, auch Ich finde das immer wieder traurig, klanglich, mehr rauszuholen, bei jedem wenn verschiedene Menschen dies Studiobesuch lernt man etwas dazu. Wir fordern. Immerhin ist Musik Kunst und wissen auch jetzt schon wieder, was wir Kunst sollte doch frei atmen dürfen. nächstes Mal anders machen wollen ;-) Was ist Eure Meinung zu diesem Thema? Anne: „Spigelzit“ ist auf jeden Fall „erwachsener“ und durchdachter als Ragnar: Das ist eine Frage des Ansatzes. unsere letzte CD. Zum einen haben wir ja Man kann eben versuchen, alles so a l l e i m L a u f e d e r l e t z t e n J a h r e authentisch und nah an der Zeit wie Erfahrungen gesammelt, auf der Bühne, möglich zu interpretieren. Dabei stößt im Studio bei der letzten CD, beim man aber auch auf gewisse Grenzen. Ich Arrangieren und Komponieren. Zum finde, dass Musik immer auch lebendig anderen haben wir uns diesmal viel mehr sein muss und daher interpretieren wir Zeit gelassen beim Aufnehmen. Da waren Musik gerne so, wie wir sie empfinden wir schon viel perfektionistischer als das und sind dabei natürlich nicht losgelöst letzte Mal ϑ von der Welt in der wir heute leben.

Was mir sehr gefällt ist, dass Ihr Euch nicht von der Schublade „Mittelalter“ die Musik, die Ihr macht, diktieren lasst. So interpretiert Ihr Texte mit neu komponierten Melodien. Und häufig gibt es auch Ausflüge in das Feld der traditionellen Folkmusik (z.B. im Song „The Willow Tree“ kommt dieser Einschlag sehr zum Vorschein). Findet Ihr diesbezüglich diese Stigmata, die man häufig in der mittelalterlichen Musikszene hat, als hinderlich? Immerhin erwarten viele Hörer einen ganz speziellen Stil… Anne: Nein, ich empfinde das nicht als hinderlich. Man hat es als Band ja meist ganz gut in der Hand, welches Publikum man anspricht. Wir passen unser Repertoire natürlich an, je nachdem wo wir grade spielen. In der Kirche, im kleinen Konzertraum oder auf einem Markt… Wir können laut, aber eben auch leise und das ist gut so… Auch glaube

Anne: Ich stimme dir und Ragnar vollkommen zu. Noten abspielen ist für mich noch keine Musik. Die entsteht erst durch die Menschen, die sie machen und sie prägen. Und so wird es ja auch erst interessant! Es ist doch immer wieder spannend zu hören, was verschiedene Bands aus einem mittelalterlichen Lied machen. Manche alten Melodien gefallen mir auch einfach nicht. „Das Kchühorn“ zum Beispiel ist ein super Text, lustig, mit Schalk und Charme. Die ursprüngliche Melodie passte in meinen Augen einfach überhaupt nicht dazu, weil sie so eintönig ist, nur aus drei Tönen besteht (vielleicht waren es auch fünf…). Und so lebt Musik weiter, das ist ja das Schöne daran. Wem das nicht gefällt, der muss in der Abteilung für Alte Musik in einem der immer weniger werdenden CDFachhandel suchen….

Herangehensweise an diese eine Rolle? Gerhard: Es gibt gerade in Bezug auf die Musik unendlich viele Inspirationsquellen. Die meisten davon kommen aus dem täglichen Leben. Für uns (viele von uns) ist Musik immer ein Spiegel des Lebens mit all seinen Facetten, von daher haben unsere verschiedenen persönlichen Erlebnisse oder auch Fantasien und Sehnsüchte sicher großen Einfluss auf unsere Musik. Es gibt aber auch eher abstrakte, mittelbare Inspirationen wie z. B. eine „fremde“ Geschichte oder ein Theaterstück, das vertont wird. Auch der Klang ungewöhnlicher Instrumente animiert uns oft zu besonderen Arrangements. Nicht zuletzt ist es eben aber auch der ganz besondere Zauber der alten Musik. Wie vorhin schon angedeutet, macht Ihr musikalisch Euer eigenes Ding. Dies wird umso verständlicher, wenn man sich anschaut, aus welch unterschiedlichen Bereichen die einzelnen Musiker kommen: Weltmusik, Jazz, Folk, Rock, Metal. Wie kann sich der Leser diese Chemie vorstellen, wenn so viele unterschiedliche Ty p e n zusammenkommen, um gemeinsam zu musizieren? Kann man diese Magie in Worte fassen? Ragnar: Das hat manchmal tatsächlich etwas Magisches. Jeder spielt die Sachen halt aus seinem eigenen musikalischen Erfahrungshorizont heraus, lernt aber eben auch von den jeweils anderen. Mittlerweile hat sich das sehr eingespielt; am Anfang musste sicher jeder ab und an mal schlucken, wenn jemand was bestimmtes gespielt hat. Ich denke aber, das ist im Grunde bei jeder Band so, der gemeinsame Sound erwächst durch das, was die einzelnen so mitbringen und dann gemeinsam daraus gestalten. Bei manchen Bands klappt das, bei anderen geht das schief. Letzteres hab ich auch schon erlebt.

Anne: Es gab da grad in unserer Anfangszeit wirklich interessante Erfahrungen ϑ Johanna und ich bringen zum Beispiel sehr viel Chor-Erfahrung mit. Nur dadurch können wir mit Schorsch unsere Gesangssätze singen, die ich ohne mein klassisches Gitarrenstudium nicht so schreiben würde. Ragnar als Welche Inspirationen spielen in Eurer G i t a r r e n l e h r e r , mit den Musik und Eurer eigenen, persönlichen unterschiedlichsten Stilerfahrungen, lässt uns immer wieder staunen, was ihm zu 51


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einem neuen Stück einfällt. Edith bringt uns allein durch ihr schier unermessliches Instrumentarium immer wieder zum Staunen und Lachen und Gerhard hat die neue CD mit seinem typischen Sound sehr wesentlich geprägt… Wenn man aus so vielen verschiedenen Genres zusammenkommt, ist es das Wichtigste, offen zu sein für Neues. Lernund Kompromissbereitschaft spielen da eine große Rolle. Etwas was wir immer wieder sehr gerne fragen: Habt Ihr als Musiker eine professionelle Ausbildung genossen? Wie wichtig empfindet Ihr eine gute Musikausbildung? Ragnar: Bei uns haben fast alle eine wie auch immer geartete - musikalische Vorbildung. Ich denke, es ist nicht unbedingt notwendig, eine gute Ausbildung zu haben, um gute Musik zu machen. Ein Hindernis ist es aber auch n i c h t u n d d i e Ve r s t ä n d i g u n g untereinander ist einfacher.

Anne: Ja, da stimme ich Ragnar zu. Eine Ausbildung ist keine Voraussetzung, sonst würde es viele wahnsinnig gute Musiker ja gar nicht geben. Aber es erleichtert Vieles. Was plant Ihr für das Jahr 2013? Mit Liveauftritten sah es 2012 recht mager aus. Habt Ihr vor, wieder vermehrt live aufzutreten? Ragnar: Du hast vollkommen recht, wir müssen wieder etwas mehr auf die Bühne. Im letzten Jahr waren wir ziemlich ausgepowered nach der schönen und langen Studiozeit. Wir haben eben sehr unterschiedliche Berufe und unsere freien Zeiten decken sich nicht unbedingt. Aber ich denke, dass wir 2013 den Fokus wieder mehr aufs Live spielen legen werden. Und zum Schluss: Was waren die schönsten und skurrilsten Dinge, die Euch seit dem letzten Interview (2009) widerfahren sind?

fertige CD in den Händen hält. Skurril? Hm, da fällt mir spontan nichts ein, aber nachher ärger ich mich bestimmt;-) Anne: Es gab viele schöne Dinge in den letzten Jahren; mein persönliches Highlight war nach der Feuerzangenbowle 2010 in der Tiefgarage „Era escuro“ zu singen ϑ Skurril ist schon schwieriger... Erdnüsse in der Rahmnetrommel, weil man die Oceandrum vergessen hat, „Eulensand“ in der Konzertankündigung… Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören Euch… Ragnar: Vielen Dank für das tolle Interview, ihr lasst euch echt super Fragen einfallen. Macht weiter so mit dem Magazin!

Axel Meßinger

Ragnar: In Bezug auf die Band ist das visit: www.oilensanc.de Schönste sicher der Moment, wo man die

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Das Motiv unseres Titelbildes wurde dem Ornamentik-Kalender 2013 entnommen, einem Produkt des Wiesbadener Künstlerduos Vee-Jas (Tanja Meurer, Juliane Seidel), die wir Euch in der Dark Feather #21 bereits im Portrait vorgestellt haben. Die Cover-Illustration trägt den Titel „Das Gewicht einer Seele“ und wurde gezeichnet von Tanja Meurer. Der Kalender im Format A3, mit farbigem Cover, kann per Mail bestellt werden bei Juliane: Koriko@gmx.de ; der Preis liegt bei € 10,00; weitere Infos: www.vee-jas.de"

Impressum dieser Ausgabe: Herausgeber: Dark Feather c/o Warschkow Dorotheenplatz 1 04109 Leipzig

Layout: Holger Warschkow Logo / Webdesign: Nino Finke Frontcoverzeichnung: © Tanja Meurer (Vee-Jas)

Redaktionsleitung: Stefan Bellack Karl-Marx-Str. 18

Korrektorat: Stefan Bellack

65199 Wiesbaden Internet: www.darkfeather.de Redaktion: Stefan Bellack Cristina Grijalva Axel Meßinger Masi Kriegs

Email:

redaktion@darkfeather.de

Erscheinungsweise: vierteljährlich

Hinweis: Das Dark Feather Zine arbeitet nicht gewinnorientiert und ist keine Veröffentlichung im Sinne des Pressewesens!

Eventuelle Einnahmen dienen allein der Kostendeckung.

Unsere nächste Ausgabe erscheint Anfang April 2013! 53


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