Nachbarn 2/2017

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Luzern

Nr. 2 / 2017

Nachbarn

Mehr Chancen für junge Flüchtlinge In der Schweiz leben über 5000 Kinder und Jugendliche, die als Flüchtlinge ohne ihre Eltern in unser Land geflohen sind. Sie brauchen Schutz und Chancen.


Inhalt

Inhalt Editorial

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von Thomas Thali

Geschäftsleiter Caritas Luzern Kurz & bündig

4 News aus dem Caritas-Netz Schwerpunkt Vor sechs Jahren flüchtete Rohullah ohne Eltern in die Schweiz. Er kannte niemanden, verstand kein Wort. Mit viel Fleiss und etwas Hilfe baute er sich erfolgreich ein neues Leben auf.

6 «Es ist eine ganz andere Welt» Schwerpunkt

10 Kinderflüchtlinge wie unsere Kinder behandeln Schwerpunkt

Mehr Chancen für junge Flüchtlinge

Persönlich

13 Hast du Kontakt zu jungen Flüchtlingen? Regional

Über 5000 Kinder und Jugendliche mit Flüchtlingshintergrund leben ohne ihre Eltern in der Schweiz. Sie blicken in eine unsichere Zukunft. Denn während die Jüngsten unter ihnen direkt in die Schule eingestuft und so integriert werden, bleibt dies den über 16-Jährigen verwehrt. Sie können die öffentliche Schule nicht mehr besuchen. Erreichen junge Flüchtlinge die Volljährigkeit, fallen sie häufig gar durch alle Netze: Sie müssen ihre bisherige Unterkunft verlassen oder sogar den Wohnort wechseln und verlieren ihre Bezugs- und Vertrauenspersonen. Dieser Einschnitt ist radikal und zerstört die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Geschichte von Rohullah zeigt aber, dass für junge Flüchtlinge der Weg in ein eigenständiges Leben möglich ist – wenn sie denn eine Chance und Unterstützung erhalten.

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14 Der beeindruckende Werdegang des Antony Nesarjan 17 Frischer Wind weht durch die Caritas Luzern 18 Sport für alle – Integration am Ball 20 «Unser Grundgedanke ist karitativ» 21 «Es gibt uns allen mehr Sicherheit» Kiosk

22 Wer ist eigentlich arm in der Schweiz? Gedankenstrich

23 Verstehst du?

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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser Hoffnungslosigkeit, Gewalt, politische Willkür und fehlende Perspektiven bewegen viele Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Unter ihnen sind auch Kinder und Jugendliche, die allein und ohne Eltern den Weg nach Europa suchen, unter Lebensgefahr und grossen Strapazen. Ihre Zahl hat sich in den letzten drei Jahren vervielfacht. Dass sie den Weg hierher geschafft haben, ist eine grosse Leistung. Ihre Perspektiven werden aber nur dann besser, wenn wir ihnen eine Chance geben. Dazu gehört, dass wir diese jungen Menschen begleiten auf ihrem Weg in die Gesellschaft. Dazu gehört aber auch eine ihnen angepasste Ausbildung, die ihnen den Weg in die Arbeitswelt öffnet. Im vorliegenden «Nachbarn» erfahren Sie mehr über die Situation junger Flüchtlinge und was es braucht, damit ihre Integration gelingen kann. Mit unseren Angeboten, zum Beispiel dem Programm «Schule und Jobtraining» oder der KulturLegi, unterstützen wir sie dabei. Wir wissen es alle: das Gefälle zwischen Nord und Süd ist zu gross. Mit einer guten Integration der Flüchtlinge verändern wir nicht die Welt im Grossen, aber wir schaffen etwas mehr Menschlichkeit im Kleinen. Dafür setzt sich Caritas Luzern ein, auch dank Ihrer Unterstützung. Merci vöumou!

Thomas Thali Geschäftsleiter Caritas Luzern

«Nachbarn», das Magazin der regionalen Caritas-Organisationen, erscheint zweimal jährlich: im April und im Oktober. Gesamtauflage: 32 945 Ex. Auflage LU: 9 400 Ex. Redaktion: Sina Bucher und Urs Odermatt (Caritas Luzern) Bojan Josifovic (national) Gestaltung und Produktion: Urs Odermatt, Sina Bucher Druck: Stämpfli AG, Bern Caritas Luzern Brünigstrasse 25, Postfach 6002 Luzern Tel.: 041 368 51 00 www.caritas-luzern.ch PC 60–4141-0 IBAN CH84 0900 0000 6000 4141 0

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Kurz & bündig

Caritas Aargau fördert Integration

Coaching von Resettlement-Flüchtlingen Caritas Aargau hat vom Kanton den Auftrag erhalten, 158 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge zu betreuen und deren Integration zu fördern. Der Bundesrat hat im letzten Dezember beschlossen, 2000 weitere Resettlement-Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei handelt es sich um verletzliche Personen, die vom UNO-Flüchtlingshilfswerk im Libanon, in Jordanien und Syrien ausgewählt werden. Diese werden seit Spätsommer 2017 in die Schweiz geflogen und auf die Kantone verteilt. Caritas Aargau hat sich beim Kanton in einem Ausschreibungsverfahren für die Betreuung von 158 Flüchtlingen beworben und den Zuschlag erhalten. Massgebend dafür dürfte das Know-how sein, das sich die Fachpersonen von Caritas Aargau in den letzten Jahren erarbeitet haben. Caritas Aargau coacht den Integrationsprozess, hilft bei der Wohnungssuche und begleitet die Flüchtlinge während insgesamt zweier Jahre. Dabei wird das Betreuungsmandat mit dem Sozialdienst der Wohngemeinde geteilt. Für alle Sozialhilfefragen ist die Gemeinde zuständig. Für die meisten anderen Aspekte der Integration ist Caritas Aargau verantwortlich. www.caritas-aargau.ch

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«Eine Million Sterne»

Lichtermeer für Armutsbetroffene Tausende Kerzen leuchten am 16. Dezember 2017 als Zeichen für eine solidarische Schweiz. Unterstützen auch Sie diese vorweihnachtliche Aktion! Im Rahmen der Kampagne «Eine Million Sterne» lässt Caritas Plätze, Brücken und Gebäude an über 100 Orten der Schweiz im Kerzenmeer erstrahlen. Gross und Klein findet am 16. Dezember zusammen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Jede Kerze ist ein Bekenntnis für eine Schweiz, die sich für Schwache und Benachteiligte einsetzt. Sandra zählt zu den Menschen, denen unsere Solidarität gilt: Die zweifache Mutter wähnte sich in einer glücklichen Beziehung, doch ihr Mann entwickelte eine gefährliche Alkoholsucht. Von Tag zu Tag wurde es schlimmer. Also entschloss sich Sandra, ihn zu verlassen. Sie packte nur das Nötigste und fuhr mit den Kindern los. Sie liess ihr altes Leben zurück, bezahlte dafür aber einen hohen Preis. Am neuen Ort hatte sie nichts. Sandra und ihre Kinder gerieten in die Armut: «Ich stand mit leeren Händen da und musste bei null anfangen.» Die Geschichte von Sandra und weitere Porträts von Armutsbetroffenen lesen Sie auf www.wunschkerze.ch/blog. Weiter können Sie auf dieser Website für Ihre Liebsten eine persönliche Wunschkerze gestalten, die dann an einem von Ihnen ausgewählten «Eine Million Sterne»-Veranstaltungsort aufgestellt wird. Hier können Sie gemeinsam mit Ihren Liebsten die Kerze anzünden und sie später nach Hause nehmen. www.wunschkerze.ch

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Kurz & bündig

Kostenlos und ohne Voranmeldung

Telefonische Kurzberatungen für Hilfesuchende Caritas Zürich bietet telefonische Kurzberatungen für Personen an, die nicht wissen, wo sie oder ihre Angehörigen Hilfe erhalten. Im Kanton Zürich gibt es zahlreiche soziale und kirchliche Beratungsstellen und Organisationen, die Hilfe für Personen in Not anbieten. Hier den Überblick zu haben, ist nicht einfach. Caritas Zürich bietet darum telefonische Kurzberatungen für Hilfesuchende an. Über eine Beratungsnummer können diese unkompliziert am Telefon mit Sozialarbeitenden ihr Anliegen besprechen und Auskünfte einholen. Manchmal wird noch während des Gesprächs eine Lösung gefunden, häufiger aber werden die Personen über passende Beratungsstellen informiert und an diese weitergeleitet oder in die Sozial- und Schuldenberatung von Caritas Zürich aufgenommen.

NEWS Mehrere Standortwechsel bei Caritas Caritas St.Gallen-Appenzell ist umgezogen. Seit September befindet sich die Geschäftsstelle an der Langgasse 13 in St.Gallen. Ende Oktober zieht dann der Caritas-Markt ins Nachbarhaus an die Langgasse 11. Auch Caritas Graubünden hat einen grösseren Umzug hinter sich: Die zentrale Administration befindet sich neu an der Tittwiesenstrasse 29 in Chur, direkt neben dem Caritas-Markt und dem Café Georgina. Das Caritas Center mit Secondhand-Laden, Wäscherei und Café ist neu an der Scalettastrasse 7 zu finden. www.caritasgr.ch www.caritas-stgallen.ch

«mit mir»-Patenschaften neu auch in der Zentralschweiz Caritas Luzern vermittelt Kinder zwischen 3 und 12 Jahren aus benachteiligten Familien an freiwillige Patinnen und Paten, die sich 1–2 Mal im Monat mit den Kindern zur gemeinsamen Freizeitgestaltung treffen. Das Angebot zielt darauf ab, Kinder vielfältig zu fördern, sie in ihrer Entwicklung und sozialen Integration zu unterstützen und Eltern zu entlasten. Wir suchen laufend interessierte Familien sowie Patinnen und Paten: www.caritas-luzern.ch/mitmir

Caritas Solothurn: Freiwillige in der administrativen Unterstützung Neu bietet Caritas Solothurn administrative Unterstützung für Personen an, die sich mit Verträgen, Formularen und Telefonaten im Alltag schwertun. Seit September 2017 stehen wöchentlich Freiwillige bereit, um unbürokratisch Hilfe zu leisten. www.caritas-solothurn.ch

Caritas sucht engagierte Freiwillige

Die telefonischen Kurzberatungen richten sich an Familien und Alleinstehende aus Stadt und Kanton Zürich, die nicht wissen, wo sie oder ihre Angehörigen Hilfe erhalten. Aktuell gehen wöchentlich fast 40 telefonische Anfragen ein. Am häufigsten geht es dabei um finanzielle Probleme.

Freiwillige sind bei Caritas in verschiedenen Tätigkeitsfeldern aktiv: Sie unterstützen Aktionen wie «Eine Million Sterne», sind in Märkten oder Secondhand-Läden tätig, begleiten Flüchtlinge im Alltag, kümmern sich um sozial benachteiligte Menschen oder unterrichten Migrantinnen und Migranten in Deutsch. Haben Sie Interesse, sich freiwillig zu engagieren? Dann nehmen Sie Kontakt auf mit der Caritas Regionalstelle in Ihrer Nähe oder besuchen Sie deren Website für weitere Informationen.

www.caritas-zuerich.ch/beratung

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Rubrik

Rohullah kam als minderjähriger Flüchtling in die Schweiz und aufinsich alleine gestellt. Heute Ein war Leben Armut bringt Eltern an den Rand der Verzweiflung spricht erund fliessend Deutsch, lässtplatzen. sich zum Autolässt Kinderträume mobilfachmann ausbilden und geht den Weg in eine eigenständige Zukunft.


Schwerpunkt

«Es ist eine ganz andere Welt» Vor sechs Jahren kam er als minderjähriger Flüchtling in die Schweiz. Er kannte niemanden, verstand kein Wort. Jetzt schliesst Rohullah seine Lehre ab und fühlt sich endlich sicher. Die Chancen, die sich ihm hier bieten, will er packen. Die Geschichte des jungen Afghanen zeigt, wie viel mit Wille und Motivation möglich ist. Text: Ariel Leuenberger Bilder: Zoe Tempest

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lles, einfach alles», antwortet Rohullah (21) auf die Frage, was ihm an der Schweiz besonders gefalle. Für den jungen Mann, der vor sechs Jahren alleine als Flüchtling angekommen ist, sind es die Grundbedürfnisse, die endlich erfüllt sind. Nicht den guten öffentlichen Verkehr oder das saubere Trinkwasser nennt er zuerst, nein, er fühlt sich hier zum ersten Mal in seinem Leben sicher. Einen kleinen Rucksack mit ein paar Kleidern und einer Flasche Wasser trug der damals 15-jährige Flüchtling auf sich, als ihn eine Polizistin bei einer Kontrolle in Zürich aufgriff. Minderjährig, ohne Begleitung, ohne Pass. Er wollte nach Schweden zu Verwandten. Nun hatte er sein Asylgesuch in der Schweiz zu stellen. Hinter ihm lag eine lange Flucht von Afghanistan nach Pakistan über den Iran, in die Türkei, weiter nach Griechenland, von dort nach Italien und in die Schweiz, vor ihm das Asylzentrum für Jugendliche. «Ich verstand gar nichts und kannte niemanden», erinnert sich Rohullah.

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Möglichst rasch Deutsch lernen Doch für den willensstarken Jungen war klar: Davon würde er sich nicht unterkriegen lassen. So schnell wie möglich wollte er Deutsch lernen und damit auch ein neues Alphabet. In seiner Muttersprache Persisch schrieb er in arabischen Zeichen von rechts nach links. «Ich musste das gleiche deutsche Wort zehnmal hintereinander aufschreiben, damit ich es mir merken konnte», schmunzelt Rohullah. Heute ist sein Deutsch nahezu akzentfrei. «Ja danke, es geht» – bescheiden wie ein typischer Schweizer reagiert er auf das Kompliment. Rohullah erkannte früh, dass die Lehrstellensuche für ihn schwierig sein würde. Er wandte sich deshalb an Caritas Zürich, um am Mentoringprogramm Incluso teilzunehmen. Bei diesem unterstützen Freiwillige junge Migrantinnen und Migranten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Hier lernte er seinen Mentor Michael kennen. «Wie soll ein Junge, in dessen Heimatland es keine Berufsausbildungen gibt, wissen, was er hier für eine Lehre machen soll?», beschreibt dieser die Situation.

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Schwerpunkt

Selbständig dank freiwilligem Mentor «Alleine hätte ich keine Chance gehabt, eine Lehrstelle zu finden», erzählt Rohullah und fügt an: «Mein Leben wäre heute nicht dasselbe ohne Michael. Ich bin ihm sehr dankbar für alles, was er für mich getan hat.» Michael hingegen betont: «Alles, was Rohullah erreicht hat, hat er alleine geschafft.» Der intelligente Junge sei von Anfang an sehr motiviert gewesen und viele Extrameilen gegangen. Michaels Engagement geht vermutlich auch deshalb weit über das Pflichtenheft hinaus. Es ist ihm wichtig, dass Rohullah weiss: jemand ist für ihn da. «Es gibt so viele Situationen, in denen ein Jugendlicher in einer fremden Kultur eine Ansprechperson braucht, der er vertrauen kann.» Michael setzte sich in seiner Freizeit ein, um für den jungen Flüchtling eine Wohnung zu finden, mit Ämtern zu telefonieren oder Lehrmeister zu besuchen. Die Belohnung dafür sei eine ganz besondere: «Einen Menschen aus einer fremden Kultur zu begleiten, der bereits in so jungen Jahren so viele für uns unvorstellbare Erfahrungen gemacht hat, und dann zu sehen, wie er sich entwickelt, das ist unglaublich und macht mich

glücklich.» Rohullah und Michael tauschen sich regelmässig telefonisch über Neuigkeiten aus oder treffen sich in der Stadt. Mit dem freiwilligen Engagement hat der Mentor dazu beigetragen, dass Rohullah heute den Weg in eine eigenständige Zukunft gehen kann. Dieser lächelt scheu, als er davon erzählt. In seinen Augen funkelt Stolz über das Erreichte.

Nach der ersten gleich die zweite Lehre «Es war sehr schwierig, eine Lehrstelle zu finden», erinnert sich Rohullah. Viele Chefs würden sich nicht getrauen, einen Flüchtling einzustellen. Fehlende Integration, mangelnde Sprachkenntnisse und hohe schulische Anforderungen könnten für einen Lehrbetrieb problematisch sein. Dazu kommt, dass viele Arbeitgeber verunsichert sind über die rechtliche Bedeutung des Aufenthaltsstatus. Rohullahs Lehrmeister bei Kenny’s Auto-Center AG»aber zweifelte nicht. «Nach einer Schnupperwoche in der Autowerkstatt hat er mir gesagt, ich sei anständig und arbeite gut», sagt er und lächelt wieder. Da zu

Rohullah absolviert derzeit eine Lehre zum Automobilfachmann. Er hat ambitiöse Zukunftspläne, auf die er mit viel Herzblut hinarbeitet: «Ich will Automobildiagnostiker werden.»

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Schwerpunkt

diesem Zeitpunkt keine Lehrstelle im Betrieb frei war, absolvierte er zuerst eine einjährige Vorlehre. Die anfänglichen Hilfsarbeiten sind in der Zwischenzeit den Facharbeiten gewichen: «Ich bin schon recht selbständig und bekomme schriftliche Aufträge: Ich kann ein Fahrzeug reparieren, Service machen, Lenkrad einstellen, am Motor etwas flicken.» Am liebsten fährt Rohullah Auto. Das gehöre auch zu seiner Arbeit, erklärt er, denn «manchmal findet man den Fehler nur, wenn man fährt». Jetzt schliesst Rohullah seine zweijährige Lehre als Automobilassistent ab. Er wirkt etwas angespannt und sagt, er sei oft am Lernen. Nach seiner ersten Ausbildung wird er eine zweite Lehre, jene zum Automobilfachmann, absolvieren – die Zusage von einem neuen Betrieb hat er schon. Eine Freundin hat deshalb im Moment keinen Platz. Später möchte er gerne heiraten, doch «zuerst will ich Automobildiagnostiker werden», erklärt der ambitionierte junge Mann.

Nicht mehr zurück nach Afghanistan Rohullahs Eltern hatten nie ein Auto. Seine Kindheit verbrachte er in ärmsten Verhältnissen in einem afghanischen Bergdorf. Heute vermisst er seine Familie sehr, doch dank Videotelefonie weiss er Bescheid über die Situation in seinem Herkunftsland. «Es ist eine ganz andere Welt», meint er nachdenklich, man lebe ständig in Angst und sei sich bewusst, dass man jederzeit sterben könne. «Dort kämpfen die Taliban und man sieht den Krieg mit den eigenen Augen. Das war auch bei mir so: die Waffen, die Bomben. Obwohl ich dort aufgewachsen bin, überkommt mich eine Angst, wenn ich nur schon daran denke, zurückzugehen. Ich kann es mir nicht vorstellen.» Alle seine Freunde hat er verloren: Einige sind gestorben, andere sind wie er geflüchtet. Aber hier in der Schweiz hat Rohullah neue Freunde gefunden, bei der Arbeit und durch seine Ausbildung. Alleine ist er nicht.

«NACHBILDUNG IST EIN MUSS» Was sind für junge Flüchtlinge die grössten Hürden beim Einstieg in den Arbeitsmarkt?

Die Sprachintegration ist entscheidend, da jugendliche Flüchtlinge ohne angemessene Sprachkenntnisse kaum eine Arbeitsstelle finden. Ebenfalls spielt die Schulbildung eine grosse Rolle – kommen zur fehlenden Sprachkompetenz noch mathematische Defizite dazu, sind die Aussichten auf eine Lehrstelle eher düster. Vor allem für jüngere Flüchtlinge erachte ich daher die Nachbildung in schulischen Fächern als ein Muss, damit sie langfristig integriert werden können.

«Dank Brückenangeboten können junge Flüchtlinge im Arbeitsmarkt Fuss fassen.» Wie hilft fit4job jungen Flüchtlingen konkret auf dem Weg zu einer Arbeitsstelle? In unserem Betrieb arbeiten und lernen Flüchtlinge zusammen mit anderen Menschen aus diversen Nationen. Dies hilft ihnen dabei, ihren individuellen Weg in die Arbeitswelt anzugehen, die erlernten Sprachkompetenzen anzuwenden und die kulturellen Gegebenheiten in der Schweiz kennenzulernen. Sie erfahren zudem die Anforderungen des Arbeitsmarktes wie Pünktlichkeit, Teamarbeit, Kundenorientierung oder Qualität, und dies an realen Kundenaufträgen. Im schulischen Teil werden sie gefördert und auf die Berufsschule vorbereitet. Weshalb sind Brückenangebote für junge Flüchtlinge wichtig? Brückenangebote bieten mit ihren Kompetenzen und Netzwerken individuelle Möglichkeiten, um junge Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies verhindert ihre Abhängigkeit von der Sozialhilfe, welche zu Lasten des Staates und der Steuerzahlerinnen und -zahler geht. Gut integrierte Flüchtlinge, welche längerfristig in der Schweiz wohnen und arbeiten, dienen der Wirtschaft, unserer Gesellschaft und damit schlussendlich uns allen.

Christine De Grandi-Jud ist Geschäftsleiterin von fit4job. Ihr Betrieb bietet Motivationssemester und Einsatzprogramme für Migranten und Flüchtlinge an.

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Schwerpunkt

Kinderflüchtlinge wie unsere Kinder behandeln In der Schweiz leben über 5000 Kinder und Jugendliche, die als Flüchtlinge ohne ihre Eltern in unser Land geflohen sind. Sie brauchen Schutz und Chancen. Text: Marianne Hochuli, Leiterin Bereich Grundlagen bei Caritas Schweiz Illustration: Stephanie Stutz

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is 2014 stellten lediglich einige hundert Kinderflüchtlinge pro Jahr ein Asylgesuch in der Schweiz. Im Jahr 2015 stieg die Zahl auf über 2700. Ein Jahr später suchten weitere 2000 unbegleitete Kinder und Jugendliche Zuflucht in der Schweiz. Insgesamt halten sich heute ungefähr 5800 Kinderflüchtlinge in der Schweiz auf. Nur 8,6 Prozent davon sind als Flüchtlinge anerkannt. 76 Prozent erhielten Schutz mit mindestens einer vor-

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läufigen Aufnahme. Sie stammen aus Eritrea, Afghanistan, Somalia oder Syrien, wo Bürgerkrieg oder systematische Menschenrechtsverletzungen herrschen. Für die Zukunft dieser jungen Menschen ist zentral, wie die Schweiz mit ihnen umgeht.

Besonderer Schutz für Kinder Minderjährige werden sowohl im internationalen als auch im nationalen Recht besonders geschützt. Dies

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ist sowohl in der Kinderrechtskonvention der UNO als auch in der Bundesverfassung verankert: Der Staat ist verpflichtet, dem geflüchteten Kind den gleichen Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das nicht in seiner familiären Umgebung leben kann. Wie Kinder untergebracht und betreut werden, handhaben die Kantone jedoch ganz unterschiedlich. In einigen Kantonen beherbergt eine einzige Unterkunft bis zu 60 Kinder und Jugendliche, ohne sozialpädagogische Konzepte oder geschultes Personal. In anderen wiederum werden die Kinderflüchtlinge alters- und bedürfnisgerecht untergebracht: in Pflegefamilien, Wohnheimen oder betreuten Wohngruppen. Um die Traumata zu verarbeiten, die fast jedes Kind erlitten hat, fehlt aber zumeist das Geld.

Mit Volljährigkeit droht die Abwärtsspirale Die beste Integration leistet die Schule. Doch gilt die obligatorische Schulpflicht nur für Kinder unter 16 Jahren. Sind die Kinderflüchtlinge älter als 16 Jahre – und dies ist der grösste Teil –, können sie die öffentliche Schule nicht mehr besuchen. Den Jugendlichen stehen meist nur noch Sprachkurse oder Zentrumsschulen offen, um sich Grundkenntnisse anzueignen. Für eine Berufslehre fehlen ihnen dann die Voraussetzungen, Brückenangebote sind kaum vorhanden. Wenn die Jugendlichen volljährig werden, fallen sie durch alle Netze: Sie müssen die bisherige Unterkunft verlassen oder sogar den Wohnort wechseln und verlieren die Vertrauensperson, die ihnen zur Seite gestellt wurde. Das Recht auf Bildung gilt für alle Dieser Schnitt ist viel zu radikal und zerstört die Hoffnung auf eine eigenständige Zukunft. Caritas fordert deshalb, dass nicht das Alter ausschlaggebend ist, sondern das Ziel, dass alle Kinder das Niveau der 9. Klasse erreichen. Für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche sind entsprechende Bildungsangebote bereitzustellen und Ausbildungen zu ermöglichen. Dazu braucht es in allen Kantonen Angebote wie Übergangsklassen, Integrationsvorlehren, Attestlehren und Coachings. Kinderflüchtlinge sollen zudem beim Erreichen der Volljährigkeit in der bisherigen Unterkunft bleiben und den Kontakt zur Vertrauensperson behalten können. Kinderflüchtlinge unter 16 Jahren sollen automatisch eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Minderjährige können zwar nach Kinderrechtskonvention nicht weggewiesen werden, doch zeigen Zahlen, dass negative Asylentscheide nach dem 18. Geburtstag massiv zunehmen. Dies lässt sich inhaltlich nicht erklären, sondern nur mit der Möglichkeit der Wegweisung. Caritas fordert, dass für die über 16-jährigen Kinderflüchtlinge Wegweisungen während fünf Jahren nach Asylantrag als unzumutbar gelten. So haben sie Zeit, sich ihrer Ausbildung zu widmen, die Sprache zu erlernen und ein neues soziales Umfeld aufzubauen. Zudem sollen sie bei Abschluss einer Ausbildung eine Jahresaufenthaltsbewilligung bekommen. Das gibt ihnen Perspektiven und ermöglicht den Aufbau einer eigenständigen Existenz.

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Eine echte Chance bieten Caritas setzt sich für junge Menschen mit Flüchtlingshintergrund ein. Uns liegt viel daran, dass diese Menschen in der neuen Heimat eine echte Chance erhalten. Aus diesem Grund bieten wir regionale Angebote für jugendliche und erwachsene Flüchtlinge an. Diese sind günstig oder kostenlos und verfolgen immer das Ziel, die Menschen nachhaltig sozial oder beruflich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Besonders beliebt sind unsere Kurse: Hier erlernen die Teilnehmenden die deutsche Sprache, den Umgang mit dem Computer oder erfahren Wichtiges über das Leben und den Alltag in der Schweiz. Weiter stellen wir ihnen Freiwillige zur Seite, die sie bei der Bewältigung von administrativen Arbeiten und alltäglichen Hürden unterstützen. Auch bieten wir spezifische regionale Programme an wie Weiterbildungen, Unterstützung bei der Lehrstellensuche, Dolmetschdienste oder Hilfe bei der Wohnungssuche. Dabei setzt Caritas nicht nur auf die eigene Expertise, sondern arbeitet auch eng mit Partnern aus Wirtschaft, Verwaltung und kirchlichem Umfeld zusammen. Gemeinsam wollen wir den Flüchtlingen gute Startmöglichkeiten in der Schweiz ermöglichen und sie schnell in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integrieren.

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Persönlich

Alias (11), aus Afghanistan geflüchtet, zurzeit im Empfangs- und Verfahrenszentrum Kreuzlingen: «Was mir an der Schweiz gefällt? Ich liebe die Häuser hier. Und mir gefällt die SchweizerFahne sehr, die rote Farbe und das weisse Kreuz in 12der Mitte.»

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Persönlich

Hast du Kontakt zu jungen Flüchtlingen? Antworten von Passantinnen und Passanten aus der Deutschschweiz.

Fabian Takacs, Wissenschaftlicher Assistent, Luzern Ein junger Afghane ist ein guter Kollege von mir. Wir pflegen regelmässigen Kontakt. Wann immer möglich stehe ich ihm mit Rat und Tat zur Seite. Gemeinsam fanden wir beispielsweise eine passende Lehrstelle für ihn. Es macht grosse Freude, zu sehen, wie er den Sprung in die Mitte unserer Gesellschaft meistert und die Schweiz mit seiner Art bereichert.

Selina Kuhn, Studentin, Aarau Vor ein paar Jahren hat uns die Pfarrei angefragt, ob wir zwei Flüchtlingsmädchen mit ins Zeltlager des Blaurings mitnehmen könnten. Erst waren die beiden etwas scheu. Die Ältere war 16 Jahre alt und konnte beim Leitungsteam mitarbeiten. Bei ihr hat man gemerkt, dass sie gewohnt war, Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig war es für sie etwas Neues, ein Ferienlager zu erleben.

Alena Liebendörfer, Gymnasiastin, Bern Für meine Maturaarbeit habe ich ein integratives Tanzprojekt mit jugendlichen Flüchtlingen durchgeführt. Mein Ziel war es, einen Austausch zwischen Flüchtlingen und Schweizern herzustellen. Nach diesem Projekt trat ich dem Verein Bernvenuto bei, welcher sich aktiv für junge Flüchtlinge engagiert. Ich freue mich, so weiterhin mit ihnen in Form von Freizeitaktivitäten und Tanz in Kontakt bleiben zu können.

Dieter Budin, vielbeschäftigter Rentner, Wil Im Solinetz koche ich für Asylsuchende, die Deutsch lernen, im Durchgangszentrum Kreuzacker stelle ich Marktkarten aus. Viele Flüchtlinge sind Kunden im Caritas-Markt Wil, wo ich stellvertretender Leiter bin. Diese Begegnungen sind für mich sehr bereichernd, und die jungen Menschen schätzen es, wenn sich jemand Zeit nimmt für sie. Manche grüssen schon von Weitem, wenn sie mich auf der Strasse sehen.

Thione Zeugin, Schüler, Basel Wir haben in der Nachbarschaft ein Wohnheim für Flüchtlinge. Viele Kinder sind noch klein, aber ein Junge ist etwa so alt wie mein Bruder, zirka zehn oder elf. Er ist oft auf dem Robi-Spielplatz bei uns in der Nähe. Anfangs hat er nichts verstanden, hatte Mühe, sich zurechtzufinden, und seine Mutter kann ihn nicht unterstützen. Aber so langsam hat er sich eingelebt und ist auch selbständig.

Madeleine Van der Ploeg, dipl. Krankenschwester, Kreuzlingen Ich habe keine persönlichen Kontakte zu jungen Flüchtlingen. Bei der Spitex haben wir manchmal Einsätze im Empfangszentrum, dort betreuen wir Flüchtlinge. Ansonsten lese ich in der Zeitung oder ich sehe sie in Kreuzlingen arbeiten. Ausgerüstet mit Leuchtwesten, heben sie mit der Greifzange den Abfall in den Parks auf.

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Caritas Sektion

Antony Nesarjan hat durch das Programm «Schule und Jobtraining» von Caritas Luzern eine solide Basis für seinen weiteren Weg erhalten. 14

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Caritas Luzern

Der beeindruckende Werdegang des Antony Nesarjan Ohne Deutschkenntnisse – dafür mit 108 Kilo auf den Rippen: Antony Nesarjans Start in der Schweiz verlief alles andere als leicht. Mittlerweile hat der junge Mann aber nicht nur viele Pfunde verloren, sondern auch beruflich Fuss gefasst. Auch dank Caritas Luzern. Text: Daniel Schriber Bilder: Boris Bürgisser

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nly I can change my life. No one can do it for me.» – Nur ich kann mein Leben ändern. Niemand sonst. Das Zitat, das Antony Nesarjan auf seinem Facebook-Profil stehen hat, mag an einen beliebigen Kalenderspruch erinnern. Wer sich mit dem jungen Mann über seine Geschichte unterhält, merkt jedoch rasch, dass diese Aussage für Nesarjan mehr zu bedeuten hat. Es ist ein Zitat, das sein Leben nicht nur beeinflusst, sondern radikal verändert hat.

Vom 108-Kilo-Knaben zur Sportskanone Als Antony Nesarjan vor 9 Jahren mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder in die Schweiz kam, war er 16 Jahre alt. Er sprach kein Deutsch, hatte keine Freunde – und kaum Perspektiven. Zudem litt der Teenager aus Sri Lanka an Übergewicht. «Zu den schlimmsten Zeiten wog ich 108 Kilogramm.» Den Beweis liefert er gleich anschliessend mittels Handy-Foto nach. «Das bin ich!», sagt er und lächelt. Passender wäre: «Das war ich.» Seit der erwähnten Foto-Aufnahme hat sich nämlich viel getan. Sehr viel sogar. Aus dem rundlichen, unsicher wir-

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kenden Jungen auf dem Foto wurde über die Jahre ein selbstsicherer junger Mann. Kaum in der Schweiz angekommen, begann der Teenager mit Laufsport. Zuerst nahm er an einem Lauftreff im Entlebuch teil – doch schon bald darauf schloss er sich dem Leichtathletik Club Luzern an, um fortan regelmässig und intensiv zu trainieren. Während Nesarjan an Gewicht verlor, gewann er an Tempo: Heute braucht er für einen Halbmarathon noch etwas mehr als 1 Stunde und 15 Minuten. Eine starke Zeit für einen Amateurläufer – doch er sagt: «Ich will noch viel schneller werden.»

Wichtige Unterstützung von Caritas Luzern Die sportliche und die damit verbundene körperliche Veränderung ist nur ein Teil von Antony Nesarjans Geschichte. Sein schulischer und beruflicher Weg hat es ebenfalls in sich. Eine entscheidende Rolle spielte hierbei auch Caritas Luzern. «Wer ein Haus bauen will, braucht zuerst ein Fundament. Dieses erhielt ich von Caritas Luzern», so Nesarjan. Nachdem er aus Sri Lan-

ka ins Entlebuch gezogen war, sammelte er dank des Angebots «Schule und Jobtraining» (siehe Box) nicht nur erste Deutschkenntnisse – er erhielt auch Mathematik-, Sportund Informatikunterricht. Da er rasche Fortschritte machte, konnte er anschliessend gemeinsam mit anderen Flüchtlingen und Asylsuchenden ein einjähriges Brückenangebot des Kantons besuchen. Der junge Einwanderer sog alle Informationen wie ein Schwamm auf – und fühlte sich von Monat zu Monat wohler in der Schweiz.

Kochlehre mit Bravour bestanden Auch andere erkannten Nesarjans Potenzial. Nach einem zwölfmonatigen Praktikum in der Küche des Luzerner Kantonsspitals in Sursee fand er eine Lehrstelle im Betagtenzentrum Eichhof. Nachdem er dort zuerst seine EBA-Lehre zum Küchenangestellten mit der Note 5,7 gemeistert hatte, hängte er gleich im Anschluss eine Ausbildung zum Koch EFZ an. «Die Arbeit in der Küche gefällt mir sehr gut», sagt Nesarjan. Er liebe es, seiner Kreativität freien Lauf lassen zu können und «wie ein Künstler» die unterschiedlichsten Gerichte auf den Teller zu zaubern. Trotz-

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Caritas Luzern

dem will er nicht sein Leben lang in der Küche bleiben. Sein Traum ist es, irgendwann sein eigenes Restaurant zu eröffnen und seine Gäste mit tamilischen und indischen Spezialitäten zu verwöhnen.

Jetzt besucht er die Hotelfachschule Weil er weiss, dass es zur Erreichung seines Ziels mehr braucht als Talent und Fingerfertigkeit in der Küche, nimmt Nesarjan Ende August sein nächstes Abenteuer in Angriff: In den kommenden zwei Jahren wird er die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich besuchen. Bis er ein WG-Zimmer in Zürich findet, wird er täglich zwischen Entlebuch und Zürich pendeln. Er erwartet eine «strenge und intensive Zeit», sagt er. «Aber ich freue mich darauf!» Die Schule wird eine Herausforderung, klar. Kommt hinzu, dass Nesarjan Stand heute noch nicht genau weiss, wie er die total 50 000 Franken Schulgeld aufbringen soll. Um das zu schaffen, legt er jeden Franken auf die Seite. «Doch es reicht noch nicht.» Seine Zuversicht verliert Antony Nesarjan trotzdem nicht – schliesslich weiss er: «Mit Freude und Training ist alles möglich.» Und das nicht nur im Sport, sondern überall im Leben. Man muss es nur selbst in die Hände nehmen.

PROGRAMM «SCHULE & JOBTRAINING»: EIN WEG IN DIE BERUFSWELT Rund 250 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren besuchen das Programm «Schule und Jobtraining» (früher: «Sprachförderung & Jobtraining») von Caritas Luzern. Dabei handelt es sich um ein Angebot für Flüchtlinge, Asylsuchende oder Jugendliche aus Familiennachzug, die seit weniger als zwei Jahren in der Schweiz sind. Parallel zum Deutsch-, Mathematik- und Informatikunterricht absolvieren die Teilnehmenden mehrmonatige Jobtrainings in verschiedenen beruflichen Feldern – darunter in den Bereichen Küche, Velowerkstatt, Reinigung oder Verkauf. Ziel des Förderangebotes ist es, dass die Jugendlichen in naher Zukunft eine andere berufsvorbereitende Anschlusslösung oder sogar eine Arbeit finden. www.caritas-luzern.ch/schule-und-jobtraining

Antony Nesarjan hat Ambitionen – beruflich wie läuferisch – und bringt eine grosse Portion Zuversicht und Motivation mit.

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Caritas Luzern

Frischer Wind weht durch die Caritas Luzern Diesen Juni wählten die Mitglieder von Caritas Luzern Yvonne Schärli-Gerig an der Mitgliederversammlung einstimmig zur neuen Vereinspräsidentin. Im Juli besuchte sie die verschiedenen Standorte von Caritas Luzern. Wir haben die Gelegenheit zu einem Gespräch genutzt. Text und Bild: Sina Bucher

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vonne Schärli ist beeindruckt von Caritas Luzern. Einerseits vom herzlichen Willkommenheissen durch die anderen Vorstandsmitglieder und die Geschäftsleitung sowie die zahlreichen Mitarbeiter. Und andererseits von der Vielseitigkeit von Caritas – den unterschiedlichen Menschen im Unternehmen wie auch den verschiedenen Angeboten. Obwohl sie als ehemalige Regierungsrätin schon im Vorfeld einiges über Caritas Luzern wusste, hat sie diese Vielfalt überrascht.

Die neue Präsidentin Yvonne Schärli mit ihrem Vorgänger Anton Schwingruber.

Und daher lautet in ihrer Amtszeit eines ihrer Ziele: Die Breite der Caritas-Angebote in der Luzerner Bevölkerung bekannt machen. Yvonne Schärli möchte eine verbindende Nähe zwischen Caritas Luzern und dem Volk aufbauen. Sie betont: «Caritas Luzern leistet einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.» Sie ist von der Qualität der Angebote überzeugt und befürwortet es, diese schrittweise auszubauen, weiterzuentwickeln oder neue zu kreieren. Mit Caritas Luzern will sie in eine neue Zukunft gehen

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und ihr politisches und soziales Netzwerk hilfreich und unterstützend nutzen, um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit für die karitative Institution zu stärken.

Gemeinsam unterwegs Es ist ihr ein grosses Anliegen, dass die finanziellen und ideellen Unterstützer ihr Vertrauen in Caritas Luzern behalten und den Kritikern ihre teils negativen Vermutungen durch klar aufgezeigte Taten widerlegt werden. So sieht sich die neue Präsidentin als vertrauensbildende Botschafterin, die sich für die Werte von Caritas Luzern einsetzt. Auf die Frage, was sie für wertvolle Eigenschaften in ihr Amt mitbringt, meint sie schmunzelnd: «Ich habe Erfahrung, in unwegsamem Gelände unterwegs zu sein. Und in 24 Jahren in politischen Ämtern habe ich gelernt, mit Engagement für eine Sache dranzubleiben.» Sie führt weiter aus, dass es auch enorm wichtig ist, eine innere Kultur der Wertschätzung zu entwickeln, um für das, wofür man sich einsetzt, auch die entsprechende Wertschätzung zu erhalten. Für die Zukunft von Caritas Luzern wünscht sie sich Erfolg und Zufriedenheit. Uns hat sie mit ihren Worten definitiv überzeugt und wir sitzen gerne mit ihr in einem Boot – wohin auch immer ihr frischer Wind uns führen mag.

NEUWAHLEN VEREIN Im statutarischen Teil der diesjährigen Vereinsversammlung vom 13. Juni 2017 wurde im Vorstand des Vereins Caritas Luzern ein zweifacher Wechsel vollzogen. Nach vier Jahren gibt Anton Schwingruber das Präsidium an Yvonne Schärli ab. Ebenfalls neu gewählt wurde Anneliese Schärli-Bühler, die als Vertreterin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds Luzern (SKF) Agnes Hodel-Wyss ablöst. Mehr Informationen zum Vorstand von Caritas Luzern: www.caritas-luzern.ch/vorstand

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Caritas Luzern

Sport für alle – Integration am Ball Die KulturLegi ermöglicht Menschen mit geringem Einkommen ermässigten Zugang zu Kultur, Sport, Bildung und Freizeitveranstaltungen. Am diesjährigen Luzerner Kulturfussball «Kick’n’Rush» hat sich ein Team aus KulturLegi-Nutzenden, jungen Asylsuchenden und freiwilligen Unterstützern unter dem Motto «Sport für alle» zusammengefunden. Text und Bilder: Sina Bucher

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s ist schwül und der einsetzende Regen sorgt für eine willkommene Abkühlung. Das KulturLegi-Team steht im Kreis zusammen und Ursula Meyer, Projektleiterin der KulturLegi Zentralschweiz, spornt die bunt zusammengewürfelte Gruppe an. Ein letzter mehrsprachiger Schlachtruf erklingt und das erste von acht Spielen kann beginnen.

Ob Sieg oder Niederlage, kommt an zweiter Stelle Der Ball wechselt anfangs zwischen den Mannschaften hin und her – es scheint fast so, als müssten sie sich zuerst warmspielen – dann – Tunnel – Flanke – und das runde Leder ist im gegnerischen Tor versenkt. Auf und am Spielfeldrand wird gejubelt, die Stimmung ist mitreissend. Die Wechsel geschehen fliegend und ein Spieler, der gerade pausiert, gesteht mir mit leuchtenden Augen: «Puh, ich bin von den vielen Sprints schon ziemlich kaputt, da ich sonst eigentlich nicht Fussball spiele, sondern Basketball. Doch ich will so bald wie möglich wieder rein und mein Team unterstützen.» Im Vordergrund steht die Freude am gemeinsamen Fussballspiel.

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Sportliche Ambitionen kommen an zweiter Stelle. Die Förderung des Austauschs zwischen den verschiedenen Kulturen und der Kontakt mit der Lokalbevölkerung ist die Grundidee des Zusammenspiels. Denn: Sport verbindet über Nationen, Sprachen, Religionen und Kulturen hinweg und ist ein essenzielles Mittel zur Integration von armutsbetroffenen Menschen mit oder ohne Migrationserfahrung.

dazu bewegen, sich als Partner für die KulturLegi einzusetzen, und Menschen miteinander in Kontakt bringen.

Verbindender Sport Im heutigen Turnier kommt dem Ballsport die Rolle des interkulturellen Vermittlers zu, oder wie es ein Spieler treffend formuliert: «Trotz der sprachlichen und kulturellen Unterschiede haben wir es

Schneller Konter des KulturLegi-Teams – und kurz darauf fällt das erste Tor.

Mit dem Engagement «Sport für alle» setzt sich die KulturLegi für eine vielfältige sportliche Teilhabe in unserer Gesellschaft ein. Sie will Vereine und Organisationen

immer irgendwie geschafft, uns mit Händen und Füssen zu verständigen.» Dies zeigt sich auch zwischen den Matches. Ausgelassen wird am

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Caritas Luzern

Die motivierte KulturLegi-Mannschaft vor ihrem ersten Spiel am Kick’n’Rush-Turnier.

Spielfeldrand diskutiert und ausgetauscht – vom Alltag über Heimat bis hin zu Träumen. Gemeinsamkeiten werden entdeckt und eine Kultur des Miteinanders gepflegt – Sport – ob Sieg oder Niederlage – verbindet. Das KulturLegi-Team klassierte sich übrigens auf dem fünften Platz in der Kategorie Herrenliga von insgesamt neun Teams.

KICK’N’RUSH Kick’n’Rush ist der KulturfussballEvent in der Stadt Luzern und dies seit 1999. Es gibt drei Ligen: die etwas ehrgeizigere Herren- und Damenvariante und die Plauschvariante Kick’n’Rush-Liga. Gespielt wird in allen Ligen in Sechser-Teams, wobei ein Spiel 10 Minuten dauert. In der Damenliga dürfen keine Männer mitspielen, in der Herrenliga Damen aber schon und in der Kick’n’Rush-Liga müssen jeweils zwei Spielerinnen auf dem Feld sein. www.kick-n-rush.ch

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DIE ZIELE DER KULTURLEGI • Die KulturLegi wirkt der Vereinsamung entgegen: Menschen mit wenig Geld können, finanziell entlastet, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. • Die KulturLegi hilft, berufliche Chancen zu verbessern: Die KulturLegi verschafft vergünstigten Zugang zu einem vielfältigen Bildungsangebot. So können sich armutsbetroffene Menschen ausund weiterbilden und sich für den Arbeitsmarkt besser qualifizieren oder wichtige Kontakte knüpfen. • Die KulturLegi stärkt Kinder und Familien: Die KulturLegi ermöglicht trotz knappen finanziellen Ressourcen eine abwechslungsreiche und aktive Freizeitgestaltung. Kinder können in ihrer Freizeit an sportlichen und kulturellen Anlässen teilnehmen und so wertvolle Erfahrungen ausserhalb der Schule sammeln. Dadurch verbessern sich die Chancen der Kinder für ein Leben ohne Armut. • Die KulturLegi fördert Solidarität: Die Angebotspartner können soziales Engagement zeigen und ihr Image stärken. Sie gewinnen zusätzliches Publikum und unterstützen Personen, die von Armut betroffen sind und sich ihr Angebot ohne KulturLegi nicht leisten könnten. Weitere Infos unter: www.caritas-luzern.ch/kulturlegi-zentralschweiz

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Caritas Luzern

«Unser Grundgedanke ist karitativ» «Die Kirchgemeinde Horw schlägt Brücken.» So steht es in einem Artikel über einen Asylbewerber im Pfarreiblatt. Und das tut sie tatsächlich – dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Text und Bild: Corinne Stettler

Helfen als Herzenssache «Uns liegen diese Menschen am Herzen», erklärt Michael Bussmann, Kirchgemeindepräsident Horw, das Engagement. Während des Gespräches betont er immer wieder, dass die Kirchgemeinde vor allem kirchliche Hilfswerke unterstützt, die mit ihren Projekten den Zugewanderten eine Perspektive geben. «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass Flüchtlinge eine Perspektive haben. Und genau das macht Caritas Luzern mit ihrer Arbeit möglich», davon ist er überzeugt. Und fügt ergänzend an: «Uns ist ein gewisses Vertrauen gegenüber den Verantwortlichen von Hilfswerken sehr wichtig.» Insbesondere geht es darum, für Projekte Geld zu sprechen, bei denen er sich sicher ist, dass die Mittel auch wirklich ankommen. Nichts «Handglismets» Dass die Mittel ankommen, erlebte der Kirchenrat vor Ort, bei einer Besichtigung im Caritas-Haus an der Grossmatte 10 in Littau Anfang 2017. Dieser Standort beheimatet den Bereich «Berufliche Integration». Hier finden sich eine Schreinerei, ein Näh- und Kreativatelier sowie eine Velo-Werkstatt und die Caritas-Services mit Räumung und Endreinigung. «Es war sehr spannend, den ganzen Kreislauf der beruflichen Integration live zu erleben», bestätigt Bussmann, «spannend vor allem deshalb, weil Caritas Luzern eine grosse Professionalität ausstrahlt. Es ist nichts Handglismets.» Die Kirchgemeinde Horw unterstützt vor allem kirchliche Hilfswerke.

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ie Kirchgemeinde Horw ist nicht nur eine langjährige Partnerin von Caritas Luzern. Sie organisiert auch interkulturelle Treffs, bietet – sofern Möglichkeiten bestehen – Wohnfläche für vorläufig Aufgenommene an und zeigt in ihrem Pfarreiblatt auf, weshalb die Integration von Zugewanderten so wichtig ist.

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Im Laufe der Jahre ist eine enge Beziehung zwischen der Kirchgemeinde Horw und Caritas Luzern entstanden. «Der Grundgedanke der Kirche ist karitativ», betont Bussmann, «sie hat den Auftrag, Mittel für die Menschen zu schaffen und zu helfen, wo es nötig ist.» Und dies sei in Zusammenarbeit mit Caritas Luzern möglich, sofern dies der finanzielle Rahmen der Kirchgemeinde zulässt, ist sich Bussmann sicher.

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«Es gibt uns allen mehr Sicherheit» Fabiola Thomann, alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen, hat ihre letzten Anliegen und ihren Willen bezüglich persönlicher, finanzieller und rechtlicher Belange mit der Vorsorgemappe von Caritas geregelt. Das gibt ihr Sicherheit – aber auch eine andere Perspektive auf das Leben. Text und Bild: Daniel Wirz

Fabiola Thomann hat frühzeitig vorgesorgt – für den Fall der Fälle.

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er Gedanke traf Fabiola Thomann, als sie vor zwei Jahren allein auf eine Reise ging. Kurz vor dem Abflug nach Australien stand plötzlich die Frage im Raum: «Wer kümmert sich um meine Kinder, wenn mir etwas passiert?» Einige Monate später erlitt ihr Vater einen Herzinfarkt. Er erholte sich glücklicherweise gut, aber Fabiola Thomann realisierte: «Auch hier wäre im Fall der Fälle nichts geregelt gewesen.»

Auseinandersetzung mit Leben und Sterben Sie besorgte sich deshalb drei Vorsorgemappen von Caritas – und machte sich mit ihren Eltern ans Ausfüllen. «Es gibt so vieles, das zu regeln ist», sagt Fabiola Thomann, «das war mir vorher nicht bewusst.» Zum Glück seien die Dokumente einfach aufgebaut und gut verständlich. Und weil alles in einer handlichen Mappe zusammengestellt ist, müsse man auch nichts zusammensuchen.

Heute ist sie froh, dass alles geregelt ist. Und das Ausfüllen hatte auch noch einen anderen Nutzen: «Wer sich mit den Fragen ums Sterben beschäftigt, setzt sich gleichzeitig auch mit seinem Leben auseinander. Intensiver, als man das sonst im Alltag macht. Mein Vater zum Beispiel hat beschlossen, mit 74 als Selbständiger doch endlich etwas kürzerzutreten.»

Persönliches und Finanzielles einfach regeln Die Vorsorgemappe ist gut verständlich und erleichtert mit Beispielen die Entscheidungen. Das ist auch für Gabriela Räber von der «Fachstelle Begleitung in der letzten Lebensphase» bei Caritas Luzern ein wichtiger Vorteil: «Und wenn jemand Fragen hat, kann sie oder er sich an uns wenden. Das wird sehr geschätzt.» Mit der Vorsorgemappe stellen Sie wichtige Weichen: Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag, die letzten Dinge regeln und eine Hilfestellung zur Ordnung des Nachlasses.

FRÜHZEITIG VORSORGEN

GUTES BEWIRKEN

Mit unserer Vorsorgemappe gelingt es Ihnen ganz einfach, zur richtigen Zeit Ihren Willen klar und verbindlich auszudrücken. Die Mappe bietet Ihnen eine Hilfestellung zur Ordnung Ihres Nachlasses.

Mit einer Erbschaft oder einem Legat an Caritas Luzern lindern Sie Not und helfen Armutsbetroffenen in der Region. Dank Ihrer Unterstützung können wir die Lebensperspektiven benachteiligter Menschen verändern.

Bestellen Sie die Mappe jetzt mittels beigelegtem Talon, per E-Mail an mail@caritas-luzern.ch oder telefonisch unter 041 368 51 04.

Wünschen Sie eine persönliche Beratung? Tamara Riehemann, 041 368 52 68, t.riehemann@caritas-luzern.ch berät Sie gerne.

www.caritas-luzern.ch/vorsorge

www.caritas-luzern.ch/gutes-tun

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Kiosk

Liebe Caritas, wer ist eigentlich arm in der Schweiz? Das Bundesamt für Statistik hat aktuelle Zahlen über Einkommen und Lebensbedingungen der Schweizer Bevölkerung veröffentlicht: 570 000 Personen – rund sieben Prozent der Bevölkerung – lebten 2015 in Armut. Damit sind die Zahlen gegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen. Zwar sind im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn verhältnismässig wenig Menschen arm. Doch ist es wichtig, genauer hinzuschauen. Denn einige Personengruppen trifft die Armut besonders häufig und hart: • Arbeitslose, die alleine leben • alleinerziehende Mütter/Väter mit minderjährigen Kindern • Personen ohne nachobligatorische Schulbildung • Ausländer/innen aus nichteuropäischen Ländern

AGENDA 24. Theatergala Am 27. Oktober 2017 laden die CSS Versicherung und Caritas Luzern zu einem berührenden Opernabend. Dieses Jahr dreht sich im Luzerner Theater alles um «La traviata». Sehnsüchtig nach Liebe, erkrankt an Tuberkulose, von der Gesellschaft geächtet – das Schicksal von Violetta Valéry lässt niemanden kalt. www.caritas-luzern.ch/theatergala

Diese Faktoren führen zu Armut Während die Armutszahlen schwanken, bleiben die eigentlichen Ursachen, die zu Armut führen, seit Jahren unverändert: Arbeitslosigkeit, tiefes Bildungsniveau, Krankheit und Migrationshintergrund. Selbst die Erwerbstätigkeit ist kein Garant mehr für ein finanziell abgesichertes Leben – 145 000 Menschen sind trotz regelmässigem Einkommen armutsbetroffen, etwa weil sie im Tieflohnsegment tätig sind oder nur Teilzeit arbeiten können.

Schwerpunkt Arbeit

Es trifft immer auch die Kleinsten Armut lässt nicht nur Erwachsene verzweifeln, sondern prägt auch die Zukunftsaussichten von Kindern und Jugendlichen. So sind 24 000 Kinder von Armut bedroht, das ist jedes 6. Kind in der Schweiz. Jede dritte Person, die Sozialhilfe bezieht, ist minderjährig. Dies hat langfristige Folgen für die Betroffenen und unsere Gesellschaft: Die Kinder wachsen häufig isoliert auf, sind benachteiligt, werden nicht gefördert, verpassen den Anschluss in der Bildung und geraten so in denselben Problemstrudel wie ihre Eltern, und damit häufig in die Abhängigkeit vom Staat.

«Eine Million Sterne»

Haben Sie eine Frage an uns? Senden Sie diese per E-Mail an nachbarn@caritas-zuerich.ch. Gerne beantworten wir sie in der nächsten Ausgabe.

Oder schenken Sie Ihren Liebsten eine Wunschkerze mit einer persönlichen Botschaft: www.wunschkerze.ch

Berufliche Integration und Arbeit sind Schwerpunkte in der diesjährigen Kampagnenarbeit von Caritas Luzern. Der Bereich Berufliche Integration feiert 2018 das 25-Jahr-Jubiläum. Es sind Betriebsbesichtigungen und Tage der offenen Tür geplant. www.caritas-luzern.ch

Caritas organisiert seit über zehn Jahren jeweils im Dezember die schweizweite Aktion «Eine Million Sterne». Freuen Sie sich am 16. Dezember 2017 über tolle Illuminationen an zahlreichen Veranstaltungsorten und setzen Sie ein Zeichen der Solidarität mit armutsbetroffenen Familien. Samstag, 16. 12. 2017, ab 16 Uhr, in Luzern www.einemillionsterne.ch

NEUE PATENSCHAFT «KINDER STÄRKEN» In der Zentralschweiz ist jedes zehnte Kind von Armut betroffen. Die meisten von ihnen leben in Eineltern-Haushalten, die zu den «Working Poor» gehören. Die prekäre Lebenslage wirkt sich negativ auf deren Gesundheit, Bildung und soziale Kontakte aus. Freizeitaktivitäten wie ein Zoobesuch, Musikstunden oder die Mitgliedschaft in einem Verein sind für armutsbetroffene Familien nicht finanzierbar.

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Mit der Patenschaft «Kinder stärken» werden alle Kinderprojekte von Caritas Luzern unterstützt. www.caritas-luzern.ch/kinder-staerken

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Gedankenstrich

Verstehst du? Auf der Schulreise zum Zoo betreute ich ein Flüchtlingskind, das sein Leben bis anhin als Nomade in der Wüste verbracht hatte. Da standen wir also vor dem Gehege der Fischotter, und als wir einen zu sehen bekamen, fragte mich der neugierige Junge: «Kann man den essen?» Er wollte nicht wissen, ob man Fischotter im Allgemeinen essen kann, sondern ob man DIESEN EINEN Fischotter essen kann. «Nein.» Er schien enttäuscht. Kurz davor hatte er mir erzählt, wie er gelernt habe, Pfeil und Bogen herzustellen, und mit welcher Technik man damit am besten Tiere erlegen kann. «Darf ich es jagen?» «Nein.» «Bitte!» «Nein!!» Sein verzweifelter Blick verriet mir totale Verwirrung: «Wieso fängt man Tiere ein, um dann NICHTS mit ihnen zu machen?!» Er verstand dieses Gehege als begehbaren Kühlschrank mit maximaler Frischegarantie. Als wir im Aquarium bei den Fischen standen, fragte er wissbegierig: «Kann man DIE essen?» «Nein.» Da stellte mir also dieses zehnjährige Kind Fragen, über die ich selber noch nie nachgedacht hatte. Wir essen nicht alle Tiere. Igel werden nicht gegessen. Die braucht man bei uns nur zum Autoreifen-Testen. Fischotter essen wir auch nicht. Sie sind wie die meisten Tiere im Zoo: Flüchtlinge. Fast alle bedroht. Von uns Menschen. Aber Tiere bewundern wir. Und Menschen? Bewundern wir Flüchtlinge?

Bei Fischottern hat man gelernt: Sie galten als ausgestorben in der Schweiz. Und nun versucht man sie wieder anzusiedeln. Weil man erkannt hat, dass es sie braucht, diese biologische Vielfalt; diese Bereicherung für unsere Natur. Man hat dazugelernt und geforscht, um die Tiere zu verstehen. In der Therapie sagt man: «Du kannst andere nicht ändern, nur dich selbst.» Wir können das Gespräch mit Flüchtlingen suchen und versuchen, uns in ihre Lage zu versetzen. Integration beginnt für mich beim Verstehen. Vielleicht verstehen wir dann, dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind wie wir. Und sie uns nichts wegnehmen, sondern uns bereichern.

Martina Hügi (*1985) ist Slampoetin und lebt in Winterthur. Trotz ihrem Thurgauer Hintergrund fühlt sie sich im Kanton Zürich gut integriert. https://martinahuegi.jimdo.com Illustration: Stephanie Stutz

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Wir helfen Menschen

«Wir hatten viel Glück im Leben.» Ihre Spende oder Ihr Legat helfen armutsbetroffenen Kindern und deren Familien im Kanton Luzern

www.caritas-luzern.ch

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