Marienmusik im Mariendom | 28.09.2023

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Marienvesper“

SEPTEMBER 2023 INTERNATIONALES BRUCKNERFEST LINZ 2023 „DAS
AUFBRUCH Monteverdis
28.
EWIG-WEIBLICHE ZIEHT UNS HINAN.“

WEITERE HIGHLIGHTS

DI

3 OKT 19:30

GROSSER SAAL

MI

4 OKT 19:30

MITTLERER SAAL

SA

7 OKT

19:30

MITTLERER SAAL

MI

11 OKT 19:30

STIFTSBASILIKA ST. FLORIAN

JÉRÉMIE RHORER & LE CERCLE DE L’HARMONIE

Vorkämpferinnen

Werke von Camille Saint-Saëns, Louise Farrenc, Emilie Mayer u. a.

Karten und Infos: +43 (0) 732 77 52 30 |

BENJAMIN

APPL & KIT ARMSTRONG

Liederabend

Lieder von Hildegard von Bingen, Joseph Haydn, Franz Schubert, Amy Beach, Nadia Boulanger u. a.

SCHUMANN

QUARTETT

Die Musikmäzenin Elizabeth

Sprague Coolidge

Werke von Sergei Prokofjew, Leó Weiner und Béla Bartók

HAN-NA CHANG & BRUCKNER ORCHESTER LINZ

Festliches Abschlusskonzert mit Werken von Lili Boulanger und Ethel Smyth

kassa@liva.linz.at | brucknerfest.at

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Schumann Quartett David Kadouch | Klavier Benjamin Appl | Bariton Han Na Chang | Dirigentin

Marienmusik im Mariendom

Monteverdis „Marienvesper“

Donnerstag, 28. September 2023, 20:00 Uhr

Mariendom Linz

3. Konzert im 4-Kirchen-Abonnement

Programm

Claudio Monteverdi (1567–1643)

Vespro della Beata Vergine („Marienvesper“), SV 206 (1610)

I „Deus in adiutorium“. Vesper-Ingressus

II „Dixit Dominus“

III „Nigra sum“. Antiphon aus dem Commune Virginum

IV „Laudate, pueri“

V „Pulchra es“. Antiphon auf Mariae Himmelfahrt

VI „Laetatus sum“

VII „Duo Seraphim“. Responsorium zu den Sonntagen nach Epiphanias und nach Trinitatis

VIII „Nisi Dominus“

IX „Audi, caelum“

X „Lauda, Ierusalem“

– Pause –

XI Sonata sopra „Sancta Maria, ora pro nobis“

XII „Ave, maris stella“. Hymnus

XIII Magnificat

Konzertende ca. 21:45

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Besetzung

Zsuzsi Tóth | Sopran

Erika Tandiono | Sopran

Raffaele Giordani | Tenor

Jacob Lawrence | Tenor

Massimo Lombardi | Tenor

João Moreira | Tenor

Vox Luminis

Lionel Meunier | Leitung

5 Brucknerhaus-Debüt

Wie kaum ein anderes Werk stellt Claudio Monteverdis 1610 veröffentlichte Vespro della Beata Vergine SV 206 Interpret*innen wie Musikwissenschaftler*innen vor ein bis heute ungelöstes Rätsel. Grund dafür sind nicht die komplexen Strukturen, die nicht eindeutig festgelegte instrumentale Besetzung oder die nicht immer leicht zu entschlüsselnden Tempoproportionen. Die große Frage lautet schlicht: Weshalb komponierte Monteverdi seine „Marienvesper“? Auf der Suche nach einer Antwort empfiehlt es sich, ganz am Anfang zu beginnen.

GLÜCKES GENUG?

Als Sohn eines Arztes am 15. Mai 1567 im norditalienischen Cremona auf den Namen Claudio Zuan Antonio getauft, erhielt Monteverdi im Alter von 15 Jahren seinen ersten Kompositionsunterricht beim dortigen Domkapellmeister Marc’Antonio Ingegneri. Schon die Werke dieser Zeit, wie etwa die 1583 veröffentlichten Madrigali spirituali oder das Erste Madrigalbuch aus dem Jahr 1587, zeigen den jungen Komponisten in sämtlichen satztechnischen Aspekten versiert. Von 1590 an, als Monteverdi im Alter von 33 Jahren eine Anstellung als Sänger und Bratschist in der Hofkapelle des Herzogs Vincenzo I. Gonzaga

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„Von der Vollkommenheit der modernen Musik“

von Mantua erhielt, bescherte ihm sein kompositorisches Geschick auch berufliche und private Fortune: Bis 1605 komponierte er dort vier weitere aufsehenerregende Madrigalbücher, wurde 1594 zunächst zum Cantore und 1602 sogar zum Maestro di cappella ernannt. Darüber hinaus lernte er zu jener Zeit die Sängerin Claudia Cattaneo, Tochter seines Mentors Giacomo Cattaneo und Sängerin im herzoglichen Vokalensemble Concerto delle donne, kennen, die er am 20. Mai 1599 heiratete. Kaum konnte er ahnen, dass die Zeit anhaltenden Glückes schon bald ein jähes, wenn auch nur vorläufiges, Ende finden sollte.

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Glückes genug? Monteverdis Lebenslauf
Claudio Monteverdi, Porträt von Bernardo Strozzi, um 1630

Eine musikalische Revolution

Die Seconda Pratica

EINE MUSIKALISCHE REVOLUTION

Bereits 1600 hatte der reaktionäre Bologneser Musiktheoretiker und Schriftsteller Giovanni Artusi in seiner Schrift L’Artusi, overo Delle imperfettioni della moderna musica (Artusi, oder Von der Unvollkommenheit der modernen Musik) Monteverdi, gleichwohl ohne Nennung seines Namens, angegriffen und dessen harmonische und satztechnische Neuerungen verurteilt: „Ich wurde eingeladen, einige neue Madrigale zu hören […]; die Machart war nicht schlecht, auch wenn sie neue Regeln, neue Mittel und neuen sprachlichen Ausdruck einführte. Aber sie sind rau und dem Ohr wenig gefällig […]. Wenn du sagst, ,Ich wünsche, dass sie [i. e. die Dissonanzen] klar gehört werden, aber in einer Weise, dass sie das Ohr nicht verletzen‘, warum verwendest du sie dann nicht in der richtigen Weise, der Vernunft gemäß in Übereinstimmung mit dem, wie viele andere Komponisten in dieser Akademie komponiert haben?“ Artusi bezog sich dabei auf das zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichte Madrigal „Cruda Amarilli“. Nachdem Monteverdi drei Jahre später, von den Anfeindungen scheinbar unbeeindruckt, sein Viertes Madrigalbuch veröffentlichte, wiederholte Artusi seine Vorwür fe umso vehementer. Nun sah sich der Komponist veranlasst, seinen Taten Worte folgen zu lassen: Im Vorwort seines 1605 erschienenen Fünften Madrigalbuchs, an dessen Beginn er demonstrativ eben jenes „Cruda Amarilli“ stellte, wandte er sich direkt an sein Publikum: „Wundert Euch nicht, dass ich diese Madrigale in Druck gebe, ohne vorher auf die Einwände zu antworten, die Artusi gegen einige winzige Passagen machte […]. Nichtsdestoweniger habe ich diese Antwort geschrieben, um klarzustellen, dass ich meine Sachen nicht aufs Geratewohl mache, und sobald ich diese Antwort überarbeitet habe, wird sie mit dem Titel ,Seconda Pratica, overo Perfettione della moderna musica‘ [,Seconda Pratica, oder Von der Vollkommenheit der modernen Musik‘] im Druck erscheinen.“ Da die angekündigte Schrift allerdings niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickte, gab sich Artusi noch immer nicht zufrieden, sodass sich 1607 schließlich auch Giulio Cesare Monteverdi, der jüngere Bruder des Komponisten, verpflichtet fühlte, sich im Vorwort von dessen Scherzi musicali zu Wort zu melden: „Mein Bruder sagt, dass er seine Sachen nicht aufs Geratewohl mache, in Anbetracht dessen, dass es seine Absicht gewesen sei, in

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Eine musikalische Revolution

Die Seconda Pratica

dieser Art der Musik die Rede zur Herrin des Tonsatzes zu machen und nicht zu seiner Dienerin […]. Aber Artusi, als guter Schulmeister, greift einige Partikelchen aus dem Madrigal ,Cruda Amarilli‘ meines Bruder heraus und kümmert sich keinen Deut um den Text, indem er ihn in einer Weise weglässt, als ob er nichts mit der Musik zu tun hätte.“ In diesem Streit verfestigten sich die Begriffe der von Artusi propagierten Prima Pratica als traditionelle Form strenger Polyphonie und Kontrapunktik und der Seconda Pratica, deren rezitativische Monodie und textgetreue musikalische Ausdrucksweise Monteverdi verfocht und weiterentwickelte. Inmitten dieser Auseinandersetzung vollendete er 1607 seine Favola in musica mit dem Titel L’Orfeo, deren Komposition ihn beinahe ein ganzes Jahr in Anspruch genommen hatte. Doch wie der Protagonist seines Bühnenwerks verzweifelt in den Hades hinabsteigen muss, um seine verstorbene Gattin Euridice aus den Fängen der Unterwelt zu befreien, fiel Monteverdi noch im selben Jahr durch den plötzlichen Tod seiner jungen Ehefrau aus dem Parnass in den Abgrund der Resignation. Zermürbt von diesem Schicksalsschlag, den öffentlichen Anfeindungen und den zunehmend unsicheren finanziellen Verhältnissen am Mantuaner Hof, zog er sich 1608 zur Erholung in sein Elternhaus nach Cremona zurück, von wo aus sich sein Vater mehrmals brieflich an Vincenzo I. wandte: „Mein Sohn kam

Monodie: vom Generalbass begleiteter Sologesang

Herzog Vincenzo I. Gonzaga, Porträt von Peter Paul Rubens, 1600

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Vereinigung der Stile Die „Marienvesper“

schwerkrank nach Cremona, verschuldet, ärmlich gekleidet, dazu auch ohne das Honorar seiner Gattin Claudia, nach deren Tod er für zwei kleine Kinder sorgen muss. Ich schreibe Seiner Hoheit auf Knien, er möge in Gottes Namen meinen Sohn aus dem Dienst entlassen, denn wenn er nach Mantua zurückkehrt, so fürchte ich, wird er bald sterben.“ Obwohl Monteverdi selbst betonte, dass sein Leben „dann, wenn ich mich von der anstrengenden Arbeit an der Theatermusik nicht ausruhe, sicherlich kurz sein“ werde, da er sich „als Folge der vergangenen Überanstrengung ein Kopfleiden zugezogen habe, und einen so heftigen Juckreiz um die Taille, der sich durch die vorgenommenen Ausbrennungen, durch die Einnahme von Purgiermitteln, durch Aderlaß und andere starke Mittel bis jetzt nur teilweise heilen ließ“, blieb der Herzog unbeeindruckt und der Komponist musste widerwillig nach Mantua zurückkehren. Seine dortige Situation besserte sich allerdings nicht. Hatte er sich zuvor beklagt, „unter Kälte, fehlender Kleidung, Knechtschaft und beinahe auch unter dem Mangel an Lebensmitteln“ zu leiden, so drohte Monteverdi – der betonte, er wisse, „dass man schnell komponieren kann, aber schnell und gut geht nicht zusammen“ – nun unter der gewaltigen Arbeitslast zusammenzubrechen. Über die Komposition seiner Tragedia L’Arianna teilte er fast zwanzig Jahre später mit: „Der Mangel an Zeit war nämlich der Grund dafür, dass ich mich beim Komponieren der ,Arianna‘ fast umgebracht hätte.“

„CLAUDANTUR ORA IN CLAUDIUM“

Vermutlich fiel in diese Zeit Monteverdis Entschluss, die Unzulänglichkeiten seiner Anstellung schnellstmöglich hinter sich zu lassen, und möglicherweise kam ihm zu diesem Zeitpunkt erstmals der Gedanke an die Komposition seiner Vespro della Beata Vergine („Marienvesper“). Zwei Jahre später veröffentlichte er, mit einer auf den 1. September 1610 datierten Widmung an den „allerheiligsten und gesegnetsten [Papst] Paul V.“ versehen, beim venezianischen Drucker Ricciardo

Amadino einen Band mit dem Titel Sanctissimae Virgini Missa senis vocibus ad ecclesiarum choros, ac Vespere pluribus decantandae cum nonnullis sacris concentibus ad Sacella sive Principum Cubicula accommodata (Messe der Heiligsten Jungfrau zu sechs Stimmen für Kirchenchöre und Vesper für mehrere Stimmen mit einigen geistlichen

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Konzerten für Kapellen oder Fürstengemächer geeignet). Hinter der „Messe der Heiligsten Jungfrau“ verbirgt sich die Missa in illo tempore, eine Parodiemesse auf die acht Themen der gleichnamigen Motette des franko­flämischen Komponisten Nicolas Gombert, während es sich beim zweiten Werk um die „Marienvesper“ handelt. Der in acht Stimmbüchern – sieben für die Vokalstimmen, Streicher und Blasinstrumente und eines als „Dirigierpartitur“ mit der Generalbassstimme und den Noten der wichtigsten Stimmen und Einsätze – herausgegebene Band vereinte mit diesen beiden Werken zugleich die gegensätzlichen stilistischen Pole seiner Zeit. Während die Messe in der kunstvoll imitatorischen Polyphonie und im strengen Kontrapunkt der Prima Pratica gehalten ist, zeigt sich die Vesper vor allem in den eingefügten geistlichen Konzerten von den Neuerungen der Seconda Pratica geprägt. Im Vorwort der Partitur buhlte Monteverdi nicht nur unterwürfig um die Gunst des Papstes und erwehrte sich dabei hintergründig der Vorwürfe Artusis: „Damit also diese heiligen Harmonien, von Eurem herausragenden und nahezu göttlichen Glanz erhellt, widerleuchten mögen und damit der höchste ihm zukommende Segen den

Parodiemesse: Messe auf Grundlage einer mehrstimmigen weltlichen Komposition, wie etwa Motette oder Chanson

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Vereinigung der Stile Die „Marienvesper“ Papst Paul V., Mosaik von Marcello Provenzale, 1621 Titelblatt der Generalbassstimme des Erstdrucks der „Marienvesper“, 1610

winzigen Hügel meines Genius Tag für Tag mehr ergrünen lassen möge [eine Anspielung auf seinen Nachnamen; „monte verde“ = grüner Berg] und die Münder derer, die unrecht über Claudio sprechen, sich verschließen mögen [im Original ein Wortspiel mit seinem Vornamen „claudantur ora in Claudium“; claudere = verschließen], überreiche ich und bringe ausgestreckt zu Euren heiligsten Füßen diese meine wie auch immer gearteten Arbeiten schlafloser Nächte dar“. Die Bemerkung, der Band enthalte „Arbeiten schlafloser Nächte“, legt darüber hinaus den Schluss nahe, der Komponist habe das Werk in seiner Freizeit abseits der Verpflichtungen am herzoglichen Hofe komponiert. Angesichts dessen mutet Monteverdis Veröffentlichung regelrecht wie ein musikalisches Portfolio an, mit dem er sich um eine Anstellung in Rom und anderen Städten bewerben wollte. Sein Vorhaben sollte ihm dabei erst drei Jahre später glücken: Nachdem Herzog Vincenzo I. Gonzaga am 18. Februar 1612 verstarb und dessen Sohn und Nachfolger Francesco IV. aufgrund der prekären finanziellen Situation zahlreiche Hofmitglieder, darunter auch Monteverdi, entlassen musste, bewarb sich der Komponist im Sommer des Jahres 1613 um den vakant gewordenen Posten des Kapellmeisters am Markusdom in Venedig, auf den er am 1. August desselben Jahres berufen wurde. Die Prokuratoren des Domes betonten in ihrer Begründung für die Wahl Monteverdis, besonders „von seinen gedruckten Werken“ beeindruckt gewesen zu sein.

EIN MACHWERK? EIN SAMMELBAND?

Obschon die „Marienvesper“ heutzutage fast ausschließlich in ihrem vollen Umfang zur Aufführung kommt, handelt es sich wohl eher um einen in der Zeit der Renaissance üblichen Repertoiredruck, in dem verschiedene Werkgattungen zu einer Sammlung zusammengefasst wurden, aus der sich die Ausführenden je nach Besetzung und Anlass bedienen konnten. Die einzige Besonderheit im Vergleich zu anderen derartigen Partituren besteht darin, dass die keinen integralen Bestandteil der Vesper-Liturgie darstellenden Concerti nicht, wie gewöhnlich, gesammelt abgedruckt, sondern mit den einzelnen Teilen der Vesper verwoben wurden. Auch mit der Kombination zweier Magnificat­Vertonungen reihte sich der Komponist in eine bestehende Tra ­

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Vereinigung der Stile Die „Marienvesper“

dition ein, wenn auch die identische motivische Struktur beider Werke eine Eigentümlichkeit darstellt. Durch die Verschränkung der traditionellen Sätze der Vesper, deren virtuoser Polyphonie Monteverdi jeweils eine liturgische Cantus firmus­Melodie zugrunde legte, mit den strukturell ungleich freieren, expressiven geistlichen Konzerten schuf er eine eindrucksvolle Demonstration all dessen, was in der Sakralmusik seiner Zeit für möglich erachtet wurde, die erst knapp 140 Jahre später in Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe BWV 232 eine würdige Nachfolgerin fand.

PRIMA UND SECONDA PRATICA

Nach einer festlichen Intonatio („Deus in adiutorium“), in der Monteverdi die einleitende Toccata seines L’Orfeo zitiert und damit gleichsam die Verschränkung weltlicher und geistlicher Musik vollzieht, folgt mit dem „Dixit Dominus“ der erste Psalm der traditionellen katholischen Vesper. Als gelte es, sein ganzes kompositorisches Können auf dem Gebiet der Prima Pratica unter Beweis zu stellen, lässt er aus dem zunächst einstimmig vorgetragenen Cantus firmus vielfältige kanonische Imitationen sprießen, die im weiteren Verlauf dem stets beibehaltenen Psalmton immer neue klangliche Farben abgewinnen, ehe die harmonisch deutlich abgetrennte Schlussformel „Gloria Patri“ in ihrer orgelpunktartigen Struktur wieder den Gestus der Intonatio aufgreift. Im ersten Concerto, dem „Nigra sum“, begibt sich Monteverdi wiederum ganz auf das Gebiet der Seconda Pratica: Das über einem rezitativisch begleitenden Generalbass erklingende Tenorsolo ist in erster Linie vom Inhalt des Textes charakterisiert, den der Komponist, wie auch im Fall des zweiten Concertos, dem alttestamentarischen Hohelied Salomos entnahm und damit der liturgischen Marienverehrung eine ungewöhnlich sinnliche Note verlieh. Auch im eher konzertant als polyphon gehaltenen Psalm „Laudate, pueri“ verwendet Monteverdi zahlreiche lautmalerische Mittel, wie etwa die aufsteigenden Figuren auf „erigens“ („erhöht“) oder die klangliche Reduktion bei „pauperem“ („den Armen“). Auf das lyrische, von elegant wiegenden Punktierungen geprägte Duett „Pulchra es“ folgen in der Psalmvertonung des „Laetatus sum“ kunstvolle kontrapunktische Variationen, deren zugrunde liegende, die Worte „In domum Domini

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Vereinigung der Stile Die „Marienvesper“

Vereinigung der Stile Die „Marienvesper“

Titelseite des Lyrikbandes

Fiori poetici, der 1644 „anlässlich der Beerdigung des sehr illustren und sehr verehrten Signor Claudio Monteverdi“ erschien, 1644

ibimus“ („Lasset uns zum Hause des Herrn gehen“) ausdeutende Basslinie bezeichnenderweise erstmals bei den Worten „Stantes erant pedes nostri“ („Unsere Füße stehen“) zum ,Stehen‘ kommt. Einen ersten Höhepunkt erreicht Monteverdis affektvolle Textausdeutung im dritten Concerto, „Duo Seraphim“, in dem die Rufe zweier Engel durch eindringlich sequenzierte Sekundreibungen ausgedrückt werden, bevor an der Textstelle „tres sunt“ („Drei sind“) die dritte, die Trinität Gottes vollendende Stimme hinzutritt und sich die drei Sänger schließlich auf demselben Ton vereinigen: „et hi tres unum sunt“ („und diese drei sind Eins“). In der Vertonung des Psalms „Nisi Dominus“ stellt Monteverdi die sinnlose Geschäftigkeit der Menschen – „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so mühen sich die Bauleute umsonst“ –

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durch die Technik des „Coro spezzato“, also eines „geteilten Chores“, dar, indem er zwei fünfstimmige Chöre antiphonal ,gegeneinander‘ singen lässt. Das vierte Concerto, „Audi, caelum“, basiert auf einem Text aus dem 16. Jahrhundert, dessen filigrane Wortspiele Monteverdi in Form einer die „fragenden“ Koloraturen des Tenors imitierenden Echostimme vertonte, die jeweils die Endsilben des zuletzt gesungenen Wortes aufgreift. So wirkt es, als antworte dem Fragenden das eigene, naturgemäß um phonetische Einzelheiten beraubte Echo: „Quae est ista, quae consurgens ut aurora rutilat, ut benedicam? – Dicam.“ („Wer ist diese, die im Emporsteigen rötlich schimmert wie die Morgenröte, so dass ich sie preisen kann? – Ich werde [es dir] sagen.“). Wie die erste, so endet auch die letzte Psalmvertonung der Vesper, das „Lauda, Ierusalem“, in welcher die den Cantus firmus intonierende Tenorstimme von zwei dreistimmigen Chören umrahmt wird, mit dem tonartlich abgesetzten „Gloria Patri“. Bei der darauffolgenden Sonata sopra „Sancta Maria, ora pro nobis“ handelt es sich um eine virtuose und farbenprächtige Instrumentalkomposition, über der die Sopranstimmen die Allerheiligenlitanei „Sancta Maria, ora pro nobis“ ( „Heilige Maria, bete für uns“) intonieren. Auch in die zwischen Chor und Solostimmen alternierenden sieben Strophen des mittelalterlichen Hymnus „Ave, maris stella“, die in ihrem rhythmischen Fluss und ihrer intimen Klanglichkeit einen kontemplativen Ruhepunkt bilden, fügte Monteverdi vier den Text musikalisch kommentierende instrumentale Ritornelle ein. Im abschließenden siebenstimmigen Magnificat steht jeder der zwölf Sätze in unterschiedlicher vokaler und instrumentaler Besetzung, um den Inhalt der jeweiligen Textstellen möglichst treffend zum Ausdruck zu bringen. Allen Sätzen gemein ist wieder ein gleichbleibender Cantus firmus, der zuletzt zur Grundlage eines klanggewaltigen Schlussabschnitts wird, der alle instrumentalen und vokalen Kräfte bündelt und damit, wie es Monteverdis Bruder bereits im Vorwort der Scherzi musicali formuliert hatte, nachdrücklich unter Beweis stellt, „daß es in dieser Art von Musik seine Absicht gewesen ist zuzusehen, daß die Rede Herrin der ,armonia‘ sei und nicht Dienerin“

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Andreas Meier Vereinigung der Stile Die „Marienvesper“

Gesangstexte

Claudio Monteverdi (1567–1643)

Vespro della Beata Vergine

I „Deus in adiutorium“

Vesper-Ingressus

Text nach Psalm 69,2 der Vulgata (nach heutiger Zählung Ps 70,2) mit Doxologie

Deus, in adiutorium meum intende, Domine, ad adiuvandum me festina.

Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto, sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum. Amen. Alleluia.

II „Dixit Dominus“

Text: Psalm 109 der Vulgata (nach heutiger Zählung Ps 110) mit Doxologie

Dixit Dominus Domino meo: Sede a dextris meis, donec ponam inimicos tuos scabellum pedum tuorum.

Virgam virtutis tuae

emittet Dominus ex Sion: dominare in medio inimicorum tuorum.

Tecum principium in die virtutis tuae in splendoribus sanctorum; ex utero, ante luciferum, genui te.

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Gott, auf meine Hilfe sei bedacht. Herr, eile mir zu helfen.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Halleluja.

Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße.

Das Zepter deiner Macht wird der Herr von Sion ausgehen lassen. Herrsche inmitten deiner Feinde.

Bei dir ist Herrschaft am Tage deiner Macht im Glanze der Heiligen; ich habe dich aus meinem Schoße gezeugt vor dem Morgensterne.

17 Übersetzung

Juravit Dominus, et non poenitebit eum: Tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech.

Dominus a dextris tuis; confregit in die irae suae reges.

Judicabit in nationibus; implebit ruinas, conquassabit capita in terra multorum,

de torrente in via bibet; propterea exaltabit caput.

Gloria Patri et Filio …

III „Nigra sum“

Antiphon aus dem Commune Virginum

Text nach dem Hohelied Salomos (Hld 1,5 (4); 2,10–12)

Nigra sum, sed formosa, filiae Ierusalem. Ideo dilexit me rex et introduxit me in cubiculum suum et dixit mihi:

Surge, amica mea, et veni: iam hiems transiit; imber abiit, et recessit. Flores apparuerunt in terra nostra; tempus putationis advenit.

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Gesangstext

Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: Auf ewig bist du Priester nach der Ordnung des Melchisedechs.

Der Herr zerschmettert zu deiner Rechten Könige am Tage seines Zornes.

Er wird Gericht halten über die Völker, er wird Trümmer aufhäufen, die Häupter im Lande vieler zerschmettern.

Aus dem Bache am Wege wird er trinken; darum wird er das Haupt erheben.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn …

Schwarz bin ich, aber schön, ihr Töchter Jerusalems: darum hat mich der König geliebt, und eingeführt in sein Gemach und mir gesagt:

Steh auf, meine Freundin, und komme!

Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; die Blumen sind hervorgekommen in unserem Lande, die Zeit, die Weinstöcke zu beschneiden, naht.

19 Übersetzung

IV „Laudate, pueri“

Text: Psalm 112 der Vulgata (nach heutiger Zählung

Ps 113) mit Doxologie

Laudate, pueri, Dominum, laudate nomen Domini.

Sit nomen Domini benedictum ex hoc nunc et usque in saeculum.

A solis ortu usque ad occasum laudabile nomen Domini.

Excelsus super omnes gentes Dominus, et super caelos gloria eius.

Quis sicut Dominus Deus noster, qui in altis habitat,

et humilia respicit in caelo et in terra?

Suscitans a terra inopem, et de stercore erigens pauperem:

ut collocet eum cum principibus, cum principibus populi sui.

Qui habitare facit sterilem in domo, matrem filiorum laetantem.

Gloria Patri et Filio …

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Gesangstext

Lobet den Herrn, ihr Diener! Lobet den Namen des Herrn!

Der Name des Herrn sei gepriesen, von nun an bis in Ewigkeit.

Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei der Name des Herrn gelobt.

Hocherhaben über alle Völker ist der Herr, die Himmel überragt seine Herrlichkeit.

Wer ist wie der Herr, unser Gott, der in der Höhe thront,

der tief herabschaut im Himmel und auf Erden?

Der den Geringen aus dem Staube aufrichtet, und den Armen aus dem Kote erhebt,

um ihn neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volkes zu setzen.

Der die Unfruchtbare im Hause wohnen lässt, als fröhliche Mutter von Kindern.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn …

21 Übersetzung

V „Pulchra es“

Antiphon auf Mariae Himmelfahrt

Text: Hohelied Salomos (Hld 6,4–5)

Pulchra es, amica mea; suavis, et decora filia Ierusalem; terribilis ut castrorum acies ordinata.

Averte oculos tuos a me, quia ipsi me avolare fecerunt.

VI „Laetatus sum“

Text: Psalm 121 der Vulgata (nach heutiger Zählung Ps 122) mit Doxologie

Laetatus sum in his quae dicta sunt mihi: In domum Domini ibimus.

Stantes erant pedes nostri in atriis tuis, Ierusalem.

Ierusalem, quae aedificatur ut civitas, cuius participatio eius in idipsum.

Illuc enim ascenderunt tribus, tribus Domini, testimonium Israël, ad confitendum nomini Domini.

Quia illic sederunt sedes in iudicio, sedes super domum David.

Rogate quae ad pacem sunt Ierusalem, et abundantia diligentibus te.

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Gesangstext

Schön bist du und lieblich, Tochter Jerusalems, furchtbar wie eine geordnete Heeresmacht.

Wende deine Augen von mir; denn sie verwirren mich.

Ich freute mich, als man zu mir sprach: Lasset uns zum Hause des Herrn gehen!

Unsere Füße stehen in deinen Torhallen, Jerusalem!

Jerusalem, das wieder gebaut wird wie eine Stadt, die sich zur Gemeinschaft zusammenfügt.

Dorthin ziehen ja die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, nach dem Gesetze für Israel, den Namen des Herrn zu preisen.

Denn dort stehen die Stühle zum Gerichte, die Stühle für das Haus Davids.

Erfleht Jerusalem Frieden, und Überfluss werde denen zuteil, die dich lieben.

23 Übersetzung

Fiat pax in virtute tua, et abundantia in turribus tuis.

Propter fratres meos et proximos meos, loquebar pacem de te.

Propter domum Domini Dei nostri, quaesivi bona tibi.

Gloria Patri et Filio …

VII „Duo Seraphim“

Responsorium zu den Sonntagen nach Epiphanias und nach Trinitatis

Text nach Jesaja (Jes 6,3) und dem

1. Brief des Johannes (1 Joh 5,7–8)

Duo Seraphim clamabant alter ad alterum: Sanctus Dominus, Deus Sabaoth; plena est omnis terra gloria eius.

Tres sunt, qui testimonium dant in caelo: Pater, verbum et Spiritus Sanctus et hi tres unum sunt. Sanctus Dominus, Deus Sabaoth; plena est omnis terra gloria eius.

VIII „Nisi Dominus“

Text: Psalm 126 der Vulgata (nach heutiger

Zählung Ps 127) mit Doxologie

Nisi Dominus aedificaverit domum, in vanum laboraverunt qui aedificant eam.

Nisi Dominus custodierit civitatem, frustra vigilat qui custodit eam.

24
Gesangstext

Friede sei in deiner Feste; und Überfluss in deinen Türmen!

Um meiner Brüder und um meiner Nächsten willen wünsche ich dir Frieden!

Um des Hauses des Herrn, unseres Gottes willen, will ich alles Gute für dich erflehen.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn …

Zwei Seraphim riefen einer dem andern zu: Heilig ist der Herr, Gott der Heerscharen! Die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!

Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist; und diese drei sind Eins. Heilig. Ehre sei dem Vater. Die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit.

Wenn der Herr nicht das Haus baut, so mühen sich die Bauleute umsonst; wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Hüter umsonst.

25 Übersetzung

Vanum est vobis ante lucem surgere: surgite postquam sederitis, qui manducatis panem doloris. Cum dederit dilectis suis somnum, ecce haereditas Domini, filii; merces, fructus ventris.

Sicut sagittae in manu potentis, ita filii excussorum.

Beatus vir qui implevit desiderium suum ex ipsis: non confundetur cum loquetur inimicis suis in porta.

Gloria Patri et Filio …

IX „Audi, caelum“

Text: Anonymus (nicht biblisch)

Audi, caelum, verba mea, plena desiderio et perfusa gaudio.

Audio.

Dic, quaeso, mihi: Quae est ista, quae consurgens ut aurora rutilat, ut benedicam?

Dicam.

Dic nam, ista pulchra ut luna electa, ut sol replet laetitia terras, caelos, maria.

Maria.

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Gesangstext

Vergeblich ist es für euch, vor Tage aufzustehen; stehet immer auf, nachdem ihr lange gesessen, die ihr das Brot der Schmerzen esset. Während er seinen Geliebten Schlaf gibt, sehet, vom Herrn verliehener Besitz sind Kinder, ein Lohn von ihm die Leibesfrucht.

Wie Pfeile in der Hand eines Helden, so sind die Kinder der Vertriebenen.

Glückselig der Mann, der sein Verlangen damit erfüllt sieht; er wird nicht zu Schanden, wenn er mit seinen Feinden im Tore rechtet.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn …

Höre, Himmel, meine Worte voll Verlangen und mit Freude übergossen. Ich höre.

Bitte sage mir: Wer ist diese, die im Emporsteigen rötlich schimmert wie die Morgenröte, so dass ich sie preisen kann? Ich werde sagen.

Sag, denn sie ist schön wie der Mond, strahlend wie die Sonne und sie füllt mit ihrer Fröhlichkeit die Länder, Himmel, Meere. Maria.

27 Übersetzung

Maria virgo illa dulcis praedicta de propheta Ezechiel porta orientalis?

Talis.

Illa sacra et felix porta, per quam mors fuit expulsa, introduxit autem vita?

Ita.

Quae semper tutum est medium inter homines et Deum pro culpis remedium? Medium.

Omnes hanc ergo sequamur, qua cum gratia mereamur vitam aeternam. Consequamur! Sequamur.

Praestet nobis Deus, Pater hoc et Filius et Mater, cuius nomen invocamus dulce miseris solamen. Amen.

Benedicta es, virgo Maria, in saeculorum saecula.

X „Lauda, Ierusalem“

Text: Psalm 147 der Vulgata (nach heutiger Zählung Ps 147,12–20) mit Doxologie

Lauda, Ierusalem, Dominum; lauda Deum tuum, Sion.

28
Gesangstext

Maria, jene liebliche Jungfrau, angekündigt vom Propheten Hesekiel, die Pforte des Ostens? Eben jene.

Jene heilige glückliche Pforte, durch die der Tod vertrieben wurde, führte sie das Leben doch herein? So ist es.

Die, die immer sichere Mittlerin zwischen Mensch und Gott ist, Heilung für die Schuld? Die Mittlerin.

Lasst uns ihr also alle folgen, mit deren Gnade wir das ewige Leben erwerben können, lasst uns ihr nachfolgen!

Lasst uns folgen!

Gott ist größer als wir, der Vater und der Sohn und die Mutter, deren Namen wir anrufen, als süßer Trost den Armen. Amen.

Sei gepriesen, Jungfrau Maria, von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Lobe, Jerusalem, den Herrn; lobe, Sion, deinen Gott!

29 Übersetzung

Quoniam confortavit seras portarum tuarum, benedixit filiis tuis in te.

Qui posuit fines tuos pacem, et adipe frumenti satiat te.

Qui emittit eloquium suum terrae, velociter currit sermo eius.

Qui dat nivem sicut lanam, nebulam sicut cinerem spargit.

Mittit crystallum suum sicut buccellas: ante faciem frigoris eius quis sustinebit?

Emittet verbum suum, et liquefaciet ea; flabit spiritus eius, et fluent aquae.

Qui annuntiat verbum suum Jacob, justitias et judicia sua Israël.

Non fecit taliter omni nationi, et judicia sua non manifestavit eis.

Gloria Patri et Filio …

XI Sonata sopra „Sancta Maria, ora pro nobis“

Sancta Maria, ora pro nobis.

30
Gesangstext

Denn er hat die Riegel deiner Tore festgemacht, deine Kinder in dir gesegnet.

Er hat deinen Marken Frieden gewährt, und sättiget dich mit dem Fette des Weizens.

Er sendet sein Wort aus auf die Erde; gar schnell eilt sein Wort.

Er gibt Schnee wie Wolle, streut Nebel wie Asche aus.

Er wirft seinen Hagel wie Bissen hernieder; wer kann bestehen vor seinem Froste?

Er entsendet sein Wort und lässt ihn schmelzen; es weht sein Wind, da fließen die Wasser.

Er tut Jakob sein Wort kund, seine Rechte und seine Satzungen Israel.

Nicht also hat er irgendeinem anderen Volke getan, und seine Rechte ihnen nicht offenbart.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn …

Heilige Maria, bete für uns.

31 Übersetzung

XII „Ave, maris stella“ Hymnus

Text: Anonymus (8. oder 9. Jahrhundert)

Ave, maris stella, Dei mater alma, atque semper virgo, felix caeli porta.

Sumens illud „Ave“ Gabrielis ore, funda nos in pace, mutans Evae nomen.

Solve vincla reis, profer lumen caecis, mala nostra pelle, bona cuncta posce.

Monstra te esse matrem, sumat per te preces qui pro nobis natus tulit esse tuus.

Virgo singularis, inter omnes mitis, nos culpis solutos mites fac et castos.

Vitam praesta puram, iter para tutum, ut videntes Iesum semper collaetemur.

Sit laus Deo Patri, summo Christo decus, Spiritui Sancto tribus honor unus. Amen.

XIII Magnificat

Text: Lukas-Evangelium (Lk 1,46–55)

Magnificat anima mea Dominum:

Et exsultavit spiritus meus in Deo salutari meo.

32
Gesangstext

Ave, Stern des Meeres, hehre Mutter Gottes, allezeit reine Jungfrau, sel’ge Himmelspforte!

Du vernahmst das Ave, aus des Engels Munde; Evas Namen wendend, fest’ge uns in Frieden.

Lös der Sünder Bande, heil die Nacht der Blinden, unsre Übel scheue, was uns gut, erbitte.

Zeige dich als Mutter, durch dich hör die Bitten der, für uns geboren, dein zu sein sich würdigt.

Auserwählte Jungfrau, milde über alle, mach uns rein von Sünden, sanft und keuschen Sinnes!

Schaff uns reines Leben, mach den Weg uns sicher, dass, anschauend Jesum, ewig wir uns freuen.

Lob sei Gott dem Vater, Preis dem höchsten Sohne und dem heil’gen Geiste, eine Ehr den Dreien!

Amen.

Hoch preiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlocket in Gott meinem Heilande.

33 Übersetzung

Quia respexit humilitatem ancillae suae: ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes,

quia fecit mihi magna qui potens est: et sanctum nomen eius,

et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum.

Fecit potentiam in brachio suo: dispersit superbos mente cordis sui.

Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles.

Esurientes implevit bonis: et divites dimisit inanes.

Suscepit Israël puerum suum, recordatus misericordiae suae:

sicut locutus est ad patres nostros, Abraham et semini eius in saecula.

Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto, sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum. Amen.

34
Gesangstext

Denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd; siehe, von nun werden mich selig preisen alle Geschlechter!

Denn Großes hat an mir getan, der da mächtig ist, und dessen Name heilig.

Er ist barmherzig von Geschlecht zu Geschlecht denen, die ihn fürchten.

Er übet Macht mit seinem Arme; zerstreuet, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinne.

Die Gewaltigen stürzt er vom Throne und erhöhet die Niedrigen.

Die Hungrigen erfüllt er mit Gütern, die Reichen lässt er leer ausgehen.

Er nimmt sich Israels an, seines Knechtes, eingedenk seiner Barmherzigkeit.

Wie er zu unsern Vätern gesprochen hat, zu Abraham und seinen Nachkommen, ewiglich.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

(Übersetzungen: Ferdinand Janner, Martin Luther, Alexander Jost)

35 Übersetzung

Zsuzsi Tóth

Zsuzsi Tóth ist eine ungarische Sängerin, die international mit den renommiertesten Ensembles auftritt. Sie studierte Gesang an der Fakultät für Musik der Universität Szeged (Ungarn). Am Königlichen Konservatorium in Den Haag spezialisiert sie sich auf Alte Musik und bestand ihren Abschluss mit Auszeichnung. Während ihres Studiums erhielt sie sowohl ein staatliches ungarisches Stipendium sowie das Huygens Scholarship Program der Niederlande. Zweimal wurde sie bei Wettbewerben mit dem 1. Preis ausgezeichnet: beim Mária Gyurkovics Gesangswettbewerb (Budapest, 2003) sowie bei der International József Simándy Singing Competition (Szeged, 2004). Ihre Diskografie umfasst mehrere Einspielungen mit Vox Luminis (Lionel Meunier), mit dem Collegium Vocale Gent (Philippe Herreweghe) und dem Ensemble Tetraktys (Kees Boeke) sowie Aufnahmen für zeitgenössische Musik mit Sete Lágrimas und dem Goeyvaerts Trio.

37 Biographie
Sopran

Erika Tandiono Sopran

Die in Indonesien geborene Sopranistin Erika Tandiono hat sich auf Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts spezialisiert und wird für ihre glockenreine Stimme, ihre Virtuosität und ihre ausgezeichneten musikalischen Verzierungen gelobt. Zu den Höhepunkten ihrer Engagements im Jahr 2022 gehören eine CD­Aufnahme und ihre Debüts in der Wigmore Hall in London und im Concertgebouw in Amsterdam mit Vox Luminis. Außerdem konzertierte sie mit dem Ensemble Café Zimmermann und {oh!} Orkiestra Historyczna. Sie tritt weltweit bei Musikfestivals auf, darunter das Musikfest Bremen, das Festival Stuttgart Barock, die Festivals in Pâques und Saintes, das Misteria Paschalia Festival und das Festival Organs of the Ballarat Goldfields. In Australien stand sie unter anderem mit dem Melbourne Baroque Orchestra, dem Royal Melbourne Philharmonic Orchestra, dem Australian Chamber Choir und Ludovico’s Band auf der Bühne.

38 Biographie

Raffaele Giordani studierte am Conservatorio Frescobaldi in Ferrara. Er arbeitet mit den renommiertesten Ensembles für Alte Musik zusammen, darunter Concerto Italiano, Coro e Orchestra Ghislieri, La Capella Reial de Catalunya, Mala Punica, Odhecaton, De labyrintho und Vox Luminis. Er war lange Mitglied von La Venexiana und ist eines der Gründungsmitglieder von La Compagnia del Madrigale. Sein Repertoire präsentiert er in Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Rinaldo Alessandrini, Michael Radulescu, Ottavio Dantone, Fabio Bonizzoni, Diego Fasolis, Robert King und Jordi Savall. Bei internationalen Festivals und Opernaufführungen interpretierte er Rollen in Monteverdis L’Orfeo, Il ritorno d’Ulisse in patria und L’incoronazione di Poppea, in Scarlattis Gli equivoci nel sembiante, in Caccinis L’Euridice, in de’ Cavalieris Rappresentatione di Anima, et di Corpo und in Purcells Dido and Aeneas

39 Biographie
Raffaele Giordani Tenor

Jacob Lawrence

Der australische Tenor Jacob Lawrence begann seine musikalische Laufbahn als Knabensopran im Chor seines Vaters an der Scots’ Church in Melbourne. Sein Gesangsstudium am Konservatorium in Melbourne setzte er ab 2016 bei Gerd Türk an der Schola Cantorum Basiliensis fort. Er tritt regelmäßig als Solist in Opern und Oratorien auf, darunter L’Orfeo, l’Incoronazione di Poppea, Dido and Aeneas, Armida, Hercules und La Ninfa e il Pastore. Er hat unter anderem an der Pinchgut Opera, der Victorian Opera, dem Gare du Nord in Basel und am Schlosstheater Schwetzingen gesungen. Mit Ensembles wie Vox Luminis, Le Miroir de Musique, Göttinger Barockorchester, Ensemble Leones, Les Arts Florissants, La Cetra Vokalensemble, Abendmusiken Basel, Thélème, Freunde Alter Musik Basel und Troxalida konzertiert er bei Festivals in ganz Europa, mit Fokus auf die Musik des späten Mittelalters und des Frühbarocks.

40 Biographie
Tenor

Massimo Lombardi Tenor

Massimo Lombardi wurde in Italien und Belgien ausgebildet und hat sich auf das Repertoire der Renaissance und des Barocks sowie auf gregorianische Gesänge spezialisiert. Er arbeitet mit namhaften

Ensembles für Alte Musik zusammen: Vox Luminis, La Compagnia del Madrigale, Concerto Italiano, De labyrintho, Cantar Lontano, La Venexiana, il Pomo d’Oro, Cantica Symphonia, La fonte musica, La

brucker Festwochen der Alten Musik, Musica Sacra Maastricht,

burger Festspiele, Bozar in Brüssel, Muziekgebouw aan't IJ und Het Concertgebouw in Amsterdam. Mit einem Repertoire, das vom italienischen Seicento bis zur Frühromantik reicht, tritt der Gründer und Dirigent von I Disinvolti auch als Solist auf.

41 Biographie

João Moreira

Tenor

Geboren in Évora, Portugal, begann João Moreira seine musikalische Ausbildung im Alter von acht Jahren mit Klavier und Oboe. Er studierte klassischen Gesang an der Escola Superior de Música de Lisboa bei Silvia Mateus und nahm außerdem an zahlreichen Meisterkursen für Barockgesang, unter anderem mit Maria Cristina Kiehr, Jordi Savall, Pedro Memelsdorff, Gloria Banditelli, Peter Phillips und Owen Rees, in Portugal, Spanien, Italien, in der Schweiz und in den Niederlanden teil. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden und singt mit dem Nederlands Kamerkoor, dem Egidius Kwartet, der Cappella Amsterdam, dem Amsterdam Baroque Choir, dem Ensemble Currende und mit Vox Luminis. Seit 2018 ist João Moreira künstlerischer Leiter des FIMÉ – Évora International Music Festival. Außerdem ist er Mitglied der Netherlands Bach Society und macht regelmäßig Aufnahmen für das Projekt All of Bach, das sämtliche Bach-Werke online stellt.

42 Biographie

Vox Luminis

Seit seiner Gründung im Jahr 2004 wird das belgische Vokalensemble Vox Luminis – geleitet vom Franzosen Lionel Meunier – sowohl in der intimen solistischen Besetzung als auch in größeren Formationen international für seinen einzigartigen Klang gelobt. Es ist auf das englische, italienische und deutsche Repertoire des 17. und frühen 18. Jahrhunderts spezialisiert, wobei es nicht nur bekannte Meisterwerke, sondern auch seltene Juwelen zum Leben erweckt. Der Kern aus Gesangssolist*innen kann je nach Repertoire um Continuo- oder Soloinstrumente oder ein komplettes Orchester erweitert werden. Jährlich gibt Vox Luminis rund 70 Konzerte in großen Konzertsälen und Festivals weltweit – von Antwerpen über London und Madrid bis Boston. Das Ensemble ist Artist in Residence im Concertgebouw Brugge und startete kürzlich eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem renommierten Freiburger Barockorchester.

43 Biographie

Lionel Meunier Leitung

International bekannt als Gründer und künstlerischer Leiter der belgischen Vokalensembles Vox Luminis, gilt der französische Dirigent und Bass Lionel Meunier aktuell als einer der dynamischsten und renommiertesten Akteure in den Bereichen historische Aufführungspraxis und Chormusik. Er wird für seinen detailgetreuen und temperamentvollen Interpretationsansatz gelobt, was ihn zunehmend zu einem gefragten Gastdirigenten und Leiter von Chören, Ensembles und Orchestern weltweit macht. Sein internationaler Durchbruch gelang 2012 mit der Aufnahme von Heinrich Schütz’ Musicalischen Exequien mit Vox Luminis, für die er den Gramophone Classical Music Award „Recording of the Year“ erhielt. Unter seiner Führung hat der Chor ausgedehnte Konzerttourneen durch Europa, Nordamerika und Asien unternommen, mehrjährige künstlerische Residenzen in der Wigmore Hall, beim Aldeburgh Festival, beim Utrecht Early Music Festival und im Concertgebouw Brugge wahrgenommen und über ein Dutzend hochgelobte Alben eingespielt.

Als Gastdirigent arbeitete Lionel Meunier mit der Niederländischen Bachgesellschaft, dem Danish National Vocal Ensemble, dem Niederländischen Kammerchor, dem Bachchor Salzburg und dem Boston Early Music Festival Collegium zusammen und hat gemeinsam mit Vox Luminis Projekte mit Juilliard415, dem B’Rock Orchestra, dem Philharmonia Baroque Orchestra und dem Ensemble L’Achéron realisiert. Darüber hinaus pflegt er eine enge Beziehung zum Freiburger Barockorchester und Consort. Zu den Höhepunkten der Saison 2022/23 gehörten ein Aufenthalt bei Juilliard, der in einer Aufführung von Purcells King Arthur in der Alice Tully Hall in New York City gipfelte sowie eine Europatournee mit Vox Luminis und dem Freiburger Barockorchester mit Bachs „Matthäus­Passion“ mit Konzerten unter anderem in der Berliner Philharmonie, der Elbphilharmonie in Hamburg und dem Palau de la Música Catalana in Barcelona.

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Biographie
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VORSCHAU : Internationales Brucknerfest Linz 2023

Han-Na Chang & Bruckner Orchester Linz

Festliches Abschlusskonzert

Mittwoch, 11. Oktober 2023, 19:30 Uhr

Stiftsbasilika St. Florian

Werke von Lili Boulanger, Ethel Smyth

Christina Landshamer, Florence Losseau, Martin Mitterrutzner, David Steffens | Solist*innen

Bachchor Salzburg, Bruckner Orchester Linz

Han-Na Chang | Dirigentin

Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerfest.at

Herausgeberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

CEO: Mag. Dietmar Kerschbaum, Künstlerischer Vorstandsdirektor LIVA, Intendant Brucknerhaus Linz; Dr. Rainer Stadler, Kaufmännischer Vorstandsdirektor LIVA

Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte: Mag. Jan David Schmitz

Redaktion: Peter Blaha | Der Text von Andreas Meier ist ein Originalbeitrag für dieses Programmheft.

Biographien: Romana Gillesberger | Lektorat: Celia Ritzberger, Romana Gillesberger | Gestaltung: Pamela Stieger, Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer | Abbildungen: Bayerische Staatsbibliothek, München (S. 14), T. Blaton (S. 43), L. Borges/Sony Classical (S. 2 [2. v. o.]), M. Borggreve (S. 2 [1. v. o.]), R. Buckland (S. 45), C. de Joao Moreira (S. 42), Galleria Borghese, Rom (S. 11 l.), H. Hoffmann (S. 2 [3. v. o.]), C. Mangelsen (S. 38), privat (S. 11 r., 40 & 41), renskaphotography (S. 37), M. Riccomini (S. 39) Shutterstock (S. 1 & 2), Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck (S. 7), Villa Perdomini (S. 9), O. Wuttudal (S. 2 [4. v. o.] & 46), Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten

LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

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