Julia Hagen & Alexander Ullman | 14.09.2023

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Violon-

2023 „DAS EWIG-WEIBLICHE ZIEHT UNS HINAN.“ AUFBRUCH
14. SEPTEMBER 2023 INTERNATIONALES BRUCKNERFEST LINZ
cellistin […] –dieß fehlte noch!“ „Eine

Julia Hagen & Alexander Ullman

„Eine Violoncellistin […] – dieß fehlte noch!“

Donnerstag, 14. September 2023, 19:30 Uhr Mittlerer Saal, Brucknerhaus Linz

Sofia Gubaidulina (* 1931)

Aus den Zehn Präludien für Violoncello solo (1974, rev. 1999)

1. staccato – legato

2. legato – staccato

4. ricochet

5. sul ponticello ordinario sul tasto

7. al taco – da punta d’arco

8. arco – pizzicato

Mel Bonis (1858–1937)

Cinq Pièces für Klavier, opp. 11, 29, 14, 12 & 28 (1889, 1897, 1889, 1889 & 1897)

1. Gai printemps (Heiterer Frühling). Impromptu. Allegro molto

2. Romance sans paroles (Romanze ohne Worte). Andantino

3. Menuet. Allegro con moto

4. Eglogue (Ekloge). Andantino

5. Papillons (Schmetterlinge). Allegro

Sonate F-Dur für Violoncello und Klavier, op. 67 (1904)

I Moderato quasi Andante – Allegretto

II Très lent

III Final. Moderato molto – Allegro con fuoco – Quasi andante molto cantabile con sentimento – Lento – Mouvement de l’allegro – Maestoso – Mouvement de l’allegro sans presser

– Pause –

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Brucknerhaus-Premiere Brucknerhaus-Debüt
Programm

Cécile Chaminade (1857–1944)

Six Romances sans paroles für Klavier, op. 76 (1893)

1. Souvenance (Erinnerung). Andantino

2. Élévation (Erhabenheit). Andante con moto

3. Idylle

4. Églogue (Ekloge). Moderato

5. Chanson bretonne (Bretonisches Lied). Allegro risoluto

6. Méditation. Lento

Nadia Boulanger (1887–1979)

Trois Pièces für Violoncello und Klavier (1913 oder 1915)

1. Moderato

2. Sans vitesse et à l’aise

3. Vite et nerveusement rythmé

Emilie Mayer (1812–1883)

Sonate d-moll für Violoncello und Klavier, op. 38 (1873)

I Allegro moderato

II Scherzo

III Andante cantabile con espressione

IV Allegro con brio – Presto

Konzertende ca. 21:30

Besetzung

Julia Hagen | Violoncello

Alexander Ullman | Klavier

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Die weibliche Eroberung des Cellos

„Eine Violoncellistin […] – dieß fehlte noch!“, empörte sich die Wiener allgemeine Musik-Zeitung im Jahr 1845. Der Stein des Anstoßes hieß Lisa Cristiani. Die gebürtige Pariserin verdiente ihr Geld nicht nur selbst – ungewöhnlich genug für die Zeit –, sie tat es auch noch als Berufsmusikerin an dem Holzkorpus. Dabei hatten Frauen nach damaligem Dafürhalten nichts zu suchen an dem massigen, vermeintlich ‚männlichen‘ Viersaiter. So stand es bereits in der Abhandlung Vom Kostüm des Frauenzimmer Spielens („Kostüm“ steht hier für Sitte), die 1784 erschienen war und wohl auch noch weitgehend die bürgerlichen Einstellungen des 19. Jahrhunderts widerspiegelte. Die Schrift des Pfarrers, Philologen und Komponisten Carl Ludwig Junker verbot Frauen nahezu alle Instrumente, die keine so „sittsame“ Körperhaltung zuließen wie das Klavier. Das Gefuchtel beim Geigenspiel etwa widerspreche der „natürlichen“ Sanftheit des „schönen Geschlechts“ (das seinerzeit überdies in bewegungsfeindlichen Kleidern steckte), der Trompetenklang sei zu martialisch für eine Dame und die Körperhaltung am Cello (in erster Linie: die Beinspreizung) könne Beobachter auf störende „Nebenideen“ bringen. Und überhaupt, ganz abgesehen davon: Wenn die Frau erst einmal das Cello erobert hätte, wäre es womöglich nicht weit bis zu ihrer gesellschaftlichen Gleichstellung. „[...] eine Violoncellistin [konkret ist die Cellistin Christiane Barbier gemeint] ist nebenbei ein Apostel der Frauenemancipation, treibt also zwei Geschäfte, von denen das eine das andere unterstützt“, raunte die Berliner musikalische Zeitung unheilvoll 1844.

Die Herren Rezensenten konnten sich beruhigen: Das Cello sollte noch rund 100 Jahre weitgehend in Männerhand bleiben. Doch dann war der Wandel nicht mehr aufzuhalten. Ab dem frühen 20. Jahrhundert

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mischten vereinzelt Virtuosinnen auf den führenden Konzertbühnen mit, in den 1960er-Jahren kam es zum Dammbruch. Mit Jacqueline du Pré war es ausgerechnet eine Frau, die dem Instrument in der Nachkriegszeit einen Hype bescherte. Als Weltstar und Rollenmodell zerschmetterte sie die bisherige Zuschreibung vom maskulinen Instrument und legte damit die Basis dafür, dass das Cello in unseren Tagen – spät, aber doch – mit Virtuosinnen und Virtuosen gleichermaßen verbunden wird.

BESEELTE KLANGARCHITEKTUREN

Weniger bekannt ist, dass Frauen bereits seit Jahrhunderten für das Cello komponieren. Der heutige Abend soll dies ändern und spannt einen Bogen über zwei Jahrhunderte – beginnend mit den kühnen, doch nicht kühlen Tönen der russischen Zeitgenossin Sofia Gubaidulina, geboren 1931 in der Tatarischen Republik. Ursprünglich am Konserva-

Sofia Gubaidulina, undatiere Fotografie von Priska Ketterer

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Sofia Gubaidulina Beseelte Klangarchitekturen

Zehn Präludien für Violoncello solo torium von Kasan und später in Moskau als Komponistin ausgebildet, eckte sie schon früh beim sowjetischen Beamtenapparat an und wurde kaum mit Aufführungen bedacht – was auch damit zusammenhängen mag, dass sie sich stark für Techniken der westlichen Avantgarde interessierte. Ab den 1980er-Jahren strukturiert sie ihre Musik zunehmend über die Fibonacci-Folge und andere Zahlenreihen. Dennoch sind ihre Werke kein Hort intellektueller Kälte: Gubaidulina erarbeitet beseelte Klangarchitekturen und greift als tiefgläubige Christin gern spirituelle Themen auf. Seit ihrem Umzug nach Deutschland 1992 ist sie zu einer der renommiertesten heutigen Komponistinnen avanciert.

Die Zehn Präludien für Violoncello solo wurden 1974 komponiert und 1999 revidiert, entstanden also zu einer Zeit, als Gubaidulina noch nicht intensiv mit Zahlenreihen arbeitete, sondern sich vor allem an akustischen Eigenschaften orientierte. Im Fall der Zehn Präludien sind es unterschiedliche Artikulationsarten des Cellos, die der Musik Struktur verleihen. In den meisten Stücken gelangen jeweils zwei kontrastierende Spielarten zur Anwendung, beginnend mit dem ersten Präludium, das „staccato – legato“ bezeichnet ist. Dass auch die folgenden Stücke trocken technisch benannt sind, hängt wohl mit der Entstehungsgeschichte der Zehn Präludien zusammen: Das Konservatorium von Nowosibirsk hatte in den 1970er-Jahren bei mehreren zeitgenössischen Komponist*innen Cello-Etüden in Auftrag gegeben, um damit einen Sammelband rein pädagogischer Ausrichtung zusammenzustellen. Dass Gubaidulinas Beitrag dafür schlussendlich nicht verwendet wurde, überrascht nicht sehr. Wiewohl ihre Etüden einzelne Spieltechniken thematisierten, stehen letztere nicht als Selbst- und Übungszweck im Zentrum, sondern dienen als ein strukturgebendes Element für Gubaidulinas Klangfantasie.

EROBERUNG VON MÄNNLICHEN DOMÄNEN

Aus ganz anderen Lebensumständen heraus hat Mel (Mélanie) Bonis komponiert. 1858 in eine kleinbürgerliche Familie in Paris geboren, wurde ihr musikalisches Talent ungewöhnlich stark gefördert für eine Zeit, die nicht an den Wert weiblicher Musik glaubte: Nach Privatunter-

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richt bei César Franck gelangte Bonis ans Konservatorium, wo sie bald Preise gewann. Als sie einen dortigen Kommilitonen, den Sänger, Dichter und Kritiker Amédée-Louis Hettich, heiraten wollte, zog ihre Familie allerdings die Notbremse – aus Angst vor einem vermeintlich ‚unsoliden‘ Leben. Bonis wurde vom Konservatorium genommen und zur Hochzeit mit dem 22 Jahre älteren, vermögenden Geschäftsmann Albert Domange gedrängt. Die Ehe und die damit verbundene Rolle als Hausfrau und Mutter legten Bonis’ Musikkarriere vorerst auf Eis. Ihre Jugendliebe Hettich trat jedoch erneut in ihr Leben und überzeugte sie, das Komponieren wieder verstärkt aufzunehmen. Dass ihr Hettich zudem wieder Avancen machte, stürzte die gläubige Christin in einen inneren Konflikt. Schließlich ließ sie sich auf eine Affäre ein und zeugte mit dem Schriftsteller eine „illegitime“ Tochter. Die Geburt dieser Madeleine (geheim im Ausland) veränderte ihre Musik, ließ den Tonfall leidenschaftlicher werden.

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Mel Bonis Eroberung von männlichen Domänen Mélanie Bonis, Gemälde von CharlesAuguste Corbineau, 1877

Immerhin: Finanziell war Mélanie Domange, wie ihr bürgerlicher Name lautete, bestens abgesichert. Die pekuniären Mittel ihres bourgeoisen Haushalts ließen es zu, dass sie sich nach ihren Schwangerschaften wieder stark der Musik zuwandte. Rund 300 Stücke schrieb sie zeitlebens unter dem Künstlernamen Mel Bonis; als erste Frau überhaupt war sie in der Pariser Société des compositeurs de musique Vorstandsmitglied. Ihr Werk umfasst Klaviermusiken, Kunstlieder und sakrale Vokalkompositionen, Kammermusik und Orchesterstücke. Es überrascht nicht, dass sie im Frankreich an der Wende zum 20. Jahrhundert von César Franck einerseits und Claude Debussy andererseits geprägt war.

Talent und Feingefühl vermitteln die – verhältnismäßig frühen – Cinq Pièces für Klavier opp. 11, 29, 14, 12 & 28 aus den Jahren 1889 bis 1897. Die Eröffnungsnummer verbreitet trotz ihres Titels Gai Printemps (Heiterer Frühling) eine eher elegische Stimmung; harmonisch nicht sehr komplex, entzückt vor allem die melancholische Hauptmelodie. Die Schlussnummer dieser Stückesammlung ist umso rafnierter gestaltet: Unter dem Namen Papillons huschen zarte Sechzehntelnoten wie Schmetterlinge durch das Klangbild; ein Hauch von Impressionismus weht durch das delikate, träumerische Stück.

Die Sonate F-Dur für Violoncello und Klavier op. 67 aus dem Jahr 1904 erinnert mit ihren sehnsüchtigen Passagen und modulationsfreudigen, satten Harmoniefolgen streckenweise an César Francks Sonate für Klavier und Violine A-Dur (1886), behauptet sich bei genauerer Betrachtung aber als eigenständige, originelle Schöpfung. Der Kopfsatz beginnt mit einem vollen, viertönigen Cello-Akkord, den das Klavier imitiert, bald stellt sich ein musikalischer Fluss ein. Hauptmotiv ist ein absteigender Melodiebogen, der immer wieder mit einem satten Nonenvorhalt endet. Die Durchführung besitzt mitreißenden Schwung, lässt das Cello und das Klavier als gleichrangige ‚Sänger‘ auftreten und verblüfft nicht zuletzt, wenn Bonis mit einem sanften Klangbild eine dennoch ekstatische Stimmung vermittelt: Delikatesse und Inbrunst sind in diesem Werk keine Kontraste. Auf einen Mittelsatz von hinreißender Schönheit folgt ein furioses Finale: Im Zentrum

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Cinq Pièces für Klavier & Sonate F-Dur für Violoncello und Klavier

Cécile Chaminade Zu Lebzeiten berühmt, später vergessen

steht eine abermals absteigende Melodie, die Musik gipfelt im Verlauf einer abwechslungsreichen Parforce-Jagd durch verschiedene Taktarten, Tonarten und Stimmungen in einem jubelnden B-Dur-Akkord.

ZU LEBZEITEN BERÜHMT, SPÄTER VERGESSEN

Eine ganz andere Musik war die Domäne von Cécile Chaminade: Die Pariserin zählte mit ihren Chansons und instrumentalen Ohrwürmern zu den „Hit“-Schreiberinnen des späten 19. Jahrhunderts. Dank ihrer Notenblätter reüssierte sie nicht zuletzt bei den Heerscharen häuslicher Hobbymusiker*innen der Zeit; ein veritabler Kassenknüller gelang ihr mit dem süßlich-sanften Chanson L’anneau d’argent ( Der silberne Ring), das rund 200.000 Mal in Druck ging. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere prangte ihr Name auf Toiletteartikeln, ihr Gesicht auf Postkarten. Tourneen führten sie als Pianistin eigener Erfolgsstücke bis an den Balkan, vor den Thron von Königin Victoria und in die New Yorker Carnegie Hall. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ die Strahlkraft

Cécile Chaminade, anonyme Fotografie, 1913

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Cécile Chaminade

Six Romances sans paroles für Klavier Chaminades aber nach. Die Melodienschmiedin zog sich einige Jahre später an die Mittelmeerküste zurück und geriet posthum rasch in Vergessenheit.

Hunderte Kompositionen finden sich in ihrem Gesamtwerk, darunter etliche Klavierstücke salonmusikalischen Zuschnitts – Musik also, die ihren Fokus nicht auf eine motivisch-thematische Arbeit richtet, sondern auf gefällige Motive und charmante Stimmungsbilder. So sind auch die Six Romances sans paroles für Klavier op. 76 aus dem Jahr 1893 angelegt. Kernelement der sechs Nummern sind eingängige Melodien, die Chaminade scheinbar mühelos aus dem Handgelenk geschüttelt hat – sei es in dem Eröffnungsstück Souvenance (Erinnerung) mit seinem schwärmerischen Klaviergesang oder in dem behaglichen Églogue mit den süfgen Ges-Dur-Akkorden und dem wohligen Walzerpuls.

VORRANG FÜR DIE SCHWESTER

Deutlich schmaler ist das Œuvre, das Nadia Boulanger als Komponistin hinterließ. Die gebürtige Pariserin Jahrgang 1887 hat der jüngeren Musikgeschichte wie kaum eine Frau ihren Stempel aufgedrückt – jedoch als Kompositionslehrerin, nicht als Tonsetzerin. Ihre eigenen Partituren aus der Jugendzeit hat sie weitgehend vernichtet. Warum? Sie müsse mit sich selbst unerbittlich ins Gericht gehen, weil sie dies auch mit anderen tue, argumentierte Boulanger; ihre Musik hätte einfach keine „Persönlichkeit“ besessen. Außerdem, so meinte sie, sei die große Komponistin der Familie ohnedies ihre früh verstorbene Schwester Lili Boulanger gewesen.

Dabei hatte Nadia eine durchaus verheißungsvolle Karriere als Tonsetzerin begonnen. Die Tochter des Komponisten Ernest Boulanger kam mit zehn Jahren ans Pariser Konservatorium und legte ihr Abschlussexamen bereits mit 16 ab. Wenige Jahre später folgte ihr größter Triumph als Komponistin: Nadia Boulanger belegte 1908 den zweiten Platz beim Prix de Rome. Erst seit wenigen Jahren waren Frauen bei dem prestigeträchtigen Wettbewerb zugelassen, bis zu diesem Zeitpunkt war keine von ihnen so weit gekommen.

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Nadias spektakulärer Erfolg sollte allerdings von der eigenen, jüngeren Schwester schon bald überflügelt werden. Als erste Frau überhaupt gewann Lili Boulanger 1913 den Prix de Rome und katapultierte sich damit in die internationalen Schlagzeilen. Eine Weltkarriere schien sich anzubahnen. Doch das zarte, kränkliche Musikgenie war bereits fünf Jahre später tot; eines ihrer letzten Werke (Pie Jesu) hatte sie ihrer Schwester am Sterbebett diktiert.

Nach Lilis Tod stellte Nadia Boulanger ihre eigene schöpferische Tätigkeit ein, stieg dafür zur tonangebenden Kompositionslehrerin der Zeit auf: Sie unterrichtete unter anderem die Tonsetzer Aaron Copland, Elliott Carter und Leonard Bernstein, den Tangomeister Astor Piazzolla und den Jazzkomponisten Michel Legrand. Darüber hinaus avancierte sie zu einer Wegbereiterin für Dirigentinnen, leitete als erste Frau das Royal Philharmonic Orchestra oder auch das Boston Symphony Orchestra – und nutzte ihr Renommee, um die Musik der Schwester zu fördern.

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Nadia Boulanger Vorrang für die Schwester Nadia Boulanger, Fotografie der Presseagentur Meurisse, 1913

Trois Pièces für Violoncello und Klavier

Jedoch: Hat Nadia Boulanger gut daran getan, ihre eigene kreative Ader stillzulegen? Einstige Kolleg*innen wie Gabriel Fauré haben es bezweifelt und die ‚überlebenden‘ Kompositionen aus Boulangers frühen Jahren, etwa die Trois Pièces für Violoncello und Klavier, zwischen 1913 und 1915 geschrieben, belegen ein hohes melodisches Talent und handwerkliches Geschick. Eine impressionistische Färbung verbindet die drei Werke, ansonsten sind sie sehr individuell ausgestaltet. Das bedächtige Stück in es-Moll zu Beginn präsentiert Musik von hypnotischer Schönheit: Eine träumerische Cello-Melodie ruht auf köstlich vagen Klavierklängen. Das Folgewerk in a-Moll kokettiert mit Barockmusik: Im Rahmen eines Oktavkanons schreitet das Cello dem Klavier um eine Achtelnote voran; auch die Musik der linken und rechten Hand ist kontrapunktisch verzahnt. Wohltuend frei wirkt das Schlussstück, das mit einem treibenden Tanzrhythmus und einer fahrigen Melodik startet, unvermutet in ein Fünfachtel-Metrum umschlägt und mit Halbtonwechseln an spanische Folklore erinnert. Nach einer Rückkehr des A-Teils reißt eine letzte Steigerung dem Publikum den Beifall aus den Händen.

GEMÄSSIGT SPÄTROMANTISCH

Die deutsche Komponistin Emilie Mayer hinterließ ein deutlich üppigeres Werk. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte die Apothekerstochter den Mut, unkonventionelle Wege zu gehen, finanzierte sich mit dem beträchtlichen Erbe eine Ausbildung zur Komponistin und studierte unter anderem bei dem Balladen-Komponisten Carl Loewe. Mayer fasste als eine der ersten professionellen Notensetzerinnen Deutschlands Fuß im damaligen Kulturleben und trotzte dem Dogma von der angeblich unfähigen Komponistin. Die produktive, doch posthum rasch vergessene Pionierin hinterließ sieben Sinfonien, Konzert-Ouver türen, Lieder, Klavierstücke und eine stattliche Anzahl von Kammermusiken, darunter zumindest zehn Sonaten für Violoncello und Klavier.

Zu diesen Sonaten zählt auch jene Sonate d-moll op. 38. Das viersätzige Stück gehört zu Mayers Spätwerk und zeichnet sich (im Gegensatz zu ihren klassizistischen Anfängen) durch einen gemäßigt romantischen Stil aus. Hauptthema des Kopfsatzes ist ein resolutes

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Motiv, das zwischen den Instrumenten hin- und herpendelt. Bald meldet sich eine liebliche Kontrastmelodie zu Wort, der Kopfsatz gestaltet sich dennoch weitgehend temperamentvoll. Reizvoll undurchsichtig das Scherzo: Mal strahlt der Dreier-Rhythmus düstere Ironie aus, mal rustikale Fröhlichkeit, mal fahrige Unruhe. Es folgt ein lang gestrecktes, liedhaftes Andante cantabile, in dem vor allem das Cello als „Sänger“ auftritt. Das abschließende Allegro con brio startet mit tänzerischem Elan, punktierte Noten unterstreichen den Vorwärtsdrang der Musik, der es dennoch nicht an Eleganz fehlt. Hier und da lockert eine zierliche, schier augenzwinkernde Nebenmelodie die Spannung auf, bevor die Sonate nach einer letzten Steigerung mit einem knackigen d-Moll-Akkord schließt.

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Emilie Mayer Sonate d-moll für Violoncello und Klavier Christoph Irrgeher Emilie Mayer, anonymes, undatiertes Porträt

Julia Hagen

Violoncello

Natürlichkeit und Wärme, Vitalität und der Mut zum Risiko: Solche Vorzüge werden regelmäßig genannt, wenn von Julia Hagens Spiel die Rede ist. Die junge Cellistin aus Salzburg, die inzwischen in Wien lebt, verbindet Souveränität im Technischen mit hohem gestalterischem Anspruch und einer unmittelbar kommunikativen Musizierhaltung. Für ihre Ausbildung prägend waren die Jahre 2013 bis 2015 in der Wiener Klasse von Heinrich Schiff und ein Studium bei Jens Peter Maintz an der Universität der Künste Berlin. Als Stipendiatin der Kronberg Academy studierte sie zudem bis 2022 bei Wolfgang Emanuel Schmidt.

Zu den Höhepunkten der Saison 2022/23 zählten ihre Rückkehr zum City of Birmingham Symphony Orchestra mit dem 2. Cellokonzert von Schostakowitsch im Concertgebouw in Amsterdam, Aufführungen des Dvořák-Cellokonzerts mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien, dem Orchestra della Svizzera italiana und den Prager Symphonikern sowie Gastspiele bei der Sofia Philharmonic und der Copenhagen Phil. Beim Vancouver Symphony Orchestra gab sie ihr Nordamerika-Debüt mit Haydns Cellokonzert Nr. 1. Im Rahmen der Ouverture spirituelle war Julia Hagen bei den Salzburger Festspielen 2023 mit dem Sonnengesang von Sofia Gubaidulina zu hören.

Unter den Kammermusikaktivitäten sind Konzerte im Trio mit Igor Levit und Johan Dalene in der Londoner Wigmore Hall sowie beim Heidelberger Frühling zu nennen, zudem Auftritte mit dem Quatuor Arod und dem Hagen Quartett sowie eine Japan-Tournee im Celloduo mit ihrem Vater Clemens Hagen. Längere Aufenthalte legte sie beim Festspielfrühling Rügen, beim Kammermusikfestival von Aixen-Provence, beim Risør Kammermusikfest sowie beim Rosendal Chamber Music Festival in Norwegen ein. Eine regelmäßige Zusammenarbeit verbindet sie zudem mit den Brüdern Renaud und Gautier Capuçon. Julia Hagen spielt ein Instrument von Francesco Ruggieri (Cremona, 1684), das ihr privat zur Verfügung gestellt wird.

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Biographie
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Alexander Ullman

Gelobt für seine subtilen Interpretationen und seine technische Rafnesse, überzeugt der britische Pianist Alexander Ullman weltweit mit seinem tiefen Verständnis für die von ihm interpretierten Partituren, seinem eleganten Klang und seiner präzisen Phrasierung. International bekannt wurde der 1991 in London Geborene, als er 2011 den Internationalen Franz-Liszt-Klavierwettbewerb in Budapest gewann. Von 2014 bis 2017 wurde er von der Young Classical Ar tists Trust in London vertreten. Er studierte an der Purcell School for Young Musicians, am Curtis Institute of Music in Philadelphia und am Royal College of Music in London. Zu seinen Lehrer*innen gehörten William Fong, Leon Fleisher, Ignat Solschenizyn, Robert McDonald, Ian Jones, Dmitri Alexeev und Elisso Virsaladze.

In der Saison 2022/23 gab er mit dem Tonkünstler-Orchester sein Debüt im Wiener Musikverein. Zu den weiteren Höhepunkten gehörten Konzerte mit dem SWR Symphonieorchester, dem Kristiansand Symfoniorkester sowie der Sofia Philharmonic. Recitals führten ihn zum Heidelberger Frühling, nach Indien, Kolumbien sowie gemeinsam mit Julia Hagen nach Deutschland.

Alexander Ullman spielte unter anderem in der Wigmore Hall und in der Queen Elizabeth Hall in London, im Concertgebouw in Amsterdam, im Gewandhaus zu Leipzig, im Kimmel Center in Philadelphia, im Kennedy Center in Washington, D.C., im Seoul Arts Center, im Shanghai Oriental Art Center, in der Hong Kong City Hall und im National Centre for the Performing Arts in Peking. Zu den kammermusikalischen Höhepunkten zählen Auftritte beim International Musicians Seminar Prussia Cove (England), bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, beim Festival Pablo Casals in Prades (Frankreich) und beim La Jolla SummerFest in Kalifornien mit Künstler*innen wie dem Dover Quartet, dem Geiger Aleksey Semenenko und dem Cellisten Michael Petrov.

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Biographie
Klavier
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ab 200 jahre
#antonbruckner2024
anton-bruckner-2024.at

Kent Nagano | Dirigent

MO 1 JÄN 17:00

NEUJAHRSKONZERT

Eröffnungskonzert mit dem Bruckner Orchester Linz A. Bruckner: Scherzi aus der ‚Nullten‘ und ‚Neunten‘ u. a.

SA 23 MÄR 18:30 GROSSER

ZUBIN MEHTA & WIENER

PHILHARMONIKER

Festkonzert zum 50-Jahr-Jubiläum des Brucknerhauses Linz mit Bruckners ,Siebenter‘

DI 10 SEP 19:30

GROSSER SAAL

DO 19 SEP 19:30

GROSSER SAAL

FR 4 OKT 19:30

GROSSER SAAL

PHILIPPE HERREWEGHE & ORCHESTRE DES CHAMPS-ÉLYSÉES

Übersteigern – Bruckners

,Achte‘ im Originalklang

CHRISTIAN THIELEMANN & WIENER

PHILHARMONIKER

Bruckners ,Erste‘

KENT NAGANO & CONCERTO KÖLN

Verklären – Bruckners

,Vierte‘ im Originalklang

21 Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerhaus.at
HIGHLIGHTS BRUCKNER-JAHR 2024
GROSSER SAAL
Markus Poschner | Dirigent Philippe Herreweghe | Dirigent
SAAL
Zubin Mehta | Dirigent Christian Thielemann | Dirigent

VORSCHAU : Internationales Brucknerfest Linz 2023

Schumann Quartett

Die Musikmäzenin Elizabeth Sprague Coolidge

Samstag, 7. Oktober 2023, 19:30 Uhr

Mttlerer Saal, Brucknerhaus Linz

Werke von Sergei Prokofjew, Leó Weiner, Béla Bartók

Schumann Quartett

Erik Schumann, Ken Schumann | Violine

Veit Hertenstein | Viola

Mark Schumann | Violoncello

Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerfest.at

Herausgeberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

CEO: Mag. Dietmar Kerschbaum, Künstlerischer Vorstandsdirektor LIVA, Intendant Brucknerhaus Linz; Dr. Rainer Stadler, Kaufmännischer Vorstandsdirektor LIVA

Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte: Mag. Jan David Schmitz

Redaktion: Peter Blaha | Der Text von Christoph Irrgeher ist ein Originalbeitrag für dieses

Programmheft. | Biographien & Lektorat: Romana Gillesberger | Gestaltung: Pamela Stieger, Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer | Abbildungen: Bibliothèque nationale de France, Paris (S. 13), M. Creutziger (S. 21 [4. v. o.]), M. Hendryckx (S. 21 [3. v. o.]), H. Hoffmann (S. 22), P. Ketterer (S. 7), K. Kikkas (S. 19), S. Pauly (S. 17), privat (S. 9, 11 & 15), M. Rittershaus (S. 21 [2. v. o.]), Shutterstock (S. 1), S. Veranes (S. 21 [5. v. o.]), V. Weihbold (S. 21 [1. v. o.])

Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten

LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

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