Positionspapier Arbeitsmigranten

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Zürich, 13. November 2013

Notunterkünfte sind keine Magnete für Arbeitsmigranten Der Zürcher Stadtrat kritisiert Hilfswerke, die im Winter Menschen auf Arbeitssuche mit Notunterkünften vor dem Erfrieren schützen. Die Argumentation, damit die Stadt Zürich für Arbeitsmigranten attraktiv zu machen, ist unzutreffend. Niemand kommt wegen eines Massenlagers in die Schweiz. Wenn der Zürcher Stadtrat in seiner Medienkonferenz vom 12. November 2013 erklärt, dass „…die SIP Züri bei ihren Patrouillen im öffentlichen Raum nur eine geringe Zahl arbeitsuchender Migranten mit ausländischen Wohnsitz verzeichnet….“, spricht das entweder für eine nur mässig effiziente Patrouillentätigkeit der SIP oder aber für eine Verharmlosung der Situation. Dass der Stadtrat Hilfswerken dann auch noch vorwirft, mit Notunterkünften die Attraktivität der Stadt Zürich für Arbeit suchende Ausländer zu erhöhen, ist bedenklich. Immerhin nehmen Hilfswerke der Stadt einen beträchtlichen Teil kostspieliger Arbeit mit randständigen Menschen ab und entlasten damit auch die Staatskasse und letztlich die Steuerzahler. Zahlen sprechen eine klare Sprache Zu den Vorhaltungen des Stadtrats: Erstens stimmt es nicht, dass es in Zürich keine oder höchstens ganz wenige Arbeitsmigranten gibt. Unsere Anlaufstellen und der Pfuusbus verzeichnen in den letzten Monaten steigende Zahlen ratloser und Schutz suchender Ausländer auf ihrer Suche nach Arbeit. Dass sie in städtischen Statistiken nicht auftauchen, überrascht nicht, denn die meisten sind nur kurz hier und kommen gar nicht in Kontakt mit den Behörden. Hätten Hilfswerke wie die Sozialwerke Pfarrer Sieber und die Stadtmission im vergangenen Januar und Februar nicht eine Notschlafstelle für Arbeitsmigranten eingerichtet, wäre der Pfuusbus, der für ortsansässige Obdachlose konzipiert ist, in der kältesten Phase des Winters aus allen Nähten geplatzt und wir hätten einen geordneten Betrieb nicht mehr gewährleisten können. Mit Folgen auch für die Stadt. Allein in der Notschlafstelle für Arbeitsmigranten übernachteten in den 23 kältesten Nächten des vergangenen Winters 460 Mal Ausländer. Notschlafstellen sind keine Wellness-Oasen Zweitens stimmt es nicht, dass die Notangebote der Hilfswerke als Magnete wirken. Wir haben die zusätzliche Notschlafstelle erst geschaffen, als die Leute bereits hier waren und in der kältesten Zeit des Winters Erfrierungsopfer drohten, die für Zürich alles andere als ein Ruhmesblatt gewesen wären. Die Behauptung, die Angebote der Hilfswerke seien Magnete, ist unzutreffend: Es kommt niemand wegen einer Notschlafstelle nach Zürich. Wer auf Arbeitsuche ist, sucht sicher nicht überfüllte Massenlager mit schnarchenden und oft nicht gut riechenden Bettnachbarn. Menschen aus wirtschaftlich gebeutelten Ländern ziehen aus schierer Verzweiflung kreuz und quer durch Europa auf ihrer zumeist aussichtslosen Suche nach Arbeit. Und kommen dabei auch nach Zürich. Pull-Faktor für Arbeitsuchende sind der Schweizer Arbeitsmarkt und das positive Bild der Schweiz im Ausland, nicht wenig komfortable Notschlafstellen. So sieht die Realität aus. Die Hilfswerke sind nicht schuld an der Arbeitsmigration - sie versuchen lediglich, Hilfesuchenden menschenwürdig zu begegnen.


Keine falschen Hoffnungen machen Es ist klar: die meisten dieser Arbeitsuchenden haben auf dem hiesigen Arbeitsmarkt keine Chance. Dazu fehlen ihnen häufig die nötigen Qualifikationen. Und Deutsch sprechen sie in dem meisten Fällen auch nicht. Die Sozialwerke Pfarrer Sieber bieten Arbeitsmigranten nur den notwendigen Schutz vor Kälte und Hunger. Falsche Hoffnungen machen wir diesen Menschen nicht. Wir machen ihnen klar, dass sie hier keine wirklichen Perspektiven haben und vermitteln sie an jene Stellen, die ihnen bei der Rückkehr in ihre Heimatländer helfen. Eine Zukunft haben die meisten dieser Arbeitsuchenden in unserem Land nicht. Aber sie haben ein Anrecht auf eine menschenwürdige Behandlung. Ihnen diese zu verwehren, wäre ein Armutszeugnis.

Die Sozialwerke Pfarrer Sieber (SWS) bieten Menschen in Not – wie Suchtkranken, Obdachlosen, psychisch und physisch Leidenden, Mittellosen und Heimatlosen – seelsorgerliche, soziale, medizinische und materielle Hilfe an. Dazu gehören die Schaffung von Einrichtungen, die Durchführung wie auch die Unterstützung von Projekten, die es Betroffenen ermöglichen, menschenwürdig zu leben und sich selbst als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft zu erfahren. Die SWS werden dort aktiv, wo andere Netze fehlen. Gegenwärtig arbeiten gut 180 Mitarbeitende für die SWS. Gegründet wurde die Stiftung 1988.


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