SYM 2/2016

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Juni 2016

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www.ev-akademie-boll.de

Behindert? Geflüchtet? Falsche Religion? Ein Heft über die Vielfalt. Friedliche und kriegerische Geschichten aus Äthiopien zu den Religionen. ● Teilhabe von Menschen mit Behinderung. ● Bürger mehr beteiligen mit Gisela Erler ● Internationale Konferenz in Indonesien


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

im baden-württembergischen Künzelsau wurden unlängst Plakate mit der Aufschrift »Minderheit im eigenen Land? Wehr dich gegen den Großen Austausch!« gesichtet, wie Alexander Rühle am 28. April 2016 in der Süddeutschen Zeitung schreibt. Das »Wehren« ereignet sich auch in den sogenannten europaweit organisierten »Identitären Bewegungen«, deren Mitglieder sich gegen den »ethnokulturellen Selbstmord« (SZ, 28. April 2016) aussprechen, aus unterschiedlichen völkischen, zum Teil rechtsextrem orientierten Gruppierungen bestehen und die Aufrechterhaltung einer europäisch geschlossenen Identität fördern. Sie verstehen sich als Bewahrer des sogenannten »Abendlandes«, was für viele Zeitgenossen mit dem »christlichen Abendland« identifiziert wird.

dieses Ansatzes, werden dabei nicht als Defizit und Bedrohung, sondern als Bereicherung wahrgenommen. Oder: In der Wirtschaft steht das »Diversity management« für eine Personalpolitik, die auf Erfolgssteigerung über bewusst vielfältig zusammengestellte Teams setzt. Schließlich diskutiert die Politik über Diversität als Herausforderung, marginalisierte Gruppen gezielt zu fördern.

Dabei ist es gerade das Christentum gewesen, das mit dem Apostel Paulus und der von ihm angezettelten Missionsbewegung im damals noch unbekannten Europa für eine Vielfalt unter den Christinnen und Christen im Mittelmeerraum geworben hat. Und das gegen alle Widerstände der Urgemeinde und letztendlich mit überzeugendem Erfolg. Nicht zu reden von Jesus selbst, der zwischen Frauen und Männern – welcher ethnischer und sozialer Herkunft und Orientierung auch immer – keinen Unterschied machte: Sein Kreis aus Jüngerinnen und Jüngern war ein sehr bunt und vielfältig zusammengewürfelter Haufen.

Unsere Evangelische Akademie knüpft daran an, versteht sich auch als ein Ort, an dem Vielfalt erprobt und gelebt werden kann und an dem der Diskurs darüber gepflegt wird. Das vorliegende SYM möchte Ihnen Einblicke in dieses vielfältige Akademieleben bieten – auch mit einer Übersicht über die Themenfelder, mit denen wir uns im Jahr 2015 auseinandergesetzt haben sowie über das Selbstverständnis unserer Akademie. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre mit einem Zugewinn an Vielfalt und Austausch!

Vielfalt, Buntheit oder Diversity, wie es heute heißt, werden weltweit mehr und mehr als ein Wettbewerbsvorteil erkannt: Wenn Menschen von unterschiedlichen Standpunkten und verschiedenen Erfahrungen auf eine Sache schauen, dann bereichert dies die Bandbreite und vervielfältigt die Erkenntnis. Mittlerweile macht das Leitbild »Diversity« sogar eine ungeahnte Erfolgsgeschichte durch:

Die bunte Christenheit war nach der paulinischen Neuausrichtung der Mission eine Erfolgsgeschichte, von der wir noch heute zehren. Eine »Identitäre Bewegung« ist die Christenheit nicht geblieben. Sie ist aus ihrer Geschichte und von ihrem Selbstverständnis her eine Bewegung der Vielfalt geworden.

Mit herzlichen Grüßen,

Dr. Jörg Hübner

In der Pädagogik geht es heute um die Vielfalt der Kinder und Jugendlichen – mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne Handicaps. Unterschiede, so das überzeugende Credo

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Inhalt

4 Aktuell ... ▪ Weltbürger: gefragt – 4. Entwicklungspolitische Landeskonferenz ▪ Vortrag von Eberhard Rondholz zum Überfall der Deutschen auf Griechenland

6 Akademiegeschichte Ausgeschlossen: Die alleinstehende Frau. Tagungsbericht von 1972.

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Aus der Akademie

8 Behindert? Geflüchtet? Falsche Religion? Ein Heft über die Vielfalt

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Zusammenleben von Religionen. Einige friedliche und kriegerische Geschichten aus dem Hochland Äthiopiens. Von Prof. G.C. Wolbert Smidt, S. 8

Kunst

Kaleidoskop, S. 13

Neukonfiguration – Porträts der Reformation. Zeichnungen von Karl Vollmer

Sich als wirksam erleben. Mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Von Wolfram Keppler, S. 14

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Bürger mehr beteiligen. Fragen an Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Interview von Martina Waiblinger, S. 16

Rechenschaftsbericht von Direktor Jörg Hübner

Ressourcen und Verantwortung teilen. Schatzmeisterkonferenz in Indonesien. Von Mauricio Salazar, S. 18

Extra

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Vorschau Tagungen vom 10. Juni bis 31. Oktober 2016

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Titelbild »Ohrenkuss« ist eine Zeitung, die von Menschen mit Down-Syndrom gemacht wird. Sie haben immer wunderschöne Fotos in ihren Veröffentlichungen. Das Titelbild haben wir von der Redaktion von »Ohrenkuss« bekommen. S.a. S. 13. Foto: Mathias Botor

▪ Neu in der Akademie: Prof. Dr. theol. Georg Lämmlin ▪ Neu in der Akademie: Pfr. Albrecht Knoch ▪ Aus dem treffpunkt 50plus: Seminar für Menschen mit geistiger Behinderung ▪ Flüchtlinge in Tagungen der Akademie

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Publikationen ▪ Buchtipp ▪ Publikationen ▪ Verlosung

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Impressum

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Meditation Wunder anders sehen. Von Christa Engelhardt

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Aktuell

Welt:Bürger gefragt 4. Entwicklungspolitische Landeskonferenz

Entwicklungspolitischer Dialog der Landesregierung: Unter dem Motto »Welt:Bürger gefragt!« hat die Evangelische Akademie Bad Boll im Auftrag der Landesregierung Baden-Württemberg 2012 einen Bürgerbeteiligungsprozess organisiert, in dem neue entwicklungspolitische Leitlinien für das Land Baden-Württemberg erarbeitet wurden. Die Landesregierung hat diese Grundsätze verabschiedet, sie werden von allen Fraktionen mitgetragen. Darauf aufbauend beraten Bürger, Verbände und Organisationen einmal jährlich bei der Entwicklungspolitische Landeskonferenz über die Umsetzung der Leitlinien. Die Ergebnisse der Konferenz fließen in die Entwicklungspolitik des Landes ein.

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Im Zentrum der vierten Entwicklungspoltischen Landeskonferenz standen die im September 2015 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten neuen Welt-Nachhaltigkeitsziele. Auf dem Podium ging es darum, welche Bedeutung die Agenda 2030 für die Entwicklungspolitik auf Landesebene haben sollte. Peter Friedrich, Minister für Bundesrat, Europa und Internationale Angelegenheiten berichtete, was in den Vorjahren bereits auf den Weg gebracht wurde: Das Eine-Welt-Promotoren-Programm sei gut gestartet, der Rat für Entwicklungszusammenarbeit sei gegründet worden und auf dem Feld der kommunalen Entwicklungspolitik und der Beschaffung seien Fortschritte erzielt worden. Der Minister bekräftigte auch, dass Entwicklungspolitik eine Querschnittsaufgabe sei, die in alle Ressorts hineinreiche. In den Workshops ging es unter anderem um das Thema »Herausforderung Frieden/Stopp Waffenexporte«. Kiflemariam Gebrewold von der Evangelischen Landeskirche Baden moderierte den Workshop und berichtete darüber in drei Punkten. Dabei ist eine wichtige Forderung die Einrichtung eines Gesprächskreises Rüstungskonversion auf Landesebene: Die Landesregierung soll einen Konversionsfonds auflegen, der von den betroffenen Betrieben (Rüstungsunternehmen) mitfinanziert wird und von den Gewerkschaften, Kirchen und der Zivilgesellschaft begleitet wird. Dies könne zunächst exemplarisch durch eine Machbarkeitsstudie geschehen, gefolgt von einem Pilotprojekt der Konversion. Neben weiteren Workshops zu Flucht und Migration, zur fairen Beschaffung, den Perspektiven zu Burundi und zur Frage »Wie die globalen Strukturen ihren Platz im kommunalen Kontext finden«, moderierten Johannes Lauterbach, Eine Welt Regionalpromoter Raum Stuttgart, und Dr. Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) den Workshop »Welche Wirtschaft brauchen wir?« In ihrem Bericht nennen sie sechs Forderungen: ▪ Angesichts der planetaren Grenzen muss sich auch Baden-Württemberg der Frage stellen, wie eine Zukunft ohne Wachstum funktionieren kann. Es ist davon auszugehen, dass wirtschaftliches Wachstum und Reduzierung des Ressourcenverbrauches nicht zusammenpassen. ▪ Das Land soll zu einer verbindlichen Verankerung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und

Bild aus einem der Workshops auf der 4. Entwicklungspolitischen Landeskonferenz am 2. April auf der Messe Stuttgart

Menschenrechte beitragen: Die Wahrung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten soll entsprechend den Leitlinien für Unternehmen mit Landesbeteiligung ebenso verpflichtend werden wie in der Außenwirtschaftsförderung des Landes. Auch auf Bundesebene soll sich die Landesregierung für eine verbindliche Umsetzung der Leitprinzipien einsetzen. ▪ Die Landesregierung soll für einen Paradigmenwechsel in der Handels-, Investitions- und Rohstoffpolitik eintreten, der der Verwirklichung der Menschenrechte, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und dem Recht auf selbstbestimmte Entwicklung verbindlich und durchsetzbar Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen gibt. Das Recht auf demokratisch legitimierte Gesetzgebung und Regulierung im öffentlichen Interesse ist unverhandelbar. ▪ Die Berichterstattung zur NachhaltigkeitsStrategie soll im Sinne der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) qualifiziert werden. ▪ Die Baden-Württemberg Stiftung soll Projekte zur Transformation der Wirtschaft für die Erreichung der SDG-Ziele fördern. ▪ Das Land soll sich für Bilanzierungsregeln einsetzen, die externe soziale und ökologische Kosten berücksichtigen und diese exemplarisch in Unternehmen mit Landesbeteiligung einführen. Peter Scherhans, Beauftragter der Ev. Landeskirche Baden, wünschte sich für die Koalitionsgespräche, dass die vom Rat für Entwicklungszusammenarbeit vorgelegte Zwischenbilanz, die sehr konkrete Vorschläge zur Weiterarbeit enthalte, Berücksichtigung finde. Auch Claudia Duppel, Geschäftsführerin des Dachverbands Entwicklungspolitik SYM 2/2016


Aktuell

Baden-Württemberg e.V. (DEAB) mahnte an, dass Entwicklungspolitik auch in Zukunft im Staatsministerium verankert bleiben solle. Ihr war es ein wichtiges Anliegen dass Initiativen für Abrüstung und Friedensbildung vom Land unterstützt werden, um z.B. ein Verbot von Rüstungsexporten auf Bundesebene zu erreichen.

Vortrag von Eberhard Rondholz zum Überfall der Deutschen auf Griechenland Am 30. Juni 2016, 19:00 Uhr wird Eberhard Rondholz im Hospitalhof in Stuttgart einen Vortrag halten, der unterschiedliche Erinnerungen und Erinnerungskulturen zum deutschen Überfall auf Griechenland vorstellt. Veranstalter ist die Evangelische Akademie Bad Boll. Vorab hat Rondholz für SYM einen kurzen Beitrag zum Hintergrund seines Vortrags geschrieben: Am 20. Mai 1941, vor 75 Jahren, überfielen deutsche Fallschirmjäger die Insel Kreta. Was die Besatzungstruppen in den folgenden vier Jahren dort anrichteten, ist bei den Kretern nicht vergessen. Jetzt erinnert in Heraklion eine Ausstellung mit historischen Bilddokumenten an die Schrecken der Okkupation – kürzlich wiederentdeckte Bilder aus dem Nachlass des Fotografen Konstantinos Koutolakis, der im Sommer 1945 den Schriftsteller Nikos Kazantzakis auf einer mehrwöchigen Recherchereise im Auftrag der griechischen Regierung begleitet hatte, um die Kriegsverbrechen der Besatzer zu dokumentieren.1 Im Land der Täter feierten die Täter alljährlich am 20. Mai auf ihre Weise den sog. »Kreta-Tag«, auch bei der Bundeswehr, wo sich »alte Kameraden« und junge Fallschirmjäger in der Kaserne von Altenstadt, dem »Mutterhaus« der Fallschirmjäger, zur Heldenehrung zu treffen pflegten. Dort war auch NS-Liedgut wie das Lied »Rot schien die Sonne« zu hören.2 Und nicht nur das: Auf dem Kasernengelände hatten auch Kriegsverbrecher wie die Fallschirmjäger-Generäle Kurt Student und Bruno Bräuer einen Ehrenplatz, nach ihnen benannte Straßen wurden inzwischen umbenannt.3 Das ist nicht alles. In einer Handreichung für die Truppe aus dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg wurde die Eroberung Kretas aus der Luft verherrlicht, ohne die Exzesse der Besatzer zu erwähnen.4 Stattdessen empfahl SYM 2/2016

der »Kleine Militärgeschichtliche Wegweiser Kreta« den zu Übungen auf dem NATO-Schießplatz von Chania abkommandierten jungen Soldaten zur Lektüre u. a. den »Sieg der Kühnsten«, eine Hymne auf den Sieg von Kreta, 1942 von Kurt Student mit einem Vorwort von Reichsmarschall Hermann Göring herausgegeben. Erst nachdem das öffentlich wurde, u.a. durch Zeitungspublikationen, z.B. in der »Zeit«5, und nachdem die erste Auflage vergriffen war, gab das MGFA eine Überarbeitung in Auftrag, in der u.a. die durch eine einschlägige Monographie ausgewiesene Marlen von Xylander Gelegenheit erhielt, eine ausgewogene Darstellung der Okkupationsjahre hinzuzufügen.6 Dass die Bundeswehr dem Heldenkult von Altenstadt wenigstens offiziell ein Ende machte, störte nicht zuletzt den Fallschirmjägergeneral a.D. Günter Roth, eine Zeitlang auch Leiter des MGFA. In einem Artikel in der rechtskonservativen »Jungen Freiheit« rügte er die »Bilderstürmer«, die die Namen der von ihm verehrten Kretageneräle entfernen ließen.7 Auch der Mannheimer Historiker Heinz Richter verlangt jetzt für die Eroberer von Kreta »die ihnen gebührende Anerkennung«, die daheim bis heute verwehrt werde.8 Darüber hinaus geht er in den Medien mit der Behauptung hausieren, dass die 1941 von den Nazitruppen überfallenen Griechen den Deutschen aus der Besatzungszeit noch Geld schulden und nicht umgekehrt. Aber das ist eine andere Geschichte.9

»Zur Vergeltung der bestialischen Ermordung eines Fallschirmjägerzuges und eines Pionierhalbzuges durch bewaffnete Männer und Frauen aus dem Hinterhalt wurde Kandanos zerstört.« So lautete die Bekanntmachung der Deutschen nach dem Massaker an der Bevölkerung von Kandanos, Kreta.

Vortrag von Eberhard Rondholz zum Überfall der Deutschen auf Griechenland: 30. Juni 2016, 19:00 Uhr Hospitalhof, Stuttgart

1 Die Athener Regierung ließ den Dokumentationstext damals verschwinden, erst vier Jahrzehnte später tauchte in Heraklion eine Kopie auf. 2 vgl. dazu Jakob Knab, Verklärung und Aufklärung. Von den Heldenmythen der Wehrmacht zur Traditionspflege der Bundeswehr, in: S+F – Vierteljahrsschrift für Sicherheit und Frieden 2/1999, S.96-105 3 a.a.O. S.15 4 Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.), Kreta. Kleiner militärgeschichtlicher Wegweiser, Herford u. Bonn 1986 5 Eberhard Rondholz, “Die Erde über den Gräbern bewegte sich noch“, Die Zeit, 20.11.1987, S. 51 6 Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.), Kreta. Kleiner kulturund militärgeschichtlicher Wegweiser, Herford und Bonn 1989. 7 Günter Roth, Sieg, Zäsur und Tragödie, in: Junge Freiheit, 20.5.2011 8 Heinz A. Richter, Operation Merkur. Die Eroberung der Insel Kreta im Mai 1941, S. 29, Ruhpolding 2011 9 vgl. u.a. Der Spiegel, 7/2016, S.41. Was seriöse, mit dem Thema vertraute Historiker dazu sagen, kann man jetzt in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) nachlesen: Hagen Fleischer, Karl Heinz Roth und Christoph Schminck-Gustavus – Die Opfer und nicht die Täter sollen in der Bringschuld sein? Zur Medienkampagne gegen die griechischen Reparationsansprüche aus dem Zweiten Weltkrieg, ZfG Heft 4/2016, S.397-388

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Akademiegeschichte

Ausgeschlossen: die alleinstehende Frau Es ist kaum zu glauben, aber es gab Zeiten, da fühlten sich unverheiratete Frauen in Deutschland außerhalb der Gesellschaft. Es war schwierig für sie, am öffentlichen Leben teilzuhaben und manche Frau zog sich in die Einsamkeit zurück. Mit der Tagung »Die alleinstehende Frau«, die vom 25.-27. Februar 1972 stattfand, griff die Evangelische Akademie Bad Boll dieses Thema auf. Den Kurzbericht aus den Aktuellen Gesprächen 2/72 drucken wir im Folgenden ab. Interessant ist neben der Thematik auch die Beschreibung der angewandten Methoden, die damals von Marlies Cremer eingeführt worden waren und in die Tagungsarbeit sehr bewusst einbezogen wurden.

geborenen Hoffnung, ihre negativen Erfahrungen in einem erträglichen Maß halten zu können, verhalten sich alleinstehende Frauen entsprechend den Erwartungen, die von der Gesellschaft an sie herangetragen werden, und zeigen sich zufrieden mit dem immer möglichen kleinen Glück.

Die alleinstehende Frau. Überlegungen zu einer Tagung In Zusammenarbeit zwischen den Versuchsbezirken Mühlacker-Vaihingen/ Enz hat die Evangelische Akademie Bad Boll eine Tagung für eine Gruppe veranstaltet, die gesellschaftlich wenig beachtet ist und der dabei – oder deswegen – Vorurteile entgegengebracht werden. Einerseits bemitleidet, belächelt und geringgeachtet, andererseits beneidet, leidet die alleinstehende Frau oftmals im Privatbereich unter Vereinsamung und im öffentlichen Bereich unter Rücksichtslosigkeit. Dadurch werden die positiven Seiten verdeckt, nämlich ihre Unabhängigkeit als Möglichkeit zur Freiheit zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten im Beruf und in der Freizeit. In einer Vorbesprechung für diese Tagung mit acht Damen, die der angesprochenen Gruppe angehörten, zeigte sich, dass viele Frauen unter der Vereinsamung leiden, sie aber als ihr Schicksal angenommen haben, und dass sie einen Partner brauchen, der bereit ist, ihre zum Teil heftigen Anklagen gegenüber dem Unverständnis, das sie erfahren und das sie isoliert, anzuhören. In der aus Angst 6

Nach dem Krieg gab es zu wenige Männer und die große Frage war, wie man einen Mann bekommt oder wie man als alleinstehende Frau die Vereinsamung und den Ausschluss aus der Gesellschaft bewältigen kann.

Darum richtete sich die Tagung daran aus, dass die als Einzelaufgabe (»Man muss sich mit seinem Schicksal abfinden«) verstandene Lebensbewältigung in dem weiten Horizont einer Gruppenund Gesellschaftsaufgabe gesehen werden sollte. In diesem Rahmen musste die Anleitung gegeben werden, die Probleme der alleinstehenden Frau zugleich als ein Rollenproblem der Frau in unserer Gesellschaft überhaupt anzusehen. Die Referentin wollte dazu ermutigen, sich vom vorgeprägten Denken freizumachen, dass die Frau ihre Erfüllung nur in Bezug auf den Mann und die Ehe finden könne. In diesem Sinne wollte sie den Mut zum Selbstbewusstsein und damit zur Fähigkeit zum Gespräch und zur

Partnerschaft wecken, eine Fähigkeit, mit denen die Frau an jeder Stelle – sei es in der Ehe, im Beruf oder anderswo – Erfüllung finden kann. Die Tagung versuchte sich methodisch an der inhaltlichen Konzeption zu orientieren. Der Wechsel von Gruppenarbeit und Lehrgespräch diente dem Gruppenprozess und der Meinungsbildung. Auf Kleingruppengespräche wurde großen Wert gelegt und sie bestimmten vorherrschend das methodische Bild der Tagung. Sie sollten aufmuntern und die Gesprächsbereitschaft wecken. Als Ergebnis kann neben der allgemeinen Trostfunktion, das Problem gemeinschaftlich erlebt und im Gottesdienst nach Galater 6,2 kreativ gestaltet zu haben, eine Ermutigung zu selbstbewusstem Denken festgestellt werden. Das ist erkenntlich an der Frage nach möglichen neuen Formern der Partnerschaft, vor allem auch im Raum der Kirche. Die Damen wünschten sich, dass die an der gemeinsamen Sache neu gewonnene Gemeinschaft weiter gepflegt werden soll und sie sich an ihrem Ort treffen und miteinander weiterhin Gemeinsames erleben. Es ist zu vermuten, dass die neuen Gedanken sich noch nicht in die eigenen Aktionen niederschlagen können. Darum wird diese Tagung nur dann als erfolgreich gelten können, wenn das, was durch sie angestoßen wurde, tatsächlich in der Nacharbeit am Ort Verwirklichung findet. Arbeitsgruppen am Ort müssten zu tieferem Verständnis hinführen können und damit ihren Beitrag leisten zu fassbarer Veränderung des Bewusstseins und des Lebens. Aus: Aktuelle Gespräche, 1972, Nr. 2

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Kunst in der Akademie

Neukonfiguration - Porträts der Reformation Zeichnungen von Karl Vollmer

Martin Luther

Philipp Melanchthon

Im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 präsentiert die Akademie Arbeiten von Karl Vollmer. Seine Porträtköpfe sind Ausdruck einer langjährigen intensiven Auseinandersetzung mit Ikonografie und theologischen Inhalten der Reformationszeit. Zeitgenössische Darstellungen von führenden Vertretern der Reformation erscheinen ›neukonfiguriert‹, in vielfältiger Variation zwischen ›wörtlicher‹ Wiedergabe und verfremdender Rezeption. In ästhetisch gewendeter Form dokumentieren diese Zeichnungen damit ein Ringen um Genauigkeit des ›Lesens‹ ebenso wie um subjektive Aneignung von Geschichtswahrnehmung. Sie konfrontieren die Betrachtenden mit der Vertrautheit reformatorischer Bildprogramme und zugleich mit der Abständigkeit und Fragwürdigkeit einer ferngerückten und weitgehend männlich dominierten Epoche. Hans-Ulrich Gehring

Vernissage: Sonntag, 11. September 2016, 17 Uhr im Café Heuss, Leitung: Hans-Ulrich Gehring Information: Andrea Titzmann, Tel. 07164 79-307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Philipp Melanchthon

Katharina von Bora

Ein Statement Seit früher Jugend waren mir diese Bilder vertraut gewesen: Luther, Melanchthon, der Kaiser, Papst, eingesogen mit dem Katechismus, der sogenannten »Christenlehre«, dem Religionsunterricht, dem Brockhaus. Aber je älter ich wurde, umso fremder, eisiger wurden mir die Figuren, verknöchert, erstarrt, wie leblose Mumien der Kunst- und Kulturgeschichte. Ich habe das nicht mehr ertragen wollen und deshalb bin ich mit all den Vorlagen von Dürer, Cranach bis Tizian und unbekannt in den Clinch gegangen. Als Künstler denke ich zeichnend – zeichne ich denkend, mit Empathie. Vergegenwärtigen heißt nachvollziehen, ausbaden, ausspielen, ausdehnen, überdehnen, überstrapazieren und wieder loslassen. Vielleicht dabei neue Anknüpfungen finden. Was waren das für Menschen, was haben sie gedacht, wie waren sie geprägt, wie haben sie gehandelt? Menschen wie du und ich, genauso fremd, mutig, ängstlich, launisch Und doch in einer Zeit, die der meinen so unendlich fern ist.

Dauer der Ausstellung: 11. September bis 31. Oktober 2016

Der Versuch einer Annäherung an Temperamente, Menschen, Strukturen, Prozesse...

Laufende Ausstellung: 12. Juni bis 4. September 2016: Fotoarbeiten von Eddy Seesing

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Karl Vollmer 1952 geboren in Dürnau. 1972-78 Studium an der Universität und Kunstakademie Stuttgart. 1978-79 Arbeitsstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg. 1995 Gastatelier »Xylon«Werkstätten Schwetzingen. 2005 Berlin-Stipendium der Kunststiftung BadenWürttemberg. 2011 Studienaufenthalt Stiftung Kartause Ittingen. Mitglied des Künstlerbundes Baden-Württemberg. Diverse Auszeichnungen und Preise. Lebt in Gondelsheim/ Baden und Berlin.

Karl Vollmer

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Äthiopien

Christlich-orthodoxe Priester in Yeha, Tigray

Zusammenleben von Religionen Einige friedliche und kriegerische Geschichten aus dem Hochland Äthiopiens von Wolbert G.C. Smidt Äthiopien hat den Ruf, besonders religiös zu sein. Die Hingabe der orthodoxen Christen an ihren Glauben beeindruckt viele Besucher zutiefst. Das Hochland Äthiopiens gehört zu den ältesten christlichen Gebieten der Welt, seit sich der aksumitische König in der Spätantike mit Ostrom verbündete und christlich wurde. Und die Muslime wiederum erzählen, sie seien die älteste islamische Gemeinschaft der Welt außerhalb Mekkas. Vor allem auf dem Land prägen religiöse Feste den Alltag aller Menschen. Die Würde der christlichen Priester, ihre Farbenpracht, der Klang der Kirchentrommeln, und die vielen feierlich in Weiß gehüllten 8

Menschen aller Generationen – kaum einer kann sich dem Bild entziehen. Wer in die religiösen Strömungen des Landes eintaucht, erlebt eine Vielzahl christologischer Debatten, die noch heute das Land prägen. Vertreter verschiedener Ströme der Rechtgläubigkeit stehen nebeneinander und manchmal gegeneinander. Das Land ist hinter der prachtvollen Kulisse festlicher Einigkeit geprägt von einer großen Dynamik. Und diese hat eine alte Geschichte: Als zum Beispiel im Mittelalter der große Kaiser Zer’a Ya’iqob, der eigene theologische Schriften verfasste und das Land in blutigen Kriegen unter seiner Regierung einigte, sich selbst in den Mittelpunkt des Glaubens stellte, entstand eine christliche Bewegung, die

die Verehrung des Kaisers ablehnte und nur die biblische Lehre als Grundlage rechtschaffenen Lebens anerkannte. Einige Führer dieser Bewegung verloren ihr Leben, doch ihre Klöster bestehen bis heute. Heute wiederum existiert eine geheim agierende Jugendbewegung innerhalb der orthodoxen Kirche, die alle Traditionen in Frage stellt und auf Konflikt mit der alten Generation getrimmt ist – die kirchlichen Lehrwerke und zahlreiche Regeln seien menschengemacht, sagen sie, man müsse das Studium der alten christlichen Schriften auf der Grundlage der Bibel völlig neu beginnen. Reformationsdebatten lange vor und lange nach Martin Luther.

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Äthiopien

Gleichzeitig sind Sekten protestantischer Herkunft wie die Pfingstler, die eine neue Religion spiritueller Verzückung und unmittelbarer Verbindung mit Gott predigen, in den meist recht neuen Städten Äthiopiens ziemlich erfolgreich – sowohl bei den nichtchristlich geprägten ethnischen Gruppen des Landes, die erst seit einem guten Jahrhundert zu Äthiopien gehören, als auch mitten im Kernland der Orthodoxen, im Hochland. Das führt zu einiger Beunruhigung. Als Antwort ist beispielsweise eine national-chauvinistische Bewegung entstanden, die »Vereinigung der Heiligen« (Mahbere Qiddusan), die die orthodoxe Religion als Staatsreligion ansieht und ganz Äthiopien als ein ewiges orthodoxes, heiliges Land darstellt. Wie Priester in früheren Jahrhunderten, die die Königschroniken verfassten, erfinden sie Äthiopiens Geschichte neu – auch die Gebiete, die erst vor drei, vier Generationen unterworfen wurden, waren »schon immer« heiliges äthiopischorthodoxes Land und müssen nun »remissioniert« werden. Wo Religion ist, entsteht Bindung an die Gruppe, die der Durst nach dem Richtigen, Gottgewollten verbindet, und (daraus resultierend) nach Abgrenzung. Ein schönes Beispiel dafür sind Gerüchte über Protestanten, die, wie mancher meint, Hunde essen... Das Essen ist in Äthiopien ein Marker der Zugehörigkeit: Wer einer religiösen Gruppe angehört, kann mit der anderen Gruppe kein Essen teilen. Wer das Falsche isst, gehört der falschen Religion an. Wo Religion ist, gibt es Abgrenzung und Integration – Religion drückt die Sehnsucht nach Einheit aus, Gemeinschaft. Glück und Wahrheitsanspruch werden verbunden. Diese Einheit bedeutet immer auch Ausgrenzung des »anderen«. Das bisher gezeichnete Bild suggeriert eine große Dominanz religiöser Ideen im Alltag und Denken in Äthiopien – doch gibt dies das Leben hier richtig wieder? Es ist ein wichtiger Aspekt zu ergänzen. Äthiopien ist auch geprägt durch Freiheiten aller Art, unorthodoxe Ideen und große Toleranz. In den letzten Jahren hat beispielsweise das Dorf Awramba in Gonder eine gewisse Berühmtheit im In- und Ausland erlangt. Sein Gründer ist ein ehemaliger muslimischer Bauer, der als junger Mann bereits meinte, dass Frauen und SYM 2/2016

Gottesdienst in der mittelalterlichen Felsenkirche von Abriha wa Atsbiha, rechte Hälfte (Frauenteil), Tigray

Männer gleichberechtigt sein müssten, und dass die zahlreichen religiösen Feiertage und Regeln die Menschen davon abhielten, sich aus ihrer Armut zu befreien. Jeder, der sich in seinem Dorf ansiedelt, muss auf Religion verzichten. Das Dorf, in dem fast alle Einnahmen in der Gemeinschaft verteilt werden, floriert, wird allerdings von Muslimen und Christen in Nachbardörfern angefeindet. Aber: Keiner ergreift Maßnahmen gegen sie. Auch unter gläubigen Christen auf dem Land hört man, ganz privat, einfache Kommentare wie: »Das sind gute Leute!«

Der Beitrag basiert auf langjährigen Forschungen im äthiopischen Hochland. Er erzählt von Interaktionen, geglücktem und missglücktem Zusammenleben, Konflikt und Lösungen – am Beispiel der Religionen. Wir können zum Teil überraschende Formen friedvollen Miteinanders beobachten und gleich daneben ritualisiertes Bekriegen, mit blutigen Folgen, über viele Generationen hinweg. Das Zusammenleben der Religionen ist geprägt von unterschiedlichsten Formen der Partizipation, Inklusion, Ausgrenzung und traditioneller Konfliktlösung. Und des Konfliktes. Beides, sowohl Inklusion als auch Konflikt, laufen oft anders als es westliche Regeln und Erwartungen denken lassen. Und der Eindruck, Äthiopien habe einen besonders stabilen und unveränderlichen Glauben, trügt manchmal – es gibt mehr Abweichungen, Vielfalt und originelle Ideen als man denken mag.

Schon im 17. Jahrhundert formulierte ein ehemaliger Priester und Einsiedler eine erkenntnistheoretische Philosophie (manche meinen, sie sei eine moderne Fälschung), nach der die Lehren der Religionen bloßes Menschenwerk seien. Im tigrayischen Dorf Abriha-wa-Atsbiha hat vor Jahren die Dorfversammlung beschlossen, die zahlreichen teuren Familienfeste einzuschränken und die meisten Kirchenfeste abzuschaffen. Das Dorf war wegen Dürre von Umsiedlung bedroht. Seither arbeitete die Dorfgemeinschaft an der Wiederaufforstung und verbrachte wesentlich mehr Tage auf den Feldern als in Nachbardörfern üblich. Muslime arbeiten an hohen christlichen Feiertagen auf den Feldern der 9


Äthiopien

von Inticch’o stammt aus einer Seitenlinie des christlichen gondarinischen Kaiserhauses, ist selbst aber Muslim – im Kernland des Christentums. Seine Familie hatte sich mit muslimischen Händlern verbunden, da die christlichen Straßensiedlungen Händler brauchten.

Priesterprozession in der tigrayischen Hauptstadt Mekkele am Timqet-Fest (Epiphanias)

Christen und umgekehrt. Wasserquellen sind wieder zurückgekehrt und die allgemeine Armut ist stark zurückgegangen. 2012 wurde das Dorf von der UNDP ausgezeichnet. Im Folgenden seien einige weitere kurze Geschichten aus verschiedenen Regionen des Hochlandes präsentiert, die das heiter-tolerante Umgehen mit Religion einerseits und die – manchmal überaus militante – exklusive Intoleranz illustrieren mögen. Vorweg ist zu bemerken: Nicht Religion als solche ist gewöhnlich der Grund für Frieden oder für blutigen Konflikt – Religion liefert einfach die Narrativen für diese gesellschaftlichen Prozesse. Dazu kommt, dass der religiöse Diskurs der Inklusion oder Exklusion auch gelegentlich die direkte Ursache für Ausschluss und Abgrenzung ist. Die folgende Geschichte ist ein erstes Beispiel genau hierfür. Eine Szene aus Addis Abeba: »Alex« heißt eigentlich Ali Abdela, 25 Jahre, Protestant. Sein Vater entstammt einer muslimischen Bevölkerung im Westen Äthiopiens, seine Mutter aus einer strikt muslimischen jemenitischen Familie. Nach seiner Konversion zum Christentum erklärte der Vater, keinen Sohn mehr zu haben. Nach über einem Jahr totaler Isolation von der Familie haben 10

einige von ihnen heimlich wieder Kontakt zu ihm aufgenommen, darunter die Mutter. Seine Rückkehr in die Heimat ist undenkbar. Inzwischen ist Alex Atheist, da auch der Protestantismus nicht die erhoffte innere Erlösung gebracht hat. Doch Islam und Christentum können auch eng zusammenarbeiten: Das nordäthiopische Städtchen Addigrat ist von einer Tradition des Zusammenlebens der Religionen geprägt. Vor einigen Jahren hatte die christliche Stadtgemeinde beschlossen, ihr Städtchen zu entwickeln. Sie luden Muslime ein, die den Handel fördern und als Handwerker arbeiten sollten. Die Priesterschaft predigte, dass das Kommen der Muslime gut sei für das Land und die christliche Einwohnerschaft baute eine Moschee für die Muslime. Addigrat ist außerdem geprägt von einer der größten katholischen Gemeinschaften Äthiopiens, da ganze ländliche Regionen bei Addigrat im frühen 19. Jahrhundert konvertierten. Nur wenig südlich, in der muslimischen Pilgerstätte Negash, und westlich, im Straßenstädtchen Inticch’o besitzen Muslime Land, trotz des alten Dekrets des Kaisers Yohannes IV., dass Muslime das Land verlassen oder konvertieren müssten. Die Muslime prägten entlang der Handelsstraßen die Entwicklung des Landes. Der ehemalige Dorfchef

Der christliche Kaiser Yohannes genoss in seiner Jugend in seiner Zeit als Rebell selbst Asyl unter den benachbarten muslimischen Afar und heiratete in die lokale Scheikh-Familie ein. Dies ist eine alte Tradition: In Rayya in Südtigray ebenso wie weiter südlich in Wollo sind seit vielen Generationen Heiraten zwischen verschieden religiösen Gruppen üblich. Der äthiopische Herrscher Lij Iyasu, der 1916 wegen seiner Sympathien zum Islam abgesetzt wurde, folgte dieser Tradition – er verletzte nur eine Regel: Er machte seine Toleranz gegenüber dem Islam öffentlich sichtbar, was dann von seinen Gegnern in der vorherrschenden Provinz Schoa mit religiöser Polemik gegen ihn verwendet wurde. Sein Nachfolger, der Putschist Haile Selassie, erfüllte ihren Wunsch und schützte die Machtstellung der Schoaner, und schuf das Selbstbild als wichtiger Schützer der Orthodoxie. Aber seine Politik berücksichtigte auch die Pluralität Äthiopiens – er baute mehr Moscheen als seine Vorgänger. Und er machte die protestantische und katholische Mission groß und erfolgreich. Der orthodoxe Christ Haile Selassie war in Harar groß geworden – eine der ältesten muslimischen Städte des heutigen Äthiopien. Es gilt als die heiligste Stadt der Muslime im gesamten Horn von Afrika, und war über die Jahrhunderte Zentrum muslimischer Gelehrsamkeit. Harar war zeitweise Hauptstadt des Großreiches von Adal. Dieses Reich war nach einem Konflikt mit Äthiopien unter dem Militärlord Imam Ahmed – von Christen bis heute als Zerstörer Äthiopiens bezeichnet, von Muslimen im ganzen Horn von Afrika verehrt – im 16. Jahrhundert in mehrere Kleinstaaten zerfallen. Harar, das auch zeitweise ägyptisch war und ein halbes Jahr lang (1884) sogar britisch, war Zentrum des SYM 2/2016


Äthiopien

internationalen Handels und darum immer auch von großer Bedeutung für das christliche Äthiopien. Haile Selassie aber steht aus Sicht der Harariner für die fatalen Traditionen des äthiopischen Reiches, das oft die blühende Kultur der Muslime zu zerschlagen versuchte. Wer z.B. in den 1950er Jahren Manuskripte auf Arabisch oder in der harariner Geheimschrift besaß, riskierte, ins Gefängnis geworfen zu werden. Bis in die 1950er Jahre war es für Muslime mancher Regionen schwierig, einen äthiopischen Pass zu bekommen. Es bleibt also immer die Ambiguität des Zusammenlebens. Dies zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Beziehungen zwischen ganzen Regionen und ethnischen Gruppen. Ein kürzliches Forschungsprojekt an der Mekelle University beschrieb eine erfolgreiche lokale Form des Konfliktmanagements: Im Grenzgebiet zwischen den christlichen Tigrayern und muslimischen Afar ist es üblich, dass bei Konflikten Ältestengruppen miteinander verhandeln, sobald ein Konflikt ausbricht. Er wird beigelegt, indem der Clan der Schuldigen eine rituelle Entschuldigung beim Clan des Opfers durchführt. Muslime versammeln sich in solch einem Fall im Compound der Kirche – oder umgekehrt: Christen legen sich auf den Boden der Moschee, um sich bei dem muslimischen Clan zu entschuldigen. Dies ist besonders interessant vor dem Hintergrund der alten, erst in den 1940er Jahren beendeten Tradition des rituellen Tötens in der unmittelbar benachbarten Region – junge Männergruppen aus dem Hochland von Wejjerat in Tigray zogen zu den muslimischen Tiefländern, den Afar, um Vieh zu rauben und in kurzen Scharmützeln einige Gegner zu töten. Und wer getötet hatte, konnte zuhause endlich heiraten und genoss Ansehen in der Dorfgemeinschaft – gerühmt als »hanta« (Titel eines Helden). Dieselben Geschichten werden umgekehrt von den Afar berichtet. Ein genauerer Blick zeigt noch mehr religiöse Vielfalt. Ein Blick ins Land zeigt SYM 2/2016

Moschee einer Nomadengruppe nahe Aysa`iita im Sultanat Awsa, Regionalstaat Afar

eine interessante Form alter volksreligiöser Praktiken, die gewissermaßen die innere Toleranz »mit sich selbst« illustriert. Der Priester Tsige in Yeha besitzt ein Zauberbuch, mit dem er etwas Geld verdient. In einem Rezept wird empfohlen, den Kopf einer Maus zusammen mit dem Fleisch einer großen Schlange zu essen, verbunden mit magischen Sprüchen, die garantiert helfen. Die Kirche predigt allerdings offiziell, dass Schlangen des Teufels sind. Doch überall in Tigray sind Schlangen mit Heilkulten verbunden: In einer bekannten Heiligen Quelle des Heiligen Andreas bei Aksum, die besonders von psychisch erkrankten Menschen aufgesucht wird, sollen Schlangen leben. Wenn man diese zu Gesicht bekommt, wird man garantiert geheilt. Sowohl Muslime, die die Quelle nach einem Scheikh benennen, als auch Christen pilgern gemeinsam zu dieser Stätte. Der Priester Tsige erklärt dieses Zusammenwirken widersprechender Konzepte so: Leben heißt Sünde, und zuerst muss man ja leben, die Sünde gehört also dazu. Wenn Schlangen einem helfen, soll man dem folgen. Danach könne man ja beten, um sich wieder zu reinigen. Wahrscheinlich sind diese Geschichten Überbleibsel eines älteren Volkskultes, für den Schlangen von zentraler Bedeutung waren, und wie in anderen Regionen der Welt hat die Kirche

lokale Traditionen integriert. Es gibt zu dieser Tradition der Toleranz gegenüber dem Sündigen eine schöne Geschichte in der äthiopischen Tradition: Es wird das Gespräch zwischen Jesus und Petrus überliefert, in dem es um die Freiheit der Menschen zur Sünde geht. Die beiden unterhalten sich darüber, dass die Gnade Gottes unendlich sei. Auch dem größten Sünder könne verziehen werden. Petrus wendet daraufhin ein, dass diese Erkenntnis die Menschen zu mehr Sünden verleiten könnte. Die beiden beschließen daraufhin, das Geheimnis für sich zu behalten – das nun nur wenige Eingeweihte kennen. Auch in tief religiös geprägten Gebieten hält Äthiopien Lösungen und kleine Freiheiten bereit, die von der offiziellen Religion eigentlich nicht vorgesehen sind. Dazu gehören auch überraschende (aber versteckte) sexuelle Freiheiten. Ein junger Student erzählt von seinem 100jährigen Vater, der vor wenigen Jahren gestorben ist. Der aus einer alten kleinen Adelsfamilie stammende Vater hatte im hohen Alter nochmal geheiratet, um sich umsorgen zu lassen. Die Tradition will es allerdings, dass aus jeder Heirat Kinder hervorgehen. Also auch aus dieser, obwohl der Vater nicht mehr konnte. Was war also zu tun? Die Mutter jedenfalls erzählte ihren Kindern, 11


Äthiopien

Landschaft von Ger`alta in Nordäthiopien, Blick von der Felsenkirche Maryam Qorqor

dass sie die legitimen Kinder dieses alten Vaters seien. Und jeder glaubt es und erzählt es ohne Hintergedanken – obwohl jeder weiß: Alte Väter sind oft nur Väter dem Namen nach. Das genügt aber. Für solche Frauen hält die traditionelle Kultur eine schöne Lösung bereit. Einmal im Jahr wird in Osttigray das Fest der heiligen aksumitischen Zwillingskönige Abriha und Atsbiha gefeiert, die für Fruchtbarkeit stehen. Frauen, deren Männer zu alt sind oder unfruchtbar, die aber Kinder möchten, können Kinder von diesen Heiligen bekommen. Das geht so, erzählen junge Leute vom Land: Am 14. Oktober beginnt dort ein nächtliches Fest. Frauen setzen sich an die Felsen unterhalb der antiken Felsenkirche, und wenn ein junger Mann vorübergeht (der deswegen gekommen ist), der ihnen zusagt, murmeln sie: »Im Namen der Heiligen Abriha und Atsbiha«. Daraufhin kann er zu ihr gehen – und beide verschwinden im Dunkeln. Wenn die Frau neun Monate später ein Kind gebiert, kann sie es zum nächsten Jahresfest bringen und es dem biologischen Vater zeigen. Der legitime Vater aber ist der Ehemann. Die Kinder werden oft keinen Gedanken an den biologischen Hintergrund ihrer Herkunft verschwenden. Das Zusammenleben hat verschiedene Formen des Zusammenseins entwickelt, von geordneter, aber tödlicher Gewalt, die als Teil der gesellschaftlichen Ordnung angesehen wird, bis hin zu unerwartet enger Zusammenarbeit und Bündnissen über scheinbar feste Grenzen hinweg. In manchen Gebieten, die Zusammenleben seit Generationen praktizieren, herrscht Arbeitsteilung. Jeder hat seinen Platz, kann den Platz aber wechseln, je nach Stellung in der Gesellschaft – die 12

Was erzählen diese eigenartigen Geschichten aus dem Alltag von Menschen in verschiedensten Regionen Äthiopiens? Sicher ist: Wer nach Beispielen der Toleranz und des friedlichen Zusammenlebens sucht, wird in Äthiopien eindrucksvolle Beispiele finden. Nicht umsonst ist die politisch einflussreiche muslimische »Habashiyya«-Bewegung im Libanon, die das tolerante Zusammenleben der Muslime mit den Christen propagiert, von einem äthiopischen Schriftgelehrten aus Harar begründet worden. Doch hinter den Geschichten steht auch immer die geschichtliche Erfahrung, die sich bis heute wiederholt: Auch Abgrenzung, die im politischen, kulturellen und sozialen Raum stattfindet, gehört untrennbar zum Zusammenleben der Religionen. Diese Abgrenzung bleibt meist moderat, fand aber immer wieder, vor allem in Zeiten des Umbruchs oder auch dauerhaft entlang lokalpolitisch bedeutsamer Grenzen, militante Ausdrucksformen. In manchen Fällen ist Gewalt in geordneter Form ritualisiert und in die Ordnung der Gesellschaft integriert worden.

nie homogen ist und es auch nicht sein will. Man switcht Religionen seit Generationen: Muslimische Töchter heiraten Christen und umgekehrt, der Sohn einer großen christlichen Adligen wird muslimischer Imam, ein Imam wird Christ, wenn er im christlichen Staat aufsteigt. Und man heiratet untereinander – Inklusion auf ganz traditionelle, aber sehr wirksame Weise. Erst in der Moderne wirken diese Lösungen überraschend und werden die Grenzen als fest wahrgenommen. Dabei waren die Verschiedenheiten wichtig für die Gesamtkonstellation und die Zusammenarbeit. Wenn man einer separaten Gruppe zugehört, hatte man andere Aufgaben und Einflussbereiche – so erlaubt dies, der verbündeten Gruppe zu helfen. Außerdem kann auch ein christlich gewordener Imam seinen muslimischen Landsleuten beistehen. Die Religion ist Ausdruck der Gruppe, zu der man gehört, aber dazu kommt die Herkunft, und so ergeben sich nicht selten mehrere Gruppenzugehörigkeiten. Und wenn es der Gruppe nutzt, ist der Wechsel legitim und sogar geboten. So liefert Religion auf der einen Seite militante Grenzen, wenn diese von einer militanten Gesellschaft benötigt werden, oder die Basis für eine friedliche, pluralistische Zusammenarbeit. Dieser Pluralismus ermöglicht die Verteilung in zahlreiche verschiedene Rollen, die sich gegenseitig ergänzen – ein Produkt der Kreativität der äthiopischen Gesellschaften. Konfliktlösung dient dem Erhalt dieses Pluralismus, also gerade nicht seiner Beseitigung. Auch traditionelle Konflikte folgen gewissermaßen demselben Muster: Sie werden von der Gesellschaft erhalten und fortgeführt, da sie diese in ihrer Abgrenzung und Verschiedenheit festigen und stützen. Einheit wäre, das ist ein Ergebnis, in diesem vielfarbigen Kontext eine geradezu absurde Idee. Dr. Wolbert G.C. Smidt ist Associate Professor für Ethnogeschichte an der Mekelle Universität, Äthiopien. Im Februar war er in Bad Boll als Referent bei der Tagung: Transforming worldviews.

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Kaleidoskop

Ohrenkuss mit Bild Unser Titelbild haben wir von Ohrenkuss, einem Kulturmagazin, das von Menschen mit Down-Syndrom gemacht wird. Es ist ein einzigartiges und für seine Fotos und Texte schon vielfach ausgezeichnetes Projekt. Alle sechs Monate gibt es einen neuen Ohrenkuss. Die Themen, die hier von 15 Autor_ innen aus der Region Bonn und Rheinland und einigen Außenkorrespondenten behandelt werden, sind Liebe, Musik, kleine und große Skandale, Essen, Trinken, Sport und der ewige Streit zwischen Männern und Frauen. Ohrenkuss-Gründerin Dr. Katja de Bragança zeigt mit ihrem Team und dem Magazin »Ohrenkuss« seit fast 19 Jahren, dass Menschen mit DownSyndrom vieles können, was man ihnen früher nicht zugetraut hätte. Zum Beispiel Gedanken und Geschichten zu publizieren, die nicht nur einer großen Fangemeinde Freude, sondern auch ihren Familien Mut machen. Zum Foto: Katja de Brangança und Achim Priester. www.ohrenkuss.de

Inklusion auf muslimisch – Homosexueller Imam in Frankreich In der Süddeutschen Zeitung vom 6. Mai wurde Ludovic-Mohamed Zahed vorgestellt. Der in Paris lebende Algerier stellt fest, dass im Koran nicht eine einzige Sure steht, die die Homosexualität verdammt. Er selbst hat eine lange Entwicklung durchgemacht, um zum Islam und zu seiner Homosexualität zu stehen. Er sieht im Koran eine Botschaft, die Frieden und Toleranz predigt und intolerante Islam-Staaten, die ethnische, religiöse und sexuelle Minderheiten verfolgen, als faschistische Staaten. Zahed hat in Psychologie

und Anthropologie promoviert, in Paris eine Moschee eröffnet, er traut lesbische Paare in Schweden und kümmert sich um HIV-kranke Kinder in Indien. Er berät Asylrechtler, Politker, Schulen und NGOs zu Themen wie Gleichberechtigung und religiöse Radikalisierung. Seine Organisation Calem Cabinet veranstaltet Vorträge, Workshops und Kurse für Imame, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen wollen. Nach Zaheds Aussage gibt es weltweit zehn schwule Imame.

Mixed-able-Ensemble beleuchtet digitale Abhängigkeit Yanel Barbeito kam gelähmt zur Welt. Nun wirkt die kubanische Künstlerin bei der DIN A 13 Tanzcompany mit. Im Stück »Updating you« ist sie gemeinsam mit Rollstuhlfahrer Fabian Dirla und drei weiteren Tänzerinnen auf der Bühne zu sehen. Darin geht es um die zunehmende Abhängigkeit vom digitalen Netz – via Facebook, Chats und Livestream konnte die Netzgemeinde die Dramaturgie des Stückes beeinflussen und bei den Proben zuschauen. Gegründet wurde die Tanzcompany 1995 von Gerda König, die die Bewegungsqualitäten »anderer Körper« in der choreografischen Arbeit erforschen und sichtbar machen möchte. Mit Mixed-abled-Ensembles hat sie bereits in Ghana, Kenia, Südafrika, Sri Lanka, Brasilien, Venezuela, Israel gearbeitet. Barbeito schätzt die Arbeit: »Hier fühle ich mich einfach wie eine Tänzerin unter mehreren.« www.din-a13.de/

Protest gegen Bundesteilhabegesetz. 20 Rollstuhlfahrer übernachten vor dem Reichstag Alle öffentlichen Gebäude sollen barrierefrei werden, das sieht ein neues Bundesgesetz vor. Schön und gut, sagen viele Betroffene. Aber was ist mit Kinos? Mit Restaurants? Denn private Betreiber sollen von dem Zwang ausgeklammert bleiben. 20 Rollstuhlfahrer haben im Mai darauf mit einem drastischen Protest reagiert: Sie ketteten sich über Nacht an den Zaun des Berliner Reichstags. Der Behindertenaktivist Raul Krauthausen forderte: »Man zwingt Unternehmen ja auch zu Brandschutz und zu Denkmalschutz. Warum sollte man sie nicht auch zu Barrierefreiheit zwingen?« Er verweist auf das Nachbarland Österreich, wo Bürgerinnen und Bürger seit Anfang 2016 einen barrierefreien Zugang von der Privatwirtschaft einklagen können.

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Teilhabe für alle

Sich als wirksam erleben

Mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen Das Radioprojekt beflügelte die Teilnehmenden von Anfang an. Eine neue Art der Selbstwirksamkeit wurde erlebt.

allem als wirksame Individuen erleben, die ihr Umfeld gestalten und verändern können. Eine Erfahrung, die sie nicht jeden Tag machen. Bereits bei einem Workshop im Vorfeld war die Gruppe mit dem Thema »Rechte und Bedürfnisse von Bewohnern« konfrontiert. Ein Teilnehmer wollte nicht, dass durch die Sendung herauskommt, dass er, der sich besonders »fit« fühlt, noch immer in einer »Wohngruppe für Behinderte« lebt. Er legte damit den Finger in eine offene Wunde. Eine intensive Diskussion entspann sich, die im Alltag der Beteiligten munter weiterging. Dies zeigt, dass diese Form von Beteiligung in entscheidenden Momenten zentrale Fragen aufwirft, die gesamtgesellschaftlich immer dann zu führen sind, wenn es um gleichberechtigte Teilhabe geht. Stimmen von Teilnehmenden »Das Projekt war für uns ein Highlight. Es hat alle spüren lassen, dass sie wirklich als Mensch mit Vorlieben und auch Eigenheiten wahrgenommen werden.« Von Wolfram Keppler »Der Sonnenhof geht auf Sendung« – bei diesem Projekt machten Bewohner_innen einer Wohngruppe aus Schwäbisch Hall im Rahmen des »Projekts Alle beteiligen++« erstmals selbst Radio. Die Aussicht auf eine eigene Radiosendung und die Chance, eigene Erfahrungen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, beflügelte die Teilnehmenden von Anfang an. Schnell standen die Themen fest: Liebe und Partnerschaft, Hobbys, Leben in der Wohngruppe, Musik und Lieblingsbands. Im Anschluss an ein für 14

viele aufwühlendes Interview-Training wurden die Radio-Frischlinge von erfahrenen Redakteuren des Freien Radios »Sthörfunk« unterstützt. Neben Musik von Metallica und Heino und spannenden Geschichten ging es in der Sendung darum, was im Alltag einer Wohngruppe anfällt. Während die einen über Beziehungen und Gefühle berichteten, ließen sich andere dazu interviewen, was sie in ihrer Freizeit unternehmen. Sich selbst dabei klar und deutlich über den Äther zu hören, war für viele der behinderten Radiomacher nicht nur ein umwerfendes Erlebnis. Es ließ sie sich selbst vor

»Hätte nicht gedacht, dass Radio machen so viel Aufregung ist!“ »Ob die da draußen das wohl wirklich anhören? Und was denken die dann von uns?« »Ich wünsch mir, dass alle Mitarbeiter das am Radio hören, die werden dann staunen!« »Dieses Projekt war das erste dieser Art. Jeder hat einen eigenen Charakter, das hat es so interessant gemacht.« SYM 2/2016


Teilhabe für alle

Akademie und Diakonisches Werk wenden sich mit ihren auf Beteiligung ausgerichteten Tagungen immer auch direkt oder indirekt an Mitarbeitende kirchlicher und diakonischer Einrichtungen. Vor dem Hintergrund professioneller Selbstkontrolle sollen Anregungen zu aktuellen Handlungsmöglichkeiten im jeweiligen Arbeitsbereich gegeben werden. Dazu gehört sowohl die Reflexion des beruflichen Selbstkonzeptes als auch die Achtung von Rechten und Bedürfnissen von Menschen mit geistigen und seelischen Einschränkungen. Dies wurde beim Projekt »Alle beteiligen++« deutlich, das Beteiligungsprozesse an vier Standorten der württembergischen und badischen Diakonie aufgriff und weiterentwickelte. Die Projektverantwortlichen des Diakonischen Werks Württemberg organisierten, begleiteten und dokumentierten ein World Café mit Ehrenamtlichen, die Wiedereröffnung eines Therapieschwimmbades, einen Kabarettabend sowie das inklusive Radioprojekt. Menschen mit Behinderung gestalteten dabei die Vorhaben mit und prägten sie durch ihre aktive Ausgestaltung – von der Planung über das Rollen-Training bis zur Veranstaltung (von uns »Aufführung« genannt). Für eine besondere Atmosphäre in der Evangelischen Akademie sorgen die gut eingeführten Fortbildungen für Werkstatträte. Hier geht es nicht nur um Begegnung und Wissenserwerb. Prägend ist die hohe persönliche Akzeptanz, die Teilnehmende einander entgegenbringen. Daraus resultieren angstfreies Lernen, ein positives Lernklima und eine hohe Fehlertoleranz. Vor kurzem kam zu diesem Format eine knapp zweitägige Qualifizierung für »Bewohnerbeiräte«. Es sind Menschen mit so genannter geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung, die in stationären Einrichtungen der Diakonie Württemberg leben und über den Beirat die Anliegen ihrer Mitbewohner vertreten. Ausgangspunkt ist das im Mai 2014 verabschiedete »Gesetz für unterstützende Wohnformen«, das so genannte »Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz« (WTPG). Darin wird auch die Beteiligung von Bewohnerinnen und Bewohnern von Wohnheimen geregelt. Bei diesem neuen Fortbildungsangebot von Akademie und Diakonie haben knapp 50 Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen sowie ihre Assistentinnen und Assistenten zum SYM 2/2016

Inklusion leben Gruppenfoto bei der Tagung im März in Bad Boll, bei der Bewohnerbeiräte qualifiziert wurden.

Teil komplexe Situationen aus ihrem Alltag als »Heimbeiräte« auf fachlich hohem Niveau beschrieben und in Szene gesetzt. Bei den gemeinsam erarbeiteten, oftmals überraschenden Lösungen wurde deutlich, dass achtsame Beteiligung immer an erster Stelle stand und externe Expertise zu Rate gezogen wurde. Bei dieser Form der Erwachsenenbildung für Menschen mit eingeschränkten Teilhabechancen kam eine neue, in zwei Diakonieprojekten bereits erprobte Methode zum Einsatz. Zum Erfolg der gut austarierten Mischung aus positiver Ritualisierung, Rollenspiel, Skulpturarbeit, systemischer Soziogrammarbeit und visualisierter Reflexion, in die auch Bearbeitungsformen aus der systemischen Arbeit (z.B. das Reflecting Team) integriert sind, gehört maßgeblich auch der von der Akademie zur Verfügung gestellte Rahmen. Lernräume sind nach unserem Verständnis zeitlich begrenzte Aktions- und Erlebnisräume. Damit kommt der Tagungsstätte selbst als Ort des Geschehens eine wesentliche Bedeutung zu.

Wolfram Keppler ist Geschäftsführer des Aktionsplans »Inklusion leben« von Evangelischer Landeskirche und Diakonischem Werk in Württemberg.

Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen angemessen beteiligen: das ist ein wichtiges Anliegen der Diakonie. Wie geht »angemessene« Beteiligung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt? Wie sehen die Schritte aus, damit dies gelingen kann und welche Erfahrungen dazu gibt es? Seit Jahren beschäftigen sich das Diakonische Werk Württemberg und die Evangelische Akademie Bad Boll in Tagungen für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen mit diesen Fragen. Die Antworten sind praxisorientiert und nah an der Alltagswirklichkeit der Menschen. Sie helfen, dass Betroffene sich als wirksam und gestaltend erleben. Das ist auch das Anliegen eines im Januar gestarteten Aktionsplans von Landeskirche und Diakonischem Werk. Unter dem Motto »Inklusion leben« soll inklusives Handeln in der Landeskirche sichtbar und für kirchliche und diakonische Institutionen und Gemeinden nutz-, erleb- und gestaltbar werden. www.aktionsplan-inklusionleben.de

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beteiligen

Bürger mehr beteiligen

Fragen an Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung

Start der kommunalen Flüchtlingsdialoge in Schwäbisch Gmünd: Gisela Erler (2.v. li.) mit OB Richard Arnold (re.) am »Thementisch Frauen«.

Frau Erler, Sie sind nun schon im 5. Jahr Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg. Willy Brandt forderte bereits 1969 »Mehr Demokratie wagen«. Was war Ihre Zielsetzung vor fünf Jahren? 2011 kam einiges zusammen: Eine Mischung aus Krisen mit Fukushima und Stuttgart 21, aber auch eine Durchbruchphase für die aktive und bunte Zivilgesellschaft, die beteiligt werden wollte. Und denen es nicht mehr ausreichte, nur alle 4 oder 5 Jahre zur Wahl zu gehen. Die Menschen im Land wollen sich aktiv einmischen, mitmachen, aber auch entscheiden. Dazu bedarf es mehr Bürgerbeteiligung. Wir sind angetreten, dies im Land zu systematisieren, zu vereinheitlichen und stärker in Planungspro16

zessen zu verankern. Eine solche Politik des Gehörtwerdens zielt darauf ab, die Bürgerinnen und Bürger in wesentliche politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Meine zentrale Aufgabe war und ist es, das Thema Beteiligung in der gesamten Landesverwaltung und in Baden-Württemberg voranzutreiben. Ein Leitfaden für eine neue Planungskultur hat neue Impulse für die Beteiligung der Bevölkerung bei Infrastrukturmaßnahmen geliefert. Mit diesen Maßnahmen will die grün-rote Landesregierung dem wachsenden Mitsprachebedürfnis der Bevölkerung gerecht werden mit dem Ziel, verloren gegangenes Vertrauen in die Politik und Verwaltung wieder zurückzugewinnen.

Bereits 2012 haben Sie und eine Reihe von Akteuren in Baden-Württemberg die »Allianz für Beteiligung« als eigenständiges Netzwerk gestartet. Welches Ziel hatte sie anfangs und was leistet die inzwischen durch Stiftungen unterstützte Allianz? Eine solche Einrichtung ist wichtig, weil sich viele Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg zu gesellschaftlichen und politischen Themen vor Ort engagieren wollen, häufig aber wissen sie nicht genau, wie sie mehr Bürgerbeteiligung einfordern und dazu in einen Dialog mit Politik und Verwaltung treten können. Und hier kommt die Allianz ins Spiel: Zum einen können sich hier Bürgerinitiativen, Vereine und Verbände SYM 2/2016


beteiligen

über ihre Erfahrung austauschen und unterstützen. Zum anderen macht sie dieser Zielgruppe Angebote: bei ihren Veranstaltungen können sie gute Beispiele der Beteiligung kennenlernen, im Rahmen von Förderprogrammen haben sie die Möglichkeit, Strukturen für mehr Bürgerbeteiligung vor Ort zu schaffen und diejenigen einzubinden, die häufig eher außen vor bleiben. Was hat sich für die Bürger durch den Leitfaden für Bürgerbeteiligung und die neue Gemeindeordnung verändert? Bei der Ausarbeitung haben in einem Beteiligungsprozess Verwaltung, Beteiligungsexpertinnen und -experten, Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft sowie Bürgerinnen und Bürger mitgewirkt. Frühzeitig, verbindlich und flexibel: Das sind die Prinzipien, nach denen die Bürgerinnen und Bürger bei Großvorhaben des Landes intensiv eingebunden werden sollen. Das hat den Vorteil, dass dies auch die Möglichkeit zulässt, über Alternativen oder auch den Ausstieg aus dem Projekt zu diskutieren. Die neuen Regeln schaffen erstmals ein geregeltes »Scharnier« zwischen den Vorschlägen aus der Bürgerbeteiligung und den Entscheidungen der Behörden. Falls Vorschläge aus der Bürgerschaft nicht verwirklicht werden können, muss die Verwaltung dies in Zukunft fachlich und öffentlich besser begründen. Die neue Gemeindeordnung eröffnet durch die Quorenabsenkung bei Bürgerentscheiden ein ergänzendes Instrument für eine vielfältige Demokratie im Sinne von »wählen«, »mitmachen«, aber auch »entscheiden«. Paragraph 41 der Gemeindeordnung zur verbindlichen Jugendbeteiligung eröffnet ganz neue Möglichkeiten für junge Menschen, Politik vor Ort mitzugestalten. Beteiligungsdemokratie erreicht im Allgemeinen nur die Mitte der Gesellschaft. Werden dadurch schwache bzw. stille Gruppen vernachlässigt? Die aufsuchende Beteiligung ist ein Schlüssel dafür, dass auch die eher stillen Gruppen erreicht werden. Wir unterstützen hier das Programm der SYM 2/2016

Gisela Erler kommt regelmäßig zu Tagungen nach Bad Boll – wenn es um die Entwicklung von Konzepten der Jugend- und Bürgerbeteiligung geht. Sie wird auch in der neuen Landesregierung diese Arbeit als Staatsrätin fortsetzen.

Breuninger Stiftung »Orte für Beteiligung«, bei dem Haupt- und Ehrenamtliche aus Mehrgenerationenhäusern und Stadtteilzentren in der Moderation von Runden Tischen ausgebildet werden. Aber auch die Programme unserer Allianz für Beteiligung, »Teamwork gefragt« für mehr Beteiligung von Migrantenorganisationen und »Läuft bei uns: Wir entscheiden mit!«, bei dem ganz gezielt das Thema Beteiligung von jungen Menschen gefördert wird, gehen in die Richtung, stille gesellschaftliche Gruppen zu beteiligen. Eine weitere Möglichkeit, in Beteiligungsprozessen auch sogenannte stille Gruppen zu erreichen, ist die Methodik der »Zufallsbürger«. Durch eine zufällige Auswahl von Teilnehmenden wird gewährleistet, dass auch Menschen, die entweder noch keine vorgefertigte Meinung zu dem Thema haben oder sich von selbst nicht beteiligt hätten, angehört werden. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem neueren Instrument OnlineBeteiligungsportal? Auf unserem Beteiligungsportal (www. beteiligungsportal-bw.de) können sich die Bürgerinnen und Bürger über Gesetzesvorhaben des Landes informieren, diese kommentieren und Anregungen dazu einbringen. Über die Beteiligungsplattform kann zudem ein kompletter Beteiligungsprozess dargestellt und eine Online-Konsultation durchgeführt werden. Online-Beteiligung kann einen Bürgerbeteiligungsprozess allerdings nie erschöpfend behandeln und eine face-to-face-Beteiligung mit echten Dialogen zwischen Menschen nicht ersetzen. Deshalb betrachtet die Landesregierung die Online-Beteiligung nur als eine Methode unter vielen.

Experten sind der Meinung, dass das Ländle in Sachen Bürgerbeteiligung allen anderen weit voraus ist. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf ? In unseren bunten Gesellschaften mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen über politische Ziele bedarf es einer proportional gewichteten Parlamentsstruktur und vieler weiterer Instrumente, die möglichst gute Konsense zwischen den Betroffenen ermöglichen. Dazu gilt es, die Beteiligung sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene weiter gemeinsam voranzubringen. Ich beobachte mehr denn je eine große Offenheit in den Ministerien, aber vor allem auch in den Kommunen überall im Land. Unser Leuchtturmwettbewerb, den wir nun bereits zum dritten Mal mit dem Staatsanzeiger und den kommunalen Spitzenverbänden durchführen, und bei dem Institutionen und Projekte zu »Leuchttürmen der Bürgerbeteiligung« gekürt werden, ist dafür ein großartiger Spiegel. Der neue Stil und die positive Haltung zum Dialog in allen Bereichen sind in Baden-Württemberg ein gutes Stück vorangekommen. Was ist Ihr Lieblingsbeispiel für eine gelungene Bürgerbeteiligung? Ein sehr gutes Beispiel ist der Suchlauf für einen neuen Standort der Justizvollzugsanstalt Rottweil/Esch. An zwei Orten, die das Land favorisierte, wurden Beteiligungsprozesse ins Leben gerufen. Der von der Bürgerinitiative in Rottweil gestartete Bürgerentscheid wurde durch die Begleitgruppe vorbereitet und ging positiv für einen Neubau der JVA aus. Im Anschluss wird bald ein Architekten- und Planungswettbewerb, natürlich mit Bürgerbeteiligung, durchgeführt. Hier sollen zahlreiche Bürgervorschläge berücksichtigt werden. Rottweil hat einmal mehr gezeigt, dass Beteiligung und gute, direkte und mediale Kommunikation wichtige Erfolgsfaktoren sind. Die Fragen stellte Martina Waiblinger

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Indonesien

Ressourcen und Veran Von Mauricio Salazar Jahrzehntelang haben Unternehmen den Regenwald auf Sulawesi zerstört, um Ölpalmen anzupflanzen und Palmöl herzustellen. »Improving the lazy land« heißt ein Wiederaufforstungs-Projekt der Protestantischen Kirche im Südosten (GEPSULTRA) der Insel. Bereits 4000 Teak-, Shala- und Alibzia-Bäume wurden auf 20 Hektar gepflanzt. Die Kirche achtet darauf, dass das Holz der Bäume nur für Gebäude, Möbel und Handwerksarbeiten genutzt wird. Somit verschafft sie den einheimischen Familien ein Einkommen und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Die Jugendlichen im Hochland der Insel haben nur wenige Ausbildungsmöglichkeiten. Die Toraja Kirche schafft Abhilfe mit einem Zentrum für Berufsausbildung mit neuen Angeboten. Mädchen werden darin unterstützt, traditionelle Männerberufe zu erlernen. Zudem werden Computerkurse und Ausbildungen zum Zweiradmechaniker angeboten. Die Frauengesellschaft der Toraja Kirche fördert die Entwicklung und die Akzeptanz von Behinderten durch Schulbildung und Gesundheitsfürsorge. Seit den 1990er Jahren kämpft sie gegen die Isolation von Behinderten, die traditionell als „Bestrafung Gottes“ empfunden und versteckt werden. Die Gesellschaft fördert die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien und setzt sich für die Einführung ihrer Rechte auf nationaler Ebene ein. Bei der Schatzmeisterkonferenz in Indonesien haben sich im April 28 Finanzverantwortliche von Kirchen in Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Europa auf Bali getroffen, um über die Finanzsituation in ihren eigenen Kirchen zu diskutieren. Wie wichtig das soziale und ökologische Engagement der Kirchen ist, wurde den Teilnehmenden bei den Exkursionen zu den Projekten vor Ort deutlich. Die Mitglieder der Gemeinschaft Evangelische Mission in Solidarität (EMS) sprachen bei ihrem Treffen über die Teilung von Ressourcen und Wissen. Die Konferenz stand außerhalb der Wahrnehmung von »reichen und armen« 18

Kirchen, eine wichtige Voraussetzung, um über Ressourcen und deren Teilung zu reden: »Die Zeiten, in denen Kirchen entweder als Geber oder als Nehmer aufgetreten sind, sind vorbei. Das hat die Konferenz der Schatzmeister unserer 28 Mitgliedskirchen und -vereine gezeigt«, sagte die Vorsitzende der internationalen EMS-Gemeinschaft, Marianne Wagner. Der Zugang der Kirchen zu Finanzmitteln unterscheidet sich stark und ist vom Kontext abhängig. Die Kirchen in Asien und Afrika bekommen ihre Unterstützung direkt von ihren Mitgliedern, deren Bereitschaft zur Solidarität sehr hoch ist. Sie richten ihre Strategien darauf aus, ihre Mitglieder zu halten und weitere Mitglieder zu werben. Sie müssen zusätzliche Finanzquellen erschließen. Der Einsatz der Gelder wird mit den Gemeindemitgliedern beraten, wie z.B. für den Bau eines Bürogebäudes zur Vermietung, Schulen, Krankenhäuser usw. Die Umlagen innerhalb der Kirchen funktionieren gut, weshalb die zentralen Einrichtungen mit verlässlichen Zuweisungen aus den Gemeinden rechnen können. Diese Strategie erfordert Transparenz und eine Auseinandersetzung mit sozialen und ethischen Fragen, die letzten Endes eine demokratische Partizipationskultur fördern. Sie beruht auch auf Vertrauensbildung, die zugleich AntiKorruptionsmaßnahmen erfordert und den Aufbau transparenter Strukturen fördert. Während der Konferenz wurden viele soziale Aspekte angesprochen, wie der Zugang zu Bildung, Gesundheit, eine würdige Arbeit usw. Indonesien ist ein sehr großes Land mit vielen Völkern, Sprachen und Religionen, die viele Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte darstellen. Die Mehrheit der Bewohner ist muslimisch, jedoch hat jede Insel ihre eigene kulturelle und religiöse Ausprägung. Der interreligiöse Dialog zwischen Muslimen und Christen steht auch im Vordergrund, z.B. bei der Konfliktbewältigung. Ein sehr wichtiger Aspekt ist nicht nur hier die »Finanzinklusion« der Menschen, die SYM 2/2016


Indonesien

ntwortung teilen Bei der Schatzmeisterkonferenz mit 28 Finanzverantwortlichen von Kirchen in Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Europa wurde über das notwendige soziale und ökologische Engagement der Kirchen diskutiert. Die Konferenz fand auf der Insel Bali und auf Sulawesi im Torajaland statt. Bild oben: Reisfelder auf Bali, Bild unten: Traditionelle Torajahäuser

für Kleingeschäftsgründungen oder für den Ausbau des eigenen Existenzprojekts keine Möglichkeit haben, sich Geld von den konventionellen Banken zu leihen. Hierfür sind in vielen Ländern des globalen Südens Mikrofinanzsysteme mit -krediten, Versicherungsund Geldtransferleistungen eine interessante Alternative, die von den Mitgliedskirchen, beispielsweise in Indonesien und Ghana, unterstützt werden. Während der Konferenz konnte auch auf die Risiken dieser Finanzsysteme hingewiesen werden, die in manchen Fällen eine Schuldenfalle verursachen können, wenn wichtige Kriterien nicht berücksichtigt werden. So muss unter den vielen Anbietern geprüft werden, wie die Konditionen sind und welche Beratungsinstrumente sich für die Kreditnehmerinnen und -nehmer anbieten. Bei den indonesischen Beispielen der Partnerkirchen war die soziale Bindung wichtig. Man kennt die Kreditnehmer, von denen die Mehrheit Frauen sind. Die Konferenz war eine wichtige Austauschplattform. Hier wurden Herausforderungen benannt und gemeinsam analysiert. Innerhalb der EMS-Gemeinschaft konnten dann ›best practices‹ und Lösungsansätze vorgestellt werden. Die große Evangelische Kirche in Minahasa (GMIM) im Norden Sulawesis hat sich zum Beispiel von der kleinen gut organisierten Christlich-Protestantischen Kirche in Bali (GKPB) den Aufbau des Finanzwesens und eine transparente Rechenschaftspflicht abgeschaut. Seither hat die Minahasa-Kirche sprunghaft steigende Einnahmen zu verzeichnen. Ein gutes eigenes Einkommen ist ein geistliches Zeugnis: Menschen stehen zu ihrer Kirche. »Noch bringen SYM 2/2016

die deutschen EMS-Kirchen den Großteil der Finanzen auf. Aber wir gehen den Weg der Internationalisierung der EMS zuversichtlich weiter«, betont Jürgen Reichel, Generalsekretär der Gemeinschaft. Die Finanzverantwortlichen haben ihren Kirchen empfohlen, die vielen gemeinsamen EMS-Projekte auch gemeinsam zu tragen. »Wir werden jetzt nach Wegen suchen, wie wir die Verantwortung für die pastoralen und sozialen Projekte der EMS gleichmäßiger verteilen können. Es soll selbstverständlich werden, dass die indonesischen Kirchen Flüchtlinge in Syrien unterstützen, koreanische Gemeinden für die kirchliche Ausbildung in Ghana sammeln oder ein Sponsor in Indien das Jugendnetzwerk der EMS fördert.« Die Versammlung endete mit einem Empfehlungsbeschluss in den vier Bereichen, die während der Konferenz diskutiert worden waren: ▪ Best Practice von Fundraising-Erfolgen ▪ Projektförderung und Unterstützung weiterer Programme ▪ Mikrofinanzen ▪ Ethisches und nachhaltiges Finanz Management Es ist vorgesehen, 2017 oder 2018 zu einer Folgekonferenz in der Evangelischen Akademie Bad Boll auch andere Missionswerke und Organisationen einzuladen.

Mauricio Salazar ist Studienleiter in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Er hat an der Schatzmeisterkonferenz in Indonesien teilgenommen.

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Rechenschaft

Akademie als Resonanzraum Aus dem Rechenschaftsbericht 2015 der Evangelischen Akademie Bad Boll Dem Leitbild entsprechend setzt sich die Evangelische Akademie Bad Boll als »innovative Kraft in der Gestaltung einer demokratischen, sozialen und zukunftsfähigen Gesellschaft« (Leitbild, Satz 4) für eine Kultur der Achtsamkeit, der Teilhabe, der Inklusion und der Verbundenheit zwischen den Generationen ein. In diesem Sinne versteht sie die fundamentale Aufforderung der AkademieOrdnung, »Fragen des öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Staat, Gesellschaft und Kirche sowie Fragen des beruflichen und persönlichen Lebens des Einzelnen in das Licht des Evangeliums (zu) rücken« (Ordnung der Akademie Bad Boll). Der Soziologe Hartmut Rosa hat mit seinem jüngsten Werk »Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung« eine umfassende und überzeugende Analyse der Spätmoderne vorgelegt. Die Weltgesellschaft befinde sich, so führt er aus, in einem umfassenden Krisenmodus, wobei es sich im Wesentlichen um eine »Krise der Weltbeziehung« (Hartmut Rosa, Resonanz, 2016, S. 707) handle: Rosa setzt der Beschleunigung als Ausdruck grundlegender Entfremdung des Menschen die Resonanz entgegen: In

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einer resonanten Weltbeziehung stehen sich Subjekt und Welt nicht feindlich gegenüber, sondern antworten aufeinander. Es kommt zu einer »Anverwandlung« (Hartmut Rosa), nicht zu einer Beherrschung der Welt. Das Symbol der Akademie Bad Boll, die Brücke, lässt sich mit Hartmut Rosas Begriff der Resonanz so verstehen: Es geht um das Einüben einer zukunftsfähigen Praxis der Begegnung, der »Anverwandlung« und der gegenseitigen Veränderung. Dies schließt nicht nur den Diskurs ein, sondern auch die ganzheitliche Begegnung des Teilnehmenden mit der Umgebung und dem Diskussionsstoff einerseits, den Menschen und letztlich auch sich selbst andererseits. Hierin wird das Besondere der Akademie deutlich: In einer ganzheitlichen Tagungsarbeit kommt es zur verändernden Begegnung der Teilnehmenden untereinander, einer Begegnung sowohl mit der Tagungsthematik als auch dem umgebenden (Natur-)Raum sowie zu einer Begegnung mit dem göttlichen Gegenüber.

Die Themen der Akademie Im Jahr 2015 wurden über 170 Tagungen von der Akademie Bad Boll durchgeführt. Eine große Bandbreite von Themen wurde behandelt. Sie lassen sich in sieben Schwerpunkten darstellen, die in den nächsten Jahren die Tagungsarbeit der Akademie begleiten werden: Theologische Herausforderung heute: Leben, Verständigung und Bildung in einer religionspluralen Gesellschaft. Tagungen und Projekte zum interreligiösen Dialog gehören zu den grundlegenden Bestandteilen eines Akademieangebots in einer vernetzten, globalen und kulturell vielfältigen Gesellschaft. So fand im Oktober letzten Jahres die Tagung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Baden-Württemberg unter dem Titel »Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ statt. Es stand die Frage im Mittelpunkt, wie die Einladung zum Glauben unter den Bedingungen einer religiös vielfältiger werdenden Welt aussehen kann. Ist Mission in einer Gesellschaft, die ohne einen interreligiösen Dialog nicht mehr auskommen kann,

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Die Grenzen des Planeten respektieren: Die Chancen einer nachhaltigen Technik, Wirtschafts- und Lebensweise ausloten.

noch möglich? Die mehr als 100 Teilnehmenden gingen mit einer Fülle von Anregungen für die konkrete Praxis nach Hause. Demokratie weiterentwickeln: Eine Kultur der Teilhabe und der Bürgerbeteiligung stärken, Bürgerrechte auch in der digitalen Gesellschaft sichern. Demokratie weiterentwickeln: Dies ist Thema von Tagungen, die in der Akademie Bad Boll unter den Stichworten »Kollegiales Coaching Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg«, »Teil sein – wirksam sein: Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg« oder »Partizipative Demokratie in Baden-Württemberg« stattfinden. Vernetzung, Vermittlung neuer Konzepte zur Moderation oder Arbeit an Perspektiven für eine bessere Teilhabe stehen im Mittelpunkt dieser Angebote. Die Digitalisierung weiter Bereiche der beruflichen und privaten Lebensbezüge verändert das gesellschaftliche Leben massiv. Sie verschärft auch das oft beschriebene Phänomen der »Beschleunigung« in der Nachmoderne. Unter der Überschrift »Tempo raus. Oder: Vom guten Leben in beschleunigter Zeit« war dies auch das Thema einer Tagung im November. Mit dieser Veranstaltung wurden neue Wege der Kooperation mit dem Hospitalhof Stuttgart, dem Bildungszentrum der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in Stuttgart, erprobt.

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Wie hat sich die Akademie Bad Boll 2015 weiterentwickelt? Wen hat die Akademie mit welchen Themen und mit welchen Maßnahmen erreicht? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Rechenschaftsberichts, der dem Kuratorium der Akademie jährlich vom Akademiedirektor vorgelegt wird. Den Rechenschaftsbericht, dessen kurze Zusammenfassung Sie hier finden, hat das Kuratorium zuletzt einhellig zu den Themen, Zielen und strategischen Maßnahmen der Akademiearbeit angenommen.

Seit mehr als drei Jahrzehnten setzt sich die Akademie Bad Boll mit einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise auseinander. So ging es im Juli letzten Jahres um die zunächst faszinierend wirkenden Möglichkeiten einer digitalisierten Welt zum Aufbau von Nachhaltigkeitsstrukturen in zukunftsfähigen Städten: »Smart City – Entwürfe für die Stadt der Zukunft« hieß diese Tagung. Die sich aus den neuen städteplanerischen Vorstellungen ergebenden Herausforderungen sollen in den nächsten Jahren weiterverfolgt werden. Dies gilt auch für die anderen Veranstaltungen, wie z.B. für die erste Elektromobilitätstagung der Akademie Bad Boll, die auch im Sommer stattfand. Während einer Ausstellung konnten sich die Teilnehmenden über Pedelecs, Elektroroller, -leichtmobile und -autos informieren. Begleitende Vorträge thematisierten Risiken und Chancen der Elektromobilität sowie kommunale Handlungsmöglichkeiten. Den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen: Den demografischen Wandel gestalten – in Kommunen, in der Gesundheitsversorgung, bei der Integration von Migranten. Seit mehreren Jahren werden in der Akademie Demografie-Fachtagungen angeboten. Im vergangenen Jahr ging es vor allem um die Frage, wie auf den demografischen Wandel und die damit verbundenen neuen Formen

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nachbarschaftlicher Unterstützung kommunal reagiert werden kann. Mehrgenerationenhäuser erweisen sich dabei als Kristallisationspunkte für nachbarschaftliche Vernetzungen aller Altersgruppen im Quartier. Es wurde deutlich, dass bezahlbarer Wohnraum für älter werdende Menschen künftig ein wichtiges Thema sein wird. Öko-soziale Marktwirtschaft in Zeiten der Globalisierung: Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl als Handlungsziele von Politik und Ökonomie verankern helfen. Freiheit in Verantwortung – dieses Paradigma muss sich auch in wirtschaftlichen Zusammenhängen bewähren. In der Reihe »Bad Boller Wirtschaftsgespräch« diskutierten z.B. im letzten Jahr mehr als 250 Verantwortliche aus Wirtschaft, Unternehmen und Verbänden über »Soziale Marktwirtschaft im globalen Wettbewerb – Wer bestimmt die Regeln?«. Dieses Veranstaltungsformat, das in enger Kooperation mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg durchgeführt wird, soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Den Frieden sichern, Migration gestalten: Internationale Zusammenarbeit fördern, zu einer menschlichen Flüchtlingspolitik finden. Die Herausforderung der Zuwanderung von Flüchtenden ist seit langem ein Schwerpunkt der Akademiearbeit: Seit 25 Jahren kommen z.B. Frauen aus Flüchtlingsunterkünften mit ihren Begleiterinnen nach Bad Boll, um sich in einer entspannten Atmosphäre mit Zugängen zu Arbeit und Ausbildung, mit frauenspezifischen Fluchtursachen oder Gesundheitsprophylaxe zu beschäftigen. Oder: Während einer Tagung mit dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ging es um Änderungsvorhaben im Asylrecht. Die Tagung stand unter dem Titel »Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. 22

Asylpolitik zwischen Abschreckung und Willkommenskultur«. Auch die internationale Dimension der Migrationspolitik und der zu erwerbenden Transkulturalität war Thema einer gut besuchten Tagung unter der Überschrift »Gewaltsames Verschwindenlassen – Verbrechen mit System«. Die Menschenrechtssituation in Mittel- und Lateinamerika kam während dieser Tagung in Zusammenarbeit mit einem großen Netzwerk aus Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerken wie Brot für die Welt zur Sprache. Die Akademie ist für Begegnungen von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern ein wichtiger Ort. Hier können sie im geschützten Raum komplexe und schwierige Gewaltkontexte besprechen. Auf der Suche nach verbindlichen und verbindenden Werten: Ethische Reflexion stärken in Lebenswissenschaften und Medizin. Auch die Gesundheitspolitik steht in einer älter werdenden Gesellschaft vor massiven Herausforderungen. So ging es in der viel beachteten Tagung »Sterbehilfe – was soll erlaubt sein? Welche Sterbekultur brauchen wir?« um die im letzten Jahr geführte Gesetzesdebatte. Es wurden die vier Anträge aus dem Bundestag analysiert und kontrovers diskutiert. Eine einfache Antwort, so zeigte sich während der Tagung, gibt es nicht. In einem waren sich die Teilnehmenden jedoch einig: Wir müssen an einer Gesellschaft arbeiten, die mehr bietet als den Zwang zur individuellen Selbstoptimierung, die jetzt auch schon die Sterbesituation erreicht hat.

Fachdienste der Akademie Eine Stärke der Evangelischen Akademie Bad Boll liegt in den vier angegliederten Fachdiensten: der treffpunkt 50plus in Stuttgart, die »Gesellschaftspolitische Jugendbildung«, die Akademie für Führung und Verantwortung (AFV) und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA). Dies führt zu Synergieeffekten durch gegenseitige Beratung und Kooperation. So werden die Tagungen zur Vorbereitung auf den Ruhestand gemeinsam vom KDA und dem treffpunkt 50plus geplant, Studienleitende halten Vorträge im Rahmen des Offenen Foyers im treffpunkt, der Fachdienst Wirtschaft-Globalisierung-Nachhaltigkeit kooperiert bei Tagungen mit dem KDA, bei einer Tagung zu neuen intergenerationellen Wohnformen können konkrete Projekte in Stuttgart über den treffpunkt einbezogen werden usw. Die Mitarbeitenden der Fachdienste nehmen in der Regel an der Programmkonferenz der Studienleitenden und der gemeinsamen Sommerklausur teil. Akademie für Führung und Verantwortung (AFV) Die Akademie für Führung und Verantwortung (AFV) wurde im Jahr 2000 gegründet. Coaching, Beratung, Moderation: Die AFV richtet sich an Führungskräfte und Menschen in Verantwortung. Die Studienleitenden beraten und begleiten Einzelpersonen, Teams und Organisationen aus der Privatwirtschaft, dem Öffentlichen Sektor und dem Non-Profit-Bereich. Sie stehen für verantwortungsbewusste Führung. Hierfür braucht es Zeit zur Reflexion und Gestaltung. Denn Führungskräfte arbeiten nicht nur im System, sondern am System. Der Leitspruch der AFV lautet: Menschen stärken – Beziehungen klären – Organisationen entwickeln. Christliche Werte sind das Fundament der Arbeit. Dies bedeutet: Freiheit & Verantwortung, Wertschätzung & Achtung, Reflexion & Aktion. 2015 wurden SYM 2/2016


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die beiden Studienleitendenstellen entfristet, nachdem sich abgezeichnet hat, dass die sich aus den Honorareinnahmen ergebenden Summen in einem großen Maße gegenüber 2014 gestiegen sind. Die AFV konnte ihre Bekanntheit 2015 deutlich steigern und sich bei der Kundenakquise auf die hohe Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden verlassen. www.afv-boll.de treffpunkt 50plus Der treffpunkt 50plus hat eine doppelte Funktion: Zum einen fungiert er als Anlauf-, Kooperations- und Geschäftsstelle des Netzwerks für Bildung und Soziales in der Landeshauptstadt Stuttgart. Die Kooperationsgruppe Bildung und Sozialarbeit, bestehend aus Vereinen, Verbänden und Ämtern, hat die Aufgabe, praktische und organisatorische Anliegen in der Seniorenarbeit zu klären, diese zu vernetzen und in Stuttgart zu vertreten. Zum anderen bietet der treffpunkt 50plus ein vielfältiges, niederschwelliges Bildungsprogramm an. An diesem nehmen z.B. jeden Montag im Rahmen des Offenen Foyers zwischen 60 und 80 Personen teil. Es haben sich am Standort des treffpunkt 50plus auch zahlreiche Initiativen, Gesprächskreise und aktive Gruppen gebildet, die die Basis der Arbeit ausmachen. Sie finden zum Großteil unter ehrenamtlicher Leitung statt. Die Hauptamtlichen koordinieren, begleiten und beraten diese Gruppen. Derzeit gibt es ca. 25 Initiati-

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ven z.B.: Seniorendienst Stuttgart, Biografiearbeit, Sonntagscafé, Singkreis, Offenes Tanzen, Initiative Schreiben, Literatur am Vormittag, Tagungen zum Übergang in den Ruhestand. www.tp50plus.de Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Der KDA wendet sich den Menschen und ihrer Arbeitswelt zu. Seine Zielgruppen sind Arbeiter_innen und verantwortliche Mitarbeitende in Führungspositionen. Das institutionelle und verbandliche Netzwerk um das Arbeitsleben herum steht ebenfalls im Fokus der Aufmerksamkeit dieses Fachdienstes, der sich in der Württembergischen Landeskirche an den vier Prälaturstandorten Stuttgart, Reutlingen, Ulm und Heilbronn orientiert. Unternehmensbesuche, Gespräche mit Betriebsräten, Vorträge in Gemeinden, Gesprächsforen oder persönliche Beratungen sind die Formen, in denen die vier Industrie- und Sozialpfarrer_innen aktiv werden. Neben diesen Aufgaben gestalten sie auch Tagungen, um die KDA-Positionen gesellschaftlich ins Gespräch zu bringen. Im Jahr 2015 hat der Fachdienst u. a. folgende Themen behandelt: Europa und die Finanzkrise in Griechenland, Faire Arbeitsmigration – Arbeit für Flüchtlinge, Psychische Bedingungen am Arbeitsplatz, Mobbing und Burnout, Ohne Mobilitätswende keine Energiewende, Arbeitsmigration, Wandel der Arbeitswelt, Erwerbslose,

prekär Beschäftigte, ältere und schwerbehinderte Menschen. www.kda-wue.de Gesellschaftspolitische Jugendbildung Eine demokratische Gesellschaft braucht für ihre Weiterentwicklung sozial engagierte und politisch gebildete junge Menschen. Dazu sind Bildungsangebote nötig, die die politische Urteilskraft fördern und zu ethisch reflektiertem Handeln motivieren sowie die Beteiligung in sozialen oder politischen Feldern unterstützen. Der Fachdienst bietet Veranstaltungen für Jugendliche, junge Erwachsene, Multiplikatoren aus Wissenschaft und Praxis und politische Entscheidungsträger an. Das dreiköpfige Team entwickelt Tagungen in Kooperation mit verschiedenen Verbänden und Organisationen. Schwerpunkte der Arbeit sind: Veranstaltungen für Jugendliche aller Bildungsebenen in verschiedenen Formaten. Planung interdisziplinärer Tagungen für Multiplikator_innen, politisch Verantwortliche und pädagogisch Tätige. Kooperation mit Institutionen, Organisationen und Netzwerken. Beratung und Unterstützung bei Vorbereitung von Bildungsmaßnahmen vor Ort. Die Arbeit wird im Rahmen der ›Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Bildung‹ durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. www.ev-akademie-boll.de/struktur

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Die Akademie in Zahlen Seit November 2011 haben die Tagungsteilnehmenden die Möglichkeit, Veranstaltungen im Hinblick auf Inhalt und Organisation zu bewerten. Außerdem werden Details zu Werbung, Altersstruktur und Teilnahmehäufigkeit erfasst. Nicht berücksichtigt sind die Tagungen des Fachdienstes Gesellschaftspolitische Jugendbildung. Die Teilnehmenden sind nach den evaluierten Rückmeldungen zu 66 % weiblich und zu 34 % männlich. Die meisten melden sich aus beruflichem Interesse an: 47 %. Gestiegen ist der Anteil der derjenigen Teilnehmenden, die ein privates Interesse verfolgen: 34 %. Aus zivilgesellschaftlichem Interesse melden sich 18 % der Teilnehmenden an.

Zukunft an uns zu binden. Ebenfalls gestiegen ist 2015 die Zufriedenheit der Teilnehmenden bzgl. der inhaltlichen Qualität und der Organisation der Tagung: 85 % der Teilnehmenden antworten auf die Frage nach dem guten Gesamteindruck der besuchten Tagung mit dem Urteil »voll«. Im Einzelnen stellen sich die Ergebnisse so dar:

Ebenfalls ist die Zahl der Teilnehmenden insgesamt gestiegen, vor allem die Zahl der Teilnehmenden pro Tagung:

Der berufsbezogenen Orientierung entspricht der Altersdurchschnitt der Akademieteilnehmenden: Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden ist älter als 41 Jahre (ohne die Tagungen der Gesellschaftspolitischen Jugendbildung ):

Deutlich gestiegen ist 2015 die Zahl der Teilnehmenden, die zum ersten Mal in der Akademie waren: 50 % der Teilnehmenden waren erstmals hier. Es wird darauf ankommen, diese Teilnehmenden mit guten Angeboten auch in 24

Ein leichter Rückgang der sogenannten Leistungstage im Jahr 2015 ist möglicherweise auf Preisentwicklungen zurückzuführen.

In der Gesamtschau sehen wir ein sehr positives Ergebnis, an dem wir hoffentlich auch in Zukunft anknüpfen können.

Gestaltungspartner Die Zahl der Kooperationspartner der Evangelischen Akademie Bad Boll ist immens. Die Studienleitenden arbeiten mit Hunderten von Organisationen und Institutionen aller Art zusammen. Bei den Kooperationspartnern handelt es sich insbesondere um Bildungseinrichtungen (z.B. Hochschulen, wissenschaftliche Institute, Landeszentrale für politische Bildung, Berufsbildungswerke, andere evangelische, katholische und orthodoxe Akademien), Diakonische Werke und Einrichtungen, Berufsverbände und Kammern (z.B. Industrie- und Handelskammer, Hebammenverband, Anwaltsverband, Tierärzteverband, Vereinigung von Schöffinnen, Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V.), Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, Stiftungen (z.B. Landesstiftung Baden-Württemberg, parteinahe Stiftungen, Bewegungsstiftung, Stifterverband der Deutschen Wissenschaft), NGOs, Initiativen und Arbeitsgemeinschaften (z.B. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, People First, Deutscher Fundraising Verband e.V., Pfundskerle e.V. Tübingen, Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz, Weibernetzwerk e.V., Aktion Mitmachen Ehrensache, Dalit Solidarität in Deutschland, Deutscher Tierschutzbund e.V.), Personen und Institutionen der Landespolitik (z.B. Beauftragte für Bürgerbeteiligung, diverse Ministerien), Internationale Gesellschaften (z.B. Deutsch-polnische Gesellschaft, Deutsch-Koreanische Gesellschaft). Mit diesen Kooperationspartnern analysieren Studienleitende der Akademie, welche Themen relevant sind und der Bearbeitung und Diskussion bedürfen. Im Austausch wird das Tagungsprogramm erarbeitet, zu dem meist die Studienleitenden Referentinnen und Referenten anfragen.

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Was kommt?

Was kommt?

Tagungen vom 10. Juni bis 31. Oktober 2016 Gesellschaft, Politik, Staat Gut gemeint und gut gemacht. Partnerschaftsreisen als Höhepunkte und Herausforderung für die Partnerschaftsarbeit 17.-18. Juni 2016, Bad Boll Die persönlichen Begegnungen sind Höhepunkte der Partnerschaftsarbeit. Vor welche Herausforderungen stellen sie die Partner in Nord und Süd? Wie können Begegnungen auf Augenhöhe entstehen? Welche Schwierigkeiten und Hindernisse müssen in der Vorbereitung und der Durchführung bedacht werden? Welche finanziellen Fördermöglichkeiten stehen zur Verfügung? Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, S. S. 34 Ist Frieden möglich? Zur Situation der Menschenrechte in Nahost 1. bis 3. Juli 2016, Bad Boll

Eine Kultur der Menschenrechte ist eine Voraussetzung für Frieden auf der Welt. Das Recht auf Frieden gehört zur »dritten Generation der Menschenrechte«. In Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten ist die Situation komplex und wir hören ganz unterschiedliche Darstellungen. Sicher aber ist die Lage sehr problematisch im Blick auf die Menschenrechte. Es kommt zu exzessiver Gewaltanwendung. Die Zahl der Gefangenen nimmt zu, ihre Rechte sind eingeschränkt. Zudem findet eine KrimiSYM 2/2016

nalisierung der Menschenrechtsverteidiger_innen statt. Die Tagung versucht zu klären und hoffnungsvolle Ansätze stark zu machen. Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 34 … die 24 Stunden von Bad Boll … außergewöhnlich unterwegs zu mir selbst 6. bis 9. Juli 2016, Bad Boll Aktiv – bewegt – gemeinsam – zielstrebig! Nach Einstieg und Vorbereitung sind wir 24 Stunden unterwegs von Bad Urach nach Bad Boll. Wir erleben, wie es ist, in einer herausfordernden Situation eigene Kräfte zu mobilisieren. Es geht nicht um Schnelligkeit und Einzelkämpfertum, sondern um gegenseitige Unterstützung; um das Erreichen eines gemeinsamen Ziels. Am Ende werten wir unsere Erfahrungen aus. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Josef Birzele, Anne Seger Infos: Romona Böld, s. S. 34 Kollegiales Coaching Bürgerbeteiligung Ein Trainingstag für Moderierende 11. Juli 2016, Bad Boll Immer mehr Kommunen arbeiten mit verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung. Je nach Anlass, Rahmen und Zielgruppe sind verschiedene Instrumente und Methoden zielführend. Wie gestalten sich solche Prozesse der Bürgerbeteiligung vom Organisieren und Moderieren bis hin zum Dokumentieren? Der Arbeitstag bietet methodische Fortbildung und Vernetzung mit Fachleuten der Moderation kommunaler Beteiligungsprozesse. Er dient dem kollegialen Austausch von Praxiswissen sowie dem Erlernen innovativer Methoden. Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Silke Klostermann, s. S. 34

Zusammenarbeit in der Werkstatt: Wie kann das gut gelingen? Miteinander reden, auskommen, arbeiten. Fortbildungsreihe für Werkstatträte – Teil 3 11. bis 13. Juli 2016, Bad Boll Der Werkstattrat (WR) wurde von den Beschäftigten gewählt. Er soll ihre Interessen gut vertreten. Außerdem muss der WR mit vielen anderen Verantwortlichen zusammenarbeiten: mit der Leitung, dem Sozialdienst, den Gruppenleitungen und den Beschäftigten. Was kann zum Gelingen der Zusammenarbeit beitragen? Was kann der Werkstattrat tun, um gehört zu werden? Welche Regeln helfen dabei? Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Silke Frisch, Matthias Kneißler, Infos: Erika Beckert, s.S. 34 Soziale Verantwortung im Umgang mit Bestandsimmobilien – Beste Praxis Demografie-Fachtag 13. Juli 2016, Bad Boll Ein großer Teil des heutigen Wohnungsbestandes stammt aus den 1950er bis 1970er Jahren: Einfamilienhaussiedlungen und Geschosswohnungsbau. Als ein signifikanter Teil des baulichen Erbes in Deutschland haben sie eine zentrale Bedeutung für ein attraktives und differenziertes Wohnungsangebot, doch die meisten dieser Gebäude müssen nun energetisch saniert und modernisiert werden, um den Ansprüchen auch künftig gerecht zu werden. Für eine nachhaltige Entwicklung unserer Städte und Dörfer ist dieses Bauerbe jedoch unverzichtbar für funktionierende, lebendige und attraktive Quartiere. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Stefan Krämer, Prof. Dr. Gerald G. Sander, Infos: Romona Böld, s. S. 34 Das kann nicht unter uns bleiben! Zum Umgang mit häuslicher Gewalt. Prävention, Hilfen, Vernetzung 18. bis 19. Juli 2016, Bad Boll Gewalt in den eigenen vier Wänden – das ist kein bloßes Randphänomen, wird aber immer noch gerne übersehen, angezweifelt und tabuisiert. Damit 25


Was kommt?

wird es schwierig, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und den Opfern die nötige Hilfe zukommen zu lassen. Nicht weniger schwierig ist es für die Akteure in der Präventionsarbeit und in Hilfseinrichtungen. Neben Information und Diskussion soll die Vernetzung aller Akteure Thema sein. Darüber hinaus geht es um die aktuelle Frage, inwieweit häusliche Gewalt auch in den Unterkünften für Flüchtlinge ein Thema ist. Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst Infos: Conny Matscheko, s. S. 34 Selbstmanagement mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) ZRM®-Grundkurs 28. bis 30. Juli 2016, Bad Boll Das Zürcher Ressourcen Modell ist ein Ansatz des Selbstmanagements, das die Stärken in den Blick nimmt. Es erschließt persönliche Entwicklungskräfte und erweitert den eigenen Handlungsspielraum auch in schwierigen Situationen. Dieses Seminar ist ein für den Zertifikatslehrgang zum ZRM®-Trainer anerkannter ZRM®-Grundkurs. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s. S. 34 Ethik und Recht. Globale Herausforderungen im 21. Jahrhundert Jahrestagung 2016 der Societas Ethica 18. bis 21. August 2016, Bad Boll Wann ist Recht gerecht? Am Beginn des 21. Jahrhunderts stellt sich diese Frage in einem globalen Horizont als Frage nach der universellen Geltung der Menschenrechte, transnationalen Regelungen und demokratisch ausgehandelten Rechtssystemen. Gefordert und zu finden ist eine Ethik, die den globalen Gerechtigkeitsansprüchen angemessen ist und als Maßstab weltweiter Regulierungen dienen kann. Bei diesen Themen bedarf es interdisziplinärer ethischer und rechtsphilosophischer Reflexion und Diskussion, die auf der internationalen Jahrestagung der Societas Ethica nachhaltig befördert werden soll. Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst, PD Dr. phil. Dr. theol. Andrea Günter,

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Prof. Dr. theol. habil. hille Haker, Prof. Dr. theol. habil. Arne Manzeschke Infos: Conny Matscheko, s. S. 34

28. bis 29. September 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s. S. 34

Beschleunigung Philosophische Sommerakademie – China 24. bis 27. August 2016, Evangelische Akademie Bad Boll

"Shrinking space of civil society" Zivilgesellschaft in Indien 30. September bis 2. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 34 Serbien: Ein »sicheres Herkunftsland« für Roma? Eine asylpolitische Studienreise auf Flüchtlingswegen 1. bis 9. Oktober 2016, Akademiereise Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst, Dr. Andreas Hoffmann-Richter Infos: Conny Matscheko, s. S. 34

Ausgehend von dem Buch »Beschleunigung« von Hartmut Rosa wollen wir in diesem Seminar der Frage nachgehen, wie die gefühlte Zeitnot, die zum Charakteristikum des modernen Lebens geworden ist, entsteht. Inwieweit kann der Einzelne Möglichkeiten und Freiräume finden, ihr entgegenzuwirken? Auf welche Weise ist »Entschleunigung« möglich, ohne vollständig zum »Aussteiger« zu werden? Für viele, die heute von der Diagnose »Burnout« betroffen sind, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, ist dies eine zentrale Frage. Wir betrachten zur Reflexion dieser Thematik vor allem philosophische Erfahrungen aus China. Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 34 Tagungen ab 10. September in Kurzform Pilze – Von der Küche bis zum Naturschutz 24. bis 25. September 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Andreas Gminder Infos: Romona Böld, s. S. 34 Fundraising macht Schule - Schule macht Fundraising Fundraising für staatliche und private Schulen und Internate

Fachtag Orthodoxie 4. Oktober 2016, Evangelische Akademie Bad Boll Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 34 21. Oktober 2016, Bad Boll Pflege und Gesundheit im ländlichen Raum. Gesundheitspolitische Tagung Tagungsleitung: Dietmar Merz Infos: Romona Böld, s. S. 34 Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden Selbst- und Zeitmanagement im Berufs- und Privatleben 24. bis 26. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dorothee Moser Infos: Romona Böld, s. S. 34 Achtsamkeit in Theorie und Praxis Selbstfürsorge, Stressbewältigung, Burnout-Prophylaxe 28. bis 30. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 34 Aus Schattenseiten Stärke gewinnen Aufbaukurs 1 des Zürcher Ressourcenmodells ZRM® 29. bis 31. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Verena Glatthard Infos: Romona Böld, s. S. 34 SYM 2/2016


Was kommt?

Theologie, Kultur, Religion Religion Today – Wie pluralismusfähig ist der Glaube? Tagung und Ausstellungseröffnung 10. bis 12. Juni 2016, Bad Boll Zur kulturellen Vielfalt unseres Kontinents gehört die große Bandbreite religiöser Bekenntnisse und Gemeinschaften. Ein aktueller Grundlagentext der Evangelischen Kirche in Deutschland macht deutlich, wie sich der christliche Glaube in evangelischer Perspektive zu dieser religiösen Pluralität stellt. Der niederländische Künstler Eddy Seesing porträtiert diese Vielfalt in eindrücklichen Fotografien. Begleitend zur Eröffnung der Ausstellung seiner Arbeiten wird sich die Tagung mit der pluralen Vielfalt von Religion und den Konsequenzen für das Miteinander in Kirche und Gesellschaft befassen. Tagungsleitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Gehring, Dr. Stefan Hermann, Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 Vernissage Religion today Fotoporträtaufnahmen von Eddy Seesing 12. Juni 2016, Bad Boll ›Religion Today‹ ist eine Zeit-Aufnahme des spirituellen Lebens in Europa. Die im Sommer präsentierten 50 fotografischen Porträts des niederländischen Künstlers Eddy Seesing zeigen eindrucksvoll und unvoreingenommen, wie vielfältig die Formen religiösen Lebens auf unserem Kontinent sind. Das Ausstellungsprojekt möchte zur (Wieder) Entdeckung dieser Vielfalt und zu einem tieferen Verständnis jener religiösen Aktivitäten und Gruppen anregen, die zur Stärkung des Zusammenlebens und Zusammenhalts sozialer Strukturen in Europa beitragen können. Tagungsleitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Gehring Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34

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16. Süddeutsche Hospiztage Dasein genügt!? 15. bis 17. Juni 2016, Bad Boll Was bedeutet die Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der Hospizund Palliativversorgung in Deutschland für die Hospizarbeit? Wo steht die Hospizbewegung? Für was steht sie und wohin entwickelt sie sich? Diese Fragen werden mit Expertinnen und Experten für Hospizarbeit erörtert. Tagungsleitung: Dr. Dietmar Merz, Ursula Bröckel, Beate Härer, Sabine Horn, Dr. Thomas König Infos: Nina Hrusa, s. S. 34 The Big Five Klassen und Gruppen in der Schule gekonnt leiten. Ein Trainingstag 18. Juni 2016, Bad Boll Weise wie ein Elefant, wild wie ein Löwe, kraftvoll wie ein Nashorn... Ausgehend von den fünf Tieren der afrikanischen Savanne, erforschen wir, wie wir ihre Fähigkeiten für die eigene Leitungsfunktion in Klassen und Gruppen nutzbar machen können. Wie finde ich einen kompetenten Auftritt? Wie kommuniziere ich Störungen und Grenzen? Wie kommuniziere ich im hierarchischen Umfeld? Ziel ist es, die eigene Leitungspersönlichkeit zu entwickeln und neue Potenziale freizulegen. Wir arbeiten mit Körper, Atem, Stimme, initiatischem Gebärdenspiel® und Cantienica®. Tagungsleitung: Claudia SchmenglerLehnardt, Barbara Meffert, Martina Schockenhoff Infos: Erika Beckert, s. S. 34 Ehrenamt – quo vadis? Tagung mit den Gruppierungen der Landeskirche 15. Juli 2016, Bad Boll Ehrenamtlichkeit spielt eine zunehmend bedeutsamere Rolle in der Zivilgesellschaft, aber auch in der persönlichen Biografie. Zugleich sind die Erwartungen derjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, deutlich gestiegen: Das Projekt soll präzise beschrieben sein, die Aufgabe soll begrenzt sein und gleichwohl ein Höchstmaß an Teilhabe

ermöglichen. Der aktuell veröffentlichte Freiwilligen-Survey 2014 bietet hier hervorragende Einblicke. Wie kann die sich daraus ergebende Herausforderung in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen als Chance wahrgenommen werden? Tagungsleitung: Prof. Dr. Jörg Hübner Infos: Karin Nitsch, s. S. 34 »Meine Räume weiten« Meditatives Tanzen für Frauen 15. bis 17. Juli 2016, Bad Boll Im meditativen Tanz erfahren wir uns eingebunden in die Gemeinschaft der Tanzenden, erleben aber auch, dass wir durch eigene Bewegung und durch den Platz, den wir im Kreis einnehmen, einen ganz persönlichen Teil zum Ganzen beitragen. Wir tanzen nach Melodien aus der internationalen Folkloretradition, nach zeitgenössischer und nach klassischer Musik. Arbeit mit der Stimme, Körperwahrnehmungsübungen, Stille und Gespräch sowie ein Feuer im Garten werden unser Tanzen begleiten. Tagungsleitung: Claudia SchmenglerLehnardt, Barbara Besser Infos: Erika Beckert, s. S. 34 Ferienwoche In BeWEGung sein! In BeWEGung sein! 31. Juli bis 6. August 2016, Bad Boll Ein vielfältiges Programm mit zahlreichen Workshops und inspirierenden Begegnungen ist Garant für eine erfüllte, zugleich entspannte Ferienzeit für Jung und Alt. Kreativität und Bewegung, Spiel und Spiritualität, Kultur und Natur – wir laden Sie ein zu sieben kreativen Urlaubstagen in Bad Boll, die Familien, Paare und Singles verbinden. Tagungsleitung: Sigrid Schöttle, Barbara Wenzlaff Infos: Marion Heller, s. S. 34 Mandolino Brillante Konzert für Mandoline und Klavier 7. August 2016, Bad Boll Vom Conservatorio aus Neapel kommen die hochdekorierten Künstler: Luca Natale (Mandoline) und Lucia Pascarella (Piano). Sie begeistern mit

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Was kommt?

neapolitanischer Mandolinenmusik der Romantik von Carlo Munier (1859-1911), Enrico Marucelli (1873-1901), Giuseppe Silvestri (1841-1921) und Raffaele Calace (1863-1934). Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 Klaus Mann »Mephisto« – Emigration oder Pakt mit dem Teufel? 1. bis 4. September 2016, Bad Boll Überaus politisch hellsichtig und an der Hitlerdiktatur verzweifelnd, schreibt Klaus Mann seinen Roman »Mephisto« 1935/36 beißend polemisch. Er hofft, die Menschen im deutschsprachigen Raum aufrütteln zu können, auch wenn er zu Recht große persönliche Nachteile befürchtet. Wir besprechen in dieser Sommerakademie »Mephisto« als literarischen Text, und den Hauptprotagonisten Hendrik Höfgen als Typus eines Karrieristen schlechthin. Referent ist die Germanistin und Sprachwissenschaftlerin M. A. Dorothea Heller. Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 Richard Wagner: Meistersinger 5. bis 7. September 2016, Bad Boll Richard Wagner taucht in die Kultur der Lutherzeit ein. Es geht um den sozialen Gegensatz von Adel und Bürgertum, Liebesleidenschaft und Familiengründung, innovative und traditionelle Dichtungs- und Musikformen. Die Fragen dieser Sommerakademie lauten: Was ist aktuell? Was ist Zeitgeist Wagners? Wie sind seine antijüdischen Intentionen einzuschätzen? Was ist Mythos, was ist Theologie? Ausschnitte aus traditionellen und modernen Inszenierungen werden kontrastierend gegenüber gestellt. Referent ist der Wagner-Kenner, Philosoph und Germanist Hans-Peter Hagedorn. Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 Einführung in den interreligiösen Dialog mit dem Islam 7. bis 8. September 2016, Bad Boll In Deutschland löst das Zusammenleben

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von Menschen verschiedener Religionen Ängste aus, geschürt durch Krisen und Konflikte. Soll das Zusammenleben nicht scheitern, müssen Christen und Muslime sich um besseres Verstehen bemühen. Interreligiöser Dialog ist längst kein Luxus mehr, sondern unverzichtbar für ein friedliches Zusammenleben in ein und derselben Gesellschaft. Es lohnt sich, Dialogfähigkeit als Kompetenz zu

erwerben. Das Seminar mit Professor Dr. Karl-Josef Kuschel, Tübingen, versteht sich als Einführung in die Grundfragen des Glaubens von Christen und Muslimen auf Grundlage von Bibel und Koran. Tagungsleitung: Claudia Schmengler-Lehnardt Infos: Erika Beckert, s. S. 34 Platons »Nomoi« (»Die Gesetze«) 8. bis 11. September 2016, Bad Boll Auch wenn Sie bisher nicht in der Philosophie zuhause sind: Kommen Sie und erleben Sie, wie viel Freude Ihnen Platon machen wird. Auf der Basis der Kritik des materialistischen Weltbildes entwirft Platon eine theologisch-philosophisch-moralische Wertordnung, die Basis eines stabilen staatlichen Gemeinwesens zur Verwirklichung des Guten sein soll. Dabei holt er die Frauen aus der Beschränkung des Häuslichen in die Verantwortung zur Gestaltung der politischen Ordnung. Referenten sind der Philosoph Hans-Peter Hagedorn und die Philosophin Irene Hausinger. Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34

Hannah Arendt – Das Leben als Gestaltungsauftrag Philosophische Sommerakademie 8. bis 11. September 2016, Bad Boll Nach Hannah Arendt fehlt der Arbeit wie dem technischen Handeln der Raum, sich von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Erst im Dialog kommen Menschen zu sich selbst und gewinnen die Freiheit, selbständig und mit anderen gemeinsam zu handeln. Indem sie anderen etwas verzeihen oder ihnen etwas versprechen, können sie einen Neubeginn wagen. Ausgehend von Arendts Analyse der Lebensformen diskutiert die Sommerakademie die Frage, wie Einseitigkeiten moderner Gesellschaften überwunden werden und Menschen Mut und Kraft zur Auseinandersetzung mit dem finden können, was sie mit sich und anderen entzweit. Tagungsleitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Gehring, Annegret Wolfram Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 Tagungen ab 10. September in Kurzform Vernissage Karl Vollmer Neukonfiguration – Porträts der Reformation 11. September 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Gehring Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 1. Bad Boller Art of Hosting-Training Veränderungen anstoßen in Kirche und Kommune 14. bis 16. September 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Silke Klostermann, s.S. 34 Teatro – Erprobte Methode in schwierigen Klassen und Gruppen Bildung für Flüchtlinge und VABO 21. bis 22. September 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34

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Was kommt?

Von Armstrong zu Ascension – Wie frei ist der Jazz? 23. bis 24. September 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Gehring Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34 Die Produktionsschule Ein Modell für Flüchtlinge aus dem Bildungssystem 10. bis 11. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 34

Wirtschaft, Globalisierung, Nachhaltigkeit NABU Sommerakademie Fortbildungsangebot für ehrenamtlich Engagierte im Naturschutz 2. bis 3. Juli 2016, Bad Boll Fünf Themenbereiche stehen Interessierten zur Wahl: Einführung in die Erarbeitung von naturschutzfachlichen Stellungnahmen; Rechtliche und naturschutzfachliche Grundlagen von Natura 2000-Gebieten an einem Beispiel vor Ort; Verbandsentwicklung: Gewinnung von Aktiven, Gestaltung von Sitzungen, vogelkundliche Führungen; Presse und Öffentlichkeitsarbeit für NABU-Aktive: Grundlagen, NABU-CD, Schreibwerkstatt, Gestaltung von Flyern; Waldnaturschutz: Naturschutz im Wald, Lebensraum Schwarzspechthöhle, Waldfledermäuse, Alt- und Totholzkonzept. Tagungsleitung: Carmen Ketterl, Volker Weiß, Uwe Prietzel Infos: Nina Hrusa, s. S. 34 Bezahlbar wohnen! Erwerbslosentagung Baden-Württemberg 2016 4. bis 6. Juli 2016, Bad Boll Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum trifft besonders Menschen, die wenig Geld haben: von Erwerbslosigkeit und prekärer Beschäftigung Betroffene und Flüchtlinge. Ist die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus die Lösung? SYM 2/2016

Wie kann eine Wohnungspolitik aussehen, die auch Menschen mit geringem Einkommen bessere Chancen auf gute und preisgünstige Wohnungen ermöglicht? Gibt es in Europa gute Beispiele? Tagungsleitung: Karl-Ulrich Gscheidle, Christa ChevalSaur, Klaus Kittler, Thomas Maile, Jendrik Scholz, Franz Schürle, Klaus-Peter Spohn Infos: Petra Randecker, s. S. 34 Nachhaltigkeitsziele der UN – Herausforderungen für die Wirtschaft 16. bis 17. Juli 2016, Bad Boll 17 nachhaltige Entwicklungsziele lösen 2016 die bisherigen UN-Entwicklungsziele ab. Sie verbinden ökonomische, soziale und ökologische Aspekte, u. a. wird es darin um Bildungs-, Umweltund Sozialstandards gehen. Wir fragen, welchen Beitrag die Wirtschaft zur Umsetzung leisten kann. Am Beispiel von Textilunternehmen und Landwirtschaft diskutieren wir die Bedingungen und Anforderungen an nachhaltige Investitionen zur Umsetzung dieser Ziele. Tagungsleitung: Prof. Dr. Jörg Hübner, Prof. Dr. Georg Lämmlin Infos: Karin Nitsch, s. S. 34 Wege zu einer anderen Ökonomie Gelebte Beispiele im Diskurs 29. bis 30. Juli 2016, Bad Boll Die planetarischen Grenzen werden Jahr für Jahr dramatisch überschritten: Daraus ergibt sich dringend Handlungsbedarf. Weltweit und zuerst in den hochindustrialisierten Staaten benötigen wir andere Produktions- und Konsummuster. Ein Mehr an materiellen Gütern ist keine Garantie für mehr Lebensqualität oder Lebenszufriedenheit. Wieviel ist genug? Zusammen mit Initiativen und Gruppen wollen wir fragen: Wie kommen wir mit begrenztem materiellen Konsum aktiv und bewusst zu einem zufriedenen Leben? Welchen Beitrag leisten diese Beispielgeber auf dem Weg zu einer anderen Ökonomie? Tagungsleitung: Romeo Edel, Carmen Ketterl Infos: Dorith Szillat-Poerschke, s. S. 34

Tagungen ab 20. September in Kurzform Ausstieg aus dem Beruf – Aufbruch wohin? 28. September bis 1. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Barbara Wenzlaff, Karl-Ulrich Gscheidle Infos: Heidi Weinmann, s. S. 34 Anders Wirtschaften – Genossenschaften stärken Blumhardt-Tagung 2016 7. bis 9. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Jörg Hübner Infos: Karin Nitsch, s. S. 34 Mittendrin statt außen vor! Tagung für Schwerbehindertenvertretungen in Betrieben, Behörden, Schulen und Kirchen 12. bis 14. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Karl-Ulrich Gscheidle, Christa Engelhardt Infos: Eliane Bueno Dörfer, s.S. 34 Reformation und Unternehmertum 22. Oktober 2016, Bad Boll Tagungsleitung: Karl-Ulrich Gscheidle, Prof. Dr. Jörg Hübner Infos: Petra Randecker, s. S. 34 Gutes Essen, gesunde Landwirtschaft und achtsame Menschen Herausforderungen für Produzenten, Handel, Verbraucher und Politik 28. bis 29. Oktober 2016, Evangelische Akademie Bad Boll Tagungsleitung: Karin Uhlmann, Carmen Ketterl Infos: Eliane Bueno Dörfer, s. S. 34 Gruppencoaching für Führungskräfte 28. Oktober 2016, Evangelische Akademie Bad Boll Tagungsleitung: Susanne Meyder-Nolte Infos: Silke Klostermann, s. S. 34

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Aus der Akademie

Aus der Akademie Neu in der Akademie: Prof. Dr. theol. Georg Lämmlin

Ab 1. September 2016 übernimmt Georg Lämmlin die Aufgabe als Studienleiter im Themenbereich »Wirtschaft, Globalisierung, Nachhaltigkeit« für den Arbeitsschwerpunkt »Wirtschaftsethik, Global Governance und Europa« (Nachfolge von Dr. Dieter Heidtmann). Georg Lämmlin, geboren in Obereggenen, Baden, studierte in Bethel und Heidelberg Evangelische Theologie mit dem Schwerpunkt Sozialethik. Mit einer Arbeit über Schleiermachers Kirchenverständnis wurde er 1991 von der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg promoviert. Von 1991 bis 1996 absolvierte er Lehrvikariat und Probedienst in der Evangelischen Landeskirche in Baden. Von 1996 bis 2002 war er Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Religionspädagogik in Heidelberg und habilitierte sich 2002 dort mit einer homiletischen Arbeit »Über die Lust am Wort und den Widerstand der Schrift« für die Praktische Theologie. Von 2003 bis 2008 war Georg Lämmlin Gemeindepfarrer in Mannheim, von 2008 bis 2011 Leiter des Projekts „Junge evangelische Verantwortungseliten“ in der Evangelischen Akademie Baden. Von Mai 2011 bis August 2016 leitete er das

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Theologische Institut der Universität Mannheim, seit 2014 als außerplanmäßiger Professor für Praktische Theologie. Hier lehrte er neben Religionspädagogik auch Ethik mit dem Schwerpunkt Theologische Wirtschaftsethik. Personale und organisationale Integrität, gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung sowie wirtschaftsethische Bildung bilden den Schwerpunkt seiner Interessen. Die Aufgabe einer »Großen Transformation« zur sozial-ökologischen Wirtschaft spiegelt sich für ihn vor allem in der Frage nach der Entwicklung entsprechender Strukturen und Prozesse von Global Governance sowohl in den Unternehmen wie in den internationalen, insbesondere europäischen, wirtschaftlichen Steuerungsinstitutionen. Die Evangelische Akademie sieht er als Diskursplattform für die unterschiedlichen Akteure in diesem Feld. Dabei ist ihm wichtig, den Menschen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft die evangelische Kirche als einen Raum der Anerkennung und des Respekts zu vermitteln sowie dem sachgerechten wirtschaftsethischen Diskurs Raum in der kirchlichen Kommunikation zu geben. Georg Lämmlin ist mit der Psychoanalytikerin Renate Lämmlin verheiratet, sie haben vier Kinder.

Neu in der Akademie: Albrecht Knoch Zum 1. September wird Albrecht Knoch als Pfarrer im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt mit Sitz in Ulm an der Evangelischen Akademie Bad Boll tätig sein. Er ist Nachfolger von Martin Schwarz, der im Dezember 2015 an die Führungsakademie des Landes BadenWürttemberg gewechselt ist. Knoch ist seit 2011 von Sigmaringen aus als CoDekan in die Leitung des Kirchenbezirks Balingen, insbesondere bei Visitationen und der Begleitung der Pfarrerinnen

und Pfarrer, eingebunden und zugleich als geschäftsführender Pfarrer für die Gestaltung der strukturellen Veränderungsprozesse in der Kirchengemeinde Sigmaringen verantwortlich. Seit seinem Freiwilligendienst mit

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Frankreich ist Albrecht Knoch in der deutsch-französischen Begegnung engagiert, heute als Mitglied der grenzüberschreitenden ökumenischen Fachgruppe der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Nach dem Theologiestudium in Tübingen, Berlin und Paris mit Schwerpunkten in der Geschichte der Laizität, der frühen ökumenischen Bewegung und der Theologie der Ostkirche, war Knoch Vikar in Tübingen. Seither befasst er sich mit der Migrationsthematik, besonders bei der Begleitung und Integration der Russland-Deutschen. In diesem Bereich entwickelte er als Pfarrer in Leutkirch im Allgäu nachhaltige Modelle in Kooperation mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren. Während seiner Zeit als Pfarrer in der französischen lutherischen Kirche in der Region Montbéliard hat Knoch die Herausforderungen kirchlichen Lebens als Minderheit unter den Bedingungen einer strikten Trennung von Staat und Religion kennengelernt und unter diesen Voraussetzungen im Gespräch mit politischen Verantwortlichen die öffentliche Wahrnehmung der Kirche

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Aus der Akademie

befördert. Als Leitmotiv seines kirchlichen Handelns nennt Albrecht Knoch »die spannungsreiche Beziehung von ›Kampf und Kontemplation‹, wie ich es während meines längeren Aufenthalts bei der Communauté de Taizé kennengelernt habe.« Als Pfarrer im KDA möchte er mit dem Team der KDA-Pfarrer und -Pfarrerin insbesondere seine Erfahrungen im Bereich der Migrationsthematik und interkultureller Öffnung sowie in der europäischen Zusammenarbeit der Kirchen einbringen. Albrecht Knoch ist mit der Pädagogin Anna Barbara Schrön verheiratet, sie haben fünf Kinder.

Aus dem treffpunkt 50plus Seminar für Menschen mit geistiger Behinderung Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft wirkt sich in allen Bevölkerungsgruppen aus und eröffnet damit auch neue Angebotsformate. Allerdings sind Menschen mit einer Behinderung bisher kaum im Fokus der Planungen, die die Zeit nach der Erwerbsarbeit betreffen. Aber auch diese Menschen werden alt und haben die gesundheitlichen Ressourcen, ihren Ruhestand selbständig und kreativ zu gestalten. Im Rahmen eines Modellprojekts der Eingliederungshilfe wurde 2010 ein neues Format entwickelt, das zunächst in Stuttgart erprobt wurde. Projektträger waren der Kommunale Versorgungsverband für Jugend und Soziales (KVJS), die Landeshauptstadt Stuttgart, der treffpunkt 50plus, sowie drei Stuttgarter Werkstätten in unterschiedlicher Trägerschaft (Behindertenzentrum Stuttgart, Caritas, Lebenshilfe) sowie die Werkstätten Esslingen-Kirchheim. Die gute Akzeptanz und die positiven Erfahrungen führten dazu, dass das Seminar inzwischen zu den regelmäßigen Angeboten im treffpunkt 50plus gehört. Die Landeshauptstadt Stuttgart unterstützt das Seminar finanziell und ideell

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und die Werkstätten beteiligen sich mit ihren hauptamtlichen Mitarbeiter_innen. Koordination, Organisation und Durchführung liegen beim treffpunkt 50plus.

Das Seminar findet über einen Zeitraum von drei Monaten statt. Zunächst gibt es ein zweitägiges Seminar mit Übernachtung. Dabei lernt sich die Gruppe kennen und wird mit den Methoden der Seminararbeit vertraut gemacht. Die weiteren Termine finden an einem Vormittag im treffpunkt 50plus statt. Der Abschluss des Seminars ist dann in einer Begegnungsstätte für ältere Menschen. Die vielfältigen Angebote werden so durch die Ortswahl mit dem konkreten Kennenlernen einer im Stadtteil verorteten Begegnungsstätte verknüpft und ermutigen dazu, selbständig eine Begegnungsstätte in Wohnortnähe aufzusuchen. Die Inhalte des Seminars orientieren sich an der Fragestellung »Wie gestalte ich meinen Alltag nach Ende meiner Erwerbsarbeit?«. Dazu gehört zunächst die Überlegung »Was bringt mir meine Arbeit? »Hier waren die Antworten vielfältig von« Ich weiß gar nicht, was ich den ganzen Tag sonst machen soll« bis »ich hätte keine Freunde und sozialen Kontakte«. Aber auch die Frage, was einem die Arbeit nimmt, wurde unterschiedlich beantwortet. Da stellte eine Teilnehmerin fest, »Dann kann ich jeden Tag ausschlafen«, oder ein Teilnehmer meinte, »dann habe ich mehr Zeit für meine Freundin«. Einige Teilnehmer_ innen wollen auch Neues ausprobieren, wie z.B. kochen lernen oder den Computer nutzen.

Das Seminar beschäftigt sich ferner mit der körperlichen und geistigen Fitness. Jeder Seminartag beginnt mit einer Aktivierungsübung und die Pausensnacks orientieren sich an einer gesunden vitamin- und ballaststoffreichen Ernährung. Eine Theaterpädagogin animiert zur körperlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich, den eigenen Wünschen und Träumen. Und schließlich werden Ideen für eine aktive Gestaltung des Ruhestands nicht nur gesammelt, sondern es wird konkret ein Plan zur Umsetzung erarbeitet, bei dem Unterstützer_innen benannt und angesprochen werden. Am Ende des Seminars sind die Teilnehmer_innen neugierig auf die Zeit nach der Arbeit und freuen sich auf die Umsetzung ihrer geplanten Aktivitäten. Sie spüren, dass es ein Aufbruch sein kann und nicht nur Abschied von Bekanntem und Bewährtem. Ursula Werner, Studienleiterin treffpunkt 50plus

Flüchtlinge in Tagungen der Akademie Seit über 30 Jahren haben in der Evangelischen Akademie Bad Boll immer wieder Tagungen mit Flüchtlingen und über das Thema Flucht stattgefunden. Die Herausforderungen, die sich durch die neuen Flüchtlingsbewegungen ergeben, werden in der Akademie auch weiterhin auf verschiedenen Ebenen diskutiert und behandelt werden. Das Thema stellt für uns eine Querschnittsaufgabe dar, die in viele Arbeitsbereiche hineinreicht und die sich auch in einem der Schwerpunkte der Akademiearbeit wieder findet: Den Frieden sichern, Migration gestalten: Internationale Zusammenarbeit fördern, zu einer menschlichen Flüchtlingspolitik finden (s.a. S. 22). Ein Bereich soll in der Tradition der Tagungen für Flüchtlingsfrauen weitergeführt werden. Die Akademie will für Flüchtlinge einen geschützten Ort auf Zeit bieten, in dem sie sich begeg-

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Buchtipps, Links, Onlinedokumente

nen und austauschen können. Diese Tagungen bieten praktische Tipps zu rechtlichen Fragen des Asylverfahrens, Informationen zu Ausbildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnen bieten. Die Flüchtlinge haben hier die Möglichkeit, sich zu vernetzen, sie erhalten interkulturelle Trainings und Freizeitangebote. Ergänzend zu den Tagungen für Flüchtlingsfrauen sind Tagungen für junge männliche Flüchtlinge geplant, die mit vielen Anpassungsproblemen in der neuen Umgebung zu kämpfen haben. Tagungen, die dem Austausch zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen an einem dritten Ort dienen, werden weiterhin stattfinden. Sie haben sich als wichtige Ergänzung zu Fortbildungen und anderen Veranstaltungen erwiesen. Ein anderer bedeutsamer Bereich dreht sich um die Asylpolitik, das Asylrecht und um die Analyse von Fluchtursachen. Dazu gehört z.B. auch eine für den Herbst geplante asylpolitische Studienreise auf Flüchtlingswegen nach Serbien mit der Fragestellung nach »dem sicheren Herkunftsland« für Roma. Hauptaugenmerk richtet die Akademie Bad Boll auf grundlegende interkulturelle und interreligiöse Fragen, die sich durch die Flüchtlingsbewegungen stellen: Wie muss sich unsere Gesellschaft verändern, damit sie für Menschen mit unterschiedlichen Traditionen, Religionen und Kulturen zur Heimat werden kann? Welche Herausforderungen kommen auf unser Bildungssystem zu, damit junge Flüchtlinge schnell integriert werden können? Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich durch behinderte Flüchtlinge und Migranten? Welche Ideen und beste Beispiele gibt es auf kommunaler Ebene in der Zusammenarbeit von Verwaltung, Vereinen, sozialen und kirchlichen Organisationen, Firmen und Handwerkern? Die größere religiöse Vielfalt benötigt auch ein Engagement in diesem Feld. Eine Einführung in den interreligiösen Dialog mit dem Islam von Prof. Karl-Josef Kuschel steht im September 2016 auf dem Programm und eine Tagung mit Impulsen für das

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Zusammenleben der Religionen an der Schule ist 2017 geplant.

Buchtipp Hartmut Rosa Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Suhrkamp Verlag, 2016 Es gibt Bücher, die den Nerv der Zeit treffen und das ansprechen, was viele Zeitgenossen spüren, aber nicht in Worte fassen können. Wenn diese Werke die Kraft besitzen, über die Jetzt-Zeit hinauszublicken, dann geht von ihnen eine reinigende Wirkung aus und sie können uneingeschränkt zur Lektüre empfohlen werden. Das jüngste Buch des Soziologen Hartmut Rosa gehört zu solchen Büchern. Der Autor ist Direktor des Max-WeberKollegs in Erfurt, Sprecher des Sonderforschungsbereichs »Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung (Postwachstumsgesellschaft)« und lehrt in Jena. Mit seinem Buch hat er eine umfassende und überzeugende Analyse der Spätmoderne vorgelegt. Die Weltgesellschaft befinde sich, so führt er aus, in einem umfassenden Krisenmodus, wobei es sich im Wesentlichen um eine »Krise der Weltbeziehung« handle: »Institutionell erweisen sich die zentralen Krisentendenzen der globalisierten Moderne als Konsequenz und Ausdruck einer Krise dynamischer Stabilisierung. Die eskalatorische Steigerungslogik stößt an ihre psychischen, politischen und planetaren Grenzen. […] Das institutionelle Grundproblem dynamischer Stabilisierung besteht darin, dass der Energieaufwand zu ihrer operativen Aufrechterhaltung von Jahr zu Jahr größer wird: Je höher die Prozessgeschwindigkeiten werden, je gewaltiger das Wirtschaftsvolumen und je größer die Innovationsraten, umso schwieriger wird es, sie noch einmal und ein weiteres Mal zu steigern« (S. 707). Die spätmoderne Gesellschaft befindet sich also in einer Sackgasse: Sie spürt die Grenzen ihrer Beschleunigungs-

dynamik, kann dieser Gefangenschaft jedoch nicht entkommen, weil sie sich und ihre Existenz damit aufs Spiel setzt. Das Gegenteil von Beschleunigung als einem Signum unserer Gegenwart kann aber auch nicht die »Entschleunigung« sein, da ansonsten das gemeinsame Leben als solches gefährdet wäre. Der Beschleunigung setzt Rosa die Resonanz entgegen: In einer resonanten Weltbeziehung antworten Subjekt und Welt aufeinander. Es kommt zu einer »Anverwandlung«, nicht zu einer Beherrschung der Welt. Die Fülle an überzeugenden Beobachtungen zu alltäglichen, resonanten Beziehungsfeldern kann hier nicht aufgezählt werden. Rosa sieht den Menschen dann in einer resonanten Beziehung, wenn sich die drei Resonanzachsen der Horizontalen (Familie, Freundschaft), der Diagonalen (Arbeit, Bildung) und der Vertikalen (Religion, Natur, Kunst) in einem Gleichgewicht befinden. Er ist sich darüber im Klaren, dass ein derartiger Paradigmenwechsel jenseits der Steigerungslogik umfassende institutionelle Reformen notwendig macht: Elemente einer Wirtschaftsdemokratie wie Grundeinkommen, genossenschaftliche Strukturen oder Elemente einer Share Economy gehören hinzu. Eine Resonanztheorie könne die eher diffusen und nirgends ausformulierten Hoffnungen »auf eine pazifizierte, mimetische, auratische, spontane, charismatische oder erotische Form der Weltbeziehung auf den Begriff bringen [...]. Dabei geht es [...] um einen Richtungswechsel der motivationalen Energien, die uns zur Welt und zum Leben in Beziehung setzen« (S. 736). Wo Anknüpfungspunkte politischer und zivilgesellschaftlicher Art für einen Richtungswechsel zu finden sind, deutet Rosa nur an. Ein Handlungskonzept bietet dieses Buch nicht. Dies ist nicht eine Schwäche, sondern eine Stärke dieses charismatisch geschriebenen Buches: Es bringt das eigene Denken und Handeln in eine neue Spur.

Jörg Hübner

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Aus der Akademie

Publikationen Halbjahresprogramm 2/2016 im neuen Gewand Ende Mai erscheint die aktuelle Ausgabe des Halbjahresprogramm 2/2016 in neuem vierfarbigen Design. Übersichtlich und modern gestaltet, präsentiert die Akademie darin über 60 Tagungen zu verschiedenen, aktuellen Themen: Zur Menschenrechtssituation im Nahen Osten, zu Fragen der Nachhaltigkeit und der Globalisierung, zu Migration und Integration, zur Pflege und Gesundheit im Ländlichen Raum, zum Interreligiösen Dialog und zum genossenschaftlichen Wirtschaften: www.ev-akademie-boll.de/ programme. Bestellungen bei Reinhard Becker – Kontakt siehe unten. Neuauflage Albrecht Esche: Reich Gottes in Bad Boll Religion, Kultur und Politik bei Johann Christoph Blumhardt und Christoph Blumhardt Das Buch wurde erstmals 2005 veröffentlicht und hat sich bald zu einem Akademie-Bestseller entwickelt. Aus diesem Grund hat Albrecht Esche nun die vierte Auflage inhaltlich überarbeitet und erweitert und reichhaltiger (zum Teil mit farbigen Bildern) illustriert. Auch das äußere Erscheinungsbild ist neu. Zum Preis von 10,00 € zu bestellen bei: Reinhard Becker, Tel. 07164 79-302, reinhard.becker@ev-akademie-boll.de Partizipative Demokratie in BadenWürttemberg Ein 31-seitiger Ergebnisbericht einer Tagung vom 9.-10.11.2015 in Bad Boll mit dem Titel »Die Zukunft der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg« kann hier gelesen werden. http://bit.ly/23B1Wx1

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Verlosung

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 13. Jahrgang, Heft 2/2016 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Dr. Jörg Hübner) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion:  Martina Waiblinger

Kursbuch Bürgerbeteiligung Hrsg. Jörg Sommer Deutsche Umweltstiftung, Berlin 2015, www.kursbuch.info Das Kursbuch Bürgerbeteiligung vereint Beiträge renommierter Wissenschaftler und erfahrener Akteure, es bietet einen umfassenden Überblick über den Stand der Bürgerbeteiligung in Deutschland und lotet deren Perspektiven aus. Viele Beispiele werden vorgestellt und bewertet. Ergänzt wird es durch ein umfangreiches Adressverzeichnis sowie einen Katalog der wichtigsten Methoden und Bausteine gelingender Bürgerbeteiligung. Es ist damit eine hervorragende Grundlage für die konkrete Planung von Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen. Wir verlosen drei Bücher. Machen Sie mit und schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir sammeln bis 17. Juni. Dann entscheidet das Los und Sie werden benachrichtigt.

Fotonachweis: Bundesarchiv, Bild 101I-779-0003-22/Segers (Seegers) / CC-BY-SA: S. 5; Giancinto Carlucci: S. 21 (1), S. 23 (1); Christa Engelhardt: S. 35; Fotolia/iMate: S. 25; Fotolia/greg13_112: S. 34; Werner Freirer (1): S. 20; Omar Gómez: S. 13 (1); Wolfram Keppler: S. 14, 15; picture alliance / AP Photo (1), S. 13; picture alliance/ Mary Evans Picture Library: S. 6; Privat: S. 15, 28, 30; Maike Salazar: S. 26; Mauricio Salazar: S. 4, 18-19; Britt Schilling (1): S. 13; Wolbert G. C. Smidt: S. 8-12; Martina Waiblinger, S. 12, 20 (1), 21 (1), 23 (1); Ursula Werner: S. 31; WZ: Seite 16 SYM erscheint vierteljährlich. Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach Konzeption & Layout: Werbeatelier Waiblinger, 72070 Tübingen

Mails, Postkarten oder Briefe an: Redaktion SYM Akademieweg 11, 73087 Bad Boll martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de

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Sekretariate / Rezept

Sekretariate: Kontakte Gabriele Barnhill Tel. 07164 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de Erika Beckert Tel. 07164 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de Romona Böld Tel. 07164 79-347, Fax 79-5347 romona.boeld@ev-akademie-boll.de Eliane Bueno Dörfer Tel. 0731 1538-571, Fax 1538-572 eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de Marion Heller Tel. 07164 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de Susanne Heinzmann Tel. 07164 79-217, Fax 79-5217 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de Nina Hrusa Tel. 07164 79-342, Fax 07164 79-5342 nina.hrusa@ev-akademie-boll.de Silke Klostermann Tel. 07164 79-225, Fax 79-5225 silke.klostermann@ev-akademie-boll.de Conny Matscheko Tel. 07164 79-232, Fax 79-5232 conny.matscheko@ev-akademie-boll.de Karin Nitsch Tel. 07164 79-206, Fax 07164 79-5206 karin.nitsch@ev-akademie-boll.de Petra Randecker Tel. 07121 161771, Fax 07121 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de Dorith Szillat-Poerschke Tel. 0711 229363-261, Fax 0711 229363-262 dorith.szillat-poerschke@ev-akademie-boll.de Andrea Titzmann Tel. 07164 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de Karin Walz Tel. 07164 79-402, Fax 79-5402 karin.walz@ev-akademie-boll.de Heidi Weinmann Tel. 0711 351459-30, Fax 351459-55 heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de Heidi Weiser Tel. 07164 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de

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Ricottacreme mit Erdbeeren Für vier Personen 200 g Ricotta 150 g Mascarpone 1 TL Zitronensaft 1 Messerspitze Zitronenabrieb 1 EL Vanillezucker 250-500 g Erdbeeren Puderzucker nach Belieben Minze oder Zitronenmelisse Ricotta und Mascarpone mit Zitronensaft und – abrieb und Vanillezucker cremig verrühren, Creme in Gläschen oder Schalen spritzen und kühlen. Erdbeeren behutsam waschen, Stielansatz entfernen, und der Länge nach halbieren. Mit Puderzucker bestäuben und 30 Minuten ziehen lassen. Dann über die Ricottacreme verteilen. Mit Minze oder Zitronenmelisse garnieren. Wer gerne Alkohol mag, kann die Erdbeeren zusätzlich mit Maraschino marinieren. Guten Appetit! Marianne Becker

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Meditation

Wunder anders sehen Von Christa Engelhardt Die Bibel ist voll von Wundergeschichten. Oft werden diese bei Veranstaltungen mit Teilnehmenden mit Handicaps zitiert. Ein blinder Teilnehmer bemerkte dazu: »Ich komme mir ganz komisch vor, wenn ich diese Geschichten höre, an deren Ende der Satz steht ›Dein Glaube hat Dir geholfen‹. Daraus kann ich nur schlussfolgern, dass ich nicht genug glaube. Denn obwohl ich glaube, hat mir mein Glaube noch nie geholfen. Ich bin noch immer blind.« Ich habe darüber nachgedacht, ob wir die Wundergeschichten nicht ganz anders sehen und kommunizieren sollten. Es mögen gelegentlich außergewöhnliche Dinge geschehen, die nach dem Eingreifen übernatürlicher Mächte aussehen. Aber sie sind nicht ausschlaggebend. Im Gegenteil, – für Menschen mit Behinderung können sie den Glauben infrage stellen. Sie fragen sich: Warum bleiben die Wunder aus, warum bleibe ich blind? Der Theologe Fulbert Steffensky sagt dazu: »Meine Wunderkritik kommt aus der Mitte des christlichen Gottesbildes. An Christus, den wir den Abglanz Gottes nennen, sind keine Zeichen geschehen. Er wurde nicht bewahrt vor den Schmerzen des Lebens. Ihn hat kein Gott vor der Folter und dem erbärmlichen Tod am Kreuz gerettet. Wenn ich ihn und sein Schicksal sehe, fange ich an, Wundern zu misstrauen. Es mag sein, dass gelegentlich ein Naturgesetz durchbrochen wird und ein Mensch Gesundheit auf geheimnisvolle Weise erlangt. Viel öfter aber bleiben die Wunder aus … Viel mehr interessiert mich der wunderlose Glaube, der es fertig bringt, sich durch die Wüsten des Alltags zu schleppen und doch die Hoffnung nicht aufgibt, dass das Leben nicht in Abgründe stürzt.« In diesen Tiefen, in schmerzhaften und mühsamen Prozessen können Energien und kreative Möglichkeiten erwachsen, das Leben ganz neu in die Hand zu nehmen. Auch Scheitern ist eine Option – Erfolg ist keiner der Namen Gottes. Auch die Mystiker erinnern uns an das Paradoxon, dass das Süße oft aus dem Bitteren erwächst. Ich meine: Wunder ist, was wir als Wunder wahrnehmen. Vielleicht gibt es für herausragende Ereignisse in unserem Leben keine bessere Bezeichnung als dieses Wort: Intensive Erfahrungen und Verdichtungen unserer Existenz, in denen wir das Leben als stimmig erfahren. Es sind Begegnungen, SYM 2/2016

Erfahrungen der Liebe, der Sexualität, des Gelingens eines Werks, der Heilung, der Schönheit der Natur, der Musik. Es sind Zeiten, in denen wir ungeteilt Ja zum Leben sagen können. Kleine Auferstehungen und Wunder mitten im Leben. Solche Zeiten wirken in der Tat Wunder. Sie heilen den Geist, die Seele und sicher auch den Leib. Vielleicht sollten wir uns von den Mirakelwünschen befreien, damit die Fähigkeit des Staunens im Alltag wachsen kann. Dass eine Liebe gelingt, eine Freundschaft besteht, – dass wir wieder atmen und schlafen können nach Todesnächten. Dann besteht das Wunder nicht darin, dass ein Blinder wieder sieht, sondern dass es

möglich ist, anders zu sehen. Dann können wir verstehen, dass Blindheit nicht unbedingt eine Behinderung sein muss. So erklärt Sabriye Tenberken, blinde Tibetologin und Theologin, die die Brailleschrift in Tibet eingeführt hat, es sei ein Vorteil, erblindet zu sein. Sie könne sich dadurch zum Beispiel besser fokussieren und konzentrieren. Dann können aus dem Leid und der Behinderung kleine große Wunder des Alltags erwachsen, von Begegnung und Erkenntnis, von Eigenständigkeit und Teilhabe am Leben, von Engagement und Lebensfreude. Dann können wir mit Hilde Domin sagen: »Nicht müde werden, sondern dem Wunder, leise wie einem Vogel, die Hand hinhalten.« Christa Engelhardt ist Studienleiterin im Arbeitsbereich Lebensformen, Diversity und Soziales. Siehe auch Beitrag S. 12-13.

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Abs. Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll – Postvertriebsstück 64670 – Entgelt bezahlt

Teilhabe für alle »Es ist normal, verschieden zu sein.« Mit diesem Satz spricht sich Richard von Weizsäcker für die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt aus. Das bedeutet auch die Einbeziehung von Behinderung als eine Form von Verschiedenheit. Mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die 2009 von der BRD ratifiziert wurde, wird Inklusion als Menschenrecht deklariert. Dies setzt eine Gesellschaft voraus, in der niemand ausgeschlossen wird. Die Konvention hat auch die Tagungsarbeit in der Evangelischen Akademie verändert. Zwar finden hier schon seit 2002 Tagungen statt, in denen es um die Belange der Werkstatträte geht und die Verantwortung für die soziale Integration von Menschen mit Behinderungen – die Tagungsarbeit hat dadurch weitere Dimensionen erhalten. Studienleiterin Christa Engelhardt ist seit 2010 für diesen Bereich verantwortlich. Es geht um Teilhabeprozesse, um barrierefreies Wohnen, um Migrant_innen mit Behinderungen, um »leichte« Sprache und den Abbau von Vorurteilen in der Gesellschaft. Die Fotos sind aus den Tagungen, die kürzlich in Kooperation mit der Diakonie stattgefunden haben. Fotos: Wolfram Keppler und Christa Engelhardt (s. a. S. 14-15, 35)


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