SYM 3-2011

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ISSN 1613-3714

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Einzelpreis € 3.-

Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

Schwerpunktthema Horizonte des Religiösen Zeit zu handeln. Das KairosPalästina-Dokument Gewaltfreier Widerstand: Interview mit Abdallah Abu Rahma Lamya Kaddor eine muslimische Powerfrau Missbrauchsopfer bleibt man ein Leben lang Tagungsvorschau Chancen für eine neue Flüchtlingspolitik Solidarisch wirtschaften. Eine andere Ökonomie ist möglich Ethik der Nachrichtendienste in der Demokratie Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service

Horizonte des Religiösen September

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2011


inhalt

aktuell ...

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Wiederbesetzung von vakanten Stellen in der Evangelischen Akademie Bad Boll Ethik-Preis der Wirtschaftsgilde 2012 Zum Tod von Angelika Wetzel Neue Fahrräder in der Akademie

Rückblende

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Rückblick auf vergangene Tagungen sowie Links zu interessanten Beiträgen

Missbrauchsopfer bleibt man ein Leben lang

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Onlinedokumente

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Was kommt ...

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Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 9. September bis 31. Dezember 2011

Die Künstlerin Gabriela Oberkofler: Buggelkraxen, 2010, Installation unterwegs

Ausstellung

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Aus der Akademie

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Publikationen

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Impressum

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Meditation

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Geheimnis-Installation. Bad Boller Bußtag der Künste mit der Künstlerin Gabriela Oberkofler

Schwerpunkt: Horizonte des Religiösen Zeit zu handeln. Das Kairos-Palästina-Dokument Investitionen in Bildungsarbeit statt Boykott. Stellungnahme aus dem christlich-jüdischen Dialog Widerstand – gewaltfrei, kreativ, erfolgreich. Interview mit dem Aktivisten Abdallah Abu Rahma Ökologische Spiritualität Zur Aktualität des chinesischen Philosophen Menzius Lamya Kaddor – eine muslimische Powerfrau

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Titelbild Graffiti des britischen Straßenkünstlers Banksy auf der Mauer, durch die Israel die palästinensischen Gebiete abgetrennt hat. Fotograf: Marco Di Lauro, Getty Images SYM 3/2011


editorial

Liebe Leserin, Lieber Leser, Religion wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus – so eine Untersuchung, die 2008 im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung gemacht wurde. Mehr oder weniger stark beeinflussen religiöse Prägungen das Alltagshandeln der Menschen, sie wirken sich auf die Erziehung, Partnerschaft, Arbeit, politische Einstellung, das Freizeitverhalten und den Umgang mit der Natur aus. Besonders offensichtlich werden religiöse Fragestellungen an den Grenzen des Lebens, in Krisensituationen und bei wichtigen Lebensereignissen wie Geburt, Heirat oder Tod. Ferner zeigt der Bertelsmann-Religionsmonitor, dass Religion nicht an kirchliches Engagement gebunden ist. Das Religiöse hat einen weiten Horizont und viele Dimensionen. Einige greifen wir in der vorliegenden Ausgabe von SYM auf. »Die Stunde der Wahrheit – Ein Wort des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung« haben palästinensische Christinnen und Christen das Kairos-Dokument überschrieben. Dieser Aufruf hat eine heftige Debatte über die theologischen Prämissen und die politischen Folgerungen ausgelöst. Wir zeichnen Grundlinien der Argumentationen und Kontroversen nach in der Überzeugung, dass der Aufschrei »aus der Mitte des Leidens der Palästinenser und Palästinenserinnen« andere Christinnen und Christen zum Mitleiden (1. Kor 12) herausfordert. In die Nachhaltigkeitsdebatte sind schöpfungstheologische Aussagen eingeflossen. Das urprotestantische Prinzip der Verantwortung für die Welt verändert den Umgang mit der Natur. Auch dazu lesen Sie in dieser Ausgabe. In der Nachhaltigkeitsdebatte geht es aber auch um Ökonomie und Soziales, und in allen Bereichen ist verantwortliches Handeln gefragt. Auf der Tagung, die wir in Zusammenarbeit mit IKETH (Interreligiöse Konferenz Europäischer Theologinnen) durchgeführt haben, ging es um die Bewertung von Fremdenhass und Islamfeindlichkeit im interreligiösen Kontext. Sie lesen dazu ein Porträt über die Muslimin Lamya Kaddor. Religiöse Fragestellungen und spirituelle Suche sind in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft erkennbar, auch wenn dies nicht immer so benannt wird. Theologische Orientierung ist gefragt, im Tillich’schen Sinne als Orientierung an dem, was uns unbedingt angeht. Wir erleben es in der Tagungsarbeit, wenn explizit theologische Themen aufgegriffen werden, wir erleben es in den Pausen- und Abendgesprächen, wenn Lebensthemen und Sinnfragen gestellt werden. Religion hat viele Dimensionen – und für alle Bereiche des menschlichen Lebens gilt der kräftige Zuspruch und Anspruch des Evangeliums (vgl. Barmer Theologische Erklärung) zur Freiheit der Kinder Gottes (Röm 8). Wir laden Sie dazu ein: Suchende und Begeisterte, Fragende und Hoffende, Zweifelnde und Überzeugte. Wir freuen uns, wenn Sie mit uns gemeinsam Dimensionen des Religiösen entdecken und Horizonte weiten!

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor SYM 3/2011

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aktuell Wiederbesetzungen von vakanten Stellen

In Memoriam Angelika Wetzel

Vier frei gewordene Studienleitenden-Stellen werden in den kommenden Monaten in der Evangelischen Akademie Bad Boll wieder besetzt:

Bis 2009 hat die Künstlerin an den Vorbereitungen des alljährlich stattfindenden Boller Bußtags der Künste wesentlich mitgewirkt. G. Angelika Wetzel verstarb am 5. August in Stuttgart im Alter von 77 Jahren.

- Je eine Wirtschafts- und SozialpfarrerInnenstelle beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt in der Prälatur Reutlingen und in der Prälatur Heilbronn. Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) ist ein Fachdienst der Evangelischen Landeskirche und in den Regionen Heilbronn, Reutlingen, Stuttgart und Ulm angesiedelt. Die KDA-PfarrerInnen arbeiten an der Schnittstelle Kirche und Wirtschaft. - Zwei Angestelltenstellen in der Evangelischen Akademie Bad Boll: eine mit dem Schwerpunkt »Nachhaltigkeit, Umwelt, Technologie«, eine zu den Themen »Friedenspolitik, Internationale Krisen- und Konfliktbearbeitung«. Die Evangelische Akademie erhofft sich von den Wiederbesetzungen und Neueinstellungen Impulse für die gesellschaftspolitische Arbeit der Kirche. Informationen zu den Stellen gibt der Geschäftsführende Direktor Joachim L. Beck. Weitere Informationen sind auch unter www.ev-akademie-boll.de zu finden.

Drei neue Fahrräder in der Akademie Die Evangelische Akademie Bad Boll hat für ihre Gäste neue Fahrräder angeschafft. Die alten Fahrräder waren fünfzehn Jahre alt und nur mit einer 3-Gang TorpedoSchaltung ausgestattet. Manche Gäste hatten sich über diese alten Modelle beschwert.

Der Kontakt zur Bildhauerin G. Angelika Wetzel begann 1999 am 2. Boller Bußtag der Künste mit einer großen Ausstellung zu »Skulptur und Zeichnung. Das Ei. Form und Gegenform. Immanenz und Wandlung« vertreten war. Sie belegte den Altartisch der Kapelle mit einer großen Eiform und provozierte so Diskussionen über Schöpfungssymbole wie über Gestaltungsmöglichkeiten eines Andachtsraumes. Dass darüber hinaus auf sieben Stühlen weitere Platz füllende Gipseier lagen, erheiterte und irritierte die Besucher zusätzlich. In einem Gruppenraum lag eine Installation auf dem Fußboden, die die Entwicklung vom Ei zum Horn thematisierte, auf die Polaritäten alles Lebendigen Bezug nehmend, darin Weibliches und Männliches reflektierend, auch Irdisches und Himmlisches ansprechend, Leben und Tod. Damit traf sie die wesentliche Intention von Kunst in der Akademie, kopflastige Diskursforen mittels ästhetischer Anschauung zu erweitern. Neben vier Arbeiten für die Sammlung Evangelische Akademie Bad Boll, die in Gästezimmern des Südflügels hängen, sind im Kaminzimmer zwei Zeichnungen zu sehen, in denen sie die Lichtverhältnisse der Kapelle im Juli 1999 festhält, als sie ihre Ausstellung mit großer Sorgfalt vorbereitete.

Ethik-Preis der Wirtschaftsgilde 2012 Die Wirtschaftsgilde e. V. vergibt im Jahr 2012 zum dritten Mal ihren Ethik-Preis. Dieser wird als »Preis der Wirtschaftsgilde für Wirtschaftsethik und Sozialgestaltung« alle zwei Jahre vergeben und ist mit 3.500 Euro dotiert. Damit wird die Arbeit junger Wissenschaftler oder junger Wissenschaftlerinnen ausgezeichnet, die sich praxisorientiert mit Aspekten wirtschaftsethischen Handelns bei der Führung eines Unternehmens befassen. Die Preisverleihung erfolgt im Juli 2012 anlässlich der traditionellen Jahrestagung der Wirtschaftsgilde in Bad Boll. Die Bewerbung erfolgt online über die Website der Wirtschaftsgilde (www.wirtschaftsgilde.de).

Studienleiterin Viktoria Pum testet eines der neuen Räder.

Jetzt gibt es drei neue, moderne Fahrräder für Gäste, die gerne die Umgebung der Akademie auskundschaften oder ins Dorf fahren wollen. Es handelt sich um Fahrräder mit tiefem Einstieg und einer 8-Gang-Nabenschaltung. Am Empfang kann man die Räder ausleihen.

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Die Wirtschaftsgilde wurde 1948 an der Evangelische Akademie Bad Boll im Bemühen um eine ethische Fundierung wirtschaftlichen Handelns in christlicher Verantwortung gegründet. Sie ist eine Vereinigung von Personen, die leitende Aufgaben in der Wirtschaft wahrnehmen oder in anderer gesellschaftlicher Verantwortung stehen.

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rückblende Altbischof Klein aus Siebenbürgen zu Besuch in der Akademie Christoph Klein, lutherischer Bischof i.R. aus Siebenbürgen, hielt sich im Mai mit seiner Frau einige Zeit in der Evangelischen Akademie auf. Er war

Zum Abschied schenkte Altbischof Klein der Akademiebibliothek das von ihm verfasste Buch »Kirchen der Stadt – Stadt der Kirchen«.

von 1990 bis 2010 Bischof der Evangelischen Kirche in Rumänien. Im kleinen Kreis gab er einigen Studienleitenden aktuelle Informationen über die gegenwärtige Lage der Evangelischen Kirche in Rumänien. Diese ist eine evangelisch-lutherische Diasporakirche von mittlerweile nur noch rund 14.000 Mitgliedern, welche vornehmlich die deutschsprachigen Evangelischen in Siebenbürgen und in der Hauptstadt Bukarest umfasst. 1990 waren 90 Prozent der Siebenbürger Sachsen abgewandert, was die Kirche vor große Herausforderungen stellte. Klein berichtete vom notwendigen und gelungenen Umbau einer traditionsbewussten Volkskirche in eine engagierte Minderheitenkirche. »Christen werden nicht gezählt, sondern gewogen«, meinte er. Heute betreuen etwa vierzig Pfarrer die verbliebenen und wieder zugezogenen Gemeindeglieder. Sie arbeiten ökumenisch mit der ungarischsprachigen reformierten und der weitaus größeren rumänischorthodoxen Kirche zusammen. Dank ihrer Verbindungen zur EKD unterhalten sie große diakonische Projekte

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und eigene Schulen. Gesellschaftliche Probleme bearbeiten sie erfolgreich in der Evangelischen Akademie Hermannstadt. Die dortige Kirchengemeinde wächst inzwischen sogar wieder. Zu ihr gehören heute 1350 Gemeindeglieder. Fünf Religionslehrer erteilen etwa tausend Schülern Religionsunterricht. Neben der Evangelischen Theologischen Fakultät ist das Ökumenische Institut, das seine Arbeit in der Tradition der Charta Oecumenica versteht, besonders wichtig. Wenig bekannt ist, dass es in Siebenbürgen als erstem Land Europas bereits 1568 ein Gesetz über die freie Ausübung der Religion gab. Das galt sogar für die Unitarier, die anderswo blutig verfolgt wurden. Nicht zufällig war Hermannstadt/Sibiu 2007 Gastgeber der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung. Die diesjährige 56. Jahresversammlung der Europäischen Akademien (Oikosnet Europe) wird im September im »Haus der Hoffnung« in Kronstadt/Brasov stattfinden. Das Thema lautet: »Moving Forward Together – New Directions«. Wolfgang Wagner

Sicherungsverwahrung: gelungene Resozialisierung ist der beste Opferschutz Rund 100 Bewährungshelfer, Sozialarbeiterinnen und Juristen diskutierten bei der Tagung »Sicherungsverwahrung und Führungsaufsicht« am 18./19. Juli in der Evangelischen Akademie Bad Boll, wie eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung aussehen kann. Diese Maßnahme verhängen Gerichte gegen Straftäter, die sie auch nach Ende der Haft für gefährlich halten. In Baden-Württemberg sind derzeit 68 Täter in Sicherungsverwahrung. Klaus Pflieger, Vorsitzender des Verbands Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg und Generalstaatsanwalt sagte zum Abschluss der Tagung: »Der Schutz der Bürger vor Straftaten hat einen hohen Stellenwert. Doch der beste Opferschutz ist eine erfolgreiche Resozialisierung der Täter. Deshalb braucht es hier zusätz-

Der neue Justizminister Rainer Stickelberger (li.), SPD, und sein Vorgänger, Prof. Ulrich Goll, FDP, diskutierten auf dem Podium über die Sicherheitsverwahrung.

liche Ressourcen und Konzepte, damit alle Beteiligten während und nach der Sicherungsverwahrung koordiniert zusammenarbeiten«. Am Vorabend hatte Landesjustizminister Rainer Stickelberger (SPD) bei einer Podiumsdiskussion zugesagt, neue Stellen in Haftanstalten in Freiburg und Bruchsal zu schaffen. »Wir werden im Haushalt 2012 Mittel für 16 zusätzliche Stellen für Sozialarbeiter und Therapeuten beantragen. Wenn wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen wollen, gibt es dazu keine Alternative«, sagte Stickelberger. Das Bundesverfassungsgericht hatte die geltende Praxis der Sicherungsverwahrung im Frühjahr als verfassungswidrig abgelehnt und die Politik verpflichtet, bis 2013 unter anderem für mehr Betreuung und Therapie der Sicherungsverwahrten zu sorgen. Der ehemalige Landesjustizminister Prof. Ulrich Goll (FDP) betonte, auch nach dem Urteilsspruch aus Karlsruhe blieben Fragen offen. »Unser Rechtssystem lebt auch von der Akzeptanz der Bürger. Und nichts verstehen die Menschen weniger, als wenn wir jemanden freilassen, der anschließend wieder eine Straftat begeht«, sagte Goll, unter dessen Ägide die vom Bundesverfassungsgericht gekippte nachträgliche Sicherungsverwahrung entstand. Letzte Sicherheit, ob ein Mensch nach Haft und Sicherungsverwahrung wieder eine schwere Straftat begeht, gibt es nicht. Das unterstrichen bei der Tagung alle Experten, darunter der

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rückblende Aufgelesen in der Badischen Zeitung am 13. Juli

Abzug aus Afghanistan: Bedingung für Frieden?

»Ausgeladen«

Afghanische Diplomatie, Exil- und Friedensbewegung diskutierten in der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 1.-3 Juli über die Zukunft Afghanistans. Abed Nadjib, Botschaftsrat Afghanistans sagte, dass das Land noch nicht bereit für einen sofortigen Abzug aller internationalen Truppen sei. Solange die Lage in Afghanistan nicht stabil sei, habe die gesamte Welt ein Sicherheitsproblem. »In Afghanistan geht es auch um die Sicherheit in Europa, Amerika und Asien«, so der Diplomat. Der Politikwissenschaftler und Afghanistan-Experte Dr. Matin Baraki forderte dagegen einen sofortigen Abzug aller ausländischen Kampftruppen. »Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert. Das Konzept der amtierenden afghanischen Administration, auch mittelfristig auf die Unterstützung ausländischer Kräfte zu setzen, ist gescheitert«, sagte der gebürtige Afghane, der heute in Deutschland lebt. Der Kampf der NATO-Truppen fordere immer wieder zivile Opfer. »So lange die NATO in Afghanistan Familienfeiern bombardiert auf den bloßen Verdacht hin, dort könnten Widerstandskämpfer am Tisch sitzen, so lange es willkürliche Hausdurchsuchungen und Erschießungen gibt, so lange wird der Widerstand nicht enden«, sagte Baraki. Nach dem Abzug der NATO-Truppen könnten Peacekeeping-Kräfte aus islamisch geprägten Staaten einen noch auszuhandelnden Waffenstillstand überwachen. Über die Ursachen und die internationale Dimension von Terrorismus sagte Golalei Safi Nur, eine afghanische Parlamentarierin: »Terrorismus ist ein internationales Problem, kein afghanisches.«

Michael S. (Name geändert) war wegen der Vergewaltigung von zwei Anhalterinnen 1985 vom Landgericht Stuttgart verurteilt worden. Fünf Jahre saß er daraufhin in Haft, 21 Jahre in Sicherungsverwahrung. Er wurde erst im September 2010 entlassen, weil der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte die rückwirkende Verlängerung der Verwahrung für unzulässig hielt. Seitdem lebt der heute 52-Jährige in Freiburg und wird rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Auf Vorschlag seines Bewährungshelfers Peter Asprion wurde S. nach Bad Boll zu der Tagung über Sicherungsverwahrung eingeladen. S. sollte ein Impulsreferat aus der Sicht eines Betroffenen halten. Doch schon im März lud ihn die Evangelische Akademie wieder aus. Einer der Mitveranstalter, der »Verband Bewährungsund Straffälligenhilfe Württemberg«, habe darum gebeten. Auf Nachfrage nannte Klaus Pflieger, Vorsitzender des Verbands und Generalsstaatsanwalt von Stuttgart, der BZ den Grund für sein Veto: »Die Rundum-die-Uhr-Überwachung in Freiburg ist nur ein Übergangsphänomen und nicht das eigentliche Thema.« Die Zukunft der Sicherungsverwahrung hätte bei »so einem Auftritt am Rande des Show-Effekts« in den Hintergrund geraten können. Allerdings wäre S. nach 21 Jahren Sicherungsverwahrung auch für grundlegende Reformfragen durchaus ein Gesprächspartner gewesen. Pflieger nennt deshalb noch einen weiteren Grund: »Die Freiburger Polizei hat sich an mich gewandt und protestiert. Sie habe genug Sorgen und sehe es nicht ein, auch noch nach Bad Boll zu fahren, um einen solchen Auftritt zu ermöglichen.« Der Evangelischen Akademie Bad Boll ist die Ausladung peinlich. Denn dort will man durchaus auch mit sonst ausgerenzten Betroffenen sprechen und nicht nur über sie. (gekürzt)

Kriminologe Prof. Dr. Thomas Feltes von der Universität Bochum. »Die Gefahr, die von den Entlassenen ausgeht, wird jedoch überschätzt«, sagte Feltes. Eine Studie der Universität Bochum habe gezeigt, dass von 77 ehemals Sicherungsverwahrten etwa 20 Prozent erneut zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. »Das ist dieselbe Quote wie bei anderen Straftätern auch«, so der Kriminologe. Dennoch bleibe das Restrisiko eines Rückfalls nach der Sicherungsverwahrung – damit müsse die Gesellschaft leben. Katja Korf

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In der Debatte um die Frage, ob ein sofortiger Abzug aller ausländischen Truppen einschließlich der Bundeswehr aus Afghanistan die Lage im Land verbessere, plädierten viele Vertreter der Friedensbewegung dafür, so schnell wie möglich eine allgemeine Waffenruhe zu erproben.

Demonstration gegen den AfghanistanEinsatz vom Bremer Friedensforum

Derzeit sind in Afghanistan mehr als 100.000 ausländische Soldaten stationiert, darunter rund 5.000 Angehörige der Bundeswehr. Bis 2014 wollen USA und NATO die Verantwortung für die Sicherheitslage am Hindukusch an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben. Deutschland will ab Ende 2011 mit dem Rückzug beginnen, die USA planen, bis Sommer 2012 rund 30.000 Soldaten abzuziehen. Katja Korf

Zivile und militärische Akteure im Gespräch An der Bearbeitung von Konflikten in instabilen Regionen sind seit den frühen 90er Jahren immer mehr Akteure beteiligt – insbesondere wenn sie mit Militäreinsätzen verbunden sind. Von deutscher Seite aus sind mindestens das Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungsministerium beteiligt, ferner staatliche Durchführungsorganisationen wie GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), das Technische Hilfswerk, Bundeswehr und Polizei. Dazu gesellen sich Fachkräfte aus der zivilen Konfliktbearbeitung und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NROs). Unter diesen Akteuren gibt es einen hohen Bedarf an Absprachen. Dafür fehlen meist sowohl Routine als auch Instrumente. Bei militärischen Engagements stößt das Bedürfnis der Militärs nach Ordnung und Koordination auf große Skepsis bei zivilen Organisationen. Die Konfliktlinien laufen hier zwischen bewaffnet – unbewaffnet, militärisch – zivil, staatlich – nichtstaatlich.

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rückblende 2008 veranstaltete die Evangelische Akademie Bad Boll unter dem Titel »Gesicherte Entwicklung« eine Tagung zur Frage nach Zusammen- und Wechselwirken von Entwicklungs- und Sicherheitspolitik. Aufbauend auf diesen Erfahrungen lud die Akademie ein Jahr später 30 Akteure der Konfliktbearbeitung im internationalen Kontext zu einer nichtöffentlichen Veranstaltung nach Bad Boll ein. Im geschützten Raum konnten sich die Gesprächspartner frei über zentrale Fragen austauschen. Hier konnten sie nicht nur als Vertreter ihrer Organisationen, sondern frei als Personen sprechen. In Gruppen von 8 bis 10 Personen diskutierten sie zum Beispiel über Fragen wie »Wie sieht gelungene Konfliktbearbeitung aus« oder »Was ist Nachhaltigkeit im Konfliktkontext«. Hohe Beamte des Verteidigungsministeriums und Offiziere der Bundeswehr kamen hier mit Geschäftsführern von Entwicklungsorganisationen und Fachkräften der zivilen Konfliktbearbeitung ins Gespräch. Diese Gesprächsform brach Verhärtungen auf und ermöglichte einen Austausch im bilateralen Rahmen. Es wurde vereinbart, das Gespräch in Berlin weiterzuführen. In Kooperation mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), einer Dialogeinrichtung der Bundesregierung, die von der Bundeswehr betrieben wird, fand am 7. und 8. Juni das Gespräch als Workshop unter dem Titel »Ziviles und militärisches Engagement in Konflikten – Zivile und militärische Akteure im Gespräch« an der BAKS in Berlin-Pankow statt. Das Konzept von Diskussionen in kleinen, heterogen besetzten Gruppen wurde übernommen. Als virulentestes Thema wurde die Frage identifiziert, wie die politischen Ziele für staatliche Auslandseinsätze zustande kommen und wie die NROs darin angemessen eingebunden werden können. In einem weiteren Komplex wurde erörtert, wie die Bedürfnisse des Ziellandes in diesen politischen Prozess effektiv eingespeist werden können. Es wurde deutlich, dass es bei den Teilnehmenden kein einheitliches Bild daSYM 3/2011

von gibt, wie Ziele für Auslandseinsätze entstehen oder wie die lokale Mitträgerschaft (»local ownership«) verwirklicht werden soll. Die diskutierten Perspektiven ermöglichten aber ein verbessertes Verständnis. Erstaunlich war, dass sich die Disputanten schneller über eine positive Zukunftsvision einigen konnten, als die Details der Gegenwart zu klären. Auffällig war ebenso, dass sich in den Gesprächen über Details und ein positives Szenario für die Zukunft die zuvor so deutlich scheinenden Grenzlinien zwischen den Akteuren verflüchtigten und zum Teil unerwartete Kongruenzen und Koalitionen entstanden. Die Evangelische Akademie Bad Boll wird den Prozess weiterführen. Matthias Wanzeck, Studienassistent Wirtschaft und Entwicklung

»Unsere Gesellschaft hat sich verrannt« – Tagung zu nachhaltigem Wirtschaften Ohne einen tiefgreifenden Wandel in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft steht den Industrienationen der Kollaps bevor. »Wir haben uns verrannt. Das zivilisatorische Modell der Industrienationen ist nicht zukunftsfähig«, sagte Dr. Peter H. Grassmann, langjähriger Siemens-Vorstand und ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Carl Zeiss am 23. Juli bei einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll. »Die kommenden Generationen werden uns für diese Fehlentwicklungen kritisieren.« Grassmann, der seine Ämter 2007 niederlegte, engagiert sich heute für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel zugunsten einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung, unter anderem als Vorstand des Ökosozialen Forums Deutschland e.V. »Probleme wie der Klimawandel oder die Finanzkrise sind verursacht durch ein Versagen unseres Wirtschaftssystems«, sagte der ehemalige Unternehmenschef. Er forderte mehr Bürgerbeteiligung bei wichtigen Weichenstellungen. Derzeit sei die Politik nicht in der Lage, die richtigen Maßnahmen für die Zukunft zu beschließen. »Unsere Parteien sind zu sehr abhängig von Wählerstimmen und stehen

unter dem Druck von Unternehmen«, so Grassmann. Schon vor Jahrzehnten sei die Welt aus dem Gleichgewicht geraten. Seit Ende der 70er Jahre verbrauche und beschädige die Menschheit mehr natürliche Ressourcen, als das Ökosystem regenerieren könne. Auch sozial befinde sich die Welt in einer dramatischen Schieflage: »Wenn von rund sieben Milliarden Menschen die Hälfte in Armut lebt, dann ist das kein faires System«, so Grassmann. Rund 50 Teilnehmende diskutierten bei der Tagung »Weniger, anders, besser« ein Wochenende lang über ein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell. Mitveranstalter war die Wirtschaftsgilde. Der 1948 in der Akademie gegründete Verein ethisch orientierter Unternehmer hatte zahlreiche Studierende eingeladen. »Nachhaltigkeit ist eine Generationenfrage: Ältere dürfen nicht auf Kosten der Jüngeren leben.«, so Hans Füller, Vorsitzender der Wirtschaftsgilde. Unter den Referenten war auch Peter Parwan, einer der Pioniere der so genannten LOHAS-Bewegung. Das Kürzel steht für »Lifestyle of Health and Sustainability«, also eine Ausrichtung der Lebensweise auf Gesundheit und Nachhaltigkeit. Parwan erwartet in den kommenden Jahren eine umfassende Trendwende in der Lebensweise: »Schon heute gibt es in den USA 40 Millionen LOHAS-Anhänger, in Europa zählen 49 Millionen Konsumenten zu dieser Kategorie.« Jobst Kraus, ehemaliger Studienleiter der Evangelischen Akademie Bad Boll und Nachhaltigkeits-Experte, rief zu einer radikalen Wende in der Lebensführung und bei der Arbeit auf. »Die Industrieproduktion muss sich qualitativ verbessern und quantitativ stark sinken. Ziel muss es sein, 50 Prozent weniger Rohstoffe und andere natürliche Ressourcen zu verbrauchen.« Kraus warnte, die Wende sei nicht einfach zu haben. »Es reicht nicht aus, weiter zu konsumieren wie bisher und statt konventioneller Produkte nur Öko-Ware zu kaufen. Es geht um weniger Konsum, nicht nur um anderen Konsum.« Katja Korf

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kunst in der akademie

Geheimnis-Installation – Boller Bußtag der Künste mit Gabriela Oberkofler »Das Geheimnis, das Gabriela Oberkofler mit sich rumschleppt, heißt zeitgenössische Kunst und muss wie die Ware der Wilderer mit Vorsicht genossen werden«, schreibt Prof. Rainer Ganahl, einer ihrer Lehrer an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste über die aus Südtirol stammende und in Stuttgart lebende Künstlerin. 2010 wurde sie auf seinen Vorschlag hin erste Preisträgerin des neuen Columbus-Förderpreises für aktuelle Kunst. Die Bilder, die Sie auf dieser Seite sehen, waren in der Shortlist-Ausstellung zum Förderpreis in Leipzig 2010. Beim diesjährigen Boller Bußtag der Künste geht es um die Geheimnisse, die wir alle mit uns herumtragen. Gabriela Oberkofler plant eine Installation mit solchen mitgebrachten und sorgsam »eingemachten« Geheimnissen der Besuchenden. Diese »GeheimnisInstallation« wird erst noch, was sie sein soll. Mehr kann und soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Installation mit Sterbebildchen, 2009 Holzschächtelchen, Blumenvase, Blume, Ei mit Schmetterling und Postkarte

Dinge aus ihrer bäuerlichen Herkunftswelt mit neuen Medien. Die Installation »Buggelkraxen« weist geografische Bezüge zu ihrem Heimatdorf auf und lässt zugleich Brechungen durch die künstlerische Bearbeitung erkennen. Sie schreibt dazu: »Ich baue mir mein Dorf, so wie ich es kenne, aus Obstkisten nach. Eine Kirche, eine Schule, ein Widum, ein Gasthaus, Häuser und Ställe. Ich baue es mir so, dass ich es als »Buggelkraxe« (Rucksack) jederzeit mitnehmen kann und gehe damit auf Wanderschaft. Die »Buggelkraxenträger« waren die Zeitarbeiter von früher, die von Hof zu Hof zogen und ihre Dienste anboten: der Gerber, der Flicker, der Spinner, der Weber. Viele Liebesgeschichten sind damit verbunden und so manch eine/r verdankt sein Dasein einem »Buggelkraxenträger«. Susanne Wolf

Gabriela Oberkofler, Buggelkraxen, 2010, Installation unterwegs

Kunst verwickelt ins Schauen, ins Nachdenken, ins Hinterfragen. Gabriela Oberkofler verwickelt uns mit dieser Installation auch ins Tun. Installationen und Performances bilden ihre künstlerischen Schwerpunkte. Oft verbindet sie traditionelle

Stiftung Christliche Kunst Wittenberg Christliche Graphik im 20. Jahrhundert Vernissage: 11. September 2011, 11:00 Uhr im Café Heuss. Dauer der Ausstellung: 11.9. - 23.10.2011

Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro): Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

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Boller Bußtag der Künste in Kooperation mit dem Verein für Kirche und Kunst 16. November 2011, 16:30 Uhr Programm: Gottesdienst mit Pfarrer PD. Dr. Peter Haigis, Pfarrer Johannes Koch und Pfarrerin Susanne Wolf Geheimnis-Installation von Gabriela Oberkofler Einführung und Performance zur Netzkunst mit dem Stuttgarter Netzliteraten Johannes Auer und Sprecherin Christiane Maschajechi. Tagungsnummer: 530511 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Reinhard Lambert Auer Infos: Brigitte Engert, Telefon 07164 79-342

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horizonte des religiösen

Zeit zu handeln Das Kairos-Palästina-Dokument Von Martina Waiblinger Theologen, Nahost-Experten sowie Vertreter und Vertreterinnen zivilgesellschaftlicher Organisationen haben in der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 20. bis 22. Mai über das Kairos-Palästina-Dokument, ein Papier palästinensischer Christen, diskutiert. Seit seiner Veröffentlichung im Dezember 2009 hat es in Deutschland kontroverse Debatten ausgelöst. Am 11. Dezember 2009 veröffentlichten 15 palästinensische Christen verschiedener Konfessionen nach einer zweijährigen Diskussionsphase das Kairos-Palästina-Dokument. In der Einführung wird das Dokument als »Schrei der Hoffnung in hoffnungsloser Zeit« und als Wegscheide zwischen einem neuen friedlichen Ansatz und einer weiteren Spiralisierung der Gewalt im Nahost-Konflikt beschrieben. Zur Tagung kamen zwei Mitautoren des Dokuments, der Katholik Dr. Jamal Khader und der Anglikaner Dr. Naim Ateek, der jüngst ein Buch zur selben Thematik herausgebracht hat (s. S. 23). Khader erläuterte die Entstehungsgeschichte des Papiers, das anfangs in erster Linie für Palästinenser (das Original ist Arabisch) geschrieben wurde. Es entstand in einer Situation, als klar war, dass der Friedensprozess gescheitert ist. Das Papier soll in hoffnungsloser Zeit Hoffnung, Kraft und Impuls für eine neue gewaltfreie Handlungsoption geben. Das KairosDokument hat Vorläufer, die bereits 2004 von der befreiungstheologischen Gruppe Sabeel (Dr. Naim Ateek gehört zu den Gründern) initiiert wurden. Das Dokument wurde mit palästinensischen Jugend- und Frauengruppen, mit muslimischen Intellektuellen, Pilgergruppen und Mitgliedern des christlich-jüdischen Dialogs diskutiert. Im Herbst soll auch ein Handbuch für Schulen veröffentlicht werden. Grundlage für das Dokument sind Gewalt-

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Dr. Jamal Khader (re.) ist Dekan der Sozialwissenschaften an der katholischen Universität Bethlehem.

verzicht, Gerechtigkeit, Liebe, Frieden, Würde und Menschlichkeit. Themen sind unter anderem die Besatzung, Jerusalem, die Siedlungen, die Mauer, die Theologie des Landes, empfohlene Boykottmaßnahmen und eine ausführliche theologische Begründung. Khader sieht, dass speziell die Deutschen Probleme mit Boykottmaßnahmen gegen israelische Produkte haben. International gibt es zustimmende und ablehnende Reaktionen. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass die Deutschen sich gegenüber Israel immer als ehemalige Unterdrücker sehen, wohingegen die Palästinenser Israel als Unterdrücker erleben. Sein engagiertes Plädoyer heißt: »Wir haben uns für den Weg des Gewaltverzichts entschieden. Deshalb fordern wir Kirchen und Regierungen auf, sich stärker als bisher für die Menschenrechte der Palästinenser einzusetzen.« Besonders hoch gingen die Wogen erwartungsgemäß bei den Themen Theologie des Landes und Boykott, auch wenn dieser nur einen kleinen Teil des Dokuments ausmacht. Iris Hefets, in Berlin lebende Israelin, plädoyierte leidenschaftlich für einen Boykott israelischer Waren und begründete dies als Akt der Befreiung. »Es ist keine rassistische Kampagne, sie richtet sich nicht gegen Menschen, Ethnien oder Religionen. Ich sage: Kauft bei Juden, keine israelische Waren!« Sie fragte, wie es sein könne, dass Deutschland immer und überall die Allgemeinen Menschenrechte hochhalte, für Israel aber andere Standards anlege. Weiter argumentierte sie, dass die Tatsache, dass 98 Prozent der Juden in Israel für den Angriff auf Gaza votierten, zeige, wie sehr sich diese Gesellschaft bereits an totalitäre Strukturen gewöhnt habe. Dieter Qualmann, Mitglied der AG Oldenburg der deutsch-israelischen Gesellschaft (DIG), betonte zwar die

Dr. Naim Ateek im Gespräch mit Iris Hefets

unterschiedlichen Positionen innerhalb der DIG, wandte sich aber strikt gegen jede Art von Boykottmaßnahmen. Die Kirchen hätten 1933 zu Boykottaufrufen gegen jüdische Geschäfte aufgerufen, deshalb dürften sie nun Rufen nach wirtschaftlichen Sanktionen keine Plattform geben. Martin Schneller, ehemaliger Botschafter in Jordanien, forderte die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Israel zu erhöhen: »Nur wenn finanzielle Leistungen an beide Konfliktparteien von Fortschritten im Friedensprozess abhängig gemacht werden, wird sich etwas bewegen.« Martin Schneller gehört auch zu den 32 ExDiplomaten, die in einem öffentlichen Schreiben am 6. Juli die Bundeskanzlerin aufgefordert haben, den Staat Palästina bei der geplanten Abstimmung bei den Vereinten Nationen im September anzuerkennen. Zum selben Thema finden Sie weitere Beiträge auf S. 10-12 und S. 23. Als Online-Dokument sind drei Beiträge im Internet verfügbar (s. S. 14).

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horizonte des religiösen

Investitionen in Bildungsarbeit statt Boykott Stellungnahme aus dem christlich-jüdischen Dialog Von Pfr. Friedhelm Pieper Ich habe der Bitte zugestimmt, als ein Vertreter des christlich-jüdischen Dialogs zu dem palästinensischen KairosPapier Stellung zu nehmen, weil der Nahostkonflikt seit langem ein zentrales Thema im christlich-jüdischen Dialog ist. Auch nehmen wir im Dialog die Befürchtung unter Palästinen-

Pfr. Friedhelm Pieper war Referent auf der Tagung »Zeit zu handeln««

sern wahr, der christlich-jüdische Dialog und die Bemühungen um eine »Theologie nach dem Holocaust« würden sich zu ihren Lasten entfalten. Wer sich der Sprache von »Kairos« nicht verschließt, spürt wie hier in bewegenden Worten ein Schrei nach Hoffnung zum Ausdruck kommt – inmitten einer bedrückenden Lage in Nahost, inmitten des Versagens von politisch Verantwortlichen aus den Konfliktparteien in Israel und bei Palästinensern sowie im weiteren Umfeld im Nahen Osten. Zugleich bietet das Kairos Papier theologische Deutungen und politische Positionierungen, die kritisch diskutiert werden müssen. In Bezug auf die Bibel betonen die Kairos-Autoren, dass beide Teile – Altes und Neues Testament – zusammengehören. Sie wählen einen klassischen kirchlichen Zugang: die christologische Interpretation der Texte und die in Christus begründete Universalisierung biblischer Verheißungen: das Land gehört Gott und

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soll allen, die dort leben, ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden ermöglichen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gelernt, dass das so genannte »Alte Testament« als hebräische Bibel, als »Tanach«, uns in einzigartiger Weise mit dem Judentum verbindet. Wir haben gelernt, die christliche universale Interpretation der Bibel nicht mehr gegen die partikulare Perspektive der jüdischen Tradition zu stellen. Ich kann dem Kairos-Papier zustimmen in der Ablehnung fundamentalistischer Bibelinterpretationen, die das Land exklusiv Juden zuschreiben wollen, ohne zu verdrängen, dass das Judentum eine jahrtausendealte Beziehung zu dem Land hat. Ich hoffe, dass es gelingen kann, das »natürliche Recht« der Palästinenser klar anzuerkennen, die als »freies Volk in unserem Land leben wollen« (Kairos), und dass wir zugleich in der Lage sind, »zu einem volleren Verständnis der tiefen Bindung des Judentums an das Land Israel« zu gelangen (Berliner Thesen, Internationaler Rat der Christen und Juden). Einen Ansatz dafür sehe ich in dem beeindruckenden Satz im KairosPapier: »Gott hat uns als zwei Völker hierher gestellt, und gibt uns, wenn wir es nur aufrichtig wollen, auch die Kraft, zusammenzuleben und Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen, das Land wahrhaft in Gottes Land zu verwandeln«. Es ist dringlich, an einer sachgemäßen »Theologie des Landes« weiterzuarbeiten – unter Aufnahme der prophetischen Perspektive, die das Wohnen im Land mit der Verpflichtetheit zu gerechtem Handeln verknüpft. Religiös begründete Exklusivansprüche von islamischer Seite (Hamas Charta, Art. 11) oder von jüdischen Siedlern stehen den Bemühungen zum Ausgleich und Frieden im Weg. Eine weiterführende »Theologie des Landes« hätte dagegen die Aufgabe, das Potential zu Frieden und Gerech-

tigkeit der beteiligten Religionen herauszuarbeiten und Beiträge zur Überwindung der jeweiligen Exklusivan-sprüche zu leisten. Die Besetzung der palästinensischen Gebiete bestimmt mit all ihren Folgen den Alltag der Palästinenser und also auch das Kairos-Papier. Dabei bleiben aber andere wesentliche Aspekte des Nahostkonflikts ungenannt: die Bedrohung Israels durch Iran, Waffenlieferungen an Hisbollah, Raketenangriffe auf Israel. Wir hören die Narrative der Palästinenser: die arabische Geschichte des Landes, »Nakba«, Besatzung – wir hören in unseren Begegnungen mit Israelis auch deren Narrative: die jüdische Geschichte des Landes, Holocaust, Kriege, anhaltende Bedrohungen. Angesichts der immer wieder durchbrechenden Einseitigkeit der Konfliktparteien, empfinde ich besonders die Passagen im Kairos-Papier beachtenswert, die den »Widersacher« in eine Zukunfts- und Hoffnungsperspektive mit einbeziehen und auch selbstkritisch eigene Verantwortung und eigene Probleme benennen. Aus der reduzierten und so einseitigen Analyse des Konflikts folgt im Kairos-Papier auch eine einseitige Handlungsempfehlung: der Boykott Israels. Ein solcher Aufruf zum Boykott weist Israel die alleinige Ursache des Konflikts zu und macht Israel allein für die Lösung dieses Konflikts verantwortlich. Von daher hat diese Empfehlung deutliche Zurückweisung erfahren. Statt Boykott und Divestment, die die Haltung der Einseitigkeit verstärken, können religiöse Gruppen, Kirchen und Friedensinitiativen Foren der Begegnung bieten und für Investitionen in die Bildungsarbeit und den interreligiösen Dialog zur besseren Wahrnehmung des jeweils Anderen eintreten, damit wir dem Ziel von Kairos näher kommen: »gemeinsam an einer Zukunft in Frieden und Sicherheit zu bauen«. s. a. S. 7, 9, 14-15 und 23 SYM 3/2011


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Widerstand - gewaltfrei, kreativ, erfolgreich Interview mit Abdallah Abu Rahma – Aktivist gegen die Sperranlage Der Lehrer Abdallah Abu Rahma demonstriert seit 2005 in Bilin bei Ramallah mit vielen anderen gegen die dort gebaute Sperranlage, durch die die Hälfte des Landes von Bilin abgetrennt wurde. Der 40-Jährige wurde mehrmals verhaftet. Erst im März war er freigekommen – dafür hatte sich auch die Bundesregierung eingesetzt. Im Mai war er Referent der Tagung »Zeit zu handeln - Konsequenzen aus dem Kairos-Palästina-Dokument«. Das Interview hat Wiltrud Rösch-Metzler, Vizepräsidentin von pax christi geführt. Herr Abu Rahma, Sie waren 16 Monate in Haft. Sie haben Familie, drei kleine Kinder. Werden Sie sich nun von Demonstrationen fern halten? Es ist sehr schwer, im Gefängnis eingesperrt zu sein. Es ist auch schwer, an den Aktionen nicht teilnehmen zu können – sie sind ein Teil von mir. Ich hoffe, dass wir den gewaltlosen Widerstand fortsetzen können, ohne dass jemand verhaftet wird. Es tut weh, wenn Freunde im Gefängnis sind oder vom Militär getötet werden.

Abu Rahma in Bad Boll - Anfang Juli hat Israel ein Urteil umgesetzt, das vom Obersten Gerichtshof vor vier Jahren gefällt worden war: Ein Teil der Sperranlage musste entfernt und die Hälfte des unrechtmäßig abgetrennten Landes zurückgegeben werden: Ein großer Erfolg für jene, die seit Jahren gewaltlos gegen die Landnahme demonstrieren.

Während Ihres Gefängnisaufenthalts durfte Ihre Familie Sie nur einmal besuchen. Wie lässt das durchstehen? Mir hat sehr geholfen, dass mir mein Rechtsanwalt von Briefen aus der SYM 3/2011

ganzen Welt berichtete. Dies gab mir viel Kraft. Ermutigend war auch, dass EU-Vertreter und Freunde zu meinen Prozessen kamen. Als ich die ehemalige italienische Europaabgeordnete Luisa Morgantini im Gerichtssaal sah, wäre ich vor Freude fast aufgesprungen. Wie ist die Lage Ihrer Mitgefangenen? Im Gefängnis sind unter 18-jährige, alte und kranke Menschen; manche sind dort seit über zehn Jahren. Die Gefangenen haben viele Probleme. Einige dürfen nicht von ihren Familien besucht werden, andere sind in Isolationshaft. Ich versuche hier das Grün der Bäume und Wiesen zu genießen – und muss immer an die Freunde im Gefängnis denken. Meine Träume sind groß, aber die Träume der Gefangenen handeln nur davon, die Familie fünf Minuten länger zu sehen. Ich hoffe, dass alle bald frei kommen. Seit wann engagieren Sie sich im gewaltlosen Widerstand? Ich habe 1987 während der 1. Intifada damit begonnen – damals war ich Schüler im Gymnasium. An der Universität ging es weiter und als Lehrer habe ich Wert darauf gelegt, dass meine Schüler lernen, ihre Probleme gewaltlos zu lösen. Seit die Israelis 2002 mit dem Mauerbau begonnen haben, wenden wir gewaltlose Methoden intensiv und kreativ an. Können Sie uns dazu Beispiele nennen? Einmal gingen wir als blau geschminkte Avatare zur Demo. Dann »luden« wir die weltbekannten Führer der Gewaltlosigkeit Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela »ein«. Nachdem das Versöhnungsabkommen zwischen Fatah und Hamas unterzeichnet war, hatten wir zwei als Abbas und Hanije Verkleidete dabei. Unterstützt die palästinensische Autonomiebehörde Ihren Widerstand? Ja, vor allem, nachdem wir beim Obersten Gerichtshof in Israel erfolg-

reich waren und das Urteil besagte, dass die Mauer zu unseren Gunsten versetzt werden muss, ermutigte uns die Autonomiebehörde weiter zu machen. Premierminister Fayyad hat uns besucht und an einer Aktion teilgenommen. Vor kurzem hat uns Präsident Abbas eingeladen. Sie sprechen jetzt vom Modell Bilin und fordern die Palästinenser auf, nach diesem Modell Widerstand zu leisten. Wird der Staat Palästina einmal ohne Armee auskommen? Die Palästinenser wollen die gleichen Rechte wie andere auch. Wenn andere Völker wie Israel Armeen haben, brauchen wir auch eine Armee. Wir werden die Methoden der Gewaltlosigkeit aber auch nach dem Ende der Besatzung benötigen. Wir brauchen dann Komitees, die diejenigen verfolgen, die Gewalt angewendet haben. Was ist der Preis für die gewaltfreien Demonstrationen? Der Preis, den wir bislang dafür bezahlt haben, sind 100 Verhaftete und zwei Tote. Bilin ist ein muslimisches Dorf. Beteiligen sich auch Christen an den gewaltfreien Aktionen? Ja, aber eher in den Orten um Bethlehem herum. Wir erhalten auch eine starke Unterstützung von einzelnen christlichen Abgeordneten. Hilft das Kairos-Palästina-Dokument, das hier diskutiert wurde, dem gewaltfreien Widerstand in Palästina? Ich bin sehr froh, dass ich hier zwei Verfasser des Textes gehört habe. Das zeigt, dass es christliche Persönlichkeiten gibt, die den gewaltlosen Kampf unterstützen. Das gibt mir Kraft für den Widerstand. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen in Palästina und außerhalb dieses Dokument kennenlernen und unterstützen. siehe auch S. 7, 8, 14-15, 23

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Ökologische Spiritualität Dialog mit der Ursprungsquelle des Seins Bei der Tagung »Was ist dem Menschen zuzutrauen?« wurde angesichts der Tatsache, dass die Menschen die Fülle des Lebens auf dem Planeten gefährden, die Frage nach den Potenzialen moralisch-ethischen Verhaltens gestellt. Studienleiter Dr. Günter Renz reflektiert die globale ökologische Krise.

Der Nobelpreisträger Paul Crutzen forderte im Jahre 2002 in der renommierten Zeitschrift Nature: »Lasst uns Farbe bekennen; nennen wir das jetzige erdgeschichtliche Zeitalter, das vor 200 Jahren begonnen hat, nach seiner dominanten Macht: Anthropozän.« Im Jahr 2009 unternahmen Wissenschaftler in derselben Zeitschrift den Versuch, für neun Aspekte abzuschätzen, ob die Grenzen der nachhaltigen Tragfähigkeit der Erde durch diese Macht – den Menschen – gefährdet oder schon überschritten sind. In drei Bereichen ist danach letzteres der Fall: Klimawandel, Artensterben, Stickstoffkreislauf. In anderen wird die Grenze sehr bald erreicht sein: etwa bei der Versauerung der Meere und der Frischwassernutzung. Sollten ausgerechnet wir in einer Zeit leben, in der die Erde an den Rand gerät? Der Physiker J. Richard Gott hat den Spieß dieser Frage herumgedreht und gemeint, wir bräuchten uns nicht zu

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wundern, dass wir heute leben, denn heute sei nun mal die Zeit, in der sehr viele Menschen leben (im Gegensatz zu früheren und kommenden Zeiten). Einige Philosophen haben den Ernst der Lage des Planeten erkannt. Peter Sloterdijk entfaltet auf 700 Seiten die Geschichte des sich übenden Menschen, um auf den letzten zu offenbaren, dass es heute die Sorge um das Ganze ist, die den Imperativ zu sprechen vermag: Du musst dein Leben ändern. Hans Jonas hat schon 1979 in seinem Werk »Das Prinzip Verantwortung« von der Treue zum verwandten Ganzen gesprochen. Nun wird uns dieses Ganze immer präsenter: Bilder von den hungernden Menschen am Horn von Afrika, von schmelzenden Gletschern, von abgeschlachteten Walen, aber auch Bilder von den ihre Rechte einfordernden Demonstranten kommen uns nah. Wir erfreuen uns an den Tierherden der Serengeti und immer tiefer gräbt sich das Bild des blauen Planeten als Symbol unserer Zusammengehörigkeit in unser kollektives Gedächtnis. Hölderlins Verse: »Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch« kommen in den Sinn. Denn wann hätte die Menschheit nicht nur so viel wissenschaftliches Wissen gehabt, sondern auch so viel wahrnehmendes und mitfühlendes Wissen um das Leiden anderer Menschen und Mitgeschöpfe und mehr besorgtes Wissen um unsere bedrohte Ökosphäre? Dies impliziert Austausch, Diskurs, Proteste, Aktionen von Nichtregierungsorganisationen und auch – so bitter ihr bisheriges überwiegendes Scheitern ist – internationale Konferenzen und Verpflichtungen. Welche Rolle spielen Theologie und Religionen in dieser weltgeschichtlich exzeptionellen Situation? Gibt es ein aufrüttelndes Wort des Papstes oder der Evangelischen Kirche in Deutschland? Man möchte fragen: Bleiben religiöse Menschen durch ihren Glauben in fahrlässiger Weise gelassener?

Ist ihr Engagement schon durch anderes (sehr wichtiges) absorbiert? Eine vernünftige global-orientierte internationale Politik wird nur dann durchsetzbar sein, wenn in den Bevölkerungen die Sensibilität weiter wächst. Kann hier eine neue Spiritualität unterstützend wirken? Leonardo Boffs 2010 erschienenes Buch »Die Erde ist uns anvertraut« hat in der deutschen Übersetzung den Untertitel »Eine ökologische Spiritualität«. Der spirituelle Mensch hat nach Boff die Fähigkeit, »mit der Ursprungsquelle allen Seins in Dialog zu treten, die er wahrnimmt, wenn er die gesamte Wirklichkeit durchschreitet. Er kann in demütige Kommunikation mit jener höchsten Wirklichkeit treten und sie in sich selbst in Gestalt von Begeisterung, jener inneren Energie, die das Leben bewegt und alle Pläne beseelt, wahrnehmen« (S. 206). Die Spiritualität, für die er wirbt, mündet in eine Ethik, die sich kennzeichnen lässt durch das Ins-Recht-Setzen der Dimension von Pathos (Mitleid, Sympathie, Erbarmen) im Unterschied zu der des Logos, durch Sorge, Respekt, Solidarität und Kooperation und schließlich durch Verantwortung. Im Blick auf Letztere formuliert Boff in Anlehnung an Jonas als neuen kategorischen Imperativ: »Handle so, dass die Folgen deines Handelns das Leben und die Zukunft nicht zerstören«, sondern »das Leben, die Fürsorge, die Kooperation und die Liebe fördern« (S. 204). Es ist leicht, Detailkritik an Boff zu üben, etwa an seiner Aufnahme der Gaia-Hypothese, nach der die Erde als Lebewesen zu verstehen sei, oder an seinen teleologischen Formulierungen, auf die Wissenschaftler meist allergisch reagieren. Aber wer mit ihm überhaupt eine Gesamtschau zu unternehmen bereit ist – und Boff durchschreitet in seinem Buch die Fülle des Wissens der Menschheit heute vom Urknall über die Evolution des Menschen bis zur Noosphäre – wird sich der Sorge um das Ganze nicht entziehen können. siehe auch S. 14, Onlinedokumente

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horizonte des religiösen Menzius Zur Aktualität des chinesischen Philosophen Menzius (371-289 v. Chr.) Der Sinologe Henrik Jäger schreibt in seinem Menzius-Lesebuch: »In einer Zeit, in der die Bedrohung für das ganze Leben auf der Erde steigt, hören sich Menzius’ Einsichten beklemmend aktuell an. In seinem Denken ist das wirkliche Menschsein unmittelbar mit einem nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen und mit einer weit blickenden Verantwortung für die nachfolgenden Generationen verbunden. Also wird jener Mensch seinem Menschsein gerecht, der die unendliche Kostbarkeit des Lebens spüren und in seinem Denken und Handeln sichtbar machen kann.« In einem seiner bekanntesten Gleichnisse vergleicht Menzius die Natur des Menschen mit dem nach unten strömenden Wasser eines Flusses. Das Wasser ist gleichermaßen Sinnbild der gelassenen Klarheit, der Bewegung, der Wechselseitigkeit zwischen Fluss und Flussbett und der Einbindung in den Kreislauf der Natur. In diesem Kreislauf drückt sich das Gute aus. So wird das Wasser Sinnbild der guten Natur des Menschen, denn nach Menzius haben alle Menschen die Tendenz zum Guten wie das Wasser die Tendenz hat, nach unten zu strömen. Menzius erhellte den Fürsten und Königen, die ihnen unbewussten Hintergründe ihres verantwortungslosen Umgangs mit der Macht. Dabei wurde ein leidenschaftlicher Glaube an eine »gute Macht« deutlich, ein kompromissloses Eintreten für eine menschliche und gerechte Regierungspolitik, nach der sich Menschen in allen Zeiten so sehr sehnen. Für Menschen aus allen Erdteilen stellt sich heute so eindringlich wie nie zuvor die Frage nach der Zukunft der Menschheit. Wenn wir diese Fragen in ihrer vollen Tragweite hören, werden wir erfahren, dass Menzius auch nach 2300 Jahren unserer tiefsten Sehnsucht zu antworten vermag. Wolfgang Wagner zur Philosophischen Sommerakademie »Menzius - den Menschen gerecht«, 30.8. bis 2.9.2011 SYM 3/2011

Lamya Kaddor Porträt einer muslimischen Powerfrau

Von Katja Korf Die Wurzeln von Islamfeindlichkeit und Fremdenhass beleuchteten Anfang Juli christliche, jüdische und muslimische Theologinnen bei der Interreligiösen Konferenz Europäischer Theologinnen (IKETH e. V., s. a. S. 12) in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin, Pädagogin und Autorin, lieferte eine muslimische Perspektive. »Ich weiß, ich spreche schnell. So ist das, wenn man etwas mehr Temperament hat.« So entschuldigt sich Lamya Kaddor, bei ihrem Vortrag in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Das Temperament der 32-Jährigen spürt jeder, der ihr zuhört. Die Frau, die in Deutschland als Tochter syrischer Eltern geboren wurde, sieht sich als Vertreterin eines liberal-gläubigen Islam, den sie hier unterrepräsentiert empfindet: »Wer sich ernsthaft mit dem Islam in Deutschland beschäftigen will, der darf nicht nur den so genannten Islamkritikern auf der einen und den islamischen Fundamentalisten auf der anderen Seite zuhören«. Die liberalen, gläubigen Muslime seien in der Mehrheit, würden jedoch kaum wahrgenommen. Kaddor bezeichnet sich als Berufsmuslimin, arbeitet als Religionspädagogin und Dozentin, schreibt Bücher

und hält Vorträge. Im Zentrum ihres Berufslebens steht also ein Teil ihrer Identität, den sie selbst in Interviews als »Mosaiksteinchen« bezeichnet. Dass dieser Aspekt eine wesentliche Rolle im Leben der Lamya Kaddor spielt, hat zweifellos mit ihrer Überzeugung zu tun – und damit, wie sie wahrgenommen wird. Denn so eine wie sie wünscht sich die deutsche Öffentlichkeit: Eine Muslimin, die kein Kopftuch trägt, die engagiert für Demokratie und Menschenrechte eintritt, die für einen Islam plädiert, der mit der Zeit geht. Bequem ist sie deswegen nicht. In ihrem Vortrag in der Evangelischen Akademie Bad Boll schreibt sie der christlichen Mehrheitsbevölkerung in Deutschland ins Stammbuch: »Nicht andere sagen mir, was der Islam ist oder sein sollte, sondern ich möchte bestimmen, wie ich meinen Islam lebe. Wenn dazu ein Kopftuch aus religiöser Überzeugung gehört, sollte man dies akzeptieren.« Kaddor trägt kein Kopftuch, weil sie glaubt, in einer Gesellschaft wie der deutschen sei seine ursprünglich intendierte Schutzfunktion nicht mehr notwendig. Sie will sich nichts vorschreiben lassen. »Jedes Individuum soll seine religiöse und moralische Verantwortung mit Gott ausmachen. Es kann nicht sein, dass das islamische Kollektiv immer wieder versucht, hier regulierend einzugreifen«, sagte sie dem Kölner Stadtanzeiger zum Beginn des Ramadans im August. Themen wie die Frage nach alternativen Lebensentwürfen oder die Frauenfrage müssten diskutiert werden, doch die konservativen islamischen Verbände hätten daran kein Interesse. »Der Islam besteht zwar immer aus der gleichen Theologie, aber er kann und muss für das Leben interpretiert werden. Hier ist die Theologie aufgefordert, mit den Veränderungen in der Welt Schritt zu halten, anstatt zu versuchen, diese Entwicklungen aufzuhalten.« Ihre Position, die sie selbst als die Mitte zwischen Islamkritik und

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horizonte des religiösen islamischem Fundamentalismus beschreibt, verschafft Kaddor Feinde in beiden Lagern. Im Internet kursierten Fotos von ihr, auf denen ihr das Wort »Ungläubige« auf die Stirn tätowiert war. Auch auf der anderen Seite der Islamdebatte macht sich Kaddor nicht beliebt. Immer wieder bekommt die Islamwissenschaftlerin Zuschriften mit dem Inhalt, sie sei keine Deutsche und solle »nach Syrien abhauen«. Unterstützung für die hier lebenden Muslime, gerade von Spitzenpolitikern, hat sie vor allem in der Diskussion um das umstrittene Buch Thilo Sarrazins vermisst. Das Statement von Bundespräsident Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, begrüßt sie. Lamya Kaddors eigene Biographie beginnt 1978 im westfälischen Ahlen. Dort wird sie als Tochter syrischer Einwanderer geboren. Als die Entscheidung ansteht, ob das Mädchen zum Gymnasium wechseln will, rät die Klassenlehrerin zur Realschule. Kaddor schreibt dazu in ihrem Blog »Lamyas Welt«, es sei keineswegs um mangelnde Leistungen gegangen: »Beinahe alle aus meinem Bekannten- und Freundeskreis mit Migrationshintergrund, die das Abitur gemacht haben, haben nach der Grundschulzeit keine Gymnasialempfehlung bekommen. Bezeichnend oder einfach nur Zufall?« Kaddor machte trotz der Widerstände das Abitur und schloss 2008 ein Magisterstudium der Arabistik und Islamwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Komparatistik an der Universität Münster ab. Sie bildete dort vier Jahre islamische Religionslehrer und –lehrerinnen aus und unterrichte selbst als Lehrerin. Sie hat am ersten islamischen Schulbuch für den Religionsunterricht mitgearbeitet und einen Kinderkoran veröffentlicht. Ihr Buch »Muslimisch – weiblich – deutsch! Mein Weg zu einem zeitgemäßen Islam« ist im vergangenen Jahr erschienen. Talkshowauftritte, Interviews, Streitgespräche, ein eigener Blog und dazu die eigene Familie mit einer Tochter – Lamya Kaddor hat sich ein beeindruckendes Pensum auferlegt. Wer das bewältigen möchte, macht gezwungenermaßen Tempo. Auch beim Vortragen.

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Missbrauchs-Opfer

Interreligiöse Konferenz Europäischer Theologinnen (IKETH)

Erfahrungen eines Betroffenen Von Jürgen Schäfer, Redakteur, NWZ, Göppingen

Der Verein IKETH wurde 2001 in der Evangelischen Akademie Bad Boll gegründet. Er ist eine konfessionell und religiös offene Gruppe von Theologinnen aus Judentum, Christentum und Islam, die sich für Geschlechtergerechtigkeit und die Gleichstellung von Theologinnen in ihren religiösen Gemeinschaften einsetzen. Zu IKETH gehören derzeit drei Organisationen und 63 Frauen aus Deutschland, Schweden, Dänemark, Niederlande, Belgien, Großbritannien, Irland, Finnland, Schweiz und Österreich. Sie alle bringen eine große Vielfalt von spirituellen, kulturellen und religiösen Erfahrungen und Traditionen in den interreligiösen Dialog ein, mit dem IKETH einen Beitrag zur friedlichen Verständigung in Europa geben will. IKETH veranstaltet jährlich eine Tagung für Mitglieder und andere interessierte Theologinnen. Aus feministisch-theologischer Perspektive werden Texte aus allen drei Religionen studiert. Einsichten aus der Wissenschaft werden mit Fragen und Erfahrungen aus der praktischen Arbeit in Gemeinden und Einrichtungen verknüpft. Wichtig ist auch der Austausch über lokale interreligiöse Projekte und die Vernetzung für zukünftige Projekte. IKETH ist im Internet präsent mit der Website www.iketh.eu sowie als Gruppe auf Facebook und LinkedIn. Interessierte Theologinnen sind herzlich eingeladen, IKETH beizutreten und daran mitzuwirken, dass IKETH noch mehr mit anderen europaweit arbeitenden Organisationen feministischer, religiöser und politischer Art zusammenarbeiten kann und Einzelne oder Gruppen gewinnt, die den interreligiösen Dialog ideell und finanziell unterstützen.

In der Evangelischen Akademie Bad Boll beschäftigten sich Ende Juni Fachleute mit sexuellem Missbrauch in Internaten, Schulen oder Vereinen. Es waren auch Opfer - Mitglieder des Vereins »Glasbrechen« – anwesend. Die Abgründe an der Odenwaldschule, die ganz Deutschland im Jahr 2010 erschüttert haben, wurden in Bad Boll beleuchtet. Ganze Generationen von Schülern waren an der Schule einem Missbrauch mit System ausgesetzt, sagt Jochen W., eines der Opfer. Und dies ausgerechnet an einer Eliteschule, die nach dem Krieg eine erste Adresse für Familien des Widerstands gegen die Nazis war und gleichzeitig offen für Kinder aus einfachen Verhältnissen. Jochen W. wurde im Alter zwischen 12 und 14 Jahren missbraucht, von einem Lehrer, der ihm »Wärme gab und ein Nest«. Missbraucht heißt in diesem Fall: begrapscht werden, Übergriffe, Annäherungsversuche. Weitergehende Gewalt konnte er zurückweisen. Und noch einmal, mit 18, widerfuhr ihm das Unglaubliche. Der Leiter der Vorzeigeschule, Gerold Becker, sei nackt neben ihm gelegen und habe ihn verführen wollen: »Ach Jochen, probier es doch mal aus. Du weißt doch gar nicht, wie schön es ist.« Bizarr: Denselben Schulleiter und Knabenschänder, der zu den oberen Zehntausend im Land zählte, der auch schon im Bundestag sprach und Astrid Lindgren in seiner Schule empfing, hatte Jochen W. ein halbes Jahr später als Prüfer im mündlichen Abitur. »Er hat mich nicht gut wegkommen lassen.« Heute ist Jochen W. 51, selbst Lehrer und Familienvater. Er trat heraus aus dem Dunkel, das über dem Missbrauch lag und das mancher Betroffene gar nicht verlassen mag, weil Schweigen

Susanne Wolf SYM 3/2011


missbrauch

bleibt man ein Leben lang - Mitglied des Vereins »Glasbrechen« weniger schmerzhaft sei. Der Schritt hat ihn Kraft gekostet. Aber Jochen W. will »kämpfen für die Schule der Zukunft«. So hat er sich für den Film »Und wir waren nicht die Einzigen« zur Verfügung gestellt. Dort schildert er als einer von sechs Betroffenen die Zustände an der Odenwaldschule – stellvertretend für 130 Missbrauchsopfer. Jochen W. hat sich der Vereinigung »Glasbrechen« angeschlossen, die gegen sexuellen Kindesmissbrauch kämpft. Es kostet ihn immer noch Kraft, auch jetzt wieder in Bad Boll. Seit 35 Jahren belastet ihn »das Leid, das ich erfahren habe«. Missbrauch, so wird in der Tagung gesagt, verjährt beim Opfer nicht. Immerhin hat es Jochen W. geschafft, den Hass auf seine Peiniger zu überwinden. Das sei wichtig zum Selbstschutz. Denn: »Hass bindet einen an den Täter«, sagt er. Manche seiner Leidensgenossen »stecken noch im Hass«. Im Publikum sitzt einer, der die Odenwaldschule als Besucher kannte. Georg Becker, emeritierter Professor Schulen müssen mehr gegen Missbrauch unternehmen Schulen, Internate und Heime, aber auch Sportvereine müssen verstärkt Maßnahmen ergreifen, um sexuellen Missbrauch zu verhindern und mit Betroffenen angemessen umgehen zu können. Das betonten Experten aus Wissenschaft und Politik bei der Tagung »Sexuelle Gewalt an Schulen« (27./28. Juni). Vertreter des Vereins »Glasbrechen«, dem Opfer von Missbrauch angehören, forderten verbindliche Vorgaben für Schulen. Außerdem müssten unabhängige Experten die Umsetzung solcher Maßnahmen beurteilen. Dr. Christine Bergmann, unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, sagte: »Jede Einrichtung, die mit Kindern SYM 3/2011

für Lehrerausbildung an den Universitäten Freiburg und Heidelberg sowie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Er hat seine Studenten in den 60er bis 80er Jahren regelmäßig zur Odenwaldschule geführt, um ihnen Reformpädagogik zu zeigen. Rückblickend graust ihn das. »Ich habe das immer als transparente Schule erfahren, ältere Schüler haben uns geführt. Es herrschte dort ein offener, radikal-demokratischer Ton.« Den Schulleiter Becker, einen Namensvetter, hat er natürlich gekannt. Heu-

te analysiert er: »Die Odenwaldschule hatte verkommene Subsysteme.« Die Enthüllungen haben Georg Becker so beschäftigt, dass er ein Buch geschrieben hat. Pädagogen mit insgesamt tausend Dienstjahren hat er interviewt, um »Sexualität an der Schule« zu fassen. Ergebnis: Keiner habe ihm gravierende Vorfälle berichtet. Georg Becker schließt daraus: »Es bleibt ein Dunkelfeld.«

und Jugendlichen arbeitet, muss wissen, wie sie sexuellem Missbrauch vorbeugt und mit Verdachtsfällen angemessen umgeht. Sexueller Missbrauch kann an jeder Schule vorkommen, das zeigen die Forschungsergebnisse.« 32 Prozent jener von Missbrauch Betroffenen, die sich an die von Bergmann geleitete Anlaufstelle in Berlin wandten, berichteten von Übergriffen in Institutionen, wiederum 24 Prozent dieser in Einrichtungen missbrauchten Männer und Frauen wurden in der Schule zum Opfer. Außerdem komme der Schule auch bei Missbrauch in der Familie eine Schlüsselrolle zu. So gaben in einer Umfrage des Deutschen Jugendinstituts (DJI) unter Schulleitern ein Drittel der Interviewten an, es habe in den vergangenen drei Jahren Verdachtsfälle von Missbrauch im familiären Umfeld von Schülern gegeben.

Die Hälfte aller Missbrauchsfälle, so die DJI-Studie weiter, käme ans Licht, weil sich Opfer an Personen aus ihrem Umfeld anvertrauten – das seien sehr oft Lehrer. »Deshalb brauchen wir mehr Fortbildung in allen pädagogischen Bereichen. Es reicht nicht aus, wenn nur ein Beratungslehrer Fachwissen hat«, betonte Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinderund Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm, einer der verantwortlichen Wissenschaftler der Begleitforschung. Ziel der Tagung war es, Konzepte zur Prävention von sexuellem Missbrauch zu erarbeiten. Veranstalter waren die Evangelische Akademie Bad Boll und die Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime. Katja Korf, PM, 28.6.2011

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onlinedokumente

Onlinedokumente auf der Internetseite der Akademie Text- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hause lesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

Text- und Audiodokument Was ist dem Menschen zuzutrauen? Das ethische Potenzial des Menschen 2.-3. Juli 2011, Bad Boll Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte sprach auf der Tagung über Das Spiel der Kräfte in der Menschenrechtspolitik. Der Vortrag, der einen lebendigen Eindruck von den internationalen Diskussionen und Problemen gibt, ist als Tondokument verfügbar. Im Blick auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima erörterte der Journalist Jens-Christian Rabe aus München das Problem des Heldentums in liberalen Gesellschaften: Heldentum in Fiktion und Realität. Warum der liberale Staat Helden braucht und Stars bekommen hat. (Textdokument)

Textdokumente Strategische Herausforderungen in der Diakonie. Zwischen Fürsorge und Wettbewerb 24. bir 25. Mai 2011, Bad Boll Die unternehmerische Diakonie steht vor vielen Herausforderungen. Die Sozialpolitik will Wettbewerb und fördert zugleich behördliche Auflagen. Der Markt entwickelt sich, aber die Wettbewerber arbeiten unter verschiedenen Rahmenbedingungen. Die Kirche erwartet wirtschaftlichen Erfolg bei hohen Personalkosten. In der Tagung ging es um die Kunst, zwischen solchen Widersprüchen erfolgreich zu führen. Im Internet sind zwei Beiträge zu der Tagung verfügbar: Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg sprach zum

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Thema Die Weiterentwicklung der Diakonie und was dazu nötig ist. Der Beitrag von Cornelia CoenenMarx, Oberkirchenrätin bei der EKD Diakonie und Kirche im Spannungsfeld von Fürsorge und Wettbewerb analysiert die Hintergründe, die zu einer zunehmend wettbewerblichen Ausrichtung unseres Sozial- und Gesundheitssystems geführt haben. Sie beschreibt den Paradigmenwechsel, der seit den 90er Jahren in unserem Sozial- und Gesundheitswesen stattfindet und der nicht nur die Strukturen diakonischer Arbeit, sondern zwangsläufig zum Teil auch den Geist betrifft. Cornelia Coenen-Marx betont, dass es bezüglich der Gepflegten wie auch der Pflegenden um den Kern dessen geht, was wir unter Menschlichkeit verstehen. Sie bringt auch die UN-Charta ins Spiel: »Es wird noch lange dauern, bis die Teilhaberechte, die in der UN-Charta für behinderte Menschen festgelegt sind, auch auf andere Hilfsgruppen übertragen werden – denn das könnte heißen, ernst zu machen und unser Sozialsystem vom Kopf auf die Füße zu stellen.«

Textdokumente Burnout begegnen. Herausforderung im betrieblichen Kontext 30. Juni bis 1. Juli, Bad Boll »Die Entwicklung hin zu einem globalen Kapitalismus hat die Lebens- und die Arbeitsbedingungen der Menschen grundlegend verändert. Diese Veränderungen betreffen nicht nur die äußere Welt, sondern haben erhebliche Konsequenzen auch für die

psychischen Innenwelten.« Mit diesen Worten beginnt das Buch »Erschöpfende Arbeit«, Gesundheit und Prävention in der flexiblen Arbeitswelt, das Helga Dill zusammen mit Prof. Heiner Keupp herausgegeben hat. Sie war Referentin auf der 4. BurnoutTagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll, zu der jährlich sehr viele Personalverantwortliche und Werksärzte, Betriebsräte und Personalräte kommen, um gemeinsam zu überlegen, welche betrieblichen Präventionen notwendig sind, um den Ursachen (betrieblichen) psychischer Belastungen begegnen zu können. Ihre Powerpointpräsentation ist auf der Website der Evangelischen Akademie Bad Boll zu finden.

Textdokumente Zeit zu handeln. Konsequenzen aus dem Kairos-Palästina-Dokument 20.-22. Mai 2011, Bad Boll Zu der Tagung sind drei Beiträge in einem Online-Dokument verbunden. 1. Kein theologischer Deckmantel über die Sünde der Besatzung –

Iris Hefets

Eine Stellungnahme aus dem christlich-jüdischen Dialog von Pfr. Friedhelm Pieper - vollständige Fassung 2. Man greift zu Boykott, wenn die Politik versagt hat. Interview mit der in Berlin lebenden israelischen Friedensaktivistin Iris Hefets von Wiltrud Rösch-Metzler 3. Kaum bei uns bekannt: Brief von 26 Elder Statesmen an den Präsidenten des Europarats vom 2. Dezember 2010

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was kommt ...

Textdokument Bestattungskultur - Abschied gestalten. Tagung der AltenPflegeHeimSeelsorgenden in Württemberg 2.-4. Mai 2011, Bad Boll Die Tübinger Professorin Dr. Birgit Weyel hielt bei der Tagung zur Bestattungskultur einen Vortrag Theologische Grundlegungen und praktische Konsequenzen. In ihrer Einführung beschreibt sie die vier Teile ihres Vortrags: 1. Zum Verständnis der Bestattung im Wandel. Hier soll es darum gehen, die Phänomene des kulturellen Wandels zu konzeptualisieren. Wie lässt sich unsere Bestattungskultur gegenwärtig beschreiben und verstehen? Die Wahrnehmung und Zusammenschau der Phänomene soll hier am Anfang stehen. 2. Die Bestattung als Kasualie. Die Bestattung wird in der Praktischen Theologie als Kasualie verstanden. Welche Implikationen hat es, wenn man die Bestattung nicht mehr als Amtshandlung versteht? Was lässt sich für das Verständnis der Bestattung gewinnen, wenn man sie nicht isoliert betrachtet, sondern mit der Taufe, der Konfirmation und der Trauung in einen Zusammenhang stellt? 3. Die Predigt zwischen Biographie und Eschatologie. Die Predigt am Grabe ist ein Spezialfall und zugleich das Paradigma der evangelischen Predigt. Von der Hoffnung auf Leben über den Tod hinaus öffentlich zu sprechen – das ist die große Herausforderung. Hier ist die Kirche bei ihrem zentralen Auftrag. Hier geht es um das Ganze. Zwar ist die Verkündigung dieser Hoffnung die Aufgabe jeder Predigt, aber die Predigt am Grab ist noch einmal etwas Besonderes, weil sie augenfällig im Angesicht des konkreten Todes eines einzigartigen Menschen geschieht. Schließlich 4. Thesen zur Gestaltung.

Was kommt? Tagungen vom 9.9.-31.12.2011 Untrügliche Zeichen von Veränderung. Chancen für eine neue Flüchtlingspolitik 9.-11. September 2011, Bad Boll Flüchtlinge werden in Deutschland noch immer ausgegrenzt und diskriminiert. Medizinische Versorgung und Unterbringung sind unzureichend; Flüchtlinge haben keinen oder nur einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung. Eine humanere Flüchtlingspolitik ist notwendig – was trägt die neu gewählte Landesregierung in Baden-Württemberg dazu bei? Tagungsnummer: 430711 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Ulrike Duchrow, Bernd Mesovic, Annette Stepputat Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/430711.pdf

Vernissage Stiftung Christliche Kunst in Wittenberg. Christliche Graphik im 20. Jahrhundert 11. September 2011, Bad Boll Die Stiftung Christliche Kunst Wittenberg wurde im Juli 2001 von dem Stifterehepaar Dr. Gisela MeisterScheufelen und Dr. Ulrich Scheufelen gegründet. Sie beinhaltet eine außergewöhnliche Sammlung von Graphiken international bekannter Künstler des 20. Jahrhunderts zu christlichen Themen. Eine Auswahl der Werke ist bis 23. Oktober in der Evangelischen Akademie Bad Boll zu sehen. Tagungsnummer: 936211 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Entwicklungspolitische Kriterien im ethischen Investment. Fachtagung zu nachhaltigen Geldanlagen 15.-16. September 2011, Bad Boll Ethische Geldanlagen orientieren sich bislang vor allem an ökologischen und sozialen Kriterien. Inzwischen gibt es auch erste Fonds, die entwicklungsSYM 3/2011

politische Kriterien berücksichtigen. Die Tagung stellt solche Geldanlagen vor und lädt zur Diskussion über die dahinter stehenden Konzepte ein. Tagungsnummer: 620811 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dr. Karin Bassler Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Morbus GKV – Heilungschancen für das Gesundheitssystem? 16.-18. September 2011, Bad Boll Gesundheitsreformen sind notwendig, um unerwünschte Entwicklungen zu korrigieren und neuen Herausforderungen zu begegnen. Aber wie muss sich das Gesundheitssystem entwickeln, damit es heilsam wirken kann? Experten stellen alternative Modelle mit Stärken und Schwächen vor. Sie entwerfen ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem, in dem Solidarität und soziale Verantwortung eine zentrale Rolle spielen. Tagungsnummer: 411411 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz, Dr. Ellis Huber, Wolf-Ingo Gobin Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/411411.pdf

Solidarisch wirtschaften Eine andere Ökonomie ist möglich 16.-17. September 2011, Bad Boll Wirtschaften zum Wohle der Menschen: Wie diese Vision in die Praxis umgesetzt wird, zeigen bei der Tagung Genossenschaften, Dorfläden, selbstverwaltete und von Belegschaft übernommene Betriebe wie hessnatur. Immer mehr Unternehmen und Projekte beweisen, dass selbstverantwortliches, solidarisches, gemeinwohlorientiertes und demokratisches Wirtschaften möglich ist. Tagungsnummer: 270311 Tagungsleitung: Jens Junginger, Reinhard Hauff, Bernhard Franke, Silke Wedemeier, Dagmar Embshoff Infos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/270311.pdf

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was kommt ... Europa ohne Ziele und Werte? Was hält die Europäische Union zusammen? 23. September 2011, Bad Boll Europa ist in der Krise. Die Schuldenkrise in der Europäischen Union ist eine schwere Belastungsprobe für den Zusammenhalt der Europäischen Staaten. Dabei zeigt sich, dass der gemeinsame Wirtschaftsraum als Grundlage für die Zusammenarbeit in der EU alleine nicht ausreicht. Welche Werte und Ziele braucht die Europäische Union darüber hinaus, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten? Tagungsnummer: 621211 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Klimawandel in Deutschland und Indien. Energisch für alternative Energien und Klimaschutz 23.-25. September 2011, Bad Boll Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit arbeitet mit Indien an einer strategischen Partnerschaft, um die globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder Energiemangel zu bewältigen. Die indische Regierung hat es bisher vermieden, sich auf klare Klimaziele festzulegen. Gibt es dennoch Chancen voranzukommen? Wie können die Interessen der Armen gesichert werden? Wie verhalten sich die Kirchen? Tagungsnummer: 640211 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Lutz Drescher, Maria Gießmann, Walter Hahn Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Kommunikation: Körpersprache als zentrales Führungsinstrument Intensivseminar für Kommunale Führungskräfte 28.-29. September 2011, Bad Boll Die Körpersprache ist ein besonders wichtiges Ausdrucksmittel. Auch für sie gilt: Man kann nicht nicht kommunizieren. Im Seminar lernen Sie, Körpersprache besser zu verstehen und Ihren Körper effektiver für Ihre Kommunikationsziele einzusetzen. Dabei stehen sowohl der öffentliche

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Ausdruck als auch der Austausch zwischen Mensch und Mensch im Mittelpunkt. Tagungsnummer: 451211 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Norbert Brugger, Dezernent, Städtetag Baden-Württemberg Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/451211.pdf

Versöhnung in Sri Lanka. Hindernisse und Perspektiven in der Nachkriegszeit in einem zweigeteilten Land 30.9.-2.10.2011, Bad Boll Offiziell ist der Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen in Sri Lanka beendet, doch die Lage bleibt gespannt. Vor allem jene Menschen, die sich für Frieden einsetzen, haben die Hoffnung verloren. Wir betrachten die Situation im Nordosten und im Süden des Landes, die Lage der Flüchtlinge und die Folgen der Militarisierung. Was kann, was will die europäische Diaspora zur Versöhnung beitragen? Tagungsnummer: 430811 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Hedwig Held, Ranjith Henayaka-Lochbihler Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Selbstheilungskräfte aktivieren – Gesundheit fördern. Mit Elementen aus Feldenkrais und Yoga 1.-3. Oktober 2011, Bad Boll Feldenkrais-Arbeit und Yoga-Praxis bereichern und vertiefen sich gegenseitig. In diesem Seminar lernen wir gemeinsame Elemente der beiden Methoden kennen: achtsames Üben, Schulung der Wahrnehmung, InKontakt-Kommen mit sich und dem Umfeld, Pflegen körperlicher und geistiger Ressourcen, Verwandeln beengender Muster zu mehr Offenheit, Toleranz und Kreativität. Tagungsnummer: 401511 Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert,

Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/401511.pdf

Abschied von der Erwerbsarbeit Aufbruch ins Morgen, Weichen stellen 5.-8. Oktober 2011, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Die Chancen der neuen Lebensphase für Beziehung, Freizeitaktivitäten und Engagement für andere zu erkennen, ist das Ziel des Seminars. Tagungsnummer: 700211 Tagungsleitung: Dr. Karlheinz Bartel, Margit Metzger Infos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax 9823323 ingrid.brokelmann@ev-akademie-boll.de

Den Tieren gerecht werden Das Mensch-Tier-Verhältnis in Christentum und Buddhismus 7.-9. Oktober, Stuttgart-Hohenheim Manche christliche Tradition versteht den Menschen als Herrscher über die Schöpfung. Gnadenlose Folgen sind Ausbeutung und Massentierhaltung. Die buddhistische Lehre gesteht Tieren eine Buddha-Natur zu mit dem Potential zur Erleuchtung. Folglich wollen Buddhisten Tiere weder schädigen noch töten. Wir versuchen, im Dialog beider Religionen den Weg zu einer tiergerechten Praxis zu finden. Tagungsnummer: 640311 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Dr. Klaus W. Hälbig Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Lernkonzepte zum Fairen Handel Material und Konzepte für den Unterricht 7.-8. Oktober 2011, Bad Boll Der Faire Handel bietet gute Möglichkeiten, die Globalisierung und ihre Probleme anschaulich zu vermitteln. An Waren wie Kaffee oder Baumwolle lässt sich zeigen, wie sich unser Verhalten auf das Leben von Menschen in anderen Ländern auswirkt. Die Tagung stellt Unterrichtsmaterial und -modelle dazu vor. Es geht um wirtSYM 3/2011


was kommt ... schaftliche Zusammenhänge in der Einen Welt und die ethische Meinungsbildung. Tagungsnummer: 501811 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Justiz und interkulturelle Kompetenz 7.-9. Oktober 2011, Bad Boll Menschen unterschiedlicher Kulturkreise treffen vor Gericht aufeinander. Hier ist interkulturelle Kompetenz gefragt, um sich zu verstehen und aufeinander einzugehen. Die Tagung thematisiert, wie interkulturelle Kompetenz in der Justiz aussehen kann. Was bedeutet sie für die Rechtsprechung? Wie können sich alle Prozessbeteiligten verständigen? Was behindert einen respektvollen Umgang miteinander? Tagungsnummer: 520811 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Globale Kreditmärkte. Vergabekriterien, Investitionsentscheidungen und Regulierungsbedarf 7. Oktober 2011, Haus der Kirche, Ulm Die globale Finanzkrise hat ganze Staaten an den Rand des Bankrotts gebracht. Welche Alternativen gibt es, um stabilere Finanzbeziehungen zwischen reichen und armen Ländern zu schaffen? Der Studientag schlägt den Bogen von weltweiter Finanzpolitik über entwicklungsorientierte, verantwortungsvolle Kredit- und Bürgschaftsvergabe bis zu kritischen Investitionen und stellt politische Kampagnen vor. Tagungsnummer: 200211 Tagungsleitung: Martin Schwarz Infos: Eliane Dörfer, Tel. (0731) 1538-571, Fax 1538-572 eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de

Engagement braucht Wissen. Tagung für Schwerbehindertenvertretungen in Betrieben, Kommunen, Schulen 12.-14. Oktober 2011, Bad Boll Die Tagung gibt Einblicke in die AufSYM 3/2011

gaben einer Schwerbehindertenvertretung. Erfahrene Kollegen und Referierende aus verschiedenen Bereichen vermitteln Kenntnisse zu Themen wie Betrieblichem Eingliederungsmanagement (BEM) oder Barrierefreiheit. Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung, ist einer der Referenten. Kooperationspartner sind der VdK und der Kommunalverband für Jugend und Soziales. Tagungsnummer: 250111 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Christa Engelhardt, Martin Schwarz Infos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-262 simon.lademann@ev-akademie-boll.de

Mitmachen Ehrensache Fit für das Botschafteramt 14.-16. Oktober 2011, Bad Boll Die Aktion »Mitmachen Ehrensache« und die Evangelische Akademie Bad Boll laden Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg ein, die sich als ehrenamtliche Botschafterinnen und Botschafter für diese Initiative an Schulen, bei Arbeitgebern und in den Medien einsetzen wollen. Das Seminar bietet Workshops, in denen öffentliches Auftreten und Kommunikation geübt werden. Tagungsnummer: 360511 Tagungsleitung: Marielisa von Thadden, Gabi Kircher, Günter Bressau Infos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de

Leben im Alter gestalten Auftrag und Möglichkeiten christlicher Gemeinden – Jahrestagung der ACK Baden-Württemberg 21.-22.10.11, Bad Boll Die Seniorenarbeit der christlichen Kirchen steht angesichts des demografischen Wandels und der gesellschaftlichen Veränderungen vor enormen Herausforderungen. In ökumenischer Zusammenarbeit fragt diese Tagung, wie Gemeinden in guter Weise für und mit älteren Menschen arbeiten und leben können. Zwei Vorträge führen ins Thema ein, in Arbeitsgruppen stellen Fachleute konkrete Beispiele vor. Tagungsnummer: 411011

Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Einführung von Umweltmanagement an Hochschulen, Workshop 25. Oktober 2011, Bad Boll Die Universität Hohenheim hat 2011 mit der Einführung eines Umweltmanagements nach EMAS begonnen. Erfahrungen anderer Hochschulen bei der Einführung sollen diskutiert werden. Ziel ist außerdem eine stärkere Vernetzung der Verantwortlichen verschiedener Universitäten und Hochschulen, die Interesse am Umweltmanagement nach EMAS haben. Tagungsnummer: 240611 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Oliver Foltin und Dr. Volker Teichert, Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft Heidelberg Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/240611.pdf

Wie Integration gelingt Für eine neue Willkommenskultur in Stadt und Land 27.-28. Oktober 2011, Bad Boll Damit Integration gelingt, brauchen wir eine neue Willkommenskultur. Die Tagung will klären, was dazu gehört und stellt Best-Practice-Beispiele aus dem In- und Ausland vor. Dazu gehören zum Beispiel Integrationsvereinbarungen und ihre Umsetzung oder Einbürgerungsveranstaltungen. Wichtig sind dabei auch die integrationspolitischen Ziele der neuen Landesregierung Baden-Württembergs, die von Bilkay Öney, Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg, vorgestellt wird. Tagungsnummer: 431111 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Ethik der Nachrichtendienste in der Demokratie 28.-30. Oktober 2011, Bad Boll Europäische Geheimpolizeien und Geheimdienste sind seit 1989 im Wan-

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was kommt ... del. Die sicherheitspolitische Lage ist eine andere als im Kalten Krieg. Bürgerbewegungen und -proteste stellen die Dienste vor neue Aufgaben, die Politik verlangt stärkere demokratische Kontrolle. Die Tagung fragt nach dieser Kontrolle, aber insbesondere auch nach der Ethik von Nachrichtendiensten in der Demokratie. Tagungsnummer: 521611 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Cilento Grand Tour. Akademiereise zu den schönsten griechischen Tempeln und dem größten Kloster in Italien 29.10.-5.11.11, Cilento/Italien Auf der Grand Tour bereisen Sie den Cilento, der etwa 100 km südlich von Neapel im Herzen Kampaniens beginnt. Der zweitgrößte italienische

Poseidontempel in Paestum – eines der Ziele der Cilento-Reise

Nationalpark gehört zum UNESCOWeltkulturerbe. Wir wohnen mitten im Dorf, genießen die lokale Küche, wandern, besichtigen und fragen nach. Zentral sind Diskussionen mit Lokalpolitikern über einen Teil Europas, der zu uns gehört und der doch so ganz anders ist. Tagungsnummer: 502111 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademieboll.de/tagungen/details/502111.pdf

Generationen im Gespräch über die Nazi-Zeit. Heilen nach »Heil Hitler«? Verletzungen in der eigenen Familie 1.-4. November 2011, Bad Boll

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Der Nationalsozialismus hat viele Familien mit seelischen Wunden zurückgelassen. Heute lebt in Deutschland die Generation der Kriegskinder mit ihren Söhnen, Töchtern, Enkeln. Wer den Krieg erlebte, hat oft Traumata davongetragen, Schuld verdrängt oder verschwiegen. So wurden seelische Belastungen an die nächsten Generationen übertragen. Können wir diese alten Verletzungen überwinden? Wenn ja, wie? Tagungsnummer: 521711 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/521711.pdf

Auf die Hüfte geschlagen Herausforderung und Sinn von Krankheit und Behinderung 7.-9. November 2011, Bad Boll Wie kann man trotz und gerade im Leiden Sinn finden? Die Tagung bietet Theolog/innen, Seelsorger/innen und Religionspädagog/innen Gelegenheit, darüber zu reflektieren. Krankheiten und Behinderungen sind Krisen. Gerade Theolog/innen können solche persönlichen Krisen jedoch als Ressourcen verstehen, aus denen eine besondere Qualifikation für Seelsorge und gesellschaftliches Engagement wächst. Tagungsnummer: 401311 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Thomas Mann Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Abschied von der Erwerbsarbeit – Aufbruch ins Morgen, Weichen stellen 9.-12. November 2011, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Die Chancen der neuen Lebensphase für Beziehung, Freizeitaktivitäten und Engagement für andere zu erkennen, ist das Ziel des Seminars. Tagungsnummer: 760211 Tagungsleitung: Sigi Clarenbach, Werner Kollmer

Infos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax 9823323 ingrid.brokelmann@ev-akademie-boll.de

Übergang Schule-Beruf: Niemand darf verloren gehen Demografie-Fachtag im Projekt REGIOdrive 10. November 2011, Bad Boll Die Veranstaltung ist eine Weiterführung des Demografie-Fachtags im Juli 2010. Dieses Mal liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Jugendliche beim Übergang von der Schule in die Ausbildung oder den Beruf. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels muss alles getan werden, damit auch Jugendliche mit schwächeren Schulabschlüssen eine Lehrstelle bekommen. Niemand darf verloren gehen. Tagungsnummer: 451311 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Friederike Winsauer Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

ADHS: Neue Erkenntnisse und Perspektiven Aktuelle Forschungsergebnisse und ihre Konsequenzen 12. November 2011, Bad Boll Gemeinsam mit Cordula Neuhaus, Therapeutin und ausgewiesener Expertin in der Forschung zu Aufmerksamkeitsdefizit mit und ohne Hyperaktivität, und weiteren renommierten Experten wollen wir den neuesten Stand der Forschung wahrnehmen und Konsequenzen für Schule, Elternhaus und öffentliche Bewertung des Phänomens ADHS entwickeln. Tagungsnummer: 501711 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Chancen und Herausforderungen für Adoptivfamilien Tagung für Adoptiveltern 12.-13. November 2011, Bad Boll Die Tagung bietet gelassenen Optimismus und einen neuen Zugang zum alltäglichen Familienchaos. Wir wollen nicht in erster Linie die Schwierigkeiten, sondern die Chancen der SYM 3/2011


was kommt ... Eltern-Kind-Beziehung in Adoptivfamilien betonen. Das Wochenende will Lust und Mut machen, Probleme in der Familie anzupacken und sich auf den eigenen Weg zu begeben. Tagungsnummer: 400811 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Ilse Ostertag Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden Selbst- und Zeitmanagement im Berufs- und Privatleben 14.-16. November 2011, Bad Boll Praktische Ethik für Menschen in Entscheidungssituationen. In diesem Seminar zeigen qualifizierte Trainerinnen, wie sich dieses Modell schrittweise üben und konkret anwenden lässt. Theorie- und Praxiseinheiten setzen konkret an der persönlichen Situation der Teilnehmenden an. Tagungsnummer: 450911 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450911.pdf

14. Architektentag 14. November 2011, Bad Boll Die Tagung bietet Fachleuten aus Architektur und Restaurierung die Gelegenheit, sich mit Vertretern der Kirche über Fragen rund um Neu- und Umbau von kirchlichen Gebäuden auszutauschen. Unter anderem geht es darum, wie die Verantwortlichen den Brandschutz auch in Baudenkmälern gewährleisten können. Tagungsnummer: 531911 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Jobst Kraus Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Das Grundgesetz und das Missverständnis der Gewaltenteilung Entwicklungen der Judikative 16.-18. November 2011, Bad Boll Das Grundgesetz garantiert die richterliche Unabhängigkeit, damit die Judikative eine bestimmte Distanz zu SYM 3/2011

Exekutive und Legislative einhalten kann. Doch üben die drei Gewalten wechselseitigen Einfluss aufeinander aus - inmitten unterschiedlicher gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Interessen. Welche Stellung hat die Rechtsprechung heute in dem komplexen Gefüge der Gewaltenteilung? Tagungsnummer: 520911 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Boller Bußtag der Künste 16. November 2011, Bad Boll siehe S. 8 Südliches Afrika. Klimagerechtigkeit und Entwicklung 18.-19. November 2011, Bad Boll Ende 2011 treffen sich Tausende Delegierte in Durban zur Weltklimakonferenz (COP 17). Das nehmen wir zum Anlass, um das südliche Afrika unter den Aspekten Klimagerechtigkeit und Entwicklung unter die Lupe zu nehmen. Welche Folgen hat der Klimawandel für Umwelt, Wirtschaft, Lebensbedingungen und soziale Gerechtigkeit? Welche Konzepte zur Nachhaltigkeit haben Kirchen und Zivilgesellschaft? Tagungsnummer: 670511 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Opfer, Schuld und Sühne Fünfzig Jahre Israelarbeit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) 18.-20. November 2011, Bad Boll Seit 50 Jahren engagiert sich die Aktion Sühnezeichen (ASF) für die Verständigung zwischen Israel und Palästina. Vertreter der ASF diskutieren mit anderen ökumenischen Initiativen, die auf diesem Gebiet arbeiten. Wie haben sich theologische und politische Vorzeichen der Friedensarbeit verändert? Haben Kategorien wie Opfer, Schuld und Sühne bleibende Relevanz für künftige Solidaritätsaktionen?

Tagungsnummer: 640611 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Christian Buchholz, Bernhard Krane, Dr. Michael Volkmann Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Fachkräfte gesucht - Potenziale, Ansatzpunkte, Akteure Wissenschaft trifft Praxis 21.-22. November 2011, Bad Boll Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich der Arbeitsmarkt erholt, der demografische Wandel verstärkt diesen Trend. In Zukunft wird es wichtig sein, ein Nebeneinander von Fachkräftemangel und verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Welche Strategien müssen im Blick auf Qualifizierung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Zuwanderung eingeschlagen werden, um Fachkräfte zu gewinnen? Tagungsnummer: 240411 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Unternehmensführung angesichts endlicher Ressourcen. Strategien und Umsetzung in der Praxis 25.-26. November 2011, Bad Boll Verantwortungsvoll mit Rohstoffen, Energie und Wasser umzugehen ist die große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Diese Ressourcen sind endlich. Gut, wer sich mit seinem Unternehmen rechtzeitig darauf einstellt. Die Tagung in der Reihe »Evangelische Beiträge zur Sozialen Marktwirtschaft« lädt zum Austausch über Strategien ein, mit denen Unternehmen natürliche Ressourcen zukunftsfähig nutzen. Tagungsnummer: 620911 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Ökologisierung Deutschlands Utopie, Vision, Handlungsnotwendigkeit 25.-27. November 2011, Bad Boll Die Debatte um Ökologie, Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung

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was kommt ... ist Jahrzehnte alt. Doch wir steuern nur im Schneckentempo in diese Richtung. Ist das ein Armutszeugnis für Gesellschaft und Politik? Oder zeigt diese Trägheit, wie mächtig Agrar-, Chemie-, Fleisch- und Autolobby sind? Unter anderen debattieren die Politiker Sigmar Gabriel, Dr. Erhard Eppler und Fritz Kuhn. Tagungsnummer: 520711 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Geschäfte und Einrichtungen nicht abwandern, die Grundversorgung der Bürger gesichert bleibt. Kommunen und Kirchengemeinden bieten sich damit neue Möglichkeiten, beim Dienst am Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten. Der Fachtag stellt konkrete Kooperationsmodelle vor. Tagungsnummer: 451411 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Martin Schwarz, Gabriele Wulz, Prälatur Ulm Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Der Intelligenz auf der Spur Kriterien für Messung und Diagnostik von Intelligenz und Schulleistung 28.-30. November 2011, Bad Boll Diese Tagung liefert Grundlagen, sich im Feld des Messens und Testens sowie den damit verbundenen Fragen fachlich sicherer zu bewegen. Neben der Vermittlung von Grundlagen stehen jeweils Bezüge zum Schulalltag im Vordergrund. Spannend ist die Möglichkeit, unterschiedliche Testaufgaben unter Realbedingungen zu bearbeiten, auszuwerten und zu interpretieren. Tagungsnummer: 500811 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/500811.pdf

Damit Kirche und Laden im Dorf bleiben. Wie ländliche Gemeinden ihre Zukunft sichern können 1.12.2011, Haus der Begegnung, Ulm Viele ländliche Gemeinden schrumpfen. Sie stehen vor der Frage, wie Ortskerne dennoch attraktiv werden,

Integration durch religiöse Bildung? Interreligiöses Lernen in Beruflicher Bildung und Arbeitswelt 2.-3. Dezember 2011, Bad Boll Interreligiöses Lernen wird in der beruflichen Bildung immer wichtiger. Hintergrund ist die Integrationsfrage und der sich abzeichnende Fachkräftemangel. Die Einwanderungsgesellschaft kann sich aber keine Bildungsreserven mehr leisten. Wichtige Akteure kommen bei der Grundsatztagung ins Gespräch: Schule und Universität, Wirtschaft und die großen Religionsgemeinschaften Judentum, Islam und Christentum. Die Tagung soll unterstreichen, dass das interreligiöse Lernen im Kontext der beruflichen Bildung eine Notwendigkeit darstellt. Tagungsnummer: 311211 Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Dr. Dieter Heidtmann Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Advent – Zeit unsere Herzenstüren zu öffnen 3.-4. Dezember 2011, Bad Boll Advent als Vorbereitungszeit auf die Geburt Jesu. Zeit, zu bedenken, was uns in diesen Wochen besonders wichtig ist. Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen, Lieder singen und Erzählungen genießen. Tagungsnummer: 020911 Tagungsleitung: Volker Stücklen, Ines Römpp Infos: Karin Nitsch, Tel. (07164) 79-206, Fax 79-5206

Mit Zielen zum Ziel Die eigene Vision des Lebens entwickeln und verwirklichen 5.-6. Dezember 2011, Bad Boll In diesem Seminar zum zielorientierten Selbstmanagement vermitteln erfahrene Referentinnen, wie Sie Ihre Pläne umsetzen, damit Sie beruflich und privat verwirklichen können, was Sie sich vorgenommen haben. Mit Hilfe von theoretischem Input, praktischen Übungen und individuellem Feedback bestimmen Sie Ziele und den Weg zu ihrer Umsetzung. Tagungsnummer: 450611 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Todesursache Verkehrsunfall Verkehrssicherheit in Deutschland 5.-6. Dezember 2011, Bad Boll Das Auto ist das Fortbewegungsmittel Nummer 1 in unserem Land. Die Zahlen der Verkehrstoten gehen seit Mitte der 70er Jahre beständig zurück, aber immer noch ist ein Verkehrsunfall die häufigste Todesursache bei Menschen unter 50 Jahren. Welche Maßnahmen helfen? Mehr Geschwindigkeitskontrollen? Ein absolutes Alkoholverbot für (junge) Autofahrer? Ein generelles Tempolimit? Tagungsnummer: 521011 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Die Bedeutung des Opferschutzes in Justiz und Politik Anforderungen an die Zeugen- und Prozessbegleitung 8.-10. Dezember 2011, Bad Boll Das Strafverfahren dient nicht nur dazu, die Wahrheit zu ermitteln und Täter zu überführen. Vielmehr erkennen auch Justiz und Politik immer deutlicher, dass der Schutz des Opfers eine wichtige Funktion des Prozesses ist. Mittlerweile zeigen Erfahrungswerte und wissenschaftliche Erkenntnisse, mit welchen Mitteln

karin.nitsch@ev-akademie-boll.de

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rezept – aus der akademie Opfer während eines Gerichtsprozesses aktiv geschützt werden können. Tagungsnummer: 521411 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Europäische Kirchen und Menschenrechte Protestanten, Orthodoxe und Katholiken im Dialog 9.-11. Dezember 2011, Bad Boll Zwischen den europäischen Kirchen gibt es eine lebhafte Diskussion über das Verhältnis von Menschenrechten und christlichem Glauben. Auslöser der Debatte ist die Menschenrechtslehre der russisch-orthodoxen Kirche. Die Tagung bringt hochrangige Vertreter und Experten der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirchen zum Dialog zusammen. Tagungsnummer: 620511 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Wolfgang Wagner Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Unternehmen und Menschenrechte 15. Dezember 2011, Bad Boll Wenn Unternehmen gegen Gesetze und Verordnungen verstoßen, haften sie dafür. Das ist selbstverständlich. Doch was geschieht, wenn Firmentöchter oder Zulieferer im Ausland Menschenrechte verletzen oder die Umwelt zerstören? Wie können Unternehmen solche Vergehen verhindern? Die Tagung informiert darüber, wie Firmen Menschenrechte und vergleichbare Rechtsnormen schützen können. Tagungsnummer: 621111 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Generationen im Dialog 26. Lesbentagung 15.-18. Dezember 2011, Bad Boll Jüngere und ältere Lesben tauschen Erfahrungen über die Generationen hinweg aus. Manche Themen stellen

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sich in bestimmten Lebensaltern, wie Familiengründung oder Wohngemeinschaft fürs Alter, während Erfahrungen rund um das Coming-Out immer aktuell werden können. Gewinn für alle Generationen liegt im Dialog auf Augenhöhe, der mit Neugier und Wertschätzung geführt wird. Tagungsnummer: 530411 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Aus der Akademie Abschied von Volker Steinbrecher Pfarrer Volker Steinbrecher war zehn Jahre Studienleiter in der Evangelischen Akademie Bad Boll und Sportbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Seit Anfang August nimmt er eine neue Aufgabe wahr: Er vertritt die beiden evangelischen Landeskirchen bei Landtag und Landesregierung in Baden-Württemberg und folgt damit Wolfgang Weber nach, der 2010 überraschend verstorben war.

Türkische Bohnen 4 Personen Zutaten geputzt gewogen Zutaten 500 g breite grüne Bohnen 250 g frische, gewürfelte Tomaten (oder Dose) 150 g gehackte Zwiebeln 2 zerdrückte Knoblauchzehen 50 ml Olivenöl 50 ml Zitronensaft 1 TL Salz frisch gemahlener Pfeffer 1 Msp Chilipulver Zubereitung Die Bohnen je nach Größe ganz lassen oder schräg halbieren Hälfte der Bohnen in einen Topf geben, in die Mitte eine Vertiefung drücken Tomaten und Zwiebeln in die Vertiefung geben Restliche Bohnen darauf geben Öl, Zitronensaft und Gewürze verrühren und übergießen Bohnen zum Kochen bringen und im gut verschlossenen Topf bissfest garen Nicht umrühren Die Bohnen passen lauwarm gut zu gegrilltem Fleisch oder auf jedes Sommerbüffet Guten Appetit! Ingrid Hess

Volker Steinbrecher fing in der Akademie im Bereich Freizeit/Sport/Vereine an, der 2006 in den Bereich Freizeit/Sport/Tourismus überging. Zu seinen Aufgaben gehörten in den ersten Jahren vor allem die Begleitung von Vereinen, Gottesdienste und Tagungsarbeit. Er baute viele Kontakte auf und lernte bei Tagungen, die er gemeinsam mit dem Kultus- und Sozialministerium durchführte – zum Beispiel bei der Tagung ›Aktiv und glücklich älter werden‹ – »wie die Ministerien ticken«. In der Anfangszeit organisierte er außerdem die Studienkurse Kirche und Sport in Sils Maria für Sportfunktionäre, kirchliche Mitarbeiter, Pfarrer und Sportwissenschaftler. Die spektakulärste Tagung, die Steinbrecher durchführte und die die meisten Journalisten in der Akademiegeschichte seit 1968 anzog, war »Fußball unterm Hakenkreuz – Aus der Geschichte lernen« im April 2006 mit Theo Zwanziger, Wolfgang Schäuble, Dr. Joachim Gauck, Moshe Zimmermann und anderen bekannten Persönlichkeiten. Weitere stark beachtete Tagungen waren »Peking 2008 – Eine sportjournalistische Herausforderung« zur Olympiade in China, in der es u. a. um Menschenrechte in China ging, und eine Tagung zu Doping. Wenn in den Osterferien der Parkplatz für Autos gesperrt wurde und Inlineskater ihre Runden drehten, war klar, dass Steinbrecher wieder die beliebte Inline-Online-Woche durchführte.

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aus der akademie schäftsführende Pfarrstelle an der evangelischen Stadtkirche in Tuttlingen. Dies ist für Junginger kein fremdes Terrain. Hier wohnt er mit seiner Familie und hier war er bereits von 1995 bis 2003 im Pfarrdienst in der Versöhnungskirche. Seine Investitur wird am 11. September um 10 Uhr gefeiert.

Hier ging es um neue Medien, Bewegung und die Frage, wie sich die Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern verbessern kann – im Sinne von gegenseitigem Lernen. Steinbrecher leitete verschiedene Arbeitskreise, zum Beispiel den ›Landesarbeitskreis Kirche und Sport in Württemberg‹. Steinbrecher dazu: »Dieser sucht mit über 20 Persönlichkeiten aus Politik, Kirche, Sport und Gesellschaft in Deutschland seinesgleichen.« Er bearbeitete natürlich auch die klassischen Themen an der Schnittstelle von Kirche und Sport: Sonntagsschutz, Gemeinschaft und Familie. Und last not least koordinierte Volker Steinbrecher alles, was die Fußball-WM und Kirche betraf, sowohl bei der WM 2006 als auch in diesem Jahr bei der Fußball-WM der Frauen. Auf die neue Stelle freut sich der Vater von drei Söhnen. »Da bin ich Brückenbauer zwischen Kirche und Politik, eine spannende Herausforderung«, sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Martina Waiblinger

Abschied von Jens Junginger Nach acht Jahren engagierter Arbeit als Wirtschafts- und Sozialpfarrer im Prälaturstandort Reutlingen musste Jens Junginger, der Vorsitzende des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) Württemberg*, den nach dieser Zeitspanne für Sonderpfarrstellen vorgesehenen Abschied nehmen. Am 1. September übernimmt er die ge-

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Die Stelle, die Junginger 2003 in Reutlingen antrat, war zuvor drei Jahre vakant: »Es gab kein Büro, keine Infrastruktur, nichts, an das wir hätten anknüpfen können.« Allerdings hatte er Vorerfahrungen aus der Integration von Arbeitslosen in Arbeit bei dem Verein »Brücke – christliche Initiative für Leben und Arbeit«. Eine andere Erfahrung, die ihm beim Einstieg half, war die Arbeit als Diakoniepfarrer im Kirchenbezirk Tuttlingen und die Erwerbslosenarbeit in Tübingen/ Reutlingen, wo er für eine eigenständige Rechtsberatung für Erwerbslose gekämpft hatte. Zunächst informierte sich Junginger über die Betriebe in der Region und machte Besuche in Betrieben, bei der IHK, bei der IG Metall und bei verschiedenen Veranstaltungen. Dabei machte er eine überraschende Erfahrung: »Ich habe überall eine offene Türe gefunden. Immer hieß es: Es ist toll, wenn jemand von der Kirche vorbeikommt.« Junginger hat es in den acht Jahren geschafft, die Beziehungen zwischen Kirche, Arbeitswelt und Akademie auf eine neue Ebene zu stellen, die inzwischen verschiedene Früchte trägt. Es entstand ein Netzwerk und es entwickelten sich Gesprächskreise, z. B. die regelmäßig stattfindenden Reutlinger Gespräche mit dem Arbeitskreis evangelischer Unternehmer (AEU) sowie institutionelle Beziehungen zwischen Kirchen und Gewerkschaften. Neu installiert wurde ein Praktikum für Pfarrer und Pfarrerinnen in Berufsschulen. Sie machen ein einwöchiges Betriebspraktikum, das von allen als hilfreich und bewusstseinserweiternd beurteilt wird. Als vor acht Jahren langsam klar wurde, dass Hartz IV kommen würde, hat die Kirche laut Junginger »die Brisanz der Thematik noch gar nicht erkannt.« Mit der Landeskirche hat er zweimal

Jens Junginger am 1. Mai 2008 in Reutlingen – Beim Abschied im Hohbuch-Gemeindehaus wurde verschiedentlich Kritik daran geübt, dass es keine flexiblere Handhabung bei der Befristung der Sonderpfarrstellen gibt, damit Netzwerke und Vertrauen länger genutzt werden können.

das »Sozialforum« gemacht – Tagungen, bei denen es um die kirchliche Verantwortung für soziale Verwerfungen und um Wirtschafts- und Sozialpolitik ging. Daraus ist eine Projektstelle »Armut und Teilhabe« im Diakonischen Werk entstanden. Viele kleine Schritte haben schließlich dazu geführt, dass die Württembergische Landessynode 2010 das Thema »Reichtum braucht ein Maß« auf der Tagesordnung hatte. »Das verbuche ich auf der Habenseite«, meint Junginger im Rückblick und konstatiert, dass in der Kirche heute die Themen Armut und Arbeit auf der Agenda stehen. Jungingers Büro wurde immer wieder von Beschäftigten und Betriebsräten aufgesucht, wenn es Konflikte im Betrieb gab. Er begleitete Belegschaften in Krisensituationen, und anlässlich einer Standortschließung in Rangendingen richtete er mit dem Betriebsratsvorsitzenden einen Runden Tisch für ein Qualifizierungsprogramm und eine Job to Job Vermittlung ein, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die Entlassenen mussten sich nicht durch die Instanzen mit ungewissem Ausgang kämpfen und wurden in neue Jobs vermittelt, wo sie ihre Kompetenzen einbringen konnten. Mit dem Personalchef der Walter AG, Werner Hahn, hat er den unbefristeten Wiederereinstieg Entlassner organisiert. SYM 3/2011


publikationen - buchtipps Junginger engagierte sich für den arbeitsfreien Sonntag, setzte die Themen Grundeinkommen und Demografischer Wandel – ein Thema, das den Betriebsräten anfangs fremd war –, und stellte das kirchliche Arbeitsrecht, den »Dritten Weg«, auf den Prüfstand. Zuletzt ging es ihm um die Folgen der Arbeitsmarktreformen und die Themen Mindestlohn und Existenz sichernde Arbeit. In der Tagungsarbeit wirkte Jens Junginger vor allem an den Arbeitsmarkttagungen mit dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) mit und einmal jährlich lud er ein zu Workshops, in denen es um ethisches Verbraucherverhalten in globalisierten Zeiten ging. Handlungsbedarf in der KDA-Arbeit sieht er vor allem für Firmen, bei denen es um Entlassungen, Standortverlagerungen und Umstrukturierungen geht. Diese Themen sind absolut tabu. Gerade hier geht es aber um die Menschen, die ganz persönlich betroffen sind. Neben allem, was Jens Junginger angestoßen hat, sieht er seinen größten Erfolg in der Tatsache, dass die Frage: »Soll es den KDA überhaupt noch geben?« schließlich von der Kirchenleitung positiv beantwortet wurde. Die Relevanz des Themas Arbeit und Kirche hat Jens Junginger maßgeblich beeinflusst. Martina Waiblinger *Der KDA ist ein Fachdienst der Evangelischen Akademie mit vier Standorten und vier Stellen.

Buchtipps edition akademie 30 Flucht und Migration durch Klimawandel. Eine globale Herausforderung Hrsg. Dr. Manfred Budzinski 13,00 Euro, Bad Boll, ca. 90 Seiten, ISBN 978-3-936369-38-0 Es ist unumstritten, dass weltweit ein Klimawandel stattfindet. Absehbar und schon heute deutlich sind die Flucht- und Migrationsbewegungen, die unmittelbar durch den Klimawandel oder indirekt durch ihn entstehen. Bei der Tagung »Flucht und Migration durch Klimawandel« im September SYM 3/2011

2010 in der Evangelischen Akademie Bad Boll wurden – auch anhand von Auswirkungen des Klimawandels in Ländern und Regionen – Kriterien für einen menschenwürdigen Umgang mit Klimaflüchtlingen und für ihren wirksamen Schutz definiert, Handlungsnotwendigkeiten und -empfehlungen für politische Akteure sowie für Nichtregierungsorganisationen formuliert, und es wurde überlegt, was die aufgezeigten Szenarien für die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik bedeuten.

Warum man an Musik nicht sparen kann. Musik ist wichtig. Integration durch musikaliosche Bildung. Eine Dokumentation der Tagung vom 26. bis 28. Januar 2011 mit den mitgeschnittenen Vorträgen, kleinen Interviews, musikalischen Auftritten und den gezeigten Videos kann bei Brigitte Engert für 10 Euro erworben werden: 07164 79-342, brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Naim Stifan Ateek Gerechtigkeit und Versöhnung – Eine palästinensische Stimme AphorismA Verlag, Berlin 2010, 200 Seiten, 15.00 Euro Es gibt keinen besseren theologischen Kommentar zum im Dezember 2009 von den Bischöfen aller palästinensischen Denominationen veröffentlichten Kairos-Palästina-Dokument als dieses Buch von Naim S. Ateek. Charakteristisch für jede Form von Befreiungstheologie ist die stete Verknüpfung von theologischer Reflexion mit der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Realität. Deshalb erfahren selbst Experten von Ateek viel Neues über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Dennoch kommt die theologische Wissenschaft und vor allem die bibeltheologische Argumentation bei Ateek nie zu kurz.

Als Ateek 1985 von seinem Doktorandenstudium aus den USA zurückkehrte und Pfarrer an der anglikanischen St. Georgs-Kathedrale in Jerusalem wurde, intensivierte er die Zusammenarbeit mit Theologen und Nichttheologen anderer christlichen Denominationen in Palästina und gründete jene Gruppe, die sich ab 1993 »Sabeel« (arab. = Weg und Quelle) nannte. »Von Anfang an«, so Ateek, »hat der christliche Glaube Juden und Christen die Augen geöffnet.« Damals entdeckten die Mitglieder beider Gruppen, dass Gottes ursprüngliches Ziel schon immer darin bestand, eine Menschheit in Christus zu haben. Diese durch Jesus eröffnete und im Neuen Testament entfaltete Sicht, die in Juden und Heiden die gemeinsamen Erben Gottes erkennt, bezeichnet Ateek als »inklusiv«. Solche inklusiven Aussagen finden sich jedoch nicht nur bei Jesus und im Neuen Testament. Für Ateek und Sabeel ist es die Aufgabe christlicher Theologie, die auf Jesus und das NT vorausweisenden inklusiven Aussagen des AT, wie z. B. Lev. 24,23b und Ez 47,21ff, die den Nichtjuden neben den Juden Lebensraum im Lande gewähren, gegenüber den nationalistisch beschränkenden exklusiven Textstellen hervorzuheben. Obwohl der christliche Zionismus in den USA mindestens 30 Millionen Anhänger hat, fand er bei hiesigen Theologen kaum Beachtung. Für palästinensische Christen ist die Auseinandersetzung mit dieser »fundamentalistischen theologischen Position« jedoch eine Existenzfrage, weil der christliche Zionismus vorbehaltlos die jüdische Einwanderung und Siedlungspolitik samt den kriegerischen Handlungen Israels unterstützt und das Lebensrecht der Palästinenser zwischen Mittelmeer und Jordan bestreitet. Für Ateek ist klar, dass hier die Bibel »eher als Instrument der Unterdrückung« statt »der Befreiung« benutzt wird. (S. 132) Die konkrete Erfahrung der israelischen Besatzung lässt Ateek und die Sabeel-Gruppe den jungen Mann aus Nazareth neu und deutlicher sehen. Jesus lebte unter römischer Besatzung, wurde von deren Soldaten hingerichtet und sah sich ähnlichen Optionen

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briefe konfrontiert wie heute die unter israelischer Besatzung Lebenden. Jesus Weg heißt »Eintreten für Gerechtigkeit und Wahrheit, ohne zum Schwert zu greifen, das heißt dem Bösen widerstehen, ohne die Wege des Bösen zu gehen.« (S. 137) Ateek idealisiert nie die eigene Seite, sondern bleibt als Palästinenser stets selbstkritisch. Bemerkenswertes Beispiel hierfür ist das Kapitel »Samson, der erste Selbstmordattentäter«. (S. 163ff) Im letzten Abschnitt des Buches (S. 249-262) geht es um die Zukunft der Palästinenser und Israels. Auch hier, wo aktuelle politische Pläne diskutiert werden, bedient sich Ateek der Bibel als Kompass. Wird man künftig den exklusiven Vorstellungen Nehemias (Neh 2,19f) folgen, oder gelingt es, ein neues Jerusalem nach der Vision des Ps 87 zu bauen, in dem die beiden Völker und die drei Religionen Platz haben und im Frieden miteinander leben? Solche Vorstellungen greifen freilich weit über die gegenwärtig diskutierte Ein- bzw. Zwei-StaatenLösung hinaus, denn sie setzen wechselseitige Vergebung und Versöhnung voraus. Ateeks großes Plädoyer für eine gewaltfreie ›Theopraxie‹ (Desmond Tutu, der das Vorwort geschrieben hat) trägt deshalb zu Recht den Titel ›Gerechtigkeit und Versöhnung‹. Sören Widmann

Ulrich Kadelbach Bethlehem zwischen Weihrauch und Tränengas. Als ökumenischer Begleiter in Palästina 204 Seiten, Gerhard Hess Verlag, 2011, 17.40 Euro Ulrich Kadelbach, ehemaliger Nahostreferent im Evangelischen Missionswerk in Südwestdeutschland, war 2010 für drei Monate als ökumenischer Beobachter in Palästina. In dem Buch berichtet er eindrücklich von seinen Erfahrungen als Beobachter am Grenzübergang zwischen Bethlehem und Jerusalem, von Begegnungen, Leid und Hoffung. Eingebettet sind Hintergrundinformationen zur Geschichte und zur nahöstlichen Besiedlung. Buchvorstellung: 9. September, 19.30 Uhr, Haus der Kath. Kirche, Stuttgart, Königsstraße

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Briefe an die SYM Redaktion Liebe KollegInnen aus der Akademie, mit großem Interesse lese ich immer wieder gerne Euer Magazin: die Texte sind gut und informativ, sie geben bildhafte Einblicke ins Geschehen und Denken der Akademie. Die Themen sind anregend und motivierend und machen Lust auf eine Tagung in der schönen neuen Akademie. Ein Ort des Dialogs, der Meditation, des Gespräches, des Streites, der Aufmerksamkeit, der Achtsamkeit und des guten Essens, dem ich gerne viele Besucherinnen und Besucher wünsche. Und wer nicht hingehen kann, tobt sich in der interessant gemachten Homepage aus. Links, Downloads ... schnell gefunden, schnell geladen. Danke für die gute Arbeit! Heinz Gerstlauer, Vorstandsvorsitzender eva, Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V.

Sehr geehrte Frau Waiblinger, Ich weiß nicht, ob mein Name Ihnen etwas sagt – ich bin als Religionssoziologe einigermaßen in Deutschland bekannt. Jemand in Bad Boll schickt mir regelmäßig Ihr Magazin »SYM« – ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken. Es interessiert mich sehr, die Aktivitäten der Akademie dadurch verfolgen zu koennen. Bad Boll ist eine wichtige Station in meinem professionellen Lebenslauf gewesen. Dort war mein erster richtiger Job als Soziologe, 1955/1956. Eberhard Müller hatte mich beauftragt, eine Studie in Reutlingen über Beruf und Kirchenzugehörigkeit zu unternehmen. Und während dieser Zeit war ich auch oft bei verschiedenen Veranstaltungen in Boll. Nicht zuletzt lernte ich in diesem Jahr meine Frau kennen; sie war damals Studentin in Stuttgart. Ich denke mit

viel Freude an diese Zeit zurück; sie hat mich in allerlei Hinsicht mitgeprägt. Ich war seit damals ein oder zwei Mal wieder da; das liegt nun auch mehrere Jahre zurück. Ich hoffe, irgendwann wieder aufzutauchen; ich bin öfters in Deutschland. Mit herzlichen Gruessen, Ihr Peter Berger, University Professor of Sociology, Emeritus, Boston University

Impressum SYM Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 8. Jahrgang 2011, Heft 3/2011 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Joachim L. Beck) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotonachweis: Marinko Belanov: S. 22 (re), Denis Bury: S. 6 (re), Thierry Chassepoux: S. 6 (li), Thilo Fitzner: S. 18, Fotolia: S. 10, Katja Korf: S. 11, Birgit Meinke: S. 4, Privat: S. 22 (li), Dierk Schäfer: S. 13, Martina Waiblinger: S. 2, 3 (2), 7 (2), 8, 9, 14, 19, 20

SYM erscheint vierteljährlich. Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. 07164 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. 07164 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach SYM 3/2011


meditation

Herr, ich bin nicht wert, dass ...

Der Hauptmann von Kapernaum. Egbert-Kodex, um 980

Von Wolfgang Wagner Psalm 67 nach EG 768 »Gott, du bist freundlich zu uns«. Herr, ich bin nicht wert, dass Du unter mein Dach gehst, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Nach Matthäus 8, 8. Mit diesem Vers beten wir Evangelische mitunter in der Abendmahlsliturgie, die Katholiken regelmäßig in der Messe. Er drückt einerseits aus, dass wir uns vor dem Göttlichen bescheiden zeigen, andererseits aber alles Heilsame von Gott erwarten. Die meisten werden vermuten, dass es ein Vers aus der Bibel ist. Doch aus dieser wird ungenau zitiert. Besser gesagt: Der Vers wird frei übertragen, aus dem Zusammenhang genommen und für das eigene Leben nutzbar gemacht. Das ist auch richtig so. Es lohnt sich aber – auch aus aktuellem Anlass – einmal in den biblischen Zusammenhang zu schauen. Der Vers stammt aus der bekannten Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum, die dreimal etwas unterschiedlich in den Evangelien erzählt wird. In Mt. Kapitel 8, 5-13 heißt es: »Als Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm…«. Dieser Offizier der Besatzungsmacht war ziemlich sicher ein Römer, jedenfalls kein Jude. »…der bat ihn und sprach: ›Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen‹«. Jesus, der sich eigentlich nur zu seinem jüdischen Volk gesandt weiß, antwortet: »Ich will kommen und ihn gesund machen.« Seltsamerweise bittet der Hauptmann Jesus aber nicht in sein Haus oder Lager, sondern antwortet: »Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.« Eine seltsame Reaktion! Respektiert er die Reinheitsvorschriften, die einem Juden den Kontakt zu Heiden verbieten? Vielleicht gibt es einen weiteren Grund, den die antike Kulturgeschichte uns offenbart.

Welches Verhältnis hat der Hauptmann zu dem Knecht, der auch Junge oder Sohn genannt wird? Nun, es war üblich, dass sich römische Offiziere im Lager Lustknaben hielten, da sie oft monatelang von zuhause weg waren und ihre Frauen nicht mitnehmen durften. Manchmal gab es ein echtes Liebesverhältnis zu den Jungen, die die Rolle einer Frau übernahmen. Am Offiziersstammtisch wurden Witze gemacht, wann ein solches Verhältnis am schönsten ist: »Wenn der Bart noch nicht sprosst«. Wenn wir das bei Römern übliche, bei Juden aber verbotene homosexuelle Verhältnis bedenken, bekommt der Satz einen ganz neuen Sinn. »Ich weiß, dass ihr uns verachtet. Erspare mir diese Begegnung.« Wie auch immer: Jesus geht mit liebevoller Rücksichtnahme darauf ein. Er grenzt Homosexuelle und Andersgläubige nicht aus. Ich würde diese Auslegung gern denen vortragen, die gegenwärtig unsere Landeskirche etwa in der Landessynode in eine peinliche Debatte über Homosexualität verstricken. Laut »Stuttgarter Zeitung« nehmen sie gar eine Kirchenspaltung in Kauf. In mei-

ner Jugend wurde Homosexualität unter Männern mit Strafe verfolgt. Seit sich 1979 auf dem Nürnberger Kirchentag die Gruppe »Homosexualität und Kirche« vorgestellt hat, setzte allerdings ein Umdenken ein. Dabei ist mein rationales Denken meinen Empfindungen immer noch voraus. Seit mir aber ein schwuler Vikarskollege sein Leiden an der Diskriminierung anvertraute, trete ich für das Menschenrecht auf selbstbestimmte Sexualität ein. Es müssen jetzt die den Mund aufmachen, die nicht selber betroffen sind. Sicher müssen wir auch unsere Sexualität ethisch betrachten und ganz gewiss unsere geschlechtlichen Beziehungen kultivieren. Aber die vielbeschworene christlich-kleinbürgerliche Moral hat immer nur zu Heuchelei und Unterdrückung geführt. Sie kann sich offenkundig nicht auf Jesus berufen, der ohne Ansehen der Person geholfen hat. Vielleicht denken Sie nächstes Mal daran, wenn Sie beim Abendmahl diesen Vers hören oder sprechen: »Herr, ich bin nicht wert,….« P.S.: Die Anregung zu dieser Auslegung verdanke ich Herrn Pastor i.R. Karsten Sohrt aus Kiel Wolfgang Wagner ist Studienleiter in der Evangelischen Akademie Bad Boll


Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11 73087 Bad Boll Postvertriebsstück 64670 Entgelt bezahlt

Die Evangelische Akademie Bad Boll aus der Vogelschau Seit diesem Sommer hat die Evangelische Akademie Bad Boll wieder Fotos aus der Vogelperpsektive. Nachdem der neue Südflügel fertig gestellt und die Anlagen um die Gebäude wieder begrünt waren, wurde der Luftfotograf Werner Feirer beauftragt, aus der Luft Fotos von der Evangelischen Akademie zu machen. Verschiedene Male schwang sich der Fotograf mit einem Gleitschirm in die Höhe, um die Akademie im neuen Outfit zu fotografieren. Zwei der Motive sind nun auch als Postkarten erhältlich.


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