SYM 2013-1

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ISSN 1613-3714

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Einzelpreis € 3.-

Schwerpunktthema Inklusion - ohne Angst verschieden sein können Inklusion: Lernherausforderung für die Schule als System Der Paradigmenwechsel braucht Zeit Auf die Kommunikation kommt es an! Ohrenkuss – ein Magazin von Menschen mit Downsyndrom Inklusionsoffensive beim Kreisjugendring Esslingen Tagungsvorschau Dorothee Sölle Werk und Wirkungen Fachtag zum Messie-Syndrom

Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service

Inklusion - ohne Angst verschieden sein können Januar

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2013


inhalt

aktuell ...

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Prof. Dr. Jörg Hübner ist neuer Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll Bischof July begrüßt entwicklungspolitische Leitlinien des Landes Akademiedirektor Hermann Düringer in den Ruhestand verabschiedet

Rückblende Rückblick auf vergangene Tagungen

Onlinedokumente

Lesbische Familie mit Kind 14

3 Ein Mensch ist erst tot, wenn er vergessen wird

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Was kommt ... 5 Vorschau auf Tagungen in der

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Zeit vom 8. März bis 27. Juli 2013

Ausstellung

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Karl-Heinz Bogner Malerei, Zeichnung, Collage

Aus der Akademie

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Publikationen

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Impressum

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Meditation

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Karl-Heinz Bogner: Ohne Titel, 2009, Collage/Mischtechnik, auf Papier, 37 x 47 cm

Schwerpunkt: Inklusion – ohne Angst verschieden sein können

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Inklusion: Lernherausforderung für die Schule als System Der Paradigmenwechsel braucht Zeit – muss aber jetzt angepackt werden Auf die Kommunikation kommt es an Leichte und leicht verständliche Sprache – ein Menschenrecht Ohrenkuss. Das Magazin von Menschen mit Downsyndrom Inklusionsoffensive des Kreisjugendrings Esslingen Gemeinschaftsschule in Bad Boll Erfahrungen von Thomas Schnell

Titelbild Foto von Mathias Bothor, Fotograf Mitglieder der Redaktion Ohrenkuss

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editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, Ende November hat das Kuratorium der Evangelischen Akademie Bad Boll den 50-jährigen Theologen Prof. Dr. Jörg Hübner zum neuen Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll gewählt. Am 1. Juni wird er seinen Dienst antreten und am 23. Juni findet die Investitur durch den Landesbischof Frank O. July in der Akademie statt. Im weiteren Verlauf des festlichen Nachmittags werden auch thematische Akzente gesetzt: Wirtschaft und gesellschaftliche Verantwortung aus der Sicht der Wirtschaftswissenschaft, der Sozialforschung und der weltweiten Perspektive. Wir wünschen Herrn Hübner einen guten Anfang und freuen uns sehr auf die neuen Impulse, die er in unsere Akademie bringen wird. In der Zwischenzeit des Wechsels in der Direktion, in der ich kommissarisch die Leitung der Akademie innehabe, mussten bereits wichtige Entscheidungen getroffen werden: nach dem Ausscheiden der Pressesprecherin Katja Korf und der Leiterin des Tagungszentrums Dagmar Heft wurden diese Stellen neu besetzt – Details finden Sie bald auf unserer Website. Ausgehend von einer 12-teiligen Tagungsreihe »Inklusion und Schule«, die Studienleiter Thilo Fitzner verantwortet, befasst sich diese Ausgabe von »SYM« mit dem Thema »Inklusion«. »Ohne Angst verschieden sein können« – so hat Adorno beschrieben, was der Begriff bedeuten könnte und diese Botschaft kommt auch in den hier versammelten Beiträgen zum Ausdruck. Die Entstehung des Inklusionsbegriffs kommt aus den USA – Anfang der 70er Jahre haben sich dort Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen für die volle gesellschaftliche Teilhabe eingesetzt und ab 1975 Änderungen in der Gesetzgebung erwirkt. Im Bildungsbereich kam der Begriff erst im Jahr 1994 auf der UNESCO-Weltkonferenz in Salamanca auf die Agenda. Hier wurde Inklusion als wichtigstes Ziel der internationalen Bildungspolitik festgehalten. Entscheidend sollte aber die UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen werden, die im Dezember 2006 verabschiedet wurde. Seit 26. März 2009 ist die UN-Konvention für alle Bundesländer in Deutschland gültig und seit 2011 gibt es einen »Nationalen Umsetzungsplan«. Für viele Schulen ist dies kein einfacher Prozess – manch ein Chemielehrer muss sich erst daran gewöhnen, dass er auch Maßnahmen zur Inklusion aller Schülerinnen und Schüler ergreifen muss und nicht nur für das fachliche Know-how zuständig ist. Es ist aber nicht nur der Fachlehrer – die ganze Gesellschaft muss sich das Denken der Inklusion zu eigen machen. Es handelt sich um einen Paradigmenwechsel, der überall – nicht nur in der Schule – eingeübt werden muss. Einige Aspekte werden in diesem Heft thematisiert. Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

Ihr Dr. Günter Renz SYM 1/2013

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aktuell Prof. Dr. Jörg Hübner ist neuer Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll Prof. Dr. Jörg Hübner übernimmt am 1. Juni 2013 das Amt des Direktors der Evangelischen Akademie Bad Boll. Das Kuratorium der Akademie wählte den 50-jährigen Theologen aus dem Rheinland als Nachfolger von Joachim L. Beck. Hübner stammt aus Krefeld. Er studierte Theologie an der Universität Bonn und ist seit 1992 Gemeindepfarrer in Neuss. Seit 2003 lehrt er zudem Systematische Theologie und Sozialethik an der RuhrUniversität Bochum, 2010 berief ihn die Hochschulleitung zum außerordentlichen Professor. Als Mitglied der EKDKammer für nachhaltige Entwicklung arbeitete Hübner an Positionen der Evangelischen Kirche zu den Themen Nachhaltigkeit und Globalisierung mit. Er ist Mitherausgeber des Evangelischen Soziallexikons und Autor von Schriften zur Finanz- und Weltwirtschaftsethik. Hübner ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Fachgebiete Sozial- und Wirtschaftsethik sowie nachhaltige Entwicklung sieht der angehende Akademie-Direktor als Stärken der Evangelischen Akademie Bad Boll, die es auszubauen gelte. »Wir stehen vor einer Transformation der Wirtschaftsgesellschaft. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden möchte ich die Akademie zu einem der zentralen Orte machen, an dem dieser Prozess diskutiert und gestaltet wird«, so Hübner. Ein blindes Streben nach wirtschaftlichem Wachstum dürfe es nicht länger geben. Wichtig sei es, den gesellschaftlichen Wandel demokratisch und nachhaltig zu gestalten. »Wir brauchen Orte der Begegnung jenseits des gewohnten Lebens, an dem Bürgerinnen und Bürger neue Lebensstile als attraktive Alternativen kennen lernen, diskutieren und studieren.« Für ihn ist die Evangelische Akademie der Ort, an dem die Kirche am Puls der Zeit fühlt und an dem sie theologisch-ethische Profilbildung betreibt. Damit dies gelingt, müsse die Evangelische Akademie ein Platz gelebter Spiritualität sein. Hübner folgt auf Pfr. Joachim L. Beck, der die Akademie nach dem Ende seiner Amtszeit zum 30. September 2012 verlassen hat. Er übernahm zum 1. Februar 2013 die Leitung der Fortbildung für Gemeinde und Diakonie der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Bischof July begrüßt entwicklungspolitische Leitlinien des Landes: »Aus dem Vereinbarten muss jetzt Regierungshandeln werden«

breit angelegten Dialogprozess erarbeitet und jetzt verabschiedet worden. »Wenn sich mehr als 1.500 Bürgerinnen und Bürger und über 120 Organisationen an solch einer Aufgabe beteiligen, dann kann man sich mit Recht über das beispielhafte Engagement der Baden-Württemberger freuen«, so July. Der Bischof findet es darüber hinaus gut, »dass die Landesregierung die Impulse der Kirche aufgenommen und auch unsere Evangelische Akademie Bad Boll ihren Beitrag geleistet hat, indem sie den Dialog moderiert und begleitet hat«. Jetzt gelte es, das Vereinbarte in nachweisbares Regierungshandeln umzusetzen. »Wir sehen als besondere Herausforderungen die zunehmende Armut in bestimmten Regionen der Welt, die wachsenden Konflikte um Rohstoffe und Ressourcen, ungerechte Weltwirtschaftsstrukturen, den Klimawandel und ein sich veränderndes Verhältnis der Religionen zueinander. Gleichzeitig bieten wir an, mit unserem Know-how und unseren Einrichtungen auch künftig ein starker und verlässlicher Partner zu sein«, so der württembergische Landesbischof in seiner Stellungnahme.

Akademiedirektor Hermann Düringer in den Ruhestand verabschiedet. Neuer Direktor Dr. Thorsten Latzel Schmitten/Taunus (epd). Nach 13 Jahren Akademiearbeit ist der Theologe Hermann Düringer (65) am 8. Dezember 2012 offiziell als Direktor der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau verabschiedet worden. Hermann Düringer studierte Theologie und Philosophie in Frankfurt und Heidelberg, seinen Doktortitel erwarb er mit einer Arbeit über das philosophische Werk von Jürgen Habermas. 20 Jahre lang arbeitete der Vater zweier Kinder als Gemeindepfarrer in der Mainmetropole. 1996 ging er als Schulseelsorger nach Friedberg, 1998 wechselte er als Dozent für Predigtlehre ans dortige Theologische Seminar. Düringer gehörte dem Vorstand der Evangelischen Akademien in Deutschland und dem Exekutivkomitee der Ökumenischen Vereinigung europäischer Akademien an. Seit 2004 führt er den Vorsitz des deutsch-polnischen Versöhnungswerks »Zeichen der Hoffnung – Znaki Nadziei« in Frankfurt am Main, das seit 35 Jahren polnische Überlebende nationalsozialistischer Konzentrationslager unterstützt und Zeitzeugengespräche in Schulen vermittelt. Düringer habe vor allem den christlich-jüdischen Dialog, die Aufarbeitung der NS-Zeit, die Versöhnung mit Polen und das Gespräch Theologie-Naturwissenschaften vorangebracht, würdigte Kirchenpräsident Volker Jung in einem Gottesdienst zur Entpflichtung des Akademiedirektors. Am 1. Februar 2013 trat Thorsten Latzel (42), Referent für Struktur- und Planungsfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Nachfolge von Hermann Düringer als Akademie-Direktor an.

(epd) Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Dr. h. c. Frank Otfried July, hat die entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes Baden-Württemberg begrüßt. Die entwicklungspolitischen Leitlinien sind in einem

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rückblende Grundrechtschutz in Europa – Praxis vor Ort? Humanitäres Aufenthaltsrecht für geduldete Flüchtlinge? Tagung vom 18.-19. Januar 2013 Menschenrechte und Grundrechte betreffen vor allem die Situation von Flüchtlingen. Das machte Katharina Stamm (Diakonie Deutschland) in ihrem Vortrag deutlich, der die Tagung eröffnete. Sie zeigte verschiedene Arten von Menschenrechten auf: Die Menschenrechte der ersten Generation, wie sie seit der französischen Revolution formuliert wurden und in die grundlegenden Dokumente eingingen. Seit dem Zweiten Weltkrieg beinhalten sie z.B. im Zivilpakt der Vereinten Nationen und in der Grundrechtscharta das allgemeine Diskriminierungsverbot, Freiheits- und Bürgerrechte, Abwehr und Schutzrechte, justizbezogene Rechte (wie die Gleichheit vor dem Gesetz). Hinzu kommen die Rechte der zweiten Generation, die sogenannten WSK-Rechte: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die inzwischen auch als einklagbar gelten. Die Rechte der dritten Generation wie das Recht auf Entwicklung, Frieden oder saubere Umwelt, sind eher abstrakt. Flüchtlinge, so Stamm, sind auf diesen Gebieten besonders betroffen, und wer für sie Partei ergreift, leistet bereits einen Beitrag zur Menschenrechtsarbeit. Was das Zusammenwirken und die gestaffelten Hierarchien sowie ungeklärte Hierarchien der europäischen und nationalen Rechtsprechung angeht, zeigte Katharina Stamm einige Beispiele auf, in denen die europäischen Prinzipien weitaus umfassender greifen als die nationalen deutschen. Sie können in einigen Fällen einen besseren Schutz der Menschenrechte garantieren als die Praxis deutscher Gerichte. Die Pflicht zum Menschenrechtsschutz müsse im Gegenzug aber auch in die deutsche Rechtsprechung übergehen. Da die EU der europäischen Menschenrechtskonvention nicht beigetreten ist, ergibt sich ein gewisser Stillstand; sollte sich dies aber ändern, würde sich das ge-

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samte Gefüge der Menschenrechtsarbeit deutlich verändern, so Stamm. Die Praxis im Herkunftsland beleuchteten Jama Maqsudi (Deutsch-Afghanischer Flüchtlingshilfe Verein Stuttgart) und Farima Akbarzada (Impuls Afghanistan). Insbesondere die Verletzung grundlegender Rechte von Frauen sei vor Ort allgegenwärtig. Akbarzada berichtete sehr persönlich und emotional von ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen von Freunden, die sie regelmäßig noch immer besucht, wenn auch mit zunehmend schlechteren Bedingungen für sie selbst. Die einst nach der TalibanRegentschaft wieder erstarkten Frauen müssen einen Rückfall fürchten, da die Gesetzeslage zunehmend islamisiert wird, häusliche Gewalt und mehrere Ehefrauen nicht selten sind. Auch werden Ausbildungs- und Selbstbestimmungschancen von Frauen zunehmend begrenzt. Nach Auskunft der beiden Frauen sind hier internationale Organisationen, aber auch lokales, gut vernetztes Engagement gefragt. Im Workshop mit Farima Akbarzada wurde deutlich, wie dies aussehen kann: Impuls Afghanistan engagiert sich sehr lokal, aber mit Einbeziehung aller Autoritäten. Wenn sich ein Imam dann überzeugen lässt, seine Tochter zur weiterführenden Schule zuzulassen, sei mehr gewonnen als mit Forderungen oder Großprojekten, so Akbarzada. Simone Helmschrott, Studienleiterin

Äthiopien – Perspektiven auf ein Land im Wandel »Injera bae Wot zum Mittagessen und ein äthiopischer Abend mit Qollo und Kaffeezeremonie«. Wem unter den Teilnehmern diese Ankündigungen im Programmflyer noch nicht geläufig waren, konnte selbst erfahren, dass bei der Kaffeezeremonie rohe Kaffeebohnen geröstet, dann gemahlen oder gemörsert und schließlich aufgebrüht werden, und dass zum Genuss des starken Gebräus immer etwas »Knabberzeug« gereicht wird, in diesem Fall Qollo aus gerösteten Getreidekörnern. Zwar musste – Anfang Dezember –

die Kaffeerösterei draußen bei Minusgraden und auf Campingkochern vonstattengehen, und die vielen Fladen des Injera, des typischen pfannkuchenähnlichen Brotes, hatten nur den Durchmesser eines Tellers anstatt der

Kaffeerösterei in der Evangelischen Akademie – bei ungemütlichen Minusgraden

im Lande üblichen gut 60 Zentimeter. Doch mit den Soßen, Wot, mit Linsen oder Fleisch schafften es die Akademie-Köchinnen, sowohl ÄthiopienKenner in Erinnerungen schwelgen zu lassen als auch Neulinge von der Schmackhaftigkeit der äthiopischen Küche zu überzeugen. Abgesehen von diesen kulinarischen Highlights standen aktuelle Themen im Mittelpunkt der Tagung: Zu Beginn erläuterte der Ethnologe Dr. Wolbert G. C. Smid, der in Äthiopien lebt und als Professor an der Universität von Mekelle lehrt, aktuelle Diskurse in Äthiopien nach dem Tode sowohl des Patriarchen der äthiopisch-orthodoxen Kirche als auch des Premierministers Meles Zenawi innerhalb weniger Tage im August und erzählte »Geschichten«, die im Land zur Erklärung dieser Ereignisse die Runde machen. Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker e. V. wies auf das Land Grabbing hin, die Veräußerung großer Flächen zur Nutzung durch in- und ausländische Agrarinvestoren, die häufig zur Verdrängung der indigenen Bevölkerung führt. Ferner erklärte er das Gebaren von Schleuserbanden, die äthiopische Migranten über das Rote Meer zu bringen versprechen, ihrer gut be-

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rückblende zahlten Verpflichtung aber allzu häufig nicht nachkommen und die Flüchtlinge gegen weitere Zahlungen wieder zurückbringen, andernfalls auch über Bord werfen. Über Konzepte von Gesundheit und Krankheit sprach Dr. Till Winkelmann. Er stellte Studienergebnisse zum Umgang mit HIV/AIDS aus verschiedenen Stadtgebieten von Addis Abeba vor und erläuterte sie im Hinblick auf die wahrgenommenen Ursachen und Handlungsfolgen. Als Einstimmung auf die Kaffeezeremonie berichtete Christiane Kassner am Abend von der Kultivierung ursprünglicher Kaffeesorten in den Wäldern Westäthiopiens, die von ›Geo schützt den Regenwald e.V.‹ unterstützt wird. Am folgenden Tag ging Lamine Doumbia von der Universität Bayreuth detailliert auf die Stadtentwicklung und den Dissens zwischen Modernisierungsbestrebungen und dem Umgang mit der armen Stadtbevölkerung ein. Die zweitägige Veranstaltung schloss mit einer kritischen Selbstreflektion und Diskussion der Teilnehmenden, die zahlreiche weitere Themen für eine Fortsetzung der Tagung aufwarfen.

Menschen. (Erziehungs-)Ziele gibt es in dieser vielschichtigen Beziehungsarbeit viele, eines vor allem: Die Jugendlichen sollen nicht wieder straffällig werden. »(Wie) kann man wissen, was wirkt? Jugendstrafrechtspflege zwischen professioneller Wirkungsorientierung und naiven Wirksamkeitsphantasien« lautete daher die Fragestellung. Einschlägige Evaluationen und MetaAnalysen der Kriminologie, der Psychologie und der Sozialwissenschaften wurden unter die Lupe genommen – mit allem, was dazugehört: Beschreibungen, Analysen und Bewertungen von Projekten, Prozessen und Organisationseinheiten, sowie Handlungsvorschlägen für die eigene Arbeit in Justiz, Jugendhilfe, Polizei und in der sozialen Arbeit mit straffälligen jungen Menschen. Längst nicht jede Studie, so das Ergebnis, führt weiter. Zu dünn gesät sind die Forschungsgelder auf diesem

Gebiet. Die Dauer der Beobachtungszeit ist nicht lange genug und die so genannte »Randomisierung« der Studien mit Kontrollgruppen ist selten möglich. Die (Selbst)Evaluationen greifen oft zu kurz oder daneben. Und doch möchte kaum jemand darauf verzichten, sich die eigene Wirksamkeit möglichst objektiv vor Augen führen zu lassen. Ob sehr innovative oder konzeptionell ausgereifte und langjährig erprobte Projekte und Praxisansätze – eine möglichst realitätsnahe Modellierung des pädagogischen Alltags scheint am ehesten die Voraussetzungen für eine Evaluation zu schaffen. Deren Befunde nützen zum einen unmittelbar der Praxis und bereichern zum anderen die Fachdiskussion. Der größte Vorteil einer solchen Evaluation ist: Sie erhöht die Selbstsicherheit für das eigene Handeln. Kathinka Kaden, Studienleiterin für Politik und Recht, s. a. Online-Dokumente, S. 5

Regina Fein, Studienleiterin

(Wie) wirkt, was ich tue? Bad Boller Jugendstrafrechtspflegetagung 2013 Das eigene Handeln zu überdenken, fällt naturgemäß schwer. Doch ist die Frage »Hat das, was ich tue, Erfolg?« mittlerweile fester Bestandteil professioneller Arbeit in den unterschiedlichsten Berufsfeldern. Meistens ist wirtschaftlicher Erfolg gemeint. Die Produktion soll steigen, der Umsatz, der Gewinn, die Rendite. Dazu bedarf es der Reflektion darüber, was der eigene Einsatz bewirkt, ob er ankommt, wie er »wirkt«. Doch kann man überhaupt wissen, was wirkt? Diese Frage zu stellen, bedeutet die Reflektion der Reflektion. Genau dies wollten die Referierenden und Teilnehmenden der diesjährigen Bad Boller Jugendstrafrechtspflegetagung vom 11.-13. Januar tun. Denn sie arbeiten nicht mit Produkten. Sie kooperieren mit straffälligen jungen

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Trostpüppchen für AIDS-Waisen Renate Cochrane, seit 30 Jahren Pfarrerin in Südafrika (s. a. S. 5 und 15), arbeitet schon lange in AIDS-Projekten. In Bad Boll zeigt sie ein so genanntes »Trostpüppchen«. Sie werden in großen Mengen in deutschen Gemeinden gestrickt und geben vielen AIDS-Waisen in Südafrika Trost. Über die Hälfte der Kinder im ländlichen Südafrika haben keine Eltern mehr. In manchen Fällen muss das älteste Kind die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen. Dass die Trostpüppchen da manchmal gebraucht werden, kann man sich vorstellen. Eine andere Hilfe ist die »memory box«, in der Erinnerungsstücke der Eltern aufbewahrt werden, ein Tuch, Ohrringe oder ein Gürtel. Die Box darf dann genommen werden, wenn die »Traurigkeitswolke« kommt. S. a. www.takathemba.org/pdf/thanduxolo/aidshilfe.pdf

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onlinedokumente

Onlinedokumente auf der Internetseite der Akademie Text- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hause lesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

Textdokument Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule. Systemische Sicht auf Schul- und Unterrichtsentwicklung 11.-12. Dezember 2012, Bad Boll Auf Seite 7/8 dieser Ausgabe haben wir einen Beitrag von Dr. Michael Wildt zum Thema Inklusion mit dem Titel Inklusion: Lernherausforde-

Dr. Michael Wildt ist Lehrer und systemischer Schulberater, Münster

rung für die Schule als System veröffentlicht, zu dem er bei der zweiten Tagung in der Reihe »Inklusion und Schule« gesprochen hat. Dr. Michael Wildt hat uns aber auch noch eine Langfassung des Beitrags zur Verfügung gestellt, die wir online anbieten. Der hier veröffentlichte Text ist laut Wildt »eher ein politischer Text. In einem zweiten Teil will ich Überlegungen zur Umsetzung der Lernprozesse formulieren. Beide Teile zusammen wären dann eine Fassung für Fortbildungszwecke.« Online spätestens ab Mitte März verfügbar.

Textdokument Von Afrika lernen. Erfahrungen von Christen, die uns herausfordern 7.-10. Januar 2013, Bad Boll In dieser Ausgabe finden Sie auf S. 15 einen Auszug des Vortrags von Pfarrerin Renate Cochrane

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Ein Mensch ist erst tot, wenn er vergessen wird. Den ganzen Vortrag können Sie online lesen. Siehe auch Kasten S. 4

Textdokumente Arbeit, Leben und Leistung neu denken 30. November - 1. Dezember 2012, Bad Boll Ausgehend von einer sozialen Polarisierung unserer Gesellschaft ist die Tagung den ökonomischen und gesellschaftlichen Ursachen dieser Polarisierung nachgegangen und hat nach einem anderen Verständnis und nach neuen Formen von Arbeit, Leben und Leistung gefragt. Online bieten wir zwei Beiträge aus der Tagung an. Adrienne Goehler, Kultursenatorin a. D., Kuratorin und Autorin, Berlin, hat zum Thema Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen gesprochen. Goehler sieht die aktuelle Zeit als eine Transformationsphase, in der es die Hoffnung auf »mehr, höher, weiter, schneller, besser, nicht mehr gibt«, aber neue Modelle zwar angedacht werden, sich aber noch nicht durchgesetzt haben. Goehler schätzt das »Grundeinkommen« als überzeugendste Antwort auf die gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit ein und führt dies in ihrem Beitrag aus. Ulrike Herrmann, Wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz, Berlin, hat in ihrem Beitrag Die fortschreitende soziale Polarisierung unserer Gesellschaft – ein Blick ins Jahr 2025 eine beeindruckende Sammlung von Zahlen, Fakten, Informationen aus unserer jüngsten Wirtschafts-Geschichte, Zitate u.v.a. zu einem spannenden Kaleidoskop zusammengestellt, das nachdenklich macht und uns vor Augen führt, wie geschichtsvergessen und kurzfristig

unser Denken und Handeln ist – aber auch das der Verantwortlichen in unserem Land. Textdokument (Wie) kann man wissen, was wirkt? Jugendstrafrechtspflege zwischen professioneller Wirklichkeitsorientierung und naiven Wirksamkeitsphantasien 11.-13. Januar 2013, Bad Boll Drogen ausprobieren, Schule schwänzen, mit den Eltern nicht sprechen, Schläge austeilen, Krieg am Computer spielen … Dass Jugendliche sich oft emotional und rational nicht nachvollziehbar verhalten, diesen »normalen Wahnsinn« kennen alle, die mit Jugendlichen zu tun haben. Wenn der Wahnsinn aber »unnormal« zu werden scheint, dann hilft, so denken viele, das Jugendstrafrecht. Ob und wie dessen Maßnahmen und Sanktionen wirken und wie diese Wirkungen wiederum gemessen und bewertet werden können, war Thema der diesjährigen Bad Boller Jugendstrafrechtspflegetagung. Zur Analyse und Bewertung des »unnormalen Wahnsinns« hielt Prof. Dr. Michael Günter, ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Tübingen, zum Abschluss der Tagung den Vortrag Der ganz normale Wahnsinn: Jugenddelinquenz zwischen Normalität und Abweichung. Dieselben Gedanken hat er bereits in der Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe (Heft 1/2011) unter dem Titel »Anlehnung und Autonomie, Kontrollbedürfnis und Risikobereitschaft, Sexualität und Gewalt. Zur Normalität und Pathologie adoleszenter Entwicklungsprozesse« veröffentlicht und nun für die Website der Akademie zur Verfügung gestellt.

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kunst in der akademie

Karl-Heinz Bogner – Malerei, Zeichnung, Collage Ausstellung vom bis 24. März bis 9. Juni 2013 Es gehört zu den faszinierendsten Phänomenen der Malerei von Karl-Heinz Bogner, dass er von einer lyrischen Abstraktion ausgeht, die in der Schichtung von Linien, Flächen und fein nuancierten Farben sogar eine gestische Handschrift erlaubt, um am Ende aber doch eine Räumlichkeit zu imaginieren, die einmal in kafkaesk-kristallklarer Undurchdringbarkeit, ein andermal in nahezu fotografisch anmutenden Zimmerfluchten mündet. In der Tat gibt es Fotografien Bogners von abgelegenen Industrieanlagen, Baustellen, Rohbauten, die sich in seinem Werk in fern anklingenden Assoziationen widerspiegeln, die sich ohne den direkten Vergleich absichtsvoll verspielen.

Das Schwarz selbst stuft sich in Grautönen ab, bildet mit den Linien ein Gerüst, das keineswegs statisch ist, sondern rhythmisch in Bewegung kommt durch die weiß überdeckende Acrylfarbe, die die Stege und Stäbe tiefenräumlich verblassen lässt, und durch die sensiblen Farbmischungen, die eine Schwingung hervorrufen, dank der wir ins Bild gelockt werden. Am besten kann man das in den Großformaten nachvollziehen, die einen langen künstlerischen Atem erfordern. KarlHeinz Bogner setzt seine Bildideen auch Großformaten aus, auf denen sie ohne konstruktives Denken auf diesem Spannungsniveau kaum auf Leinwand zu übertragen wären. Zwar arbeitet Bogner mit mehrteiligen Bildträgern, die im Diptychon oder Triptychon die Erhabenheit der Arbeit allenfalls noch steigern. Unweigerlich kommen einem Vorstellungen von Sakralität in den Sinn, die im günstigsten Fall existenzielle Gedankenräume entstehen lässt. Was sich vordergründig wie eine türlose (Glas-)Wand vor uns aufbaut, wandelt sich in der Wahrnehmung zur Schwelle. Was uns als Geflecht wenig zugänglich erschien, öffnet sich der Neugierde. Auszug aus dem Text »Die Architektur als Bild« von Dr. Günter Baumann im Katalog »Karl-Heinz Bogner: Raumfolgen/Sequences of Space«, Galerie Kränzl, 2011

Ohne Titel, 2009, Collage/Mischtechnik auf Papier, 37 x 47 cm

Im Vor- und Hintereinander der Flächen und der Gleichzeitigkeit des linearen Netzwerks entsteht eine Dynamik, die das Mitwirken des Betrachters evoziert: So menschenleer, wie sich die fluchtpunktlosen Bilder oberflächlich geben (wo sollten sie, die Menschen, in dieser Zweidimensionalität auch konkret ihren Platz finden?), sind sie bei tiefergehender Betrachtung nicht, verleiten sie uns doch, ›hinter‹ die Schichtungen zu schauen. Als Zwischenraum, Passage oder Übergang begriffen, treten wir gedanklich in den Bildraum ein und machen wir uns zum Teil der inhaltlich offenen Arbeit.

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Kurzbiografie 1966 geboren in Stuttgart 1989–95 Studium Architektur und Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Studienabschluss: Diplom-Ingenieur, Fachrichtung Architektur seit 1991 Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland seit 1995 freischaffender Künstler seit 2009 Lehrtätigkeiten an der Hochschule Darmstadt, Fachbereich Gestaltung, und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart www.khbogner.de

Vernissage Sonntag, 24. März 2013, 11:00 Uhr im Café Heuss Information und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro): Brigitte Engert, Tel. 07164 79-342, brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Leitung: Susanne Wolf, Tagungsnummer: 936113 Dauer der Ausstellung: 24. März bis 9. Juni 2013

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inklusion

Inklusion: Lernherausforderung für die Schule als System

Inklusions-Klasse in der Frühförderung bei Vicenza

Von Dr. Michael Wildt Wie wird eine Schule inklusive Schule? In meinem Bundesland NRW soll jede Schule inklusive Schule werden. Meine Antwort als Gesamtschullehrer, Moderator für Unterrichtsentwicklung und systemischer Schulberater, ist nicht populär: Lerne, Schule inklusiv zu denken und zu handeln. Nicht nur Menschen, auch Systeme können lernen. Sogar Schulen. Der Beitrag gibt Anregungen. Ein Gymnasium meiner Heimatstadt beantwortet die Frage anders: Einrichtung einer Inklusionsklasse, die einige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnimmt. Mit hoher materieller und personeller Unterstützung werden sie zieldifferent unterrichtet. Hier macht eine Schule Inklusion und präsentiert diese Wohltat gerne öffentlich. Sicher zeigt das viel guten Willen der Personen, die diese Lösung der Inklusionsfrage Tag für Tag umsetzen. Doch inklusiv zu denken und inklusiv zu handeln lernt in diesem System wohl kaum jemand. Das kennen wir ja schon aus der Integration früherer Tage: In der Integrationsklasse arbeiten die Idealisten. Die übrigen Kolleginnen und Kollegen sind froh, das Problem heterogener Lerngruppe an sie delegieren zu können. Trotz hohem Engagement gelingt es in der Integration selten – je größer die Kinder, desto seltener – wirklich gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung zu stiften. Beim fachlichen Lernen steigen die Förderkinder aus. Inklusion? Was wäre denn Inklusion? Sehr hilfreich ist die Überprüfung sozialer Strukturen mit dem »Index für Inklusion«. Inklusion ist nicht der Abbau der einen oder anderen Barriere, sondern die Konstruktion einer barrierefreien Lebensumwelt, zu der jeder SYM 1/2013

Zugang hat. Inklusiv ist nicht, die Treppe zur U-Bahn durch einen Aufzug zu ergänzen. Inklusiv ist die Gestaltung öffentlicher Verkehrsmittel – als Straßenbahn – an der Oberfläche, mit höhengleichen Bahnsteigen, sodass jeder einen guten Zugang hat. Autos – abgesehen von wenigen Fahrzeugen, die zur Kompensation von Handicaps wirklich hilfreich sind – werden verbannt, meinetwegen gleich ganz, oder aber eben unter die Erde. Eine schöne systemische Definition für Inklusion in Anlehnung an Niklas Luhmann im pädagogischen Kontext gibt Rolf Balgo: Inklusion ist erreicht, wenn jedes Mitglied der sozialen Gruppe eine gute Adresse in der kommunikativen Struktur der Gruppe hat. Man könnte das so zuspitzen: Jedes Kind kann, wenn es ihm wichtig ist, mit jedem Kind der Gruppe in einen fruchtbaren kommunikativen Austausch zum beiderseitigen Wohlergehen treten – die Interaktionspartner können durchaus verschiedene Bedürfnisse zu ihrem Wohlergehen haben. Ein gewisses Maß an Übereinstimmung der wechselseitigen Zielsetzungen ist wichtig, damit die Bindung der Interaktionspartner in der Gruppe dauerhaft bestehen kann.

In diesem Sinn kann eine Schule der gegliederten Form wohl gar nicht inklusiv sein. Muss die Lehrkraft, wie am Gymnasium, den Gedanken prüfen, ob ein Kind (noch) in die Lerngruppe passt, so überträgt sich – das behaupte ich als Systemiker – diese exkludierende Denkfigur auf die Lerngruppe. Das ist nicht zu verhindern. Ein Schüler, der wegen mangelnder Leistung von der Abschulung bedroht ist, wird nicht in einem inklusiven Verhältnis mit einer Schülerin interagieren, die zieldifferent unterrichtet wird und bleiben darf. Unter solchen Systembedingungen besteht keine Chance, inklusives Denken bei den Beteiligten zu verankern. Vielleicht lässt sich, mit Energie- und Substanzverschleiß wie in einer neurotischen Beziehungsstruktur, die Fiktion aufrecht erhalten, zum Preis einer schizoiden Weltsicht bei Lernenden wie Lehrkräften. Gegen Strukturelemente mit gutem Willen ankämpfen ist ein probates Mittel, sich selbst fertig zu machen. Auch in integrativen Schulformen ohne dem antiquierten Prinzip jährlicher Versetzung blüht noch lange nicht das inklusive Denken und Handeln. Oft identifiziert ein Beobachter schon am Agieren der Förderlehrkraft, welches die Kinder mit sonderpäda-

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inklusion gogischem Förderbedarf sind. Das untrügliche Zeichen fehlender Einbettung in den sozialen Prozess nehmen auch die Mitschüler wahr. Solange Probleme der Inklusion mit dem Mittel der Ausgrenzung gelöst werden, entsteht keine Inklusion – leider ... Was tun? Will eine Schule inklusiv werden, rate ich ihr, sich auf einen inneren systemischen Lernprozess einzulassen. Das visionäre Ziel, an dem sich die Schritte des Lernprozesses ausrichten können, ist die Zielsetzung, den von Balgo definierten Zustand zu erreichen: Jedem Mitglied des Systems eine gute Adresse in der kommunikativen Struktur zu verleihen. Je nach Lernausgangslage sind die Zwischenschritte und Zwischenziele des Lernens individuell bestimmbar. Darüber können Kollegien Vereinbarungen treffen. Das fängt schon an, wenn die Schule noch gar kein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen hat. Inklusion ist lediglich die Zuspitzung von Vielfaltbejahung. Leitfrage des Lernprozess könnte sein: Gelingt es, beim gemeinsamen Lernen mit der Vielfalt, die die Beteiligten repräsentieren, so umzugehen, dass die Vielfalt zum Gewinn und nicht zum trennenden Element wird? Jeden Unterschied zwischen den Individuen als Stärke des Systems aufzufassen? Da ist weniger die Frage, ob eine Schülerin oder ein Lehrer im Rollstuhl alle Stellen im Gebäude erreichen kann. Vielmehr: Geht das Kollegium wertschätzend mit der Vielfalt um, die die Kolleg/innen in das System einbringen? Werden Konflikte durch Abwertung Einzelner oder vielfaltbejahend gehandhabt? Wie agiert die Schulleitung im Umgang mit den Schwächen der Kolleg/innen? Gelingt es, sie in Stärken für alle umzusetzen? Wie gehen Lehrkräfte mit Schülerinnen und Schülern um, die nach oben oder unten aus dem Leistungsspektrum auszuscheren drohen? Gibt es Lernangebote, die sie in der Gruppe halten und ihre Zugehörigkeit stabilisieren? Gelingt es, kulturelle Unterschiede in Vielfaltgewinne der Schule zu wandeln? Werden Problemfälle in

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Michael Wildt war Referent beim 2. Teil der 12-teiligen Tagungsreihe »Inklusion und Schule«, die vom 11.-12. Dezember in Bad Boll stattfand. Weitere Tagungen der Reihe finden Sie in der Vorschau ab S. 16.

bestimmten Klassen konzentriert und so aus anderen Lerngruppen ausgegrenzt, oder hat auch ein schwieriger Schüler grundsätzlich den Zugang zu allen Ressourcen? Wenn die Schule damit weiter gekommen ist, ist sie fähig, die Verantwortung für Kinder mit besonderem Förderbedarf zu übernehmen. Dann meldet sie sich und wirbt um das Vertrauen der Eltern. Aber vorher bleibt sie wahrscheinlich eine Schule, die selbst besonderen Förderbedarf hat – hallo Schulaufsicht, hallo schulisches Fortbildungssystem. Selbst wenn der Gedanke der Integration schon Fuß gefasst hat – Integrationsklassen, geht das Lernen des Systems weiter. Solange ein Teil der Kollegen froh ist, von dem Wahnsinn nicht behelligt zu werden, behandelt das System die Integrationsproblematik exkludierend. Das ist ein Widerspruch in sich! Es bedarf der Zielvereinbarung, dass sich jede Lehrerin und jeder Lehrer fit macht, in den Inklusionsklassen zu arbeiten. Mit einem Dreijahresplan, passenden systemischen Verabredungen zum unterrichtlichen Einsatz der Kolleginnen und Kollegen sowie einem kontinuierlichen Kompetenzaufbau-Programm kann jede Lehrkraft Inklusionslehrkraft lernen. Parallel dazu entwickeln die Kolleginnen und Kollegen in den Integrationsklassen ihre inklusiven Kompetenzen weiter: Ziel der Förderlehrkraft ist nicht mehr, die Förderkinder zu fördern, sondern deren Einbindung in die Struktur der Lerngruppe. Zum Beispiel: Bei einem Beratungsgespräch spricht die Lehrkraft stets mit der gesamten Tischgruppe, zu der das Förderkind gehört. Wenn eines dieser Gespräche um die Belange des Förderkindes geht, so drehen sich die weiteren Gespräche jeweils um individuelle Probleme anderer Kinder der Tischgruppe. Oder: Damit die Förderlehrkraft nicht diesen Tisch markiert, wechselt sie regelmäßig die Tischgruppe. Unmerk-

lich verschiebt sich so die Rolle der Förderlehrkraft: Von der verantwortlichen Person für das Förderkind zur Chairperson der Wertschätzung der individuellen Vielfalt aller Schülerinnen und Schüler. Alle haben einen Gewinn; die Schule bewegt sich auf dem Pfad der Inklusion ein Stückchen weiter. Verständigt sich das System der Schule als Ganzes darauf, die vorhandenen Integrationsklassen als Laboratorium zum Erwerb der Kompetenzen des inklusiven Arbeitens aufzufassen, kommt die Schule weiter. Wie sich dabei die Kooperation zwischen Regellehrer und Förderlehrkraft entwickelt, lässt sich dabei gut studieren. Dann reift der Moment heran, in dem die Schule die Kinder mit Förderbedarf auf den gesamten Jahrgang verteilt. Hier ergeben sich neue Probleme, denn die personale Zuordnung von Förderlehrkraft, Förderkind und Lerngruppe ist unter den Realbedingungen dieser Schule nicht mehr leistbar. Teammäßige Kooperation mehrerer Lerngruppen bzw. der dort tätigen Lehrkräfte wird zwingend notwendig. Das löst eine weitere Entwicklungsdynamik aus. Wenn die Lernprozesse gelingen, bringt auch das wieder für alle Beteiligten große Gewinne. Darauf lassen sich inzwischen einzelne Schulen in Deutschland ein und katapultieren sich in ihrem systemischen Lernprozess an führende Stelle. Das lohnt sich! Egal, wo eine Schule steht: Wenn sie sich auf das Risiko einlässt, sich selbst als lernendes System zu verstehen, gewinnt sie an Qualität. Ich weiß: Lernen sollen ist für viele Lehrer eine große Herausforderung. Man begibt sich damit in große Nähe zu den Schülern. Das verunsichert und stellt tradierte Rollen in Frage. Vielleicht benötigen Schulen dazu Hilfe von außen. Eine externe Person, die das Lernen moderiert, die Rolle der Lehrerin oder des Lehrers der Lehrer übernimmt. Das so induzierte Lernen inkludiert die Schülerinnen und Schüler in das System des Lernens und macht sie zur Ressource beim Lernen. Das ist Inklusion. Davon können alle nur gewinnen. siehe auch S. 5 und S. 22 SYM 1/2013


inklusion

Der Paradigmenwechsel braucht Zeit – muss aber jetzt angepackt werden

Fasching in der Martin-Luther Schule

Von Martina Waiblinger Die Martin-Luther-Schule im hessischen Buseck bei Gießen ist eine Förderschule für psychisch Kranke und überregionales Beratungs- und Förderzentrum (üBFZ). Sie widmet sich Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen, führt diese zu staatlich anerkannten Schulabschlüssen hin oder bereitet sie auf eine Rückschulung in die Allgemeine Schule, auf weiterführende Schulen oder in die Berufswelt vor. Christiane Hartmann, pädagogische Leiterin der Schule und Beraterin für die Allgemeinen Schulen in der Region, wenn es um psychische Erkrankungen geht, hat ein pädagogisches Konzept entwickelt, das an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen ausgerichtet ist. Mehr Jugendliche mit Sozialisationsbedarf – mehr Anforderungen an Schule und Lehrende Seit die Allgemeinen Schulen unter dem Druck stehen, die Inklusion voranzutreiben, kommen immer mehr Notrufe bei Christiane Hartmann und ihren Kollegen des üBFZ an, die einzelne Schüler als »tickende Zeitbomben« deklarieren, die möglichst umgehend entfernt werden müssen. Führt der Inklusions-Druck zur Exklusion? – diese Frage kam bald auf. Damit dies nicht geschieht, hat Christiane Hartmann mit Kollegen und Kolleginnen einen Ansatz entwickelt, wie Inklusion gelingen kann. Um die Gesamtproblematik zu verstehen, muss man die tiefgreifenden Veränderungen in der deutschen Bildungslandschaft anzuschauen. Zum einen sind die Lebensbedingungen für viele Kinder und Jugendliche schwieriger geworden. Viele kommen bereits mit einem erhöhtem Sozialisationsbedarf, erhöhter Vulnerabilität und erhöhter Orientierungslosigkeit in der Schule an. Gründe sind: getrennte Familien, Überbehütung, fehlende Zukunftsperspektive, Erfolgsdruck, die Macht der SYM 1/2013

Medien – dies nur als Stichworte. Es gibt Kinder, die kommen in die Schule und haben noch nie ein Bilderbuch in der Hand gehabt! Die individuelle Situation des einzelnen Kindes wird bei der Einschulung meist nicht berücksichtigt – sonst könnten entsprechende Förderpläne erstellt werden. Auch der gesellschaftspolitische Bildungsauftrag der Schule hat sich durch ständige Evaluationen in Form von Vergleichsarbeiten, Schulinspektionen, PISA-Studien, Bildungsstandards, die Einführung von G8 und viel zu großen Klassen verändert und den Druck auf die Lehrer und Lehrerinnen verstärkt. Die Allgemeinen Schulen stehen vielen und teilweise gegensätzlichen Anforderungen gegenüber. Dazu kommt jetzt noch der gesetzliche Auftrag der Inklusion. Das Schulsystem ist mit seinen Inhalten und Methoden nicht in der Lage, sensibel auf die Vielfalt der Lebenslagen der Kinder zu reagieren. Manche passen nicht zur bestehenden Form der Schule. Das Nichtverstehen des Verhaltens dieser Kinder wird an dem häufig vergebenen Etikett »Fehlverhalten« deutlich. Früher wurde dies durch Sanktionen und Rauswurf gelöst. Dies soll durch die Inklusion überwunden werden. Kein Wunder, wenn manche Lehrer hilflos und überfordert reagieren.

Es braucht einen umfassenden Paradigmenwechsel, veränderte Bedingungen und fest verankerte Unterstützungssysteme, damit die Vision der inklusiven Schule Wirklichkeit wird. Zum Nulltarif geht das nicht. Damit die Idee der Inklusion umgesetzt werden kann, muss die ganze Gesellschaft lernen umzudenken und die Schule muss ihre Haltung gegenüber den Kindern ändern. Solange ein Schulsystem dreigliedrig ist – also explizit »exklusiv« – ist es paradox über Inklusion zu reden. Solange – wie in Hamburg geschehen – Eltern die geplante Einführung der sechsjährigen Grundschule verhindern, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder mit den Kindern aus anderen Schichten länger als vier Jahre in einer Klasse sind, sieht man, wie weit der Weg noch ist. Instrumente zur Unterstützung der Lehrer und Lehrerinnen Viele Lehrer und Lehrerinnen meinen, sie müssten alles können. Sie sehen es als persönliche Niederlage an, wenn eine Schülerin oder ein Schüler nicht funktioniert oder den Unterricht schwänzt. »Unser Ziel ist, dass Lehrerinnen und Lehrer durch ein Teilen der Verantwortung entlastet werden. Das kann funktionieren«, sagt Christiane Hartmann. »Sie brauchen viel Beratung, Supervision, kollegiale Fall-

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inklusion beratung und Fortbildung. Ein wichtiges Instrument sind die Runden Tische, die für jeden einzelnen Fall eingerichtet werden.« Mit den Klassenlehrern, dem Beratungszentrum, Jugendamt und Eltern werden Christiane Hartmann ist Beraterin alle Möglichkeifür Allgemeine Schulen. ten ausgelotet, Lösungen für die spezifischen Probleme der Kinder zu finden, die gemeinsam getragen werden. Hartmann: »Die Verantwortlichen brauchen aber auch Mut, neue und ungewöhnliche Wege einzuschlagen: Nicht immer am Lehrplan festhalten, sondern individuelle Lösungen suchen, ist hier die Devise. Ein ständig störendes ADHS-Kind wird beispielsweise viel unauffälliger, wenn wir es nicht zwingen, 5 Stunden still in einem Raum zu sitzen, sondern ohne großes Aufsehen Bewegungsangebote in den Schulalltag einbauen, im projektorientierten Unterricht, in Form von kleinen Aufträgen für diese Kinder, wie z. B. Kreide im Sekretariat besorgen, in kleinen Auszeiten durch die Teilnahme am Sportunterricht der Parallelklasse u. a.. Ein Kind mit einer Autismus-Spektrum-Störung kann man oft gut inkludieren, wenn man seine Besonderheiten ernst nimmt, z. B. seine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen oder seinen geringen Spielraum bei Veränderungen. Lässt man dieses Kind in der Pause im Klassenzimmer und kündigt ihm anstehende Veränderungen, wie Vertretungsunterricht o. ä. an, können viele Schwierigkeiten vermieden werden.« Fortbildung ist somit eine Voraussetzung für Inklusion. Lehrer müssen die verschiedenen Störungsbilder erkennen können und Frühwarnkennzeichen wahrnehmen. Die Martin-LutherSchule bietet solche Fortbildungsveranstaltungen zum Umgang mit psychischen Auffälligkeiten in der Schule an. Mit diesem Wissen können viele

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Probleme – bevor sie eskalieren – abgefedert oder gelöst werden. Dazu gehört auch das Wissen um den Nachteilsausgleich – das sind entlastende gesetzliche Regelungen. Darin ist u. a. geregelt, dass z. B. Autisten keine Gruppenarbeit machen müssen – was für alle Beteiligten sehr entspannend sein kann, andere dürfen den Computer benutzen oder Einzelprüfungen ablegen. Dies sind nur Beispiele. Die Lehrer müssen dieses Wissen aber erst einmal haben. Ermutigend ist für Christiane Hartmann, dass »meist mehr Flexibilität möglich und erlaubt ist, als die Lehrer denken und wissen.«

Oder es handelt sich um schwere psychische Trennungsängste, weil die Eltern sich z. B. scheiden lassen wollen. Oder das Kind leidet unter hohem Erwartungsdruck seiner Eltern, ist leistungsmäßig überfordert oder oder…. Frau Hartmann: »Sobald wir uns mit den Schülern ins Gespräch begeben und fragen, was sie sich zutrauen, wie viel Unterricht, wie viel Hausaufgaben, wenn wir also Abmachungen mit ihnen treffen, die ihre Notlage berücksichtigen, und dies regelmäßig mit ihnen besprechen und justieren, kommen wir oft zu sehr positiven und ermutigenden Ergebnissen.«

Das Kind steht im Vordergrund, nicht der Lehrplan Das auffällige Verhalten von Kindern und Jugendlichen ist ihr eigener Lösungsversuch – allerdings meist ein sehr ungeschickter, der von der Umwelt nicht verstanden wird. Dem Lehrer, der das einräumt, geht es schon viel besser. Ein Beispiel: Ein Junge hat immer nur Fünfen und Sechsen. Aber wer will schon dumm sein? Dann lieber frech. Das hat er auf den Gipfel getrieben – ein für ihn selbst schlüssiger Lösungsversuch, der sein eigenes Vorankommen aber mehr und mehr verunmöglicht und bei den Lehrenden die Hilflosigkeit so groß werden lässt, dass sie ihn rauswerfen wollen. Ähnliche Verläufe lassen sich bei vielen so genannten »Unbeschulbaren« nachverfolgen. »Das ist aber das Schlimmste für Kinder und Jugendliche: Wenn sie nicht in mehr die Schule dürfen, alleine zuhause sitzen und nur noch klick-klick machen. – Die Diagnose ›unbeschulbar‹ darf es nicht geben« – so Christiane Hartmann.

Wichtig ist, dass Forderungen an die Kinder verstehbar, handhabbar und sinnhaft sind. Drei Voraussetzungen, die Wunder bewirken. Ferner ist es wichtig, dem Schüler seine Fortschritte durch regelmäßiges Feedback durch die Lehrerin deutlich zu machen. »So werden kleine und große Erfolge sichtbar und die Jugendlichen haben ein Erfolgsgefühl. Sie erleben ihr Handeln als sinnvoll«, so Hartmann. Weitere Bausteine für die Stärkung der Schüler sind u. a die Förderung der sozialen Kompetenz in regelmäßigen Sozialtrainings und erlebnispädagogischen Angeboten, fest installierte Projektarbeit, tiergestützte Projekte sowie künstlerische und musikalische Angebote. In dieser Konstellation bekommen alle eine andere Rolle: Lehrer und Lehrerinnen werden Begleiter, Schüler und Schülerinnen werden ernst genommen und wertgeschätzt: Es sind an den Lebenslagen orientierte Bildungskonzepte.

Schüler, die nicht in die Schule kommen, stellen für Lehrer eine besondere Kränkung dar. Die Reaktion spielt sich häufig nur auf der Sanktionsebene ab. Wer mehr als 20 Prozent fehlt, wird nicht versetzt. Nützt das nichts, kommt es zum Rauswurf. Niemand fragt: Warum machen die Schüler und Schülerinnen das? Dabei lassen sich bei genauem Hinsehen vielerlei Gründe erkennen: Vielleicht wird das Kind im Unterricht gemobbt und die Lehrer bekommen es gar nicht mit.

In der Martin-Luther-Schule macht man mit diesem Konzept sehr gute Erfahrungen. Das allein genügt aber noch nicht. Die Klassen dürfen nicht zu groß sein und es müssen Räume, Zeit und Mittel für die Fortbildung der Lehrer und Lehrerinnen eingesetzt werden. Der Paradigmenwechsel muss aber auch in die ganze Gesellschaft getragen werden und sich verfestigen. Das braucht natürlich Zeit – das geht nicht von heute auf morgen. Aber die Weichen müssen jetzt gestellt werden.


inklusion

Auf die Kommunikation kommt es an! Leichte und leicht verständliche Sprache – ein Menschenrecht Von Christa Engelhardt, Studienleiterin Eine wesentliche Voraussetzung für Inklusion ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung miteinander kommunizieren können. Zugängliche und verständliche Informationen im öffentlichen Raum sind ein Menschenrecht. Die interdisziplinäre Fachtagung, die vom 26.-27. November in Bad Boll stattgefunden hat, führte Expertinnen und Experten mit Mitarbeitenden in Einrichtungen und Behörden zusammen, die »leichte Informationen« bereitstellen und nutzen sowie dieses Thema diskursiv weiterbringen wollen. Wissenschaftliche Grundlagen, gute Praxisbeispiele und Modellprojekte wurden vorgestellt. »Was ist eine Demonstration? – Eine Versammlung von Menschen auf der Straße. Was ist ein Abonnement? – Ein regelmäßiger Bezug.« Mit diesen Fragen führten Thorsten Lotze und Tobias Daun vom Büro für leichte Sprache der Osnabrücker Werkstätten das Tagungspublikum in das Thema ein. Leichte Sprache ist eine Form der Kommunikation, die vor allem für und gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt wurde. Mehr darüber kann man über das »Netzwerk Leichte Sprache« erfahren (www.leichtesprache.org). Das Konzept der Verständlichkeit ist weiter gefasst. Es bezieht nicht nur die Sprache ein. Inklusion bedeutet in diesem Zusammenhang Teilhabe an Kommunikation. Das lateinische Wort »communicare« bedeutet »Gemeinschaft herstellen« und beinhaltet Aspekte wie »angesprochen werden, ein gemeinsames Thema haben, einen wechselseitigen Bezug erreichen«. Auffallend, so das Fazit der Kommunikationsforschung, ist die Tatsache, dass 60 Prozent der Kommunikation nonverbal verläuft, in Form von Körper-, Raum- und Objektsprache. Nur 30 Prozent wird paraverbal (über Sprechen) ausgedrückt, nur 6–10 Prozent SYM 1/2013

verbal, also über Inhalt. Prof. Dr. Karin Terfloth von der Pädagogischen Hochschule postuliert »Kommunikation als Teilhabe in Vielfalt«. Dies erschwere zwar die Inklusion. Es gehe jedoch letztlich nicht um Gleichheit, sondern um Gerechtigkeit. Auch Verena Reinhard von der Medienwerkstatt für leichte Sprache (www.einfachverstehen.de) betont, dass das Konzept der leichten Sprache nicht universal sein könne. Die Sprache solle nicht kindlich-banal, sondern ansprechend sein und sich an folgenden Kriterien orientieren: verständlich, kurz und direkt. Im Zusammenhang mit der leichten Sprache gibt es zertifizierte Expertinnen und Experten für leichte Sprache, auch Prüfer/innen genannt. Das sind Menschen mit Lernschwierigkeiten, die entscheiden, ob der Text gut zu verstehen ist. Markus Erle vom Wertewerk barrierefreies Kommunikationsdesign in Tübingen beschäftigt sich mit Websei»Inklusion ist ein lateinisches Wort. Auf Deutsch heißt das Wort: Einbeziehung und Dazugehörigkeit. Man meint damit: Alle Menschen sind mit dabei«. So lautet die Definition bei Hurraki, einem Online-Wörterbuch für leichte Sprache.

Auf der Tagung wurde über den Zugang zu verständlicher Information gesprochen.

ten in leichtem Web. Als gelungenes Beispiel stellte er www.ich-kennemeine-rechte.de vor, in dem der UNVertrag über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in leichter Sprache dargestellt ist. Laut Erle gibt es vier Schlüsselprinzipien barrierefreier Inhalte: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich, robust. Insgesamt wurde auf der Tagung deutlich, dass leichte Sprache bzw. leicht verständliche Sprache nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern z. B. auch für Analphabeten und ältere Menschen wichtig ist. 90 Prozent aller Informationen über Behinderung stammen aus den Medien. Oft werden Menschen in der Opferrolle, die zuweilen auch heroisiert wird, dargestellt. Leidmedien.de hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Stereotypen zu überwinden und über Menschen mit Behinderungen anders zu berichten. Näheres kann man unter www.Leidmedien.de erfahren. In diesem Zusammenhang gibt es ein ganz besonderes Projekt, das Dr. Katja de Bragança auf der Tagung vorgestellt hat: das Magazin Ohrenkuss, das von Menschen mit Downsyndrom gemacht wird (siehe nächste Seite).

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inklusion Ohrenkuss - Magazin von Menschen mit Downsyndrom »Ohrenkuss, das ist da rein da raus. Und was im Gehirn bleibt – das ist nur Ohrenkuss. Und da ist Leute, wer da arbeiten und die Chefin auch….« (Paul Spitzeck)

Redaktionssitzung mit Dr. Katja de Bragança

Das Magazin Ohrenkuss ist eine ganz besondere Zeitschrift, deren Texte ausschließlich von Menschen mit Downsyndrom verfasst werden. Es erscheint alle sechs Monate und ist mittlerweile seit 15 Jahren erfolgreich. Die Jubiläumsausgabe trägt den bezeichnenden Titel »Wunder«, passend für die Geschichte des Magazins. Am Anfang war der Ohrenkuss ein Forschungsprojekt am Medizinhistorischen Institut der Uni Bonn. Katja de Bragança, Humangenetikerin, hatte die ursprüngliche Idee und begründete den Ohrenkuss, das weltweit einzige Magazin, das von Menschen mit Downsyndrom gemacht wird – zunächst gefördert von der Volkswagen-Stiftung. So sind die ersten vier Hefte entstanden, mehr war nicht geplant. Aber die Mitarbeitenden drängten die Wissenschaftlerin, das Projekt fortzusetzen. Katja de Bragança gab ihre Stelle an der Uni auf und widmete sich fortan hauptberuflich der Herausgabe des Ohrenkusses. Was sie antrieb: Sie wollte das Vorurteil widerlegen, Menschen mit Downsyndrom könnten nicht lesen und schreiben. Sie wollte mit dem Magazin die Gedankenwelt und Texte von Menschen mit Downsyndrom öffentlich und wahrnehmbar machen. Das Lifestyle-Magazin zeichnet sich durch gute Texte, trendiges Layout sowie

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professionelle Fotografien und Grafiken aus. Die Beiträge der Autorinnen und Autoren werden nicht korrigiert, nicht »zurechtgeschliffen« sondern original gedruckt. Sie sollen Spaß beim Lesen machen und zum Staunen anregen. Phantastische Formulierungen und Wortneuschöpfungen überraschen! So formuliert eine Autorin z. B. »graurich« für traurig, als sie das Portraitfoto eines totkranken Mannes beschreibt. Die Texte des ästhetischen Hochglanzmagazins bleiben hängen, weil sie anders sind: poetisch, eigensinnig, gegen den Strich, voller Magie: »Meine Omi hat weiße Haare. Wie eine Harfe. Zart und leise«, schreibt Autor Paul Spitzeck. »Ein Reh ist eine Seele mit vier Beinen« formuliert Kollege Tobias Wolf. Insgesamt schreiben 50 Autorinnen und Autoren für den Ohrenkuss. Sie sind zwischen 16 und 55 Jahre alt. Alle zwei Wochen trifft sich das Kernteam zur Redaktionssitzung in Bonn. Über fast alles haben sie schon geschrieben: z. B. über Liebe, Musik, Arbeit, Skandale, Essen und Trinken. Sie schreiben über das, was sie bewegt und teilen ihre Gefühle den Lesern mit. Zu allen Themen betreiben die Autorinnen und Autoren ausführliche Recherchen – nicht nur mit Büchern und über das Internet, sondern auch unterwegs: z. B. beim Besuch in der Werkstatt eines Orgelbauers, in Museen, auf Friedhöfen, im KZ Buchenwald, bei Theater-Aufführungen oder bei einer Reise in die Mongolei. Das Magazin hat viele Preise erhalten, so zum Beispiel den Designpreis der BRD für das Ohrenkuss-Wörterbuch, den Deutschen PR-Preis und das Bundesverdienstkreuz für die Chefredakteurin Dr. Katja de Bragança. Über 3000 Abonnenten hat Ohrenkuss mittlerweile. Für die Chefredakteurin Katja de Bragança ist diese Arbeit zur Lebensaufgabe geworden. Christa Engelhardt Die Ursache für das Downsyndrom ist folgende: Das 21. Chromosom ist bei den Betroffenen statt doppelt gleich dreimal vorhanden. De Bragança: »Menschen mit Downsyndrom sind nicht krank, sie nehmen die Welt nur mit anderen Augen wahr«.

Gemeinschaftsschule Erfahrungen von Direktor Tho Die HeinrichSchickhardtSchule Bad Boll ist seit dem Schuljahr 2012/ 2013 eine von 42 Starterschulen, die als Gemeinschaftsschule mit den Klassen eins bis einschließlich fünf an den Start gegangen ist. In den kommenden Jahren erfolgt der weitere Ausbau. Diese neue Schulart ist laut Schulgesetz auch für Schülerinnen und Schüler mit Handicap offen. Im Schulzentrum in Bad Boll hat die inklusive Beschulung eine lange Tradition. Zusammen mit der Blumhardtschule Bad Boll (Förderschule), mit der sich die Heinrich-Schickhardt-Schule das Gelände teilt und zusammen mit der Bodelschwingh-Schule Göppingen (Schule für Geistig- und Körperbehinderte) wird seit 15 Jahren in unterschiedlichen Settings gemeinsamer Unterricht und gemeinsames Schulleben umgesetzt. Aktuell werden in den Klassen 2, 3, 5 der Gemeinschaftsschule sowie in den Klassen 6 der Werkrealschule inklusive Bildungsangebote umgesetzt. Je nach Ausprägung der Behinderungen sind die Klassen unterschiedlich personell ausgestattet. Dies reicht von der kompletten Doppelbesetzung (Lehrkraft der Regelschule und Lehrkraft mit sonderpädagogischer Ausbildung) bis zur Zuweisung lediglich einzelner sonderpädagogischen Stunden. In der Beschulung von heterogenen Lerngruppen sehen wir einen großen Gewinn für alle Beteiligten. Die einzelnen Lernenden stehen mit ihren unterschiedlichen Ausgangslagen im Fokus der Unterrichtsgestaltung der Lehrkräfte. Die Schule wird nicht mehr von den Inhalten oder von der Gruppe aus gedacht, sondern von den Potentialen der einzelnen Kinder und Jugendlichen. Neben der inhaltlichen SYM 1/2013


inklusion

in Bad Boll

mas Schnell

Bereicherung spielt die soziale Komponente eine große Rolle. Im Erleben von unterschiedlichen Kompetenzen und Handicaps wachsen junge Menschen in einer natürlichen Form der Rücksichtnahme und Toleranz auf. Die Leistungsmessung ist in der Sekundarstufe 1 der Gemeinschaftsschule ebenfalls individualisiert. Die Kinder bekommen nicht wie üblich schlichte Ziffernoten, die wenig aussagekräftig sind, sondern individuelle schriftliche Rückmeldung über die erworbenen Kompetenzen und die Bereiche, in denen Entwicklungsbedarf besteht. Der Schulalltag ist rhythmisiert. Nach einem gleitenden Beginn – das Ankommen mit dem Klingelton ist bei uns Geschichte – gibt es einen gemeinsamen Start in den Schultag, bei dem unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt sind: Musisch, literarisch oder sportlich. Lernzeiten der Haupt- und Nebenfächer prägen dann den Vormittag. Pausen werden individuell gehalten. Ein gemeinsames Mittagessen in der Mensa bildet einen weiteren Ankerpunkt eines jeden Schultages. Im Mittagsband stehen den Kindern und Jugendlichen verschiedene Aufenthaltsmöglichkeiten und Aktivitäten zur Verfügung: Das Jugendhaus, die Turnhalle, das Internetcafé, der Billardraum, die Tischkicker, die bewegungsfreundlichen Außenanlagen,… . Personell stehen dafür Jugendbegleiter, das Personal des Jugendhauses sowie die Schulsozialarbeiterin zur Verfügung. In den Nachmittagsstunden finden Werkstätten, freie Übungsphasen, Lernzeiten und Arbeitsgemeinschaften (Kochen, Bogenschießen, Fechten, Speed Stacking,…) statt. Es versteht sich von selbst, dass wir eine gebundene Ganztagesschule an vier Tagen sind. Nur am Freitag endet der Unterricht um 12.50 Uhr. Durch den Morgenkreis am Montag und den Abschlusskreis am Freitag erfährt die Schulwoche einen gemeinsamen Anfang und ein gemeinsames Ende. www.heinrich-schickardt-schule-boll.de SYM 1/2013

Inklusionsoffensive beim Kreisjugendring Esslingen Von Kurt Spätling, Geschäftsführer des Kreisjugendrings Esslingen Die Jugendarbeit hat auf dem Weg zur Inklusion noch eine große Strecke zu bewältigen. Ein Grund ist, dass in Deutschland Menschen mit Behinderungen im Alltag wenig präsent sind und in Sondereinrichtungen z. B. in Werkstätten für Behinderte arbeiten. Daraus resultiert eine große Unsicherheit im Umgang der Menschen mit Handicap, die den Blick auf die Chancen verstellt, die aus dem Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen erwachsen können. Anstatt sich mit Selbstvertrauen, Kreativität und Mut auf den Weg zu machen, verharrt die Jugendarbeit oft in einer passiven Haltung und nimmt sich der Inklusion nicht aktiv an. Der Kreisjugendring Esslingen hat nun in Abstimmung mit dem Landkreis eine »Inklusionsoffensive« gestartet, die diesen Gedanken auf kultureller, struktureller und praktischer Ebene in die Jugendarbeit einbetten soll. Wir haben in Ostfildern, Kirchheim, Deizisau und Mettingen begonnen, in und um die Einrichtungen des Kreisjugendrings unsere Angebote mit neuen und alten Partnern so auszurichten, dass Menschen mit Behinderung teilnehmen können. Wir führen Sensibilisierungsaktionen und Hausversammlungen zum Thema durch, gründen Inklusionsteams und schließen Partnerschaften. Es entsteht ein bunter Prozess, der Begeisterung weckt und in vielen Köpfen und Herzen schon einiges bewegt hat. Unser Ziel ist es dabei, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung Alltag werden zu lassen. Inklusion braucht auch Werkzeuge. Darum entwickeln wir mit dem Kreisjugendring Rems-Murr und der Dualen Hochschule Stuttgart eine »Praxisbox Inklusion«. Auf der Basis eines Inklusionsindexes für die Jugendarbeit und einer Projektdatenbank kann sie dank einer Förderung durch das Sozi-

alministerium Baden-Württemberg und der Daimler AG online wie offline als praxisnahe Handreichung für die Jugendarbeit zur Verfügung gestellt werden. Die »Praxisbox Inklusion« soll als Leitfaden und Hilfe für Akteure der Jugendarbeit eingesetzt werden – sowohl als Instrument der Selbstevaluation wie auch als Implementierungshilfe für inklusive Angebote. Ziel ist es, den Akteuren umfangreiche Hilfestellung und praxisnahe Tipps für den Umgang mit Jugendlichen mit Behinderung zu geben. Der Kreisjugendring Esslingen möchte seinen Beitrag für Menschen mit Assistenzbedarf und zur überfälligen Neustrukturierung der inklusiven Jugendarbeit leisten. Wichtig ist auch die Schulung von Fachkräften. Ein gelungener Auftakt war ein Fachtag des Staatlichen Schulamts und des Kreisjugendrings Esslingen in der Evangelischen Akademie Bad Boll am 16. November, bei dem über 80 behinderte und nichtbehinderte Teilnehmende unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen Bereichen darüber reflektierten, wie man inklusive Kulturen schaffen könne. Wie z. B. kann man eine inklusive Haltung durch inklusive Pädagogik erreichen, vor allem in auf homogene Personengruppen ausgerichteten Institutionen? In den Diskussionen ging es u. a. um das Abbauen von Vorurteilen und Berührungsängsten, das Hineinversetzen in Lebenssituationen und das Wertschätzen von Andersartigem. Beim Begriff »Inklusion« haben wir uns darauf verständigt, Menschen mit geistigen und oder körperlichen Einschränkungen in den Blick zu nehmen. Konsequent ist es für uns, dabei natürlich alle Gruppen, auch »Verhaltensherausfordernde«, mit einzubeziehen. Ein guter Anfang ist gemacht. siehe auch Foto auf der Rückseite

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lesbentagung

Lesbische Familie mit Kind Es gibt immer noch rechtliche Diskriminierungen Von Silke Arning Bei der Bad Boller Lesbentagung, die unter dem Titel »Auftauchen – Gesicht zeigen! Sichtbarkeit von Lesben im öffentlichen und privaten Raum« vom 13.-16. Dezember in der Akademie stattfand, hat die Journalistin Silke Arning einen Bericht über das lesbische Ehepaar Pfarrerin Eli Wolf und Marlis Bredehorst gemacht, der in SWR 1 am 16. Dezember ausgestrahlt wurde. Die beiden Frauen waren in der öffentlichen Diskussion, weil sie sich ihren Kinderwunsch erfüllt haben. Den Beitrag von Silke Arning veröffentlichen wir mit Genehmigung des SWR.

Bei der Tagung war David schon live dabei – hier ein Foto aus der Schwangerschaft.

Der kleine David schnauft selig schlummernd im Arm seiner Mutter. Ein Kind wollte Eli Wolf eigentlich schon immer. Aber als eine frauenliebende Frau war ihr diese Vorstellung lange Zeit selbst fremd. Erst das Vorbild lesbischer Mütter, die sie während des Studiums in New York kennenlernte, hat ein Umdenken möglich gemacht. Dann traf sie ihre Traumfrau: Vor 10 Jahren hat sich das Paar verpartnert. Nicht nur auf dem Standesamt. Denn die Pfarrerin Eli Wolf

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wollte natürlich auch einen kirchlichen Segen: »Ich finde das wichtig, dass Kirchen Segnungen für Lesben und Schwule anbieten. Es geht nicht nur um uns als Paar, sondern auch um ganz viele Menschen, denen wir nahestehen. Auch für die Großmütter: Was bedeutet das für die, wenn plötzlich der Enkelsohn auch kirchlich heiraten kann. Dann kriegt sie das Gefühl: Das ist in Ordnung.« Die Ehe der Pfarrerin hat in der Gemeinde für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Es war ein wichtiger Lernprozess, erinnert sich Eli Wolf, denn dabei seien viele Vorurteile hoch gekommen: »Es wird immer gesagt: Wir sind nicht normal. Bis dahin, dass es pervers ist. Und diese Vorurteile gibt es und auch das Gefühl, es ist nicht richtig und wir müssen die Punkte der Ablehnung noch mehr benennen, damit man darüber hinaus kommen kann und das überwinden kann. Das ist ähnlich wie mit dem Antisemitismus. Da reicht es nicht, dass man Juden kennt – man muss auch über den Antisemitismus reden und aufklären, was das eigentlich ist.« Es ist eine Tatsache: gleichgeschlechtliche Liebe ist keine Selbstverständlichkeit in Deutschland. Und das setzt die Betroffenen unter Druck, die nicht grundsätzlich mit der Toleranz des Anderen rechnen können. Die Ehefrau von Eli Wolf, Marlis Bredehorst meint: »Ich glaube, die Diskriminierung ist häufig dadurch gegeben, dass man nicht weiß, ob man so einem Menschen gegenüber sitzt oder nicht. Und dann selber überlegt, oute ich mich jetzt in diesem Moment oder nicht.« Das Paar Wolf-Bredehorst hat sich nicht nur geoutet. Beide stehen schon aus beruflichen Gründen ein Stück weit in der Öffentlichkeit: die eine als Pfarrerin, die andere als Staatssekretärin im nordrheinwestfälischen Ge-

sundheitsministerium. Offensiv sind sie daher mit ihrem Kinderwunsch umgegangen, der sich zu einem mehrjährigen Projekt entwickelte. Denn es sollte auf jeden Fall ein leibliches Kind sein – aus rechtlichen Gründen vor allem. »Da hat meine Frau wenigstens Chancen auf eine Adoption«, erklärt Eli Wolf: »Das ist auch so ein Punkt, der sehr diskriminierend ist. Es gibt zwar diese Adoptionsmöglichkeiten für das leibliche Kind. Das wird immer Stiefkind-Adoption genannt, aber sie ist ja keine Stiefmutter. Und ich finde das bitter. Mein Bruder, der hat drei Kinder mit seiner Freundin. Die gehen zum Jugendamt, bevor das Kind auf der Welt ist, sagen, er will der Vater sein, das kontrolliert niemand, es fragt niemand nach – er ist der Vater und es ist wunderbar.« Dem gleichgeschlechtlichen Paar Wolf-Bredehorst aber steht jetzt ein langes Adoptionsverfahren bevor, dabei wollen die beiden Frauen einfach gleich behandelt werden – übrigens auch als ein Elternpaar, das sich seinen Kinderwunsch noch im fortgeschrittenen Alter mit Mitte 40 realisiert hat. Keine Ausnahme in der heutigen Gesellschaft. Und so wünscht sich Marlis Bredehorst einfach nur eines: »So eine Normalität wäre, dass wir von einer Gesellschaft ausgehen, die vielfältig ist, wo Menschen normal verschieden sind.« Bisher galt: Schwule und Lesben dürfen adoptieren – aber nicht als Paare. Nach Redaktionsschluss wurde am 20. Februar nun die neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt gegeben: Künftig dürfen schwule und lesbische Lebenspartner ein Kind, das von ihrem Partner / ihrer Partnerin adoptiert wurde, mitadoptieren. Das gemeinsame Adoptionsrecht bleibt Homopaaren aber vorerst weiter verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat somit die Rechte homosexueller Paare gestärkt. Für Eli Wolf und Marlis Bredehorst eine gute Nachricht! SYM 1/2013


erfahrungen aus südafrika

Ein Mensch ist erst tot, wenn er vergessen wird Von Renate Cochrane Pfarrerin Renate Cochrane lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Südafrika – seit vielen Jahren auch in AIDS-Projekten der Herrnhuter Missionshilfe. Bei der Tagung »Von Afrika lernen« Anfang Januar erläuterte sie mit vielen Beispielen, was Tod in der afrikanischen Glaubenswelt bedeutet. In der afrikanischen Glaubenswelt bricht die Beziehung zu den Lebenden, zur Großfamilie nach dem Tod nicht ab. Stirbt der Vater einer Großfamilie, lebt er als Geistwesen weiter und spielt als Patriarch weiterhin eine entscheidende Rolle im Leben seiner Nachkommen. Auch die Mutter lebt weiter, aber der Vater hat die oberste Autorität. Er achtet als Geistwesen darauf, dass die Söhne und ihre Familien die gesellschaftlichen Traditionen einhalten. Die wichtigste Tradition ist das regelmäßige Erinnerungsfest, bei dem die Vorfahren geehrt werden. Solche Feste sind Gemeinschaftsfeste – das ganze Dorf darf kommen und natürlich alle Verwandten. Die Vorfahren sind aber strenge Wächter! Wenn die Erinnerungs- und Dankesfeste nicht gefeiert werden, dann heißt die Antwort: Unfall, Krankheit, Tod im Leben der Abtrünnigen. Oft sind es schwere Strafen. Die Ahnen kennen keine Barmherzigkeit. Ich habe in Afrika zahllose Beispiele von strafenden Ahnen erlebt. Oft geht es um verletzte Traditionspflicht, um die NichtEinhaltung der Initiationsriten für junge Männer oder andere Verfehlungen. Das erste Dankesfest, das ich miterlebte, war ein Fest unserer Kinderfrau Thandi. Sie war lange Zeit ohne Einkommen gewesen, weil sie durch einen Unfall gehbehindert war. Statt ihren großen Schuldenberg abzutragen, feierte sie mit ihrem ersten Gehalt ein großes Fest, wofür ich recht wenig Verständnis zeigte. Ihre Antwort höre ich noch heute: »Frau Re-

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nate, Sie verstehen uns Afrikaner nicht.« Mit den Jahren habe ich sie besser verstanden, obwohl ich die Verkoppelung von Traditionspflicht mit Angst vor der Strafe als Widerspruch zum christlichen Glauben verstehe und das auch mit meinen afrikanischen Freunden theologisch diskutiere. Man muss wissen, dass der Ahnenglaube untrennbar mit den autoritären, patriarchalischen Strukturen verwurzelt ist. Die Ahnen sind das oberste Glied in einer hierarchischen Gesellschaftsordnung. Dies zu ändern braucht Zeit und muss mit wirtschaftlichen Veränderungen einhergehen. Die Vorstellung vom einflussreichen Weiterleben nach dem Tode im afrikanischen Denken hat mich zunehmend fasziniert. Die Afrikaner, die ich kenne, gehören alle einer christlichen Kirche an. Sie haben sich aber ihren Glauben an die lebendige Gegenwart der Vorfahren bewahrt. Dahinter steckt ganz tief die menschliche Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Die Geistwesen bleiben jedoch nur unsterblich solange die Lebenden sie nicht vergessen. Daher sind die Feste der Ehrung und der Kommunikation mit den Ahnen so wichtig. Als Europäerin muss ich aufpassen, diese Vorstellung vom Weitergehen in das Reich der Vorfahren nicht zu romantisieren. Ist es doch ein schöner Gedanke, nach dem Ableben mit meinen Kindern aufs innigste verbunden zu bleiben und ihnen in ihren Träumen zu erscheinen. Die lebendigen Ahnen strafen nicht immer, sie geben auch Rat. Man fragt sie am Grab um Rat und sie erscheinen mit einer Antwort im Traum. Auch unsere AIDS-Waisen spüren die Anwesenheit ihrer Eltern. Solange die Begleitung der Eltern nicht angstbesetzt ist, kann das ungemein tröstlich sein. »Warum werde ich so gestraft?« ist eine urmenschliche Frage, die sich viele Menschen auch im westlichen

Pfarrerin Renate Cochrane arbeitet seit 30 Jahren in Südafrika.

Kulturkreis nach Unfall, Tod und Krankheit stellen! Ich empfinde es als eine große Gnade, dass wir im westlich geprägten christlichen Glauben sagen dürfen: »Wir legen die Frage nach dem WARUM in Gottes Hände – es wird in unserem Leben nie eine Antwort geben.« Mich hat in den letzten Jahren die seelsorgerliche Frage begleitet, ob die Ahnen in Kräfte des Guten verwandelt werden können, die uns begleiten wie beschützende und tröstende Engel? Der ständige Umgang mit der Welt der Vorfahren ließ mich mehr und mehr über den Einfluss meiner eigenen Vorfahren nachdenken. Und tatsächlich zeigt meine Lebenserfahrung, dass die Verstorbenen mein Leben mit großer lebendiger Kraft mitgestalten. Meine vor sechs Monaten verstorbene Mutter ist so lebendig bei mir. Sie hat mir beim Formulieren des Vortrags geholfen und mir eingeflüstert, dass im Kürzen die Kunst liegt. Ich frage mich selber, ob ich vielleicht schon Afrikanerin geworden bin. Siehe auch S. 4 und 5.

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was kommt?

Was kommt? Tagungen vom 8. März bis 27. Juli 2013 Tierschutz in Europa 8.-10. März 2013, Bad Boll Auch im Tierschutz werden Gesetze der EU immer wichtiger, ebenso wie grenzüberschreitende Initiativen. Doch (wie) funktioniert Tierschutz in Europa? Von welchem Land lässt sich etwas lernen? Tagungsnummer: 520313 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/520313.pdf

Tagungsreihe »Inklusion und Schule« - Teil 7 Das Team-Kleingruppen-Modell 14.-15. März 2013, Bad Boll Als Organisationsform ist das TeamKleingruppen-Modell (TKM) hilfreich für erfolgreiches, pädagogisch begründetes Handeln in der Schule. Eltern, Schüler und Kollegium sind beteiligt. Eine kleine Gruppe von Lehrer/innen ist für eine Klasse verantwortlich, die Zahl der Bezugspersonen ist überschaubar. Die IGS GöttingenGeismar arbeitet mit diesem Modell, das Sie hier kennenlernen. Tagungsnummer: 501413 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501413.pdf

Jugendliche beim Berufseinstieg begleiten. Neue Ansätze, Bedingungen, Erfahrungen im fachlichen BEB-Austausch 15. März 2013, Bad Boll Die Tagung bietet Gelegenheit zum fachbezogenen Austausch von Profis und Ehrenamtlichen, die mit Jugendlichen beim Übergang von Schule zu Beruf arbeiten. Die Veränderungen in der Schullandschaft und die Konsequenzen für die Begleitung beim Be-

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rufseinstieg werden praxisorientiert beleuchtet. Tagungsnummer: 330413 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Privater Reichtum, öffentliche Armut. Verteilungsgerechtigkeit in Zeiten der öffentlichen Spardebatte 15.-16. März 2013, Bad Boll Die zunehmende Spaltung in Arm und Reich hat eine Diskussion über Umverteilungspolitik befeuert, die lange Zeit tabu war. Ist der Staat angesichts der Überschuldung der öffentlichen Haushalte noch handlungsfähig? Was gegen die Schieflage zu tun ist und wie Steuererhöhungen aussehen könnten, diskutieren wir auf der Grundlage von Einschätzungen aus Wissenschaft und Politik. Tagungsnummer: 240213 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Karl-Ulrich Gscheidle Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Baden-Württembergischer Streitschlichter-Kongress 20.-22. März 2013, Bad Boll Streitschlichter-Programme sind an vielen Schulen erfolgreich etabliert. Streitschlichter wollen begleitet werden, suchen neue Impulse und brauchen Motivation. Der Kongress bietet die Möglichkeit, sich in Vorträgen und Workshops weiterzubilden, Erfahrungen auszutauschen und mit qualifizierten Mediatorinnen und Mediatoren intensiv in Gruppen zu arbeiten. Tagungsnummer: 310313 Tagungsleitung: Gerald Büchsel Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/310313.pdf

Drehscheibe Türkei - Syrienkrise und Flüchtlingspolitik Humanitäre Hilfe als Ausdruck politischer Neuausrichtung? Studientag, 23. März 2013, Bad Boll Im Laufe der Syrienkrise nahm die Türkei mehrere Rollen ein: Mittler,

humanitärer Helfer, militärischer Akteur. Doch mit welchen politischen Interessen und Zielen? Und wie verändert sich die Situation von Flüchtlingen und die Flüchtlingspolitik? Politologische Einschätzungen werden in Beziehung gesetzt zu den konkreten Erfahrungen zivilgesellschaftlicher und humanitärer Arbeit vor Ort. Tagungsnummer: 430213 Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/430213.pdf

Vernissage Karl-Heinz Bogner 24. März 2013, Bad Boll siehe Seite 6 Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden. Selbst- und Zeitmanagement im Berufs- und Privatleben 25.-27. März 2013, Bad Boll Praktische Ethik für Menschen in Entscheidungssituationen. In diesem Seminar zeigen qualifizierte Trainerinnen, wie sich dieses Modell schrittweise üben und konkret anwenden lässt. Theorie- und Praxiseinheiten setzen konkret an der persönlichen Situation der Teilnehmenden an. Tagungsnummer: 450113 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450113.pdf

Sinnvoll reisen Reisebildungs- und Erlebnistage 1.-4. April 2013, Bad Boll Sanfter, nachhaltiger Tourismus ist in. Doch auch bei diesen Reisen hinterlassen wir ökologische, wirtschaftliche und soziale Fußabdrücke. In Vorträgen und Diskussionen hinterfragen wir Sinn und Unsinn von Reisen. Wir diskutieren nicht nur über Erholung, sondern probieren sie aus: mit Ausflügen in die Kulturlandschaft Schwäbische Alb und die Umgebung von Bad Boll.

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was kommt ... Tagungsnummer: 610913 Tagungsleitung: Dr. Regina Fein Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Tagungsreihe »Inklusion und Schule« – Teil 12 Fachexkursion zu Inklusionsschulen in Vicenza und Padua (Norditalien) 10.-14. April 2013, Norditalien In Norditalien gibt es Schulen, über die sich alle, die an Inklusion interessiert sind, freuen werden. Auch dort sind die Ressourcen knapp – aber die Einstellung ist positiv. Wir besuchen ausgewählte Schulen und sprechen mit Lehrern, Eltern und Schülern sowie Verantwortlichen in Schulverwaltung und Lehrerausbildung. Tagungsnummer: 501713 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501713.pdf

Keine Zukunft für die Adoption? Adoptionsvermittlung zwischen Kinderwunsch und Special Needs 12.-14. April 2013, Bad Boll Wir brauchen Adoption – für Kinder, deren Wohl in einer Adoptivfamilie gewährleistet sein muss. In Deutschland sinkt die Zahl derer, die Kinder adoptieren wollen. Es gibt wenig wissenschaftliche Erkenntnisse zu Adoptionsverläufen, zur Rolle von Adoptivund leiblichen Eltern oder zu offenen und halboffenen Adoptionen. Mittel für Begleitung und Beratung fehlen. Wir diskutieren, was sich ändern muss. Tagungsnummer: 521313 Tagungsleitung: Kathinka Kaden, Christa Engelhardt, Prof. Jörg Reinhardt, Universität München Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/521313.pdf

Wirtschaftlich Netzwerken. Was bringt’s - wie geht’s? 12.-13. April 2013, Bad Boll Durch Facebook & Co. rücken andere soziale Netzwerke in den Hintergrund.

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Dabei haben Service-Clubs, politische, wirtschaftliche und kirchliche Vereinigungen vieles zu bieten. Lernen Sie hier etablierte sowie neue und aufstrebende Netzwerke kennen. Denken Sie mit uns über Chancen und Grenzen von sozialen Netzwerken nach. Tagungsnummer: 670113 Tagungsleitung: Anna E. Greve Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Welt:Bürger gefragt! Entwicklungspolitische Beteiligungskonferenz BadenWürttemberg 13. April 2013, Messe Stuttgart Auf der Beteiligungskonferenz im Rahmen der Messe "Fair Handeln" stellt die Landesregierung ihre entwicklungspolitische Bilanz vor. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, die Handlungsvorschläge für die Entwicklungspolitik in Baden-Württemberg weiter zu entwickeln. Die Evangelische Akademie Bad Boll organisiert und moderiert die Konferenz. Tagungsnummer: 621613 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dr. Regina Fein, Simone Helmschrott Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Tagungsreihe »Inklusion und Schule« - Teil 8. Schulen zwischen Koexistenz und Fusion 15.-16. April 2013, Bad Boll Viele Schulen müssen zusammen arbeiten oder fusionieren. Häufig wird diese Verschmelzung gegen den Widerstand der betroffenen Kollegien, Eltern und der Schüler/innen durchgesetzt. Doch es kann auch gelingen, Synergie-Effekte zu nutzen und durch die Zusammenführung zweier Schulen wirksame Verbesserungen zu erzielen. Tagungsnummer: 501513 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501513.pdf

Gesprächsführung für Menschen in helfenden Berufen. Das Modell der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg 16.-18. April 2013, Bad Boll Bei der gewaltfreien Kommunikation geht es um die empathische Verbindung zwischen den Menschen. Sie ist eine schlichte und wirkungsvolle Kommunikationsweise, um mit unseren Mitmenschen in Verbindung zu treten. Sie fördert eine innere Haltung der gegenseitigen Wertschätzung und führt zu mehr Tiefe und Achtsamkeit. Wir trainieren erlebnisorientiert, gemeinschaftlich und praxisnah. Tagungsnummer: 401313 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Dr. Uwe Schirmer Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/401313.pdf

Abschied von der Erwerbsarbeit 17.-20. April 2013, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhe- und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Den Abschied ernst nehmen und die Chancen der neuen Lebensphase in Beziehung, Freizeitaktivitäten und Engagement für andere zu erkennen, ist das Ziel des Seminars. Tagungsnummer: 770113 Tagungsleitung: Ulrike Leipersberger, Volker Stücklen Infos: Heidi Weinmann, Tel. (0711) 351459-30, Fax (0711) 351459-55 heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de

Was hilft gegen Altersarmut? 18. April 2013, Haus der Wirtschaft, Stuttgart Angesichts brüchiger Erwerbsverläufe, vielfach niedriger Löhne und der Absenkung des Rentenniveaus droht vielen Menschen im Alter der Absturz in die Armut. Aufstockung von Kleinrenten, flexible Übergänge in die Rente, Grundrente, aber auch die Rahmenbedingungen in der Erwerbsarbeit wie kann die Gerechtigkeitslücke geschlossen werden? Tagungsnummer: 240113 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt,

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was kommt ... Esther Kuhn-Luz Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Forum »Kirche-WirtschaftArbeitswelt« Württemberg 19.-20. April 2013, Bad Boll Die Landessynode hat Kirchengemeinden und kirchliche Dienste gebeten, »die Menschen in der Wirtschaft und im Arbeitsleben mit ihren Themen und Fragen wahrzunehmen«. Das Forum »Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt« vernetzt die vielfältigen Akteure in der Landeskirche, um die kirchliche Arbeit im Bereich der Wirtschaft abzustimmen und gemeinsame Schwerpunktthemen zu setzen. Tagungsnummer: 621813 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Esther Kuhn-Luz, R. Fein, A. Greve, K.-U. Gscheidle, S. Meyder-Nolte, M. Schwarz, K. Uhlmann, D. Bürkardt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Sammeln bis zur Einsamkeit Fachtag zum Messie-Syndrom 20. April 2013, Bad Boll Wenn Menschen aufgrund einer psychischen Störung zwanghaft alle möglichen Dinge sammeln, benötigen sie nicht jede, aber bestimmte Hilfe. Nach Ansätzen im Umgang mit dem sogenannten Messie-Syndrom (engl. mess, Durcheinander, Unordnung) hat die Akademie bereits vor zehn Jahren gefragt. Auf dem Fachtag soll dargestellt werden, welche neuen Erkenntnisse und Therapieangebote sich seither ergeben haben. Tagungsnummer: 521913 Tagungsleitung: Kathinka Kaden, Christa Engelhardt, Dr. Günter Renz Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/521913.pdf

iPad & Co. im Klassenzimmer Digitale Kompetenz und individuelle Förderung 23.-24. April 2013, Bad Boll Kinder leben mit Handys, TabletComputern und Internet. Es gibt nicht

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mehr die Frage des Ob, sondern nur noch des Wie schulischer Web-Literacy. Für den Unterricht bieten iPads und andere Tablet-Computer spannende Möglichkeiten, Methoden der individuellen Förderung bis hin zur Inklusion zu entwickeln. Neben Grundsatzreferaten können Sie in Praxis-Workshops unterrichtsnah mit aktuellen Tablets üben. Tagungsnummer: 500813 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Bürgerbeteiligung als kommunikative Herausforderung Intensivseminar für kommunale Führungskräfte 23.-25. April 2013, Bad Boll Sie erhalten Hintergrundwissen für die Praxis und trainieren, wie Sie sich politisch auseinandersetzen und mit Medienleuten, Belegschaften, Wählerinnen und Wählern umgehen. Der Schwerpunkt liegt auf den sensiblen Themen Bürgerbeteiligung und Wertschätzung. Tagungsnummer: 450713 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Norbert Brugger Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Islam und Reformation: Ist Toleranz genug? Von der historischen Deutung zur multireligiösen Gegenwart 26.-28. April 2013, Bad Boll Mit der Lutherdekade (2007-2017) feiert die Evangelische Kirche das Reformationsjubiläum. 2013 ist dem Thema Toleranz gewidmet. Bei der Tagung beschäftigen sich Christen und Muslime mit reformationsgeschichtlichen Wurzeln der christlichislamischen Beziehungen. Sie diskutieren, was Toleranz in einer multireligiösen Gesellschaft meint, wo sie bedeutsam wird und ob religiöse Toleranz neu definiert werden muss. Tagungsnummer: 430313 Tagungsleitung: Simone Helmschrott, Pfarrer Heinrich Rothe, Islambeauftragter

Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Dorothee Sölle Werk und Wirkungen 27.-28. April 2013, Bad Boll Dorothee Sölle starb 2003 während einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Ihre Texte zu politischer und feministischer Theologie, zu Spiritualität und Mystik, zu weltweiter Ökumene über Kirchen- und Religionsgrenzen hinweg finden noch immer begeisterte Aufnahme. Zehn Jahre nach ihrem Tod bietet die Tagung eine Plattform, um nach der Bedeutung und den Wirkungen ihres Werks zu fragen. Tagungsnummer: 531313 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Yasna Görner-Crüsemann Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Towards a more social Europe? Social sustainability and current EU economic policy 30. April - 1. Mai 2013, Hamburg According to the EU Treaty, the European Union is committed to full employment and social progress. But does current EU economic and social policy comply with these aims? The conference scrutinises the current EU social policy regime. Country-specific recommendations are checked against the social reality in selected member states. Conference language: English Tagungsnummer: 622213 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dr. Jürgen Born, Institut für Kirche und Gesellschaft der EKvW Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/622213.pdf

Auf dem literarischen Radweg Nr. 9 Geführte Radtour mit dem ADFC 5. Mai 2013, Bad Boll Der literarische Radweg Nr. 9, der in Kirchheim/Teck beginnt und an der Evangelischen Akademie Bad Boll endet, wurde im Juni 2012 eröffnet. SYM 1/2013


was kommt ... Die ADFC-Ortsgruppen Göppingen und Kirchheim bieten zur Saisoneröffnung eine geführte Radtour an, die auch bei den literarischen Museen am Weg vorbeiführt. Tagungsnummer: 531413 Tagungsleitung: Susanne Wolf, ADFC Göppingen und Esslingen (Kirchheim) Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Tagungsreihe »Inklusion und Schule« - Teil 9 Leistungsbeurteilung und Diagnose 7.-8. Mai 2013, Bad Boll Leistungsmessung durch Tests und Noten gehört zum Alltag in Schulen – trotz eindeutiger wissenschaftlicher Befunde, die Objektivität und Bedeutung von Noten für die Lernenden äußerst kritisch beleuchten. Wer den einzelnen Schüler individuell fördern will, muss andere Wege der Messung und Bewertung der Lernleistungen gehen. Wir stellen diese Wege vor und diskutieren ihre Umsetzbarkeit. Tagungsnummer: 501613 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342

Energiewende in den Entwicklungsländern. Nachhaltige Versorgungsstrategien für eine »saubere Entwicklung« 16.-17. Mai 2013, Bad Boll Sparsam, sauber und gerecht soll die Energieversorgung sein – auch in den Entwicklungsländern. Die Umstellung auf eine nachhaltige Versorgung steht dort aber vor besonderen Herausforderungen. Wie deckt man den wachsenden Energiebedarf in Ländern, in denen staatliche und wirtschaftliche Strukturen nicht verlässlich funktionieren und der technische Fortschritt weitgehend von außen importiert wird? Tagungsnummer: 620513 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dr. Regina Fein Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225

Gutes Netz, schlechtes Netz (Wie) verändern die Neuen Medien die Demokratie? 24.-26. Mai 2013, Bad Boll Direkter an politischen Prozessen beteiligt sein, Entscheidungen beeinflussen und mitgestalten wollen die meisten interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürger. Viele, z. B. auch in der Piratenpartei, sehen in den neuen Medien die Möglichkeit dazu. Welche Rolle aber spielen welche Medien, gerade in Zeiten eines Bundestagswahlkampfs? (Wie) verändern die neuen Medien die Demokratie? Tagungsnummer: 521413 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233

sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Tagungsreihe »Inklusion und Schule« - Teil 10 Leichte Sprache 3.-4. Juni 2013, Bad Boll Leichte Sprache ist ein Sprachkonzept, das sehr viele Kinder/Schüler erreicht. Es geht darum, (schwierige) Sachverhalte besser verständlich zu machen oder komplexe Wissensbereiche zugänglich zu machen. Wir stellen Unterrichtkonzepte in leichter Sprache vor und zeigen, wie elektronische Dokumente im pdf-Format im Unterricht für Kinder mit Behinderungen eingesetzt werden können. Tagungsnummer: 501913 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342

Giuseppe Verdi: Musik und Revolution. Akademiereise nach Norditalien 22.-29. Mai 2013, Akademiereise

brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501613.pdf

Lehren aus der Schlecker-Pleite Wie man Beschäftigte besser schützen kann 10.-11. Mai 2013, Bad Boll Mit dem Ende der Drogeriemarktkette Schlecker erlebte Deutschland eine der größten Insolvenzen seiner Wirtschaftsgeschichte. Diese Firmenpleite ist zum Prüfstein für das deutsche Unternehmens- und Insolvenzrecht geworden. Welche Konsequenzen ergeben sich? Die Tagung befasst sich mit Ansätzen zur Verbesserung von Transparenz, Steuerungsmöglichkeiten und betrieblicher Interessenvertretung in Krisen. Tagungsnummer: 200413 Tagungsleitung: Martin Schwarz Infos: Eliane Bueno Dörfer, Tel. (0731) 1538-571, Fax 1538-572 eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de

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Auf dieser Reise nähern Sie sich der Person Verdis und seiner Musik, lernen die Landschaft kennen, aus der er seine Inspiration zog und lassen sich – wie er – kulinarisch von der reichhaltigen Küche der Bassa Padana verwöhnen. Zu Verdis 200. Geburtstag zeigt diese Reise, wie Verdi mit seiner Musik das Risorgimento, die revolutionären Strömungen im Italien des 19. Jahrhunderts, befeuerte. Tagungsnummer: 502413 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/502413.pdf

gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501913.pdf

Landleben - eine Idylle? Zur Zukunft ländlicher Räume 5.-6. Juni 2013, Bad Boll Der demografische Wandel stellt besonders den ländlichen Raum vor neue Herausforderungen. Doch der Wandel birgt auch Chancen: Mit Mut und Visionen können ländliche Gemeinden zum Gesellschaftslabor werden, in dem neue Modelle von Kooperation und Nachhaltigkeit erprobt werden. Damit wäre nicht mehr Niedergang, sondern Fortschritt die

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was kommt ... Zukunftsvision für den ländlichen Raum. Tagungsnummer: 450213 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Günter Banzhaf, Johannes Stingl Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450213.pdf

Arbeitsausbeutung in Europa – machen wir die Augen zu? Maßnahmen gegen Menschenhandel und Hungerlöhne 7.-9. Juni 2013, Bad Boll Immer mehr Menschen aus europäischen Nachbarländern arbeiten illegal als billige Pflegekräfte oder in der Zwangsprostitution. Schwere Ausbeutung und Menschenhandel nehmen zu. Welche Präventionsmaßnahmen gibt es? Wie können Betroffene ihren Lohn einklagen und Entschädigung einfordern? Wie steht es um die strafrechtliche Verfolgung der Profiteure in Deutschland? Was kann europaweit getan werden? Tagungsnummer: 520513 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Welche Hilfe braucht die Selbsthilfe? Kritische Auseinandersetzung mit Patienten-Selbsthilfeverbänden 8.-9. Juni 2013, Bad Boll Selbsthilfe kann eine wichtige Rolle zur Bewältigung von Krankheiten spielen. Die Arbeit von Selbsthilfegruppen sollte unabhängig, eigenständig und transparent sein. Auf der Tagung wollen wir uns der grundsätzlichen Frage widmen, welche Hilfe und Unterstützung Selbsthilfegruppen brauchen. Wir fragen nach der Interessenvertretung der Selbsthilfe sowie nach Lobbyismus und beleuchten mögliche Abhängigkeiten. Tagungsnummer: 400113 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Gottfried Lutz Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

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Risiko und Katastrophen – Fachtagung 13.-14. Juni 2013, Bad Boll Technik- und Naturrisiken werden in Versicherungswirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert. Welche Rolle spielt der Faktor Mensch beim Umgang mit Risiken? Wie werden Risiken kommuniziert? Was macht ein Ereignis überhaupt zur Katastrophe? Welche Strategien gibt es zur Vorsorge und Bewältigung? Diese Fragen werden interdisziplinär erörtert. Tagungsnummer: 610213 Tagungsleitung: Dr. Regina Fein Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Mut zur Selbständigkeit Erfahrene Unternehmer fördern junge Gründer 14.-15. Juni 2013, Bad Boll Tatendrang, Neugier und Abenteuerlust sind treibende Kräfte in Ihrem Leben? Sie träumen immer wieder vom eigenen Unternehmen? Erfahren Sie hier, warum Köpfchen wichtiger ist als Kapital und warum Sie im Dschungel der Märkte nur mit klassischen Werten bestehen können. Die junge Generation kann von der Erfahrung der Älteren profitieren. Knüpfen Sie hier entscheidende Kontakte. Tagungsnummer: 670213 Tagungsleitung: Anna Greve Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Steintürmchen am Ostsee-Strand

Tagungsnummer: 451313 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Andreas Hohl, Natur und Kultur, Ringingen Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de Arbeit und Gesundheit im Konflikt Auswege aus permanenter Überlastung 20.-21. Juni 2013, Bad Boll In den vergangenen Jahren ist in Unternehmen im Umgang mit psychischen Belastungen viel geschehen. Doch die Forderungen nach ständiger Erreichbarkeit und täglicher Höchstleistung bleiben. Die Tagung fragt, was sich bei der Arbeitsorganisation, im Arbeitsschutzgesetz sowie in der Bewertung von Arbeit und Leistung ändern muss, damit Unternehmen und Mitarbeiter gesund bleiben. Tagungsnummer: 250313 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Martin Schwarz Infos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-345 simon.lademann@ev-akademie-boll.de

Estland - vom Land der Sänger zur ersten Internet-Republik Wanderstudienreise 17.-30. Juni 2013, Akademiereise Estland ist die nördlichste der drei baltischen Republiken mit langen Küsten, urwaldähnlichen Wäldern, einsamen Hochmooren und ausgedehnten Seenplatten. Das Land entwickelte sich in nur 20 Jahren zum baltischen Tigerstaat und zum Musterland der EU. Die Reise zeigt die Schönheit und Widersprüchlichkeit dieses interessanten Landes am nordöstlichen Rand der Europäischen Union.

Familientag für Adoptiveltern und ihre Kinder 22. Juni 2013, Bad Boll Die Tagung beginnt mit einem Vortrag für die Erwachsenen zum Thema Adoption. Parallel dazu wird es für die verschiedenen Altersgruppen Angebote geben. Am Nachmittag mischen sich Erwachsene, Kinder und Jugendliche in verschiedenen Arbeitsgruppen. Am Ende gibt es einen gemeinsamen Abschluss mit Präsentationen aus den Gruppen, Gesprächen und Austausch. Tagungsnummer: 400313

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was kommt ... Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Gleichstellung geht anders. Vor der Wahl: politische Versäumnisse bei der Gleichstellung von Frauen 28.-30. Juni 2013, Bad Boll Der erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2011 benennt gravierende Unterschiede im Lebensverlauf von Frauen und Männern. Die Tagung wird einige exemplarisch aufgreifen, z. B. Teilzeitarbeit als Ursache von Altersarmut, internationale Ansätze der Genderpolitik vorstellen und konkrete Handlungsempfehlungen diskutieren – nicht zuletzt mit Blick auf die nahende Bundestagswahl. Tagungsnummer: 531113 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Kathinka Kaden, Claudia Sünder Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Tagungsreihe »Inklusion und Schule« - Teil 11. Der Inklusionsindex für Schulen und Kommunen 1.-2. Juli 2013, Bad Boll Wenn Schulen in Gemeinden und Betrieben Praktikumsplätze für Jugendliche mit Behinderung suchen, wird deutlich: In der Schule wird Inklusion gelebt. Indizes für Inklusion sind Frage-Listen zur Inklusion. Sie dienen als Diskussions-Grundlage und StandortBestimmung für Schulen und Gemeinden. Wir stellen solche Indizes und den Umgang mit ihnen vor. Tagungsnummer: 502513 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/502513.pdf

Den demografischen Wandel meistern. Unternehmen als Partner im ländlichen Raum 4. Juli 2013, Bad Boll Der ländliche Raum in Baden-Württemberg ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort – noch. Der demografische Wandel bringt neue Herausforderungen für Infrastruktur, BildungsSYM 1/2013

angebote, Versorgungsmöglichkeiten und soziale Einrichtungen mit sich. Der Fachtag beschreibt die Probleme und zeigt Modelle, wie Unternehmen und Kooperationspartner den demografischen Wandel gestalten können. Tagungsnummer: 200113 Tagungsleitung: Martin Schwarz, Dr. Irmgard Ehlers Infos: Eliane Bueno Dörfer, Tel. (0731) 1538-571, Fax 1538-572 eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de

Vierte Württembergische Fundraisingschau. Fortbildung, Austausch, Best Practice 13. Juli 2013, Bad Boll Kirchengemeinden zeigen erfolgreiches Fundraising. Stiftungen informieren über Entstehung und Arbeit. Vorträge und Workshops vermitteln Kenntnisse. Dienstleister präsentieren Service. Verleihung des Fundraisingpreises der Landeskirche. Am Ende des Tages wissen Sie, wie Fundraising funktioniert. Tagungsnummer: 450313 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Helmut Liebs Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

tät in Deutschland zu gewährleisten, stehen Kommunen und Versorgungsunternehmen vor neuen Herausforderungen: Wie lässt sich Grundwasser nachhaltig nutzen? Wie können die Probleme bewältigt werden, die paradoxerweise durch einen demografisch bedingten, sinkenden Wasserverbrauch entstehen? Wie wirkt sich der Klimawandel auf die zukünftige Wasserversorgung aus? Tagungsnummer: 450913 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Prof. Dr. Gerald Sander Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Meditatives Tanzen im Sommer 19.-21. Juli 2013, Bad Boll Ein sommerliches Wochenende mit Kreistänzen nach Melodien aus der internationalen Folkloretradition, nach neuer und klassischer Musik. Arbeit mit der Stimme, Körperwahrnehmungsübungen, Phasen der Stille und Gespräch werden das Tanzen begleiten. Tagungsnummer: 530713 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Medien und Straffälligenhilfe Wer beeinflusst wen? 15.-16. Juli 2013, Bad Boll Bei Entlassenen aus der Sicherungsverwahrung wird es überdeutlich: Immer wieder erliegt die Öffentlichkeit auch aufgrund von Medienberichten der Gefahr einer Skandalisierung. Ist die sogenannte »Litigation-PR«, die strategische Rechtskommunikation bzw. prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit, auch Zukunftsaufgabe für die Straffälligenhilfe? Tagungsnummer: 520713 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Wasser – die wichtigste Ressource der Zukunft. Die Versorgung mit Wasser zwischen Daseinsvorsorge, Regulierung und Privatisierung 17.-18. Juli 2013, Bad Boll Um zukünftig die hohe Wasserquali-

Strategien für eine schrumpfende Gesellschaft. Wirtschaft und Sozialpolitik vor demographischen Herausforderungen 19.-20. Juli 2013, Bad Boll Was bedeutet die demografische Entwicklung für Wirtschaft, Wohlstand und soziale Sicherung? Weniger und ältere Menschen in Deutschland führt das auch zu weniger Wachstum? Um welche Art von Wachstum wird/kann es in Zukunft gehen? Welche Chancen liegen im Veränderungsdruck für Unternehmen und Gesellschaft? Diskutiert werden Lösungsansätze für Unternehmen, für Wirtschafts- und Sozialpolitik. Tagungsnummer: 620713 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dagmar Bürkardt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

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aus der akademie

Aus der Akademie

meine Berufserfahrung als Journalistin anzuknüpfen.

Abschied von Katja Korf, Pressesprecherin

Was hast Du in den zwei Jahren in Bad Boll bewegt? Das Team der Pressestelle hat in den vergangenen Jahren vor allem viele Relaunchs angestoßen. Wir haben professionelles E-mail-Marketing auf den Weg gebracht und wir sind dabei, die Website zu modernisieren. Wir haben Auftritte in den Sozialen Netzwerken gestartet – zum Beispiel bei Facebook und Twitter und in Schulungen versucht, die Kolleginnen und Kollegen dafür zu begeistern.

Die Pressesprecherin und Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Katja Korf hat die Akademie nach zwei Jahren zum 1. Februar verlassen. Sie wechselt als Redakteurin im Ressort »Vermischtes und Kultur« zur Schwäbischen Zeitung nach Ravensburg. Katja Korf hat von 1997 bis 2004 an der Universität Dortmund und in Budapest Journalistik und Politikwissenschaften studiert. Von 1999 bis 2007 arbeitete sie als freie und feste Redakteurin bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, von 2005 bis 2009 als Redakteurin in der Pressestelle der Kindernothilfe. Bevor sie zur Evang. Akademie wechselte, war Katja Korf Referentin in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen UNESCO-Kommission für die UN-Dekade »Bildung und nachhaltige Entwicklung«. Martina Waiblinger hat sie vor ihrem Weggang befragt.

Ist das gelungen? Ich glaube, wir haben mit unseren Auftritten in Sozialen Netzwerken einen ganz guten Start hinbekommen. Vor allem nach Tagungen für Studierende merken wir das am Feedback. Wir können dort Seiten der Akademie zeigen, die sonst vielleicht nicht so im Vordergrund stehen – etwa einen Blick in den Arbeitsalltag werfen. Aber es bleibt weiter wichtig, sich nicht auszuruhen, sondern sich in Sozialen Netzwerken zu bewegen – um sie zu nutzen, aber auch um sie in unserer Arbeit kritisch zu beleuchen. Was nimmst Du aus Bad Boll mit? Ich habe vor allem das gute Arbeitsklima in der Akademie geschätzt. Als Pressereferentin hatte ich manchmal einen anderen Blick auf die Dinge als die Kolleginnen und Kollegen – ich habe aber im Haus große Offenheit und viele konstruktive Diskussionen erlebt. Ich habe aber auch gelernt, dass viele Dinge sich nicht so schnell ändern lassen, wie erhofft – was natürlich in der Natur einer so großen Institution wie der Landeskirche liegt.

Du warst jetzt nur zwei Jahre in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Was ist der Grund für den Wechsel? Ich gehe vor allem aus persönlichen Gründen. Meine Lebensgefährtin ist seit zwei Jahren Ärztin im Allgäu und als ich kurzfristig das Angebot bekam, zur Schwäbischen Zeitung zu wechseln, habe ich die Chance genutzt, das Wochenendpendeln zu beenden. Außerdem hat mich diese unerwartete Gelegenheit gereizt, wieder an

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Was wird Dir in Ravensburg fehlen? Die Kolleginnen und Kollegen, das hervorragende Mittagessen, die großen Spielräume, die ich als Pressereferentin hatte. Die Akademie hat eine ganz besondere Atmosphäre, die ja auch unsere Tagungsgäste schätzen. Dieses Arbeitsumfeld werde ich sicher vermissen. Und natürlich die Matches beim Tischfußball nach dem Mittagessen.

Buchtipps und Links zum Schwerpunkt Zum Beitrag von Dr. Michael Wildt, S. 7/8: Rolf Balgo: Ansätze einer systemischen Theorie der Beobachtung sonderpädagogischen Beobachtens von Lernbehinderung. In: Balgo, Rolf, Werning, R. (Hrsg.): Lernen und Lernprobleme im systemischen Diskurs 2003 Dr. Michael Wildt: Sammlung von Texten auf der Homepage des Systemischen Forums Niedersachsen (www.SysFoNie.de) unter dem Titel »Gestaltung von Unterricht, der individuelles Schülerlernen und kooperatives Arbeiten verbindet« Zum Beitrag von Christa Engelhardt, S. 11/12: Philippe di Borgo stürzte vor 20 Jahren mit dem Gleitschirm ab und wurde querschnittsgelähmt. Der ExSträfling Abdel wurde sein Pfleger. Die Verfilmung von Pozzos Autobiografie machte den Schwerstbehinderten berühmt. - Autobiografie: Philippe di Borgo: Ziemlich beste Freunde. Ein zweites Leben, Carl Hanser Verlag, 2012 - Film: Ziemlich beste Freunde, DVD, 2012 - Philippe Pozzo di Bargo, Jean Vanier, Laurent de Cherisey und Bettina Bach: Ziemlich verletzlich, ziemlich stark. Wege zu einer solidarischen Gesellschaft, Carl Hanser Verlag, 2012 Links: www.leichtesprache.org www.einfachverstehen.de www.ich-kenne-meine-rechte.de www.leidmedien.de www.ohrenkuss.de Zur Meditation von Christa Engelhardt, S. 25: - Website Steiff-Museum im schwäbischen Giengen auf dem Firmengelände der Firma Steiff: www.steiff.de - Film »Margarete Steiff« (2005) mit Hauptdarstellerin Heike Makatsch, Regie: Xaver Schwarzenberger, DVD

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buchtipps - appell – rezept

Rezension Albert Biesinger, Friedrich Schweitzer, Matthias Gronover, Joachim Ruopp (Hrsg.) Integration durch religiöse Bildung Perspektiven zwischen beruflicher Bildung und Religionspädagogik, Waxmann Verlag, 2012 Grundlage der Beiträge dieses wichtigen Buches, das aktuelle gesellschaftliche Diskussionen widerspiegelt, sind Veranstaltungen, die einerseits in der Evangelischen Akademie Bad Boll (»Integration durch religiöse Bildung – Interreligiöses Lernen in Beruflicher Bildung und Arbeitswelt«) stattfanden, andererseits gemeinsam von den Instituten für berufsorientierte Religionspädagogik an der Universität Tübingen (EIBOR und KIBOR) ausgerichtet wurden sowie bei einem Symposium zu dem Thema an der Universität Tübingen. Im Vorwort benennen die Herausgeber »Integration« als ein Schlüsselthema der Gegenwart und betonen, dass selbst dort, »wo Integration mit der Forderung nach Anerkennung und Partizipation verbunden wird, nur selten deutlich gesagt (wird), dass Menschen nicht nur trotz, sondern mit ihrer Religion anerkannt werden sollen.« Der Band fragt also nach den verschiedenen Aspekten und dem Zusammenhang von Integration und Religion, welche »ihre Zuspitzung« in der Frage nach religiöser Bildung finden. Ein Aspekt sind die verschiedenen Zugangsweisen von interkultureller und interreligiöser Bildung. In der Debatte geht es auch um eine Klärung des Begriffs »Integration« und um den jeweiligen Standpunkt von Wissenschaft und Bildungspolitik, weil es »kein rein akademisches Thema« ist, sondern auch »die gesellschaftlichen und politischen Implikationen« bedacht werden müssen. Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert: Interkulturalität, Integration, Praxisbeispiele, Politik und Wissenschaft. Mit einem Ausblick von Albert Biesinger schließt das spannende Buch, das auch über Deutschland hinaus in unsere Nachbarländer blickt und Überlegungen zur Inklusionspolitik Deutschlands einschließt. mw SYM 1/2013

Appell: Kirchen müssen Sonderwelten für Behinderte abschaffen Bad Neuenahr (epd). Die kirchliche Behindertenarbeit steht nach Auffassung der Behinderten-Expertin Theresia Degener in den kommenden

Gleichberechtigung sei das Maß der Dinge. Dazu gehörten Autonomie, Unabhängigkeit und die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Behinderten-Expertin Theresia Degener referierte am 8. Januar bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr.

Kohlrabi mit Polentasoufflé für 4 Personen

Theresia Degener ist Juristin und Aktivistin der bundesdeutschen Behinderten-Bewegung. Hier bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Jahren vor grundlegenden Änderungen. Die in der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen geforderte Abschaffung gesonderter Einrichtungen treffe vor allem die kirchlichen Träger, derzeit »die größten Betreiber dieser Sonderwelten«, sagte die Verwaltungsrechtsprofessorin am 8. Januar in Bad Neuenahr. Die Kirchen brauchten ein neues Verständnis von Barmherzigkeit, sagte Degener. Die Juristin und Aktivistin der bundesdeutschen Behindertenbewegung forderte die Kirchen auf, bei der Umstrukturierung ihrer Behindertenarbeit die Interessenverbände der Behinderten miteinzubeziehen. Sie appellierte an die Verantwortlichen, darauf zu achten, dass nicht die SchwerstMehrfachbehinderten in Sonderwelten zurückbleiben. Inklusion von Menschen mit Behinderungen ist nach Aussage der Professorin Bestandteil des Menschenrechts auf Gleichheit. »Wir wollen keine neuen und keine Sondermenschenrechte«, sagte Degener, die selbst contergangeschädigt ist. Menschen mit Behinderung hätten aber nicht nur Anspruch auf einige Menschenrechte, sondern auf alle.

Kohlrabi: 4 Kohlrabi waschen und schälen, kleine Blätter aufbewahren, Deckel abschneiden; Kohlrabi im Dampf bissfest garen; aushöhlen bis auf einen standfesten Rand; Inneres und den Deckel fein würfeln. 200 g Zwiebelwürfel und 200 g Apfelwürfel in 2 EL Olivenöl andünsten, Kohlrabiteile dazugeben, mit 0,2 l Apfelsaft ablöschen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken; alles in eine gefettete Auflaufform füllen. Polenta: 0,2 l Wasser mit Salz und etwas Butter aufkochen; 50 g Polentagrieß einrühren, 10 Min. quellen lassen; 40 g Parmesan, 60 g getrocknete Tomaten und Oregano nach Belieben einrühren. 2 Eier trennen, Eiweiß steif schlagen, Eigelbe unter die Polentamasse ziehen; Eischnee unterziehen Diese Masse 2/3 hoch in die ausgehöhlten Kohlrabi füllen; Kohlrabi in die Auflaufform stellen und im vorgeheizten Backofen bei 170° 20-30 Minuten backen. Die zarten Kohlrabiblättchen in Streifen schneiden und über das fertige Gericht streuen. Guten Appetit! Ihre Marianne Becker

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aus dem archiv

Als Pastor nach Pattaya

der Stadt zu tun. Nicht nur wichtige Leute sind zu besuchen, sondern auch Patienten im Krankenhaus. Wenn mein PC, den ein Kurzschluss außer Gefecht gesetzt hat, wieder funktioniert, werde ich eine Homepage einrichten. Ich schreibe regelmäßig unter wolfgangwagner.blog.de mein Tagebuch, kann es aber wegen der Zensur hier selber nicht lesen. Im Moment sind wir in Facebook gut vertreten und im Internetauftritt der Kirchengemeinde. Dort kann man auch den gut gemachten Gemeindebrief bestellen. Wir brauchen Freunde und Gönner in aller Welt. Siehe: www.die-bruecke.net/

von Wolfgang Wagner Wolfgang Wagner war viele Jahre Studienleiter in der Evangelischen Akademie. Wir haben darüber in SYM 3/2012 berichtet. Am 8. Januar 2013 ist er nun mit seiner Ehefrau nach Pattaya geflogen, wo sie jetzt auf alle Fälle für ein Jahr leben und arbeiten werden. Wir werden ein Jahr lang an dieser Stelle über seine Erfahrungen berichten. »Sind Sie strafversetzt?« fragt mich ein Gottesdienstbesucher nach meiner feierlichen Einführung als Pastor im »Begegnungszentrum Pattaya«. Ungläubig vernimmt er, dass man in der württembergischen Kirche mit 65 Jahren pensioniert wird und ich hier als Rentner tätig bin. Ich soll das Begegnungszentrum leiten, das die EKD im Rahmen der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde unterstützt. In Pattaya und Umgebung leben dauerhaft circa 10 000 Deutsche, in der gegenwärtigen Hauptsaison kommt noch einmal dieselbe Zahl dazu. Die Gemeinde selber hat aber nur elf zahlende Mitglieder. Dafür beteiligen sich ehrenamtlich noch einmal ein Dutzend Leute, die das Zentrum begründet haben. Zu meinem ersten Gottesdienst kamen sechzig Personen. Das Zentrum selber könnte eine Art »Treffpunkt Senior« werden, wie ihn die Evangelische Akademie Bad Boll in Stuttgart entwickelt hat. Allerdings erinnern einen die meisten Männer, die sich hier treffen, eher an die Seemannsmission. Manche bringen ihre Thai-Freundinnen mit, die aber kein Wort Deutsch verstehen, oft nicht einmal Englisch. Deutsche Frauen sind in der absoluten Minderheit und meistens nur kurzzeitig hier. Das Gebäude ist verkehrsgünstig im Norden der Stadt gelegen. Allerdings hat ein Wolkenbruch schon das ganze Zentrum unter Wasser gesetzt. Bis zur eigentlichen Regenzeit muss ich eine

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Wolfgang Wagner ist jetzt in einer ganz anderen Welt als der Akademie-Welt.

provisorische Lösung für das Dach finden. Der Bau ist gemietet. In Thailand gehört alles, was man investiert und nicht mitnehmen kann, dem Vermieter. Nach einer verqueren Logik erhöht er nach einer Wertsteigerung dann noch die Miete. Langfristig wird man ein anderes Domizil suchen müssen. Neben den Gottesdiensten sollen auch Vorträge und andere Veranstaltungen stattfinden. Es gibt bereits eine Selbsthilfegruppe für Lungenkranke, eine Gruppe mit psychologischer Beratung, eine Therapiegruppe und eine Schreibwerkstatt. Das Angebot eines bayrischen Volksmusiktrios, das jeden Tag hier jodeln möchte, habe ich erst einmal abgelehnt. Das Zentrum verfügt auch über eine kleine Bibliothek, die meine Frau leiten wird. Sie hat erst einmal ein Drittel der Bücher weggeworfen, weil viele buchstäblich vergammelt waren oder jeden Anspruch vermissen ließen. Jetzt stehen ein Band Luther und zwei Bände Kant unter hundert Bänden Konsalik und Co. Das Zentrum ist bewirtschaftet und fünf Tage pro Woche nachmittags geöffnet. In dieser Zeit stehe ich für Gespräche zur Verfügung. Ich hoffe, dass irgendwann einmal das allgegenwärtige Thema Nr. 1 erschöpft ist. Vormittags habe ich im Büro oder in

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 10. Jahrgang 2013, Heft 1/2013 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Dr. Günter Renz) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotonachweis: Archiv Evangelische Akademie Bad Boll: U4 (1); Archiv Martin-Luther-Schule: S. 8/9; Reinhard Becker: U 4 (1); Christa Engelhardt: U 3, U 4 (4); epd-bild/HansJürgen Vollrath: S. 23; Regina Fein: S. 3; Thilo Fitzner: S. 7; globethics.net: S. 2; Andreas Hohl: S. 20; ©2010 Mike Le Gray Photography: S. 12; privat: S. 5, 12, 14, 15, 24; Sigrid Schöttle: U 4 (1); Jakob Studnar: S. 22; Martina Waiblinger: S. 4; Natalia Weinberg: U 4 (2) SYM erscheint vierteljährlich. Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.deDas Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach SYM 1/2013


meditation

»Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig« Das Beispiel von Margarete Steiff gibt vielen Hoffnung Margarete Steiff und ihre Biografie sind ein Beispiel wie Inklusion gelingen kann – zu einer Zeit, als es das Wort noch gar nicht gab. Christa Engelhardt hielt die Meditation bei der Tagung der Werkstatträte am 11. Juli 2012. Die Meditation ist gekürzt. 1847 wird Margarete in Giengen an der Brenz geboren. Mit 18 Monaten erkrankt sie an Kinderlähmung. Danach sind ihre Beine gelähmt, ihren rechten Arm kann sie nur unter Schmerzen bewegen. Einen Rollstuhl für körperbehinderte Kinder gab es zu dieser Zeit nicht. Deshalb steht ein Leiterwagen mit bunten Rädern vor dem Haus. Jeden Morgen trägt die Mutter ihr Mädchen die Treppe hinunter, setzt es in den Wagen und rückt die Kissen zurecht, damit es gut sitzen kann. Zum Abschied bekommt die Kleine noch einen Kuss. Sie kann nicht spielen, nicht hüpfen und Ball spielen wie andere Kinder. Dennoch ist sie nicht traurig. Ihre lebhaften dunklen Augen wandern hin und her, damit sie alles um sich herum beobachten kann. Oft erzählt sie Geschichten. Dann hören alle Kinder gespannt zu. Eines Morgens liegt an Margaretes Platz am Frühstückstisch ein Geschenk: Ein Schulranzen! »Aber wer fährt Gretel zur Schule und wer trägt sie hinauf in die Klasse?« fragen die Geschwister. Für alles findet sich eine Lösung: Die großen Kinder ziehen den Wagen zur Schule und eine freundliche Frau in Schulnähe trägt das Mädchen in die Klasse. Abends wird Margarete schon um sieben Uhr ins Bett gebracht. Die kranken Arme und Beine brauchen Ruhe. Aber ihre Gedanken sind noch hellwach. Draußen hört sie die Nachbarkinder spielen. Wie gerne wäre sie dabei! Plötzlich ruft einer: »Gretel, wir holen Dich!« Kräftige Jungen tragen das Mädchen die Treppe hinunter. In ihrem Wagen ziehen sie Gretel den Berg hinauf. So schnell es geht, rennen sie mit dem Wagen bergab. Für Margarete kann es nicht wild genug zugehen! Plötzlich

stürzt der Wagen um! Mit gebrochenem Bein wird Gretel nach Hause getragen. Lange kann sie ihr Bett nicht verlassen. Durch den Unfall hat Margarete erfahren, dass die kranken Füße unveränderbar Teil ihres Lebens sind und nimmt dies als Schicksal und Herausforderung an. Sie lernt nähen, trotz der Schmerzen in der Hand. Zusammen mit ihrer Schwester eröffnet sie eine Schneiderei. Um sich die Arbeit zu erleichtern, kauft sich die junge Frau die erste Nähmaschine der Stadt und dreht sie kurzerhand um, damit sie mit ihrer behinderten Hand damit arbeiten kann. Die Menschen kaufen gerne bei den Schwestern. Margarete liefert nicht nur gute Ware, mit ihrer Fröhlichkeit vertreibt sie auch die Sorgen der Kunden. Doch wenn sie mit ihrer Schwester alleine ist, klagt sie: »Wenn du wüsstest, wie schwer es ist, sich immer von anderen führen und tragen zu lassen! Ich bin jung und würde auch gerne alles selber machen können. So bin ich mit meiner Behinderung für alle eine Last«. Zu Weihnachten verschenkt Margarete Nadelkissen, die wie kleine Elefanten aussehen. Kaum sind die Festtage vorbei, stürmen die Leute die Schneiderei und wollen solch kleine Filzelefanten kaufen. Ein neues Spielzeug wurde entdeckt. Aus der kleinen Schneiderei wird eine große Spielwarenfabrik mit vielen Arbeitern. Immer neue Tiere werden entworfen. Obwohl das Material teuer und die Arbeit aufwändig ist, fängt Margarete an, Bären zu nähen - mit einem richtigen Fell, beweglichen Gliedern und leuchtenden Glasaugen. Das hat es noch nie gegeben. Auf der nächsten Spielwarenmesse kommt ein Mann an den Stand. Er ist so begeistert von dem drolligen Bären, dass er sofort 3 000 Stück bestellt, um sie in Amerika zu verkaufen. So tritt Margarete Steiffs Teddybär seinen Siegeszug um die Welt an. Eine Weltfirma ist ent-

Auf der Tagung der Werkstatträte war der Bär ein beliebtes Maskottchen – stand er doch für das Leben der Margarete Steiff, das alle sehr beeindruckt hatte.

standen. Menschen auf der ganzen Welt träumen ihren Traum bis heute weiter. Margarete Steiff hat etwas gestaltet, das größer ist als das Leben. Aus dieser Geschichte einer außergewöhnlichen Frau, die sich als energisches junges Mädchen gegen viele Widerstände ihren Platz im Leben erkämpfte, erfahren wir, dass in jedem Leben einzigartige Chancen stecken. Gott sagt: »Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig«. Er hat für jeden Menschen einen besonderen Platz im Leben! Wenn wir diese Aussage ernst nehmen, erkennen wir, dass Gott gerade dann mit uns zu tun haben will, wenn wir schwach sind, dass sein Gesandter Paulus gerade darum besonders ist, weil er eine Behinderung hat. Gott handelt über unser Verstehen hinaus. Eine Behinderung ist kein Problem für Gott, der uns in unserer Eigenart und Besonderheit gewollt hat. Christa Engelhardt ist Studienleiterin in der Evangelischen Akademie Bad Boll


Abs. Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll - Postvertriebsstück 64670 - Entgelt bezahlt

Bilder aus der Tagung der Werkstatträte »Zusammenarbeit in der Werkstatt – wie kann das gut gelingen?« 9.-11. Juli 2012. Oben: Gruppenfoto, untere Reihe: aus den Workshops, rechts: die Band der Offenen Hilfen Heilbronn »Handle with Care«

Inklusion ist in der Evangelischen Akademie Bad Boll Alltag – Impressionen

Links: Fachtag von Staatlichem Schulamt und Kreisjugendring mit 80 behinderten und nichtbehinderten Jugendliche zum Thema Inklusion (s. a. S. 13). Mitte und rechts: Bei einem Planspiel, in dem »Talent im Land«-Stipendiaten die Arbeit von EU-Kommissaren machten, waren Jugendliche aus 24 Nationen beteiligt.


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