SYM

Page 1

ISSN 1613-3714

64670

Einzelpreis € 3.-

Schwerpunktthema Frauen an der Macht? Alice Schwarzer: kämpferisch, nachdenklich und authentisch Gelernt zu kämpfen – als Frau und als Schlecker-Angestellte Wenn Machos weinen lernen Mädchen streiten anders als Jungen Die Quotierung ist überfällig Tagungsvorschau Palästina und Israel – Frieden in Grenzen? Auswege aus der Prekarisierungsfalle Literarische und philosophische Sommerakademie Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service

Frauen an der Macht? Juni

2

2012


inhalt

aktuell ...

2

Welt:Bürger gefragt – Bürger gestalten Entwicklungspolitik mit Die Akademie mischt mit bei Facebook, Twitter & YouTube Evangelische Akademien in Deutschland wählen neuen Vorstand Studienbegleitprogramm STUBE wechselt ins Dezernat 1 Neuer Radweg »Per Pedal zur Poesie« führt zu Blumhardts Literatursalon

Rückblende

Ausstellung

12

Was kommt ...

16

Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 8. Juni bis 21. Oktober 2012

Aus der Akademie

21

Publikationen

23

3

Rückblick auf vergangene Tagungen

Werner Stepanek: Skulptur, ohne Namen

Onlinedokumente

6 Impressum

24

Meditation

25

Werner Stepanek Skulpturen

Schwerpunkt: Frauen an der Macht

7

Gelernt zu kämpfen – als Frau und als Schlecker-Angestellte Alice Schwarzer: »Kein Wunder dass ich Ärger gekriegt habe« Wenn Machos weinen lernen. Maskulinitätsarbeit in Lateinamerika Die Quotierung ist überfällig Die Bereitschaft miteinander zu reden. Streitschlichterinnen berichten über ihre Erfahrungen.

Titelbild Auf der Tagung »40 Jahre Frauenbewegung« im Mai in Bad Boll: Die Theologin Marita Werntze-Sparla im Gespräch mit Helga Hansen, die seit drei Jahren über Feminismus und Netzwerkthemen für die »Mädchenmannschaft« bloggt. Sie arbeitet als freie Wissenschafts- und Lokaljournalistin. Foto von Martina Waiblinger SYM 2/2012


editorial

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, seit dem Stern-Artikel 1971, in dem sich mehr als 300 Frauen zur Abtreibung bekannten, hat sich vieles verändert. Aber noch ist nicht alles gut. An vielen Stellen wird zwar von Gleichberechtigung geredet, aber sie ist nicht realisiert: zum Beispiel im Lohngefüge; Pflege – nach wie vor ein »Frauenberuf« – wird zum Beispiel unzureichend bezahlt; auch die Debatte um das Betreuungsgeld und die Plätze in Kindertageseinrichtungen zeigt, wie ungleich die Belastungen sind, wie viel noch zu tun ist. Macht zu haben bedeutet, Personen und Verhältnisse beeinflussen und verändern zu können. Max Weber formuliert zugespitzt: »Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen durchzusetzen.« Dass Macht viel zu oft mit Gewalt verbunden ist, gibt zu denken. Ohnmachtsgefühle können ebenso zu Gewaltaktionen führen. Umso wichtiger ist es, die Machtfrage immer wieder zu stellen. Die Frage nicht zu verdrängen, wer wie in der Gesellschaft Einfluss nimmt und seinen Willen durchsetzen kann. Gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern – das war und ist das Ziel einer Kirche, die dem Menschenfreund Jesus aus Nazareth nachfolgt und sich der Gewaltlosigkeit verpflichtet weiß, ebenso der Gerechtigkeit und der unbedingten Menschenwürde. Gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern – das war und ist das Ziel der Frauenbewegung, die auf 40 Jahre zurückblickt und bei einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll zum einen Bilanz zog, zum anderen unverdrossen weitere Veränderungen anmahnt und Rückschritte beklagt. Nach wie vor sind in den Parlamenten, in den Spitzenpositionen von Wirtschaft, Kirche und Verbänden die Frauen deutlich unterrepräsentiert. Alice Schwarzer hat darauf bei ihrem sehr persönlichen Rückblick auf 40 Jahre Frauenbewegung ebenso hingewiesen (S. 7) wie Frida Müller, die aus der Gewerkschaftsarbeit bei Schlecker berichtet, selbstkritisch nachfragt: »Manchmal dachte ich, warum sind die Männer immer vorne dran und warum werden die Frauen so oft geschnitten?« (S. 9) Nach wie vor halten wir das Gespräch mit den Betroffenen, das zielorientierte Fragen nach der besseren Lösung für den Königsweg. Nach wie vor denken wir, dass im Diskurs nachhaltig wirkende Ideen Gestalt gewinnen können und Menschen das Gemeinsame stärken. Wenn ich die Statistik der Evangelischen Akademie Bad Boll anschaue, sehe ich mehr Frauen als Männer, die sich bei Tagungen beteiligen. Menschen, die Einfluss nehmen wollen zum Wohle aller. Das macht Mut, dass es weiter geht auf dem Weg der Gerechtigkeit! Mit herzlichen Grüßen

Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor SYM 2/2012

1


aktuell Bürger gestalten Entwicklungspolitik mit Über 350 Bürgerinnen und Bürger haben am 14. April auf der Messe Stuttgart mit Landesminister Peter Friedrich über die Zukunft der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit des Landes diskutiert. Die Bürgerkonferenz auf der Messe »Fair Handeln« bildete den Auftakt des Bürgerdialogs »Welt: Bürger gefragt«. Die Evangelische Akademie Bad Boll moderiert den Prozess, bei dem bis September Bürger, Initiativen, Verbände und Organisationen ihre Vorstellungen und Anregungen für eine neue entwicklungspolitische Leitlinie des Landes einbringen können. »Es ist an der Zeit, dass die engagierten Bürgerinnen und Bürger die Entwicklungspolitik direkt mitgestalten können. Wir setzen auf den Sachverstand, den all jene mitbringen, die sich in Gemeinden, Kirchen, Unternehmen oder Schulen und Universitäten engagieren«, sagte Friedrich. Mehr als 1000 Initiativen für Entwicklungspartnerschaften und Zusammenarbeit gebe es in Baden-Württemberg. Diese gelte es, sichtbarer zu machen und ihr Engagement zu unterstützen. Zu den Rednern der ersten von sechs Bürgerkonferenzen gehörte auch Erhard Eppler (SPD), ehemaliger Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Er forderte, sich in der Entwicklungszusammenarbeit auf Afrika zu konzentrieren: »Natürlich leben in China und Indien die Hälfte aller hungernden Menschen weltweit. Aber dort leben auch viele Milliardäre – solche Staaten müssen das Hungerproblem allein bewältigen.« Afrika benötige dagegen ganz besonders die Unterstützung Europas. Eppler lobte den von der Landesregierung angestoßenen Partizipationsprozess. Die Bereitschaft der Menschen, Milliarden für Entwicklungszusammenarbeit aus Steuermitteln bereitzustellen, werde vor Ort in Kommunen geschaffen. Deshalb sei es so wichtig, das regionale Engagement von Bürgern zu fördern. Die Evangelische Akademie Bad Boll organisiert und moderiert den Dialogprozess im Auftrag der Landesregierung. Dr. Dieter Heidtmann, Studienleiter an der Akademie: »Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen zusammen zu bringen, um gemeinsam zu überlegen, wie Politik und die Zusammenarbeit in der Gesellschaft besser gestaltet werden können, ist eine klassische Aufgabe der Evangelischen Akademien. Bei solchen Bürgerbeteiliungsprozessen ist es wichtig, dass sie von einer neutralen Institution moderiert werden.« Die landesweite Initiative »Welt:Bürger gefragt!« soll Veränderungen in Wirtschaft und Verwaltung anstoßen – etwa im Beschaffungswesen, bei Bildungskooperationen oder bei Ausschreibungen. In 12 Bürgerkonferenzen und Themengesprächen im ganzen Land können Bürger ihre Ideen und Vorschläge für die

2

Entwicklungszusammenarbeit mit Peter Friedrich, Minister für Internationale Angelegenheiten (SPD) und anderen Vertretern der Landesregierung diskutieren. Zu jeder Veranstaltung gehören auch Workshops, in denen die Teilnehmenden Positionen und Anregungen sammeln. Ein Fachbeirat mit Experten begleitet den Prozess, wertet die Ergebnisse aus und erarbeitet daraus einen Vorschlag für eine entwicklungspolitische Leitlinie des Landes. S.a. Veranstaltungen, S. 15 und Fotos auf der Rückseite

Die Akademie mischt mit bei Facebook, Twitter und YouTube Freunde und Gäste der Evangelischen Akademie Bad Boll haben drei neue Anlaufstellen im Netz: Die Akademie hat Auftritte bei Facebook, Twitter und im Videoportal YouTube gestartet. Neben Nachrichten und Veranstaltungstipps liefern die Seiten Blicke hinter die Kulissen der Akademie und bieten die Chance, sich mit anderen Akademiebesuchern zu vernetzen. Die Adressen: https://www.facebook.com/EvangelischeAkademieBadBoll https://twitter.com/EvAkademieBoll http://www.youtube.com/EvAkademieBadBoll

Evangelische Akademien in Deutschland wählen neuen Vorstand Die evangelischen Akademien haben am 10. Mai auf ihrer Mitgliederversammlung in Loccum einen neuen Vorstand gewählt. Als neuer Vorsitzender fungiert in Zukunft Dr. Rüdiger Sachau, Akademiedirektor in Berlin. Neu im Vorstand ist ebenfalls Udo Hahn, Akademiedirektor in Tutzing. In ihren Ämter bestätigt wurden der stellvertretende Vorsitzende Klaus-Dieter Kaiser, Akademiedirektor in Mecklenburg-Vorpommern und Dr. Peter Markus, Leiter der Evangelischen Akademie Villigst. Dem scheidenden Vorstandsvorsitzenden Joachim L. Beck, Akademiedirektor in Bad Boll, und Erika Godel, Vorstandsmitglied und stellvertretende Akademiedirektorin in Berlin wurde herzlich für ihr Engagement gedankt. Der Vorstand der Evangelischen Akademien wird jeweils für drei Jahre gewählt.

Studienbegleitprogramm STUBE wechselt ins Dezernat 1 Die Evangelische Akademie Bad Boll ist seit dem 31. Dezember 2011 nicht mehr Träger von STUBE Baden-Württemberg, dem Studienbegleitprogramm für ausländische Studierende. Wie von der Landessynode im Rahmen des Sparpaketes für die Akademie beschlossen, wechselte die Zuständigkeit für STUBE in das Dezernat 1 des Oberkirchenrates. STUBE ist ein außeruniversitäres Studienbegleitprogramm für Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika, die SYM 2/2012


aktuell in Baden-Württemberg studieren. Das Programm ergänzt das Fachstudium an den Hochschulen durch Seminare und Tagesveranstaltungen und wird nicht nur in BadenWürttemberg, sondern elf Mal bundesweit von verschiedenen Trägern angeboten. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat STUBE als offizielles Projekt der UN-Dekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« ausgezeichnet. Weitere Informationen: www.stubebw.de

Neuer Radweg »Per Pedal zur Poesie« führt zu Blumhardts Literatursalon in der Evangelischen Akademie Bad Boll Am Sonntag, den 10. Juni wird der 9. Radweg der Serie »Per Pedal zur Poesie« mit interessierten Radfahrern und Wanderern eröffnet. Die literarischen Radwege wollen auf die vielen Literaturmuseen und Literatur-Gedenkstätten in Baden-Württemberg aufmerksam machen und einen Anreiz geben, sich radelnd literarisch weiterzubilden. Acht Touren gibt es bereits. Die Touren sind als Tagestouren konzipiert und können auch von Wanderern genutzt werden. Der neue Radweg Nr. 9 führt in ca. 58 Kilometern von Kirchheim/Teck über Owen auf die Alb nach Schopfloch, Ochsenwang und weiter bis nach Bad Boll zur Evangelischen Akademie und zum Badfriedhof. Stationen In Kirchheim lädt das literarische Museum im Max-EythHaus, dem Geburtshaus des Ingenieurs und Schriftstellers Max Eyth (vor allem bekannt durch den »Schneider von Ulm«), zur Besichtigung ein. In dem Museum, das seit 1994 besteht, kann man sich nicht nur auf Eyths, sondern auch auf die Spuren von Hermann Hesse, Hermann Kurz und Hans Bethge begeben. Hermann Hesse verbrachte im August 1899 mit seinem studentischen Freundeskreis, dem »petit canale« unbeschwerte Ferientage in Kirchheim/ Teck. Seine Erzählung »Lulu« erinnert an Julie Hellmann, in die er sich damals verliebte. Hermann Kurz, Verfasser kulturhistorischer Romane wie »Der Sonnenwirt«, lebte 1862/63 mit seiner großen Familie in Kirchheim. Er war auch Herausgeber der wichtigsten demokratischen Zeitschrift Württembergs, dem »Beobachter«, und verfasste Texte zu Silcher-Liedern. Der Berliner Lyriker und Essayist Hans Bethge fand vor den Berliner Bombennächten Zuflucht in Kirchheim, wo er 1946 auch begraben wurde. Eduard Mörike kommt an vielen Orten vor und kann als wichtigster Protagonist der Tour bezeichnet werden. Im Mörikehaus in Ochsenwang gibt es in seiner ehemaligen Amtswohnung ein kleines Museum, in dem Briefe, Zeichnungen und Pfarrberichte von Mörikes Hand und von ihm genutzte Literatur ausgestellt sind. Mörike hat hier seinen einzigen Roman, den »Maler Nolten« vollendet und ein Gedicht auf die nahe Burg Teck geschrieben. Auch in Owen war Mörike eine Zeitlang Pfarrverweser. Am Albtrauf gibt es den Mörikefelsen, der dem Dichter als Aussichtspunkt und Inspira-tionsquelle diente. In Bad Boll SYM 2/2012

wird dann schließlich der Badfriedhof angesteuert, in dem u. a. Richard Wilhelm, der bedeutendste deutschsprachige Sinologe und Schwiegersohn von Christoph Blumhardt, begraben ist und last not least Blumhardts Literatursalon in der Villa Vopelius der Evangelischen Akademie Bad Boll. Er erinnert an die Zeit, als in Bad Boll die Pfarrer und Schriftsteller Johann Christoph Blumhardt und sein Sohn Christoph wirkten. Literaturgeschichtliche Verbindungen gibt es hier vor allem zu Eduard Mörike, Ottilie Wildermuth, Ludwig Richter, Friedrich Mann (das Vorbild für Christian Buddenbrock), Elisabeth von Ardenne (das Vorbild für Effi Briest), Hermann Hesse, Gottfried Benn, Richard Wilhelm, Hermann Kutter und Karl Barth. Eröffnung des Radwegs Der Radweg wird am Sonntag, 10. Juni um 9:30 Uhr am Kirchheimer Literaturmuseum MaxEyth-Haus eröffnet. Gegen 16:30 Uhr wird die Gruppe am Badfriedhof in Bad Boll erwartet, wo Studienleiter Wolfgang Die Villa Vopelius mit Blumhardts Wagner eine Einführung geben Literatursalon stehen am Schluss der wird. Von dort aus geht es zur Tour auf dem Programm. Evangelischen Akademie. Hier warten ab 17 Uhr Getränke und ein Imbiss auf die Radler, dazu gibt es kurze Ansprachen des Bürgermeisters von Bad Boll, Hans-Rudi Bührle und Achim Ganßloser, Geschäftsführer der Akademie. Mit einer Führung durch den Literatursalon und einer kleinen Rede von Dr. Thomas Schmidt vom Literaturarchiv Marbach endet der Tag. Der Bustransport zurück nach Kirchheim erfolgt spätestens gegen 18 Uhr. Infos In Kirchheim stehen Pedelecs zur Ausleihe zur Verfügung (solange Vorrat reicht). Informationen: Evangelische Akademie Bad Boll, Brigitte Engert, Telefon: 07164 79-342, brigitte.engert@ev-akademie-boll.de. Infos zu allen Radwegen: www.literaturland-bw.de/ radwege/. Zu jedem Radweg gibt es eine Broschüre mit Wegbeschreibungen, einer Karte und Tipps und Informationen zu den jeweiligen literarischen Orten. Bestellung über Radgeschäften, Buchhandlungen oder über die Website zu je 1.50 Euro. Die Broschüre zu dem Radweg, der am 10. Juni eröffnet wird, erscheint zur Eröffnung. Federführend für das Projekt »Per Pedal zur Poesie« ist die Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg beim Literaturarchiv Marbach, die für diese innovative Idee im Wettbewerb »365 Orte im Land der Ideen« ausgezeichnet wurde.

3


rückblende 20. Tierschutztagung in Bad Boll – Interview mit Kathinka Kaden Vom 9. bis 11. März trafen sich rund 100 Tierärzte, Juristinnen, Landwirte, Tierpflegerinnen und andere Interessierte zur 20. Bad Boller Tierschutztagung, die 1988 erstmals stattfand. Studienleiterin Kathinka Kaden leitet die Tierschutz-Tagungen seit 2006. Das hier gekürzte Interview führte Katja Korf, Pressesprecherin der Akademie. Warum hält sich dieses Thema solange auf der Agenda? Weil Ethik in den Gesetzen zum Tierschutz in Deutschland nach wie vor unterbelichtet ist. Ein Beispiel: Tiere werden in Gesetzestexten zwar nicht mehr als Sachen bezeichnet, aber noch genauso behandelt. Oder Tierversuche: die sind nach wie vor ein aktuelles Problem. In den 90ern ist die Zahl der pro Jahr in Versuchen getöteten Tiere um 500.000 auf 1,5 Millionen gesunken. Heute sind es wieder 2,7 Millionen pro Jahr. Zwar sind solche Experimente nicht zulässig, wenn es um Waffen, Waschmittel, Tabak oder Kosmetika geht. Aber Experten mahnen seit Jahren Kriterien an, wann Forschung das Leid und den Tod von Tieren rechtfertigt. Im Tierschutz spielen mächtige Lobbys eine Rolle, etwa die Pharmaindustrie, Chemiekonzerne oder die Lebensmittelbranche. Hat sich seit Ende der 80er Jahre nichts verbessert? Doch. Das deutsche Tierschutzgesetz hat sich seit seiner Verabschiedung 1972 sehr gut entwickelt. Wir bewegen uns zu mehr Achtung vor dem Tier, wenn auch in kleinen Schritten. Seit 2002 ist der Tierschutz sogar im Grundgesetz verankert. Leider hapert es noch beim Vollzug, da müssten Polizei und Amtstierärzte oft härter durchgreifen. Die gesellschaftliche Stimmung hat sich ebenfalls gewandelt. Als meine Vorgänger Martin Pfeiffer und Dr. Jürgen Mohr die Tagung ins Leben gerufen haben, war das Umweltbewusstsein in Westdeutschland durch das Reaktorunglück von Tschernobyl und die politischen Bewegungen der 80er Jahre

4

Kathinka Kaden, Studienleiterin

stark gewachsen. Nach der Wende ließ das nach, doch mittlerweile sind wir wieder in die richtige Richtung unterwegs; das zeigen der Atomausstieg oder der Trend zu mehr Bioprodukten. Das Bewusstsein für die Umwelt und die Konsumgewohnheiten wächst. Ist es nicht schizophren, dass eine Gesellschaft einerseits über Geburtstagsgeschenke für den Hund nachdenkt und gleichzeitig Massentierhaltung toleriert? Wenn man die Menschen fragen würde, würde eine Mehrheit solche Umstände in der Landwirtschaft ablehnen. Anderseits sehen wir tatsächlich eine Ökonomisierung des Lebensmittelsektors und damit der Landwirtschaft. Dass viele Menschen ihr Haustier vermenschlichen, deutet vor allem auf einen sozialen Notstand hin. Wie ist das Verhältnis der evangelischen Kirche zum Tier? Es gibt enge Verbindungen zwischen Christen und dem Tierschutz. Der erste deutsche Tierschutzverein wurde vor 175 Jahren von einem Pfarrer gegründet, und zwar von Albert Knapp in Stuttgart. Im Alten Testament gibt es eindeutige Aussagen zur Pflege und zum Umgang mit dem Mitgeschöpfs Tier. Luther hat viel Wichtiges zum würdigen Umgang mit dem Tier gesagt, er hatte selbst einen Hund namens Tölpel. Allerdings war der kirchliche Blick auf das Tier lange anders geprägt: Die Natur war etwas, das es zu überwinden galt. Man war

stark vom Wetter abhängig und fühlte sich Naturkatastrophen ausgeliefert. Wir leben erst seit maximal 100 Jahren in relativer Sicherheit vor der Natur. Durch die Umwelt- und Naturschutzbewegung und durch die Klimadebatten hat sich auch in der Theologie viel getan. Gedanken wie die »Bewahrung der Schöpfung« und die Idee, dass auf der Erde alles voneinander abhängt, sind heute in den Kirchen fest verankert. Doch unser Blick ist weiter zu sehr auf den Menschen fixiert. Können wir aus der Bibel wirklich einen kategorischen Unterschied zwischen Mensch und Tier ableiten? Das vollständige Interview befindet sich hier: http://bit.ly/Kaden_Tierschutz s.s. Onlinedokumente, S. 14

Lateinamerikanische Visionen von Frieden und Gerechtigkeit Tagung vom 24.-26. Februar Welche Wirkung hatten die Bemühungen der Ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt? Wie gestaltet sich der kirchliche Auftrag der Gewaltprävention? Frauenrechte und die beginnende Neudefinition der Geschlechteridentität waren ebenso Thema der Tagung wie die Frage der Gefahren des Neoliberalismus und des politischen Einflusses der Militäreliten. Gewaltüberwindungsstrategien für ganz Lateinamerika könnten nicht in politischen Maßnahmen bestehen, sondern müssten vielmehr getragen sein von einer zivilgesellschaftlichen Transformation, so Dr. Patricia Cuyatti, Regionalverantwortliche in der Abteilung Karibik und Lateinamerika in der Genfer Zentrale des Lutherischen Weltbundes. Eine erstarkte Zivilgesellschaft könne die Gefahr des kapitalistischen Neoliberalismus verdrängen, den Cuyatti als »neue und gewalttätige Form des Kolonialismus« bezeichnete. Ziel müsse eine Anthropologie sein, die den Mensch im Zentrum hat. »Armut ermöglichen heißt, Gewalt zu ermöglichen«, so Cuyatti. Dort setze der theologische Auftrag der Kirchen an. Im Laufe der Tagung wurden verschiedene Herangehensweisen kirchSYM 2/2012


rückblende lichen Engagements dargestellt. So berichtete Pfarrer José Pilar Alvarez Cabrera als Vertreter der Lutherischen Kirche Guatemalas (ILUGUA) vom Kampf der Bewohner der Bergregion Grenadillas um den Erhalt der Wasserquellen und natürlicher Ressourcen, unterstützt durch die ILUGUA. Neben kommunalen und kirchlichen Partnerschaften, wie jene mit der Württembergischen Landeskirche und ihren Hilfswerken wirken dabei auch NGOs wie die auf der Tagung vertretene Peace Brigades International (PBI), die Begleitdienste organisiert. Mauricio Salazar machte deutlich, dass die politischen Strukturen die Arbeit der EED-geförderten NGO SERAPAZ in Mexiko bestimmen. Der Kampf der Regierung des Landes gegen die Kriminalität, die Methoden und die Ideologie dahinter seien das eigentliche Problem Mexikos. Vor allem die Jugend werde per se kriminalisiert. Zusammen mit den selten aufgeklärten Morden an Frauen (feminicios) entstehe so ein enormer Militarisierungsgrad. Friedenserziehung und psychologische Begleitung und die Unterstützung für rechtliche Verfolgung seien daher die wichtigsten Ansätze, die durch Kirchen und SERAPAZ geleistet würden. Dr. Tobias Müller-Monning forderte hingegen als Weg der Kriminialitätsbekämpfung die Legalisierung von Drogen. Dadurch könnten die etablierten Strukturen außer Kraft gesetzt werden. In den Kirchen sah er hingegen keine tragenden Akteure. In vier Workshops wurden die in insgesamt drei Vorträgen aufgeworfenen Betrachtungen zur Rolle der Kirchen, der Zukunft der Drogenpolitik, der Frauen- wie der Männerarbeit und der Geschlechteridentität noch weiter vertieft. Als Auswertung ließ sich festhalten, dass die kirchliche Vernetzung und die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Netzwerken fortgesetzt werden soll. Auch ein verstärktes Einbringen der Themen in Gemeindeund Jugendarbeit wurde vorgeschlagen. Im Zentrum stand jedoch die

SYM 2/2012

Frage, wie auch Wissenschaft und Studenten stärker für die Themen Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechte gewonnen werden könnten und eine Zusammenarbeit gestaltet werden kann. Ein zentrales Ereignis, dass diesen Themen ein Forum bieten könne, sei der Kirchentag in Stuttgart 2015. Simone Helmschrott, s.a. S. 22

Freiwilligendienste in BadenWürttemberg Knapp ein Jahr nach der der Aussetzung der Wehrpflicht und den Veränderungen im Zivildienst haben sich am 23. und 24. April Expertinnen und Experten von Freiwilligendiensten, Trägern und Einrichtungen in der Evangelischen Akademie Bad Boll getroffen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ziel war es, die aktuelle Situation zu diskutieren und eine zukünftige Konzeption der Freiwilligendienste abzustimmen. Seit Juni 2011 hat sich eine neue Landschaft für freiwilliges Engagement entwickelt. Rund 9.300 neue Einsatzstellen haben Einrichtungen und Organisationen in Baden-Württemberg eingerichtet: im Sozialen, in Ökologie, Kunst, Kultur und Sport. Für Freiwillige ist diese Vielfalt oft verwirrend. Laufzeit, Bezahlung, Kindergeld und Fortbildungsanspruch sind uneinheitlich geregelt, selbst innerhalb einer Einrichtung, je nachdem, ob der Dienst als Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder Bundesfreiwilligendienst (BFD) firmiert. Viele Einsatzstellen sind noch nicht auf die neue Situation eingestellt, während der Bund nicht mehr als die derzeit finanzierten 34.000 BFD-Plätze einrichten will. Unklare Finanzierung, notwendige Neukonzeption der Betreuung vor Ort (aufgrund unterschiedlicher Einsatzdauer, Teilzeit, Alter, Bildung, Motivation) bis hin zum kommenden Abitur-Doppeljahrgang reduzieren die Planungssicherheiten erheblich. Zum Gespräch mit den Expertinnen und Experten der BFD-Praxis kam Dr. Jens Kreuter, Leiter des Arbeitsstabs Freiwilligendienste im Bundesfamilienministerium. Prof. Dr. Gisela Jakob,

Dr. Jens Kreuter, Leiter des Arbeitsstabs Freiwilligendienste im Bundesfamilienministerium

Hochschule Darmstadt, formulierte die Qualitätsansprüche an Freiwilligendienste aus gesellschaftspolitischer Sicht. Abschließende Empfehlungen aus dem Kreis der Teilnehmenden geben Aufschluss, wie das quantitativ erfolgreiche Nebeneinander der Freiwilligendienste zu einem Miteinander werden kann, das die Qualität der Angebote steigert: • Freiwilligendienste sollen ihre eigene Logik der Zivilgesellschaft und ihr Profil als Bildungs- und Orientierungsangebot bewahren. • Qualitätsstandards, Rahmenbedingungen und Fördermittelausstattung des BFD sollen an das FSJ angeglichen werden. • Die Anerkennung von FreiwilligenDiensten muss vereinheitlicht werden. • Der Bund darf die Zahl der geförderter BFD-Plätze nicht begrenzen. • Die Rolle des »Bundesamts für Familie und Zivilgesellschaftliche Aufgaben« muss geklärt werden. • Das bewährte Trägerprinzip soll gestärkt werden. • Aufhebung von Wettbewerbsnachteilen der freien Träger • Qualitätsmanagement für neue Einsatzstellen Die Empfehlungen gehen nun an bundes- und landespolitsch verantwortliche Politiker, zum Beispiel an die Fraktionssprecher des Landtags in Baden-Württemberg und an die Bundestagsfraktionen. Sigrid Schöttle, Studienleiterin, s.a. Onlinedokumente, S. 14.

5


kunst in der akademie

Werner Stepanek Skulpturen Auf Schrottplätzen und in Werkstätten findet er sein Material. Was sie zusammenbringt, beschreibt der Stahl- und Eisenbildhauer Werner Stepanek mit dem Begriff der Faszination. Sie gilt den bis zur Unkenntlichkeit verbogenen Stücken aus dem Abfall der industriellen Gesellschaft. Deutliche Spuren der Abnutzung stoßen ihn nicht ab, im Gegenteil: sie lassen ihn näher hinschauen. Unter Dreck, Öl, Beschädigungen erkennt er »die Biographie des Materials«. An diese Vorgeschichte knüpft er in seinem künstlerischen Schaffen an. So werden die schweren Blöcke oder Träger in der

stimmt. Im Dialog mit der Eigenwilligkeit des Materials und seinem Potenzial gelangt der Künstler zur Form der Endgestalt. Dieser Offenheit entspricht auch sein fast durchgehender Verzicht auf Titel, die die Wahrnehmung aus seiner Sicht eher einschränken als befördern, jedenfalls der Faszination durch das Kunstwerk im Weg stehen könnten. In seinem Atelier im ehemaligen »Notkirchlein« der katholischen Kirchengemeinde zeigt er kleinere und größere Arbeiten. Verbunden mit Holz und Stein als Trägermedien entfalten sie ihren eigenen Zauber in diesem Raum. Einige der größeren Skulpturen sind im Park um die spätromanische Stiftskirche zu sehen. Für die Ausstellung in der Evangelischen Akademie Bad Boll wird Werner Stepanek eine Auswahl seiner Arbeiten im Hauptgebäude sowie an verschiedenen Plätzen rund um die Akademie zeigen.

Schrottpresse gefaltet und mit dem Schweißbrenner weiter bearbeitet, bis sie Kanten und Risse aufweisen, bis die Oberfläche Blasen wirft und am Ende an Baumrinde oder schrundige Haut erinnert. Das Material entfaltet seine eigene Macht im Widerstand gegen den Kraft raubenden Eingriff des Künstlers, der die Schwere und Starrheit in filigrane bewegliche Leichtigkeit verwandeln will. Er setzt sich dabei dem Spiel der Kräfte und des Zufalls aus, der künstlerische Prozess ist von einer grundsätzlichen Offenheit be-

Laufende Ausstellung Johanna Helbling-Felix: Raum – Flug Zeichen Ausstellung bis 15. Juli 2012

6

Neben Einzel- und Gruppenausstellungen stehen zahlreiche Skulpturen im öffentlichen Raum in der Region. Mit seinen Kunstwerken ist Werner Stepanek in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Susanne Wolf

Vernissage Sonntag, 19. August 2012 11:00 Uhr im Café Heuss Dauer der Ausstellung: 19. August bis 31. Oktober 2012 Information und Anmeldung: Brigitte Engert, Tel. 07164 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Leitung: Susanne Wolf Tagungsnummer: 936212

SYM 2/2012


frauen

Gelernt zu kämpfen – als Frau und als Schlecker-Angestellte

Frida Müller hat viele Jahre bei Schlecker gearbeitet. Jetzt muss sie um ihr Altersteilzeitgeld bangen.

Von Martina Waiblinger »Ich weiß nicht, woher ich nächsten Monat das Geld bekomme«, sagt Frida Müller am Telefon – ungefähr drei Wochen nach unserem Interview. 28 Jahre hat sie bei Schlecker gearbeitet – seit 2007 ist sie in Altersteilzeit. Jetzt geht es noch um elf Monate, die sie ihr Altersteilzeitgeld bekommen müsste. Anfang April sagte man ihr auf dem Arbeitsamt in Ehingen, sie solle sich arbeitslos melden. »Aber ich habe ja noch gar keine Kündigung meines Altersteilzeitvertrags bekommen«, sagt sie aufgebracht. Ein ihr bekannter Rechtsanwalt hat ihr geraten, die dicken Stapel Papier auszufüllen und abzugeben. Das hat sie auch gemacht. Nach Redaktionsschluss hat Frida Müller nochmals angerufen: Statt dem Altersteilzeitgeld bekommt sie nun Arbeitslosengeld – damit hat sie eine Einbuße von über 300 Euro im Monat. Sie hofft nun, dass noch etwas aus dem Insolvenzangesparten kommt. »Sonst wird es sehr knapp«, meint sie. Die 62Jährige weiß aber auch, dass es andere viel schlimmer erwischt hat. Sie erzählt von einem Schlecker-Angestellten, der neben ihr in der Schlange beim Arbeitsamt stand: »Seit seiner Lehre war er bei Schlecker, jetzt ist er 52 und arbeitslos.« Oder die Filialleiterin, die so stolz auf ihren Laden in der Hauptstraße war und sich im Leben nicht hätte vorstellen können, dass gerade sie entlassen wird, wo sie doch so einen schönen Laden hatte und die Chefs sie so gelobt haben. Frida Müller kennt sich aus, sie hat viele Jahre lang Betriebsratsarbeit gemacht. Sie weiß, dass eine Filialleiterin einfach zu teuer ist. »Die Teuren entlassen sie zuerst.« Frida Müller kommt aus der Gegend, in der Anton Schlecker, der zuerst nur eine Metzgerei und dann das SB-Warenhaus »Schleckerland« hatte, zum

SYM 2/2012

Herrscher über einen Großkonzern aufgestiegen ist. Sie ist im Ehinger Krankenhaus geboren und in Rottenacker aufgewachsen, wo ihre Eltern bei der Firma Etimex angestellt waren. Nach der Hauptschule machte sie eine Ausbildung als Schneiderin. Wie so oft bei Frauen ihrer Generation ging es dann schnell: Sie heiratete, bekam ein Kind und hörte auf zu arbeiten. Frida Müller erinnert sich: »Aus heutiger Sicht erscheint das komisch. Anders hätte ich mehr aus meinem Beruf machen können. Aber damals war klar, dass ich heiraten musste.« Von 1972 bis 1975 hat Frau Müller freitags und samstags im SB-Warenhaus bei Schlecker gearbeitet. Danach pausierte sie und blieb zuhause bei ihrer Tochter. Ihr Mann war als Kraftfahrer bei Schlecker angestellt. Schon früh hat er sich gewerkschaftlich betätigt, zunächst bei der DAG und später bei der HBV. Dies wurde bei seinen Chefs nicht gerne gesehen und es

gab immer wieder Versuche, ihm zu kündigen. Nicht nur einmal wurden ihm Schokoladentafeln in den Lastwagen gesteckt, um ihm Diebstahl vorzuwerfen. Er hat dies immer bemerkt und die Ware zurückgebracht. 1982 stieg Frida Müller wieder ein, zunächst beim Subunternehmer Blendax und ab 1984 mit einer Halbtagsstelle bei Schlecker im Lager. Dort musste sie Kisten mit Waren holen, die Waren auszeichnen und neue Kisten holen. Nach einem Jahr hatte sie einen Bandscheibenvorfall und war ein ganzes Jahr krank geschrieben. Nach der Rückkehr erhielt sie eine Kündigung, die durch den Einsatz des Betriebsrats nicht vollzogen wurde. Nach dieser Erfahrung ließ sich Frida Müller 1986 für die Betriebsratswahlen aufstellen. »Ich habe gesehen, dass man für die Angestellten etwas machen muss. Und dass man dafür Leute braucht, die sich ausbilden lassen und sich auskennen«, sagt sie

7


frauen heute. Ab da hat sie um bessere Arbeitsbedingungen gekämpft. Bei ihrer ersten Aktion ging es um bessere Bedingungen beim verkaufsoffenen Donnerstagabend. »Im Frieden bekommt man beim Schlecker nichts. Da muss man knallhart sein und kämpfen.« Das hat Frida Müller von dieser Zeit an engagiert getan – bei den Vorgesetzten wurde sie »Betriebshexe« genannt. Anfang der 90er Jahre kam für Frau Müller mit die Trennung von ihrem Mann, der die Tochter mit sich nahm, auch persönlich eine schwierige Zeit: »Ich musste mit fast nichts gehen«, erinnert sie sich. »Ich hatte kein eigenes Konto, keine Unterstützung und nur eine Teilzeitarbeit – das waren damals 800 DM. Für die Miete, ein Auto, das ich nun brauchte, war das nicht ausreichend. Ohne die Arbeit im Betriebsrat und die Seminare, die wir hatten, hätte ich mir das nicht zugetraut, von meinem Mann wegzuziehen und allein zu leben.« Es dauerte noch eine ganz Zeit, bis Frida Müller 1994 endlich eine volle Stelle bekam. Bald darauf wurde sie ganz für die Betriebratsarbeit freigestellt. Sie hat mit anderen Betriebsräten für einen direkten Tarifvertrag mit Schlecker gekämpft, der 1995 in Kraft trat. Später arbeitete sie auch im Gesamtbetriebsrat mit und engagierte sich im Arbeits- und Gesundheitsausschuss sowie im Ausschuss zur Altersteilzeit. Ferner hat sich dafür eingesetzt, dass bei Schlecker Schwerbehindertenvertreter gewählt wurden. Sie gehörte zu den Frauen, die sich stark in die Gewerkschaftsarbeit einbrachten. »Es war damals schon etwas Besonderes, dass ich als einzige Frau aus dem Siebener-Gremium zum Gesamtbetriebsrat kam«, erinnert sie sich. »Der Vorsitz wurde allerdings immer unter den Männern verteilt.« Am Anfang war Frida Müller in der Betriebsratsarbeit noch sehr zurückhaltend: »Wir Frauen sind dem Streit eher aus dem Weg gegangen. Heute sehe ich das kritischer. Ohne die Männer wären wir wahrscheinlich nicht so weit gekommen und hätten nicht

8

so viel erreicht. Ich war von zuhause gewohnt, dass nur die Meinung meines Mannes galt. Als junge Frau war mir das nicht aufgefallen. Nur manchmal dachte ich, warum sind die Männer immer vorne dran und warum werden die Frauen so oft geschnitten? Mein Mann sagte zum Beispiel: Du brauchst keinen Führerschein. Mit meinem Auto darfst Du sowieso nicht fahren. Ich hab’s trotzdem gepackt: Führerschein, allein leben, die Arbeit. Wenn mein Vater heute aus dem Grab aufstehen würde und mich sehen würde, würde er sagen: Was ist das für eine Frida heute!« Frida Müller ist wütend, dass es mit dem Unternehmen so weit gekommen ist und nun so viele Arbeitsplätze auf

dem Spiel stehen, obwohl der Betriebsrat gewarnt hatte. Sie erinnert sich: »Irgendwann sind die größenwahnsinnig geworden. Man hat eine Filiale nach der anderen aufgemacht – das war ohne jede Struktur und ohne Konzept. Wir haben schon vor Jahren gesagt, dass das so nicht geht. Es war klar, dass das irgendwann platzt. Aber von unseren Vorschlägen wurde null angenommen. Sie hatten Scheuklappen auf und haben ihr System durchgedrückt.« Die Leidtragenden sind die Frauen, die sich bis zuletzt für ihre Filialen und die Arbeit eingesetzt haben. Frida Müller ist eine von ihnen. Aber sie hat gelernt zu kämpfen – und jetzt wird sie auch noch um ihr Altersteilzeitgeld kämpfen.

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) und Schlecker Seitdem die Insolvenz von Schlecker im Januar bekannt wurde, hat sich der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) um die Belange der 33.000 vornehmlich weiblichen Beschäftigten gekümmert. Martin Schwarz, Wirtschafts- und Sozialpfarrer vom KDA Ulm hat Ende Februar mit Kollegen der katholischen Betriebsseelsorge und der katholischen Arbeitnehmerbewegung Mitarbeitende von Schlecker zu einem Treffen mit dem Insolvenzverwalter und mit Vertretern der Arbeitsagentur eingeladen. Nachdem der Insolvenzverwalter Arndt Gleiwitz Anfang März angekündigt hatte, dass ca. 12.000 Beschäftigte mit der Entlassung zu rechnen hätten, veröffentlichten die kirchlichen Vertreter eine gemeinsame Erklärung, in der sie schwere Vorwürfe an die Konzernleitung richteten und die Gründung einer Transfergesellschaft forderten, »die den Mitarbeitenden die Chance zu Qualifizierung und Neuorientierung gibt.« Am Welt-Frauen-Tag drückte auch der Bischof der Evangelischen Landeskirche Frank Otfried July seine Solidarität mit den Beschäftigten aus: »Als Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gilt meine Solidarität nicht zuletzt diesen vom Verlust ihrer Arbeitsplätze bedrohten Frauen. Und ich fordere alle Beteiligten dazu auf, diesen Frauen, aber auch den betroffenen Männern so weit es irgend geht ihre Existenzgrundlage zu erhalten. Außerdem rufe ich mit allem Nachdruck in Erinnerung, dass in der sozialen Marktwirtschaft faire Löhne und faire Preise zusammengehören«, so der Bischof. In einer Stellungnahme vom 29. März kritisierte die Vorsitzende des KDA, Esther Kuhn-Luz das Scheitern der Verhandlungen um die Transfergesellschaft scharf: »Bund und Länder lassen 11.000 vorwiegend weibliche Fachkräfte im Stich. Das ist ein fatales Signal in Zeiten milliardenschwerer Rettungsschirme für Banken. Sind Menschen etwa nicht ›systemrelevant‹?« Ferner wies sie darauf hin, dass viele der Gekündigten nicht mehr wie bisher in tariflich gebundenen Vollzeitstellen unterkommen würden. »Stellenangebote im Handel gibt es viele, aber kaum noch unbefristete Vollzeitstellen«, so Kuhn-Luz. Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) gehört als Fachdienst der Evangelischen Landeskirche Württemberg zur Evangelischen Akademie Bad Boll, s.a.: www.kda-wue.de.

SYM 2/2012


frauen

»Kein Wunder, dass ich Ärger gekriegt habe« Alice Schwarzer präsentiert sich kämpferisch, nachdenklich und authentisch

Von Sandra P. Thurner Zum Thema 40 Jahre Frauenbewegung tagte mensch jüngst in der Akademie. Da war es Ehre und Selbstverständnis, die Feministin und Publizistin Alice Schwarzer begrüßen zu dürfen. Doch sie ist mehr: Ihre erzählte Vita ist auch die Vita der Frauenbewegung. Ihr Leben – inklusive der inneren und äußeren Kämpfe – hat das Leben vieler Frauen und Männer beeinflusst. Modebewusst müsste man sie heute Altfeministin taufen, allerdings ist Schwarzer mit dieser Bezeichnung nicht glücklich, wie sie sagt. Vor allem, wenn man sie so aus ihrem Leben erzählen hört, weiß das Publikum, dass hier eine in der Sache Junggebliebene spricht. Die biografische und untrennbar damit verbundene feministische Reise begann bei Schwarzers Besuch in Bad Boll mit dem legendären, 1971 erschienenen Stern-Artikel »Wir haben abgetrieben«, in dem sich 374 Frauen öffentlich bekannten, abgetrieben zu haben. »Diese Frauen haben ein kollektives politisches Bekenntnis abgegeben und bewiesen damit ungeheuren Mut.« Sie mussten mit Entlassung, der Polizei oder Scheidung rechnen. Alice Schwarzer war damals – beeinflusst vom französischen Feminismus um Simone de Beauvoir – Initiatorin der Aktion. Sie legte damit einen Meilenstein der Frauenbewegung. Seit damals sei die Zahl der Abtreibungen gesunken, berichtete Schwarzer. Die Voraussetzungen für den heutigen Umgang mit diesem ernstzunehmenden und schwierigen Thema habe die Frauenbewegung geschaffen. »Der kleine Unterschied und seine großen Folgen« – so heißt das von Schwarzer 1975 publizierte Buch, das sich bis heute in viele Länder der Erde SYM 2/2012

verkauft. »Das Buch ist ein Longseller«, erzählte die Journalistin und Herausgeberin der Zeitschrift EMMA. »Von da an lag ich in den Ehebetten auf der Ritze«, so Schwarzer und fügt hinzu: »Ein sehr unbequemer Platz!“ Kürzlich habe sie bei einem Relaunch des Buches bemerkt: »Kein Wunder, dass du Ärger gekriegt hast.« Die Macherin und Aktivistin Schwarzer scheint nachdenklicher geworden zu sein. Radikalisiert hätten sie in den 70ern nach und nach die vielen Gespräche mit Frauen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen; mit Gebildeten und Ungebildeten, Bewussten und Unbewussten. »Da taten sich Abgründe von Abhängigkeiten auf.«

Sie äußerte sich auch medienkritisch und meinte: »Die Medien sind in der Geschlechterfrage rückschrittlicher als die Menschen selbst.« Häufig würden die dunklen Seiten des Lebens von den Medien verschwiegen. Analog resümierte sie die Fortschritte und die neuen Gefahren, denen frau sich in diesem 21. Jahrhundert gegenüber sieht. Zu den Fortschritten konstatierte die Referentin: »In der Politik haben wir es relativ weit gebracht – Kanzlerin, Donnerwetter!« In der Wirtschaft aber stünden sie immer noch »ante portas«. Im Sport würden die Frauen langsam bisherige Männerdomänen erobern.

9


frauen

Wo harte Machos Maskulinitätsarbeit in Lateina Von Karin Erdelt, »Brot für die Welt« »Da gehe ich nicht mehr hin! Das sind doch alles schwule Memmen! Die umarmen sich! Und manche haben sogar geflennt!«, polterte Jimmy Rojas, als er von seinem ersten Männer-Treffen beim Institut WEM nach Hause kam. Seine Frau Wendy hatte im Fernsehen von der Organisation mit dem sperrigen Namen »Costaricanisches Institut für Maskulinität, Paarbeziehungen und Sexualität« – WEM – erfahren. Das Institut biete günstig und ausschließlich für Männer Psychotherapie und Kurse an. In ihrer Beziehung kriselte es und Wendy bestand darauf, dass Rojas einen Kurs belege.

Als neue Gefahr definierte sie zum Beispiel die so genannte Hungersucht. Insgesamt sei ein regelrechter Schönheitswahn zu verzeichnen. Am Körper werde geschnippelt und gespritzt, kritisierte Schwarzer. Ein weiteres Problem, mit dem sich Schwarzer seit Jahren intensiv auseinandersetzt und das sie bei ihrem Besuch lediglich streifte, ist der religiöse Fundamentalismus. Es sei schließlich bekannt, dass sie eine absolute Gegnerin des Kopftuches in den Schulen sei. Ihre Argumentation lautet an dieser Stelle: Das Kopftuch ist eine Flagge des Islamismus. In ihrem Buch »Die große Verschleierung – Für Integration, gegen Islamismus« begründet sie ihre Haltung für ein Kopftuchverbot. Für die Publizistin scheint die Frage eindeutig beantwortbar zu sein. Doch die Wirklichkeit

10

ist komplex, manchmal alogisch und die Gegenargumentation könnte lauten: Die Gleichung »Kopftuch gleich negativer Einfluss« geht so nicht auf. So manche Lehrerin mag mit unbewussten Konflikten ausgestattet sein, die auch ohne Kopftuch permanent negativ auf ihre Schülerinnen und Schüler wirken? »Wir fangen immer wieder bei Null an«, sagte Schwarzer, eingebettet in einen unerschütterlichen Optimismus. In diesem Zusammenhang sei das größte Problem die Generationenspaltung, mit der sich die Feministin intensiv beschäftigt. Die junge Frauengeneration würde nichts von den Müttern lernen oder übernehmen. Wirklich? Frau sollte an dieser Stelle nicht zu schwarzsehen. Sandra P. Thurner, Print- und Online-Journalistin

Jimmy war im Armenviertel Alajuelita am Rande der Hauptstadt San José aufgewachsen, zwischen den Stelzen eines Pfahlhauses. Für eine Wohnung mit vier Wänden hatte das Geld nicht gereicht. Von Kind an umgab ihn ein Klima der Gewalt, der Kränkungen und der Kriminalität. Nun war er aus dem Gefängnis zurückgekommen, wo er sechs Jahre wegen schweren Raubes gesessen hatte. Wendy wollte nicht, dass ihr Mann noch weiter abrutschte. Von sich selbst sagt Jimmy Rojas: »Ich war immer gewalttätig, habe mich ständig und wegen allem geprügelt«, und fügt hinzu: »Ich hab’s nicht anders gelernt«. Seinem Vater genügten die kleinsten Anlässe, um ihn zu verprügeln. »Wenn er zum Beispiel sah, dass ich meiner Mutter beim Fegen half, also ›Frauenarbeit‹ machte, gab es eine Tracht.« Jimmy musste mitzählen, wenn der Vater mit einem Stromkabel zuschlug. »Meistens bis 70, und wenn ich es zu leise tat, gab es zehn zusätzlich.« Eine weitere Strafe war das »Waterboarding«. Der Vater drückte Jimmys Kopf so lange unter Wasser, bis er keine Luft mehr bekam. Auch auf andere Art wurden Kinder im Viertel »Krötenhöhle« missbraucht: »Sie ließen uns Kinder gegeneinander kämpfen und wet-

SYM 2/2012


männer

weinen lernen merika teten um Geld, wer gewinnen würde.« Wenn er einen Kampf verlor, erging es Jimmy zu Hause schlecht. Jimmys Weg schien vorgezeichnet. Bis zu jenem Tag, an dem er mit zwei Komplizen eine Bank überfiel. Nach dem Überfall kam die Polizei. Eine wilde Schießerei begann. »Dabei kamen zwei Mädchen ums Leben. Wie sich später herausstellte durch Polizeimunition, aber wir waren natürlich für zwei Wochen als Täter auf allen Titelseiten!«, erinnert sich Jimmy. Drei große Narben auf Brust und Rücken zeugen von Durchschüssen, die er bei der Schießerei abbekam. »Als ich da in meinem Blut am Boden lag, bat ich Gott um eine Chance, und er hat sie mir gegeben.« Die Chance kam in Form des Institutes WEM. Jimmys Frau ließ nämlich nicht locker an jenem Tag, als er polternd vom ersten Treffen beim WEM nach Hause kam. Sie stellte ihn vor die Wahl: Entweder er mache bei WEM die Therapie, oder sie würde ihn mit dem gemeinsamen Sohn Daniel verlassen. Das Institut, das von »Brot für die Welt« unterstützt wird, führte mit seiner Gründung im Jahr 2000 erstmals Sexualerziehung an Schulen durch und bot Fortbildungen für Lehrer und Lehrerinnen an. Bei seiner Arbeit erkannte das Team aus Psychologen, Soziologen, Erziehern und Theologen schnell die Grundprobleme in den Familien: Gewalt und fehlende Kommunikation. Bald wurde klar, dass man auch mit den Männern arbeiten musste, um die Situation zu verbessern. Das Institut bietet heute Männern die Möglichkeit, in Gruppentherapie gemeinsam mit anderen zu ergründen, woher ihr Rollenverständnis und woher ihre Probleme kommen. Sie lernen, ihre Verhaltensweisen zu analysieren und zu ändern. Außer den Therapien bietet WEM Kurse zum Umgang mit Wut, zu Gesprächsführung bei Konflikten und zum Thema Vaterschaft an. Jimmy hat auf seine Frau gehört, sämtliche SYM 2/2012

Kurse besucht und alle Bausteine der Therapie durchlaufen. Sein größter Wunsch, bei WEM mitzuarbeiten, hat sich erfüllt: Er ist heute einer von sie-

ben fest angestellten, so genannten »Facilitadores«. Diese haben die Aufgabe, Entwicklungsprozesse zu begleiten und ihr Wissen weiterzugeben. Das kann bei anderen Männergruppen sein oder gegen Honorar in Unternehmen oder Behörden, die immer öfter auf das Institut zukommen. Alvaro Campos, der Leiter des Instituts, hält große Stücke auf ihn. Zu Jimmys Arbeit in einem Heim für drogen- und alkoholabhängige Jugendliche sagt er: »Jimmy kann sehr gut mit Jugendlichen umgehen. Er war früher genauso wie sie, deshalb hören sie auf ihn. Er hat ein ungeheures Charisma«, begeistert sich Campos und erzählt, dass Jimmy demnächst – von »Brot für die Welt« finanziert, in Panama Kurse für indigene Männer geben wird. Das Institut WEM hat eine TelefonHotline für Männer, die Hilfe brauchen. Die meisten Anrufe kommen über den allgemeinen Polizei-Notruf Den hier leicht gekürzten Vortrag hielt Karin Erdelt bei der Tagung »Lateinamerikanische Visionen von Frieden und Gerechtigkeit – Strategien gegen Gewalt und Ohnmacht« im Februar in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Karin Erdelt ist Regionalbeauftragte für Costa Rica. S. a. S. 4

911. Täglich vier Stunden sitzt jeweils einer der vier Psychologen im Institut vor drei Computern. Von der Polizei kommen die Nummern der Hilfesu-

Jimmy Rojas mit Sohn

chenden direkt auf den Bildschirm, sowie in groben Zügen die Problematik, um die es geht. »Im Schnitt sind es 20 bis 25 Anrufe pro Tag«, sagt Psychologe Dagoberto Solano. »Aber nach Feiertagen oder Fußballspielen im Fernsehen häufen sie sich. Manche Männer sind eifersüchtig. Andere sind wütend und haben Angst, gewalttätig zu werden, bei wieder anderen geht es um das Besuchsrecht für die Kinder.« Das seien einfache Gespräche, bei denen man auf die entsprechenden Behörden oder Gesundheitsdienste verweisen könne. »Aber bei einigen muss man erst herauskitzeln, worum es geht. Oft sind das Männer mit Selbstmordabsichten.« Viele der Männer kommen über die Hotline zu den Therapiesitzungen, die jeden Freitag in drangvoller Enge stattfinden. Auch Jimmy kam bald regelmäßig. Er hat dort gelernt, Konflikte ohne Gewalt zu lösen, sich Dinge von der Seele zu reden und auch einmal zu weinen, ohne dass er seine Ehre in Gefahr sieht. WEM hat sein Leben verändert und er lebt heute nach eigener Aussage in einer harmonischen, glücklichen Familie.

11


frauen

Die Quotierung ist überfällig Ein leidenschaftliches Plädoyer von Jutta Allmendinger Als Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der HumboldtUniversität, bei der Tagung »40 Jahre Frauenrechte« zum Thema Quote ans Mikrofon tritt, stellt sie eines gleich klar: »Ich bin eine flammende Befürworterin der Quote«, sagt sie. Warum sie für eine Mindestzahl von Frauen in allen Bereichen kämpft, untermauert sie zunächst mit persönlichen Erlebnissen. Bei Bewerbungsverfahren in Berlin und Hamburg konfrontierten die Auswahlgremien sie mit Argumenten, die mit ihrer Person nicht das Geringste zu tun hatten, mit ihrem Geschlecht aber durchaus. Sie hat erlebt, dass sie einmal nur eingeladen wurde, weil »eine Frau dabei sein musste« und sie hat erlebt, dass man ihr als Frau nicht zutraute, ein großes Institut zu leiten und einen Lehrstuhl innezuhaben, was man einem Mann durchaus zutraute. Das ist der persönliche Hintergrund. Jutta Allmendingers Argumentation ist aber ethischer und wissenschaftlicher Natur. Es sei eine »Verletzung des Grundgesetzes«, Frauen zu behindern statt zu fördern. Dazu erinnert sie an das Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 2: »Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.« Außerdem leide die Gesellschaft an einem Transmissionsproblem: Nach Allmendingers Meinung werden wissenschaftliche Erkenntnisse, die gut recherchiert und veröffentlicht sind,

12

nicht in Politik umgesetzt. Dies betrifft nicht nur die Quote für Frauen, sondern – unter anderem – das gesamte Bildungswesen. Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik würden nicht mehr zusammengedacht und zusammen gemacht. Als einen Skandal empfindet es Jutta Allmendinger, dass man mit den Frauen auf einen »leistungsfähigen Pool« und auf »Diversität als Quelle von Innovation« verzichtet. Mädchen und junge Frauen schneiden in den weiterführenden Schulen und im Studium besser als Männer ab und in Studien bezüglich ihrer Führungs- und Organisationsfähigkeiten stehen sie Männern in nichts nach. Studien zur Diversität allerdings zeigen, dass es keinen Sinn macht, eine Frau in einen Vorstand von zehn Männern zu setzen. Erst wenn 30 bis 40 Prozent Frauen vertreten seien, wirke die positive Kraft der Diversität. Mehr als 9,3 Millionen Frauen arbeiteten laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Teilzeit – aber nur 2,3 Millionen Männer. Viele Frauen bekommen deshalb nur minimale Renten; ihre Abhängigkeit von Männern bleibt festgeschrieben. Nach Angaben des Landesfrauenrates haben ein Drittel der Frauen in Baden-Württemberg aus eigener Erwerbstätigkeit weniger als 300 Euro Rentenansprüche im Monat, zwei Drittel weniger als 600 Euro. Eigentlich sollten Frauen durch das seit 2011 geltende neue Unterhaltsrecht unabhängiger leben können. »Dennoch sind sie immer noch besser dran, wenn sie sich über den Heiratsmarkt absichern als über den Arbeitsmarkt«, konstatiert Jutta Allmendinger. Einen kleinen Lichtblick sieht sie in den Ländern Ostdeutschlands, deren Zahlen deutlich positiver hervorstechen. Die Soziologin warnt davor, nur von den 23 Prozent weniger Lohn und Gehalt zu sprechen, die Frauen in ihrer Karriere im Vergleich zu Männern verdienen. »Wir müssen

vom Unterschied im Einkommen reden, dann haben wir auch die Teilzeitkräfte in der Statistik und dann sprechen wir nicht mehr von 23 Prozent sondern von 60 Prozent, die eine Frau am Ende des Monats weniger im Geldbeutel hat.« Jutta Allmendinger beleuchtet vier Hürden, die Frauen daran hindern, nach oben zu kommen: Zeit, Geld, Infrastruktur und Kultur. Ein wichtiges Thema ist hier die Kinderbetreuung, die in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen steckt. Es geht um Ganztagsschulen und das Vorurteil, dass Kinder einen Schaden davon tragen, wenn sie in einer Gruppe aufwachsen. Es geht um die Schwierigkeit, von einer Teilzeitbeschäftigung wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zu kommen und es geht um stereotype Rollenzuweisungen, die tief in unseren Köpfen verwurzelt sind. Allmendinger fordert eine Umverteilung der Arbeitsvolumina – weniger für die Männer, mehr für die Frauen. Sie fordert Frauenquoten auf allen Stufen, »weil sich sonst nichts ändert«, Mindestlöhne, eine Änderung der Verdienststrukturen für Frauen. Ferner fordert sie den Ausbau von Kinderkrippen, Ganztageskindergärten und –schulen. Sie plädiert leidenschaftlich für andere Rahmenbedingungen, mit denen ein besseres Leben für alle herausspringt. Ein Leben, in dem sich Erwerbstätigkeit, Familie, eigene Pläne und Wünsche vereinbaren lassen, in dem »wir von dem, was wir arbeiten, leben können und auch im Alter davon leben können.« Von den Parteien sei diesbezüglich nichts zu hören, da gebe es »nur laue Programme«. Jutta Allmendinger: »Stellen Sie sich einmal das vor: Wir streben an, 30 Prozent der Kinder unter 3,5 Jahren eine Halbtagsbetreuung zu geben. Das heißt, der ganze Rest soll Betreuungsgeld beziehen. Was das kostet und was das von dem abzieht, was wir an Karrieren und Lebensläufen brauchen, für unsere Kinder, für uns und für die Gesellschaft!« Martina Waiblinger SYM 2/2012


frauen

Die Bereitschaft miteinander zu reden ... Streitschlichterinnen berichten über ihre Erfahrungen Streitschlichtungsprogramme gibt es in den Schulen Baden-Württembergs ungefähr seit dem Jahr 2000. Bad Boll lädt seitdem engagierte Schülerinnen und Schüler jährlich zum Streitschlichterkongress ein. Martina Waiblinger hat mit einer Sozialarbeiterin und drei Streitschlichterinnen gesprochen – unter anderem darüber, ob Jungen und Mädchen anders streiten. Stephanie Möller ist Abiturientin am Stuttgarter Mörike-Gymnasium. Sie war vier Jahre lang Streitschlichterin und hat auch den StreitschlichterKongress in Bad Boll besucht. Daran erinnert sie sich gut: »Ich habe da etwas Grundsätzliches gelernt, was ich mir immer vorsage: »Kopf, Herz und Bauch müssen zusammenarbeiten, damit die Schlichtung funktioniert. Es hat keinen Sinn, nur verkopft an die Sache ranzugehen. Man muss ebenso auf sein Herz und sein Bauchgefühl hören.« Viele Schulen bieten Schülerinnen und Schülern im neunten Schuljahr an, sich als Streitschlichter ausbilden zu lassen. Um Interesse dafür zu wecken, gibt es für die Neuntklässler Schnupperkurse. So fangen die meisten an: aus Neugierde. Nach einer Ausbildung, werden sie meist in gemischten Teams – ein Junge, ein Mädchen – in der 5. und 6. Klasse eingesetzt. Stephanie Möller und ihr Teamkollege haben sich von Anfang an oft bei der fünften Klasse gezeigt. Zuerst haben sie sich vorgestellt, den Schülerinnen und Schülern beim Einleben geholfen und haben ihre Schützlinge in den Pausen besucht. Zum Klassenausflug begleiteten sie »ihre Klassen« ebenfalls. »Da haben wir schnell Vertrauen aufgebaut«, meint Stephanie Möller. »Das ist sicher auch der Grund, dass sich relativ bald die ersten zur Schlichtung gemeldet haben. In anderen Klassen dauert das länger.« Auch Martha Wegert und Saskia Ziegler vom AlbertEinstein-Gymnasium in Ulm-Wiblingen haben die Erfahrung gemacht, SYM 2/2012

dass es gar nicht so einfach ist, »Klienten« zu bekommen. »Wir machen zwar viel Werbung, aber viele kommen einfach nicht. Manchmal gibt es Probleme zwischen jüngeren Mädchen und älteren Jungen, die Mädchen ärgern. Da haben wir auch schon Erfolge erzielt.« Die Fälle, die im Gymnasium vorkommen, sind im Allgemeinen eher harmloser Natur. Mädchen neigen zu eher längerwierigen »Zickenkriegen«, während sich die Jungs gerne mal prügeln, aber wieder schnell vertragen. »Da geht es dann auch mit der Schlichtung schneller«, sagt Stephanie. In regelmäßigen Treffen und in Workshops werden die Jugendlichen ausgebildet. Sie lernen Ansätze der »gewaltfreien Kommunikation« und bestimmte Methoden, das Gespräch zwischen zwei Streitenden zu führen ist. Lehrer sind ausgeschlossen. Das ist wichtig. Jede Partei darf zuerst ihre Sicht der Dinge vertreten, während die andere Partei schweigen muss. Stephanie liebt die Methode, dass jede/r hinter den Stuhl der /des anderen steht und versuchen muss, die Position des anderen zu vertreten. »Meist klärt sich die Situation bereits, wenn die Parteien ihre Sicht der Dinge erklären – einfach weil sie nie miteinander gesprochen haben, sondern ihre Informationen von anderen haben. Die Bereitschaft zu reden ist das Wichtigste. Sobald man redet, klären sich die meisten Sachen.« Auch die Lösungen müssen von den Parteien selbst kommen. Ein gemeinsames Brainstorming hilft da oft. Alle drei Mädchen sind der Auffassung, dass Mädchen eher zickig streiten. Martha Wegert: »Die vergessen das nicht so schnell und sticheln immer weiter. Die Jungs beschimpfen sich, prügeln sich und dann ist es Der 11. Baden-Württembergische Kongress für Streitschlichterinnen und Streitschlichter »Platz da – Raum für Konflikte« fand vom 21.-23. März in Bad Boll statt.

Martha Wegert und Sandra Ziegler sind Streitschlichterinnen in Ulm-Wiblingen – beide sind in der 9. Klasse.

wieder gut.« Stephanie hat die Erfahrung gemacht, dass Mädchen »eine beste Freundin brauchen.« Und wenn das in die Brüche geht, gibt es Konflikte. Die Jungen in der 5. und 6. Klasse sind eher auf die Gruppe als auf einen speziellen Freund ausgerichtet. Die Sozialpädagogin Daniela Pereira, die beim Streitschlichterkongress der Evangelischen Akademie Bad Boll die Arbeitsgruppe »Mädchen streiten anders, Jungens auch« mit Zoltan Toth geleitet hat, meint, dass das Verhalten der Mädchen zum Teil auch von den Reality-Shows im Fernsehen kommt: »Diese zeigen ein Rollenverhalten gezeigt, das manche Mädchen einfach kopieren.« Sie selbst kommt aus der Erlebnispädagogik und bietet viel Sport für Mädchen an, auch Fußball – ihre persönliche Leidenschaft. Damit hat sie gute Erfahrungen gemacht: »Da ändern sich Verhaltensmuster.« Die Sozialpädagogin sieht aber auch, dass es Mädchen heute viel leichter haben, verschiedene Rollen auszuprobieren als Jungen, die sich nicht in Mädchenrollen hineintrauen.

13


onlinedokumente Onlinedokumente auf der Internetseite der Akademie Text- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hause lesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente Text- und Audiodokumente 40 Jahre Frauenbewegung in Deutschland 11.-13. Mai 2012, Bad Boll Aus der Tagung präsentieren wir zwei Beiträge. Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit ist Rechtsanwältin und war Justizsenatorin in Hamburg und Berlin. In dieser Zeit legte sie ihren Schwerpunkt auf die rechtliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die im Grundgesetz

verankert ist. Trotz heftiger Gegenreaktionen konnte sie dementsprechende Gesetzesvorlagen verwirklichen, zum Beispiel die sogenannte Lex Peschel, in der festgeschrieben wurde, dass Beamtinnen aus familiären Gründen Teilzeitarbeit leisten können. Heute ist sie als Anwältin mit dem Schwerpunkt Familienrecht in Berlin tätig. Ihr Beitrag lautete: Haben Frauen heute die Rechte, die ihnen zustehen? Der zweite Beitrag ist ein Audiodokument des Beitrags von Alice Schwarzer Aufbruch und Zwischenbilanz. Siehe auch Beitrag S. 9 ff.

14

Audiodokument Gott in der Arbeitswelt 29. April 2012, SWR 1 Rundfunkpfarrer Wolf-Dieter Steinmann hat für »Kirche im SWR« mit Esther Kuhn-Luz, Wirtschafts- und Sozialpfarrerin beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) gesprochen. Sie berichtet über ihre Erfahrungen als Pfarrerin in Betrieben und Unternehmen, erzählt von den Gefahren der modernen Arbeitswelt, die ihr in ihrem Job begegnen und wie sie mit ihrer Arbeit versucht, für die Menschen etwas zu verändern.

Textdokument Auf die Hüfte geschlagen. Herausforderung und Sinn von Krankheit und Behinderung. 7.-9 November 2011 Das Gespräch der Seele mit sich selbst Krankheiten und Behinderungen lösen Krisen aus, aus denen Entwicklungsund Wachstumsprozesse entstehen können. Wir neigen dazu, Krankheit und Gesundheit zu trennen. Bei Gesundheit und Krankheit handelt es sich jedoch nicht um einfache Gegensätze, sondern vielmehr um ein dynamisches Reagieren des Körpers und der Seele auf Krankheiten, Behinderungen und Altersprozesse. Krankheit

ist demnach selbst eine Form von Leben. Entsprechend geht es bei gesundheitlichen Störungen darum, die »Balance des Gleichgewichts wiederzugewinnen« Denn: »Am Ende gehört beides zusammen, Störung und Überwindung. Das macht das Wesen des Lebens aus.« (Hans Georg Gadamer). Wie dieses natürliche Gleichgewicht des Lebens wiederhergestellt werden kann, damit beschäftigt sich der Vortrag von Dr. Christoph Quarch.

Textdokument Die Zukunft des Tierschutzes. 20. Bad Boller Tierschutztagung 9.-11. März 2012

Bärbel Wartenberg-Potter, Bischöfin i.R., Lübeck hat auf der Tagung einen Vortrag gehalten zum Thema Was hat sich im Tierschutz geändert – in den Kirchen und in der Theologie? Der Vortrag ist online verfügbar.

SYM 2/2012


was kommt

Was kommt? Tagungen vom 8. Juni bis 12. Oktober Das EU–Recht auf Dolmetschen in Gerichtsverfahren. Wann und wie wird die Richtlinie der EU in Deutschland umgesetzt? 8.-10. Juni 2012, Bad Boll Verdächtige und Beschuldigte haben seit Oktober 2010 in der Europäischen Union das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren. Diese Richtlinie soll bis 27. Oktober in Deutschland in nationales Recht umgesetzt sein. Wie kann das gelingen – im Bund, in den Ländern? Tagungsnummer: 522212 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Produktionsschulen stärken Chancen für schulische Bildung und berufliche Förderung 14.-15. Juni 2012, Bad Boll Schule oder nicht? Für viele Jugendliche ist die Produktionsschule eine letzte Chance, die sie stärkt. Gerade im Süden der Republik ist das Interesse groß, diese Möglichkeit auszubauen. Was sind derzeit Herausforderungen und Perspektiven der beruflichen Förderung? Was sagt die Praxis zu den Chancen und Risiken des Modells Produktionsschule und was passiert, wenn politische Ideen umgesetzt werden müssen? Tagungsnummer: 311112 Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Prof. Dr. Wolfgang Mack Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/311112.pdf

Mehr direkte Demokratie? Chancen und Risiken 15.-16. Juni 2012, Bad Boll Die Diskussion um Stuttgart 21 zeigt: Die repräsentative Demokratie funktioniert, bietet den Bürgerinnen und Bürgern aber offensichtlich zu wenig Möglichkeiten sich zu beteiligen. Das SYM 2/2012

führt zu Konfrontationen zwischen Staatsgewalt und Bürger/innen wie dem »Schwarzen Donnerstag«. Bieten andere und mehr direkte Formen der Beteiligung Chancen für mehr Vertrauen in die Demokratie? Tagungsnummer: 521212 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/521212.pdf

Mittelstand: Hoffnungsträger der Entwicklungszusammenarbeit? Zwischen Armutsbekämpfung und Außenwirtschaftsförderung 19.-20. Juni 2012, Bad Boll Mittelständische Betriebe in Entwicklungsländern zu fördern ist inzwischen ein Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit. Aber verbirgt sich dahinter mehr als nur Außenwirtschaftsförderung, die die Exporte der Industrienationen absichert? Wie lässt sich die Förderung von kleinen und mittleren Betrieben in Entwicklungsländern so organisieren, dass sie tatsächlich der gesamten Gesellschaft zugute kommt? Tagungsnummer: 620412 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Das Leben ist eine Reise Workshop für adoptierte Jugendliche und junge Erwachsene 22.-24. Juni 2012, Bad Boll Der Workshop bietet adoptierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Forum, um über Aspekte der Adoption, Identität und Wurzelsuche in einem geschützten Rahmen zu reden. Sie können mit Gleichgesinnten Erfahrungen austauschen und sich vernetzen. Tagungsnummer: 400612 Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/400612.pdf

Welt:Bürger gefragt! Entwicklungspolitischer Dialog der Landesregierung BadenWürttemberg Für die Fortschreibung der entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes organisiert die Landesregierung unter dem Titel Welt:Bürger gefragt! einen öffentlichen Beteiligungsprozess. Alle Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute aus Nicht-Regierungsorganisationen, regionalen und lokalen Initiativen, Verbänden und Kirchen sind eingeladen, hierbei mitzumachen. Das Staatsministerium hat die Evangelische Akademie Bad Boll beauftragt, diesen Prozess zu moderieren (s .a. Nachricht S. 2). Diskutieren Sie mit Landesminister Peter Friedrich in Konstanz! In Workshops haben Sie Gelegenheit, die Leitlinien der baden-württembergischen Entwicklungspolitik mit zu entwerfen. Welt:Bürger gefragt! – Bürgerkonferenz Konstanz 15. Juni 2012, Kulturzentrum am Münster, Konstanz Tagungsnummer: 625612 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dr. Regina Fein Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademieboll.de

Welt:Bürger gefragt! – Bürgerkonferenz Mannheim 18. Juni 2012, Mannheim Tagungsnummer: 625712 Tagungsleitung und Kontakt s.o. Welt:Bürger gefragt! – Themengespräch »Wirtschaft« 20. Juni 2012, Bad Boll Tagungsnummer: 626412 Tagungsleitung und Kontakt s.o. Welt:Bürger gefragt! – Themengespräch »Globales Lernen!« 22. Juni 2012, Globales Klassenzimmer, EPiZ Reutlingen Tagungsnummer: 626812 Tagungsleitung und Kontakt s.o.

15


was kommt ...... Gewaltprävention und Religion Prävention und Schulkultur 28.-29. Juni 2012, Bad Boll Die 5. Fachtagung »Gewaltprävention und Religion« widmet sich dem Zusammenhangs zwischen Prävention und Schulkultur. Wie kann Schule soziale Werte fördern und so auch Gewalt vorbeugen? Was brauchen Lehrer und Lehrerinnen dafür? Referierende stellen gelungene Präventionsbeispiele aus der Schule vor und diskutieren mit den Teilnehmenden, welche Faktoren das Gelingen dieser Ansätze ausmachen. Tagungsnummer: 310612 Tagungsleitung: Gerald Büchsel Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/310612.pdf

Palästina und Israel Frieden in Grenzen? 29. Juni - 1. Juli 2012, Bad Boll Wie geht es weiter in Nahost? Palästinenser-Präsident Abbas hat im Herbst 2011 beantragt, Palästina als Staat in die UNO aufzunehmen. Durch

Trennmauer zwischen Israel und Palästina

den Siedlungsbau Israels in Ostjerusalem und der Westbank gibt es kein zusammenhängendes Territorium für einen souveränen Staat Palästina. Die internationalen Vermittler wollen zunächst über Grenzen verhandeln. Die Tagung greift diese und weitere Fragen auf. Tagungsnummer: 430212 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Wiltrud Rösch-Metzler

16

Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/430212.pdf

Bürgermitwirkung. Wie der Trialog zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft gelingen kann. 4. Juli 2012, Katholische Akademie Freiburg In diesem Praxisseminar erhalten Sie ein kompaktes Grundwissen über eine robuste Beteiligungsarchitektur sowie qualitätssichernde Rahmenbedingungen. Aktuelle Erfahrungsberichte sichern den Praxisbezug. Teilnehmende können in einem Workshopteil eigene Fälle mit einbringen. Tagungsnummer: 451512 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Christine Grüger und Dirk Kron Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de Web 2.0 – Das Mitmachweb Wie Facebook, Twitter und OnlineDialoge die Bürgerbeteiligung beeinflussen 5. Juli 2012, Katholische Akademie Freiburg Das Internet ist Teil der täglichen Kommunikation und wird zunehmend zum digitalen Mitsprache-Instrument. Das Seminar gibt Orientierung im digitalen Partizipationsdschungel, zeigt Einsatzmöglichkeiten auf, benennt Grenzen und klärt erforderliche Rahmenbedingungen. Zwei Praxisbeispiele aus Freiburg und Pforzheim beleuchten aktuelle kommunale Erfahrungen. Tagungsnummer: 451612 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Christine Grüger, Dirk Kron Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Frauen und Innovation: Kreative Ansätze in Arbeitszeitmodellen und Personalentwicklung 5. Juli 2012, Bad Boll Welche Innovationspotenziale bringen Frauen in gesellschaftliche Wandlungsprozesse ein? Wie verändern ihre Bedürfnisse und Ideen das wirt-

schaftliche Leben und die Arbeitswelt? Überprüft und diskutiert werden Ansätze und Modelle, die bessere Rahmenbedingungen für die Erwerbstätigkeit von Frauen im Blick haben und umsetzen. Tagungsnummer: 240412 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de Was ist Empathie? Ein Schlüssel zum Verständnis des Menschen 7.-8. Juli 2012, Bad Boll Der Begriff der Empathie spielt eine bedeutende Rolle in verschiedenen Wissenschaften. Neurowissenschaftler debattieren seit der Entdeckung der Spiegelneuronen im Gehirn, welche Rolle diese für die Fähigkeit des Mitfühlens spielen. In der Pädagogik gilt Empathie als bedeutend, um Strategien zur Konfliktbewältigung zu entwickeln, in der Ethik und Verhaltensforschung als Brücke für prosoziales Verhalten. Tagungsnummer: 410512 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/410512.pdf

Zusammenarbeit in der Werkstatt – wie kann das gut gelingen? Fortbildungsreihe für Werkstatträte/innen – Teil 3 9.-11. Juli 2012, Bad Boll Der Werkstattrat wurde von den Beschäftigten gewählt und soll deren Interessen gut vertreten. Er muss mit vielen anderen Stellen zusammenarbeiten: mit der Leitung, dem Sozialdienst, den Gruppenleitungen und den Beschäftigten. Was kann der Werkstattrat tun, um gehört zu werden? Wie kann im Streitfall vorgegangen werden? Welche Regeln können dabei helfen? Wie kann die Zusammenarbeit gelingen? Tagungsnummer: 400712 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Bernd Schatz

SYM 2/2012


was kommt ... Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/400712.pdf

Meditatives Tanzen für Frauen 13.-15. Juli 2012, Bad Boll Die Wärme des Sommers lädt ein zum Bewegen, zum Schwingen und Tanzen in den Räumen der Akademie und auf den Wiesen ringsum. Tagungsnummer: 531412 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Spezielle Straffälligenhilfe Wie helfen wir Alten und Tätern mit besonderem Betreuungsbedarf? 16.-17. Juli 2012, Bad Boll Immer weniger junge Menschen sitzen im Gefängnis, dafür steigt die Zahl der älteren Häftlinge. Wir wollen uns auf dieser Tagung mit Chancen und Risiken des demografischen Wandels und seinen Auswirkungen auf die Straffälligenhilfe beschäftigen. Welche Bedürfnisse haben Straffällige unterschiedlicher Altersgruppen? Wie muss man darauf reagieren? Die Tagung stellt Konzepte vor und entwickelt Ideen. Tagungsnummer: 520612 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/520612.pdf

Ethik, Verantwortung und Vertrauen in der Geldwirtschaft Finanzkrise – Schuldenkrise – Eurokrise – Vertrauenskrise 20.-21. Juli 2012, Bad Boll Die Politik hat auf die Finanz-, Schulden- und Eurokrise bisher vor allem mit Maßnahmen der Schadensbegrenzung reagiert, hat jedoch das Vertrauen in die Geldwirtschaft nicht wieder herstellen können. Die Tagung geht der Frage nach, wie sich Verantwortung und Vertrauen in der Finanz-

SYM 2/2012

wirtschaft wieder gewinnen lassen und wie die Finanzmärkte und öffentlichen Haushalte nachhaltig reguliert und gesteuert werden können. Tagungsnummer: 620212 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dagmar Bürkardt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Perspektiven des Landes im Dialog der Generationen. DemografieFachtag im Rahmen des Landesjubiläums Baden-Württemberg 2012 23. Juli 2012, Bad Boll Heute ist es keine Seltenheit, dass Neugeborene Urgroßeltern haben. Aber wo begegnen sich die verschiedenen Altersgruppen außerhalb der Familie? Selbstverständliche Beziehungen zwischen den Generationen sind keine natürliche Gegebenheit (mehr). Dieser Demografie-Fachtag zeigt beste Beispiele, wie Menschen in ihrer Vielfalt miteinander leben, von einander lernen, gemeinsam arbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Tagungsnummer: 451312 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Christina Herrmann, Sabine Neumann-Braun Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Gute Arbeit – Gutes Leben. Auswege aus der Prekarisierungsfalle. Baden-Württembergische Erwerbslosentagung 24.-26. Juli 2012, Bad Boll »Es wird immer schwieriger, normale Arbeit zu bekommen und zwar unbefristet und keinen Minijob. Gerade diejenigen, die zwar Arbeit haben, aber trotz Arbeit immer dicht an der Armutsgrenze leben, erleben den seelischen und materiellen Druck einer prekären, befristeten und schlecht bezahlten Arbeit. Die Tagung nimmt die Situation der Betroffenen auf und sucht im Gespräch mit Fachleuten, diakonisch und gewerkschaftlich Engagierten nach Auswegen aus der Prekarisierungsfalle.« Tagungsnummer: 270112

Tagungsleitung: Karl-Ulrich Gscheidle, Esther Kuhn-Luz, Christa Cheval-Saur, Wolfgang Herrmann, Klaus Kittler, Klaus-Peter Spohn-Logé, Verena di Pasquale Infos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de

Selbstmanagement mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) ZRM Grundkurs 26.-28. Juli 2012, Bad Boll Das Zürcher Ressourcen Modell ist ein Ansatz des Selbstmanagements, der die Stärken des Einzelnen in den Blick nimmt. Es erschließt persönliche Entwicklungskräfte und erweitert den eigenen Handlungsspielraum auch in schwierigen Situationen. Tagungsnummer: 451012 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Nicole Bruggmann Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/451012.pdf

Prädiktive Gendiagnostik Was wollen wir über Krankheitsdispositionen wissen? 28.-29. Juli 20 12, Bad Boll Die immer preiswertere Analyse des individuellen Genoms wird die Frage aufwerfen: Wie viel will ich über meine Krankheitsdispositionen wissen? Wo ist genetisches Wissen im Interesse von Therapie und Prävention hilfreich? Wo überfordert es uns und stört ein unbelastetes Leben? Tagungsnummer: 410812 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Ferienwoche kreativ 2012: Auf zur Sommerfrische! Individuelle Kreativität in anregender Gemeinschaft 29. Juli - 4. August 2012, Bad Boll Ein reiches Programm mit 16 Workshops und inspirierende Begegnungen sind Garant für eine erfüllte und zu-

17


was kommt ...

gleich entspannte Ferienzeit für Jung und Alt. Kreativität und Bewegung, Spiel und Spiritualität, Kultur und Natur – sieben kreative Urlaubstage in Bad Boll, die Familien, Paare und Singles verbinden. Tagungsnummer: 330112 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/330112.pdf

Vernissage: Werner Stepanek Skulpturen drinnen und draußen 19. August 2012, Bad Boll siehe Seite 6 Konfuzius entdecken In den Wandel vertrauen lernen 21.-24. August 2012, Bad Boll Konfuzius passt weder in die westlichen Schubladen von »Philosophie« noch von »Religion«. Er hat jedoch die Kulturen Ostasiens über 2500 Jahre geprägt wie kein anderer. Und heute – in der Ära des Wiedererstarkens Chinas – können wir entdecken, dass Konfuzius auch für unsere Gegenwart und Zukunft Wesentliches zu sagen hat. Tagungsnummer: 640412 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/640412.pdf

Die Stunden links und rechts der Uhr. Literarische Sommerakademie: Interkulturelle Zeiterfahrungen 25.-29. August 2012, Bad Boll »Die Zeit spricht, und zwar mit Akzent«, das gilt nach Robert Levine

18

schon für Angehörige desselben Kulturkreises. Wie fühlt sich Zeit dann auf anderen Kontinenten an, wenn die Vielfalt an Mentalitäten und kulturellen Zugehörigkeiten die verschiedenen Reisegeschwindigkeiten der Zeit multipliziert? Die Lektüre von Stimmen aus der Weltliteratur ermöglicht Begegnungen mit der Zeit, die Europäer sich allenfalls träumen lassen. Tagungsnummer: 530812 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Annegret Wolfram, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/530812.pdf

Von den Grenzen des Wachstums und der Eigendynamik der Natur Philosophische Sommerakademie: Zeit und Verantwortung 29. August - 2. September, Bad Boll Durch die moderne Technik gewinnt die Zeit für das Handeln eine bisher in keiner Ethik bedachte Bedeutung. Mit seinem Werk »Das Prinzip Verantwortung« lenkt der Philosoph Hans Jonas den Blick zur Zukunft als dem unabgeschlossenen Horizont unserer Verantwortung. An welchen Werten müsste sich demnach eine Ökonomie orientieren, die die Bedingungen des menschlichen und nichtmenschlichen Lebens auf unabsehbare Zeit bewahrt? Tagungsnummer: 530912 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Annegret Wolfram Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/530912.pdf

Richard Wagners Lohengrin 2.-5. September 2012, Bad Boll Wagners »Lohengrin« speist sich aus vielen mittelalterlichen Quellen. Sie zu kennen, hilft die Oper zu verstehen. Filmbeispiele aus berührenden Aufführungen schaffen Nähe. Leitmo-

tive und Akkorde zu analysieren hilft dem Hören. Und vielleicht gelingt sogar das Selbersingen. Tagungsnummer: 501212 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501212.pdf

Platon – Der späte Dialog Sophistes Lektüreseminar 6.-9. September 2012, Bad Boll Platons Dialog »Sophistes« gehört zu seinen späteren Texten. Er thematisiert ausdrücklich die Frage des Seins. Diese ist angebunden an die Klärung der Frage, was den Unterschied eines Sophisten zu einem Philosophen ausmacht. In diesem Lektüreseminar setzen wir uns in kleinen Gruppen mit den Textpassagen auseinander. Im Plenum versuchen wir, uns Sinn und Zusammenhänge anschaulich zu verdeutlichen. Tagungsnummer: 501012 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501012.pdf

Einzigartig vielfältig: Entdeckungen zur Sprachfindung und Identität – 60 Jahre Literatur in und aus Baden-Württemberg 7.-9. September 2012, Bad Boll Im Gespräch mit Autorinnen und Autoren verschiedener Generationen fragen wir, wie sie als Kinder und Jugendliche ihre Lebenswelt in BadenWürttemberg erlebt haben. Was hat ihnen geholfen, zu ihrer Eigentümlichkeit in Sprache und Ausdruck zu finden? Was blieb fremd? Welche Erfahrungen sind exemplarischer Natur? Die Tagung findet statt im Rahmen des Literatursommers BadenWürttemberg. Tagungsnummer: 531012 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

SYM 2/2012


was kommt ... Innovationsmanagement in der Diakonie 13.-14. September 2012, Bad Boll Im Leitbild der Diakonie heißt es: »Wir begegnen neuen Herausforderungen kreativ und innovativ.« Tatsächlich aber gibt es nur in wenigen diakonischen Einrichtungen ein systematisches Innovationsmanagement. Die Tagung stellt Modelle innovativen Handelns in der Diakonie vor und lädt zum Austausch über zukunftsorientierte Strategien ein. Tagungsnummer: 621012 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Zwischen Befristung und Überlastung. Prekäres Arbeiten in der Wissenschaft 15. September 2012, Bad Boll Im internationalen Vergleich ist die Zahl der befristeten Verträge im Bereich des »Mittelbaus« an Universitäten in Deutschland besonders hoch. Doktoranden stehen oft unter einer Mehrfachbelastung von Promotion, Lehre und weiteren Forschungsvorhaben. Die Bezahlung von Lehrbeauftragten ist äußerst bescheiden. Welche politischen Konsequenzen sind zu fordern? Tagungsnummer: 410912 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz, Dr. Regina Fein Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

50 Jahre de Gaulle und die deutsche Jugend – Vergangenheit und Zukunft der deutsch-französischen Partnerschaftsarbeit 21. September 2012, Bad Boll Am 9. September 1962 hielt Charles de Gaulle im Ludwigsburger Schloss eine Ansprache an die deutsche Jugend. Seine Rede gilt als Meilenstein in der Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich. An diesem Studientag wollen wir gemeinsam mit deutsch-französischen Part-

SYM 2/2012

nern überlegen, was sich seither verändert hat und wie es in der Partnerschaftsarbeit weitergeht. Tagungsnummer: 670112 Tagungsleitung: Anna Greve Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de Paläste für die Reichen – Krumen für die Armen? Die wirtschaftliche Entwicklung Indiens und die Zukunftssicherung der Armen 21.-23. September 2012, Bad Boll Seit gut 20 Jahren betreibt Indien eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung, die eine starke Dynamik in der indischen Gesellschaft frei setzt. Die Gegensätze wachsen, aber die offizielle Politik will ein einschließendes Wachstum, ein »inclusive growth«, erreichen. Kann das gelingen? Welche Perspektiven ergeben sich daraus für die über 500 Millionen Arme Indiens? Tagungsnummer: 640312 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Walter Hahn, Lutz Drescher, Maria Gießmann Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Abschied von der Erwerbsarbeit Aufbruch ins Morgen – Weichen stellen 26.-29. September 2012, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Den Abschied ernst zu nehmen und die Chancen der neuen Lebensphase in Beziehung, Freizeitaktivitäten und Engagement für andere zu erkennen, ist Ziel des Seminars. Tagungsnummer: 700212 Tagungsleitung: Dr. Karlheinz Bartel, Margit Metzger Infos: Heidi Weinmann, Tel. (0711) 351459-30, Fax 351459-55 heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de

Sport und Soziale Arbeit in der Zivilgesellschaft. Bilanz und Perspektiven der Arbeit mit sozial benachteiligten jungen Menschen 27.-28. September 2012, Bad Boll Sport spielt in der Sozialen Arbeit seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle: Er

wirkt integrierend, kann pädagogische Arbeit unterstützen und schafft Raum für Begegnungen. Die Fachtagung zeigt die Entwicklungen aus Sicht von Kommunalpolitik, Wissenschaft und Vereinen. Workshops bieten Gelegenheit, gelungene Beispiele aus der Praxis kennen zu lernen. Tagungsnummer: 340512 Tagungsleitung: Viktoria Pum, Prof. Dr. Bernd Seibel Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Fundraising macht Schule – Schule macht Fundraising! Fundraising für öffentliche und private Schulen und Internate 28.-29. September 2012, Bad Boll Private wie öffentliche Schulen und Internate haben Stärken, die für das Fundraising genutzt werden können. Fundraising ist kontinuierlicher Beziehungsaufbau und Beziehungspflege. Als Teil eines engagierten Schulleitungsteams erhalten Sie hier das nötige Wissen und Handwerkszeug, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Damit hat Ihre Schule im Wettbewerb um pädagogisches Profil die Nase vorne. Tagungsnummer: 451112 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Wolfgang Mayer, Anne Kreim Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/451112.pdf

Beteiligungsprozesse mit Dynamic Facilitation moderieren Fortbildung für die Moderation von BürgerInnenräten in BadenWürttemberg 1.-2. Oktober 2012, Bad Boll Die insgesamt dreitägige Fortbildung bietet Theorie und Praxis mit Trainingsphasen zur Anwendung von Dynamic Facilitation in so genannten BürgerInnenräten. Sie eignet sich für schwierige oder komplexe Beratung in größeren Gruppen oder in Kommunen. Mit ihr sollen Beteiligungspro-

19


was kommt ... zesse angestoßen werden – ein Stück Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft in Baden-Württemberg. Mit Supervisionstag am 30. April 2013. Tagungsnummer: 330912 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/330912.pdf

Anpassung an den Klimawandel Strategien und ihre Konfliktund Friedenspotenziale 1.-3. Oktober 2012, Bad Boll Der Prozess der Erderwärmung befindet sich in vollem Gange. Von den direkten und indirekten Konsequenzen der daraus folgenden Wetterveränderungen sind viele Millionen Menschen betroffen, wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Vor Ort werden in den verschiedenen Ländern passgenaue Lösungen gebraucht. Wie kann Konflikten vorgebeugt werden? Wie können innovative und differenzierte Wege der Anpassung aussehen? Tagungsnummer: 430412 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Was ist los mit meinem Kind? Anstrengungsverweigerung und andere Bewältigungsstrategien. Tagung für Adoptiveltern 6.-7. Oktober 2012, Bad Boll Die Anstrengungsverweigerung ist eine der häufigsten und gleichzeitig gravierendsten Folgen einer Frühtraumatisierung. In diesem Seminar soll es um die verschiedenen Facetten der Anstrengungsverweigerung gehen. Anhand von Fallbeispielen werden Möglichkeiten des Umgangs mit Anstrengungsverweigerung aufgezeigt. Tagungsnummer: 400812 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Ilse Ostertag Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

20

Rechte kennen und durchsetzen Voraussetzung ist eine engagierte Arbeit in der Schwerbehindertenvertretung 10.-12. Oktober 2012, Bad Boll Um sich als Schwerbehindertenvertretung engagiert für die Kollegen und Kolleginnen einsetzen zu können, ist es notwendig, sich mit den Grundlagen des Rechts im SGB IX vertraut zu machen. Dabei geht es auch darum, den aktuellen Stand der Diskussion im SGB IX zu kennen. Professor Franz Josef Düwell, lange Jahre Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, geht bei dieser Tagung für Schwerbehindertenvertretungen auf konkrete Fragen ein und wird mit Beispielen aus der Praxis erläutern, was die gegenwärtige Gesetzeslage für den Schutz behinderter Beschäftigter bedeutet. Tagungsnummer: 250212 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Martin Schwarz, Christa Engelhardt Infos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-345 simon.lademann@ev-akademie-boll.de

Frauen in der Reproduktionsmedizin. Migrantinnen verstehen und betreuen. Tagungsnummer: 410412 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Wem sollen wir glauben? Journalisten – Bloggern – Bürgern? Medientage Bad Boll 19.-20. Oktober 2012, Bad Boll Die Grenzen zwischen klassischen und neuen Medien verschwimmen, je mehr Journalisten mit Bild- und Nachrichtenmaterial aus dem Netz arbeiten. Wo liegen die Chancen, wo die Risiken dieses Vorgehens? Wer sorgt für die Qualität und damit die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung? Welchen Mehrwert bringen Blogger und Bürgerreporter für Leserinnen und Leser? Tagungsnummer: 531812 Tagungsleitung: Susanne Wolf Katja Korf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Mitmachen Ehrensache Fit für das Botschafteramt 12.-14. Oktober 2012, Bad Boll Die Aktion »Mitmachen Ehrensache« und die Evangelische Akademie Bad Boll laden Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg ein, die sich als ehrenamtliche Botschafterinnen und Botschafter für diese Initiative an Schulen, bei Arbeitgebern und in den Medien einsetzen wollen. Das Seminar bietet Workshops, in denen öffentliches Auftreten und Kommunikation geübt werden. Tagungsnummer: 360312 Tagungsleitung: Marielisa von Thadden, Gabi Kircher, Günter Bressau Infos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de

Bad Boller Hebammentagung 2012 18.-21. Oktober 2012 Bad Boll Aktuelle Themen, die Hebammen beschäftigen, werden in Vorträgen und Workshops erarbeitet: Geburt – normal oder natürlich? Tragen von Babys – auch in besonderen Situationen. Frühgeburtlichkeit. Begleitung von

Ehrenamtliche Hilfe für Familien mit schwerkranken Kindern Fortbildung zum ehrenamtlichen Engagement: Helfen – Begleiten – Stärken 20.-21. Oktober 2012, Bad Boll Familien mit einem schwerkranken Kind brauchen Hilfe. Die Aufgabenfelder, in denen Ehrenamtliche sich hier engagieren können sind vielfältig. Das Seminar will vorhandene Hemmschwellen abbauen, das Verständnis für die Ängste und Sorgen betroffener Familien fördern, notwendiges Wissen sowie erforderliche Kompetenzen vermitteln sowie zu einer Unterstützungstätigkeit befähigen, die große Entlastung schaffen kann. Tagungsnummer: 400912 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Mack, Ulrich Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

SYM 2/2012


rezept – aus der akademie Paprika mit Quinoa-Füllung 4 Personen Zutaten geputzt gewogen Zutaten 400 ml 200 g 1 Bund 150 g 150 g 3 1

/2 EL 4 2 EL 100 g

Wir verabschieden Ingrid Hess, Leiterin des Tagungszentrums

Gemüsebrühe Quinoa Frühlingszwiebeln Quark Schafskäse, gewürfelt Eier Salz, Pfeffer Kräuter der Provence rote oder gelbe Paprika Olivenöl geriebenen Hartkäse

Zubereitung Quinoa in einem Sieb kalt abbrausen. Gemüsebrühe und Quinoa kalt mischen und zum Kochen bringen. Auf kleiner Flamme ausquellen lassen, bis alle Flüssigkeit aufgezogen ist. Quinoa auskühlen lassen. Frühlingszwiebeln mit Grün in feine Ringe schneiden und in wenig Öl andünsten. Zwiebeln, Schafskäse, Quark, Eier und Gewürze zum Quinoa geben und pikant abschmecken. Paprikaschoten längs so halbieren, dass der Strunk an beiden Seiten erhalten bleibt. Paprika aushöhlen, innen und außen mit Olivenöl bepinseln. Quinoamasse einfüllen, in eine flache gefettete Auflaufform setzen. 15 Minuten bei 140° C backen, geriebenen Käse überstreuen und weitere 10 Minuten backen. Mit einem JoghurtKräuterdip servieren. Guten Appetit! Interessantes zu Quinoa, dem Gold der Inkas: Quinoa ist eine 6000 Jahre alte Kulturpflanze, die auf Höhen über 4000 m gedeiht. Botanisch zählt sie zu den Fuchsschwanzgewächsen. Sie diente den Andenvölkern schon immer als lebenswichtiges Grundnahrungsmittel, denn die Körnchen enthalten alle essentiellen Eiweißbausteine. Quinoa ist überreich an Mineralien und Vitaminen und ist glutenfrei.

SYM 2/2012

Aus der Akademie

Ingrid Hess, Leiterin des Tagungszentrums der Evangelischen Akademie Bad Boll, geht nach 26 Jahren zum 1. Juni in den Ruhstand. Die 62-Jährige hat das Nachhaltigkeits-Konzept des Hauses maßgeblich mitgeprägt. »Irgendwas ist immer«. Das steht auf einem kleinen Schild, das auf der Fensterbank in Ingrid Hess’ Büro liegt. Treffender ist ihr Arbeitsalltag kaum zu beschreiben. Die Chefin des Tagungszentrums hat seit 1986 die Hausreinigung, den Servicebereich und die Gastronomie des Hauses mit rund 45 Mitarbeiterinnen geführt, seit 2007 läuft auch das Belegungsmanagement unter ihrer Ägide. Da ist immer irgendwas. Und so hat man Ingrid Hess überall im Haus getroffen: Im Symposion, dem Akademie-Restaurant, beim prüfenden Gang am Salatbuffet vorbei, in Tagungsräumen, an der Rezeption oder irgendwo dazwischen. Ihre Ideen haben das Tagungszentrum und sein Wirtschaften beeinflusst. Sie kam 1986, als allein erziehende Mutter einer Tochter auf der Suche nach einem Vollzeitjob – und auf der Suche nach einer Arbeitsstelle, in der sie ihre Visionen verwirklichen konnte. »Nachhaltig zu wirtschaften, also sozial, ökonomisch und ökologisch verantwortungsbewusst, ist auch in Großküchen möglich, davon war und

bin ich überzeugt«, sagt Hess. Ein Vortrag bei einer Jahrestagung ihres Berufsverbandes weckte in ihr die Begeisterung für den NachhaltigkeitsGedanken. Ein Referent stellte dar, wie die Ernährungsgewohnheiten in den Industrieländern das Leben von Menschen in den Staaten des Südens beeinflussen. »Das hat mich unwahrscheinlich beeindruckt und mir war klar, dass man da etwas machen muss.« In der Akademie, so hoffte Hess, würden diese Ideen Unterstützer finden. Sie setzte sich durch. Heute zieht Ingrid Hess so Bilanz: »Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viel bewegt und wir zeigen beispielhaft, wie große Betriebe nachhaltig und wirtschaftlich arbeiten können.« Die Küche verwendet vorwiegend saisonale, fair gehandelte Produkte aus biologischem Anbau, das meiste kommt aus der Region. Ein durchschnittliches Menü im AkademieRestaurant bereitet das Küchenteam heute aus Lebensmitteln zu, die rund 66 Kilometer Transport hinter sich haben – Gewürze wie Zimt und selten verwendete exotische Früchte wie Bananen nicht eingerechnet. Früher legten Lkw für dasselbe Durchschnitts-Essen 650 Kilometer zurück. Die Qualität der Mahlzeiten ist zu einem Markenzeichen der Akademie geworden. »Die Zeit hat für uns gearbeitet. Heute haben die Menschen ein anderes Qualitätsbewusstsein, sie schätzen Produkte ohne Zusatzstoffe und Regionales.« Die Zeiten, in denen die männlichen Gäste einer Tagung aus Protest gegen die vegetarischen Gerichte geschlossen den Speisesaal verließen, um im benachbarten Gasthof Rostbraten zu essen, sind vorbei. »Das musste man eben ertragen, auch wenn es nicht einfach war«, sagt Ingrid Hess. Sie hat es ausgehalten, weil sie ihr Ziel im Kopf hatte und daran festgehalten hat. »Negativ ausgedrückt bin ich stur, positiv gesagt beharrlich«, meint Hess und lächelt. Sie kann unbequem werden, sagt sie noch, und wer sie kennt, kann sich das vorstellen. Sie stellt sich vor ihre Mitarbeitenden, kämpft für unbefristete Verträge, auch mit der Direktion. Sie will alle mitnehmen auf ih-

21


aus der akademie rem Weg, »aber wenn es sein muss, entscheide ich eben.« Einen besonderen Erfolg hatte sie kurz vor Ende ihres Arbeitslebens. Die Evangelische Akademie wird, anders als zahlreiche andere Hotel- und Tagungsbetriebe, weiter die Wäsche in der eigenen Wäscherei waschen. So bleiben drei halbe Stellen, nach Tarif bezahlt, erhalten. Ingrid Hess hat mit ihrem Mann, einem Mathematiker, alles durchgerechnet. Das Ergebnis: Weil die Wäsche im eigenen Betrieb wesentlich länger hält als in fremden Wäschereien, und weil man für Koordination und Vorbereitung des Wäschetransports ebenfalls Arbeitszeit braucht, zahlt das Tagungszentrum pro Jahr 24.000 Euro weniger für seine Wäsche als bei einem externen Anbieter. Drei Arbeitstage vor dem Ruhestand hat Ingrid Hess noch immer wenig Zeit und viel zu tun. »Ich will alles geordnet übergeben«, sagt sie. Auf dem PC-Bildschirm ein offenes Dokument, das Telefon muss sie für das Gespräch umleiten, damit es nicht stört. Noch immer ist ständig irgendetwas. Und am 1. Juni? Das Wohnmobil, ein Lebenstraum, steht seit Mitte Mai vor der Tür, die erste große Tour führt sie und ihren Mann von Ende August bis Mitte Oktober durch Frankreich. Drei Tage nach ihrer Abschiedsfeier hat Ingrid Hess außerdem den ersten ehrenamtlichen Job zugesagt – für das Eltern-Kind-Zentrum e.V. (Ekiz) im Stuttgarter Westen. Katja Korf

Neu in der Akademie Simone Helmschrott Studienleiterin Am 1. Juni wird Simone Helmschrott ihre Arbeit als Studienleiterin im Themenbereich Gesellschaft, Politik, Staat mit dem Arbeitsschwerpunkt Friedenspolitik und internationale Konfliktprävention aufnehmen. Sie folgt Manfred Budzinski nach, der am 31. Oktober 2011 in den Ruhestand gegangen ist. Simone Helmschrott ist 1985 in Köln geboren und hat in Tübingen Geschichte, Islamwissenschaften und Evangelische Theologie studiert. In Istanbul war sie ein Jahr an der Islamisch-Theologischen Fakultät

22

eingeschrieben. In ihre Tagungsarbeit plant Simone Helmschrott neben zunächst fortgeführten Themen auch Impulse einzubringen, die aus dem Bereich ihres Studiums und ihrer Erfahrungen kommen wie zum Beispiel die Themen Arabische Revolution, Türkei und Kaukasus. Telefon: (07164) 79 239 Telefax: (07164) 79 5239 simone.helmschrott@ ev-akademie-boll.de Sekretariat: Reinhard Becker Telefon: (07164) 79 217 Telefax: (07164) 79 5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Pfrin. Anna Greve, Studienassistentin Seit 1. März ist Anna Greve, Pfarrerin zur Anstellung, mit einer halben Stelle als Studienassistentin im Bereich Wirtschaft, Globalisierung, Nachhaltigkeit tätig. Nach ihrem Theologiestudium in Tübingen und Greifswald machte sie ihr Vikariat in der fusionierten Gemeinde Stuttgart Nord. In dieser größten Kirchengemeinde Württembergs, in der drei Gemeinden mit vier Kirchen fusioniert sind, lernte

sie ein breites Spektrum an Gottesdienstformen und Veranstaltungstypen kennen. Am 4. März fand ihre Ordination statt. Ebenfalls mit einem halben Auftrag arbeitet Pfrin. Anna Greve im Evangelischen Jugendwerk in der Landesstelle in Stuttgart. In Bad Boll arbeitet sie momentan in dem Projekt »Welt:Bürger gefragt« mit, einem entwicklungspolitischen Dialog mit der Landesregierung, der von der Evangelischen Akademie Bad Boll moderiert wird (s. a. S. 2). Ansonsten wird sie wirtschaftspolitische Tagungen durchführen. Telefon: (07164) 79 235 Telefax: (07164) 79 5235 anna.greve@ev-akademie-boll.de Sekretariat: Telefon: (07164) 79 225 Telefax: (07164) 79 5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Publikationen Neues Halbjahresprogramm der Evangelischen Akademie Bad Boll Mehr als 50 offen ausgeschriebenen Tagungen bietet die Evangelische Akademie Bad Boll von Juli bis Dezember 2012 Raum und Zeit. Im neuen Halbjahres-Programm finden Sie Veranstaltungen zu offenen Fragen in Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und Theologie, Bildung und Kultur. Wie immer bilden Tagungen für bestimmte Berufsgruppen einen der Schwerpunkte. Thematisch liegt diesmal ein Fokus auf dem Thema Inklusion, also der Frage, wie Schule, Jugendarbeit und Gesellschaft so gestaltet werden können, dass Menschen mit und ohne Behinderung oder mit unterschiedlichen Biographien die gleichen Chancen haben. Die Frage nach einem ethisch verantwortungsvollen Wirtschaften steht in Zeiten von Wirtschafts- und Schuldenkrise ebenfalls auf der Agenda. Demographie, Menschenrechtsfragen und Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind nur einige der weiteren Themen, die das zweite Halbjahr 2012 in der Akademie prägen werden.

SYM 2/2012


buchtipps – kommentare Im Internet finden Sie eine Übersicht aller anstehenden Tagungen unter www.ev-akademie-boll.de/programm. Das gedruckte Programm senden wir Ihnen auf Anfrage gerne kostenlos zu. Monika Boffenmayer, Tel.: 07164 79305, E-Mail: monika.boffenmayer @ev-akademie-boll.de

Buchtipps, Blogs Frauen in Europa Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 37-38/2011) Die Frauen in Europa sind keine homogene Gruppe. Wenn eine Quote in Führungspositionen gefordert wird, so betrifft dies akademisch gebildete, ohnehin privilegierte Frauen. Wird dagegen eine bessere Absicherung für private Pflegekräfte diskutiert, so geraten hauptsächlich Migrantinnen in den Blick. Soziale Merkmale wie Bildungsstand, Herkunft oder Religion unterscheiden die Frauen voneinander. Dennoch bleibt das Geschlecht eine wichtige Kategorie bei der Erforschung sozialer Ungleichheit. Trotz großen Fortschritten in der Gleichstellung sind Frauen häufiger Opfer von (nicht nur häuslicher) Gewalt, haben einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt und damit zu sozialer Absicherung und sind unterrepräsentiert in den politischen und wirtschaftlichen Eliten. Die Broschüre versammelt acht Beiträge von vornehmlich deutschen Autorinnen, in denen es unter anderem um »Gleichstellung in Deutschland im europäischen Vergleich«, »Geschlechterbeziehungen im (Post)-Sozialismus«, um »Migration und Geschlechtergerechtigkeit« und um acht Frauen geht, die in der Europäischen Kommission tätig sind. Eine lohnende, informative Lektüre! Die 56-seitige Broschüre kann entweder kostenlos bestellt oder direkt heruntergeladen werden über: www.bpb.de/publikationen/ 5N2MU3,0,0,Frauen_in_Europa.html

Alice Schwarzer: Lebenslauf Kiepenheuer & Witsch, 2011 Die große Verschleierung – Für Integration, gegen Islamismus Kiepenheuer & Witsch, 2010 SYM 2/2012

Meredith Haaf, Susanne Klingner, Barbara Streidl Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht Hoffmann und Campe Verlag, 2008 Blanvalet, 2009 (TB) Die Mädchenmannschaft http://maedchenmannschaft.net/ Ein deutschsprachiges feministisches Blog des Vereins Mädchenmannschaft e.V., das seit 2007 über Politik, Medien, Werbung und geschlechtersensible Projekte berichtet. Frau Lila http://fraulila.de/ Das Projekt »Frau Lila« ist ein Folgeblog der Mädchenmannschaft, s.o., einer feministischen Initiative mit Barbara Streidl, Susanne Klingner, Meredith Haaf und Katrin Rönicke.

Kommentare 40 Jahre Frauenbewegung Von Marita Werntze-Sparla Times are changing – aber immerhin, die Frauenbewegung in Deutschland gibt es noch oder sie ist neu belebt – mit einer anderen – was ja nahe liegt – veränderten Generation von Frauen. Hoffentlich gehen von der Kampagne des Landesfrauenrats »Halbe Kraft reicht nicht!« für eine frauenfreundliche Änderung des Kommunalwahlrechts in Baden-Württemberg konkrete neue frauenpolitische Impulse aus. Hoffentlich springt der Funke oder besser das entfachte Feuer auch auf andere Bundesländer über und führt Frauen überparteilich und überkonfessionell endlich zusammen. Hoffentlich wird die Evangelische Akademie Bad Boll wieder mit dem Sichtbarmachen von Frauenpower in unserer Gesellschaft in Verbindung gebracht! Ich bin jetzt Mitte sechzig, und in den 80er Jahren waren mir als feministischer Theologin – dazu katholisch –, die es in den Süden Bayerns verschlagen hatte, die frauenbewegten Ta-

gungen in Bad Boll mit Herta Leistner, Monika Barz, Heidemarie Langer und anderen eine Zeitlang so etwas wie Heimat und gaben mir Rückenstärkung. Ich kam in Kontakt mit Barfußtheologinnen aus der Schweiz, mit der Labyrinthbewegung, den Netzwerken Feminismus und Kirchen, Maria von Magdala und vielem anderen. Nun im Ruhestand und nach vielen Jahren wieder in Bad Boll war ich zunächst enttäuscht, kaum mir bekannte Frauen von damals wieder zu treffen. Und angesichts der spürbar starken Kopflastigkeit des Tagungsablaufs dachte ich mit Wehmut zurück: Damals bewegten sich über 100 Frauen singend und kreistanzend im Festsaal. Zwischen oder im Anschluss an die Vorträge gab es Frauenkabarett und am Abend gab es Frauenfeste, bei denen wir eigene liturgische Formen und Rituale ausprobierten und Inhalte ganzheitlich umsetzten. Wir waren kreativ, bunt und miteinander vielseitig in Bewegung. Dieses Mal war es anders: Ein Vortrag folgte dem anderen nach dem anderen – zweifellos meist höchst kompetent und informativ, dazu mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Herangehensweisen. Erfreulich waren auch die Altersunterschiede der Referentinnen. Beeindruckend waren auch die jeweiligen Biographien der teilweise über Jahrzehnte zäh kämpfenden Fachfrauen, die ich dahinter spürte, und in denen ich mich ein Stück weit wiederfinden konnte. Alice Schwarzer als »grande dame« der jüngeren deutschen Frauenbewegung persönlich erleben zu können – das empfand ich einfach nur als wohltuend schön. Sie ist immer noch mit großem Engagement, aber auch mit Witz und Ironie dabei und betrachtet ihre Widersacher mit gelassenem Abstand. So viele beeindruckende Frauenpersönlichkeiten waren zugegen! Und von den ganz jungen Frauen habe ich gelernt, dass es darum geht, den Feminismus als Vision von einer lebenswerten Zukunft aufrecht zu erhalten, der weiblichen Autorität mehr Öffentlichkeit

23


kommentar zu verschaffen und dazu auch die digitale Welt zu nutzen. Siehe auch Titelfoto: Marita WerntzeSparla mit Helga Hansen

Frauenbewegung - und ich? Stimmen aus der Akademie Regina Fein, Studienleiterin, geb. 1976 Ganz ehrlich, ich verstehe viele Argumentationslinien der aktuellen Feminismusdebatten nicht. Die Frauenbewegung der vergangenen Jahrzehnte hat meines Erachtens viel gebracht; Frauen aber noch immer in einer fundamentalen Opferrolle zu sehen, kann ich genauso wenig nachvollziehen wie diese Pauschalisierungen à la »Frauen haben …«, »Männer sind...«. Klar ist für mich, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowohl Männern als auch Frauen beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlauben müssen. Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen heißt aber nicht Gleichmacherei (das geht eh nicht), und unlogische sprachliche Verrenkungen bringen nichts – im Gegenteil.

Gabriele Barnhill, Tagungssekretärin, geb. 1958, fünf Kinder Meinen Vater habe ich als sehr fortschrittlich empfunden. Er war eigentlich ein einfacher Mensch, aber als es darum ging, dass seine Tochter vielleicht schwanger werden könnte, meinte er: »Sollte das je vorkommen, musst Du deshalb ja nicht gleich heiraten.« Das war ganz im Gegensatz zu meinen Schulkameradinnen, die aus gebildeteren Haushalten kamen, aber heiraten »mussten«. Für mich war immer klar, dass ich eine Fa-

24

milie haben möchte und dass ich gerne einen Partner habe, aber es war für mich auch klar, dass ich immer finanziell unabhängig sein möchte, damit ich mich notfalls auch von meinem Partner trennen kann. Diese Freiheit habe ich mir genommen und habe mich getrennt und das allein geschafft mit meinen fünf Kindern. Trotz der Unterstützung von zuhause, weiß ich nicht, ob ich das alles ohne die Frauenbewegung gepackt hätte. Auch das Bewusstsein, dass ich die Freiheit und das Recht habe, über mich selbst zu bestimmen, auch über meinen Körper. Mein erster Chef war sexuell übergriffig. Die Kollegen wussten das, übersahen es aber. Ich habe mich gewehrt, auch körperlich und hatte am nächsten Tag die Kündigung in der Tasche. Es war eine große Überwindung für mich, vor das Arbeitsgericht zu gehen. Ich habe es trotzdem getan und Recht bekommen. Das war eine positive Erfahrung für mich.

Katja Korf, Pressereferentin, geb. 1977 Meine erste bewusste Begegnung mit politisch engagierten Feministinnen war an der Uni. Wir haben damals eine Unizeitung gemacht und in der Redaktion ist ein zweiseitiger Brief vom Frauenreferat des Asta gelandet. Darin haben sich die Verfasserinnen darüber aufgeregt, dass wir keine geschlechtergerechte Sprache verwendet haben. Wir Frauen in der Redaktion haben uns darüber aufgeregt und waren uns einig, dass es andere Fronten gäbe, an denen die Asta-Frauen für uns kämpfen könnten. Für uns war das eine Marginalie. Was die Frauenbewegung für Frauen meines Alters geleistet hat, merkt man dann erst im Laufe der Zeit, vor

allem im Berufsleben. Wir nehmen es als selbstverständlich, zu studieren, jeden Job machen zu können und uns natürlich nicht von einem Ehemann vorschreiben zu lassen, ob wir arbeiten gehen. Es ist viel erreicht, aber es ist sicher noch nicht alles gut. Deshalb gibt es weiter wichtige Fronten, aber nicht im Kampf der Geschlechter, sondern insgesamt für eine Gesellschaft, in der jeder und jede unabhängig von Herkunft, Alter oder anderen Merkmalen die selben Chancen hat.

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 9. Jahrgang 2012, Heft 2/2012 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Joachim L. Beck) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotonachweis: Carlucci, Giacinto: S. 3; Evang. Akademie Bad Boll: U4; Lohnes, Thomas/Brot für die Welt: S. 11; Privat: S. 14, 21, 22; Schöttle, Sigrid: S. 3; Studnar, Jakob: S. 24; Thurner, Sandra: S. 10; Waiblinger, Martina: S. 3 (1), 4, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 14 (3), 18, 22, 24 (2) SYM erscheint vierteljährlich. Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach

SYM 2/2012


meditation

Der kleine Unterschied oder das große Aber Von Carmen Rivuzumwami Frauen in aller Welt sind unsere Schwestern / Und wir feiern die Leben, die sie gelebt haben. / Wir tragen den halben Himmel. / Und wir sehen seine Schönheit vor uns ausgebreitet. / Wir haben Gottes Geist in uns, um uns herum und zwischen uns entdeckt. / Lasst uns diesen Tag feiern und alles, was vor uns liegt. Am 8. März 1911 gingen Frauen in Dänemark, Österreich, Schweden, der Schweiz und Deutschland auf die Straße, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Damals ging es vorrangig um das Wahlrecht, das ihnen vorenthalten war. Das ist gerade einmal hundert Jahre her! 1971 outen sich Frauen – auch sehr prominente wie Romy Schneider und Senta Berger – im Stern »Wir haben abgetrieben« und eine Lawine des Protestes von Frauen gegen den Paragraphen 218 und eine selbstbestimmte Mutterschaft wird losgetreten. Im März 1972 singen über 400 Frauen beim 1. Bundesfrauenkongress: »Frauen gemeinsam sind stark«. Das sind sie gewiss, stark! Aber, ah da ist es schon, dieses kleine Wörtchen, vier Buchstaben nur (aber es hat es in sich!), das mir bei meinen Betrachtungen über die Frauenbewegung(en) immer wieder in den Kopf schießt und sich wie ein Frage- und Ausrufezeichen zugleich manifestiert. Erfolge feiern, aber … immer schnellt es dazwischen. Das Frauenwahlrecht, aktiv und passiv, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Aber – da ist es schon – aber, in vielen Ländern dieser Erde dürfen Frauen immer noch nicht wählen oder sie dürfen sich nicht zur Wahl stellen, d.h. sie können noch nicht teilnehmen an den gesellschaftspolitischen Entscheidungen in ihrem Land.

Blicken wir auf Deutschland. Viel ist erkämpft und erreicht worden: Frauen sind dem Gesetz nach gleichgestellt (Art. 3, Abs. 2) und dank etlicher Nachbesserungen heißt es: »Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin«. Frauen haben Zugang zu Bildung, Arbeit und politischen Ämtern. Frauen können auf der Kanzel stehen, predigen, Bischöfin werden. Frauen können sich gegen häusliche Gewalt wehren und Gewalt in der Ehe anzeigen. Frauen werden angeredet und sind nicht nur mitgemeint, auch wenn viele das heute schon wieder umständlich, ja fast albern finden. Eine Menge ist in diesen mehr als 100 Jahren Frauenbewegung(en) geschehen, das soll nicht kleingeredet, sondern gefeiert werden. Doch nun kann es sich nicht mehr bremsen, steht schon die ganze Zeit in den Startlöchern, dieses kleine Wörtchen »aber«: Aber Frauen sind in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsgremien immer noch unterrepräsentiert; Tendenz abnehmend, je höher die Führungsposition. Frauen arbeiten genauso gut, klug und auch hart wie Männer, aber im Schnitt verdienen sie 23 Prozent weniger! Frauen sind sehr gut ausgebildet, aber die Last der Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familie lastet oftmals allein auf ihren Schultern, vor allem, wenn man auf die zum Teil immer noch katastrophalen Kinderbetreuungsangebote und auf die ungelöste Frage nach der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger blickt. Frauen arbeiten ihr Leben lang, sorgen und pflegen, aber die (Alters)armut ist weiblich. Alle reden von der Eurooder Finanzkrise, aber wir haben eine Vielfachkrise des gesellschaftlichen Systems und die Krisenauswirkungen haben heftige Geschlechterimplikationen.

Um mögliche Fragen gleich zu beantworten, was hat sie nur gegen uns Männer? Die Antwort ist schlicht: Gar nichts! Und da ist es schon wieder: Aber ich habe etwas gegen Ungerechtigkeit. Und ich gebe die Frage zurück: »Männer, seid ihr fähig gerecht zu sein?« (Olympe de Gouges, 1791) und stelle sie in eine Tradition der Suche nach Geschlechtergerechtigkeit, die die historischen Frauenbewegungen verkörpern und als alternative Gesellschafts- und Kulturbewegung auszeichnen. Somit sind der internationale Frauentag, der EqualPay-Day und andere Daten mehr als wichtig, um das große Aber, um noch vorhandene Missstände bewusst zu machen, dagegen zu protestieren und mit aller Entschlossenheit Gegenmodelle zu präsentieren bzw. zu praktizieren. Und da fühle ich Gott ganz nah an meiner Seite, an der Seite von uns Frauen, denn Gott ist Unrecht zutiefst zuwider. Er klagt es an, steht auf der Seite der Opfer und bringt die Täter zurecht, damit Begegnung auf Augenhöhe möglich wird. Sein Sohn Jesus lernte von dem Mut der Frauen, dass er sich nicht scheute, sich mit ihnen öffentlich zu zeigen und wo es nötig war, für sie die Stimme zu ergreifen, sie zu verteidigen oder sie zu ermutigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Angetrieben von der göttlichen Geistkraft, beschienen von der Sonne der Gerechtigkeit und beseelt von einer Verheißung gehen wir weiter auf dem Weg hin zur Geschlechtergerechtigkeit und vertrauen auf die Zusage: »Du, Gott, stützt mich, du, Gott, stärkst mich, du, Gott, machst mir Mut.« (Jesaja 41,10) Carmen Rivuzumwami war von 1997 bis 2007 Studienleiterin in der Evangelischen Akademie Bad Boll.


Abs.: Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll – Postvertriebsstück 64670 – Entgelt bezahlt

Welt:Bürger gefragt 350 Bürgerinnen und Bürger besuchten im April die Auftaktveranstaltung der Aktion »Welt:Bürger gefragt!« in der Messe Stuttgart. Landesminister Peter Friedrich (r.) diskutierte ebenso wie Erhard Eppler (2. Foto r.) mit den Anwesenden die Zukunft der Entwicklungspolitik des Landes. Tänzer des Hope Theater aus Nairobi sorgten für den passenden Rahmen. Weitere Bürgerkonferenzen und Themengesprächen mit Vertretern der Landesregierung in ganz Baden-Württemberg folgen in den kommenden Wochen. Die Termine des Bürgerdialogs, den die Evangelische Akademie Bad Boll moderiert: www.ev-akademie-boll.de/weltbuerger-gefragt, siehe auch S. 2 und 15.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.