SYM 1-2012

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ISSN 1613-3714

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Einzelpreis € 3.-

Schwerpunktthema Partizipation ermöglichen Muslime fragen nach ihrer Identität. Interview mit Mufti Dr. Nedzad Grabus, Slowenien Teilhabe und deutsche Anstaltstradition Partizipation im Geislinger BürgerInnenRat Absage an die Wachstumsgläubigkeit Tagungsvorschau 100 Jahre Untergang der Titanic Missbrauch in der Regelschule 40 Jahre Frauenbewegung in Deutschland Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service

Partizipation ermöglichen Januar

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2012


inhalt

aktuell . . .

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Bürger gestalten Entwicklungspolitik mit Evangelische Akademien unterstützen zivilgesellschaftliche Strukturen auf dem Land

Rückblende

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Absage an die Wachstumsgläubigkeit

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Was kommt . . .

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Rückblick auf vergangene Tagungen sowie Links zu interessanten Beiträgen

Ausstellung

Onlinedokumente

Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 9. März bis 31. August 2012

6 Aus der Akademie

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Publikationen

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Impressum

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Meditation

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Johanna Helbling-Felix Zeichnung – Collage – Fotografie

Johanna Helbling-Felix Werkgruppe »Heim_Flug II«, 2011, 50 x 70 cm, Collage, Zeichnung, Luftfotografie

Schwerpunkt: Partizipation ermöglichen

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Muslime fragen nach ihrer Identität – Interview mit Dr. Nedzad Grabus, Mufti von Slowenien Costa Rica: Kleinbauern als Unternehmer und Entwicklungshelfer Kirchenparlamentarier aus 17 Staaten treffen sich Teilhabe und deutsche Anstaltstradition Partizipation in Gemeinden – zum Beispiel in Geislingen

Titelbild Bürgerrat in Götzis Foto von Mario Wezel

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editorial

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, an vielen Stellen werden Teilhabe und Partizipation diskutiert. Die Hauptaufgabe in der Behindertenhilfe besteht seit längerem darin, Menschen mit Behinderung Möglichkeiten zu eröffnen, sich aktiv am Leben in der Kommune und in der Wohngemeinschaft einzubringen. Es steht nicht die Betreuung im Vordergrund, sondern die Ermöglichung des Zusammenlebens. Dazu gehört maßgeblich, nicht die Defizite und Begrenzungen in den Vordergrund zu stellen, sondern von den Möglichkeiten und Fähigkeiten her zu denken. Ressourcenorientierung ist das entsprechende Stichwort. Beteiligung lebt vom Wissen und den Fähigkeiten aller. Beteiligungskonzepte fordern und fördern Menschen, sich einzubringen, ihre Fragen zu stellen, ihre Antworten zur Diskussion zu stellen. Beteiligungskonzepte vertrauen darauf, dass im Zusammenspiel der vielen die bessere Lösung von Problemen erkennbar wird und sich durchsetzt. Dieser Grundgedanke der Teilhabe wird in vielen Politikfeldern erkennbar. Nicht nur die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg hat Beteiligungsprozesse auf ihre Agenda gesetzt. Auch das Bundesministerium des Inneren (BMI) forciert Beteiligungsprozesse – insbesondere in den fünf neuen Bundesländern. Die Partizipation an Planungs- und Entscheidungsprozessen soll verstärkt werden. Dabei setzt die Politik bewusst auf die so genannte Schwarmintelligenz, die gesellschaftliche Lösungen nicht in der Summe von Einzelmeinungen, sondern im Diskurs erkennt. Es ist kein Zufall, dass wir uns in der Evangelischen Akademien Bad Boll an dieser Stelle engagieren. War doch von Anfang an die Grundidee der kirchlichen Akademiearbeit, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken und zu unterstützen. Wir berichten in dieser Ausgabe über das EAD-Projekt »Zivilgesellschaft stärken – Partizipation ermöglichen«, Veränderungen in der »Anstaltstradition« durch Teilhabeprozesse und über Methoden der Beteiligung und Erfahrungen mit Beteiligungsprozessen in Kommunen. Es wird dabei erkennbar, dass sich durch die Beteiligungsverfahren und Prozesse bisher eingeübte Abläufe verändern bzw. in Frage gestellt werden. Deutlich wird dabei allerdings auch, dass eine Verhältnisbestimmung noch aussteht: das Verhältnis von parlamentarisch-repräsentativer Demokratie und Partizipationsprozessen für konkrete gesellschaftspolitische Entscheidungen, in denen eine direkte Bürgerbeteiligung gefragt ist. Beteiligung und Partizipation leben vom Engagement. Vom Zuhören und Nachfragen, vom Weiterdenken und Mitreden. Herzliche Einladung zur Beteiligung am Diskurs – hier in Bad Boll und an vielen anderen Orten. Wir freuen uns auf Ihr Wissen, Ihre Expertise, die unsere Tagungsarbeit bereichern!

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor SYM 1/2012

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aktuell Bürger gestalten Entwicklungspolitik mit Die Evangelische Akademie Bad Boll moderiert im Auftrag des baden-württembergischen Staatsministeriums den Dialog- und Beteiligungsprozess »Welt:Bürger gefragt. Entwicklungspolitischer Dialog der Landesregierung Baden-Württemberg«. Ziel ist es, die entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes zu überarbeiten und dabei die Anregungen aus der Bevölkerung mit aufzunehmen. Die Landesregierung lädt Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute aus Nicht-Regierungsorganisationen, regionalen und lokalen Initiativen, Verbänden und Kirchen ein, mitzumachen. Ein Fachbeirat begleitet den Prozess. Die Auftaktkonferenz für die landesweite Aktion findet am Samstag, den 14. April 2012 auf der Messe »Fair Handeln« in Stuttgart statt. Im ersten Halbjahr 2012 folgen regionale Bürgerkonferenzen und überregionale Themengespräche, auf denen Minister Peter Friedrich, zuständig für internationale Angelegenheiten und Entwicklungszusammenarbeit, die Pläne der Landesregierung erläutert und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Wo liegen die Stärken Baden-Württembergs, die das Land in die Entwicklungszusammenarbeit einbringen sollte? Wie erfüllt man Nord-Süd-Partnerschaften mit Leben? Welche Unterstützung brauchen zivilgesellschaftliche Initiativen für ihre Arbeit? Wie soll sich das Zusammenspiel von Bund, Land und Kommunen entwickeln? Solche und weitere Fragen stehen auf dem Programm. Delegierte aus den Bürgerkonferenzen vertreten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger bis zur Schlusskonferenz, die für September 2012 geplant ist. Das Ergebnis des Prozesses ist Grundlage für die weiteren politischen Entscheidungen. Termine und weitere Informationen stehen ab Mitte März auf den Internetseiten des Staatsministeriums und der Evangelischen Akademie Bad Boll.

Die Evangelische Akademien (EAD) unterstützen zivilgesellschaftliche Strukturen auf dem Land Zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen auf dem Land hat das Bundesministerium des Inneren (BMI) das Bundesprogramm »Zusammenhalt durch Teilhabe« initiiert. Verschiedene Projekte innerhalb dieses Programms sollen demokratische Teilhabe unterstützen und wenden sich gegen Extremismus in Ostdeutschland. Die Geschäftsstelle der EAD und verschiedene evangelische Akademien Ostdeutschlands haben sich mit zwei Projekten in das Programm eingeklinkt. »Wir beteiligen uns« heisst die dreiteilige Weiterbildungsreihe, die die EAD mit den evangelischen Akademien in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit der Projektkoordinatorin der EAD, Christine Dotterweich und einschlägig qualifizierten Trainerinnen und Trainern durchgeführt. Im Vordergrund

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stehen die Vermittlung von praktisch-nützlichen Kompetenzen, die zur Förderung des Gemeinwesens beitragen. Sie lauten »Kommunikation, Kooperation und Konflikte« (Modul 1), »Intergenerationelles Arbeiten« (Modul 2) und »Unterstützungsstrukturen im ländlichen Raum« (Modul 3). In den genannten Bundesländern kommen dreimal für drei Tage 20 Teilnehmende zusammen, um über Zivilgesellschaft im ländlichen Raum zu diskutieren und die drei Module zu bearbeiten. Am zweiten Projekt beteiligen sich neben der Geschäftsstelle der EAD die Akademien Sachsen-Anhalt, MecklenburgVorpommern und Thüringen. Gemeinsam haben sie Modellprojekte entwickelt, die das Ziel haben, durch intergeneratives Lernen dazu beizutragen, die Strukturen und den Zusammenhalt in ländlichen Gebieten in Ostdeutschland zu stärken. Die Akademien forschen zu verschiedenen Themenbereichen. Zum Beispiel wird der Frage nach der integrativen Kraft von Dorffesten nachgegangen oder der Frage, ob Web 2.0 geeignet ist, neue Strukturen zu schaffen. Ein weiteres Beispiel ist die historische Bildungsarbeit mit Zeitzeugengesprächen. Hintergrund für das BMI-Programm ist, dass Ostdeutschland weiterhin vor den Herausforderungen der demografischen Entwicklung steht. Weniger Geburten und die Abwanderung jüngerer, besser ausgebildeter Menschen führen insbesondere im ländlichen Raum zur weiteren Ausdünnung der Infrastruktur. Damit stehen die wichtigen kommunal und regional verwurzelten Netzwerke wie Vereine, Verbände, Parteien und Kirchen vor großen Herausforderungen. Sie alle müssen sich die Frage stellen, inwieweit die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich für das Gemeinwesen einzusetzen, erhalten und ausgebaut werden kann. Die Modellvorhaben haben im Herbst 2011 begonnen. Insgesamt werden im Rahmen von »Zusammenhalt durch Teilhabe« ca. 100 Projekte gefördert. Sowohl die Modellprojekte als auch die Weiterbildung sollen einen wesentlichen Beitrag zum Thema »Teilhabe« leisten. Neben aktiver Unterstützung werden auch neue Wege erprobt, wie Teilhabe im ländlichen Raum unter den Bedingungen des demographischen Wandels gelingen kann. Nähere Informationen finden Sie unter www.evangelischeakademien.de/zdt. Bei Fragen steht Ihnen Christine Dotterweich unter Tel. 030-283 95-440 gerne zur Verfügung. SYM 1/2012


rückblende Das christliche Verständnis der Menschenrechte Am 10. Dezember, zum Tag der Menschenrechte, hat die Evangelische Akademie Bad Boll eine internationale Tagung »Europäische Kirchen und Menschenrechte« mit Vertretern orthodoxer Kirchen veranstaltet. Mitveranstalter waren die »Konferenz Europäischer Kirchen« (KEK), die »Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa« (GEKE), das Moskauer Patriarchat und die Konrad Adenauer Stiftung. Vorausgegangen waren Differenzen auf europäischer Ebene, als die Russisch-Orthodoxe Kirche eine Erklärung zu den Menschenrechten (»Die Grundlagen der Lehre der Russisch-Orthodoxen Kirche über die Würde, die Freiheit und die Menschenrechte«, 2008) herausgab und andere europäische Kirchen deutlich widersprachen (»Menschenrechte und christliche Moral«, eine Antwort der GEKE, Mai 2009). Während die eher westlich und protestantisch orientierten Kirchen sich die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen von 1948 zu eigen machen und in ihren Institutionen umzusetzen versuchen, melden östlich orthodoxe Kirchen Einwände an, die mit ihren jeweiligen Regierungen konform zu gehen scheinen. Doch bei einem genauen Blick bemerkt man Entwicklungen und Pluralitäten in der orthodoxen Konfessionsfamilie. Weißrussen, Serben oder Rumänen argumentierten verbindender als die Moskauer Vertreter, die mit teilweise massiven Vorwürfen an den Westen die Diskussion bestritten. Doch auch dort muss man differenzieren. Der Berliner russisch-orthodoxe Erzbischof Feofan stieß die Türen des Dialogs weit auf und zeigte großes Interesse am Meinungsaustausch. Vor allem öffnete er sich für die Minderheiten in Russland und deren Konfessionen, was zumindest einem möglichen Monopol der Orthodoxen Kirchen widerspricht. Er sieht vor allem Lernbedarf bei den Priestern, die eine offene Gesellschaft nicht gewohnt sind und deswegen manche Erscheinungen im Westen als unmoralisch ablehnen. So entzündete sich mancher Beitrag immer wieder SYM 1/2012

an tatsächlichen oder vermeintlichen Exzessen, die durch Medien vermittelt werden. Nun ist zuzugeben, dass zwar die Menschenrechte nicht von den Kirchen erfunden oder propagiert wurden, sondern eher als Frucht der Amerikanischen und Französischen Revolutionen zu begreifen sind, gleichwohl gewisse egalitäre Perspektiven des Evangeliums diesen den Weg bereitet haben. Insbesondere die Vorstellung der Gottebenbildlichkeit aller Menschen hat dazu beigetragen. Diese muss nicht durch moralisches Verhalten verdient werden, sondern ist vorgegeben. Je länger ich mich an weltweiten ökumenischen Debatten beteilige, desto deutlicher wird mir, dass die wichtigsten Gegensätze kulturell bedingt sind. Deswegen haben theologische Auseinandersetzungen zweifelhaften Wert. Dennoch gibt es zu internationalen Begegnungen keine Alternative, zumal eine gewisse Einheit durch persönliche Kontakte und Freundschaft erreicht werden kann. Die Konferenz Europäischer Kirchen hat durch ihre Kommission »Kirche und Gesellschaft« im Internet eine wachsende Bibliothek von Stellungnahmen zu einzelnen Menschenrechtsthemen für die weitere Diskussion gesammelt: csc.ceceurope.org/ issues/human-rights-library/. Vorträge und Fotos der Tagung, siehe: csc.ceceurope.org/ issues/human-rights/ Wolfgang Wagner

Die Grabeskirche in Jerusalem steht doch am richtigen Platz In Kürze wird die vom deutschen Kaiser Wilhelm II. gegründete Erlöserkirche im Untergrund begehbar sein. Neue Erkenntnisse über den Kreuzigungsort Jesu stellte Dieter Vieweger, Leiter des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI), auf der Tagung »Geheimnisse der Bibel – Ausgrabungen in Jerusalem« vom 4.-5. Januar 2012 vor. Für SYM schrieb er eine Kurzfassung: Manchmal öffnen sich überraschend Fenster in die Vergangenheit. Die evangelische Erlöserkirche in Jerusa-

Die Grabungen unter der Erlöserkirche zeigen, dass die Grabeskirche mit dem dazugehörigen Kreuzigungsort Golgatha außerhalb Jerusalems lag. Die Tradition verehrt damit den korrekten Ort. Bilder: Erlöserkirche und der Ort, in dem das neue Museum entsteht.

lem wurde am Reformationstag des Jahres 1898 im Beisein des deutschen Kaisers Wilhelm II. eingeweiht. Bereits 1869 hatte der osmanische Sultan dem preußischen Königshaus einen Teil des »Muristans« als Baugrund geschenkt. Der deutsche Kaiser ließ die Erlöserkirche auf den Ruinen der aus der Kreuzfahrerzeit stammenden Kirche St. Maria Latina errichten, um deren Tradition aus der Kreuzfahrerzeit aufzunehmen. Die unmittelbare Nachbarschaft der Erlöser- zur Grabeskirche spielte schon bei den ersten archäologischen Forschungen während des Baus der Erlöserkirche eine entscheidende Rolle. Unterhalb des Mittelschiffs meinte man, die alte Stadtmauer aus der Zeit Herodes des Großen gefunden zu haben. Dieser Fund beendete den Streit zwischen katholischen und evangelischen Gläubigen über die Korrektheit der Lage von Golgatha. Nun schien bewiesen, dass die Grabeskirche zur Zeit Jesu außerhalb der damaligen Stadtmauern gelegen habe und sich damit am korrekten Ort befinde. Bei den wissenschaftlichen Nachgrabungen des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) während der Renovierung der Erlöserkirche (1970-1974) zeigte sich aber, dass die aufgefundene Mauer lediglich die Südmauer des Podium vom Aphroditetempel aus der Zeit Hadrians und der später am gleichen Ort von Kaiser Konstantin erbau-

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rückblende ten Grabeskirche war. Ein zusätzlicher Tiefschnitt bis zum Felsboden bestätigte allerdings auf seine Weise die alte Annahme, dass das Gelände um die Erlöser- und Grabeskirche zur Zeit Jesu tatBild oben: Dieter Vieweger, Leiter des Deutschen Evangelisächlich außerschen Instituts in Jerusalem (DEI) halb der Stadtund Autor des Beitrags. mauern lag. Die Bild unten: Bei den biblischStadtmauer des archäologischen Tagungen komHerodes befinmen oft hochkarätige Besucher, det sich im Oshier Gerd Jeremias, der erste ten der Erlöserdeutsche Qumran-Forscher. kirche! 2009 begann das DEI unter Leitung von Dieter Vieweger die Altgrabung zu reinigen und für Besucher in einen archäologischen Park umzugestalten. Der Kirchenboden wurde aufgegraben und ein Abgang in die Ausgrabung geschaffen. Ein Besucherleitsystem führt die Touristen und Pilger ab 1. November 2012 durch 2000 Jahre der Stadtgeschichte (des nördlichen) Jerusalem: von der Zeit der Hasmonäer und Herodes d. Gr., durch die der Kreuzigung Jesu, des Neubaus der Stadt unter Hadrian, des Baus der Konstantinischen Grabeskirche und der Errichtung von St. Maria Latina – einer berühmten Kreuzfahrerkirche. Ein Museum im Kreuzgang hält weitere Informationen zur Geschichte der Stadt bereit. Das finanziell aufwändige und wissenschaftlich hochinteressante Projekt wurde vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und vom Förderverein des DEI finanziert. Die Universität Potsdam und das Deutsche Archäologische Institut waren wertvolle Projektpartner. Der archäologische Park bereichert Jerusalem um eine große Attraktion! Dieter Vieweger, s. a. S. 23

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50 Jahre Aktion Sühnezeichen An Israel scheiden sich die Geister. Seit vielen Jahren wird theologisch und politisch kontrovers diskutiert, wie man sich zum Staat Israel verhalten soll. Es gibt wohl kaum eine Kirchengemeinde, die dieses Thema auslässt. Oftmals hat man den Eindruck, dass insbesondere die Deutschen den Nahostkonflikt mit ideologischen Mitteln fortsetzen. Kein anderes internationales Thema provoziert so viele Emotionen, die sich dann auch in Tagungen Luft machen. Die Aktion Sühnezeichen engagiert sich seit 50 Jahren vorzugsweise für die jüdische Bevölkerung Israels. Das hängt mit der Gründungsabsicht zusammen, nach dem 2. Weltkrieg vor allem für die Menschen in den ehemaligen Feindstaaten friedensstiftend zu arbeiten und so Versöhnung einzuleiten. »Sühne« wurde theologisch verstanden als Vorleistung des Übeltäters, um Versöhnung des geschädigten Opfers zu erlangen. In der Tagung wurde nun danach gefragt, ob die traditionellen Begriffe noch taugen, um die gegenwärtigen Herausforderungen zu bewältigen, zumal die jetzige Generation der Freiwilligen von anderen Voraussetzungen ausgeht. Ihnen geht es vor allem um Menschenrechte für Minderheiten, soziale Gerechtigkeit für die Armen und Frieden im gesamten Nahen Osten. Um nicht »zum Chor zu predigen«, wurden Vertreter anderer Vereine eingeladen, die sich in der Region betätigen wie Weltfriedensdienst, Versöhnungsbund, Ökumenisches Begleitprogramm EAPPI oder Pax Christi. Sie sorgten für die notwendigen kontroversen Diskussionen, weil sie sich oft die Perspektive der Palästinenser als Hauptleidtragende des Konflikts zu eigen machen. Wie hoch die Wogen gehen, zeigt sich auch an der Debatte um das »Kairos-Papiers« arabischer Christen in deutschen Kirchen. Demgegenüber erinnerte die pensionierte Richterin des Obersten Gerichts von Israel, Dalia Dorner, dass Israel sich noch immer im Krieg befinde. Sie be-

Dalia Dorner, pensionierte Richterin des Obersten Gerichts von Israel

jahte die universale Geltung der Menschenrechte, forderte aber für die israelische Politik eine faire Beurteilung wie sie anderen Krieg führenden Staaten zugestanden wird. Angesichts der deutschen Vergangenheit ist in der Tat selbstkritisch zu überlegen, warum sich das Interesse vieler Menschenrechtler ausschließlich auf Israel richtet. So sei es eigentümlich, dass sich in der Solidaritätsszene kaum Kritik an Syrien meldet, obwohl dort ein Diktator sein eigenes Volk niederschießen lässt. Mit Yael Dinur und Guy Band kamen zwei junge Leute aus Israel zu Wort, die im Austausch in Berlin arbeiten und sich in einer nichtjüdischen Umwelt mit dem Antisemitismus auseinandersetzen müssen. Schließlich endete die Tagung mit einem theologischen Vortrag von Claudia Janssen zum Thema »Opfer, Schuld und Sühne«. Am Beispiel des Apostels Paulus und seinen Briefen zeigte die Neutestamentlerin, wie man ihn befreiungstheologisch mit seiner jüdischen Martyriumstheologie einerseits und andererseits in seiner Auseinandersetzung mit den Machtstrukturen des Imperium Romanum verstehen kann. Damit entlarvt die Professorin die Sühneopfertheologie als unbiblisch und überwindet eine problematische theologische Tradition, die seit Anselm von Canterbury das Wirken Jesu mehr mit seinem Tod als mit Leben und Auferstehung in Verbindung bringt. »Es täte uns als christliche Gemeinschaft gut, auf das zu schauen, was das Leben fördert und die Todes- und Opferfixiertheit der Theologie zu überwinden.« Studienleiter Wolfgang Wagner s. a. Onlinedokumente S. 13/14 SYM 1/2012


rückblende Flucht und Gesundheit Dr. Elisabeth Fries, die seit vielen Jahren in der therapeutischen Betreuung von Flüchtlingen bei der Organisation »refugio« tätig ist, referierte am 13. Januar bei der Tagung »Flucht und Gesundheit« über ihre Erfahrungen mit den Traumatisierungen, die viele Flüchtlinge erlitten haben. Zu dem auslösenden Ereignis, etwa Folter oder die Ermordung von Familienangehörigen, treten die Erfahrungen während der Flucht und die erfahrene Isolation und Heimatferne hinzu – und es folgt die ungewisse Existenz im Exil. An die Stelle der anfänglichen Euphorie im »sicheren« Zufluchtsland tritt sehr häufig nach und nach die Erschöpfungsdepression durch ein fremdbestimmtes, verwaltetes Leben, dessen Sinn irgendwann nicht mehr ersichtlich ist. Fries forderte, traumatisierten Flüchtlingen die Möglichkeit zu sozialem, politischem, menschenrechtlichem oder künstlerischem Engagement zu eröffnen, das Quelle der Kraft und Heilung sein könnte. Der Vortrag von Dr. Bettina Seitz eröffnete tiefe Einblicke in die problematische Wohnsituation in der Flüchtlingsunterkunft in der Gemeinde Hardheim, in der etwa 140 Personen leben, die unter gesundheitlichen Belastungen (Enge, Schimmel, Ausfall der Heizung) und unter der schwierigen medizinischen Versorgung leiden. Die Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer, Dr. Ingrid RotheKirchberger, konnte von einer Weiterbildung für Ärzte berichten, die damit qualifiziert beurteilen können, ob etwa eine Traumatisierung ein Abschiebehindernis darstellt. Sie forderte, dass diese Ärzte auch als Gutachter bestellt werden. Bisher sind für das Regierungspräsidium Karlsruhe meist die Gesundheitsämter die erste Adresse für eine Begutachtung. Als Resümee der Tagung bleibt der Eindruck, dass das Bemühen der Behörden, auf keinen Fall einen unberechtigten Flüchtling als solchen anzuerkennen oder zu dulden, zu einer schweren Belastung all derer führt, denen Respekt, Verständnis und Hilfe zu Unrecht vorenthalten werden – SYM 1/2012

was Flüchtlingsinitiativen mit viel ehrenamtlichem Engagement (und nicht immer ohne Verbitterung) zu kompensieren suchen. Studienleiter Günter Renz Beide Vorträge sind als OnlineDokumente abzurufen, s.S. 12/13.

Ethik der Geheimdienste Agentinnen und Agenten von Geheimdiensten geben nur wenig preis – auch wenn sie nicht mehr aktiv sind. Sie tun das in vermeintlich bester staatstragender Absicht. Denen, die die Arbeit der Geheimdienste kritisch betrachten, reicht das nicht aus. Bei soviel Geheimnis und Argwohn fällt ein Gespräch über die »Ethik der Nachrichtendienste in der Demokratie« schwer. Das war bei der gleichnamigen Tagung vom 28. bis 30. Oktober zu spüren, als aktive und ehemalige Angehörige der Nachrichtendienste wie zum Beispiel einer der früheren Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Dr. Hans-Georg Wieck oder Peter Frisch, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz a. D., auf Kritiker wie den GrünenBundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Ulrike Poppe, Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Brandenburg oder den Politologen Dr. Helmut Müller-Enbergs oder den Journalisten Ulrich Chaussy gestoßen sind. Praxis gegen Theorie, Selbstwahrnehmung gegen Fremdwahrnehmung, Täter gegen Opfer, Weltanschauung gegen Weltanschauung oder Gesetz gegen Freiheit? Eine seltsame Stimmungsmelange kam da zusammen. Die Tagung fand kurz vor Entdeckung der Zwickauer Neo-Nazi-Gruppe statt. Wahrscheinlich hätten sich die Probleme danach schärfer gestellt. So machte sich bei der Frage, ob ein Ethik-Kodex für Nachrichtendienste in der Demokratie entwickelt werden kann, zuerst einmal Sprachlosigkeit breit. Die VertreterInnen der Nachrichtendienste handeln ihrer Meinung nach ebenso ehrenwert wie die KritikerInnen.

Einig war man sich darin, das gesamte Handeln der Geheimdienste an den Prinzipien des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates messen zu wollen. Doch was bedeuten die Grundrechte in diesem Zusammenhang konkret? Soll das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags mehr Befugnisse erhalten und öfter tagen und mehr nach außen tragen dürfen? Wie werden sogenannte »Quellen« angeworben? Wie geht man mit Informationen um, die von ausländischen Diensten unter Folter erpresst wurden? Welche Gefahren drohen der Verfassung heute? Wie weit darf die geheime Beobachtung von Bürgerinnen und Bürgern gehen? Dürfen Bundestagsabgeordnete beobachtet werden – und wenn ja, wer entscheidet das? Sind die drei deutschen Nachrichtendienste, Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und militärischer Abschirmdienst Relikte des Kalten Krieges? Welches »Frühwarnsystem« benötigt die politische Exekutive für ihre Entscheidungen? »Weitestgehend« einig war man sich darin, dass die Möglichkeiten der Akteneinsicht, insbesondere für Historiker, erleichtert werden müssen, auch wenn nicht klar wurde, wie dem entgegen stehende Blockaden aufgelöst werden können. Insofern wies der Vortrag von Dr. Annette Weinke, wissenschaftliche Assistentin der unabhängigen Historikerkommission zur Geschichte des Auswärtigen Amtes in der Zeit des Nationalsozialismus und der Bundesrepublik, über Fragen und Probleme beim Aufbau der Bundesbe- Dr. Annette Weinke hörden nach 1949 unter Berücksichtigung der deutschen Geheimdienste den Weg zu weiterführenden Gesprächen und Diskussionen und vielleicht auch einer zukünftigen Tagung auf: die historisch-kritische Aufarbeitung der Vergangenheit. Studienleiterin Kathinka Kaden, s. a. Onlinedokumente, S. 23

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kunst in der akademie

Johanna Helbling-Felix Zeichnung – Collage – Luftfotografie Die vom Kaiserstuhl stammende Künstlerin Johanna Helbling-Felix zeigt in der Evangelischen Akademie Bad BolI neben Zeichnungen aus verschiedenen Werkgruppen auch Collagen aus den Jahren 2010 und 2011. In den Collagen sind Fragmente aus Zeichnungen, Luftfotos, Wetterkarten und Luftfahrtkarten teils stimmig, teils radikal zur Collage verbunden. Was den normalen Erdbewohnern wie Codes aus fremden Welten vorkommen mag, ist für die Künstlerin Material, mit dem sie zunächst den versierten technisch-sport-

unteren Schichten durchscheinen lässt, dass Tiefendimensionen entstehen.

Beide hier abgebildeten Werke sind aus der Werkgruppe: »Heim_Flug II«, 2011, 50 x 70 cm Collage, Zeichnung-Luftfotografie

lichen Umgang gelernt hat, bevor sie anfing, es für ihre künstlerischen Projekte einzusetzen. Die ausgebildete Segelfliegerin hat sich seit 1989 immer wieder als Co-Pilotin ihres Mannes in einem Oldtimer-Sportflugzeug in die Luft begeben, um von oben her die Landschaft zu fotografieren und zu skizzieren. Ihre Luftaufnahmen stehen für sich allein, werden aber auch zur Grundlage und zum Material für Collagen und Zeichnungen. Wer mit großem Abstand auf Dinge schaut, sieht anders, weniger Details, dafür treten Strukturen besser hervor, die bei Nahsicht von unten her verborgen bleiben. Die Perspektive aus großer Höhe ermöglicht sogar Einblicke in längst vergangene Weg- und Siedlungsstrukturen unterhalb der Erdkrume. Diese Mehrschichtigkeit lässt sich auch in Helbling-Felix’ Zeichnungen wiederfinden, in denen sie Formen und Farben sich so überlagern und aus

Laufende Ausstellung: Cristina Ohlmer - Zeichnung und Installation Dauer der Ausstellung: 29. Januar bis 17. April 2012

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Sie schreibt selbst: »Beim Überfliegen der Landschaft interessieren mich die Ursprünglichkeit, Unberührtheit, Strukturen, Formen, Zeichen, Farbe und Linien der Erdoberfläche. Ebenso auch radikale und sanfte Eingriffe des Menschen, wie z. B. Kohleabraumhalden, Truppenübungsplätze, Torfabbau oder durch Sturm gerodete Waldflächen. Der Blick von oben bietet und eröffnet Einsichten in Bau- und Lebensprinzipien von Mensch und Natur wie die Nahsicht des Mikro- und Makrokosmos. Diese Eindrücke des Sehens und das körperliche Gefühl des Fliegens werden bereits während des Fluges in kleinen Skizzen festgehalten, ebenso entstehen Fotografien.« Ihre Ausbildung erhielt Johanna Helbling-Felix u.a. an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier. Ein Künstlerstipendium führte sie 2004 nach Sydney. Sie lebt und arbeitet im badischen Bühl. Zahlreiche Arbeiten von Johanna Helbling-Felix befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Vernissage Sonntag, 29. April 2012 11:00 Uhr im Café Heuss Dauer der Ausstellung: 29. April bis 15. Juli 2012 Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro): Brigitte Engert, Tel. 07164 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Leitung: Susanne Wolf Tagungsnummer: 936112

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partizipation ermöglichen

Muslime fragen nach ihrer Identität Interview mit Mufti Dr. Nedzad Grabus, Slowenien Mufti Dr. Nedzad Grabus aus Slowenien sprach bei der Tagung »Islam und Rechtsordnung« (20.-21. Januar 2012) zum Thema »Verändert die Integration das deutsche Recht?« Simone Helmschrott und Martina Waiblinger haben ihn interviewt. Simone Helmschrott, Islamwissenschaftlerin, macht bis Anfang April ein Praktikum in der Akademie. SYM: In Slowenien existiert seit 2008 ein Abkommen zwischen dem slowenischen Staat und der islamischen Gemeinschaft Sloweniens. Was bedeutet das für die Muslime? Dr. Grabus: Muslime sind in Slowenien eine Minderheit von 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Stellung der islamischen Gemeinschaft hat sich mit der Unterzeichnung des Abkommens vollkommen verändert. Sie ist nun ein anerkannter Rechtsträger mit den Rechten aller anderen Religionsgemeinschaften und repräsentiert Muslime in der gesamten slowenischen Gesellschaft. Die Stellung der islamischen Gemeinschaft in Slowenien muss man vor dem Hintergrund der Stellung des Islam in diesem Teil Europas verstehen. In Österreich hat man die einzigartige Situation, dass der Islam bereits 1912 als Religionsgemeinschaft anerkannt wurde. SYM: Was vermissen die Muslime noch, um das Gefühl der gleichwertigen Partizipation am Leben in Slowenien zu haben? Es gibt momentan noch keine Moschee in Slowenien. Das fehlt uns natürlich. Allerdings wurde ein anonymer internationaler Architektenwettbewerb für eine Moschee ausgeschrieben, und ein Vorschlag wurde bereits ausgewählt. Wir entwickeln jetzt Ideen für ein islamisches Zentrum in Ljubljana und hoffen mit dem Bau im Frühjahr 2013 beginnen zu können. Ansonsten glaube ich nicht, dass Muslime in Slowenien etwas vermisSYM 1/2012

sen – es gibt weder Missverständnisse noch Vorurteile. Muslime fühlen sich dort zuhause. Als Einwohner und Bürger Sloweniens haben sie die gleichen Rechte wie alle anderen, sie können jede Schule besuchen, sich weiterbilden, an öffentlichen Aktivitäten teilhaben und Ämter in verschiedenen staatlichen Einrichtungen ausüben. Es fehlt in Slowenien allerdings an Intellektuellen und besser Gebildeten, die die Ideen und ethischen Werte ihrer Religion angemessen repräsentieren. Dieses Problem gibt es nicht nur in Slowenien, sondern auch in anderen europäischen Ländern. SYM: Was sind die Charakteristika des bosnischen Islam, von dem Slowenien stark geprägt ist? Die bosnischen Muslime konvertierten vor 600 Jahren als letzte Nation der Welt zum Islam. Muslime in Bosnien haben zwei Erfahrungen: Sie haben einen islamischen Hintergrund und haben europäische Werte angenommen. Organisation und Verständnis des Islam in dieser Region stammen aus der österreich-ungarischen Zeit, als im Zuge von Reformen die islamische Gemeinschaft gegründet wurde. Wir müssen dem österreich-ungarischen Kaiserreich dankbar sein, dass es uns zu einer starken lokalen Organisation verholfen hat, die das islamische Verständnis und die kulturelle Identität der Muslime in dieser Region bewahrt. SYM: Was funktioniert mit der Integration der Muslime in Westeuropa gut und was läuft nicht so gut? In vielerlei Hinsicht ist der Islam Teil der europäischer Gesellschaften und sehr gut integriert. Ich glaube, es gibt viele Jungen und Mädchen, die sich in den europäischen Ländern wohl fühlen. Wenn es um globale politische Fragen geht, gibt es manchmal Probleme, oder wenn Europäer den Islam oder die Muslime für regionale Dinge instrumentalisieren. Ich glaube, dass

Dr. Nedzad Grabus, Mufti von Slowenien

die meisten Muslime ›normal‹ behandelt werden wollen – nicht als Ausnahme oder als spezielle Gruppe. Sie wollen ihre Kinder aufziehen, eine gute Ausbildung, gute Jobs haben und selbstverständlich die gemeinsamen Werte achten wie viele Tausende andere Europäer auch. SYM: Was sollte auf beiden Seiten verbessert werden? Ich denke, wir müssen vor allem die Kommunikation verbessern, und wir müssen auch mehr Verständnis für die anderen entwickeln. Vielleicht müssen wir den anderen besser zuhören, als über sie zu sprechen. Wir müssen versuchen, die unterschiedlichen Situationen in den verschiedenen Teilen der Welt zu verstehen und wir müssen toleranter werden. SYM: Welche Auswirkung hat die Integration von Muslimen auf das europäische Recht? Wie ich in meinem Vortrag erläutert habe, spricht Rik Torfs von der katholischen Fakultät Leuven, Belgien, hier von verschiedenen Ebenen. Die Ebene A steht dabei für die Ideen von Freiheit und Religion, ihrer Ausübung und ähnliches. Ebene B meint strukturelle, historische und weitere Probleme. Ich glaube, dass wir keinerlei Probleme mit der Ausübung der Religion haben. Aber wir haben ein Problem damit, unsere neue Situation im europäischen Kontext zu verstehen. In den vergangenen Jahrzehnten haben Muslime vermehrt nach ihrer Identität gefragt. Sie versuchen, sich selbst zu

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partizipation ermöglichen definieren: Sind wir richtige Europäer? Oder gehören wir zu einer anderen Kultur? Ich glaube, dass der Islam ein grundlegender Aspekt des moralischen Empfindens der verschiedenen muslimischen Europäer ist und er wird für sie eine moralische Kraft bleiben. Ich glaube nicht, dass Gesetze geändert werden können, aber einige Themen müssen neu definiert werden. Wir müssen über die rechtliche Stellung der islamischen Gemeinschaften und ihrer Vertreter in Europa nachdenken. Wir müssen versuchen, muslimische anderen religiösen Organisationen gleichzustellen. SYM: Wie halten Sie von einem Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen? Die Kopftuchfrage ist in letzter Zeit weltweit zum Hauptstreitpunkt unter verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen geworden. Ich glaube nicht, dass irgendwelche Lösungen aufgezwungen werden können. Die Muslime in Europa sind gerade dabei, ihre Identität zu definieren und zu artikulieren. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt so viele verschiedene Verständnisse von Islam in Europa. Auch in der Türkei gibt es verschiedene Meinungen zu diesem Thema. Aus meiner Sicht sind Religionsfreiheit und die Freiheit, nicht religiös zu sein, entscheidende Punkte. Wie lebt man Religion? Nirgendwo auf der Welt kann Religion zu 100 Prozent ausgeübt werden. Jede Gesellschaft hat Bedenken, wenn es um religiöse Manifestationen geht. Manchmal sind ethische Angelegenheiten wichtiger als die Manifestation oder die Ausübung von Religion. Auf der Tagung »Islam und Rechtsordnung« diskutierten neben Dr. Nedzad Grabus Landesbischof Dr. Frank July, Prof. Mathias Rohe, Prof. Stefan Schreiner mit Vertretern der württembergischen muslimischen Verbände über die aktuellen rechtlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zum Zusammenleben in Deutschland und Württemberg. Prof. Rohe, Direktor des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa an der Universität Erlangen-Nürnberg, stellte in seinem Vortrag Rechte, Pflichten und Probleme aus rechtlicher Sicht dar. Sein Vortrag ist als Audiodokument verfügbar, s. S. 12/13.

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Kleinbauern als Unternehmer und Entwicklungshelfer 800 Millionen Menschen weltweit sind Mitglieder von Genossenschaften, die wiederum mehr als 100 Millionen Arbeitsplätze bieten. Das belegen Zahlen der Vereinten Nationen. In vielen Entwicklungsländern trägt diese Wirtschaftsform dazu bei, armen Menschen ein Stück des globalen Wohlstands zu sichern. Bei der Tagung »Genossenschaften als Motoren von Entwicklung« in der Evangelischen Akademie Bad Boll diskutierten vom 3. bis 5. Februar Experten über die Zukunft der Genossenschaften. Es sind hehre Prinzipien: Die Kooperative Coopetarrazú aus Costa Rica will sozial verantwortlich und ökologisch ausgewogen wirtschaften, dabei die drei Grundregeln einer Genossenschaften einhalten – Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Kann man so wirtschaftlich erfolgreich sein? Man kann. 16 Millionen Umsatz macht Coopetarrazú pro Jahr, die Organisation bietet 250 feste Arbeitsplätze und ist damit einer der größten Arbeitgeber in San Marcos de Tarrazú, einem der bekanntesten Kaffee-Anbaugebiete weltweit. Carlos Vargas, Finanzvorstand der Kooperative, stellte seine Erfahrungen bei der Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll vor. »Wir sind stolz auf die Arbeit, dir wir leisten. Wir sind heute mit unseren Dienstleistungen die beste Alternative für Kaffeebauern in der Region und eine der erfolgreichsten Genossenschaften in Costa Rica«, so der 54-jährige Betriebswirtschaftler. 3000 Landwirte gehören der Kooperative an. Sie wurde 1960 von 230 Kleinbauern gegründet, um Produktions- und Vermarktungsbedingungen sowie den Lebensstandard der Kaffeeerzeuger zu verbessern. Zu dieser Zeit hatten die Bauern in der Region keine Alternative: Nur die großen Kaffeemühlen kauften ihnen ihre Ernte ab und diktierten die Preise, denn die kleinen Erzeuger hatten allein keine

Carlos Vargas, Finanzvorstand der Genossenschaft, ist stolz auf die Kaffeequalität. – Die Tagung »Genossenschaften als Motoren von Entwicklung« wurde mit der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V., mit Oikocredit Deutschland und TransFair e.V. durchgeführt.

Verhandlungsmacht. Die Kooperative hat das verändert. Konnten früher die großen Kaffeemühlen-Betreiber die Bedingungen stellen, ohne etwas für soziale Absicherung und die Entwicklung der Region zu tun, steuern die Mitglieder der Genossenschaft nun den Kurs ihres Unternehmens selbst. Die Generalversammlung der Kooperative, die alle Mitglieder besuchen können, wählt den Vorstand und prüft die Arbeit der Geschäftsleitung. Die Kleinbauern können Vertreter in Ausschüsse entsenden, die einzelne Arbeitsbereiche kontrollieren. Außerdem präsentiert sich die Geschäftsleitung in den einzelnen Dörfern, nimmt Anregungen und Beschwerden entgegen. »Manchmal bremsen solche demokratischen Verfahren Entscheidungen, aber das gehört zu einer Genossenschaft dazu. Aktuell genießen Vorstand und Geschäftsführung großes Vertrauen bei den Mitgliedern und es kommt selten zu Problemen«, erklärt Carlos Vargas. Die Mitglieder ent-

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partizipation ermöglichen scheiden, in was Coopetarrazú investiert, und so hat die Kooperative aus den gemeinsam erwirtschafteten Gewinnen viele Angebote geschaffen. Sie gewährt den Mitgliedern Kleinkredite, etwa um Saatgut zu kaufen, ein Haus zu bauen oder andere Anschaffungen zu finanzieren. Die Genossenschaft hat Tankstellen, Bau- und Supermärkte und tierärztliche Versorgung für ihre Mitglieder eingerichtet. Außerdem nimmt die Genossenschaft ihren Mitgliedern die Ernte zu einem fairen Preis ab. Seit 2005 trägt die Genossenschaft das Fair-Trade-Siegel. Die Mitglieder verpflichten sich, Standards wie gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen einzuhalten. Im Gegenzug bekommt Coopetarrazú für ihre Ware Prämien aus dem Fairen Handel. 2011 erhielt die Kooperative 426.000 US-Dollar, die Hälfte davon floss direkt an die Bauern. Mussten die Kleinbauern früher die geernteten Kaffeebohnen oft kilometerweit zur nächsten Annahmestelle transportieren, hat Coopetarrazú nun in der Region 50 solcher Zentren aufgebaut. Auch Umweltschutz ist erklärtes Ziel: Die Kleinbauern erhalten Schulungen, in denen sie lernen, ihre Plantagen effizient und umweltverträglich zu bewirtschaften, die Weiterverarbeitung ist möglichst Ressourcen schonend organisiert. Der Kurs der Genossenschaft wirkt weit über das Unternehmen selbst hinaus. Bei Verdienst und ServiceAngeboten für die Kleinbauern hat die Genossenschaft neue Standards gesetzt, an denen sich nun auch die Wettbewerber in der Gegend messen lassen müssen, wollen sie ihre Lieferanten nicht verlieren. »Wir sind der größte Ankäufer und Vermarkter von Kaffee in der Region – 40 Prozent der Ernte wird von uns direkt vermarktet. Unsere Wettbewerber müssen sich anstrengen, um bei sozialen Standards, Serviceangeboten und Verdienst mit uns mitzuhalten, wenn sie ihre Lieferanten nicht verlieren wollen. Dieser Einfluss hat der Region und den Menschen, die dort leben, großen Fortschritt gebracht«, sagt Vargas. Katja Korf, s.a. Onlinedokumente, S. 13

Kirchenparlamentarier aus 17 Staaten treffen sich Zum ersten Mal in der Kirchengeschichte sind im Januar rund 70 Kirchenparlamentarier aus 17 europäischen Staaten zu einer Begegnungstagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll zusammen gekommen. Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), die Evangelische Landeskirche in Württemberg und die württembergische Landessynode hatten die Synodalen nach Bad Boll eingeladen. Ziel war es, die Zusammenarbeit zwischen den evangelischen Kirchen in Europa weiter zu stärken. Die Synodalen betonten in einer Erklärung die Bedeutung der Kirchenparlamente für die Zukunft der Kirchen – auch mit Blick auf die aktuelle Krise der Europäischen Union. »Die Synoden sind eine innovative Kraft in den evangelischen Kirchen. Wir erleben, dass die Einheit Europas ohne gemeinsame Werte nicht zu erreichen ist. Die evangelischen Kirchen in Europa haben mit ihrer Orts- und Menschennähe eine wichtige Verantwortung für die Mitgestaltung Europas.« Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July würdigte das Engagement der Synodalen für die europäische Zusammenarbeit. »Europa ist in Gefahr, zu einem Gebräu aus Schönrednern oder Kleinrechnern zu werden, zu einer Wirklichkeit des großen sozialen Gefälles, zu einem Körper ohne Seele.« Die Aufgabe der evangelischen Kirchen sei es, aus dem Geist Gottes heraus Verantwortung für die Zukunft Europas zu übernehmen und die Gewissen der Menschen zu schärfen. Der Vizepräsident des Europaparlaments Rainer Wieland (CDU) begrüßte das Engagement der Kirchenparlamente. »Wir müssen den europäischen Gedanken, der in erster Linie ein Friedensgedanke ist, in die aktuellen öffentlichen Debatten tragen.

Der Gottesdienst mit der Predigt von Landesbischof Frank Otfried July wurde im Kirchensaal des Kurhauses gefeiert. Auf dem Podium diskutierten abends (v. li. n. re.) Guiseppe Platone/Italien, Theres MeierhoferLauffer/Schweiz, Tamás Bárdossy/Ungarn, Gabrielle Labeur, Belgien und Dieter Heidtmann, Studienleiter.

Dabei brauchen wir die Kirchen als Mitstreiter für Europa.« Die Präsidentin der württembergischen Landessynode, Dr. Christel Hausding, hob die Bedeutung der Kirchenparlamente für die Zukunft der evangelischen Kirchen hervor. »Wer in unseren Kirchen etwas verändern will, muss mit erheblichen Widerständen und Verzögerungen rechnen. Da bilden die Laien, die nicht in einem kirchlichen Anstellungsverhältnis stehen, eine wichtige innovative Kraft.« GEKE-Präsident Pfarrer Dr. Thomas Wipf freute sich über das große Interesse der Synodalen an der Stärkung der europäischen Zusammenarbeit. »In einer Zeit, in der in manchen Kirchen Europas der Mehltau der Resignation Einzug hält, haben wir hier in Bad Boll gelebte Kirchengemeinschaft, Teilhabe und zukunftsorientierte Mitwirkung erlebt.« Katja Korf

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Teilhabe und deutsche Anstaltstradition Von Prof. Dr. Johannes Degen »Teilhabeprozesse gestalten. Auf dem Weg zu einem inklusiven Gemeinwesen« ist der Titel der Bad Boller Psychiatrietagung, die von 29. Februar bis 1. März stattfindet. Prof. Dr. Johannes Degen vom Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement, Kirchliche Hochschule, Wuppertal/ Bethel, wird dort einen Vortrag halten zum Thema »Teilhabe ermöglichen – eine diakonische Perspektive«. Im Vorgriff darauf erläutert und zitiert er im Folgenden die Leitlinien der Evangelischen Stiftung Hephata, deren Direktor er von 1996 bis 2007 war. Die Stiftung Hephata engagiert sich für über 2600 Menschen mit Behinderung in 30 Orten in Nordrhein-Westfalen.

Teilhabe ermöglichen bedeutet, vor allem auch in Deutschland, sich – wo immer es möglich ist – von der Heimund Anstaltstradition zu trennen und mit den Menschen, die in guter Absicht, aber doch isoliert in Sonderwelten leben, den Weg zurück zu gehen in die Städte und Dörfer, in die Kommunen, Gemeinden und in die Nachbarschaft. Die Evangelische Stiftung Hephata ist diesen Weg von Mönchengladbach aus gegangen. Bereits im Juni 1999 war eine Botschaft veröffentlicht worden, die seither zu einer Art Leitlinie für die Arbeit der Stiftung geworden ist. Unter dem Titel »Selbstbestimmung, Assistenz und Integration« wurde ein Weg in die

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Zukunft beschrieben, auf dem sich die traditionsreiche Anstalt bis heute völlig verändert hat in einen Anbieter von Wohn- und Lebensmöglichkeiten vor Ort im Rheinland und in Westfalen. Die anstaltsmäßige Konzentration von Menschen mit Behinderung hat sie hinter sich gelassen.

schöpf Gottes. Als dieses hat jeder Mensch vom ersten Anfang des Lebens bis zu seinem Ende das Recht, am Zusammenleben in der Gesellschaft teilzuhaben und dazu, wenn nötig, die erforderliche Begleithilfe (Assistenz) der Gemeinschaft zu erhalten.

1. »Öffne dich« – das heißt auf Aramäisch: Hephata – so hat Jesus, der Mensch Gottes, damals irgendwo am See Genezareth einen Menschen angesprochen, der taub und stumm war. Und es wird erzählt (Markus 7,31-38), dass dessen Ohren sich öffneten und seine Zunge sich löste. Dieser Bewegung zu entsprechen – öffnen und sich lösen – ist Auftrag und Ziel der Tätigkeit aller Mitarbeiterinnen und

3. Wir sind verpflichtet, auf Menschen mit Behinderung zu hören und sie in ihrem Streben und ihrem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben zu begleiten, zu unterstützen und entsprechend ihrem Wollen zu fördern. Von dieser Verpflichtung sehen wir uns unter gar keinen Umständen entbunden, auch dann nicht, wenn ein Mensch auf eine sehr umfassende Weise auf Begleitung und Stützung angewiesen ist, sich nicht unmittelbar sprechend äußern kann und für unsere Ansprache unerreichbar zu sein scheint. Zu dieser Haltung sehen wir uns auch durch die Satzung unserer Stiftung verpflichtet, die zum Ausdruck bringt, »dass alle Dienste (der Stiftung) sich am Wohl und an den Interessen der Behinderten zu orientieren haben, die, soweit möglich, ihr Leben selbst gestalten« (§ 2 Absatz 3 der Satzung der ESH i.d.F. vom 1.4.1998).

Mitarbeiter in der Evangelischen Stiftung Hephata. Wir teilen in Dankbarkeit das Leben, das Gott einem jeden Menschen zu freier und verantwortlicher Gestaltung geschenkt hat, unbesehen mit allen Menschen, ob sie behindert sind oder sich als unbehindert ansehen. 2. Wir sehen es als unsere erste Aufgabe an, die uneingeschränkte Menschenwürde aller zu achten und dort, wo sie gefährdet ist, für deren ungeschmälerte Wahrung einzutreten. Wir erkennen in jedem Menschen – unbeschadet seiner Behinderung oder sonstigen Eigenart – ein einmaliges Ge-

4. Es ist unsere Überzeugung und Erfahrung, dass Anstalten und große Heime eine Sonderwelt am Rande und außerhalb unseres durchschnittlichen Alltags darstellen, die den Menschen mit Behinderung wesentliche Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens vorenthalten. Außerdem können wir uns am Ende dieses Jahrhunderts der Einsicht nicht verschließen, dass die Konzentration von Menschen mit Behinderung in Anstalten eine wichtige Voraussetzung für die massenhafte Ermordung dieser Menschen war, die man als »lebensunwert« ansah. Wir haben mit einer Auflösung unserer Anstaltsstrukturen am Stammsitz der Stiftung in Mönchengladbach sowie auf dem Benninghof bei Mettmann begonnen und in diesem Zusammenhang den Prozess einer sorgSYM 1/2012


partizipation ermöglichen fältigen Berücksichtigung der Bewohnerwünsche für ihr künftiges Wohnen und Leben eingeleitet. 5. In allen äußeren Veränderungen der Stiftungsarbeit geht es uns um einen tiefgreifenden Haltungswechsel in unserem Verhältnis zu Menschen mit Behinderung, um eine neue Machtverteilung. Indem die Lebenswünsche und Möglichkeiten der Menschen mit Behinderung ernsthaft im Mittelpunkt stehen, erleben Mitarbeitende als professionelle Helfer einen Machtverlust. Es ist unser Ziel, Hilfe als eine Assistenz zu verstehen, die sich löst von dem Muster der Bevormundung und Bemächtigung (»Ich weiß doch, was gut für Dich ist.«) und Menschen mehr Selbstbestimmung zutraut und ermöglicht. 6. Dort, wo Menschen mit Behinderung ihre familiären, nachbarschaftlichen und gemeindlichen Wurzeln haben, wollen wir als Stiftung unmittelbar anwesend sein – mit Assistenzangeboten zum Wohnen und Arbeiten, mit Bildungs- und Beratungsangeboten. Damit leisten wir einen Beitrag zur selbstverständlichen Integration von Menschen mit Behinderung. Wir verstehen unsere Dienstleistungen als Angebote, über deren Sinn und Nutzung die Menschen mit Behinderung in wachsendem Maße und mit den ihnen eigenen Fähigkeiten und Kräften selber entscheiden sollen. Deshalb regionalisieren wir unsere Stiftungstätigkeit in der rheinisch-bergischen Region und verstehen uns als ein Dienstleistungsunternehmen, das den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Menschen mit Behinderung unmittelbar dient (Kundenorientierung). »Öffnen und sich lösen« – wir sind mit der zukunftsbezogenen Weiterentwicklung unserer Stiftungsarbeit bemüht, dem Geist zu entsprechen, der sich in der biblischen HephataGeschichte als wirksam erweist, und wollen uns von diesem Geist inspirieren lassen. Mönchengladbach, 1999 s. a. S. 23

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Partzipation in Gemeinden Zum Beispiel: Der erste Geislinger BürgerInnenRat Eine Fortbildung für Fachkräfte, die die Mitwirkung der Bürger und Bürgerinnen stärken sollen, fand am 12. und 13. Januar in Bad Boll statt (siehe Kasten rechts). Sabine Wettstein, die in der Geschäftsstelle Bürgerengagement der Stadt Geislingen arbeitet, hat die Tagung mit Studienleiterin Sigrid Schöttle vorbereitet. Im folgenden Beitrag berichtet sie über den Prozess in Geislingen. Der Lenkungsausschuss ›Bürgerschaftliches Engagement‹ in Geislingen hatte sich zur Aufgabe gemacht, mehr Bürgermitwirkung zu ermöglichen, das Bürgerschaftliche Engagement zu stärken sowie weitere Aktive und neue Lösungen zu suchen. Hintergrund war, dass der neue Sozialbericht der Stadt Geislingen große Zukunftsaufgaben benannt hat, die wir nur in Kooperation mit der Bürgerschaft dauerhaft lösen können. Zitat aus dem Sozialbericht: »Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung wird in den Bereichen Jugend und Bildung, Wirtschaft, Gesundheitswirtschaft und Tourismus, Wohnen und Mobilität, Prävention, Gesundheit und Pflege und nicht zuletzt beim ›Bürgerschaftlichen Engagement‹ tiefgreifende Veränderungen zeigen und entsprechende Auswirkungen erzwingen. Verbunden mit der Überalterung verschärft der Bevölkerungsrückgang die Entwicklung. So verlor die Stadt in den letzten Jahren jedes Jahr mehrere Hundert Einwohner.« Auf der Suche nach erfolgreichen Beteiligungsmodellen, die Menschen aktivieren, sind wir in Vorarlberg fündig geworden. Das Modell der BürgerInnen-Räte hat uns neugierig gemacht und so lud Oberbürgermeister Wolfgang Amann im März 2011 Dr. Manfred Hellrigl vom Büro für Zukunftsfragen in Bregenz zu einem Vortrag nach Geislingen ein. In der anschlie-

Beteiligungsprozesse mit Dynamic Facilitation - Tagung in Bad Boll Als erstes deutsches Bundesland führt Baden-Württemberg ein neues Element der direkten Demokratie ein, den »BürgerInnenRat«. Dieses Gremium setzt sich aus bis zu 15 Frauen und Männern einer Gemeinde zusammen, die in eineinhalb Tagen Empfehlungen zu einem wichtigen Thema oder Vorhaben erarbeiten, erläuterte Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) das Programm am 4. Januar in Stuttgart. Die Ratsmitglieder sollen nach dem Zufälligkeitsprinzip ausgewählt werden, um mehr Menschen für das bürgerschaftliche Engagement zu gewinnen. Das Land finanziert in den kommenden zwei Jahren die Ausbildung von externen Moderatoren mit insgesamt 30.000 Euro. Dr. Matthias zur Bonsen (Foto) führte in Bad Boll in dem ersten Kurs in die Methode »Dynamic Facilitation« ein, mit der Beteiligungsprozesse vor Ort moderiert werden können. Dr. Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, sagte zur Eröffnung der Tagung: »Es ist für keine Demokratie gut, wenn wir die große Mehrheit nicht wahrnehmen.« Sie betonte, dass die Engagierten von gestern nicht mehr die Engagierten von heute seien: »Sie haben den Anspruch mitgestalten und mitentscheiden zu können.« Dies beweise auch Stuttgart 21. Allerdings müsse man die Vorschläge der BürgerinnenRäte in das Engagement und Know-How der »üblichen Verdächtigen« integrieren. ßenden Diskussion gingen die per Zufallsgenerator eingeladenen Gäste zusammen mit VerwaltungsmitarbeiterInnen, GemeinderätInnen und

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partizipation ermöglichen denn die Gruppe kniete sich in das Thema hinein und diskutierte es facettenreich. Integration passiert nicht so einfach, es bedarf vielerlei Anstrengungen, war das Fazit.

Ein Teilnehmer des Geislinger BürgerinnenRats meinte in der Schlussrunde: »Was wir hier im Kleinen als Gruppe 1,5 Tage miteinander erlebt und ausprobiert haben, ist ein lebendiges Beispiel, wie Integration funktionieren kann.«

Engagierten der Frage nach, welche Ansätze aus Bregenz auch in Geislingen umgesetzt werden könnten. Fazit des Abends war: Wir starten Ende 2011 mit BürgerInnenRäten, die dann zweimal pro Jahr zu bestimmten Themen und mit per Zufall ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern Ideen ent-

Sabine Wettstein, Geschäftsstelle Bürgerengagement in Geislingen

wickeln und Empfehlungen erarbeiten. Im Oktober 2011 haben sich neun Menschen, die aus dem Melderegister zufällig ausgewählt wurden, zum 1. Geislinger BürgerInnenRat zusammengefunden. Moderiert wurde die Gruppe von Julia Stadelmann und Michael Lederer vom Zukunftsbüro in Bregenz. Die Ausgangsfrage für die Gruppe lautete: Wie können Menschen unterschiedlicher Herkunft in Geislingen gut miteinander leben? Die Gruppe, die sich in dieser Zusammensetzung zuvor noch nie begegnet war, hatte eine wichtige Zielvorgabe zu meistern – sie mussten eine gemeinsam getragene Erklärung verfassen. Dies war offensichtlich Motivation genug;

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Für den ersten Geislinger BürgerInnenRat ist Integration eine Haltung von Offenheit und Vertrauen gegenüber Anderen (Kulturen, Schichten, Generationen), sie braucht gegenseitigen Respekt, Toleranz, Interesse und Verständnis – ganz einfach das Gefühl, zu Hause zu sein. Diese Aspekte sind aus Sicht des BürgerInnenRats Erfolgsfaktoren für ein gutes Miteinander. Dass dies ohne Anlass nicht einfach passiert, ist klar – es ist ein Geben und Nehmen. Daher hat der BürgerInnenRat auch entsprechend weiter gedacht und konkrete Handlungsfelder für die notwendige Integrationsarbeit in Geislingen ausgearbeitet. Dabei sind 100 Ideen entstanden, wie in Geislingen das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft verbessert werden kann. Diese Ideen wurden am 27. Oktober 2011 in einem Workshop der Öffentlichkeit, dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung präsentiert und an Tischgruppen weiter diskutiert. Am Ende des Abends fanden sich sechs Interessierte, die an den Vorschlägen weiterarbeiten wollten. Diese Gruppe hat sich bei ihrem ersten Treffen im November zum Ziel gesetzt, die Idee eines »Interkulturellen Cafés« in Kooperation mit einer Elterngruppe in der Uhlandschule weiter zu verfolgen. Tülin Richmond von der Beratungsstelle der Caritas und Rudi Ebert als Integrationsbegleiter unterstützen das Projekt und beraten als Ansprechpartner die Gruppe. Die weiteren Vorschläge aus dem BürgerInnenRat werden seitens der Stadtverwaltung gesichtet, um den BürgerInnenRäten rückzumelden, was aus ihren Ideen geworden ist. 2012 sollen zwei weitere BürgerInnenRäte in neuer Zusammensetzung folgen.

Textdokument Opfer, Schuld und Sühne. Fünfzig Jahre Israelarbeit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) 18.-20. November 2011, Bad Boll Prof. Dr. Claudia Janssen ist Studienleiterin des Frauenstudien- und -bildungszentrums im EKD/ComeniusInstitut in Hofgeismar. Bei der Tagung (s. a. Tagungsbericht S. 4) hielt

sie den Vortrag Theologischer Beitrag und Diskussion: Opfer, Schuld und Sühne aus christlicher Sicht im Gespräch mit jüdischen und ökumenischen Perspektiven. Der Vortrag ist auf unserer Website verfügbar.

Textdokumente Flucht und Gesundheit. Unser Gesundheitssystem und die besonderen Bedürfnisse von Flüchtlingen 13.-14. Januar 2012, Bad Boll Einen Bericht zu der Tagung finden Sie in dieser Ausgabe von SYM auf S. 5. Zwei der darin erwähnten Vorträge sind im Internet abrufbar. Dr. Elisabeth Fries von refugio Stuttgart: Gesundheitliche Belastungen von Flüchtlingen: vor und während der Flucht, in Deutschland und nach der Abschiebung Dr. med. Bettina Seitz, Hartheim: Gesundheitsvorsorgung von Flüchtlingen in Deutschland – der Praxistest. Aus der Sicht der Medizin

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onlinedokumente Onlinedokumente auf der Internetseite der Akademie Text- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hause lesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente Textdokumente Ethik der Nachrichtendienste in der Demokratie 28.-30. Oktober, Bad Boll Einen Rückblick zur Tagung finden Sie auf S. 5 der aktuellen Ausgabe von SYM. Im Internet ist der Vortrag von Dr. Annette Weinke

abrufbar. Weinke ist wissenschaftliche Assistentin der Unabhängigen Historikerkommission zur Geschichte der Zeit des Nationalsozialismus und der Bundesrepublik.

Audiodokument Islam und Rechtsordnung 20.-21. Januar 2012, Bad Boll Den Eröffnungsvortrag zu der Tagung hielt Prof. Dr. Mathias Rohe, Direktor des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa an der Universität Erlangen-Nürnberg, und zwar zum Thema Rohe riet zu

einer Konzentration auf die Anerkennung der muslimischen Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft, bis der Körperschaftsstatus erreicht ist. Nur so könne den aktuellen Herausforderungen wie muslimischer Religionsunterricht oder muslimische Seelsorge begegnet werden. Der Skepsis, das bewährte Rechtssystem werde dadurch aufgeweicht, hielt er die These entgegen, dass das alte System nicht funktionieren werde, wenn man Muslime nicht ins System integriere. Den ganzen Beitrag können Sie auf unserer Webseite hören.

Audiodokument Ökologisierung Deutschlands Utopie, Vision, Handlungsnotwendigkeit 25.-27. November 2011, Bad Boll Zur Tagung gibt es in diesem Heft auf Seite 14/15 eine Zusammenfassung mit Ausschnitten aus dem Original. Den ganzen Eröffnungsvortrag von Dr. Erhard Eppler kann man als Audiodokument auf unserer Webseite auch hören oder downloaden. Ferner erschien der Beitrag samt drei weiteren Vorträgen (Sigmar Gabriel, Dr. Angelika Zahrnt und apl. Prof. Dr. Niko Paech) in der epd-Dokumentation 5/2012. Infos dazu finden Sie auf Seite 23.

Textdokument Wer nicht hören will, muss fühlen? Sinn und Unsinn von Strafe in der Reaktion auf Jugendkriminalität 13.-15. Januar 2012 Der Medienrechtler Prof. Dr. Udo Branahl vom Institut für Journalistik an der Technischen Universität Dortmund geht in seinem Vortrag der Fra-

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ge nach, welche Rolle die Kriminalberichterstattung der Medien für die Wahrnehmung von und die politische Reaktion auf Straftaten spielt. Die Vorwürfe vieler Kriminologen an Journalisten lauten: Die Berichterstattung verzerre die Wirklichkeit, verstärke die Kriminalitätsfurcht der Bürger und diese riefen als Ergebnis nach härteren Strafen. Kriminologen machen die Medien seit Jahren für eine angeblich verfehlte Kriminalpolitik verantwortlich. Branahl lehnt diese Argumentationskette als vereinfachend ab und erläutert detailliert rechtliche Rahmenbedingungen, professionelle Anforderungen und kommunikationswissenschaftliche Forschungsergebnisse zur Justiz- und Kriminalberichterstattung.

Audiodokument Interview mit Carlos Vargas, Coopetarrzú 3. Februar 2012, Bad Boll Carlos Vargas ist Finanzvorstand einer der größten Genossenschaften Costa Ricas, der Coopetarrzú. Im Interview mit Ulrike Pfab von der Organisation oikocredit, die das Projekt mit Krediten unterstützt, erläutert Vargas, wie die Kaffee-Kooperative arbeitet. Er erläutert, wie die Kleinbauern den Kurs der Genossenschaften mitbestimmen und was sich seit Gründung der Coopetarrazú verändert hat. Und er erklärt darin, wie die eine Kooperative solidarisch und ökologisch verantwortlich arbeiten und dabei wirtschaftlich erfolgreich sein kann.

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wachstum

Absage an die Wachstumsgläubigkeit Erhard Eppler und andere diskutieren über Wirtschaft und Ökologie Seit den 70er Jahren hält in Deutschland die Diskussion um Ökologie, Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung an – auch wenn viele dieser Fragen angesichts der aktuellen Finanzkrise in den Hintergrund gedrängt werden. Erhard Eppler gehörte von Anfang an zu denen, die sich kritisch zum ungebremsten Wachstum geäußert und zu einer Produktionsweise aufgerufen haben, die »die Regerationsfähigkeit der Natur nicht zertrampelt« und zu einer »Kultur des Konsumierens, die sich löst von Bedürfnissen des Prestiges.« Anlässlich des 85. Geburtstags von Erhard Eppler am 9. Dezember 2011 wurde diese Diskussion in einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll mit dem Titel »Ökologisierung Deutschlands« vom 25.-27. November neu aufgerollt.

schuldung versucht, die zu gering erscheinenden Wachstumsraten zu vergrößern. In dem Augenblick, wo jeder Staat für jede zusätzliche Verschuldung zusätzliche Zinsen auf seine Schulden bezahlen muss, funktioniert dieses Modell nicht mehr«, sagte er mit Blick auf die aktuelle Finanzkrise. Die Wachstumskritik Epplers bezieht sich vor allem darauf, dass Wachstum nur quantitativ und nicht qualitativ ausgerichtet ist: »Das Wirtschaftswachstum ist ursprünglich nichts anderes als eine hilfreiche statistische Zahl. Da wird alles zusammengezählt, was an Dienstleistungen und an Waren am Markt umgesetzt wird. Ob da nun mehr Bibeln verkauft werden oder mehr Pornohefte, das ist für das Bruttosozialprodukt völlig uninteressant. Das Bruttosozialprodukt ist für das, was wir wollen oder nicht wollen, völlig neutral. Was eine Hausfrau tut, hat überhaupt nichts mit dem Bruttosozialprodukt zu tun.« Die Politik müsse definieren, welcher Fortschritt gesellschaftlich wünschenswert sei und wo man die Entwicklung tatsächlich nur dem Markt überlassen könne. »Es kommt nicht SPD-Prominenz in Bad Boll: Erhard Eppler und Sigmar Gabriel im Gespräch.

Erhard Eppler eröffnete die Tagung mit einer klaren Absage an die Wachstumsgläubigkeit: »Wachstum war und ist ein Dogma«. Er verwies auf den konservativen Denker Meinhard Miegel, der im Jahr 2010 das Buch »Exit« herausgebracht hat und darin diese These untermauert. Eppler betonte, dass man sich zu lange nur am Wirtschaftswachstum orientiert habe. »Seit den 70er Jahren haben die Staaten durch zunehmende Staatsver-

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darauf an, wie viel wächst, sondern was wächst. Nehmen Sie den Atomausstieg. Der wird das Wirtschaftswachstum bremsen, obwohl das Wachstum offiziell das höchste Ziel der Frau Merkel ist. Das ist selektives Wachstum in der einfachsten, aber auch in der wirksamsten Form.« In diesem Zusammenhang verwies Eppler auch auf die Verteilungskonflikte, die durch die einst »wohltäti-

gen Wirkungen des Wachstums entschärft wurden«. Wenn es kein Wachstum mehr gibt, ist diese Frage nicht mehr aufschiebbar. Eppler zitiert dazu noch einmal Miegel, aber auch Wilkinson und Pickett, die herausgefunden haben, dass sich die Lebenszufriedenheit der Menschen in Deutschland bis 1970 parallel zum Wirtschaftswachstum verbessert hat, danach aber nicht mehr angestiegen ist. Die Wissenschaftler haben durch die Auswertung vieler Statistiken gelernt, dass in Ländern mit sehr krassen sozialen Unterschieden die Lebensqualität sinkt, weil Gewalt und die Angst davor steigen und »dass in einer Gesellschaft alle besser leben, wenn es weniger Ungleichheit gibt, auch die, die möglicherweise bei diesem Prozess etwas abgeben mussten.« Deutschland agiert in einem globalen Wirtschaftsgeflecht. Eppler steht für eine Leistungsgesellschaft, allerdings setzt er diese in Gegensatz zur Erfolgsgesellschaft. »Ich will nicht verschweigen, dass wir in einem Leistungswettbewerb einer globalen Wirtschaft stehen. Wir haben Konkurrenten auf dem Weltmarkt, die nicht ungefährlicher und schwächer werden, sondern stärker. Deshalb brauchen wir eine Leistungsgesellschaft. Es muss etwas gelten, wenn ein Mensch etwas leistet und seine Arbeitskraft voll ausgibt. Wenn wir jetzt einen Weg ohne Wachstum finden müssen, müssen wir den Unterschied zwischen Erfolg und Leistung lernen. Wir leben im Augenblick nicht in einer Leistungsgesellschaft, sondern in einer reinen Erfolgsgesellschaft. Ein Leistungsträger ist bei uns nicht eine allein erziehende Frau, die drei Kinder aufzieht und nebenher berufstätig ist. Sie ist kein Leistungsträger, weil sie ja wahrscheinlich gar keine Steuern zahlt. Ein Leistungsträger ist nur einer, der viel verdient. Wenn wir in eine humanere Gesellschaft kommen wollen, darf sie eine Leistungsgesell-

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wachstum schaft sein, aber im deutlichen Unterschied zur Erfolgsgesellschaft. Dass ein Mensch das Dreihundertfache an Erfolg hat als ein anderer, das ist der Lauf der Welt, aber dass ein Mensch das Dreihundertfache leistet von einem Maschinenschlosser, der voll arbeitet, das ist für mich ein obszöner Gedanke. Das gibt es so nicht, und das hat es auch vor vierzig Jahren nicht gegeben. Da war es noch selbstverständlich, dass ein Vorstandsmitglied etwa das Zwanzigfache eines Arbeiters verdient hat. Heute ist es das Dreihundert-, Vierhundertfache, und niemand redet darüber. Das läuft alles unter dem Stichwort Leistungsgesellschaft. Wir brauchen eine solidarische Leistungsgesellschaft, die sich deutlich von einer unsolidarischen Erfolgsgesellschaft unterscheidet. Wenn es wahr ist, dass die Lebensqualität durch das Wirtschaftswachstum seit 1970 nicht mehr gestiegen ist, und wenn es wahr sein sollte, dass durch sozialen Ausgleich, völlig unabhängig vom Wirtschaftswachstum, die Lebensqualität steigt, und zwar für alle, dann gibt es doch einen Hoffnungsschimmer für die Zeit, in der das Wachstum ausläuft.« Sigmar Gabriel zu den Klimaverhandlungen Zwei Tage vor Beginn des Klimagipfels im südafrikanischen Durban forderte der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, in seinem Beitrag »Arbeit und Umwelt« den Klimaschutz und die damit verbundenen wirtschaftlichen Fragen zusammen zu denken und öffentlich zu diskutieren. »Bei Klimaverhandlungen gibt es zwei Tagesordnungen, eine öffentliche und eine geheime. In der öffentlichen geht es um Klimaschutz, in der geheimen um Fragen nach Wettbewerbsnachteilen und Wachstum. So lange das so bleibt, wird es keinen Erfolg geben«, sagte Gabriel. Die westlichen Industriestaaten könnten nur dann von Ländern wie China oder Indien mehr Umwelt- und Klimaschutz verlangen, wenn sie selbst eine erfolgreiche Alternative zum Wohlstandsmodell der letzten 100 Jahre aufzeigen könnten. »Wir können diesen Ländern nicht das Modell verSYM 1/2012

wehren, das uns in den vergangenen Jahrzehnten Wohlstand gebracht hat. Unsere Rufe nach mehr Klimaschutz werden dort verstanden als Fortsetzung des Kolonialismus und als Versuch, den Aufschwung zu bremsen.« Deutschland und Europa müssten der Welt eine Alternative vorleben, die Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Solidarität und Demokratie biete und die natürlichen Ressourcen schone. »Nur wenn uns das gelingt, werden uns andere folgen«, sagte Gabriel. Der Marktradikalismus der vergangenen Jahrzehnte stehe vor dem Aus. »Wir stehen vor einer Zeitwende. Viele Menschen sehen heute, dass unser aktuelles Wohlstandsmodell auf einer Ideologie basiert – dem unbegrenzten Glauben an den Markt.« Gabriel betonte, es sei falsch, undifferenziert nur auf das Wirtschaftswachstum zu schauen, ganz ohne Wachstum gehe es jedoch nicht. »Die ökologische und die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise haben ein Kernproblem gemeinsam: Unsere Gesellschaft hat keinen Preis für die Zukunft. Das Denken in ökonomischen Kategorien führt zu immer kurzfristigerem Denken«, sagte Gabriel. Ökologische Visionen – Podiumsdiskussion Am Ende der dreitägigen Veranstaltung stand eine Podiumsdiskussion mit Erhard Eppler, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Nils Schmid, Bernhard Schwager, Leiter der Geschäftsstelle Nachhaltigkeit bei der Robert Bosch GmbH, und Jürgen Stellpflug, Chefredakteur der Zeitschrift »Öko-Test«, zum Thema »Ökologischen Visionen«. Erhard Eppler verwies darauf, dass das ökologische Umdenken in der Bundesrepublik Deutschland eine Errungenschaft der Zivilgesellschaft sei: »Die ökologische Wende ist gegen die Hierarchien durchgesetzt worden. Darauf dürfen wir als überzeugte Demokraten stolz sein. In keinem Ministerium, keiner Parteizentrale, keiner Kirchenleitung oder großen Zeitungsredaktion hat das Umdenken begonnen, und auch die meisten Wissenschaftler waren zunächst eher ein Hemmnis.«

Finanzminister Schmid betonte, eine ökologische Nachhaltigkeit sei nur mit Hilfe technologischen Fortschritts zu erreichen. »Wir brauchen weiter Wachstum in der Automobilindustrie, die Frage ist eben, welches. Wir brauchen ein Wachstum hin zu schadstoffarmen und Null-Emissions-Antrieben«, sagte Schmid. Die Landesregierung werde diese Entwicklung fördern. »Es ist durchaus in Ordnung, wenn wir mehr Autos produzieren und exportieren, die Frage ist nur, was für Autos das sind«, so der stellvertretende Ministerpräsident. Zum Verzicht auf das Auto und damit zum Verzicht auf Mobilität aufzurufen, halte er für wenig Erfolg versprechend. »Wir dürfen keine Verzichtspredigten halten, sondern müssen die politischen Rahmenbedingungen vernünftig setzen, um Ökologie und Ökonomie zu vereinbaren.« Demgegenüber warnte Jürgen Stellpflug, Chefredakteur der Zeitschrift »Öko-Test«, die Erde verkrafte es nicht, wenn eines Tages die ganze Welt eine Autodichte wie Deutschland habe. »So viele Rohstoffe haben wir gar nicht«, so Stellpflug. »Ich warne davor, in der technologischen Revolution die einzige Lösung für unsere ökologischen Probleme zu sehen.« Bernhard Schwager, NachhaltigkeitsExperte bei der Robert Bosch GmbH, gab sich optimistisch, dass Deutschland die notwendigen Schritte zu einer nachhaltigen Gesellschaft schaffe. »Aber die Bevölkerung muss mitmachen und wir werden uns von lieb gewonnenen Dingen verabschieden müssen. Wir werden zum Beispiel akzeptieren müssen, dass der Ausbau der Stromnetze kommt und dass das mehr oberirdische Leitungen bedeutet – alles andere ist unbezahlbar«, so Schwager. Er forderte mehr Forschungsmittel für den Bereich der erneuerbaren Energien: »Hätten wir in den vergangenen Jahren in Deutschland mehr für diesen Bereich ausgegeben, wären wir heute sicher einen Schritt weiter.« s.a. Onlinedokumente, S. 6-7

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was kommt ...

Was kommt? Tagungen vom 9. März bis 31. August Die Zukunft des Tierschutzes 20. Bad Boller Tierschutztagung 9.-11. März 2012, Bad Boll Seit 1988 bearbeitet die Evangelische Akademie mit Expertinnen und Praktikern rechtliche, medizinische, ethische und theologische Fragestellungen zum Tierschutz. Die 20. Bad Boller Tierschutztagung blickt nach vorne: Was müssen wir verändern, um den Schutz der Tiere zukünftig maßgeblich zu verbessern? Tagungsnummer: 520212 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/520212.pdf

Web 2.0 für Vereine, Initiativen, Non-Profit-Organisationen, Teil II 10. März 2012, Stuttgart SpOrt Im zweiten Teil geht es um die Kriterien für die Anwendung und die Umsetzung einer eigenen Social-MediaStrategie. Außerdem werden Plattformen für die Vernetzung von Individuen und Gruppen vorgestellt. Teil III: 24. März 2012, Bad Boll Tagungsnummer: 530412 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/530412.pdf

Fundraising für Hochschulen Spenden, Sponsoring und Stiftungen in der Praxis 19.-21. März 2012, Bad Boll Seit der Einführung des DeutschlandStipendiums nutzen immer mehr Hochschulen die Chancen einer Förderung durch private Geldgeber. Das Erfolgsrezept ist eine professionelle Vorgehensweise bei der Geldmittelbeschaffung und der kontinuierlichen

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Kontaktpflege mit den ehemaligen Studierenden (Alumni). Tagungsnummer: 450212 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232

Videoplattformen und ihre Chancen werden vorgestellt. Tagungsnummer: 530512 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342

wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450212.pdf

brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/530512.pdf

Platz da – Raum für Konflikte 11. Baden-Württembergischer Streitschlichter-Kongress 21.-23. März 2012, Bad Boll Streitschlichter-Programme sind an vielen Schulen erfolgreich etabliert. Streitschlichter wollen begleitet werden, suchen neue Impulse und brauchen Motivation. Der Kongress bietet die Möglichkeit, sich in Vorträgen und Workshops weiterzubilden, Erfahrungen auszutauschen und mit qualifizierten Mediatorinnen und Mediatoren intensiv in Gruppen zu arbeiten. Tagungsnummer: 310312 Tagungsleitung: Gerald Büchsel Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307

Familien-Medien-Welt. Multimedia- und Sportcamp für die ganze Familie 9.-13. April 2012, Bad Boll Entdecken Sie in den Osterferien die Möglichkeiten von Smartphones oder Netbooks mit Ihren Kindern oder Enkeln. In PC-Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene probieren wir generationenübergreifend Arten der virtuellen Vernetzung aus und reflektieren kritisch. Zum Ausgleich testen wir in der Natur GPS-Empfänger und einige Sportarten. Das Angebot ist Teil des Projekts Kindermedienland Baden-Württemberg.

andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/310312.pdf

3. Bad Boller Parkinson-Tag 24. März 2012, Bad Boll Parkinson betrifft den ganzen Menschen. Das verlangt eine auf die einzelnen Patienten abgestimmte Therapie. Außerdem müssen Mediziner die Behandlung gemeinsam mit Betroffenen und Angehörigen planen. Der Parkinson-Tag informiert über Therapiemöglichkeiten und beleuchtet psychosoziale Aspekte. Tagungsnummer: 410712 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz, Pfr. i. R. Gottfried Lutz, Prof. Dr. Norbert Sommer Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Web 2.0 für Vereine, Initiativen, Non-Profit-Organisationen, Teil III 24. März 2012, Bad Boll In Teil III geht es um die Möglichkeiten und Risiken beim Gebrauch von sozialen Netzwerken wie Facebook. Auch Erfahrungen aus der Arbeit mit

Tagungsnummer: 340212 Tagungsleitung: Viktoria Pum Infos: Marion Heller Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Mit Volldampf in den Untergang 100 Jahre Untergang der Titanic oder die Faszination der Apokalypse 13.-15. April 2012, Bad Boll In der Nacht vom 14. zum 15. April 1912 sank die MS Titanic auf ihrer Jungfernfahrt. Noch 100 Jahre später ist dieses Ereignis von hoher Symbolkraft. Was reizt die Zeitgenossen: Technologische Hybris? Elegantes Scheitern? Menschliche Tragödie? Stilvoll nähert sich die Tagung dem »Untergang« in Literatur, Musik und

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was kommt ... Werner Kollmer Infos: Heidi Weinmann, Tel. (0711) 35149-30, Fax 35149-55 heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de

Film sowie der theologischen Frage nach der Faszination der Apokalypse. Tagungsnummer: 311312 Tagungsleitung: Gerald Büchsel Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Altenheimseelsorge 16.-18. April 2012, Bad Boll Tagungsnummer: 410312 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

FSJ, Bufdi und Co.: Neue Perspektiven für Freiwilligendienste 23.-24. April 2012, Bad Boll Vertreter von Trägern, Einsatzstellen und Politik bewerten Erfahrungen aus dem Bundesfreiwilligendienst. Ferner wird beraten, wie dieser und andere Formen des freiwilligen Engagements sinnvoll gestaltet werden können. Ziel ist es, eine zukünftige Konzeption der Freiwilligendienste in Baden-Württemberg abzustimmen. Tagungsnummer: 330612 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Abschied von der Erwerbsarbeit – Aufbruch ins Morgen 25.-28. April 2012, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Die Chancen der neuen Lebensphase zu erkennen, ist das Ziel des Seminars. Tagungsnummer: 760112 Tagungsleitung: Sigi Clarenbach,

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Vernissage Johanna Helbling-Felix Zeichnung und Fotografie 29. April 2012, Bad Boll s. S. 6 Tagungsnummer: 936112 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Behinderung – Migration – Gender Vielfalt als Chance nutzen und gestalten 3. Mai 2012, Bad Boll Familien mit Migrationshintergrund und behinderten Angehörigen müssen unterschiedliche Herausforderungen bewältigen. Gleichzeitig haben sie Ressourcen, die Menschen in ähnlichen Lebensumständen nutzen können. Wir wollen herausfinden, welche Chancen in diesen Ressourcen liegen und wie sie für die Arbeit im Feld Behinderung-Migration-Gender genutzt werden können. Tagungsnummer: 401212 Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Netzwelten – Leben, Arbeit, Engagement im Internet 4.-6. Mai 2012, Bad Boll Welche Kompetenzen setzt der selbstbestimmte Umgang mit dem Internet jetzt und in der Zukunft voraus? Experten erläutern technische und wirtschaftliche Hintergründe und fragen, welche Konsequenzen diese für die Nutzung des Netzes haben. Wir diskutieren Auswirkungen auf Kommunikations- und Arbeitsbedingungen und die politische Beteiligung. Am Ende steht der Ausblick auf neue Technologietrends. Tagungsnummer: 530712 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Dagmar Bürkardt Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Jugendliche beim Berufseinstieg begleiten. Neue Ansätze, Bedingungen, Erfahrungen im fachlichen BEB-Austausch 4.-5. Mai 2012, Bad Boll An ausgewählten Werkreal- und Sonderschulen gibt es ein neues Aufgabenspektrum: Die Berufseinstiegsbegleitung für Schüler und Schülerinnen. Die Tagung diskutiert inhaltliche Spielräume, rechtliche Grundlagen und fördert Vernetzung und Kooperationen. Die Teilnehmenden gewinnen Know-how und qualifizieren sich für das neue Arbeitsfeld. Tagungsnummer: 330212 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Buch, Bücher, am besten! Leseförderung initiieren 9.-11. Mai 2012, Bad Boll Die Tagung bietet Anregungen für Menschen, die Projekte zur Leseförderung für Kinder und Jugendliche anstoßen. Themen sind Events organisieren, elektronische Unterstützung beim Lesen, Öffentlichkeitsarbeit oder Zielgruppen gewinnen. Als Teil des Kinder- und Literatursommers der Baden-Württemberg-Stiftung werden 20 Modellprojekte zum Thema »50 Jahre Zuwanderung und Integration« entwickelt. Tagungsnummer: 330412 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de 40 Jahre Frauenbewegung in Deutschland 11.-13. Mai 2012, Bad Boll Gleichstellungsbeauftragte, da und dort eine Frauenquote und die erste Bundeskanzlerin sind nicht die einzigen Errungenschaften der deutschen Frauenbewegung seit 1972. Frau erlebt trotzdem nach wie vor Diskriminierung und Rollenfixierung, Stagnation statt Bewegung. Wie kann und muss diesen Missständen politisch und rechtlich begegnet werden? Wo sieht frau sich in 40 Jahren? Tagungsnummer: 520312 Tagungsleitung: Kathinka Kaden

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was kommt ... Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden. Selbst- und Zeitmanagement im Berufsund Privatleben 21.-23. Mai 2012, Bad Boll Praktische Ethik für Menschen in Entscheidungssituationen. Qualifizierte Trainerinnen zeigen, wie sich dieses Modell schrittweise üben und anwenden lässt. Theorie- und Praxiseinheiten setzen konkret an der persönlichen Situation der Teilnehmenden an. Tagungsnummer: 450912 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dorothee Moser Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232

derungen, kreative Workshops und gutes, mit regionalen Bio-Zutaten gekochtes Essen runden dieses Programm in den Pfingstferien ab. Tagungsnummer: 521412 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233

sinkt? Welche Konsequenzen hat der Klimawandel? Tagungsnummer: 450512 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Gerald Sander, Dr. Tobias Bringmann Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232

gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Den Libanon entdecken Begegnungen und Bergtouren in einem Land voller Gegensätze 28. Mai bis 9. Juni, Akademiereise Entdecken Sie ein spannendes Land mit einer reichen Geschichte, 18 Religionsgemeinschaften und – noch immer – einer Vielzahl von Proble-

Produktionsschulen stärken Chancen für schulische Bildung und berufliche Förderung 14.-15. Juni 2012, Bad Boll Schule oder nicht? Für viele Jugendliche ist die Produktionsschule eine letzte Chance, die sie stärkt. Gerade im Süden der Republik ist das Interesse groß, diese Möglichkeit auszubauen. Was sind derzeit Herausforderungen und Perspektiven der beruflichen Förderung? Was sagt die Praxis zu den Chancen und Risiken des Modells und was passiert, wenn politische Ideen umgesetzt werden müssen? Tagungsnummer: 311112 Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Prof. Dr. Wolfgang Mack Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307

men. Vier Bergtouren bringen uns zu Klöstern und in Zedernreservate. Ferner führt die Reise zu phönizischen Städten, römischen Tempelanlagen, ans Meer und ins moderne Beirut. Mit Einheimischen diskutieren wir über die Politik, Religion und Kultur. Tagungsnummer: 100212 Tagungsleitung: Martina Waiblinger Infos: Monika Boffenmayer, Tel. (07164) 79-305, Fax 79-5305

andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450912.pdf

Arbeit ohne Grenzen? Kulturwandel in der Arbeitsorganisation 24.-25. Mai 2012, Bad Boll Die globalisierte, flexible Arbeitswelt verändert die Arbeitsorganisation. Der Wechsel zwischen Büro und Homeoffice, mobilen Arbeitsmöglichkeiten und variablen Arbeitszeiten schafft Gestaltungsfreiheit. Diese Freiheit hat ihren Preis. Wir diskutieren, welche Folgen der Wandel für Beschäftigte und Betriebe hat – auch im Zusammenhang mit der Zunahme psychischer Erkrankungen. Tagungsnummer: 250112 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Martin Schwarz Infos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-262

monika.boffenmayer@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/100212.pdf

simon.lademann@ev-akademie-boll.de

Sinnvoll reisen Reisebildungs- und Erlebnisangebot 28.-31. Mai 2012, Bad Boll »Reisen bildet«, weiß der Volksmund. Doch jede Fernreise verursacht Megatonnen des klimaschädlichen CO2. Liegt das heutige Reisewohl im sanften Tourismus? In Vorträgen beleuchten Experten aktuelle und alternative Modelle für sinnvolles Reisen. Wan-

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Wasser – die wichtigste Ressource der Zukunft. Die Versorgung mit Wasser zwischen Daseinsvorsorge, Regulierung und Privatisierung 13.-14. Juni 2012, Bad Boll Kommunen und Versorgungsunternehmen stehen vor der Herausforderung, auch in Zukunft eine hohe Wasserqualität in Deutschland zu garantieren. Wie sichert man den Zugang zum Grundwasser? Welche Probleme entstehen, wenn der Wasserbedarf als Folge des demographischen Wandels

Flexible Übergänge in die Rente? Herausforderungen für Politik, Unternehmen und Tarifpartner 14.-15. Juni 2012, Bad Boll Rente mit 67 – das Renteneintrittsalter steigt an. Aber die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Ältere bleiben begrenzt. Eine demografiegerechte Umgestaltung der Arbeit steht an. Wie lassen sich flexiblere Übergänge in die Rente gestalten – betrieblich, tariflich, politisch? Wir diskutieren aktuelle Modelle und Lösungsansätze. Tagungsnummer: 240112 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Esther Kuhn-Luz Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Mehr direkte Demokratie? Chancen und Risiken 15.-16. Juni 2012, Bad Boll Die Diskussion um Stuttgart 21 zeigt: Die repräsentative Demokratie funk-

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was kommt ... tioniert, bietet den Bürger/innen aber offensichtlich zu wenig Möglichkeiten sich zu beteiligen. Das führt zu Konfrontationen zwischen Staatsgewalt und Bürger/innen. Bieten andere und mehr direkte Formen der Beteiligung Chancen für mehr Vertrauen in die Demokratie? Tagungsnummer: 521212 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Mittelstand: Hoffnungsträger der Entwicklungszusammenarbeit? Zwischen Armutsbekämpfung und Außenwirtschaftsförderung 19.-20. Juni 2012, Bad Boll Mittelständische Betriebe in Entwicklungsländern zu fördern ist ein Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit. Verbirgt sich dahinter mehr als nur Außenwirtschaftsförderung, die die Exporte der Industrienationen absichert? Wie lässt sich die Förderung von kleinen und mittleren Betrieben in Entwicklungsländern so organisieren, dass sie tatsächlich der gesamten Gesellschaft zugute kommt? Tagungsnummer: 620412 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Das Leben ist eine Reise Workshop für adoptierte Jugendliche und junge Erwachsene 22.-24. Juni 2012, Bad Boll Der Workshop bietet adoptierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen geschützten Rahmen, in dem sie mit Gleichgesinnten über Aspekte der Adoption, Identität und Wurzelsuche reden, Erfahrungen austauschen und sich vernetzen können. Tagungsnummer: 400612 Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

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Gewaltprävention und Religion Prävention und Schulkultur 28.-29. Juni 2012, Bad Boll Die 5. Fachtagung »Gewaltprävention und Religion« widmet sich dem Zusammenhang zwischen Prävention und Schulkultur. Wie kann Schule soziale Werte fördern und so auch Gewalt vorbeugen? Was brauchen Lehrer und Lehrerinnen dafür? Referierende stellen gelungene Präventionsbeispiele aus der Schule vor und diskutieren mit den Teilnehmenden, welche Faktoren das Gelingen dieser Ansätze ausmachen. Tagungsnummer: 310612 Tagungsleitung: Gerald Büchsel Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Palästina und Israel Frieden in Grenzen? 29. Juni bis 1. Juli 2012, Bad Boll Palästinenser-Präsident Abbas hat im Herbst 2011 beantragt, Palästina als Staat in die UNO aufzunehmen. Durch den Siedlungsbau Israels in Ostjerusalem und der Westbank gibt es kein zusammenhängendes Territorium für einen souveränen Staat Palästina. Die internationalen Vermittler wollen zunächst über Grenzen verhandeln. Die Tagung greift diese und weitere Fragen auf. Tagungsnummer: 430212 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Wiltrud Rösch-Metzler Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Bilder von dir – bis in alle Zeit? Fotos machen, bearbeiten und ihre Wirkung/Aussage im Netz 2.-4. Juli 2012, Bad Boll »Bilder von dir überdauern bis in alle Zeit…«, singt Xavier Naidoo. Was wollen wir wirklich von uns preisgeben? Wie wirken Bilder und worauf sollte man achten, wenn man sie ins Netz stellt? Wir setzen eigene Bilder digital in Szene und probieren Bearbeitungsmöglichkeiten aus. Profis zeigen uns Tipps und Methoden für die Arbeit zuhause und mit Jugendlichen. Tagungsnummer: 340112 Tagungsleitung: Viktoria Pum,

Roland Kohm Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Was ist Empathie? Ein Schlüssel zum Verständnis des Menschen 7.-8. Juli 2012, Bad Boll Der Begriff der Empathie spielt eine bedeutende Rolle in verschiedenen Wissenschaften. Neurowissenschaftler debattieren seit der Entdeckung der Spiegelneuronen im Gehirn, welche Rolle diese für die Fähigkeit des Mitfühlens spielen. In der Pädagogik gilt Empathie als bedeutend, um Strategien zur Konfliktbewältigung zu entwickeln, in der Ethik und Verhaltensforschung als Brücke für prosoziales Verhalten. Tagungsnummer: 410512 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Zusammenarbeit in der Werkstatt – wie kann das gut gelingen? 9.-11. Juli 2012, Bad Boll Der Werkstattrat wurde von den Beschäftigten gewählt und soll deren Interessen gut vertreten. Er muss mit vielen Stellen zusammenarbeiten: mit der Leitung, dem Sozialdienst, den Gruppenleitungen und den Beschäftigten. Was kann der Werkstattrat tun, um gehört zu werden? Wie kann er Streitfall reagieren? Welche Regeln können dabei helfen? Wie kann die Zusammenarbeit gelingen? Tagungsnummer: 400712 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Bernd Schatz Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Meditatives Tanzen für Frauen 13.-15. Juli 2012, Bad Boll Die Wärme des Sommers lädt ein zum Bewegen, zum Schwingen und Tanzen in den Räumen der Akademie und auf den Wiesen ringsum. Tagungsnummer: 531412 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

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was kommt ... Ethik, Verantwortung und Vertrauen in der Geldwirtschaft Finanzkrise – Schuldenkrise – Eurokrise – Vertrauenskrise 20.-21. Juli 2012, Bad Boll Die Politik hat auf die Finanz-, Schulden- und Eurokrise vor allem mit Maßnahmen zur Schadensbegrenzung reagiert. Geht das Vertrauen in das Geldwesen verloren, drohen Szenarien wie in den Wirtschaftskrisen der 30er Jahre. Wie lassen sich Verantwortung und Vertrauen in der Finanzwirtschaft wieder gewinnen und was kann der Einzelne dazu beitragen? Tagungsnummer: 620212 Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Griechenland verstehen Akademiereise 26. Juli - 10. August, Griechenland

ein Ansatz des Selbstmanagements, der die Stärken des Einzelnen in den Blick nimmt. Es erschließt persönliche Entwicklungskräfte und erweitert den eigenen Handlungsspielraum auch in schwierigen Situationen. Tagungsnummer: 451012 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Nicole Bruggmann Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Prädiktive Gendiagnostik Wollen wir wissen, was uns die Gene sagen? 28.-29. Juli 2012, Bad Boll Der modernen Medizin eröffnen sich neue Wege: Unser genetischer Code verrät, ob wir mit hoher Wahrscheinlichkeit an Krebs erkranken, welche Augenfarbe ein Baby haben wird. Was wollen wir künftig über unsere Krankheitsdispositionen wissen? Wo ist genetisches Wissen im Interesse von Therapie und Prävention hilfreich? Wo überfordert es uns und stört ein unbelastetes Leben? Tagungsnummer: 410812 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Sie müssen nicht sportlich und nicht jugendlich sein – aber neugierig. Auf Religion, antiken Städtebau, Spartaner und Athener, auf Byron und Philhellenismus, auf Thessaloniki mit der zweitgrößten jüdischen Gemeinde der Welt bis zum Dritten Reich, auf Wirtschaftsprobleme und ihre Zusammenhänge. Das Faltrad schafft Nähe zu Menschen und zur Landschaft. Tagungsnummer: 501112 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501112.pdf

Selbstmanagement mit dem Zürcher Ressourcen Modell. Grundkurs 26.-28. Juli 2012, Bad Boll Das Zürcher Ressourcen-Modell ist

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Ferienwoche kreativ 2012: Auf zur Sommerfrische! Individuelle Kreativität in anregender Gemeinschaft 29. Juli bis 4. August 2012, Bad Boll Ein reiches Programm und inspirierende Begegnungen sind Garant für eine erfüllte und zugleich entspannte Ferienzeit für Jung und Alt. Kreativität und Bewegung, Spiel und Spiritu-

alität, Kultur und Natur – sieben kreative Urlaubstage in Bad Boll, die Familien, Paare und Singles verbinden. Tagungsnummer: 330112 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-0, Fax 79-59-0 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Vernissage Werner Stepanek Skulpturen drinnen und draußen 19. August 2012, Bad Boll Tagungsnummer: 936312 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Konfuzius In den Wandel vertrauen lernen 21.-24. August, 2012, Bad Boll Konfuzius passt weder in westliche Schubladen von »Philosophie« noch von »Religion«. Er hat jedoch die Kulturen Ostasiens über 2500 Jahre geprägt wie kein anderer. Heute – in der Ära des Wiedererstarkens Chinas – können wir entdecken, dass Konfuzius auch für unsere Gegenwart und Zukunft Wesentliches zu sagen hat. Tagungsnummer: 640412 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

13. Philosophisch-literarische Sommerakademie Teil I Zeit in der Literatur 25.-29.8.12, Bad Boll Tagungsnummer: 530812 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Annegret Wolfram Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de 13. Philosophisch-literarische Sommerakademie Teil II Philosophie: Zeit und Verantwortung 29. August - 2. September, Bad Boll Tagungsnummer: 530912 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Annegret Wolfram Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

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rezept – aus der akademie Nudelauflauf mit Mozzarella und Spinat

Aus der Akademie Neu in der Akademie Dr. Regina Fein

4 Personen Zutaten geputzt gewogen Zutaten 400 g 2 EL 1 200 g 400 g 4 150 ml 200 ml 100 ml 200 g 40 g 3 EL

frischer Blattspinat Olivenöl Knoblauchzehe Pasta z. B. Penne Strauchtomaten Eier Milch Sahne Crème fraîche, Salz, Pfeffer, Muskat Mozzarella Butter Semmelbrösel

Zubereitung Spinat blanchieren; Olivenöl und zerdrückte Knoblauchzehe anschwitzen; Spinat zugeben und zwei Minuten dünsten; Nudeln sehr bissfest garen und in eine gefettete Auflaufform geben; In die Nudeln kleine Mulden drücken und den Spinat darin verteilen; Eier, Sahne, Milch, Crème fraîche und Gewürze mischen und pikant abschmecken; Mischung gleichmäßig übergießen, Tomatenscheiben auflegen; bei 150°C Heißluft 25 Minuten backen; Auflauf aus dem Ofen nehmen; Mozzarella in Scheiben darauf verteilen; Butter zerlassen und mit den Semmelbröseln mischen, überstreuen und weitere 10 Minuten backen. Guten Appetit!

Zu Beginn des Jahres hat Dr. Regina Fein als neue Studienleiterin mit dem Arbeitsschwerpunkt Umwelt, Nachhaltigkeit, Technologie in der Evangelischen Akademie Bad Boll ihre Arbeit aufgenommen. Die 35-Jährige stammt aus Bietigheim-Bissingen. Sie studierte Geographie, Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Stuttgart. Nach Stationen am Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung und den Universitäten Stuttgart und Bayreuth verbrachte sie zwei Jahre in Äthiopien für ein Forschungsprojekt. Zuletzt lehrte und forschte sie am Lehrstuhl Geographische Entwicklungsforschung der Universität Bayreuth. Dr. Regina Fein tritt die Nachfolge von Jobst Kraus an, der im Sommer 2011 in den Ruhestand gegangen ist.

Zwei Pfarrstellen werden beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt neu besetzt Karin Uhlmann und Karl-Ulrich Gscheidle übernehmen die Ämter als Wirtschafts- und Sozialpfarrerin bzw. -pfarrer beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA), einem Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll. Uhlmann, bislang geschäftsführende Pfarrerin in Neckarsulm, übernimmt die KDA-Stelle in der Prälatur Heilbronn, Gscheidle wechselt aus dem Gemeindepfarramt Stuttgart-Giebel zum KDA in der Prälatur Reutlingen. »Die Neubesetzung der beiden Stellen im KDA sendet ein wichtiges Signal. Gerade in Zeiten von Wirtschaftsund Finanzkrise, von zunehmendem Druck in der Arbeitswelt sind wir als Kirche gefragt, wenn es um ethische Fragen in der Arbeits- und Wirtschaftswelt geht, und müssen uns mit allen Beteiligten für Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen«, so Esther Kuhn-Luz, Vorsitzende des KDA.

Karin Uhlmann, Prälatur Heilbronn Karin Uhlmann wurde 1960 in Stuttgart geboren. Sie studierte zunächst Religionspädagogik und arbeitete als Religionslehrerin in Böblingen und Bad Cannstatt, bevor sie sich in Tübingen und Heidelberg für Theologie einschrieb. Anschließend absolvierte Karin Uhlmann ihr Vikariat in Heilbronn. Seit 1997 ist sie Gemeindepfarrerin in Neckarsulm; zuletzt war sie geschäftsführende Pfarrerin. Die

Telefon: (07164) 79 222 Telefax: (07164) 79 5222 regina.fein@ev-akademie-boll.de Sekretariat: Romona Böld Telefon: (07164) 79 347 Telefax: (07164) 79 5347 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Ihre Ingrid Hess

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aus der akademie 52-Jährige ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie tritt am 15. März ihre Stelle in Heilbronn an. Diese KDA-Stelle war seit Ende 2010 vakant, als der letzte Sozialsekretär der Württembergischen Landeskirche Volker Stücklen in den Ruhestand gegangen ist. Karin Uhlmann Gutenbergstr. 76 74074 Heilbronn Telefon: (07131) 98233-11 Telefax: (07131) 98233-23 karin.uhlmann@ev-akademie-boll.de

Karl-Ulrich Gscheidle, Prälatur Reutlingen

Telefon: (07121) 161771 Mobil: 0176 36192012 karl-ulrich.gscheidle@ev-akademieboll.de Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) gehört als Fachdienst der Evangelischen Landeskirche Württemberg zur Evangelischen Akademie Bad Boll. In den vier Prälaturstandorten Heilbronn, Reutlingen, Stuttgart und Ulm sind die Wirtschafts- und Sozialpfarrer des KDA mit jeweils eigenen Schwerpunkten tätig. Sie setzen sich vor allem mit Fragen und Problemen aus der Arbeitswelt auseinander, organisieren Veranstaltungen und Tagungen, besuchen und begleiten Unternehmen und Betriebe, halten Kontakt mit Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Verbänden. www.kda-wue.de

Wir verabschieden aus der Akademie Joachim Schmid, Direktionsassistenz

Karl-Ulrich Gscheidle stammt aus Heilbronn. Der 54-Jährige studierte Theologie in Tübingen und München sowie Betriebswirtschaftslehre in Rosenheim. Nach dem Vikariat in Altensteig arbeitete Gscheidle als Pfarrer zur Anstellung in Weinsberg und als Gemeindepfarrer in Münster am Kocher, bis er 2005 die Pfarrstelle in Stuttgart-Giebel übernahm. Gscheidle ist verheiratet. Er folgt ab 1. März Jens Junginger, der seit September 2011 geschäftsführender Pfarrer an der Stadtkirche Tuttlingen ist. Seine Amtseinsetzung wird am 15. März ab 16 Uhr in einem Gottesdienst in der Reutlinger Marienkirche gefeiert. Karl-Ulrich Gcheidle Federnseestr. 4 72764 Reutlingen

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Joachim Schmid hat 5 Jahre als Direktionsassistent in der Akademie gearbeitet. Im April endet seine Zeit auf dieser Sonderpfarrstelle. Er wechselt ins Gemeindepfarramt nach Raidwangen (Dekanat Nürtingen). Martina Waiblinger hat mit Joachim Schmid gesprochen. Für welche Bereiche waren Sie als Direktionsassistent zuständig? Meine Stabsstelle war direkt dem Geschäftsführenden Direktor Joachim L. Beck zugeordnet. Zuarbeit und Vorarbeit in allen Bereichen der Direktion, viel Protokollschreiben in Gremien wie Kuratorium und Konvent gehörten zu meinen Aufgaben, aber auch das Mitplanen und Beraten von strategischen Fragestellungen. Ich war für die Direktionsgenehmigung der Tagungsprogramme zuständig und kam mit den Studienleitenden ins Gespräch über Konzeption und Aufbau ihrer Tagungen – ein interessantes und neues Gebiet für mich.

Haben Sie auch eigene Tagungen durchgeführt? Die Sommerklausur und die Michaelisakademie waren »meine« Tagungen. Für die Michaelisakademie entwickelten wir eine Reihe zu den sieben Todsünden. Wir fragten, welche Relevanz der alte Lasterkatalog in unserer heutigen Gesellschaft hat und arbeiteten die Ambivalenzen heraus. Welche positiven Impulse stecken zum Beispiel in der Todsünde Trägheit? Sind nicht Kontemplation und Muße Korrektive des gesellschaftlichen Wachstumsparadigmas? Wir konnten eine Möbeldesignerin gewinnen, die die Todsünden in den Wohnraum stellt und kamen über das Lustvolle an ihrer Arbeit und das Mahnende ihrer Produkte ins Gespräch – das war für mich ein inhaltliches Highlight. Es ist schon richtig, dass ich meist im Hintergrund, in der Unterstützung, Ermöglichung und den operativen Dingen gearbeitet habe. Dadurch bekam ich einen großen Einblick in ganz unterschiedliche gesellschaftspolitische Bereiche der Akademiearbeit. Die Akademie hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wie haben Sie das erlebt? Allein 15 Studienleitende sind in den letzten fünf Jahren aus der Akademie verabschiedet worden. Zum Glück kamen auch sieben neue dazu. Aber man sieht daran, dass die Akademie einen enormen Wandel durchläuft und sich die Anzahl der Mitarbeitenden verringert. Aus vier Themenbereichen wurden drei, Fachdienste wie das Studienbegleitprogramm für ausländische Studierende (STUBE) wurden in eine andere Zuständigkeit abgegeben. Ich denke, dass es in Zukunft darauf ankommt, auch mit der verkleinerten Evangelischen Akademie Bad Boll nach außen gesellschaftlich erkennbar und wirksam zu sein. Auch in der Direktion sind Veränderungen geplant. Wie sehen die aus? Aufgrund meiner Erfahrungen als Direktionsassistent haben wir, d. h. Joachim L. Beck und ich, vorgeschlagen, diese Stelle zugunsten eines/r ständigen Stellvertretenden Direktors/in umzuwandeln. Also eine FunkSYM 1/2012


buchtipps – kommentar

Buchtipps

tion, die zum einen intern konkrete Leitungs- und Führungsaufgaben übertragen bekommt, z. B. die Verantwortung für einen Fachdienst der Akademie mit Personalführungskompetenz und zum anderen stärker repräsentative Funktionen wahrnehmen soll. Eventuell kann der Dienstauftrag eines/r Stellvertretenden Direktors/in mit Zuständigkeiten in der inhaltlichen Tagungsarbeit kombiniert werden. In Schulen oder auch großen Dekanaten gibt es vergleichbare Strukturen mit Konrektoren bzw. Co-Dekane. Vom Kuratorium der Akademie wurde unser Vorschlag bereits positiv aufgenommen. Ich freue mich, dass ich hier eine Entwicklung anstoßen konnte. Was nehmen Sie mit für das Pfarramt in der Kirchengemeinde Raidwangen? Unsere Kirche muss sich meiner Meinung nach weiterhin in gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozessen einbringen und Fragen des Gemeinwohls aufgreifen – das gilt auch vor Ort in den jeweiligen Bezügen. Ich möchte auch als Gemeindepfarrer über die Parochiegrenzen hinaus die gesellschaftlichen Fragestellungen im Blick behalten, Kirche in der Welt leben und somit – mit Bonhoeffer gesprochen – für andere da sein.

Ökologisierung Deutschlands – Utopie, Vision, Handlungsfähigkeit« epd-Dokumentation Nr. 5/2012 In der epd-Dokumentation Nr. 5/2012 sind drei Beiträge der oben genannten Tagung in Bad Boll (25.-27. November 2011) veröffentlicht: - Dr. Erhard Eppler: Was wird aus dem Wachstum? Kriterien für ein selektives Wachstum - Sigmar Gabriel: Arbeit und Umwelt - Prof. Dr. Angelika Zahrnt: Vom Krötenschutz zur politischen Ökologie Auf dem Weg zu einem Zukunftsfähigen Deutschland - apl. Prof. Dr. Niko Paech: Postwachstumsökonomik: Eine Auseinanderstezung mit Wachstums- und Nachhaltigkeitsvorstellungen Ein anderes Thema des Heftes ist: »Führt nur das ipad in den Himmel?« mit zwei Beiträgen. Die Dokumentation können Sie bestellen bei: vertrieb@gep.de, Tel. 069 58098-191, s. a. S. 13-15

Exit: Wohlstand ohne Wachstum von Meinhardt Miegel Propyläen Verlag, 2010; s. a. S. 14-15 Gleichheit ist Glück von Kate Pickett und Richard Wilkinson Zweitausendundeins Verlag, Berlin 2009; s. a. S. 14-15 Reformpädagogik in der Schulpraxis Thilo Fitzner, Peter E. Kalb, Erika Risse (Hrsg.), 352 Seiten, Verlag Julius Klinkhardt, 2012 Das Buch greift einerseits die kritische Diskussion der letzten Zeit auf und zeigt andererseits, wie heute in reformpädagogisch orientierten Schulen gearbeitet und gelebt wird. Das Buch beinhaltet die wichtigsten Beiträge einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll Ende 2010. Abenteuer Jerusalem: Die aufregende Geschichte einer Stadt dreier Weltreligionen von Dieter Vieweger für Kinder und Jugendliche von 12-15 Gütersloher Verlagshaus 2011; s.a. S. 3

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Literaturtipps zu Beitrag S. 10/11 »Teilhabe und deutsche Anstaltstradition« Weitere Informationen finden Sie unter: www.hephata-mg.de sowie: Johannes Degen, Mehr als Anstaltsauflösung. Vorläufiges Protokoll der Konversion einer Anstalt. In: HannsStephan Haas, Udo Krolzig (Hrsg.), Diakonie unternehmen, Stuttgart 2007, 39-57

Kommentar Martin Luther akzeptiert christlichmuslimische Ehen In der Tagung »Islam und Rechtsordnung« wurde am 21. Januar 2012 ausführlich über die Chancen christlich-islamischer Ehen gesprochen. Ausgehend von der Tatsache, dass eine Vikarin ihren Dienst in Württemberg nicht fortsetzen konnte, nachdem sie einen Muslim geheiratet hatte, diskutierten die Teilnehmer ausführlich darüber. Während sich die anwesenden Muslime, größtenteils Vertreter anerkannter Islam-Verbände, eine solche Verbindung für ihre Imame nicht vorstellen konnten, votierten viele Islambeauftragte aus den evangelischen Kirchenbezirken für größere Toleranz auch im Pfarrhaus. Sie kritisierten vor allem scharf, dass die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung nicht genutzt wurde. Emotional wurde die Debatte nicht zuletzt durch den Rücktritt von Pfarrerin Dr. Bürkert-Engel von allen christlich-islamischen Ehrenämtern, weil sie den Umgang der Kirchenleitung mit Kritik in diesem Fall für unerträglich hielt. In einer privaten Stellungnahme zum Fall der Vikarin Carmen Häcker, die mir viel Zustimmung bei Gemeindegliedern, aber Tadel von Dekanen einbrachte, habe ich u.a. geschrieben: »Der Apostel Paulus wusste noch, dass die Christen nicht allein auf der Welt sind, sondern diese mit anderen Menschen teilen. Und etliche verlieben und verheiraten sich über manche Grenze hinweg. Deswegen schrieb er den Korinthern: ›Der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau,

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kommentar und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann. 1. Kor.7,14.‹« Nun war das lange für die Pfarrerschaft eine eher theoretische Angelegenheit. Seit Jahrhunderten heiratete man möglichst im gleichen Milieu. Deswegen störte es auch keinen, dass die Juristen Paragrafen ins Pfarrerdienstrecht schrieben, wo es in §19 heisst: »Der Ehegatte eines Pfarrers muss der evangelischen Kirche angehören. Es wird von ihm erwartet, dass er den Dienst des Pfarrers bejaht. In Ausnahmefällen kann der Oberkirchenrat auf Antrag von dem Erfordernis nach Satz 1 befreien«. Doch in der Gegenwart ist manches anders, vielleicht eher wie es am Anfang in Korinth war: Menschen verschiedener Konfession und Religion leben miteinander, haben Kontakte und heiraten. Das sollte grundsätzlich kein Problem sein. Es wird aber eines, wenn man erstens andere Religionen grundsätzlich für unwahr oder feindlich hält und zweitens das Priestertum aller Gläubigen aufspaltet in Pfarrer und Laien und dann verschiedene Maßstäbe anlegt. Ähnlich argumentierte der bekannte Theologieprofessor Wilhelm Gräb. Er meint, die Ehe könne besonders im Pfarrdienst vorbildlich zeigen, dass Menschen, die verschiedenen Religionen oder Konfessionen angehören, die Überzeugung von der Wahrheit ihres eigenen Glaubens sehr ernst nehmen und dennoch »einvernehmlich miteinander leben, einander beistehen, ja, sich lieben« könnten. Aus der Entscheidung der württembergischen Landeskirche spreche »sehr viel Angst«, schreibt Gräb in epd. Mit Ängsten könnten »immer wieder Fremdenhass und letztlich Menschenfeindlichkeit« gefördert werden. Vergessen wurde in den folgenden Debatten, dass schon Martin Luther eine theologisch weitherzige Position vertrat. In Luthers Schrift »Vom ehelichen Leben« (1522) wendet er sich gegen die Eheverbote des katholischen Kirchenrechts: »Mich wundert,

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dass sich die frevlerischen Tyrannen nicht bis ins Herz schämen, so öffentlich wider den klaren Text des Paulus 1. Kor.7 sich zu setzen, wo er spricht: ›Will ein heidnisches Weib oder Mann bei dem Christengemahl bleiben, soll er sich nicht von ihr scheiden.‹ (…) Darum wisse, dass die Ehe ein äußerliches, leibliches Ding ist wie andere weltliche Hantierung. Wie ich nun darf mit einem Heiden, Juden, Türken, Ketzer essen, trinken, schlafen, gehen, rechnen, kaufen, reden und handeln, so darf ich mit ihm auch ehelich werden und bleiben. (…) Ein Heide ist ebensogut Mann und Weib, von Gott wohl und gut geschaffen, wie St. Peter und St. Paul und St. Lucia, geschweige denn wie ein loser, falscher Christ.« Dass interreligiöse Ehen besondere Unterstützung brauchen, dürfte einleuchten. Sie haben es schwer aufgrund der Tradition, mitunter versuchen die Familien eine solche Verbindung zu zerstören. Darum habe ich schon 2004 eine Tagung mit christlich-islamischen Paaren durchgeführt unter dem Titel »Wie hältst Du’s mit der Religion?« Damals war man sich einig darüber, dass Liebesbeziehungen zwischen Menschen mit verschiedenen Religionen oft pauschal als Problem betrachtet werden. Die religiöse Differenz bekommt dabei einen Stellenwert, als gäbe es nicht jeweils besondere Umstände, Biographien und soziale Herkünfte. Verbindet sich eine andere Religion mit einer anderen Kultur, verstärkt sich dieser Effekt noch. »Alltag in interkulturellen Lebenszusammenhängen bedeutet den Zugewinn anderer Perspektiven, die Erweiterung von Denkmöglichkeiten und Handlungsspielräumen. Alltag in interkulturellen Lebenszusammenhängen bedeutet aber auch die Erschütterung des Gewohnten, Vertrauten, Selbstverständlichen. Nicht die Unterschiede der kulturellen Herkunft, sondern die Kommunikations- und Machtverhältnisse in der Beziehung gewinnen an Bedeutung. Ein konstruktiver Umgang mit Differenz ist dabei die Basis für Konfliktlösungen«. (Cornelia Spohn, Geschäftsführerin des Landesverbands binationaler Familien und Partnerschaften)

Leider ist damals die Anregung nicht aufgenommen worden, ein Netzwerk solcher Ehepaare und Familien mit einer regelmäßigen Tagung zu schaffen. Die Evangelische Akademie wäre ein geschützter Raum dafür. Hier könnten sich Modelle entwickeln, damit man den kirchlichen Fehler nicht wiederholt, der jahrhundertelang evangelisch-katholische Ehen grausam beeinträchtigt hat. Vielleicht eine Aufgabe für die künftige Berliner Pfarrerin Carmen Häcker! Wolfgang Wagner

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 9. Jahrgang 2012, Heft 1/2012 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Joachim L. Beck) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotonachweis: Ebert, Rudi: S. 12; Fitzner, Thilo: S. 4, 20; Fotolia: S. 16; Fritz, Alexander, Lebenshilfe Vorarlberg: S. 10; Greyer, Hartmut: S. 4, 12; Korf, Katja: S. 5, 14, 21, 22; oikocredit: S. 10; privat: S. 4, 23; Vieweger, Dieter: S. 3; Waiblinger, Martina: S. 7, 9, 11, 12, 13, 18, 20, 25, U 4; SYM erscheint vierteljährlich. Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach

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Ein Bund mit Menschen und Tieren Von Kathinka Kaden Doch Angst vor euch und Erschrecken vor euch komme über alle Tiere des Landes und über alle Vögel des Himmels, über alles, was auf der Erde kriecht, und über alle Fische des Meeres: In eure Gewalt sind sie gegeben. Alles, was sich regt ..., das soll euch als Speise dienen; wie das grüne Gewächs übergebe ich das alles an euch. (1. Mose 9,2.3, in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache) Wie kann eine respektvolle Behandlung der Tiere heute aussehen? Die Teilhabe der Tiere an der Schöpfung kann nicht so gedacht sein, dass wir Menschen sie von ihren Stammplätzen vertreiben, nicht so, dass sie vorwiegend zu unserem Konsum produziert und getötet werden und nicht so, dass viele Arten aussterben. Dann sagte Adonaj, also Gott: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will für ihn eine Hilfe machen, so etwas wie ein Gegenüber.« Da bildete Adonaj, also Gott, aus Ackererde alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zum Menschen, um zu beobachten, wie er sie nennen würde. Ganz so wie der Mensch – das atmende Leben – sie nennen würde, so sollte ihr Name sein. Da gab der Mensch allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes Namen. 1. Mose 2, 18 – 20a Gott hat Tiere erschaffen wie Menschen. Sie sind Gottes Schöpfungswerk. Krebse, Barsche, Wale, Käfer, Bären, Wölfe, Kanarienvogel, Wachtel. Die Namensgebung von Tieren ist immer noch ein Schöpfungsakt. Meist, ohne das Tier zu sehen. Nur wenige Menschen haben viele Arten lebendig vor Augen. Vielleicht den Hamster, das Meerschweinchen, den Wellensittich, den Golden Retriever oder die Siamkatze? In jedem dritten Haushalt, meistens in Familien mit Kindern, lebt ein Haustier. Das bekommt noch einmal einen Namen: Buddy, Balou, Fitsi, Sandy, Grey.

Der Schimpanse besitzt zu 95 Prozent dieselben Gene wie der Mensch. Auch die anatomischen Unterschiede zwischen Mensch und Schwein oder Rind oder Huhn sind unbedeutend im Vergleich zu den Übereinstimmungen. Viele Tiere verfügen über dieselben fünf Sinne wie der Mensch. Tiere haben psychologische und emotionale Bedürfnisse. Sie empfinden Freude und Schmerz, Glück und Unglück. Ihre komplexen Gefühle und Verhaltensweisen als »Instinkt« zu beschreiben, ist eine Abwertung. Nach der biblischen größten Naturkatastrophe, der Sintflut, ist Gott nicht nur mit Menschen einen Bund eingegangen, sondern mit »allen Lebewesen«. Dieser Bund gilt »gegenüber Vögeln und Vieh und allen Tieren, die mit euch auf der Erde sind« (1. Mose 1,10). Zurzeit verbrauchen rund sieben Milliarden Menschen jährlich das Zweieinhalbfache dessen, was dieser Planet für alle Lebewesen bereitstellt. »Es ist innerhalb dieser Rahmenbedingungen absurd, immer weiter wachsen zu wollen«, sagt der Biologe und Philosoph Andreas Weber. Er plädiert für eine »Anti-Utopie«, für ein »Bild von Mensch und Welt, in dem nicht länger diese Welt überwunden werden muss, um in ihr endlich anzukommen.«

Diese Welt gilt es also nicht zu überwinden, sondern zu retten – in ihrer Einzigartigkeit, Vielfalt und Wechselseitigkeit. Als Christin kann ich beruhigt sein: Das, was in dieser Welt dem Leben entgegensteht, muss nicht ich überwinden, das hat ein anderer überwunden. »Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.« (Johannes 16,33) Ich kann mich befreit im Rahmen meiner Möglichkeiten ihrer Rettung widmen. Das heißt für mich zum Beispiel, um die Abhängigkeit unserer Ernährung von der Biene zu wissen, den Tierschutz in Gesetzgebung und Vollzug verbessern, die Übernutzung und den Handel mit Tierarten kontrollieren, Lebensräume von Tieren (selbst Käfern) beim Wege- und Hausbau beachten, möglichst wenig Fleisch essen, Zeichen gegen die unbarmherzige Massentierhaltung setzen, wesentlich mehr öffentliche Verkehrsmittel nutzen, ein angemessenes Verhältnis von Arten-, Naturund Klimaschutz anstreben. Diese Welt ist möglich. Kathinka Kaden ist Studienleiterin in der Evangelischen Akademie Bad Boll.


Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11 73087 Bad Boll Postvertriebsstück 64670 Entgelt bezahlt

Abitur – und dann? Eine Frage, die jährlich unzählige Abiturientinnen und Abiturienten umtreibt. Deshalb war die gleichnamige Tagung auch voll ausgebucht. 101 junge Leute kamen Ende Januar für ein Wochenende nach Bad Boll, um sich von 41 Experten und Expertinnen ganz verschiedene Berufe vorstellen zu lassen und Fragen zu stellen. Eine ernste Sache für die Abiturienten. Es geht um viel – es geht um ihre Zukunft. Ob es jetzt leichter ist, sich zu entscheiden? Zumindest ist die Wissensbasis deutlich breiter.


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