SYM 1-2010

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ISSN 1613-3714

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Einzelpreis € 3.-

Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll Schwerpunktthema Raum für Neues Interview mit SüdflügelArchitektin Nike Fiedler Raum für die Kunst Resonanzraum des Lebens Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen Resettlement - Hoffnung für irakische Flüchtlinge? Lesbisch leben in Moldawien Tagungsvorschau Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics Glaube - Liebe - ? Theater im Dialog Partner für den Frieden in Nahost - Mit Hamas und Fatah reden Rückblende, Onlinetexte Publikationen Service

Raum für Neues März

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inhalt

aktuell ...

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Wieder EMASplus zertifiziert – Akademie spart 103 Tonnen Kohlendioxid ein KDA-Vorsitzender Jens Junginger fordert Arbeitslosenberatung aus einer Hand Evangelische Akademie Bad Boll auf der Buchmesse in Leipzig Neu: In SYM online blättern Küchensanierung in Bad Boll abgeschlossen

Rückblende – Onlinedokumente

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Rückblick auf vergangene Tagungen sowie Links zu interessanten Beiträgen

Ausstellung

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Kunst – Fenster zur Welt ? Aus der Werkstatt der Kunsttherapie

Schwerpunkt: Raum für Neues Der Maler des Bildes in Ölpastellkreide (30 x 40 cm), Dieter Matheas, ist an Alzheimer erkrankt. Die Kunsttherapeutin Beatrice Hang hat zwei Jahre mit ihm gearbeitet.

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»Jetzt kann es brummen.« Attraktive Gästezimmer und moderne Veranstaltungsräume im neuen Südflügel »Das Gesicht der Akademie wird sich verändern.« Interview mit Architektin Nike Fiedler Raum für die Kunst – Resonanzraum des Lebens. Kunst in der Evangelischen Akademie Bad Boll Bauen wird zukunftsfähig. Umweltgütesiegel am Beispiel Unilever

»Resettlement« - neue Hoffnung für irakische Flüchtlinge

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Versteckt und unsichtbar Lesbisch leben in Moldawien

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Was kommt ...

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Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 19. März bis 31. Juni 2010

Aus der Akademie

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Magazin

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Publikationen Service, Rezept Meine Meinung

Impressum

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Meditation

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Titelbild Einblick in den neuen Südflügel von Martina Waiblinger SYM 1/2010


editorial

Liebe Leserin, Lieber Leser, »Raum für Neues« ist der Schwerpunkt dieser Ausgabe von SYM betitelt. Thematisiert werden vor allem die Räume, die der Evangelischen Akademie Bad Boll seit Mitte Januar durch die Fertigstellung des neuen Südflügels zur Verfügung stehen und die den Ort Akademie auf neue Weise prägen werden. Margun Sandal, die ehemalige Präsidentin des europäischen Akademie-Netzwerks Oikosnet, besuchte 2007 Bad Boll. Sie war beeindruckt: »Der Geist dieses Ortes ist nicht nur mit der wunderbaren Architektur, den schönen Kunstgegenständen, dem vorzüglichen Essen und der Landschaft verbunden, sondern es ist ein Geist, der sich beständig durch das, was hier vor sich geht, erneuert.«. Dieses »Orts«-Erlebnis stellt sie in Gegensatz zu den »Nicht-Orten«, über die der französische Autor Marc Augé ein Buch verfasst hat. Er schreibt darin, dass Menschen weltweit immer mehr Zeit an anonymen »Nicht-Orten« verbringen, auf Autobahnen, Flughäfen, in Supermärkten etc. Der Preis, den man dafür bezahlen muss, ist nach seiner Meinung die Einsamkeit. Die Evangelische Akademie will Gemeinschaft durch Dialog gestalten. Dialog braucht Raum – das Gespräch braucht einen Ort, der es befördert und an dem es verortet ist. Es war eher Zufall, dass die Arbeit der Evangelischen Akademie der Württembergischen Landeskirche in Bad Boll »Heimat« fand. Zufällig standen die Räume des Kurhauses leer. Damit hat die Akademiegeschichte an der Wirkungsstätte der beiden Blumhardts begonnen, die durch ihr Engagement sowohl für einzelne Personen als auch für eine menschenfreundliche Gesellschaft Impulse gegeben haben. Die beiden Theologen haben den Ort geprägt und eine besondere geistiggeistliche Tradition begründet. In gleicher Weise prägen Orte und Räume Menschen, beeinflussen das Denken und Handeln. Wir sind froh, dass die Bauarbeiten am Südflügel abgeschlossen sind, dass seit Januar die neuen Gästezimmer und Tagungsräume genutzt werden können: sie sind angenehm, hell und zweckmäßig. Ein Gebäude ist entstanden, das sich gut in den Akademiekomplex einfügt, und die Resonanz ist äußerst positiv. Der Neubau des Südflügel ist ein Zeichen dafür, dass sich die Evangelische Landeskirche im gesellschaftspolitischen Dialog engagiert; sie versteht sich – wie es in der Ordnung des Arbeitsbereiches Kirche und Gesellschaft heißt – als wirksame Akteurin in der Zivilgesellschaft und schlägt Brücken zu Politik, Wirtschaft und Kultur. Die neuen Räume sind fertig – ganz herzlich laden wir Sie zum Dialog ein und freuen uns auf konzentrierte, engagierte, streitbare Gespräche.

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll SYM 1/2010

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aktuell Akademie spart 103 Tonnen Kohlendioxid ein und wurde wieder EMASplus zertifiziert Zum dritten Mal in Folge hat die Evangelische Akademie Bad Boll das Zertifikat für die Einhaltung des so genannten EMASplus Standard erhalten. Dieser bescheinigt, dass die Akademie die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen ihres Wirtschaftens dokumentiert und optimiert. Die Akademie war eine der Piloteinrichtungen, an der dieses erweiterte Nachhaltigkeits-Konzept entwickelt wurde. 2008 wurden in der Akademie 14 Prozent weniger Strom und 16 Prozent weniger Wärme als im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2007 benötigt – das liege jedoch auch an der gedrosselten Kapazität wegen der Baumaßnahmen. Mit bedeutenderen Einsparungen rechnet man in der Akademie durch den energieeffizienten Südflügel-Neubau und die jüngst abgeschlossene Sanierung der Küche (siehe unten). In den kommenden Jahren soll ein Energiekonzept erarbeitet und umgesetzt werden. Ziel bis 2012 ist eine Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen beim Strom um 20 und bei der Wärme um 50 Prozent. Link: www.ev-akademie-boll.de/akademie/nachhaltigkeit

in denen Kommunen und Staat ihre Hilfen für Arbeitslose gemeinsam anbieten. Doch genau diese so genannte Mischverwaltung war am 20. Dezember 2007 vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt worden, weil die Aufgaben von Bund und Kommunen institutionell getrennt bleiben müssten. Während nun nach Auskunft von Junginger ein Großteil der Länder, der Landkreistag und der Städtetag sowie die Opposition im Bundestag eine Beibehaltung der bewährten Regelung notfalls durch eine Grundgesetzänderung ermöglichen wollten, strebe Arbeitsministerin von der Leyen eine Rückkehr zur längst überwundenen Trennung an. »Eine Grundgesetzänderung ist notwendig und freiwillige Kooperation nicht möglich, weil laut dem Verfassungsgerichtsurteil die jeweiligen Träger in ihrem Wirken erkennbar sein müssen«, ist Pfarrer Junginger überzeugt: »Ich fordere deshalb eine klare grundgesetzliche Regelung, die die ganzheitliche Hilfe aus einer Hand rechtlich festschreibt und absichert. Wenn eine Kommune die Beratung alleine in die Hand nehmen will, soll sie das auch tun dürfen. Die Kommunen haben eine hohe Kompetenz und die Infrastruktur in den Bereichen Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Das kommt den betroffenen Menschen zu Gute.« Prälatur Reutlingen, Pressepfarrer Peter Steinle

KDA-Vorsitzender Jens Junginger fordert Arbeitslosenberatung aus einer Hand Neu: In SYM online blättern Arbeitslose müssen auch künftig Beratung und Betreuung aus einer Hand bekommen, fordert der evangelische Wirtschafts- und Sozialpfarrer Jens Junginger, Reutlingen. Als Vorsitzender des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) in Württemberg wendet er sich damit gegen ein Eckpunktepapier, dessen Entwurf Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen am 14. Dezember mit den LänderSozialministern beraten hatte. »Wenn die Bundesarbeitsministerin mit ihrem Papier durchkommt, dann wäre das für die Arbeitslosen wie auch für diejenigen, die sie beraten und betreuen sollen, ein einziges Desaster«, kritisiert Junginger: »Die Betroffenen müssten wieder von Pontius zu Pilatus rennen, weil sie Wohngeld sowie Schuldner-, Sucht- oder psychosoziale Beratung nur bei der Kommune bekämen, Arbeitsvermittlung und Weiterqualifizierungsmaßnahmen dagegen nur bei der Agentur für Arbeit.« Dabei hinge eines vom anderen ab und die Genehmigung der einen Unterstützung sei wiederum die Voraussetzung für eine andere. Deshalb entstünden durch eine Trennung unzumutbare bürokratische Hürden. »Die Devise scheint zu lauten: So kompliziert, so teuer, so bürgerfeindlich und so unsozial wie möglich«, wettert Junginger. Bei den Arbeitsmarktreformen habe sich gerade die Beratung und Betreuung von Arbeitslosen durch eine einzige umfassend kompetente Stelle besonders bewährt, sagt der Wirtschafts- und Sozialpfarrer: Entsprechend dem Sozialgesetzbuch II (SGB II, § 44b) gibt es bundesweit 349 Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften,

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Seit kurzem ist es möglich, auf der Internetseite der Evangelischen Akademie Bad Boll in der aktuellen Ausgabe des Akademie-Magazins SYM zu blättern und alle Beiträge zu lesen: www.ev-akademie-boll.de/publikationen/ akademie-magazin-sym/

Küchenrenovierung in der Evangelischen Akademie Bad Boll ist abgeschlossen Neun Monate dauerte das Küchenprovisorium, das zur großen Erleichterung von Ingrid Hess, der Leiterin des Tagungszentrums, seit Januar diesen Jahres ein Ende hat. Die Akademieküche war in den 70er Jahren entstanden und entsprach in verschiedener Hinsicht nicht mehr den Hygienevorschriften, die sich seitdem stark verändert haben. Jetzt sind alle Vorschriften bezüglich der Lebensmittelhygiene erfüllt, die unzureichende Lüftung wurde optimiert und ein größeres Büro bietet Platz für zwei Kolleginnen. Eine Leistungsoptimierungsanlage hilft unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit das Stromsparen. Ferner wurden viele alte Geräte ersetzt. Ingrid Hess ist froh, dass die Küche auch während der Umbauphase immer beste Qualität geliefert hat und die Gäste nichts von der schwierigen Kochsituation bemerkt haben – eine logistische Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass an vier verschiedenen Orten gekocht wurde: Salat und Gemüsevorbereitung waren zum Beispiel im Untergeschoss des

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aktuell berichtet Jörgen Klußmann, Studienleiter an der Evangelischen Akademie im Rheinland, im Sachbuchforum über seine Erfahrungen als Konflikttrainer in Afghanistan: »Afghanistan: Den Schmerz des Anderen sehen. Chancen systemischer Konfliktlösung bei ethischen, sozialen oder religiösen Konflikten«. Am 19.3. präsentiert die Evangelische Akademie Thüringen von 10.30 bis 11.00 Uhr auf der Leseinsel Religion eine Lesung mit der Autorin Dr. Magdalene L. Frettlöh aus dem Buch »Wo war Gott in Buchenwald?« Als Kooperationspartner der Bundeszentrale für politische Bildung beteiligen sich die Evangelischen Akademien am 19.3. auch an der »Langen Nacht der politischen Bildung«, die in diesem Jahr erstmals in der Leipziger Innenstadt stattfindet. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr im Volkshaus Leipzig, Karl-Liebknecht-Straße 30-32.

In der Spülküche: Mit neuer Technik geht es schneller und die Arbeit macht mehr Spaß.

Verwaltungsgebäudes untergebracht, die kalte Küche in der Villa Vopelius und gekocht wurde in angemieteten Räumlichkeiten der Herrnhuter Brüdergemeine. Die Hauptlast des Umbaus trugen Mitarbeiterinnen der Küche, die jetzt die erleichterten Arbeitsabläufe, die modernen Geräte und die gleichmäßige Lüftung genießen.

Die Evangelische Akademie Bad Boll präsentiert Neuerscheinungen auf dem Gemeinschaftsstand der Evangelischen Akademien bei der Buchmesse Leipzig Vom 18.-21. März wird die Evangelische Akademie Bad Boll wieder mit ihren Neuerscheinungen der »Buchreihe »edition akademie« auf die Buchmesse kommen. Zusammen mit anderen evangelischen Akademien werden sie zum 15. Mal bei dem jährlichen Event auf dem Gemeinschaftsstand dabei sein. Druckfrisch stellt die Akademie den aufwändig gestalteten und mit vielen Fotos bebilderten Titel »Raum im Dialog« (s. a. S. 23) vor. Mit nach Leipzig kommt auch der Band »Religion prägt Arbeit – prägt Arbeit Religion?« Darin wird untersucht, wie aus jüdischer, islamischer, buddhistischer und christlicher Sicht Religionen zur Entwicklung menschenwürdiger Arbeit beitragen können. Der Gemeinschaftsstand der Akademien befindet sich in Halle 2, Standnummer K 100. Die Evangelischen Akademien sind auch am Messeprogramm »Leipzig liest« beteiligt. So lädt die Evangelische Akademie Villigst ein zu einer Lesung von Friedrich Christian Delius aus dem Buch »›Mogadischu‹ und andere Beobachtungen von Fensterplätzen und Spaziergängen« und einem nachfolgenden Gespräch mit Prof. Arnd Beise, Universität Magdeburg und Dr. Rüdiger Sareika, Villigst. Die Veranstaltung findet stattt am 18. März von 12.30 bis 13.00 Uhr im Sachbuchforum, Halle 3. Am selben Tag von 14.30 bis 15.00 Uhr

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Stephan Schaede als neuer Direktor der Evangelischen Akademie Loccum berufen Dr. Stephan Schaede (46) ist vom Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers zum neuen Direktor der Evangelischen Akademie Loccum berufen worden. Er ist der Nachfolger von Fritz Erich Anhelm, der 15 Jahre lang die Akademie leitete. Schaede war nach seiner Assistenzzeit bei Prof. Eberhard Jüngel in Tübingen (1991-98) bis zum Jahr 2000 Vikar der hannoverschen Landeskirche in Mariendrebber und Loccum. Nach seiner zweiten theologischen Prüfung und Ordination hatte er bis 2004 seine erste Pfarrstelle in Neuhaus/Solling, Silberborn und Holzminden. 2002 promovierte der Theologe und erhielt den Dr. Leopold-Lucas-Nachwuchswissenschaftler-Preis. 2004 nahm er am Forschungsprojekt »Der Mensch vor Gott – am Anfang und Ende seines Lebens« der Thyssenstiftung teil und wurde 2006 Theologischer Referent und Leiter des Arbeitsbereichs »Religion und Kultur« der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) in Heidelberg. Er ist Mitglied in mehreren Forschungsgruppen, u. a. der Bioethikforschungsgruppe des Centre de sociologie des religions et d’éthique sociale (CSRES) in Straßburg und gehört als Vertreter der FEST bereits der Mitgliederversammlung der Evangelischen Akademien Deutschland an. 2009 hat Schaede sein Habilitationsprojekt »Der Mensch vor Gott – am Anfang und Ende seines Lebens« abgeschlossen und steht kurz vor der Habilitation. Stephan Schaede beginnt seinen Dienst an der Akademie am 1. April 2010 und wird am 8. April um 14 Uhr in der Stiftskirche zu Loccum durch Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann eingeführt.

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rückblende Mehr Kinder mit Autismus als vermutet Es gibt mehr autistische Schüler in Baden-Württemberg als angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt an der PH Ludwigsburg/Reutlingen, das am 25. Januar erstmals auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll vorgestellt wurde. 14 bis 15 von 10000 Schülern haben eine Störung aus dem Autismus-Spektrum, erklärte Projektleiter Prof. Dr. Rainer Trost. Lange Zeit ging man davon aus, es seien nur 4 bis 5 Schüler von 10000 betroffen. Damit werden in den Dietmar Zöller, 39 Jahre alt, hat – in gestützter Kommunikation – bereits einige Bücher geschrieben.

Schulen Baden-Württembergs mehr Kinder mit Autismus unterrichtet als in den Schulen für Blinde und Sehbehinderte. Überraschend war auch das Ergebnis, dass viele Schülerinnen und Schüler mit autistischem Verhalten und ihre Lehrkräfte die sog. gestützte Kommunikation als eine erfolgreiche Methode zur Anbahnung und Förderung der Kommunikation beurteilen. Bei der gestützten Kommunikation stützt eine Begleitperson den autistischen Schüler am Arm, so dass dieser auf Buchstaben zeigen kann. Das Stützen unterscheidet sich deutlich vom Führen und ermöglicht vielen Schülern, eigenes Wissen und eigene Gedanken zu äußern. Dass 79 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit frühkindlichem Autismus eine Schule für Geistigbehinderte besuchen, war kein überraschendes Ergebnis. Zu befürchten ist, dass sich daran auch in Zukunft nicht viel ändern wird, denn Maßnahmen zur Verbesserung der schulischen Förderung dürfen keine zusätzlichen Kosten verursachen. Mit Dr. Christine Preißmann, Nicole Schuster, Ursula Schmid und Dietmar Zöller kamen auf der Tagung auch Referenten zu Wort, die selbst von einer Form des Autismus betroffen sind. Ihrer Meinung nach ließe sich an den Schulen vieles verbessern,

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wenn die Lehrkräfte besser über die Besonderheiten dieses Klientels informiert wären. Lehrer sollten wissen, mit welchen Problemen autistische Schüler zu kämpfen haben. So ist die Reizverarbeitung in mannigfacher Weise gestört und die Umsetzung motorischer Aufgaben bereitet erhebliche Probleme. Oft verstellen diese Schwierigkeiten den Blick für das Lernpotential der Schülerinnen und Schüler. Prof. Rainer Trost betonte, dass die Aussagen von sprechenden und schreibenden autistischen Menschen eine große Verständnishilfe bieten. Die Teilnehmenden der Tagung in Bad Boll rief er deswegen dazu auf, Bücher der Betroffenen zu lesen. Die Psychotherapeutin Dr. Dagmar Hoehne forderte flächendeckend Kompetenzzentren zu schaffen, in denen alle Fachbereiche, die mit autistischen Menschen zu tun haben, vernetzt werden. Damit könnten die Hilfsangebote für Eltern autistischer Kinder und Jugendlicher durchschaubar werden, ihre Ansprüche Gehör finden und es gäbe für alle Fragen einen kompetenten Ansprechpartner. Dass so etwas auf den Weg gebracht werden muss, wurde auch in einer Arbeitsgruppe deutlich, in der sich Eltern mit leidvollen Erfahrungen zu Wort meldeten. Bei der Tagung handelte es sich um eine Kooperationsveranstaltung der Evangelischen Akademie Bad Boll mit der Fakultät für Sonderpädagogik an der PH Ludwigsburg /Reutlingen. Wegen der großen Zahl an Anmeldungen musste vielen abgesagt werden. Studienleiter Dr. Thilo Fitzner wird deshalb die Thematik schon bald in einer neuen Tagung aufgreifen. Dietmar Zöller siehe auch Hinweise auf Onlinedokumente zur Tagung S. 6/7 und Vorschau S. 22

Palästinensischer Menschenrechtsaktivist Jamal Juma wieder auf freiem Fuß Der palästinensische Menschenrechtsaktivist Jamal Juma wurde nach vierwöchiger Inhaftierung ohne Anklage am 13. Januar wieder aus israelischer Haft entlassen. Juma war 2009 Referent einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Seine Freilassung erfolgte nach starken Protesten aus dem Ausland, besonders durch pax christi und amnesty international. Israelische Soldaten hatten Mitte Dezember Jamal Juma zur Befragung an den Qalandia Checkpoint einbestellt. Nach zweieinhalb Stunden wurde er gefesselt zurück nach Hause gebracht. Vor den Augen seiner Frau und seiner drei Kinder durchsuchten Armee-Angehörige seine Wohnung, konfiszierten Computer und Handys und nahmen Jamal Juma mit. Für Bürger von Ostjerusalem gilt eigentlich das israelische Zivilgericht. Juma wurde aber vor ein Militärgericht gebracht und nach Militärrecht behandelt. Es wurde keine Anklage gegen ihn erhoben und er durfte nicht mit seinem Anwalt sprechen. Jamal Juma ist seit 2002 Koordinator der »Stop-the-wall«-Kampagne, die sich gegen die Betonmauer richtet, die die israelische Regierung baut und damit gegen internationales Recht verstößt. In dieser Kampagne arbeiten verschiedene palästinensische und ausländische Nichtregierungsorganisationen zusammen. In letzter Zeit engagierte sich Juma für den Schutz protestierender Menschenrechtsaktivisten, die sich z. B. gegen den Bau der Mauer wenden. Seine Proteste hat er bei EU-Vertretern in den Büros in Ramallah und in den Botschaften Ostjerusalems vorgebracht. Außerdem hat er sich auf verschiedenen Konferenzen der UN und auf internationalen Foren gegen die Mauer und ein Ende der Besatzung eingesetzt. Im Juni 2009 war Jamal Juma zu Gast in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Als Referent der Tagung »Staatsräson und Völkerrecht. Solidarität im Israel-Palästina-Konflikt« beSYM 1/2010


rückblende

Jamal Juma im Juni 2009 in Bad Boll

richtete er über »Industriezonen an der Mauer« und kommentierte die Nahost-Politik Deutschlands und der EU. Er kritisierte europäische Politiker, die unmittelbar nach Beendigung des Gazakriegs im Januar 2009 in die Knesset kamen, um »den israelischen Verantwortlichen, die noch Blut an den Händen hatten, zu gratulieren.« Die Tagungsteilnehmer forderte er auf, nicht zu vergessen, dass Palästina ein besetztes Land ist: »Wir hören nirgendwo mehr, dass Palästina unter Besatzung steht und dass Israel eine Besatzungsmacht ist. Das ist völlig aus der Diskussion verschwunden. Aber wie kann man den Konflikt lösen, wenn man nicht an den Wurzeln ansetzt? Man kann nicht seriös über den Konflikt reden, wenn man nicht darüber spricht, dass die Besatzung beendet werden muss.« Der Bau der Mauer, so Jamal Juma, habe nicht nur den Verlust an Land, Hauszerstörungen und einen erschwerten Zugang zu Bildung und Gesundheitszentren verursacht. »Die Mauer bedeutet die Gettoisierung eines ganzes Volkes, die Zerstörung seiner Wirtschaft, seiner Gesellschaft, seiner Kommunen und von Leben.« Nach seiner Freilassung sagte Juma, wie bei der Verhaftung vieler anderer palästinensischer Menschenrechtsaktivisten sei auch bei aktuell: Am 8. Februar haben israelische Besatzungstruppen das Büro der »Stop-the-Wall«-Kampagne überfallen, alle Büros durchwühlt und viele Unterlagen beschlagnahmt. SYM 1/2010

ihm keine gerichtliche Anklage erhoben worden. »Der Grund für meine Haft war rein politisch – ein Versuch ›Stop-The-Wall‹ und die Komitees gegen die Mauer zu zerschlagen.« Die Verhaftung Jumas ist kein Einzelfall. Seit Juli 2009 hat das israelische Militär mit einer Welle von Verhaftungen gegen die Aktivitäten von Menschenrechtlern und von Bürgern palästinensischer Dörfer, die gegen den Bau der Mauer protestieren, reagiert. Prominente Menschenrechtsaktivisten, Bürgermeister, Lehrer, Fotografen und lokale Kameraleute, die Proteste vorbereitet und durchgeführt haben, sind davon betroffen. Insgesamt sind circa 40 Aktivisten der »Stop-The-Wall«Kampagne in israelischer Haft. Die pax-christi-Vizepräsidentin Wiltrud Rösch-Metzler bekräftigte, dass diese Proteste fortgesetzt werden müssten, solange noch so viele Aktivisten in Israel inhaftiert sind. Eine Dokumentation der Tagung kann bestellt werden, siehe S. 23. Dort sind auch Links zum Thema zu finden.

Chancen für die kurdische Bevölkerung in der Türkei? Vom 11. bis 13. Dezember 2009 fand in Bad Boll die Tagung »Positive Entwicklungen in der Türkei? Chancen für die kurdische Bevölkerung?« statt. Brisant war die Tagung, weil nur wenige Stunden vor Tagungsbeginn die elf Richter des Obersten Verfassungsgerichts in Ankara einstimmig entschieden hatten, dass die pro-kurdische DTP (»Kurdenpartei für eine demokratische Gesellschaft«) gegen die Verfassung verstößt. Die DTP ist die wichtigste politische Interessenvertretung der Kurden in der Türkei. Im Parlament ist sie mit 21 Abgeordneten vertreten. Der türkische Generalstaatsanwalt hatte der Partei vorgeworfen, dass sie sich nicht eindeutig von der PKK distanziert habe. Nach der Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung wird die Partei aufgelöst. Für 37 Mitglieder der Partei gilt ein fünfjähriges politisches Betätigungs-

verbot. Die EU hatte bereits 2007 gegen das Verbotsverfahren Stellung bezogen. Die Entscheidung ist ein Rückschlag für die Bemühungen des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, eine politische Lösung des Kurdenkonflikts anzustreben. In den Monaten vor der Tagung hatte die Erdogan-Regierung in der Türkei etliche Zugeständnisse an die kurdische Minderheit angekündigt und teilweise umgesetzt. Unter anderem wurden kurdischsprachige Sendungen im türkischen Staatsfernsehen zugelassen, kurdische Dörfer sollten ihre ursprünglichen Namen zurückerhalten, und selbst dem inhaftierten PKKChef Öcalan wurden Hafterleichterungen zugesagt. Dieser Prozess sollte auf der Tagung bilanziert und bewertet werden. Durch das Verbot der prokurdischen DTP sah sich die Tagungsleitung plötzlich vor eine neue Ausgangssituation gestellt. Wegen der zugespitzten Situation in der Türkei mussten Parlamentsagbeordnete sowohl der Regierungspartei AKP als auch der Kurdenpartei DTP ihre angekündigte Teilnahme an der Tagung absagen. Dennoch kamen nach Bad Boll mehrere DTP-Spitzenpolitiker sowie Vertreter verschiedener kurdischer Verbände und Organisationen in Deutschland. Manfred Budzinski, Studienleiter siehe auch Onlinedokumente, S. 6

So genannte Problemgruppen im System Jugendstrafrecht Rechtsextreme Täter, sexuell grenzverletzende Jugendliche, gewalttätige Mädchen und junge Frauen, Migrantenjugendliche mit Macho-Attitüden stellen auch Fachleute vor große Fragen. Allerdings machte Dr. Theresia Höynck vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen auf der Tagung zur Jugendstrafrechtspflege (15.-17. Januar) in Bad Boll deutlich, dass es nicht nur darum gehe, »was die mit uns machen«, sondern auch zu prüfen, »was wir mit denen machen«. Das Ergebnis der verschiedenen Arbeitsgruppen lautete denn auch: Es lohne sich bei vermeintlich

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rückblende - onlinedokumente besonders problematischen straffälligen Jugendlichen, »individuell die Situation der/des einzelnen zu betrachten«, und zu fragen: »Wie war die frühe Kindheit? Wer, was, wann, wo? Alles spielt eine Rolle.« Sexuell grenzverletzende junge Menschen zum Beispiel würden sich selbst oft als Opfer sehen, führte Stefan Waschlewski vom Evangelischen Psychologischen Beratungszentrum der Diakonie in Wuppertal aus. Sie hätten sich nie als »selbstwirksam« erlebt. Daher gelte, so Werner Meyer-Deters von der Bochumer Kinderschutzambulanz »Neue Wege«, weiterhin die Devise, täterzentriert zu arbeiten. Das heiße, nicht die Tat gutzuheißen, sondern die Täter für die eigenen Bedürfnisse und für die der anderen zu sensibilisieren, um Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Wichtig seien dabei in erster Linie verlässliche, kontinuierliche Beziehungen, Zeit und Geld für die jungen Menschen, die in der Entwicklung stehen. Auch im Umgang mit gewalttätigen Mädchen helfe »der ganzheitliche Blick«. Ihnen müssten Ausgrenzungserfahrungen erspart werden. Dies sei auch bei Anti-Gewalt-Trainings-Angeboten für Mädchen zu beachten, so die Erfahrung von Renate Matt vom Nachbarschaftswerk e. V., Freiburg. Kinder und Jugendliche verstärkt für ihre Lebensweise zur Rechenschaft zu ziehen und dabei die sozialen Bedingungen, unter denen sie aufwachsen und persönliche Fähigkeiten ausbilden, nicht zu problematisieren, ermögliche keine Prävention. Vielmehr, so waren sich die Fachleute einig, müssten gerade die sozioökonomischen Verhältnisse vermeintlich besonders schwieriger Jugendlicher betrachtet und daraus Konsequenzen für die Prävention gezogen werden. Ziel müsse sein, Kindern und Jugendlichen auch aus sogenannten »schwierigen« Verhältnissen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die es ihnen ermöglichen, alternative Handlungs- und Daseinsmöglichkeiten zu entwickeln.

Onlinedokumente auf der Internetseite der Akademie Text- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hause lesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente Textdokumente »Positive Entwicklungen in der Türkei? Chancen für die kurdische Bevölkerung?« 11. bis 13. Dezember 2009, Bad Boll Online sind zwei Vorträge verfügbar: Die aktuelle und künftige Politik der Türkei für die kurdische Bevölkerung von Ekrem Eddy Güzeldere, European Stability Initiative (ESI), Istanbul sowie Fahrplan (Road Map) für eine friedliche, zivile Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts von Prof. Dr. Andreas Buro, Dialogkreis »Die Zeit ist reif für eine politische Lösung zwischen Türken und Kurden«, Grävenwiebach. Siehe auch den Tagungskurzbericht in der Rückblende, S. 5.

Textdokument Württemberg, Thüringen, Europa – kirchliche Partnerschaften auf dem Weg 22.-24. Januar 2010, Neudietendorf Tagung in Kooperation von: Evangelische Akademie Thüringen, Evangelische Akademie Bad Boll, Diakonie Mitteldeutschland, Diakonie Württemberg

In Erinnerung an den 20 Jahre zurückliegenden Mauerfall ging es im Zinzendorfhaus nahe Erfurt sowohl um die Aufarbeitung von vier Jahrzehnten Kirchenpartnerschaften als auch um die Perspektiven kirchlicher Partnerschaft in Gegenwart und Zukunft. Der Einführungsvortrag der Theologin Dr. Karoline Rittberger-Klas »Wie mit vertauschten Augen« Die Kirchenpartnerschaft zwischen Württemberg und Thüringen 1949 bis 1989 – ein Überblick versteht sich als Zeitdokument, Strukturierungsmodell und als Impuls zur grundsätzlichen Bedeutung von kirchlichen Partnerschaften.

Textdokument Autismus. Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten. Neue Wege durch die Schule 25.-26. Januar 2010, Bad Boll Die Pharmazeutin und Buchautorin Nicole Schuster, Holzkirchen hat in ihrem Beitrag Autismus als Herausforderung für die Schule – Lösungsansätze für die Praxis eine Aufstellung mit konkreten Lösungsmöglichkeiten erstellt. Es kommen die The-

Evangelische Akademie Thüringen in Neudietendorf. Rückansicht mit neuem Gästehaus

Kathinka Kaden, Studienleiterin s.a. Onlinedokumente, S. 6/7

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onlinedokumente

men vor: allgemeine Wahrnehmungsprobleme, Probleme aus dem Unterrichtsalltag und bei bestimmten Fächern, und die Frage, ob Schulbegleitung für Kinder mit Autismus sinnvoll ist oder nicht. Einen sehr persönlichen Beitrag hat Martina Schmidt, Ehefrau des als Referent an der Tagung teilnehmenden Autisten Peter Schmidt, vorgetragen. Mein Mann ist etwas Besonderes ist ein lesenswerter Versuch, die Herausforderungen und Chancen des Zusammenlebens mit einem Autisten zu beschreiben.

Textdokumente »Gottesmörder und Kriegstreiber« Antisemitismus in den Religionen 27.-29. November 2009, Bad Boll Antizionismus hat viele Facetten und Hintergründe. Die Bundesregierung hat zum 70. Jahrestag der nationalsozialistischen Progromnacht eine Resolution »Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in

Deutschland weiter fördern« verabschiedet. Auf der Tagung ging es um Differenzierung und um die Entwicklung von Strategien, wie antisemitische Gewalt überwunden werden kann. Online sind zwei Vorträge verfügbar: Was tun gegen Antisemitismus? von Pfarrer Michael Volkmann, Vorsitzender der Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise »Christen und Juden« (KLAK) sowie der Vortrag »Djihad und Judenhass« von Matthias Küntzel, Publizist und Politikwissenschaftler, Hamburg.

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Textdokument Traumtherapie und gesellschaftliches Umfeld 29 November - 1. Dezember 2009, Bad Boll Dr. Simone Lindorfer, Diplom-Psychologin und internationale Beraterin für Traumaarbeit, Salzburg, hat den Einführungsvortrag zum Thema Politische Traumaarbeit: Befreiungspsychologische Ansätze in Kriegsgebieten (am Beispiel Zentralafrika) gehalten. Sie verfolgt in ihrem Referat den Ansatz, »drei Gesprächspartnerinnen in einen Dialog zu bringen, nämlich die internationale Traumaarbeit in Kriegs- und Krisengebieten, die Befreiungspsychologie El Salvadors und schließlich die therapeutische Arbeit mit Flüchtlingen und Folterüberlebenden in Deutschland/ Europa.« siehe auch Rückblende, S. 5/6

Textdokumente Unterricht in heterogenen Klassen, Teil 2 14.-16. Dezember 2009, Bad Boll Durch das Bemühen, Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen und durch die Zusammenlegung kleinerer Schulen werden Kinder unterschiedlichster Fähigkeiten immer häufiger in einer Klasse unterrichtet. Wie gemeinsamer Unterricht gelingen kann, wurde in der zweiteiligen Tagung erörtert. Im Internet können Sie zwei Vorträge downloaden. Prof. Dr. Hans Wocken, Universität Hamburg sprach zum Thema Qualitätsstufen der Behindertenpolitik und -pädagogik und Brigitte Schumann zum Thema Das Menschenrecht auf Bildung – Herausforderung und Chance für Deutschland.

Textdokument Was machen wir bloß mit denen? Sogenannte Problemgruppen im System Jugendstrafrecht 15.-17. Januar 2010, Bad Boll In dem Vortrag Die anderen und ich kommt Prof. Dr. Mechthild Bereswill, Fachgebiet Soziologie sozialer Differenzierungen und Soziokultur, Universität Kassel zu folgendem Fazit: »Die wiederkehrenden Bilder besonderer ›Problemgruppen‹ geben Orientierung und legitimieren bestimmte Interventionen, sie verkürzen aber auch den eigenen Blick und begrenzen die Gestaltung von Hilfebeziehungen. Diese Ambivalenz lässt sich nicht auflösen, sie ist aber der Reflexion zugänglich.«

Textdokument Bad Boller Bußtag der Künste 18. November 2009, Bad Boll Prälat Hans-Dieter Wille, Heilbronn, hat beim Boller Bußtags der Künste

Prälat Hans-Dieter Wille, Heilbronn

eine Predigt zum Thema »Mach in mir deinem Geiste Raum« gehalten.

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kunst in der akademie

Kunst – Fenster zur Welt? Aus der Werkstatt der Kunsttherapie Bei Ausstellungen in den Räumen der Akademie sind für gewöhnlich zeitgenössische Arbeiten aus einem Künstleratelier zu sehen, die die Betrachtenden anlocken und zur Auseinandersetzung herausfordern. Eine Herausforderung ganz anderer Art stellt die im April und Mai zu sehende Ausstellung mit Arbeiten aus der Kunsttherapie dar. Sie stammen von Dieter Matheas, der an Alzheimer erkrankt ist. Mit ihm hat die Kunsttherapeutin Beatrice Hang aus Göppingen über zwei Jahre lang gearbeitet. Sie besucht mit ihrer mobilen kunsttherapeutischen Praxis »creativ mobil« an Dieter Matheas: Begegnung

Demenz erkrankte Menschen zuhause oder im Pflegeheim. Resonanz geben durch Verstärken, Wiederholen und Gegenüberstellen im malerischen Dialog sind neben den Farben, Materialien und Werkzeugen ihre Mittel, um Ausdrucks- und Interaktionsmöglichkeiten ihrer Klienten aufzuspüren und zu fördern. So wird deren Selbstwertgefühl gestärkt und ihre Lebensqualität möglichst lange erhalten. Die ausgestellten Bilder zeigen beispielhaft, wie vorhandene Äußerungsmöglichkeiten von Demenzkranken sensibel aufgespürt und kunsttherapeutisch gepflegt werden können. Sie geben uns Anstöße, über unser Selbst- und Menschenbild nachzudenken. Wie setzen wir uns mit den eigenen Begrenzungen auseinander? Wie gehen wir um mit der Möglichkeit, selbst einmal von Demenz betroffen zu wer-

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den? Und wie möchten wir dann leben können? Was macht unsere Identität aus? Fragen, die uns an die Grenzen führen und zugleich neu öffnen können für das Bild der Gottebenbildlichkeit, in dem die jüdisch-christliche Tradition die unverlierbare Würde jedes Menschen fasst – die Geschenk ist, nicht Frucht eigener Leistungen. Mit der Vernissage am 12. April, bei der Beatrice Hang in die Ausstellung und Arbeitsweise der Kunsttherapie einführen wird, verbindet die Evangelische Akademie Bad Boll die gesellschaftspolitische Diskussion über die Förderung von Kunst- und anderen Therapieformen für Demenzkranke unter der Leitfrage: Wie viel ist unserer Gesellschaft die Pflege und Erhaltung von möglichst viel Lebensqualität in ihrer Betreuung wert? Es diskutieren die Ehefrau von Dieter Matheas, Eva-Maria Matheas, die Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg, Sylvia Kern, der stellvertretende Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils, Thomas Schneider (angefragt), und die Kunsttherapeutin Beatrice Hang, moderiert von Dr. Günter Renz, Studienleiter für Gesundheitspolitik und Medizinethik. Susanne Wolf, Studienleiterin Theologie und Kulturpolitik

Vernissage und Diskussion Montag, 12. April 2010, 19:30 Uhr - 21:00 Uhr im Café Heuss Die Ausstellung läuft vom 12. April bis Mitte Mai. ufen Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Tagungsnummer: 936010 Leitung: Susanne Wolf Laufende Ausstellung: Cristina Barroso 14. Februar bis 28. März 2010

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»Jetzt kann es brummen« Attraktive Gästezimmer und moderne Veranstaltungsräume im neuen Südflügel Von Uwe Walter Die Hannoveranerin Nadine Bals war nicht zum ersten Mal in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Aber jetzt gehörte sie zu den ersten TagungsGästen, die im neu errichteten Akademie-Südflügel übernachteten. »Stimmig und modern« findet sie die neuen Gästezimmer. Sie habe gut geschlafen und sich sehr wohl gefühlt. Nach knapp zweijähriger Bauzeit steht das neue Gebäude jetzt vor der offiziellen Eröffnung. Insgesamt sechzig Zimmer kann die Akademie nun zusätzlich belegen und drei weitere Veranstaltungsräume nutzen. »Ein lange gehegter Wunsch ist in Erfüllung gegangen«, freut sich der Geschäftsführende Direktor Joachim L. Beck. Die Zeit der baubedingten Provisorien ist vorüber. »Endlich können wir unsere Tagungsgäste wieder im Hause unterbringen«, sagt Beck, »und endlich haben wir Zimmer mit zweckmäßiger Ausstattung und angemessenem Komfort.« Dies, so der Direktor, ist eine wesentliche Voraussetzung, damit eine Tagung ein Erfolg wird. Zusammen mit der Gründerzeit-Villa Vopelius, dem Stammhaus der Akademie, und dem Mitte der Fünfzigerjahre entstandenen Hauptbau bildet der neue Südflügel ein harmonisch in die ansteigende Landschaft integriertes Carré. Von dem begrünten Innenhof führt eine breite Freitreppe hinauf zur Terrasse vor dem »Café Heuss«. Ganz begeistert ist die Leiterin des Tagungszentrums, Ingrid Hess, von der Ausstattung der Räume: »Wir haben jetzt geschmackvoll gestaltete, wohnliche und komfortable Gästezimmer - elegant, schlicht, modern und doch nicht cool«. Viel Platz gibt es auch in den drei neuen Veranstaltungsräumen mit zeitgemäßer technischer Ausstattung. Sie eignen sich für Tagungsgruppen mit maximal 20, 35 oder 80 Personen. Wichtig ist für Ingrid Hess, dass es genügend Nebenräume gibt, damit SYM 1/2010

und rückläufiger Kirchensteuereinnahmen, ist für Direktor Joachim L. Beck ein Signal, dass die Landeskirche die Arbeit seines Hauses auch in Zukunft für eine wichtige Aufgabe hält. Der Neubau ersetzt Gebäudeteile, die

z. B. die Bestuhlung schnell verändert werden kann. Dank der freistehenden Betten gibt es genug Platz beim Bettenmachen und die gemauerten Duschnischen sind so konzipiert, dass man auf schwierig zu reinigende Glastüren oder Vorhänge verzichten konnte. Gestaltet und geprägt hat diesen Stil die Stuttgarter Architektin Nike Fiedler (siehe Interview S. 10f.). Neben der stimmigen Ästhetik war sie auch in Bezug auf Umweltaspekte und Barrierefreiheit konsequent. Vier Gästezimmer wurden speziell für den Bedarf von Menschen mit Handicaps ausgelegt. Hohe Standards erfüllt der Neubau in ökologischer Hinsicht. Nicht nur die Wärmedämmung ist vorbildlich – es wird auch Regenwasser für die WC-Spülung verwendet. Als Leuchtmittel kommen Strom sparende LED-Lampen zum Einsatz. Und selbst die Matratzen und die Bettwäsche sind Ökotex zertifiziert. Eine Solaranlage auf dem Flachdach sorgt außerdem für eine klimafreundliche Energiegewinnung. Betrieben wird sie von der Ökumenischen Energiegenossenschaft, in der sich 100 Privatpersonen zusammen geschlossen und die Finanzierung in Höhe von 120.000 Euro ermöglicht haben. Unter günstigen Bedingungen liefert die Anlage im Jahr 34.000 kWh Strom, für den bei fossiler Energieproduktion sonst etwa 24 Tonnen Kohlendioxid entstehen würden. Nicht ohne Stolz verweist AkademieGeschäftsführer Achim Ganßloser darauf, dass er mit dem Kostenmanagement im Rahmen der Planzahlen geblieben ist. »Wir haben sparsam gewirtschaftet und konnten dennoch eine hochwertige und zweckmäßige Qualität realisieren.« Gekostet hat der Bau 6,5 Millionen Euro, netto schlägt er im landeskirchlichen Haushalt mit 5,42 Millionen Euro zu Buche. Die Investition dieser Summe trotz Krise

Hell sind die Tagungsräume und die Gästezimmer. Die großzügige Verglasung der Tagungsräume öffnet den Blick für ganz verschiedene Aussichten.

in den Fünfziger-Jahren errichtet wurden und in denen zunächst die Wohnung des Gründungsdirektors Eberhard Müller, danach Seminarräume und Gästezimmer untergebracht waren. Schon 1997 zeichnete sich ab, dass die Ausstattung der Zimmer den Gästen nicht mehr zumutbar und die Bausubstanz in einem so hinfälligen Zustand war, dass ein Abbruch unausweichlich wurde. Im Sommer 2004 sprach sich die Landessynode schließlich dafür aus, den »abgängigen Bestand an Zimmern durch bedarfsgerechte Zimmer« zu ersetzen. Wegen komplizierter Debatten über die Nutzung anderer landeskirchlicher Immobilen vergingen weitere zweieinhalb Jahre, bis die Mittel freigegeben wurden. Da war es dann auch höchste Zeit: Der alte Südflügel war so bau-

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raum für neues fällig geworden, dass er stillgelegt werden musste. Am 21. Mai 2008 biss dann ein 40 Tonnen-Bagger ins marode Mauerwerk und erledigte den Abriss binnen weniger Tage. Der erste Spatenstich erfolgte Anfang August, – und ist manchem Beteiligten in Erinnerung geblieben, weil Studienleiter die Gelegenheit nutzten, um gegen Stellenstreichungen zu protestieren. Bevor die Handwerker dann mit dem Rohbau beginnen konnten, mussten noch 3500 Tonnen Erdaushub abgefahren werden. Der strenge Winter bremste den Baufortschritt – aber am 13. Mai 2009 pendelte die Richtfestkrone über dem neuen Gebäude. Nicht ganz einfach ist die organisatorische Einbindung des neuen Hauses. Bauherrin und Besitzerin des Gebäudes ist die Evangelische Landeskirche in Württemberg. Bewirtschaftet wird der Südflügel vom »Tagungszentrum der Evangelischen Akademie Bad Boll«, das für den Hotelbetrieb der Akademie inklusive Akademie-Restaurant »Symposion« zuständig ist. Das »Tagungszentrum« hat einen eignen, von der Akademie abgetrennten Haushalt. Die Akademie im engeren Sinne ist mit ihren Studienleitenden für die Tagungen zuständig. Die Akademie muss sich also im »Tagungszentrum« einbuchen und unterliegt deren Geschäftsbedingungen. Dabei steht sie durchaus in Konkurrenz. Der gute Ruf des Hauses lockt viele Anbieter nach Bad Boll, die dort ihre eigenen Tagungen veranstalten und nur Unterkunft und Verpflegung nutzen. Die Zahl dieser »Gasttagungen« ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Nach der großzügigen Bau-Investion der Landeskirche hat deren Oberkirchenrat nun klare Erwartungen: Das »Tagungszentrum« soll schwarze Zahlen schreiben und dazu muss es dauerhaft gut belegt sein. Optimistisch ist die Leiterin des »Tagungszentrums« Ingrid Hess, dass sie diesen Erwartungen auch gerecht werden kann. »Wir haben jetzt die Rahmenbedingungen, dass es hier im Laden brummt«, sagt sie.«

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»Das Gesicht der Akademie wird sich verändern« Interview mit der Architektin Nike Fiedler Von Martina Waiblinger Frau Fiedler, Sie haben bereits das Akademie-Restaurant Symposion gebaut und die Villa umgebaut. Wo haben Sie beim Bau des neuen Südflügels an Traditionen angeknüpft? Die bauliche Geschichte der Akademie Bad Boll erstreckt sich ja über einen Zeitraum von rund 110 Jahren, wobei die Villa Vopelius – in der Gründerzeit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden – Mittelpunkt der Anlage und Beginn der Akademie darstellt. Hauptbau und Westflügel wurden von dem namhaften Architekten Rudolf Lempp im sachlich schlichten Stil der 50erJahre errichtet. Der Festsaal, den die Architekten der Werkgemeinschaft Nürtingen als Sichtbetonbau realisierten, trägt die Handschrift der frühen Siebzigerjahre. Im Grunde sind es diese drei Baustile, die den äußeren Charakter des Gebäudeensembles geprägt haben und bis heute das Erscheinungsbild ausmachen.

Von Anfang an war klar, dass der Neubau selbstbewusst genug sein sollte, um als Zeuge unserer Zeit bestehen zu können. Andererseits war es auch wichtig, den Neubau so zu gestalten, dass er sich nicht unangemessen in den Vordergrund drängt und sich ins Gesamtensemble einfügt. Wir haben uns entschieden, im Sinne der zurückhaltenden Bebauung von Lempp, den Neubau etwa an gleicher Stelle wieder als Winkeltyp zu platzieren. Das heißt, der heutige Bau folgt der damaligen Grundstruktur und lehnt sich außerdem in seinen Proportionen an den vorhandenen Hauptbau an. Weitere Anknüpfungspunkte fanden wir im Umgang mit der vorhandenen Topographie, dem Gebäudesockel, der Gestaltung der Fassaden und in der inneren Erschließung. Das Eingangsniveau des abgerissenen Südflügels lag im Bezug zu Hauptbau und Villa um ein Geschoss höher. Der Höhenunterschied musste über das ansteigende Außengelände überwunSYM 1/2010


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Auch wenn der Baustellencharakter noch nicht ganz beseitigt ist, sieht man doch eine ganz neue Perspektive der Akademie.

den werden. Wir haben das Erdgeschoss des Neubaus im Gegensatz zur damaligen Situation teilweise in den Hang geschoben, so dass die Villa, der Hauptbau und das Bettenhaus über einen neu entstandenen Platzbereich ebenerdig erschlossen werden konnten. Dieser einfache Kniff bindet die Gebäude auf selbstverständliche Weise zusammen, stärkt den gewünschten Ensemblecharakter und beschert der Akademie darüber hinaus einen attraktiven, vielfältig nutzbaren Außenraum. Die Sockelgestaltung des Hauptbaues wurde am Neubau aufgriffen. Die Erdgeschossfassade erhielt einen umlaufenden Natursteinsockel, der im Inneren den Platzbereich markiert und auf den Außenseiten das ansteigende Gelände auffängt. Während der Hauptbau eine Lochfassade mit mehr oder weniger einheitlichen kleinen Fensteröffnungen hat, wurden die Öffnungen im Bettenhaus je nach Raumnutzung variiert. Die Funktionen des Neubaus sind im Gegensatz zum Altbau außen ablesbar. Die weiße Putzfassade in den beiden Obergeschossen verbindet Alt und Neu wiederum auf deutliche Weise. SYM 1/2010

Was war Ihr Hauptanliegen in Bezug auf das gesamte Ensemble? Die Schaffung eines ablesbaren Gesamtensembles war schon von Anfang an ein wesentliches Anliegen. Mit ablesbar meinen wir, dass ein gewachsenes Ensemble immer dann besonders gut funktioniert, wenn sich Gebäude gegenüberstehen, deren unterschiedliche bauhistorische Qualitäten erkennbar sind und in einem gewissen Gleichgewicht nebeneinander bestehen können. Ein mehr oder weniger ausgeprägter Kontrast zwischen Altem und Neuem steigert im Idealfall sogar die Wirkung des jeweilig anderen. Es ging auch darum, die Villa freizustellen. Sie ist das Zentrum der Akademie. Das war ein mühsamer Prozess. Beim Bau des Symposions haben wir die erste Brücke abgerissen, die von der Ebene 1 des Hauptbaus ins erste Obergeschoss der Villa führte. Das war der erste Befreiungsschlag. Letztes Jahr kam der Abriss der Brücke vom Parkflügel zur Villa. Jetzt steht die Villa frei und hat die Bedeutung, die sie als Zentrum und Erkennungsmerkmal braucht. Neu ist ja auch der Platz vor dem Südflügel als Kommunikationszentrum mit Bänken und Bäumen. Wie haben sie ihn konzipiert? Ein wunderbarer Nebeneffekt dieser ganzen Überlegungen zur Platzierung des Südflügels und des Abrückens von den bestehenden Gebäudeteilen ist dieser Platz, der jetzt entstanden ist. Er macht das Ganze zu einem räumlichen Erlebnis. Während der Entwurfsphase haben wir Studien über die Charakteristika mittelalterlicher italienischer Plätze angestellt. Wie groß darf der Platz sein, wie hoch muss das Gebäude sein und wie das Verhältnis von Breite zu Höhe, damit es angenehm ist. Die jetzigen Proportionen entsprechen tatsächlich den italienischen Vorbildern. Ein anderes Merkmal italienischer Plätze ist die Tatsache, dass sich die Plätze öffnen. Das haben wir auch: Eine großzügige Freitreppe führt zur Gartenterrasse vor dem Café Heuss.

Programm zur Eröffnung Die Eröffnung des neuen Gebäudes will die Akademie angemessen feiern. Den Auftakt macht ein Gottesdienst mit Festakt am 7. März mit Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel, Direktor Joachim L. Beck und den Joyful Voices & Band, Leitung Gerald Buß. Es folgt am 28. März ein »Tag der Offenen Tür«, der allen Interessierten die Gelegenheit geben soll, sich die alten und neuen Gebäude der Evangelischen Akademie anzuschauen und mit den Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Am 25. April gibt es ein Benefizkonzert mit den Kammermusik-Ensembles des Polizeimusikkorps Baden-Württemberg. Auf dem Programm steht außerdem ein Open-Air-Konzert mit der Lumberjack Bigband und Salto Vocale (Solistin: Annette Frank, Leitung: Alexander Eissele) am 18. Juli sowie eine Reihe besonderer Tagungen, die sich mit wichtigen politischen und theologischen Fragen befassen (siehe auch Vorschau ab S. 17).

Welche Materialien haben Sie genommen? Es gab ja lange Zeit den Wunsch, das Gebäude aus Holz zu bauen. Ich halte es aber für sehr kritisch, ein Haus mit diesen Anforderungen, zum Beispiel erhöhtem Schallschutz und erhöhten Brandschutzbestimmungen, als Holzbau auszuführen. Ferner bin ich der Meinung – und jetzt komme ich wieder zu Lempp – dass so wie man früher baute »mit massivem Mauerwerk und tief in den Laibungen sitzenden Fenstern«, ein uraltes Prinzip und für mich ein »natürlicher Baustil« ist. Ich finde auch eine Putzfassade richtig, weil alle anderen Akademie-Gebäude auch Putzfassaden haben mit Ausnahme der Villa, dem Symposion und dem von Eberhard Weinbrenner gebauten Festsaal. Also standen wir vor der Aufgabe, ein Material zu finden, das dem gerecht wird. Wir haben einen Ytong-Stein verwendet, der mit einer Stärke von 48 cm eine hervorragende Wärmedämmung bietet und wir sind mit diesem »monolithischen Mauerwerk« an die Grenzen des Materials gegangen – im Geschossbau hat man Ytong so noch nicht eingesetzt. Der Stein wurde für uns produziert. Ich bin der Meinung, dass das eine richtige Entscheidung war. Weil man jetzt merkt: in den Zimmern herrscht ein angenehmes Raumklima.

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raum für neues Die Wände atmen zwar nicht, aber sie nehmen Feuchtigkeit auf und geben sie ab – auch von außen. Ich lehne das Einpacken von Häusern instinktiv ab, weil ich nicht den ganzen Tag in einer Art Neoprenanzug sein und auch nicht in einem Haus leben wollte, das zig-Zentimeter Wärmedämmung, Schaumstoff oder was auch immer um sich hat. Das ist für mich keine Option.

Die Fensteröffnungen der Gästezimmer wurden so gewählt, dass alle Räume ausreichend belichtet sind. Im Süden sind die Fenster etwas kleiner, damit die Hitze sich nicht staut. Die Tagungsräume konnten aufgrund der günstigen Lage großzügig verglast werden.

Woher kommen die Handwerker und die Materialien, die Sie verwendet haben? Die Philosophie des Hauses ist ja, regionale Anbieter und Produkte vorzuziehen. Das Bestreben mit regional ansässigen Firmen zu arbeiten befürworten wir sehr. Den Begriff regional muss man jedoch etwas genauer definieren. Bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung lässt sich ohne gesunden Wettbewerb bei der Angebotseinholung nur schwerlich ein ökonomisches Ergebnis erzielen. Das heißt, der Kreis der Anbieter beschränkte sich nicht nur auf den Landkreis, sondern im Wesentlichen auf den Großraum des

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mittleren Neckars. Mit Ausnahme des Rohbauers aus Sachsen kamen also alle ausführenden Firmen aus dem näheren Umland. Der Parkettleger ist z. B. aus Stuttgart und stellt das Parkett aus Eiche selber her. Die beiden Gipserfirmen kommen aus der direkten Umgebung. Die Fenster stammen aus Bodelshausen. Bei den Türen wurden deutsche Fabrikate verwendet. Eine Schreinerfirma ist im Schwarzwald ansässig eine andere im Welzheimer Wald etc. Als es um die Frage ging, mit welchem Naturstein der Sockel verkleidet werden soll, wurde auch ein Stein aus China ins Spiel gebracht. Es ist kaum zu glauben, aber Natursteine aus China sind preisgünstiger als z. B. die deutsche Konkurrenz. Wir sind sehr froh darüber, dass sich unsere Bauherrschaft an dieser Stelle für ein etwas teureres Produkt, einen Kirchheimer Muschelkalk entschieden hat. Waren Ihnen in ökologischer Richtung die Hände gebunden? Im Gegenteil. Ökologisches Bauen fängt nach unserem Verständnis beim sparsamen Einsatz der verwendeten Ressourcen an. Dies zeigt sich aber auch in den verwendeten Lüftungsund Lichtkonzepten. Ferner gehören die Regenwasserzisternen mit der Grauwasseranlage, die für die WCSpülung genutzt wird, zu diesen Überlegungen. Wird sich das Leben in der Akademie durch den neuen Südflügel ändern? Ich bin ganz sicher, dass die Akademie durch dieses neue Gebäude und den Platz davor völlig neue Möglichkeiten bekommt. Während sich früher die zentrale Anlaufstelle auf das Foyer im Hauptbau beschränkte, bietet sich zukünftig der Akademieplatz mit seiner großen Grünfläche, den Sitzbänken und den Bäumen, die gepflanzt werden, als Treffpunkt an. Das wird wie ein Magnet sein und wird garantiert das Leben in der Akademie positiv beeinflussen. S. a. Buchhinweis S. 23

Raum für die Kun Kunst in der Evangelischen Aka Von Wilhelm Gräb 1. Kunst und Raum Eine Evangelische Akademie, die Kunst in ihre Räume holt, gibt damit noch vor allen Debatten über Gott und die Welt teil an einer intensiveren Daseinserfahrung. Wer die Räume der Akademie betritt, begegnet in den Werken der Kunst solchen Weltobjekten, die Resonanz im Betrachter auslösen. Eine Evangelische Akademie, die Kunst in ihre Räume holt, führt in die Konfrontation mit bedeutungsvollen Zeichen, die auf sinnlich-unmittelbare Weise wirken, emotionalleibhaft affizieren und doch zugleich auch etwas zu denken geben. Die Bilder und Objekte der Kunst intendieren sehr verschiedenes. Sie spielen mit Formen und Farben. Sie geben den Emotionen und Gefühlen sichtbaren Ausdruck. Sie bringen Erfahrungen der eigenen Zeit in präsentativer Symbolik zur sinnlichen Darstellung. Wie auch immer, wo die Kunst in bewohnte Räume einzieht, verändert sich die Raumerfahrung. Wir werden durch die Bilder der Kunst gewissermaßen hineingezogen in Erfahrungen mit der Erfahrung. Wir begegnen einer bereits durch die Interpretation, die das Kunstwerk erbringt, zugänglich gemachten inneren und äußeren Welt. Das bedeutet immer eine Erweiterung unserer Welt. Denn nie bilden Kunstwerke eine Welt bloß ab, die ohne sie uns auch zugänglich wäre. Ja, mehr als das, mit den Bildern der Kunst ist eine Welt da, die sich zu sich selbst verhält. Mit den Bildern der Kunst wird die Welt für uns eine andere. 2. Kunst und Religion Die Religion braucht die Kunst als ihr Ausdrucksmittel, weil die Kunst mit ihren symbolischen, bedeutungsvollen Zeichen das Unsichtbare sichtbar machen und zugleich auch wieder verbergen kann. Kunst bringt zur Präsenz, was ohne sie dem Blick entzogen geblieben wäre – und sie entwinSYM 1/2010


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st – Resonanzraum des Lebens demie Bad Boll det es diesem Blick zugleich wieder. Die Religionen haben dies seit jeher empfunden, dass die Bilder und Objekte der Kunst eine Welt errichten, die zugleich über sich hinausweist. Die Religionen haben die Kunst in ihre Räume geholt, weil mit der Kunst eine Welt da ist, die uns anredet und dabei etwas von ihrem Geheimnis verrät. Sie kann zur verborgenen Offenbarung werden wie auch dazu, mit bestimmten Ideen, zu denen sie uns anregt, zu spielen. Werke der Kunst entwickeln eine eigene Bildsprache, auch wenn sie sich an tradierte religiöse Bildmotive anschließen. Ein Kunstwerk will immer ein Kunstwerk sein und d. h., es will eine sinnliche, ästhetische Erfahrung machen lassen, keine religiöse Botschaft ausrichten und keinen Glauben verlangen, sondern das Zusammenspiel von Sinnlichkeit und Verstand in seiner Wirkung auf den Betrachter zur Darstellung bringen. Gerade dann, wenn die Werke der Kunst uns auf unserem letztlich unübersichtlichen, abgründigen Gang unseres Lebens in einer uns ebenso vertrauten wie unzugänglichen Welt ansprechen, erreichen sie die religiöse Tiefendimension, werden sie möglicherweise zur Offenbarung wie dann zu deren Verbergung. Dies wiederum sichtbar zu machen, dazu kann die überlieferte Sprache des christlichen Glaubens, die den gekreuzigten Gott verkündigt, immer noch hilfreich sein. Manchmal versagt die Sprache von Bibel und Bekenntnis, Dogmatik und Verkündigung aber auch oder wird als Vergewaltigung des Kunstwerkes empfunden. Dann ist die Suche nach sensibleren Sprachen des Lebens verlangt. Sie finden wir vor allem in Literatur und Dichtung. 3. Kunst und Leben Was veranlasst Künstler dazu, Werke der Kunst zu schaffen und uns alle, dass wir uns Werken der Kunst öffnen, uns von ihnen ansprechen, bewegen und irritieren lassen? Das hat SYM 1/2010

entscheidend eben damit zu tun, dass in den Werken der Kunst das menschliche Leben ins bewusste Verhältnis zu sich selbst gerät. Der Kunst, allen Künsten, der bildenden Kunst, der Dichtkunst, der Musik gelingt es, das Leben auf individuelle, unverwechselbare Weise in die Selbstäußerung und Selbstbetrachtung zu ziehen. Die Werke der Kunst sind deshalb Objekte in der Welt, die nicht in ihrem objektiven Gehalt verstanden, sondern in der Wirkung reflektiert sein wollen, die sie im individuellen Subjekt auslösen. So schaffen sie dem Leben einen Resonanzraum. Das ist ein Raum, der es macht, dass in uns anklingt, wie wir uns in unserem Verhältnis zu uns selbst und zur Welt erleben. Wir finden uns auf unsere Stellung in der Welt und den Gang unseres Lebens in ihr dergestalt angesprochen, dass wir die Abgründigkeit und Offenheit, die Gefährdungen und Fraglichkeiten tiefer empfinden. Moderne Kunst hat die Stillstellung der großen Lebensfragen durch die fertigen Antworten der Religion zumeist von sich abgestoßen. Das heißt aber nicht, dass sie das Deutungswissen der Religion und ihre Bildtraditionen nicht weiterhin als Material nutzt für die Darstellung der offenen Frage nach dem Sinn, der unserem menschlichen Leben, ja der Existenz eines jeden Individuums in der Unendlichkeit des Universums innewohnt. »Die Religion gehört der Kirche nicht«, hat der Künstler und Theologe Thomas Lehnerer unter eine seiner Installationen geschrieben. Sie gehört auch der sich autonom entfaltenden Kunst. Die Religion gehört der Kunst, weil die Kunst diese Bildzeichen findet, mit denen unser menschliches Leben vor

Prof. Wilhelm Gräb hielt die Langfassung seines hier veröffentlichten Vortrags bei der Vernissage am 26. April 2009 in Bad Boll, bei der verschiedene Künstler Bilder für die Zimmer des neuen Südflügels ausstellten. Das Foto zeigt Professor Wilhelm Gräb im Gespräch mit dem Künstler Fritz Schwegler von Breech.

sich selbst gerät, zur tieferen Verständigung über sich findet, sogar an den Abgründen noch seinen Resonanzraum für die Frage nach dem Sinn gewinnen kann. Durch Kunst wird das Leben nicht zum Kunstwerk. Durch Kunst kann es uns jedoch gelingen, uns bewusster zu unserer Endlichkeit und Zerbrechlichkeit zu verhalten, sie auszuhalten und dennoch den Glauben zu wagen, dass wir im Fragmentarischen nicht aufgehen. Die Kunst ist das elementare Echo menschlichen Lebens. Sie zeigt uns, warum wir in die Welt passen und dennoch nie ganz in ihr zu Hause sind. Ein Widerspruch zur Religion und zur Verkündigung der Kirche liegt in dem allem nicht, eher ihre Ergänzung und Erweiterung, ihre Fortsetzung mit den Mitteln der Kunst. Dies in Zeiten, in denen es mit den geschlossenen religiösen und weltanschaulichen Systemen ebenso vorbei ist wie mit einem klar definierten Kunstbegriff. In solchen Zeiten ist eine evangelische Akademie ganz bei ihrer Sache, wenn sie Werke der zeitgenössischen Kunst in ihre Räume holt.

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gütesiegel nachhalstiges bauen

Bauen wird zukunftsfähig Umweltgütesiegel am Beispiel Unilever Hamburg »Nachhaltig bauen und sanieren« war das Thema des 12. Architektentags in der Evangelischen Akademie Bad Boll am 2. November 2009. Unter dem Titel »Bauen wird zukunftsfähig« stellte Anja Willmann vom Stuttgarter Büro »Behnisch Architekten« das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Beispielen vor. Hier veröffentlichen wir eine gekürzte Version.

Das Gebäude von Unilever in Hamburg erfüllt schon auf den ersten Blick gut die Hälfte der Kriterien des DGNB.

Das Beispiel der neuen Firmenzentrale für Unilever Deutschland, Österreich, Schweiz ist im Zusammenhang mit dem Deutschen Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen (DGNB) deshalb interessant, weil seine Planung nicht auf dieses Gütesiegel ausgerichtet war, das es zu Planungsbeginn noch gar nicht gab. Die Planung basierte auf dem Umweltzeichen der HafenCity Hamburg, einem weniger umfangreichen Vorgänger des DGNB-Gütesiegels. Trotzdem erfüllt das UnileverGebäude gut die Hälfte der Kriterien des DGNB. Kriterien wie z. B. Lebenszykluskosten oder Ökobilanzen gab es damals allerdings noch nicht. Das angestrebte Zertifikat HafenCity Gold entspricht einem Primärenergiebedarf von weniger als 100 kWh/m2/a. Das Beispiel Unilever zeigt, dass die im DGNB-Gütesiegel geforderten Punkte, besonders die soziokulturellen, teilweise bereits seit Jahren zum Architektenalltag gehören, aber oft nicht oder nur unzureichend beachtet worden waren. Der Anspruch der Ganzheitlichkeit wird deutlich, weil ein

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Gebäude überall punkten muss: soziokulturell, ökonomisch über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet und ökologisch, wenn es z. B. um die Materialwahl geht. Der Standort HafenCity bietet durch seine prominente Lage von Haus aus wichtige Vorteile: Anbindung an den ÖPNV, Nähe zu Einrichtungen des täglichen Bedarfs, traumhafte Lage am Wasser. Er birgt aber auch Tücken: regelmäßiges Hochwasser und starker Wind stellen Herausforderungen an die Architekten. Die Standortqualität wird zwar im Gütesiegel separat ausgewiesen und geht nicht in die Gesamtnote ein, hat aber Auswirkungen auf andere Kriterien. Beispiel: Gewünscht war beim Unilever-Gebäude eine Fensterlüftung mit außen liegendem Sonnenschutz für die individuelle Bedienung durch die Nutzer. Wegen der starken Winde am Standort war eine zweite Haut erforderlich, die den Wind von den Sonnenschutzanlagen abhält. Anders wäre eine Fensterlüftung auch nicht möglich gewesen. Als zweite Haut wurde eine EFTE-Folie gewählt, die wesentlich leichter ist als eine Glasfassade und somit die statische Belastung reduziert. Außerdem bietet sie einen leichten Sonnenschutz bei freiem Ausblick. In der Herstellung und im Recycling benötigt sie weniger Energie als eine Glasfassade, was sich positiv auf die Lebenszykluskosten auswirkt. Da sich das Gebäude direkt beim Kreuzfahrtterminal befindet, muss an Tagen, an denen ein Schiff vor Anker geht, eine mechanisch gefilterte Belüftung garantiert werden. Bei prognostizierten 30 Tagen mit Schiffen vor Anker zu Planungsbeginn wäre sehr viel Energie in die Lüftungsanlage gegangen. Es lag nahe, für die verbleibenden 335 Tage im Jahr eine natürliche Fensterlüftung mit einem geringeren Primärenergieverbrauch zu ermöglichen. Im soziokulturellen und funktionalen Bereich sind viele Maßnahmen inzwischen Architektenalltag: hoher visueller, akustischer und thermischer Komfort, barrierefreie und öffentliche Zu-

Deutsches Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen (DGNB) Forderungen nach nachhaltigen Bürokonzepten sind nicht mehr allein auf quantitativ erfassbare Umweltaspekte und Energiebedarf beschränkt. Investoren und Arbeitgeber legen Wert auf energieeffiziente, Ressourcen schonende und behagliche Gebäude. Das Deutsche Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen ist somit ein Instrument zur Bewertung von Büro- und Verwaltungsgebäuden, das neben den Themen Energieverbrauch und Ressourcenschonung auch die Schaffung von öffentlichen Aufenthaltsbereichen, Einflussnahme des Nutzers auf Heizung, Beleuchtung und Innenraumluftqualität oder auch Flächeneffizienz in die Bewertung der Gebäude einfließen lässt.

gänglichkeit z. B. in Form eines attraktiven, mit den verschiedensten Nutzungen bespielten Atriums etc. Nachhaltigkeit ist aber nicht nur Sache des Architekten, sie muss auch Anliegen des Bauherrn sein. Unilever als Langzeitmieter hatte hohe Ansprüche hinsichtlich Komfort und Wohlbefinden der Mitarbeiter an die Architektur formuliert. Dazu zählten neben hohem Tageslichtanteil und guter Bedienfreundlichkeit der direkten Arbeitsumgebung auch zertifizierte und umweltfreundliche Produkte für den Innenausbau und eine hohe Flexibilität für den Arbeitsalltag. So ermöglichen Meetingpoints auf den Galerien informelle Kommunikation. Gleichzeitig erhöhen sie ganz nebenbei die Flächeneffizienz. Die Bürobereiche sind als Großraumbüros so flexibel, dass ohne aufwendige Umbaumaßnahmen auch Zellenbüros möglich sind. Aus dem Wunsch nach einem geringen Primärenergiebedarf ist u. a. eine Kooperation mit der Firma Nimbus entstanden, die zur Entwicklung neuer Beleuchtungskonzepte und -produkte geführt hat. Das gesamte Gebäude ist fast ausschließlich mit LED beleuchtet, was den Strombedarf, die Wartungsintensität und die Kühllast reduziert. Ein anderes wichtiges Kriterium des DGNB ist die Prozessqualität. Hier wird u. a. abgefragt, ob es von Anfang an eine Zielvereinbarung mit dem Bauherrn zur Nachhaltigkeit gab, ob das Planungsteam umfassend und integral besetzt war und ob der Anspruch an die Nachhaltigkeit auch in den Ausschreibungstexten hinterlegt war. SYM 1/2010


kontingentflüchtlinge

»Resettlement« – neue Hoffnung für irakische Flüchtlinge? Bei der Tagung »Zwischen Willkommenheißen und Ausgrenzen« in der Akademie Bad Boll ging es Mitte Januar um eine Evaluierung des »Resettlement-Programms« des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR). Seit rund einem Jahr treffen Flüchtlinge aus dem Irak in Deutschland ein, die sich hier langfristig ansiedeln dürfen. Das Programm ist gedacht für besonders schutzbedürftige Menschen: zum einen Mitglieder von verfolgten ethnischen oder religiösen Minderheiten, aber auch Folteropfer, traumatisierte Menschen, chronisch Kranke oder alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern. Das Bundesinnenministerium hat noch weitere Kriterien zur Auswahl festgelegt. Politische Extremisten sollen ausgeschlossen sein, während Personen, die über einen hohen Schulbildungsgrad oder Deutschkenntnisse verfügen und damit als besonders integrationsfähig gelten, bevorzugt werden. Sehr gute Chancen haben irakische Flüchtlinge mit in Deutschland lebenden Verwandten. Ende 2008 hatte das UNHCR in den Lagern Syriens und Jordaniens Personen identifiziert, die für eine Aufnahme in Deutschland oder anderswo in der EU qualifiziert schienen. Eine Diskussion unter den EU-Innenministern hatte im November 2008 zu dem Entschluss geführt, insgesamt 10.000 Menschen in der EU Asyl zu gewähren, einem Viertel davon in Deutschland. Im Dezember 2008 trafen dann Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration (BAMF) in Syrien und Jordanien ein und begannen mit Interviews, wobei sie weitgehend auf die Listen des UNHCR zurückgriffen.

ter und deren Kinder sowie 94 Personen (und deren Angehörige) mit medizinischem Hilfsbedarf. Drei Viertel der Asylberechtigten erfüllen also das Kriterium, einer verfolgten Minderheit anzugehören: 1087 sind Christen, 447 Mandäer und eine(r) Yezide. Für Dr. Elke Tießler-Marenda vom Deutschen Caritas Verband widerlegen diese Zahlen die anfängliche Kritik mancher Asyl-Aktivisten, die eine einseitige Bevorzugung von Christen befürchteten: »Menschen im Irak verfolgen Christen. Und deshalb sind Christen eine der Gruppen, die den Kriterien entsprechen, die das UNHCR – und nicht die Kirchen – gebildet hat. Wenn es keine Christenverfolgung im Irak gäbe, gäbe es auch keine christlichen Irakflüchtlinge in Deutschland.« Die Juristin im Referat für Migration und Integration der Caritas erinnerte auf der Tagung in Bad Boll an die Situation von Migranten und Flüchtlingen auf der ganzen Welt. Sie machte deutlich, wie gering der Anteil Europas bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist und wie schwer es für diese geworden ist, Deutschland zu erreichen und ihren Status zu legalisieren. Daher kommt auch die hohe Zahl an Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben, darunter rund 8.000 Irakerinnen und Iraker.

In Deutschland lebende Flüchtlinge haben das UNHCR oft gebeten, ihre Familienmitglieder aus Lagern in Syrien oder Jordanien für das Resettlement-Programm vorzuschlagen. Dies hatte teils absurde Folgen: So lebt nun in Tübingen ein »illegal« eingereister Iraker in Duldung zusammen mit seiner gerade eingereisten Mutter, die das Aufenthaltsrecht hat. Angesichts der menschenunwürdigen und gefährlichen Lebenssituationen befürDie ersten Flüchtlinge des Resettleworten beide Kirchen und ihre Hilfsment-Programms kamen Mitte März werke grundsätzlich den geregelten 2009 in Deutschland an – inzwischen und legalen Zuzug in Form von solsind es laut Statistik des BAMF derchen Programmen. Nele Allenberg, zeit 2069 Irakerinnen und Iraker. Da- juristische Referentin beim Bevollrunter sind 93 alleinerziehende Müt- mächtigten des Rates der EKD, trug SYM 1/2010

bei der Fachtagung in Bad Boll die Argumente vor, die für eine Erneuerung der deutschen Asylpolitik in diesem Sinne sprechen: Die EKD fordert

Die ersten 122 Irak-Flüchtlinge trafen am 19. März 2009 in Deutschland ein.

eine dauerhafte und regelmäßige Zusammenarbeit mit dem UNHCR in Resettlement-Programmen. Dafür sprächen drei Gründe: Deutschland würde ein Zeichen der Solidarität gegenüber Drittstaaten setzen, die unvergleichbar stärker von dem Weltflüchtlingsproblem betroffen sind als Europa. Zudem sind diese Programme geeignet, besonders schutzbedürftigen Personen zu helfen, da sie vor Ort ansetzen – Familien oder Kranke schaffen es aus eigener Kraft ja kaum, nach Europa zu gelangen. Und letztlich stellen diese Programme einen legalen Weg der Einreise dar und unterlaufen die Schlepperorganisationen. Weitere Vorteile einer regelmäßigen Teilnahme an Resettlement-Programmen seien Planungssicherheit sowie die Möglichkeit, besonders betroffene Regionen gezielt zu entlasten. Nele Allenberg gab sich zuversichtlich, dass sich auch die neue Bundesregierung dem Thema nicht verschließen werde. Das derzeitige Programm wird nach seinem Abschluss im April auf deutscher und EU-Ebene ausgewertet. Aus Sicht der EKD müsste es durch eine weitere UNHCR-Maßnahme, der sogenannten »Relocation«, also Aufnahme von Flüchtlingen aus sicheren Drittstaaten ergänzt werden. Just während der Tagung in Bad Boll gab das Bundesinnenministerium bekannt, 100 Bootsflüchtlinge aus Malta aufzunehmen, die aus Eritrea, Somalia und dem Sudan stammen. Kai Laufen, SWR-Reporter

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moldawien

Versteckt und unsichtbar – lesbisch leben in Moldawien Januar 2010: Ein Poster in Tübingen lädt ein zur fröhlichen lesbischschwulen-»Luscht-Party«. Undenkbar in einem Land wie Moldawien, dem ärmsten Land Europas, in dem Lesben und Schwule noch immer Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt sind. Zwei Frauen, Natalia und Mihaela aus Moldawien kamen kurz vor Weihnachten zu der Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll »Yes, we are here! Lesben in Mittel- und Osteuropa« und berichteten von ihrer schwierigen und bedrückenden Situation. Befreiend nahmen sie die geborgene Atmosphäre in Bad Boll wahr, in der sie ohne Verstellung und Lügen von ihren Problemen reden konnten. Mihaela, 35, ist geschäftsführende Direktorin von »HomoDiversus«, einer Organisation, die sich für lesbische Frauen einsetzt, für die Implementierung des Antidiskriminierungsgesetzes in Moldawien und für die soziale Akzeptanz benachteiligter Gruppen wie z. B. Frauen. Über die Situation der Lesben in Moldawien sagt sie: »Das Leben in Moldawien ist für uns sehr hart. Du musst unsichtbar sein und ein Doppelleben führen. Dieses Versteckspiel und die eigenen Selbstzweifel führen in vielen Fällen dazu, dass die Frauen trinken und manchmal auch Drogen nehmen.« Bei einer Studie, in der 45 lesbische Frauen befragt wurden, kam heraus, dass 60 Prozent der Befragten bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hatten und dass 80 Prozent der Frauen der Gedanke an Suizid umtreibt. Die Gesellschaft, die stark geprägt ist von der orthodoxen Kirche und Homosexualität völlig ablehnt, macht es sich mit den Vorurteilen leicht: Lesben nehmen Drogen, trinken und rauchen – sie sind eben schlechte Menschen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass an den Universitäten noch gelehrt wird, dass Homosexualität eine Krankheit ist (Die Weltgesundheitsorganisation hat einen entsprechen-

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den Passus in der JCD 1992 entfernt.). Durch den traditionell starken Familienzusammenhalt in Moldawien und durch die schlechte Arbeitsmarktlage sind junge Menschen besonders betroffen. Mihaela: »Sie sind sehr stark von ihren Familien abhängig und müssen befürchten, dass sie rausgeworfen werden. Es gibt Mütter, die sagen, mir ist es lieber, meine Tochter ist Prostituierte als Lesbe.« Mihaela hat Journalismus studiert, als 20-Jährige einen Studienkollegen geheiratet und einen Sohn geboren. Neben Universität und Kindererziehung arbeitete sie abends als Rumänischlehrerin. Zudem war sie in der Öffentlichkeitsarbeit der Siebenten-TagsAdventisten aktiv. Schon als Kindergartenkind hatte sie ein unbestimmtes Gefühl, anders zu sein. Erst mit 27 (»ich war ja völlig uninformiert«) kam sie zu der Einsicht, dass sie lesbisch sei und ließ sich von ihrem Mann scheiden. »Ich fühlte mich sehr befreit. Auch wenn das Leben sehr schwierig wurde, bin ich für mich ausgeglichen und im Lot.« Sie trat auch aus der Kirche aus, als sie sah, wie dort Frauen behandelt werden und dass alle Kirchen Homosexualität völlig tabuisierten. Mihaela arbeitete für das Frauen-Programm der damals einzigen LGBT-Organisation (lesbian, gay, bisexual, transgender) in Moldawien und bekam dadurch die Gelegenheit, das Europäische Forum christlicher LGBT-Gruppen zu treffen. Mihaela: »Das hat mich darin bestärkt, dass ich Lesbe und Christin gleichzeitig sein kann.« Seit zwei Jahren gibt es HomoDiversus, eine NGO, die zu einem Netzwerk europäischer Gruppen gehört. Mit Unterstützung von Freunden der Metropolitan Community Churches haben Mihaela und andere mit der Bibel-Lektüre begon-

nen. Sie mieten immer wieder sichere Plätze an geheimen Orten an, um gemeinsam Weihnachten, Neujahr und Ostern zu feiern.

Mihaela und Natalia kommen aus Moldawien.

Die EU unterstützt seit dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen von 1998 den Aufbau der Marktwirtschaft sowie einer funktionierenden Demokratie in Moldawien. Im Januar 2010 wurden in der Hauptstadt Chi˛sinˇau Assoziierungs-Gespräche mit dem osteuropäischen Land aufgenommen. Mihaela sagt, die meisten Menschen in Moldawien wollen zwar die Vergünstigungen des Westens nutzen, wie etwa Reisefreiheit und wirtschaftliche Vorteile, beharren aber auf ihrem Gesellschaftsbild, das vom orthodoxen Glauben und »nationalen Werten« geprägt ist. Seit 1991 gilt Homosexualität in Moldawien zwar nicht mehr als Straftat, aber es gibt noch kein Anti-Diskriminierungsgesetz, wie es die EU im Rahmen eines Aktionsplans »Neighbourhood Policy« von 2008 einfordert. Und obwohl Moldawien seit April ein neues Gesetz zur Gewährung der Versammlungsfreiheit beschlossen hat, wurde im Mai 2009 eine angemeldete Demonstration von Schwulen und Lesben vor dem Regierungsgebäude von 300 aggressiven Gegendemonstranten verhindert. Die Demonstranten hatten gefordert, dass die Regierung endlich das Antidiskriminierungsgesetz beschließen möge. Die Polizei schaute zu und griff nicht ein. Martina Waiblinger

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vorschau

Was kommt? Tagungen vom 19. März bis 31. Juni 2010 »Freiheit, die ich meine« Muslime in der Demokratie 19.-21. März 2010, Bad Boll Nach dem Schweizer Minarettverbot sind alte Fragen neu aktuell: Gibt es Islamophobie in Europa? Wie verstehen Muslime in Deutschland Demokratie? Wie verhält sich der Islam zur Freiheit? Welche Forderungen stellen Muslime an die deutsche Gesetzgebung? Tagungsnummer: 641610 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Dieter Kleinmann Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/641610.pdf

Der Schikane keine Chance III. Fachkongress für MobbingBerater, Betriebs- und Personalräte 19.-21. März 2010, Bad Boll An den Arbeitsplätzen verschärft sich die Konflikt- und Belastungssituation weiter. Immer mehr Beschäftigte klagen über Schikanen, Ausgrenzung, körperliche und psychische Erkrankungen. Es geht um neue Erkenntnisse zum Thema Mobbing, rechtliche Möglichkeiten, Enttabuisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz und um Netzwerke zur Prävention. Tagungsnummer: 210210 Tagungsleitung: Volker Stücklen, Josef Krebs, Martin Zahner, Klaus-Peter Spohn-Logé Infos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax 9823323 ingrid.brokelmann@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/210210.pdf

Integrationsfachdienste: Arbeit und Struktur im Wandel 22.-24. März 2010, Bad Boll Andere Klientengruppen und Diagnosen, Zunahme psychischer Beeinträchtigungen, neue Berufsgruppen: Veränderungen in der Arbeitswelt führen zu einem Wandel in den Integrationsfachdiensten. Die VerantworSYM 1/2010

tung in neuen Strukturen, politische Zielrichtung und Rahmenbedingungen für die Arbeit in Vermittlung und Begleitung sind unsere Schwerpunkte. Tagungsnummer: 400110 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Ulrike Leipersberger Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/400110.pdf

Kommunikation: Körpersprache als Führungsinstrument 24.-25. März 2010, Bad Boll Die Körpersprache ist ein besonders wichtiges Ausdrucksmittel. Sie lernen, Körpersprache besser zu verstehen und Ihren Körper effektiver für Ihre Kommunikationsziele einzusetzen. Dabei stehen sowohl der öffentliche Auftritt als auch der Austausch zwischen Mensch und Mensch im Mittelpunkt. Tagungsnummer: 450310 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450310.pdf

Schätze der Schulentwicklung – Eine Veranstaltungsreihe Achtsamkeit in der Schule 25. März 2010, Bad Boll Es fehlt nicht an Anregungen: Preisgekrönte Schulen, Unterrichtseinheiten, überzeugende Vordenker. Diese Reihe gibt Ihnen Gelegenheit, sich zu informieren und mit anderen engagierten Pädagoginnen und Pädagogen in Austausch treten. (Weitere Termine: 20.5., 8.7, 30.9., 26.11.2010) Tagungsnummer: 501710 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501710.pdf

Klimaschutz in kleineren Kommunen Workshop zu Energieeffizienz, Energie sparen & erneuerbare Energien 26. März 2010, Bad Boll Nach dem Versagen internationaler Klimapolitik sind besonders die Kom-

munen gefordert, mit gutem Beispiel voran zu gehen, fossile Energien zu substituieren und entsprechend Geldströme in regionale Wirtschaftskreisläufe umzulenken. Wie können Rathäuser und Bürger für eine ehrgeizige Klimaschutzpraxis gewonnen werden? Tagungsnummer: 610610 Tagungsleitung: Jobst Kraus Infos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax 79-5270 romona.boeld@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/610610.pdf

Bindung und Adoption Risiko- und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Adoptivkindern 27.-28. März 2010, Bad Boll Adoption ist ein tief greifendes Erlebnis für alle Beteiligten. Wir fragen, wie Adoption gelingen kann, trotz früher seelischer Verletzungen durch Bindungsverluste und Wechsel, oder eine fremde Kultur. Wir wollen helfen, die Potenziale der Bindungsfähigkeit zu stärken und fragen, wie seelische Widerstandskraft (Resilienz) gefördert werden kann. Tagungsnummer: 460310 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Birgit Loose Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics 29.-31. März 2010, Bad Boll Rechtsextreme nutzen Comics beim »Kampf um die Köpfe«. Andererseits sollen Comics in der politischen Jugendbildung und im Unterricht der rechtsextremen Meinungsbildung aufklärerisch entgegenwirken. Fachleute aus vier Ländern informieren über Geschichte, Theorie, Forschung und Praxis. Inhalte, Funktion und Wirkung der Comics von und gegen Rechts werden interdisziplinär diskutiert. Tagungsnummer: 480610 Tagungsleitung: Michael Scherrmann, Klaus Farin Infos: Karin Walz, Tel. (07164) 79-402, Fax 79-5402 karin.walz@ev-akademie-boll.de

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vorschau Angebot in den Osterferien Leben im Netz? Multimediacamp für Kinder, Jugendliche und Erwachsene 5.-9. April 2010, Bad Boll Wichtige Teile des täglichen Lebens haben sich ins Internet oder in Handynetze verlagert. Communities wie schuelerVZ, studiVZ oder Facebook bekommen immer mehr Zulauf. In Computerworkshops werden verschiedene Arten der virtuellen Vernetzung vorgestellt und kritisch reflektiert. Dazu gibt es Bewegungsworkshops wie Circus oder InlineSkating für Anfänger und Fortgeschrittene.

Tagungsnummer: 660410 Tagungsleitung: Volker Steinbrecher Infos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 ilse.jauss@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/660410.pdf

Räume spiritueller Wandlung Das Purgatorium in Dantes Göttlicher Komödie 31. März bis 4. April 2010, Bad Boll Mit Vorträgen, Rhythmus-, Körperund Gruppenarbeit werden wir den Stationen des Dantischen Läuterungsberges in den neuen Räumen der Evangelischen Akademie Bad Boll nachgehen und sie mit unserem eigenen spirituellen Weg in Beziehung bringen. Tagungsnummer: 510110 Tagungsleitung: Dr. Brigitte Furche Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Das neue Sein Die Christologie Paul Tillichs 9.-11. April 2010, Bad Boll Paul Tillich, einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts, hat die heute wieder aktuelle Frage nach

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dem historischen Jesus kaum interessiert. In Jesus sieht er aber die SelbstManifestation Gottes. Gott erscheint als Person, so dass wir ihn nur in seinem personhaften Leben erkennen können. Was heißt dann aber: »Der Christus ist Jesus und die Negation Jesu?« Tagungsnummer: 641210 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/641210.pdf

Vernissage Arbeiten aus der Kunsttherapie 12. April 2010, Bad Boll Siehe Seite 8 »Macht das noch Sinn?« Ethische Fragen der Fürsorge im Alter 12.-14. April 2010, Bad Boll Ob es sich um die Anlage einer Ernährungssonde, um eine Fixierung oder die Umsetzung einer Patientenverfügung geht, immer geht es um Entscheidungen, die unsere Ethik und unser Menschenbild berühren. Ein Verständnis der medizinisch-pflegerischen, rechtlichen und theologischethischen Aspekte hilft dem Seelsorgenden, solchen Situationen standzuhalten und präsent zu bleiben. Tagungsnummer: 410310 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Infos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-262 simon.lademann@ev-akademie-boll.de

Abschied von der Erwerbsarbeit Aufbruch ins Morgen – Weichen stellen 14.-17. April 2010, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhe- und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Diesen Abschnitt ernst zu nehmen und neue Chancen dieser Phase zu erkennen, ist Ziel des Seminars. Für Menschen am Ende ihrer Berufstätigkeit und ihre PartnerInnen. Tagungsnummer: 210410 Tagungsleitung: Volker Stücklen, Margit Metzger Infos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax 9823323 ingrid.brokelmann@ev-akademie-boll.de

Kirche nachhaltig steuern! Kirchliches Finanzmanagement 15.-16. April 2010, Bad Boll Langfristig werden die Einnahmen der evangelischen Kirchen schrumpfen. Das Finanzmanagement soll Steuerungsprozesse entwickeln, mit denen wichtige Bereiche der Arbeit auch künftig ausreichend finanziert und notwendige Kürzungen in der Umsetzung gut begleitet werden können: ein Blick in die Kirchen, in die Ökumene und die öffentlichen Haushalte. Tagungsnummer: 620210 Tagungsleitung: Falk Schöller Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Herausforderung Globalisierung: Interkulturelles Lernen in der Arbeitswelt 12.-13. April 2010, Bad Herrenalb Die Globalisierung stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. In der internationalen Arbeitsteilung muss Rücksicht genommen werden auf verschiedene Kulturen und unterschiedliche religiöse Prägungen. Global engagierte Unternehmen werden befragt zu ihrem Selbstverständnis und zur Umsetzung interkultureller Leitbilder. Tagungsnummer: 250610 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Klaus-Peter Spohn-Logé, Herbert Lucan

Die Ehre des Schöffenamtes Tagung für Schöffinnen und Schöffen sowie andere Interessierte 16.-18. April 2010, Bad Boll Schöffinnen und Schöffen bestätigen durch ihre Mitwirkung an der Rechtsprechung die Urteilsformel »Im Namen des Volkes«. Wer ehrenamtlich Recht spricht, benötigt deshalb angemessene Kompetenzen. Die Tagung bietet neben Unterstützung und Informationen über Strafgerichtsbarkeit und Resozialisierung zugleich Grundinformationen über den sozialen Rechtsstaat.

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was kommt ... Tagungsnummer: 520510 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233

Tagungsnummer: 450410 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232

gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/520510.pdf

wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Alexander der Große und das Heilige Land oder Roxanes Badwanne 16.-18. April 2010, Bad Boll Alexander der Große: Ein Energiebündel sonder Gleichen! Kaum hat er eine

Projektwerkstatt 21 20.-21. April 2010, Bad Boll In Form einer Zukunftswerkstatt werden Projekte aus den Bereichen »Eine Welt«, Toleranz und »Soziales Miteinander« vorgestellt, geplant und konkrete Handlungsmöglichkeiten für die teilnehmenden Schulen eröffnet. Tagungsnummer: 480310 Tagungsleitung: Michael Scherrmann Infos: Karin Walz, Tel. (07164) 79-402, Fax 79-5402 karin.walz@ev-akademie-boll.de

Schlacht geschlagen, reitet er auf seinem Bukephalos (das Pferd, dem er ein Denkmal setzte) direkt in die nächste. Der Nahe Osten ist nicht genug – es muss Indien sein. Ein Kulturträger und Ekel. Ausgewiesene Fachleute analysieren den historischen Hintergrund und erstellen eine Kritik der Verfilmung. Noch nie hat es eine so intensive Kommunikation zwischen Ost und West gegeben wie nach Alexander. Tagungsnummer: 502510 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/502510.pdf

Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden. Selbst- und Zeitmanagement im Berufs- und Privatleben 19.-21. April 2010, Bad Boll Praktische Ethik für Menschen in Entscheidungssituationen. In diesem Seminar wird gezeigt, wie sich dieses Modell schrittweise üben und konkret anwenden lässt. SYM 1/2010

Demokratie 2.0 – Barcamp Bad Boll 24. April 2010, Bad Boll Das Barcamp ist eine neue Form des Zusammentreffens auf der Basis gemeinsamer Interessen. Sie setzt die aktive Beteiligung der Anwesenden voraus. Thema dieses Barcamps ist das Bürgerengagement in digitalen Medien. Tagungsnummer: 531410 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Vanessa Diemand Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Herausforderung Klimawandel – Bergsport mit Verantwortung Alpinismustagung 30. April - 2. Mai 2010, Bad Boll Für den Alpenraum und damit auch für den Bergsport sind die Folgen des Klimawandels schon heute besonders drastisch. Wie sich der Deutsche Alpenverein, seine Sektionen und Mitglieder dazu verhalten, wird auf dieser Tagung dargestellt und diskutiert, konkrete Handlungsempfehlungen werden erarbeitet. Tagungsnummer: 660810 Tagungsleitung: Volker Steinbrecher Infos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 ilse.jauss@ev-akademie-boll.de

Zukunftswerkstatt Nachhaltigkeit in der Zivil-milt. Zusammenarbeit Leitlinien für gelingende Friedenssicherung 5.-7. Mai 2010, Bad Boll Bei Einsätzen internationaler Streitkräfte kommt es verstärkt zur Zusammenarbeit von Militär, Vorfeldorganisationen und NGOs. Wir fragen, unter welchen Bedingungen es zu einer solchen Zusammenarbeit kommen kann, was die Voraussetzungen für die jeweiligen Partner sind, welche Rolle sie sich für sich selbst vorstellen und welches Konzept von Nachhaltigkeit das jeweilige Engagement prägt. Ziel ist es, Leitlinien für eine Zusammenarbeit zu entwickeln. Tagungsnummer: 670210 Tagungsleitung: Matthias Wanzeck, Dr. Manfred Budzinski Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Glaube – Liebe – ? Theater im Dialog 7.-9. Mai 2010, Bad Boll »Glaube – Liebe – Geld«: Im Spielzeitmotto des Schauspiel Stuttgart macht das Geld der Hoffnung den Platz streitig. Dieser These zur Deutung der Gegenwart hängt schon Shakespeare an, wenn er im antiken Rom seines »Titus Andronicus« die frühkapitalistischen und kolonialpolitischen Verhältnisse seiner Zeit durchscheinen lässt. Hintergründe zum Stück und Besuch der Inszenierung des Stuttgarter Hausregisseurs Volker Lösch. Tagungsnummer: 530410 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Beraten und verkauft? Das Beratungswesen zwischen Ökonomisierung und Humanität 7.-9. Mai 2010, Bad Boll Ohne Beratung lassen sich heute kaum noch Unternehmen, soziale Einrichtungen, Kultur oder Politik organisieren und steuern. Alle Lebensbereiche stehen unter einem Ökonomisierungsdruck, dem mit betriebswirtschaftlichen Tools zur Effizienzstei-

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was kommt ... gerung begegnet wird. Die Tagung stellt das Beratungswesen auf den Prüfstand und fragt nach Ansätzen, die Respekt und Wertschätzung in den Vordergrund rücken. Tagungsnummer: 400810 Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Dr. Rainer Funk Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Globalisierung kritisieren und gestalten. Zur Aufgabe der Weltmission heute 8. Mai 2010, Bad Boll Weltmission ist Globalisierung auf christliche Art. Die Bundesregierung sieht Chancen und will die Globalisierung gestalten. Kritiker sehen Gefahren und stellen sie in Frage. Welche Positionen beziehen Christen, die die Ökumene als weltweite Verpflichtung zu Frieden und sozialer Gerechtigkeit verstehen? Tagungsnummer: 640510 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de

Offene Spielräume Der gegenseitige Nutzen von Jugendfarmen und Schulen 17.-18. Mai 2010, Bad Boll In Jugendfarmen steht soziales Lernen im Mittelpunkt: Kinder und Jugendliche erforschen die Lebensweise von Tieren, setzen sich eigene Ziele, führen Gespräche mit Sozialpädagogen. Immer geht es um fantasiereiches und selbst verantwortetes Lernen. Für Schulen – und keineswegs nur für Ganztagsschulen – sind Jugendfarmen daher ideale Partner. Tagungsnummer: 502210 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Mitbestimmung in der Krise 17.-18. Mai 2010, Bad Boll Der Interessensausgleich zwischen den Vertretern von Arbeit und Kapital hat in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und zum sozialen Frieden

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Zwei Akademiereisen an Pfingsten Zum Berg der Diener Gottes – Akademiereise in die Osttürkei 22. Mai bis 2. Juni 2010, Akademiereise »Berg der Diener Gottes« wird der Tur Abdin in der Türkei genannt. In seiner Umgebung entstanden vor der islamischen Eroberung zahlreiche Klostersiedlungen. Noch immer leben dort orthodoxe Christen, oft angefeindet von ihren Nachbarn. Wir wollen sie kennenlernen auf dieser Reise von Urfa über Mardin und Midyat nach Diyarbakir. Reiseleitung: Wolfgang Wagner Tagungsnummer: 640610. Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347, irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de Programm: www.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/640610.pdf

Den Libanon entdecken – Begegnungen und Bergtouren 24. Mai bis 5. Juni 2010, Akademiereise Entdecken Sie ein spannendes Land mit einer reichen Geschichte, 18 Religionsgemeinschaften und – noch immer – einer Vielzahl von Problemen. Drei Bergtouren bringen uns zu Klöstern und in Zedernreservate. Ferner führt die Reise zu phönizischen Städten, römischen Tempelanlagen, ans Meer und ins moderne Beirut. Mit Einheimischen diskutieren wir über die aktuelle Politik, Religion und Kultur. Reiseleitung: Martina Waiblinger Tagungsnummer: 100110. Infos: Monika Boffenmayer, Tel. (07164) 79-305, Fax 79-5305, monika.boffenmayer@ev-akademie-boll.de Programm: www.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/100110.pdf

Vorschau: Akademie-Ferienprogramm in den Sommerferien Ferienwoche kreativ: Im Aufwind! 1.-7. August 2010 Programm: www.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/330110.pdf Tagungsleitung: Sigrid Schöttle, Tel. Sekretariat Ilse Jauss: (07164) 79-229 geleistet. Partizipation und Kommunikation, im Betrieb und überbetrieblich, sind Kennzeichen für Demokratie und Beteiligungsgerechtigkeit. Doch die Mitbestimmung hat an Selbstver-

ständlichkeit eingebüßt. Eine Vergewisserung im Geiste des Protestantismus und partnerschaftlicher Verantwortung ist geboten. Tagungsnummer: 270510 SYM 1/2010


was kommt... Tagungsleitung: Jens Junginger, Esther Kuhn-Luz Infos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de Klimaschutz – Weltweite Herausforderung an Politik, Wirtschaft und individuelles Verhalten 19.-20. Mai 2010, Bad Boll Der Weltgipfel in Kopenhagen machte erneut deutlich: Wir brauchen rasch verbindliche internationale Übereinkünfte für den Klimaschutz. Die europäische Gesetzgebung und Klimaschutzpolitik bilden den Rahmen für klimafreundliches Wirtschaften und Verhalten – umgesetzt wird Klimaschutz vor Ort in den Kommunen. Tagungsnummer: 451010 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Gerald G. Sander Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Schätze der Schulentwicklung – Eine Veranstaltungsreihe Kunst verändert Schule 20. Mai 2010, Bad Boll Text siehe Seite 17, 25. März 2010 (Weitere Termine: 8.7, 30.9., 26.11.10) Tagungsnummer: 501810 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501810.pdf

Clown zu Pfingsten 27.-30. Mai 2010, Bad Boll Die experimentelle Prozessarbeit des Clownkurses wird Karl Metzler mit Impulsen aus der jüdisch-christlichen Pfingsttradition ergänzen. Tagungsnummer: 510210 Tagungsleitung: Dr. Brigitte Furche Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Döner und Demokratie Jugendbildung in der multikulturellen Gesellschaft 10.-12. Juni 2010, Bad Boll Die »Mehrheitsgesellschaft« ist Vergangenheit. Welche Methoden und InSYM 1/2010

Das vollständige Tagungsprogramm finden Sie samt Preisen im Internet unter: www.ev-akademie-boll.de/ akademieprogramm

halte politischer Jugendbildung sind brauchbar und wünschenswert unter den veränderten Bedingungen? Welches politische Wissen können wir voraussetzen, welches müssen wir vermitteln? Wie können junge Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden? Tagungsnummer: 311210 Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Viktoria Pum, Michael Scherrmann, Sigrid Schöttle, Marielisa von Thadden Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Partner für den Frieden in Nahost Mit Hamas und Fatah reden 11.-13. Juni 2010, Bad Boll Warum wird die Hamas vom Westen isoliert, die früher als Terrorgruppe bezeichnete Fatah dagegen umworben? Die Hintergründe beider Strömungen und die Eskalationen zwischen ihnen werden ebenso diskutiert wie Ansätze für einen Dialog. Warum ist es für die Israelis wichtig, mit beiden zu reden? Was trauen wir uns in Deutschland bezogen auf den Konflikt zu? Eine Tagung im Gespräch mit Vertretern von Hamas, Fatah und aus Israel, mit deutschen Abgeordneten und Fachleuten. Tagungsnummer: 430410 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Wiltrud Rösch-Metzler Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Ist eine andere Weltwirtschaft möglich? Wirtschaftskonzepte im weltweiten Wettstreit 11.-13. Juni 2010, Bad Boll Wirtschaftsordnungen müssen dem Menschen und dem Leben dienen. Dabei liegen weltweit bereits realisierte Konzepte im Wettstreit. Wird der neoliberale, angelsächsische Kapitalismus nach der Wirtschafts- und Finanzkrise als Leitmodell abgelöst?

Bieten existente staatskapitalistische, neo-sozialistische oder islamische Modelle Ansätze für eine gerechtere Ordnung der Wirtschaft? Tagungsnummer: 670410 Tagungsleitung: Matthias Wanzeck, Dagmar Bürkardt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Deutsch-türkischer Mediendialog 12.-13. Juni 2010, Bad Boll Die Tagung bietet eine Plattform zum Austausch und zur Verständigung zwischen deutschsprachigen Journalisten und türkisch-europäischen Medienvertretern. Diskutiert werden Fragen zur Art ihrer Berichterstattung sowie zur Rolle und Funktion der Medien im Integrationsprozess. Tagungsnummer: 531310 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Erhard Brunn Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Fundraising macht Schule – Schule macht Fundraising! Fundraising für öffentliche und private Schulen und Internate 16.-17. Juni 2010, Bad Boll Private wie öffentliche Schulen und Internate verfügen über Stärken, die für das Fundraising genutzt werden können. Fundraising ist kontinuierlicher Beziehungsaufbau und Beziehungspflege. Als Teil eines engagierten Schulleitungsteams erhalten Sie hier das nötige Wissen und Handwerkszeug, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Damit hat Ihre Schule im Wettbewerb um pädagogisches Profil die Nase vorne. Tagungsnummer: 450510 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Wolfgang Mayer Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de

Abschied von der Erwerbsarbeit Aufbruch ins Morgen - Weichen stellen 16.-19. Juni 2010, Bad Boll Den Abschied aus der Erwerbsarbeit bewusst gestalten, die neue Lebens-

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vorschau phase mutig angehen: Tipps, Anregungen und Übungen. Tagungsnummer: 760110 Tagungsleitung: Sigi Clarenbach Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Altenhilfe auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Grenzüberschreitende Dienstleistungen aus Osteuropa? 18.-19. Juni 2010, Bad Boll Es geht um »Gewinner« und »Verlierer« am Beispiel Altenhilfe. Die vollständige Freizügigkeit in der EU naht. Verdrängen billige Anbieter aus Osteuropa etablierte Altenhilfeträger und unterlaufen bisherige Standards? Welche Folgen haben Mobilität und grenzüberschreitende Dienstleistungen? Tagungsnummer: 430210 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Johannes Flothow Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de Interkulturelle Kompetenz vor Gericht. Menschen mit Migrationshintergrund und die Justiz 18.-20. Juni 2010, Bad Boll Wie kann die Kommunikation in justiziellen Zusammenhängen unter Menschen mit verschiedenem kulturellen Hintergrund gelingen? Tagungsnummer: 520310 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Evolutionäre Ethik? Zum Trialog zwischen egoistischen Genen, kooperativen Menschen und ethischen Idealen 26.-27. Juni 2010, Bad Boll Prosoziales Verhalten hat beim Menschen ebenso eine natürliche Basis wie aggressives Verhalten unter bestimmten Bedingungen. Wie verhält sich aber diese evolutionäre Disposition zu ethischer Reflexion und philosophisch-ethischen Entwürfen? Albert Schweitzers Ethik wird ebenso diskutiert wie die integrale Ethik von Ken Wilber. Tagungsnummer: 410410 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz

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Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212

Infos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax 79-5204

susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

heidi.weiser@ev-akademie-boll.de

Konfirmandenarbeit im öffentlichen Diskurs. Ein Jugendbildungsangebot der Kirche 26.-26. Juni 2010, Bad Boll Eine Auseinandersetzung mit dem größten außerschulischen Bildungsangebot der evangelischen Kirchen für Jugendliche. Im Nachgang zur württembergischen Studie zur Konfirmandenarbeit steht nun der Blick der Gesellschaft auf die öffentliche Wahrnehmung und Wirkung von Konfirmandenarbeit im Fokus. Tagungsnummer: 340410 Tagungsleitung: Viktoria Pum Infos: Ilse Jauss Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229

Jungs, wohin? Positive Bilder des Männlichen für Jungen und die Jungenpädagogik 2.-3. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 310610 Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Gunter Neubauer, Dr. Reinhard Winter Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307

ilse.jauss@ev-akademie-boll.de

andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Autismus-Wiederholungstagung Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten. Neue Wege durch die Schule 5.-6. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 502910 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342

Kurzinfos ab Juli

brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Burn-out erkennen Als Führungskraft Verantwortung übernehmen 1.-2. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 250410 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Volker Stücklen Infos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-262

Schätze der Schulentwicklung – Eine Veranstaltungsreihe Heterogenität im Klassenzimmer 8. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 501910 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342

simon.lademann@ev-akademie-boll.de

brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501910.pdf

Ausgewachsen? Wirtschaftswachstum neu denken 2.-3. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 240410 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Matthias Wanzeck, Studienleitende des Themenbereichs Wirtschaft, Technik, Arbeitswelt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225

Protestantische Eliten für eine nachhaltige Gesellschaft Verantwortung wahrnehmen, gestalten, kommunizieren 9.-10. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 620410 Tagungsleitung: Falk Schöller Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225

sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

In the Year 2025 Alle unsere Zukünfte 2.-4. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 361210 Tagungsleitung: Marielisa von Thadden, Dr. Manfred Budzinski, Kathinka Kaden, Dr. Günter Renz

Süddeutsche Hospiztage 2010 Trauerprozesse verstehen und begleiten 14.-16. Juli 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 410510 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de SYM 1/2010


rezept – bücher Bollito di Manzo (Tafelspitz) mit salsa verde 4 Personen Zutaten geputzt gewogen Zutaten 800 g 1 Bund 2 fi EL

Tafelspitz Suppengrün Lorbeerblätter Pfefferkörner Salz

Salsa verde 1 altes, aber nicht hartes Brötchen 2 EL weißer Balsamico-Essig 6 eingelegte Sardellenfilets 2 hart gekochte Eier 1-2 Bund glatte Petersilie (je nach Größe des Bundes) 1 rote Pepperoni (wenn sehr scharf, weniger) 2 Knoblauchzehen 0,1 l Olivenöl Salz, frisch gemahlener Pfeffer Zubereitung Tafelspitz: Suppengrün, Lorbeerblätter, Pfefferkörner, Salz und Wasser zum Kochen bringen; Tafelspitz einlegen, das Wasser soll ihn knapp bedecken; Tafelspitz auf kleinster Flamme ca. 1⁄ Stunden köcheln, herausnehmen, 15 Minuten ruhen lassen, in Scheiben schneiden, warm servieren Zubereitung Salsa verde: Brötchen in feine Scheiben schneiden, mit Balsamico beträufeln und durchziehen lassen; die Sardellenfilets abwaschen, Petersilie abzupfen, alle Zutaten pürieren; pikant abschmecken, aber Vorsicht – Sardellen sind salzig und Pepperoni scharf!! Dazu passen gut: Rosmarinkartöffelchen oder Weißbrot Die salsa verde passt auch gut zu Gegrilltem. Guten Appetit! Ihre Ingrid Hess

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Buchtipps Raum im Dialog Hrsg: Albrecht Esche, Joachim L. Beck, Evangelische Akademie Bad Boll, 2010, ISBN 978-3-936369-35-9, 19,90 Euro Die inhaltliche Arbeit der Evangelischen Akademie Bad Boll im Zusammenhang mit dem Ensemble ihrer Gebäude und deren künstlerischer Ausstattung zu reflektieren, ist Ziel und Inhalt des vorliegenden Buches. Die Autoren fragen nach der Integration von außen und innen, von Ort, Raum und Auftrag. Wie wirken Architektur, Bauwerk, Raumgestaltung und Kunst zusammen und was tragen sie zu einer erfolgreichen Tagungsarbeit bei? Akademiedirektor Joachim L. Beck erläutert den gesellschaftspolitischen Auftrag der Akademie. Der ehemalige Oberbaudirektor im Stuttgarter Oberkirchenrat, Ulrich Gräf, porträtiert die maßgeblichen Architekten und beschreibt, wie sie die bauliche Gestalt der Akademie prägten. Die Architektin des neu erbauten Südflügels, Nike Fiedler, erklärt, mit welcher Konzeption sie bei ihrem Auftrag zu Werke ging. Die Ansicht, dass der Raum für Kunst einen Resonanzraum fürs Leben bilde, vertritt der Theologe Prof. Wilhelm Gräb in einem weiteren Beitrag. Ein großer Teil des Buches widmet sich der Kunstsammlung der Evangelischen Akademie Bad Boll. Mit Bildern aus der Sammlung wurden die Zimmer im neuen Südflügel ausgestaltet. Der ehemalige Studienleiter Albrecht Esche präsentiert und porträtiert die Kunstschaffenden mit ihren Arbeiten. Außerdem stellt er die 60jährige Baugeschichte der Akademie als Spiegel der Mentalitätsgeschichte dar und gibt einen Überblick über Kunstwerke aus diesem Zeitraum, mit denen sich Bad Boll als Kunstort profiliert.

Bad Boller Skripte 2/2009 Dr. Manfred Budzinski (Hrsg.) »Staatsräson und Völkerrecht. Solidarität im Israel-PalästinaKonflikt«, Tagung 19.-21.6.2009 Eine Dokumentation mit den Beiträ-

gen einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll, die gemeinsam mit pax christi durchgeführt wurde, kann im Onlineshop der Akademie bestellt werden unter: www.ev-akademie-boll.de/publikationen/ buchladen/products/staatsraeson-undvoelkerrecht

Bad Boller Skripte 3/2009 Matthias Wanzeck, Reinold E. Thiel (Hrsg.) Mut zur Transparenz. Korruptionsprävention in der Entwicklungszusammenarbeit von Kirchen und NROs Ein Protokoll der Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll am 6./7. März 2009 kann im Onlineshop der Akademie bestellt werden unter: www.ev-akademie-boll.de/publikationen/ buchladen/products/mut-zur-transparenz/

EMS-Dokumentationsbrief 2/2009 und 3/2009 »Ostasien« Richard Wilhelm Pionier im Dialog mit Chinas Traditionen Eine Dokumentation aller Beiträge der Tagung vom 5.-8. Oktober 2009 in der Evangelischen Akademie Bad Boll hat das Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland (EMS) erstellt. Die Dokumentation hat zwei Teile und kann auf folgender Seite heruntergeladen werden: www.ems-online.org/1052.html

Sie kann aber auch als Printexemplar bei Gisela Köllner bestellt werden: koellner@ems-online.org

Links Zum Beitrag Seite 4/5: »Palästinensischer Menschenrechtsaktivist Jamal Juma wieder auf freiem Fuß« - Website der Kampagne: www.stopthewall.org - Deutscher Koordinierungskreis Palästina-Israel – für ein Ende der Besatzung und einen gerechten Frieden« (KoPi): www.kopi-endederbesatzung.de - pax christi: www.paxchristi.de

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meinungen Verbot von Minaretten nach Volksabstimmung in der Schweiz Akademie-Studienleiter Wolfgang Wagner, zuständig für »Ökumene und interreligiösen Dialog«, kommentiert den Ausgang der Schweizer Volksabstimmung zum Verbot von Minaretten Kurz vor der »Eidgenössischen Volksinitiative: Für ein Bauverbot von Minaretten« beschäftigten wir uns am 20.11.2009 in der Evangelischen Akademie Bad Boll mit interreligiösen Konflikten am »Beispiel Moscheebau«. Prälat Hans-Dieter Wille, württembergischer Regionalbischof, gab dabei folgendes Votum ab: »In Deutschland achten die Kirchen das Grundgesetz der Religionsfreiheit. Christen erheben keine Einwände gegen neue Moscheebauten.« Deswegen muss das nicht allen gefallen. Drei evangelische Kirchengemeinden wurden zitiert, die angesichts eines neuen Moscheebaus formulierten: »Wir begrüßen das Vorhaben nicht … Wir können schon deshalb keine Freude empfinden, weil unsere christlichen Glaubensgeschwister in der islamischen Welt in vorher nicht bekanntem und in stetig steigendem Maß sich der massivsten Verfolgung ausgesetzt sehen.« Recht auf Ausübung der islamischen Religion schließt nicht unbedingt ein, dass Muslime gern gesehen werden. Es gibt nun mal kein Recht auf Beliebtheit. Muslime – so wurde es auf der Tagung gesagt – tun sich keinen Gefallen, wenn sie sich vornehmlich als Opfer der nichtmuslimischen Mehrheit sehen, die oft auch keine christliche mehr ist. Die Religionsfreiheit ist nicht gefährdet in Europa, denn Moscheen können gebaut werden. Die Kommentatoren waren mit ihren als Wissen ausgegebenen Vermutungen schnell bei der Hand. Angst und dumpfe Vorurteile sollen die Schweizer Köpfe benebelt haben. Hinterwäldler hätten sich für Kränkungen an unschuldigen Migranten gerächt. Wenn man eine demokratische Entscheidung dermaßen arrogant abtut, weckt das Trotz. Die Begründung der Initiatoren wurde dagegen kaum veröffentlicht: »Mit dem Ja zum Minarettverbot hat das Volk

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auch durchgesetzt, dass das Schweizer Recht ohne jeden Abstrich auch für alle Einwanderer verbindlich ist. Jedem Versuch, Elemente des SchariaRechts in der Schweiz durchzusetzen, wurde mit dem Ja zum Minarettverbot eine kompromisslose Absage erteilt.« Es geht also nicht nur um Minarette, sondern um die Begrenzung des politischen Einflusses, den Minarette auch demonstrieren. Das wird besonders deutlich, wenn programmatische Namen wie »Eroberer Moschee« (Fatih Camii) gewählt werden. Es ging in der Abstimmung nicht nur um lokale, sondern auch durch Medien vermittelte weltweite Wahrnehmungen. Man kann im letzten Bergdorf fernsehen, was in Pakistan geschieht. Muslime tun sich einen Gefallen, wenn sie mithelfen, dass Menschenrechte und Religionsfreiheit auch dort durchgesetzt werden, wo Muslime die Mehrheit haben. Es ist kein Zufall, dass die Schweizer Befürworter auch die Christenverfolgung angesprochen haben. Und sie ärgern sich mit Recht, wenn ausgerechnet der türkische Ministerpräsident sie nun Rassisten nennt. Denn die Türkei gibt allen Islam-Gegnern immer neue Nahrung. Gerade in diesen Wochen soll dem altehrwürdigen orthodoxen Kloster im Tur Abdin der Garaus gemacht werden. Die Früchte des interreligiösen Dialogs müssen deswegen sichtbar gemacht werden. Es ist ein eindrucksvolles Zeichen der Wertschätzung, wenn eine Kölner Kirchengemeinde für die Ehrenfelder Moschee Geld sammelt. In christlich-islamischen Gemeinschaften lernt man sich kennen, verstehen und unterscheiden. So entwickelt sich die Begegnung zur Zusammenarbeit, um die riesigen globalen Aufgaben gemeinsam anzugehen. Bei aller Aufregung über das Minarettverbot wird nämlich völlig vergessen, dass die Schweizer am gleichen Tag auch für die Erlaubnis weiterer Waffenexporte gestimmt haben. Damit werden Kriege und Gewalttaten in aller Welt gefördert. Wir Deutsche machen das auch – und dürfen nicht einmal dazu abstimmen.

Vorschau SYM 2-2010 SYM 2/2010 kommt am 1. Juni heraus. Im Schwerpunkt der nächsten Ausgabe geht es um das Zusammenspiel von Tagungsarbeit und regionalen Projekten. Studienleitende der Evangelischen Akademie Bad Boll sind in vielvältiger Weise engagiert.

Impressum SYM Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 7. Jahrgang 2010, Heft 1/2010 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Joachim L. Beck) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotos/Bilder: Behisch-Architekten: S. 14; epd-bild / Jens Schulze: S. 15; Evangelische Akademie Bad Boll: S. 18; Evangelische Landeskirche in Württemberg: S. 7; Wilfried Gronwald: S. 9, 12 (1), Rückseite (3); Beate Ney- Janßen: S. 3 (1); Privat: S. 4, ; Martina Waiblinger: S. 2, 3 (1), 5, 6, 9, 10, 12 (1), 13, 16, 20 (2), Rückseite (4); www.morgabriel.org: S. 20 (2) SYM erscheint vierteljährlich. Bezugspreis: 3,00 € Jahresabonnement: 10,00 € Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. 07164 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. 07164 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach

SYM 1/2010


meditation

Hoffnungsvoll Raum eröffnen Von Prof. Dr. Thomas Schlag, Theologische Fakultät der Universität Zürich Der Mensch erschließt sich sein Leben in Räumen. Menschliche Existenz ist von Anfang an Selbst-Orientierung. Raumgreifend und eigenständig werden die Grenzen und Weiten der noch unbekannten Welt vermessen. Zugleich erfährt der Mensch von Beginn an Orientierung, indem ihm Raum eröffnet wird. Menschliches Sein erschließt sich im Vor-Findlichen, Vor-Gegebenen. Orientierung trägt zweifachen Sinn: sie ist ein »SichZurecht-Finden« und ein »Zu-rechtGefunden-werden«. Dieser zweifache Orientierungs-Sinn versetzt unterschiedlichste Lebens-Raum-Gestalter in kreative Erregung: Gebäudeplaner und Wohnraumdesigner, Studienleitende und Akademieverantwortliche: Sie alle eröffnen unterschiedlichste Räume möglicher Lebensführung. Raum-Gestaltung eröffnet auf faszinierende Weise Orientierung. Formen, Materialien, Farben, äußere Hülle und innerer Kernbereich prägen und bilden. Architektur ist »Lebens-Mittel. Sie ist Mittel zum Zweck, welcher Leben heißt« (A. Hahn). Architektonische Qualität hat mit der Qualität des Lebens selbst zu tun, insofern der Gestaltung des menschlichen Lebensraums immer eine moralische Spannung inne wohnt. Das architektonische Bauwerk ist Bild und Zeichen, das die Grenzen, die Spannungen und die Hoffnungen der Gemeinschaft zum Ausdruck bringt. In jüngster Zeit hat die Theologie nach einer Zeit der »Raumvergessenheit« den Raum wieder neu für sich entdeckt: »Raum hat Konjunktur«. Das menschliche Selbst- und Weltverhältnis bedarf, so Elisabeth Jooß, zu seiner Orientierung der Präsenz Gottes als »Fülle des Raums«. Zugleich wird die prägnante Forderung erhoben: »Der Religion ist Raum zu geben«. Religiöse Kommunikation lebt nicht vom Wort allein, sondern hat unmittelbar mit Atmosphäre, Setting, äuße-

Kapelle der Evangelischen Akademie Bad Boll

ren Bedingungsfaktoren zu tun. Dabei gilt gut protestantisch, dass die »Topographie des Heiligen« erst im Vollzug, in der »Gemeinschaft der Heiligen« selbst anschaulich wird. Die »Fülle des Raumes« ist unmittelbar an personale und gemeinschaftliche Ausstrahlungskraft gebunden. Erst und nur durch »den heiligen Gebrauch« wird »der Ort selbst heilig genannt« (H. Bullinger). Ihrer heiligen Sache nach trägt evangelische Bildung öffentliche Gestalt und ist folglich nicht auf den kirchlich-sonntäglich gemauerten »inner circle« derer zu begrenzen, die sich selbst genug sind. In ihrer öffentlichen Raumpräsenz bringt gerade eine evangelische Akademie ihr Profil befreiender »Welt- und Daseinsauslegung« zum Vorschein. Menschendienlich sind ihre Räume, wenn sie Orientierung und Freiheit eröffnen, die Möglichkeit, zu verweilen oder weiterzugehen, teilzunehmen oder sich zu entziehen. Die Bedeutsamkeit evangelischer Bildungsräume entscheidet sich zugleich an der Ausstrahlungsqualität gelingender, kreativer beziehungsreicher Raumbegehungen. Die öffentliche Raumrelevanz evangelischer Bildung steht und fällt mit ihrer personalen Präsenz. Nur über beziehungsreiche Rede wird Gott zum »Wort unserer Sprache«, das für sich selbst spricht. So geht es gerade am dritten Ort um nicht weniger als eine Bildungskunst des personalen Augen-Blicks. In diesem Sinn setzt die Initiierung und Deutung religiöser Kommunikation kompetente Selbstdeutung der Bildungsverantwortlichen voraus. Eine evangelische Raum-Gestaltung bedarf der theologischen Statik. Qualifizierte Zeit- und Bildungsräume einer evangelischen Akademie leben von der Hoffnung derer, die hierher einladen. Erst und nur Hoffnung ermöglicht den Übergang, die Passage: Der Raum der Vision ist ein poetischer Wahrnehmungsraum, in dem »die Dinge aus ihrer gewohnten Welt gelockt werden« und »viele Identitäten … wie Nebel über den

nächtlichen Himmel« (W. Benjamin) über den Rücken des Träumenden ziehen. Christliche Hoffnung ist die theologische Schlüsselkompetenz für den alltäglichen Eintritt in jeden neuen Bildungsraum und dessen verantwortliche Mitgestaltung. Denn sie ermöglicht Raum- und Horizonterweiterung über das faktisch Sichtbare und unmittelbar Begehbare hinaus. Die biblische Verheißung: »Siehe, ich mache alles neu« (Offb. 21,5), ist schon jetzt konkrete hoffnungsvolle Raum-Eröffnung für den bildungsbedeutsamen Augen-Blick. Evangelische Bildung hat guten heiligen Grund, an den Erschließungsprozessen des »Zu-RechtFindens« und »Zu-Recht-GefundenWerdens« facettenreich teilzunehmen. In diesem Sinn gestaltet sich gerade die Bildungsarbeit einer Akademie in Raum greifender und Raum erfüllender Weise: gemäß dem biblischen Rat, »allezeit zur Verantwortung vor jedermann bereit zur sein« und Rechenschaft zu geben über die »Hoffnung, die in euch ist« (1. Petr. 3,15). Thomas Schlag war von Dezember 2000 bis August 2004 Studienleiter in der Evangelischen Akademie Bad Boll.


Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11 73087 Bad Boll Postvertriebsst端ck 64670 Entgelt bezahlt

Der neue S端dfl端gel gew辰hrt viele neue Ein-, Aus- und Durchblicke.


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