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März 2018

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www.ev-akademie-boll.de

Gender – alles nicht so einfach Pro und Contra: Kirchliche Segnungen homosexueller Paare ● Gender, was war das noch gleich …? ● Uganda: Gewalt gegen Lesben ● OstTürkei: Gewalt gegen Frauen ● Engagiert und pointiert: Monika Barz


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

»Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es!« 70 Jahre ist diese bedeutsame These alt. Simone de Beauvoir hatte sie 1949 in ihrem Essay »Das andere Geschlecht« vertreten und damit als Erste das biologische Geschlecht von der sozialen Rolle her definiert. Sie begründete damals das heutige Konzept von sex und gender und lieferte die Grundlage für das, was gegenwärtig landauf landab in der Form von Gender Studies, Queer Theory und Diversity beraten wird. Vielfalt lebt – jedenfalls in Studien und Beschlüssen: Das Jahr 2017 hätte Simone de Beauvoir im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit erfreut: In Deutschland können lesbische und schwule Paare endlich heiraten, das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass im Geburtenregister ein drittes Geschlecht eingetragen werden darf und mit dem Hashtag #MeToo brachten hunderttausende Frauen und Männer die Themen sexuelle Belästigung und Gewalt in einer nie dagewesenen Wucht in den öffentlichen Diskurs ein. Gerade nach dem »revolutionären« Jahr 2017 scheint im Hinblick auf Gendergerechtigkeit alles in Ordnung zu sein. Aber es ist wohl mehr ein Schein denn ein Sein: Im Internet wütet der homophobe Mob, selbst in Deutschland nehmen Gewalttaten gegen Homosexuelle zu und eine nicht sehr kleine Menge an Bürger_innen bringt auch hierzulande zum Ausdruck, dass es jetzt erst einmal mit dieser »Gleichmacherei« reiche. Zugleich belegen Studien, dass die traditionellen Geschlechterrollen wieder beliebter werden, und auch im Diskurs über Führungskulturen mehren sich die Forderungen, »weibliche« Eigenschaften und Fähigkeiten aufzuwerten und als Alternative zur »männlichen« Praxis zur Geltung zu bringen. Die Sache mit dem Geschlecht bleibt kompliziert; der Diskurs ist noch lange nicht beendet – jedenfalls nicht so, dass die so hochgelobte Vielfalt zur alltäglich normativen Lebenspraxis geworden wäre. Die Beschlüsse des Jahres 2017 dürfen also nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in den verschiedenen Öffentlichkeiten ganz andere Debatten breit machen.

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Dies alles ist Grund dafür, das erste SYM in diesem Jahr dem Thema Gendergerechtigkeit und Diversity zu widmen – einer für die Geschichte und Gegenwart der Evangelischen Akademie Bad Boll bedeutsamen gesellschaftlichen Herausforderung. Mit einem Pro und Contra zur Entscheidung der württembergischen Landessynode hinsichtlich der kirchlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare (S. 8ff.) machen wir auf den anhaltenden Diskurs auch in unserer Landeskirche aufmerksam; mit Beiträgen aus der im Dezember 2017 stattgefundenen Lesbentagung (S. 12-14) und der Geschichte dieses Tagungsformates (S. 6) wird das anhaltende Engagement unserer Akademie sichtbar. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Prof. Dr. Monika Barz als einer für unsere Akademie wichtigen Promotorin für Tagungen mit lesbischen Frauen ist Thema des Beitrages auf S. 16-17. Schließlich wird auf Gewalt gegen Frauen in der Türkei (S. 15) sowie auf die Einseitigkeit des Diskurses zur »Machokultur« von Flüchtlingen aufmerksam gemacht (S. 18-19). Es wartet in diesem Sinne ein spannungsreiches SYM auf Sie und Ihre Lektüre. Wir wünschen Ihnen anregende Lesestunden und selbstverständlich freuen wir uns auch auf Ihre Reaktion! Mit den besten Grüßen aus der Evangelischen Akademie Bad Boll,

Jörg Hübner

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Inhalt

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Aktuell ...

Aus der Akademie

▪ Neujahrsempfang ▪ Akademiepreis zum zweiten Mal ausgelobt ▪ »mobilgewinnt«: Haupt preis geht nach Bad Boll ▪ Projekt »Interkulturelle Lotsen« startet im März

▪ Abschied aus der Akademie Fragen an Dr. Irmgard Ehlers ▪ Abschied aus der Akademie Charlotte Fiedler ▪ Neu in der Akademie Dr. Anja Reichert-Schick ▪ Neu in der Akademie Petra Kümmel

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Akademiegeschichte Von sanften Verschwörerinnen zu aufstampfenden Lesben

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Kunst Ausstellung Africana: Skulpturales aus Stahl und Holz von Eugen Schütz

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Extra: Kulturalisierung maginalisierter Männlichkeiten. Unterschiede und Parallelen in den aktuellen Diskussionen zu (sexualisierter) Gewalt. Von Dr. Tina Spies

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Vorschau Tagungen vom 5. März bis 30. Juli 2018

8 Schwerpunkt: Gender – alles nicht so einfach Pro und Contra kirchliche Segnungen Pro: Lesben und Schwule in unserer Kirche brauchen Gleichstellung. Von Pfrin. Gisela Dehlinger Contra: Der Trausegen ist ein einzigartiger Segen für die eheliche Gemeinschaft von Mann und Frau. Von Dekan Ralf Albrecht

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Publikationen ▪ Publikationen ▪ Onlinedokumente

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Verlosung Impressum

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Kommentar

Geschlecht, was war das noch gleich …? Vom Denken in Schubladen und der Schwierigkeit sich als transsexueller Mensch in dieser Welt zu finden und zu behaupten. Von Isabelle Melcher

Das dritte Geschlecht – eine überfällige Entscheidung. Von Christoph Strack

Uganda: Gewalt gegen Lesben. Von Resty Nsubuga Ost-Türkei: Gewalt gegen Frauen. Von Zozan Özgökce

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Engagiert und pointiert: Monika Barz. Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am 30. April 2018 Von Dr. Kerstin Söderblom

Meditation Raum nehmen. Von Carmen Rivuzumwami

Titelbild Ein protestantischer Pastor segnet zwei Bräute am 18. Juli 2017 in der evangelisch-lutherischen Kirche Bon Secours in Paris. Foto von P. Razzo/CIRIC/KNA

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Aktuell

gen Gesellschaft führe nur dann nicht zu innerer Leere oder sozialer Verarmung, wenn sie als kommunikative Freiheit verstanden werde. Hierin sah der Referent auch vor allem die Chance der heutigen Kirche: Sie bestehe aus vitalen Akteuren, die über viele Brückenbeziehungen verfügten. Kirche müsse eine öffentliche in der Zivilgesellschaft sein, die die heutige Lebenswelt wahrnimmt und Theologie interdisziplinär im Kontext von Wissenschaften betreibt.

»Heute denkt jeder nur noch an sich!« Aber rückt das »Ich« wirklich ins Zentrum, während das »Wir« in den Hintergrund gedrängt wird? Danach hat der EKD-Ratsvorsitzende Landesbischof Prof. Dr. Heinrich BedfordStrohm in seiner Festrede beim Neujahrsempfang der Evangelischen Akademie Bad Boll gefragt. Vor rund 120 Gästen beleuchtete er die »Gemeinschaft in der modernen Gesellschaft«. Der Vortrag kann als Audio auf der Website der Evangelischen Akademie gehört werden: www.ev-akademie-boll. de/online-dokumente

Neujahrsempfang: EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm lobt breites Engagement in der Gesellschaft Trotz vermeintlicher Vereinzelung, Ellenbogengesellschaft und Parteienverdrossenheit: Laut EKD-Statistik 2015 waren allein in den evangelischen Landeskirchen – ohne Diakonie – über eine Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Ein Jahr zuvor haben sich in ganz Deutschland über 43 Prozent der Menschen freiwillig engagiert. »Eine erstaunliche Zahl«, fand Bedford-Strohm. Dennoch tue sich Deutschland mit dem durch den Nationalsozialismus belasteten Begriff »Gemeinschaft« schwer. »Gemeinschaft wird heute zunehmend in Netzwerken erfahren«, betonte der Landesbischof, »in Formen, die als genuine Produkte der modernen Gesellschaft gesehen werden können.« Während das Leben früher vor allem durch starke Beziehungen wie die innerhalb der Familie geformt worden sei, würden die schwachen Beziehungen zum Beispiel im Sportverein heute immer mehr an Bedeutung gewinnen. »Wir sollten die Bedeutung der schwachen Beziehungen nicht pauschal abwerten«, appellierte Bedford-Strohm daher. Auch ein »Gefälltmir-Button« bei Facebook könne bedeutsam sein. Bei aller Kritik an den sozialen Netzwerken müsse man genau hinschauen, um die unterschiedlichen Formen von Gemeinschaft und Beziehungsaufnahmen wahrzunehmen. Er rief dazu auf, die Digitalisierung differenziert zu gestalten, um die kritischen Seiten zu begrenzen und die Chancen zu nutzen. Denn die Pluralisierung von Netzwerken bedeute nicht den Abbruch von Gemeinschaft, sondern zunächst nur ihre Veränderung. Die Pluralisierung zu gestalten, bedeutet für den Landesbischof auch aus theologischer Sicht, »die produktive Kraft der Vielfalt zu bejahen, ohne in Beliebigkeit abzugleiten«. Die Freiheit in der heuti-

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Auch die Evangelischen Akademien stünden in der ersten Reihe, wenn es darum ginge, diesen Auftrag umzusetzen, sagte Bedford-Strohm. »Sie leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass unsere evangelische Kirche mit Kompetenz und Tiefgang am Werk ist, wenn es darum geht, die Konsequenzen des Evangeliums für die Fragen unserer Zeit zu reflektieren und dann auch zu leben.« Digitalisierung, die Rolle der Kirche bei der Agenda 2030, Rentenpolitik, Flüchtlingsarbeit und nachhaltige Mobilität: die Direktoren der Akademie, Prof. Dr. Jörg Hübner und Dr. Günter Renz, gaben einen Überblick über die inhaltlichen Akzente des Akademieprogramms. Musikalisch begleitet wurde der Empfang vom Ensemble Hanke Brothers.

Akademiepreis zum zweiten Mal ausgelobt Die Evangelische Akademie Bad Boll und ihr Förderkreis haben im Februar 2018 zum zweiten Mal den Akademiepreis ausgeschrieben. Bewerben können sich Projekte und Initiativen, die mit neuen Formen des Zusammenlebens, des Wohnens in der Stadt und auf dem Land oder dem Zusammenleben der Generationen experimentieren oder dafür neue Konzepte entwickeln. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. Bewerbungsschluss ist der 15. April 2018. Eine Jury aus Vertretern der Direktion, des Kuratoriums und des Förderkreises der Evangelischen Akademie sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bestimmt die Preisträger. Die Verleihung des Preises findet am 30. September 2018 während der Michaelisakademie statt. Mit der diesjährigen Ausschreibung möchten Akademie und Förderkreis die thematischen Schwerpunkte »Die Grenzen des Planeten respektieren« sowie »Den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen« herausstellen. Weitere Infos: www.ev-akademie-boll.de/ foerderkreis

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Aktuell

»mobilgewinnt«: Hauptpreis geht nach Bad Boll Welchen Beitrag können Unternehmen leisten, damit Beschäftigte gesund, nachhaltig und entspannt zur Arbeit kommen? Beim »mobil gewinnt«-Wettbewerb hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die kreativsten Ideen für einen besseren und umweltschonenderen Berufsverkehr ausgezeichnet. Das Konzept »Gemeinsam weiterkommen« aus Bad Boll ist eines davon. Der Kooperationsverbund Bad Boll ist am 13.12.2017 mit dem Hauptpreis des »mobil-gewinnt«-Wettbewerbs ausgezeichnet worden. Bei einer Fachtagung in Berlin wurden die Gemeinde Bad Boll, die Wala Heilmittel GmbH, die Evangelische Akademie Bad Boll, das Institut Eckwälden, das Hotel Seminaris, die Rehaklinik Bad Boll und die Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Sozialwesen, von Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und Bundesverkehrsminister Christian Schmidt in der Kategorie »ÖffentlichPrivate Kooperationen« geehrt. Stellvertretend für den Kooperationsverbund Bad Boll nahmen Dorothee Kraus-Prause (Gemeinde Bad Boll), Stefan Weiland (Wala Heilmittel GmbH), Achim Ganßloser und Carmen Ketterl (Evangelische Akademie Bad Boll) die Auszeichnung entgegen. Unter dem Titel »Gemeinsam weiterkommen« wollen die Bad Boller Kooperationspartner eine lokale Mobilitätswende durch überbetriebliches Mobilitätsmanagement und kollektive Lernprozesse initiieren. Dabei sollen das Angebot im Öffentlichen Nahverkehr, das Parkraum- und Gästeanreisemanagement verbessert und der Radverkehr gefördert werden.

Projekt »Interkulturelle Lotsen« startet im März Welche kulturellen Besonderheiten sollte ich berücksichtigen, wenn ich zu einem Kranken komme? Welche Vorstellungen haben wir von der Rolle von Angehörigen, von Frauen und Männern, von Menschen mit Behinderungen? Wie kann ich dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit selbstverständlich zu unserer Lebensweise hinzugehört? Wie lassen sich Geflüchtete am besten in die Ortsgruppenarbeit integrieren? Wie gelingt Gemeinschaft, ohne die eigene kulturelle Identität aufzugeben, wie können wir von unseren Unterschieden profitieren? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich ab SYM 1/2018

dem 23. März 2018 insgesamt rund 90 Ehren- und Hauptamtliche der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), die sich an der Evangelischen Akademie Bad Boll zu »Interkulturellen Lotsen« ausbilden lassen. Dem zweieinhalbtägigen Basismodul folgt eine Anwendungsphase von mehreren Wochen bis Monaten sowie ein eintägiger Reflexionsworkshop.

Ein Arbeitsbereich der Johanniter ist Flüchtlingshilfe und Integration – hier bei einem Programm für Kinder.

Mit dem Projekt will die Akademie bei ihren Projektpartnern Johanniter und NABU die Kultursensibilität erhöhen. Entscheidende Faktoren sind dabei: Interkultur als Aufgabe erkennen, Vielfalt als Chance begreifen und ihr Potenzial nutzen; sensibel handeln, Grenzen respektieren und Barrieren überwinden; dabei aber auch Konflikte als Herausforderung annehmen und Zivilcourage zeigen. Hierzu werden die Teilnehmenden geschult. Als Multiplikatoren können sie nach Abschluss des Projekts in ihrem Verband Ansprechpartner sein und Impulse für eine Stärkung interkultureller Kompetenzen setzen. Sie verfügen über methodisches und fachliches Wissen, um in ihren Verbänden transkulturelle Lernerfahrungen zu initiieren. Vor Ort soll es ihre Aufgabe werden, solche Lernerfahrungen auch in die Flüchtlingsarbeit einzubringen. Studien- und Projektleiter ist Dr. Thomas Haas. Das Projekt ist eines von 20 Modellprojekten des Programms »Zusammenhalt durch Teilhabe« des Bundesinnenministeriums, das von der Bundeszentrale für politische Bildung koordiniert wird. Weitere Infos: www.ev-akademie-boll.de/lotsen

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Akademiegeschichte

Von sanften Verschwörerinnen zu aufstampfenden Lesben Von Herta Leistner 1974 begann ich meine Arbeit als Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Bad Boll, zunächst mit dem Schwerpunkt »Methoden der Erwachsenenbildung/Gruppendynamik«. Ende der 70er Jahre griffen Frauen in der Kirche, angeregt durch die autonome Frauenbewegung, feministische Analysen zur Situation der Frau auf. Eine kirchliche Frauenbewegung entwickelte sich und mit ihr die Feministische Theologie. Meine Tätigkeit gab mir die Möglichkeit, Frauen dafür Raum zu bieten: die Werkstätten Feministische Theologie entstanden. »Frauen in Kirche und Gesellschaft« wurde zu meinem neuen Schwerpunkt. In den Frauentagungen wurde viel über Beziehungen geredet – es ging aber nur um heterosexuelle. Meine eigene Geschichte war auch eine Geschichte des Schweigens über meine Lebensform. Das Wort »lesbisch« oder »Lesbe« kam mir Anfang der 70er Jahre nicht über die Lippen. Erst die aufkommende Lesbenbewegung in der autonomen Frauenbewegung gab vielen von uns versteckten Kirchenlesben Luft zum Atmen. Untereinander gab es aber in der Kirche keine Verbindungen, dort wurde geschwiegen und ein Doppelleben geführt. Eine Anfrage von Ute Wild aus Frankfurt, so denn Lesben in der Kirche seien, sie sollten sich doch melden, legte ich im Papierstapel auf meinem Schreibtisch ab. Als ich Ute Wild eines Tages kennenlernte, beschlossen wir aktiv zu werden. Leonore Siegele-Wenschkewitz aus Arnoldshain, Bernadette Brooten, Ute Wild und ich fuhren 1984 zu den Studienleiterinnen Marga Bührig und Else Kähler, in Boldern/CH, um zu beraten, wie wir eine Arbeit mit lesbischen Frauen in den Akademien beginnen könnten. Als Ergebnis formulierten wir einen Brief, der im Schneeballsystem an Frauen ging, von denen wir entweder dachten, sie seien lesbisch oder von denen wir es wussten. Nachdem viele 6

Frauen positiv reagierten, ging ich zu meinem Direktor, denn mir war klar, wenn ich in einer Akademie Arbeit zum Thema Homosexualität anfange, wird die Kirchenleitung reagieren. Deshalb musste die Akademiedirektion informiert sein und hinter der Arbeit stehen. Dem Direktor war klar, dass ich eine »heikle« Tagungsarbeit beginnen wollte. Er gab mir zu bedenken, dass sich für mich viele Türen in meiner kirchlichen Laufbahn verschließen würden. – Aber es gibt einfach Punkte im Leben, wo Eindeutigkeit gefordert ist. Zur ersten Tagung im April 1985 kamen sechzig Frauen nach Bad Boll. Der Beschluss am Ende der Tagung war klar: Wir machen weiter. Offen ausgeschrieben haben wir die Tagungen nicht; es waren die Frauen selber, die nicht wollten. Die Ängstlichkeit der Frauen war größer als die der Institution. Der nächste Schritt war in Form eines Buches an die Öffentlichkeit zu gehen. So kam es, dass Monika Barz, Ute Wild und ich zusagten, die Herausgeberinnen für ein Buch über Lesben in der Kirche zu sein. Schön finde ich, dass »Hättest du gedacht, dass wir so viele sind? Lesbische Frauen in der Kirche« nie nur das Buch von uns dreien war, sondern »unser« Buch, das Buch der lesbischen Frauen, die sich in Bad Boll trafen. Auf der kirchenpolitischen Ebene gab es 1987 heftige Reaktionen auf das Buch und das Bekanntwerden unserer Lesbenarbeit. Ein frommer Synodaler sagte, vor einem Anschlag mit dem Hinweis auf eine Lesbentagung in Bad Boll stehend, zu einer Mitsynodalen: »Da gehört doch mit Eisenbahnschienen dreingeschlagen und dafür gibt die Kirche auch noch Geld aus.« Die Synodale der Lebendigen Gemeinde unseres Bezirkes kam zum Gespräch, für sie war der Segen Gottes auf der Akademie in Gefahr zu verschwinden. Es wurde der Akademie angedeutet, dass in der Synode, die die Finanzen der Akademie beschließen muss, ein Antrag eingebracht werden

solle, das Budget der Akademie zu kürzen, falls diese ihre Frauenarbeit nicht »in Ordnung bringe«, was im Klartext hieß, falls die Akademie nicht die Tagungen mit den lesbischen Frauen abstelle. Gefordert wurde, dass ich ein Disziplinarverfahren oder doch einen Verweis bekommen sollte, weil wir im Buch die Adresse der Evangelischen Akademie angegeben hatten. Von der Akademieleitung wurden Gespräche über diesen Arbeitszweig gefordert. Das Kuratorium sollte darüber beraten, ob die Tagungen in der Akademie weiterhin stattfinden dürften und ob sie noch mit der Akademieordnung zu vereinbaren seien. Ich wurde zu einer Anhörung ins Kuratorium geladen, um die Arbeit vorzustellen, zu begründen und die Anfragen zu beantworten. Die Kuratoriumsmitglieder konnten alle Fragen stellen, sollten aber nicht diskutieren. Einige Fragen, die bei mir haften blieben: Ob ich als Betroffene überhaupt in der Lage sei, so eine Tagungsarbeit zu leisten, ob dazu nicht viel mehr Distanziertheit nötig wäre? Ob ich die Lebensform und mein Engagement dafür mit der Bibel und der Ordnung der Evangelischen Akademie vereinbaren könne? Einer verstieg sich zu der Aussage, die er in eine Frage kleidete, ob ich nicht die Tagungsarbeit aufgebaut hätte, um mir Freundinnen zu verschaffen. Oder es kam die Aussage: »Frau Leistner, Sie haben die Evangelische Akademie zu einem Tempel lesbischer Frauen gemacht.« Und natürlich wollten sie wissen, ob ich dies mit meinem Glauben verbinden könne. Zum Abschluss wurde vermerkt, sie hofften, ich hätte das Gespräch nicht als Inquisition erlebt! Die Arbeit konnte weitergehen, die Direktion der Akademie stellte sich wieder hinter uns, sie hatte den Auftrag, diese Tagungsarbeit kritisch zu begleiten. Aus: „geträumt – gewagt – gelebt. Bad Boller Anfänge der kirchlichen Lesbenbewegung 1985-2005", edition akademie Band 15, 2005, S. 128 ff, gekürzt. SYM 1/2018


Ausstellung

Ausstellung Africana

Skulpturales aus Stahl und Holz von Eugen Schütz Eugen Schütz: »Als Recycling-Künstler arbeite ich vorwiegend mit Stahlabfällen der Industrie, mit Holz und natürlichen Materialien und gelegentlich mit farbigen Kunststoffresten. (…) Meine Arbeiten zeigen Motive aus der afrikanischen Mythologie, greifen aber ebenso Themen unserer und anderer Gesellschaften auf. So wie ich über Recycling meine Skulpturen zu neuem Leben erwecke oder zu neuer Würde bringe, so ist es mir ein großes Anliegen, ›eine andere Sicht der Dinge‹ oder ›den Blick über den Tellerrand‹ zu zeigen und durch das Entstandene besonders auf die Kulturen Afrikas hinzuweisen oder sogar mit einzubinden.«

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Eugen Schütz arbeitet vielfach projektbezogen, in Form von Workshops oder in Verbindung von Ausstellung und Performance. Sein besonderes Anliegen ist es, seine Kunst Kindern und Jugendlichen oder auch Randgruppen der Gesellschaft nahezubringen. Vom 13. Mai bis zum 15. Juli 2018 wird er vorwiegend im Außenbereich der Akademie eine Auswahl seiner Plastiken präsentieren. Vernissage: Sonntag, 13. Mai 2018 im Café Heuss Leitung: Hans-Ulrich Gehring Information: Doris Korn, Tel. 07164 79-307, doris.korn@ev-akademie-boll.de Dauer der Ausstellung: 13. Mai bis 15. Juli 2018 Laufende Ausstellung: Markierungen – Installationen von Steffen Schlichter, 11. März bis 6. Mai 2018

Eugen Schütz Geboren 1959 1989 – 2000 Ausbildung in afrikanischen Trommeln und Tanz in Westafrika & BRD Seit 1993 freischaffend als Stahlund Holz-Bildhauer sowie Performance-Künstler tätig Zahlreiche Schul-, Kinderund Jugendprojekte 1996 – 2007 Waldatelier Seit 2004 Atelier-Konzept »NOMAD-art« 2017-18 Beteiligung an der Biennale Venedig

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Segnungen

Pro und contra: Kirchliche Segnung Pro: Lesben und Schwule in unserer Kirche brauchen Gleichstellung Von Pfrin. Gisela Dehlinger Zuerst war es ein Schock: Keine Mehrheit für den Entwurf des Oberkirchenrats! Das heißt, es wird auch künftig keine öffentlichen Segnungsfeiern für lesbische und schwule Paare in unserer Landeskirche geben. Immer noch nicht, obwohl das inzwischen in nahezu allen Landeskirchen in der EKD möglich ist. Dabei war der Oberkirchenrat in mehrfachen Überarbeitungen seines Entwurfs denjenigen weit entgegengekommen, die sich mit Segnungen schwertun – um nicht zu sagen bis zum Geht-nicht-mehr: Segnungen sollten auch künftig nur im Ausnahmefall möglich sein und auch nur dort, wo der örtliche Kirchengemeinderat mit einer Dreiviertel-Mehrheit zustimmt – einer Quote, die es sonst in unserer Kirche für keine Entscheidung braucht! Außerdem war von Anfang an klar gewesen, dass es einen Schutz für die PfarrerInnen geben sollte, die es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen: Niemand sollte dazu verpflichtet sein. Trotzdem fehlten am Ende zwei Stimmen zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Inzwischen kann ich diesem Beschluss auch etwas abgewinnen. Warum? Ich hatte für den sog. Kompromissvorschlag geworben, weil es mir unerträglich erschien, dass noch immer gelten sollte, was die Synode 1995 (!) beschlossen hatte: »In der württembergischen Landeskirche ist eine Segnung von homophilen Paaren nicht möglich.«1 Wie schmerzhaft dieser Beschluss für viele Paare ist, hatte ich selbst erfahren, als wir nach der Eintragung unserer Lebenspartnerschaft gesegnet werden wollten. Für uns war der Segen wichtiger als das »Ja« auf dem Standesamt. 8

Natürlich wollten wir diesen Gottesdienst im Kreis unserer Familien und FreundInnen feiern, den Menschen, die unsere Partnerschaft begleiten. Und natürlich sollte das in einer Kirche sein – wie und wo denn sonst? Um Segnungen aus dem Bereich der Illegalität zu holen, warb ich für den Vorschlag – trotz der vielen Zugeständnisse, die er enthielt. Die Entscheidung in der Synode hat nun zwei Dinge deutlich gemacht – und vielleicht ist es gut, dass das jetzt so klar sichtbar ist: Zum einen ist nun offensichtlich, dass es eine große Mehrheit in der Synode gibt, die für öffentliche Segnungsgottesdienste eintritt. Drei Gesprächskreise waren sich darin einig – auch wenn nur die Offene Kirche so weit ging, die völlige Gleichstellung zu fordern. Diese Mehrheit zeigt sich auch in den Stimmen nach der Synode: DekanInnen und PfarrerInnen melden sich zu Wort und dringen auf eine Lösung. Neue Kirchengemeinden schließen sich der »Initiative Regenbogen« an. Sie machen sichtbar: Hier geht es nicht nur um ein paar »Betroffene«2. Betroffen sind wir alle, solange in unserer Landeskirche auch nur eine Lesbe, ein Schwuler diskriminiert wird. Denn »wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit« (1. Kor 12,26). Zum anderen hat der Beschluss gezeigt, dass ein Teil unserer Landessynode offenbar nicht kompromissbereit (um nicht zu sagen: nicht kompromissfähig) ist. Allen Zugeständnissen zum Trotz waren sie nicht in der Lage, nun auch ihrerseits einen Schritt auf die andere Seite zuzugehen. Was sie für sich selbst in Anspruch nahmen, nämlich die Freiheit ihres Gewissen, waren sie nicht bereit, den anderen zuzugestehen. Aus meiner Sicht wird hier deutlich, dass wir in der Landeskirche ein Problem

haben, das weit über die Frage der Segnung hinausgeht: Volkskirche bedeutet Vielfalt. Vielfalt, die in der Lage ist, die jeweils andere Seite mit ihrer anderen Theologie, ihrer anderen Frömmigkeit, ihrer anderen Art, die Bibel auszulegen usw. auszuhalten, so wie es in Epheser 4 heißt: »Ertragt einer den andern in Liebe.« Volkskirche bedeutet immer auch, Kompromisse zu schließen, auch wenn das nicht leichtfällt. Aus meiner Sicht brauchen wir hier dringend einen Gesprächsprozess, was die »versöhnte Verschiedenheit« bedeutet, für die Landesbischof July noch unmittelbar vor der Abstimmung geworben hat. Was wir nicht brauchen, sind weitere Zugeständnisse. Wir brauchen auch keine »seelsorgerliche Begleitung im pastoraltheologisch verantworteten SYM 1/2018


Segnungen

gen gleichgeschlechtlicher Paare Contra: Der Trausegen ist ein einzigartiger Segen für die eheliche Gemeinschaft von Mann und Frau Von Dekan Ralf Albrecht

Raum«, wie sie die Lebendige Gemeinde erarbeiten möchte. Lesben und Schwule in unserer Kirche brauchen Gleichstellung – nicht mehr und nicht weniger! 1 Gesichtspunkte im Blick auf die Situation homosexueller kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Stuttgart 2000 2 www.bkh-wue.de/initiative-regenbogen

Gisela Dehlinger, Pfarrerin, ist Mitglied des LesbischSchwulen-Konvents (LSK) und des Bündnisses »Kirche und Homosexualität« (BHK).

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1. Die Bibel – Gottes Wort an uns. Wir achten die Bibel als Gottes Wort, auf das wir hören und dem wir im Leben und Sterben vertrauen. Die Heilige Schrift allein ist der Maßstab für all das, was wir glauben und verkünden. Sie ist »Regel und Richtschnur« für unsere Lehre und für unser Leben. Aufgrund der Bibel glauben wir an Jesus Christus als die Wahrheit in Person und bekennen uns zum dreieinigen Gott. Im Ringen um das rechte Verständnis der Schrift halten wir Unterschiede aus, die es nicht nur in unserer Kirche, sondern auch innerhalb des Pietismus immer gegeben hat und bis heute gibt. Wir wissen um die Begrenztheit unserer eigenen Erkenntnis. Unsere eigene Auslegung findet im Verständnis der Schwestern und Brüder immer wieder eine hilfreiche Korrektur. In diesem Sinne sind wir als Kirche »Auslegungsgemeinschaft«. Auf diesem Weg ringen wir immer wieder neu um den historischen Literalsinn und seine Bedeutung für uns heute. Also nicht die Einen kontextualisieren, sondern wir alle kontextualisieren, aber wir kommen zu unterschiedlichen Gesichtspunkten. 2. Die Ehe – eine Stiftung Gottes für unser Leben Wir bekennen uns unverändert dazu, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat. Ehe und Familie als Modell von Mann und Frau mit einzigartigem institutionellem Charakter, angelegt auf ein ganzes gemeinsames Leben in Treue, nicht nur traditionell, ist für uns DAS Zukunftsmodell unserer Gesellschaft und auch im 21. Jahrhundert die leitende und unüberholt attraktivste Form menschlichen Zusammenlebens.

3. Unsere kirchliche Tradition hier in Württemberg Ich zitiere aus einer Entschließung der Landessynode aus dem Jahr 2005: »Menschen brauchen Verlässlichkeit. Die Heilige Schrift bezeugt, wie Mann und Frau in der Ehe und wie Kinder in der Familie einen Schutzraum haben, in dem sie Verlässlichkeit erfahren und lernen. Darum stehen Ehe und Familie unter Gottes ausdrücklichem Segen und seinem schützenden Gebot (1. Mose 1,26f; 2,18.24; 2. Mose 20,12 u. 14, Matthäus 19,4-6)«. Diese Worte spiegeln unsere württembergische Prägung wider, die maßgeblich vom landeskirchlichen Pietismus mit beeinflusst ist. Nicht umsonst spiegelt das die Zusammensetzung der Synode in ihren Sitzen wieder. 4. Gleichgeschlechtliche in der Gemeinde Jesus liebt Menschen, die gleichgeschlechtlich empfinden. Das steht fest. Eindeutig. Sie haben selbstverständlich einen Raum in unserer Kirche und in unseren Gemeinden wie alle anderen auch. Ihnen gilt die Liebe Gottes gleichermaßen ohne Vorbedingung. Das ist und soll in unseren Gemeinden und Gemeinschaften erfahrbar sein. Gleichgeschlechtliche empfinden das oft anders; hier tragen wir Schuld, gerade auch als »Fromme«. Und hier haben wir eine große Aufgabe, es besser zu machen. Das andere aber bleibt für uns genau so wahr: der Widerspruch zwischen dem biblischen Befund und dem Leben in einer entsprechenden Beziehung. Auch auf der Basis verschiedener Bibelverständnisse lassen sich biblische Aussagen über den Willen Gottes nicht in Einklang bringen. Gott segnet die Ehe von Mann und Frau in besonderer Weise. Der Trausegen ist ein einzigartiger Segen für die eheliche 9


Segnungen

Gemeinschaft von Mann und Frau. Und damit wieder das Wort: keine Diskriminierung, aber Differenzierung.

Initiative Regenbogen Die »Initiative Regenbogen« ist ein Zusammenschluss von derzeit 44 Kirchengemeinden der württembergischen Landeskirche (Stand Mitte Februar). Ende Januar hat sich die Stiftskirchengemeinde Tübingen der Initiative angeschlossen. Die geschäftsführende Pfarrerin der Stiftskirche Susanne Wolf sagt dazu: »Im November wurde die nötige 2/3 Mehrheit in der Landessynode knapp verfehlt, um eine öffentliche Segnung unter hohen Auflagen zu ermöglichen. Der Kirchengemeinderat der Stiftskirche Tübingen hat deshalb den Beitritt zur Initiative Regenbogen beschlossen. Er fordert damit die Kirchenleitung auf, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sowie für das Zusammenleben von Pfarrerinnen und Pfarrern mit ihrer Partnerin / ihrem Partner im Pfarrhaus zu schaffen. Und setzt zugleich ein öffentliches Zeichen dafür, dass Lesben und Schwule selbstverständlich zur Kirchengemeinde gehören.«

5. Spannungen aushalten in einer Kultur der Barmherzigkeit In unserem Miteinander wollen wir aufeinander hören und Spannungen bewusst aushalten. Dabei leitet uns die Liebe Jesu Christi, die sich Menschen vorbehaltlos zuwendet. So wollen wir für die biblische Wahrheit eintreten und eine Kultur der Barmherzigkeit leben. Aus diesen fünf Grundüberlegungen heraus sind wir im Rahmen der Herbstsynode 2017 zu folgendem Ergebnis gekommen: Mit großer Wertschätzung hat der Gesprächskreis wahrgenommen, dass das Alleinstellungsmerkmal des kirchlichen Ehebegriffs in der vorgestellten Ordnung bekenntnismäßig festgehalten wurde. Auch dass die Gewissensbindung aller Pfarrerinnen und Pfarrer gewahrt werden soll, wurde als starkes Moment der Vorlage erlebt. Dennoch kann sich der Gesprächskreis dem Vorschlag einer neuen Kasualie mittels ausgearbeiteter Ordnung und Agende mit großer Mehrheit nicht anschließen. In der Wirkung, nicht in der Absicht!, ist eine neue Kasualie ein falsches Zeichen. Dies betrifft insbesondere die Frage der Segnung in einem öffentlichen Rahmen, in einem öffentlichen Gottesdienst, und die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit für diese neue Kasualform wurde deshalb im Plenum der Synode nicht erreicht. Zunächst gilt es jetzt ein Abstimmungsergebnis zu akzeptieren. Daneben weiter nach Wegen der pastoraltheologischen Begleitung zu suchen. Der Text ist angelehnt an das Wortprotokoll bei der Landessynode am 28.11.2017

Ralf Albrecht ist Dekan für den Kirchenbezirk Nagold und Mitglied in der Gesprächskreisleitung des synodalen Gesprächskreises »Lebendige Gemeinde«.

An die Synode und an die Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche Württemberg Bezug: Der Synodenbeschluss vom 28. November 2017 RESOLUTION der Teilnehmerinnen der Tagung für lesbische Frauen im Umfeld Kirche »Flüchten um anzukommen« in der Ev. Akademie Bad Boll vom 15.-17.Dezember 2017 Sehr geehrte Frau Synodalpräsidentin Schneider, sehr geehrter Herr Landesbischof July, wir freuen uns, dass fast zwei Drittel der Synoden-Mitglieder der Evangelischen Landeskirche Württemberg eine gottesdienstliche Segnung/Trauung gleichgeschlechtlicher Paare befürworten. Gleichzeit sind wir erschrocken und enttäuscht über das Ergebnis der Abstimmung am 28. November 2017, nach der gleichgeschlechtliche Paare im Gottesdienst weiterhin nicht gesegnet/getraut werden dürfen. Wir fordern alle Leitungsverantwortlichen der Evangelischen Landeskirche Württemberg auf, diese leidvolle Situation – von der auch viele von uns persönlich betroffen sind – zu beenden. Liebenden gleichgeschlechtlichen (Ehe-) Paaren, die in gegenseitiger Verantwortung miteinander leben, den Segen Gottes zu verwehren, widerspricht der zentralen christlichen Botschaft von der Liebe Gottes zu allen Menschen. Wir bitten um Ihre Antwort an die Vertreterin der ca. 80 Teilnehmerinnen der Tagung für lesbische Frauen im Umfeld Kirche, Edeltraud Walla, Gerokweg 22, 73035 Göppingen, E-mail: ed.wa56@web.de Freundliche Grüße, Edeltraud Walla und die Teilnehmerinnen der Lesbentagung 2017

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Kaleidoskop

Heroes – Projekte gegen Unterdrückung im Namen der Ehre

Heroes nennen sich Projekte zur Gewaltprävention in verschiedenen Städten Deutschlands, in denen sich junge Männer mit Migrationshintergrund aus sozialen Milieus mit strikten Ehrvorschriften und archaisch-patriarchalen Strukturen für die Gleichberechtigung der Geschlechter und Menschenrechte engagieren. Heroes richtet sich an junge Männer, die sich mit überkommenen Vorstellungen von Ehre und Männlichkeit auseinandersetzen und Stellung beziehen wollen gegen Unterdrückung im Namen der Ehre. Sie arbeiten mit deutschen jungen Männern im Alter von 16 bis 23 Jahren in zweiter oder dritter Generation vor allem aus der Türkei, der arabischen Welt, aus Albanien und dem Kosovo zusammen. Gruppenleiter sind der deutsch-türkische Theaterpädagoge Yilmaz Atmaca und der palästinensisch-israelische Psychologe Ahmad Mansour. Sie bilden über mehrere Monate kleine Gruppen darin aus, in Schulen und Freizeiteinrichtungen Vorträge zu halten und Workshops durchzuführen, in denen über Themen wie Identität, Gleichberechtigung und Rechte von Frauen, Gewalt in Familien und Familienehre diskutiert und in Rollenspielen für selbstverständlich gehaltene Annahmen zu Fragen von Geschlechterverhältnis und Geschlechterrolle infrage gestellt werden. www.heroes-net.de/; www.taz.de/!5333502

Islam und Homosexualität Seit 2017 ist das Buch »Islam und Homosexualität – ein schwieriges Verhältnis« auf dem Markt. Verfasser ist Dr. Muhammad Sameer Murtaz, Islam- und Politikwissenschaftler, islamischer Philosoph und Buchautor bei der Stiftung Weltethos. Er spricht sich für die Akzeptanz homosexueller Muslime in der muslimischen Community aus und begründet dies mit der transzendenten Würde des Menschen. Er bestreitet dabei nicht, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen Islam und Homosexualität gibt, glaubt aber, dass dieses gemildert werden kann, da die von Gott verliehene Menschenwürde schwerer wiegt. Die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen lehnt Murtaza strikt ab, da sie sich nicht im Koran finde und die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen verletze. Eine Homoehe ist für Murtaza nicht denkbar. In der ZEIT vom 17. Juni 2015 schreibt er: »Eine Homo-Ehe wird es im Islam nicht geben, da diese Beziehungsform ausschließlich für Mann und Frau vorgesehen ist. Aber wenn wir von homosexuellen Geschwistern einen ebenso verantwortungsbewussten Umgang mit ihrer Sexualität erwarten, dann sollten wir in unserer Religionsgemeinschaft gleichgeschlechtliche Partnerschaften befürworten.«

Queere Menschen in Afrika – ein Überblick 2015 veröffentlichte die Heinrich-Böll-Stiftung ein Dossier über die Situation queerer Menschen in Afrika. Darin heißt es: »Seit geraumer Zeit verschärft sich die Menschenrechtssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter*-Menschen (LGBTI) – auch in einigen Ländern Afrikas. Im Dezember 2013 verabschiedete das ugandische Parlament ein Antihomosexuellengesetz, das einvernehmlichen homosexuellen Geschlechtsverkehr mit lebenslänglicher Haft unter Strafe stellt. Personen, die sich für LGBTI-Rechte engagieren, sollen mit sieben Jahren Gefängnis bestraft werden und die Nicht-Denunzierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*- und Inter*-Menschen mit drei Jahren. Nigeria, Gambia, Liberia, Tansania und Tschad folgten mit ähnlichen Gesetzesvorhaben. In anderen Ländern, wie z.B. der Demokratischen Republik Kongo, in Ghana, Burundi und Malawi wurden in öffentlichen Debatten schärfere Antihomosexuellen-Gesetze gefordert. Selbst in Südafrika, dessen fortschrittliche Verfassung LGBTI-Personen vor Diskriminierung schützt, werden weiterhin Hassverbrechen, speziell gegen schwarze Lesben aus den Townships, verübt.« Das ganze Dossier finden Sie unter: http://bit.ly/2En4oCh

Repressionen gegen türkische NGOs Zeitlich und inhaltlich passend zu unserem Beitrag von Zozan Özgökce S. 15 erschien am 8. Februar im Spiegel ein Beitrag über Repressionen des türkischen Staats gegen NGOs. Darin wird auch Zozan Özgökce zitiert. Nach Angaben des Spiegel hatte die EU dem Frauenverein VAKAD fast 300 000 € Fördergelder zugesichert. Özgökce wollte damit den Verein ausbauen und Frauen und Kinder um Van bei der Bewältigung von Gewalterfahrungen helfen. Seit dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 haben sich die Repressionen gegen viele NGOs in der Türkei drastisch verschärft. Es wurden seitdem ca. 1400 Vereine und 139 Stiftungen per Dekret geschlossen. Für die EU wird dies zunehmend zu einem Problem. Zum einen, weil sie keine Partner mehr finden, zum andern müssen sie fürchten, dass die Gelder für die türkische Zivilgesellschaft am Ende beim türkischen Staat landen. Die Gelder, die der Frauenverein VAKAD noch hatte, wurden konfisziert. Von insgesamt acht NGOs wurden inzwischen EU-Gelder beschlagnahmt. Link zu dem Spiegel-Artikel: http://bit.ly/2Eit7HP

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Transgender

Geschlecht, was war das noch gleich …? Vom Denken in Schubladen und der Schwierigkeit sich als transsexueller Mensch in dieser Welt zu finden und zu behaupten Von Isabelle Melcher In meiner Kindheit hatte ich eine klare Vorstellung davon, was Schubladen sind. Schubladen sind Kästen in Möbelstücken, die zur Aufbewahrung von verschiedensten Gegenständen verwendet werden. Ganz klar, in Schubladen kann der Mensch Dinge aufbewahren, solche die wichtig sind und einen emotionalen Wert haben, solche die praktisch sind und einen festen Platz brauchen, damit wir Sie wiederfinden und solche, die eben einfach da sind, irgendwo hin müssen – damit diese aufgeräumt sind und eben nicht unordentlich herumlie-

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gen. Mir war in meiner Kindheit also ganz klar, welchen Zweck Schubladen haben, dass sie beim Aufräumen meines Zimmers eine Rolle spielen und sonst eben einfach nur da waren, ohne dass ich mich im Besonderen damit beschäftigen musste. Ich musste erst etwas älter werden, um zu begreifen, dass Schubladen mich auch den Rest meines Lebens fast ständig begleiten werden. Es gibt mehr als zwei Geschlechter, dass wissen wir nicht erst seit der wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einem dritten, positiv besetzten Geschlechtseintrag. Doch trotz dieses Wissens versuchen wir,

jemandem bei der Geburt möglichst ein »eindeutiges« Geschlecht zuzuweisen. Aber Geschlecht ist mehr als das, was ein Mensch zwischen den Beinen hat, und doch scheint allzu häufig das allein auszureichen, um eine geschlechtliche Zuordnung vorzunehmen. Und ich glaube leider nicht, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts viel daran ändern wird. Natürlich wissen wir bei der Geburt eines Kindes nicht, welches sozial »konstruierte« Geschlecht dieses in seinem Leben annehmen wird, oder welche »geschlechtstypischen« Merkmale oder Zuschreibungen andere Menschen dem Kind später geben werden. Und das jedem Menschen eigne Ich-Geschlecht können wir bei einem Neugeborenen auch nicht wirklich erfragen. Generell scheint das Geschlecht eines Menschen sehr häufig für andere Menschen deutlich wichtiger zu sein als diesem Menschen selbst. Ist es doch eine wundervolle Möglichkeit, uns in eine Schublade zu stecken und mit verschiedenen Anforderungen, Ansprüchen und Erwartungen zu überhäufen.

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Transgender

Jeder kennt den Nutzen einer Socken-Schublade, sie wird bereits in der Bezeichnung geklärt, aber der Inhalt einer Krims-KramsSchublade oder einer Küchen-Schublade ist schwerer zu definieren. Und doch glauben wir, dass alles, was wir in eine Schublade stecken, aufgeräumt ist. Es hat einen festen Platz, einen Ort, wo es hingehört. Genau so erklären sich auch die Schubladen in unseren Köpfen. In unserer komplizierten Welt ist es nicht leicht, mit den vielen Eindrücken, Erfahrungen und besonders mit der großen Vielfalt um uns herum klar zu kommen. Viele Menschen fühlen sich davon überfordert. Deshalb schaffen wir uns ein System, das komplizierte Begebenheiten in ein einfaches Schema presst. Alles kommt in eine Schublade und damit hat es eine Kategorie, die klar macht, was wir erwarten können und was eben nicht. Natürlich machen wir damit manches unsichtbar, nehmen den Menschen die Individualität und verdrängen die vorhandene Vielfalt in unserer Gesellschaft. Aber wir machen die Welt berechenbarer, indem wir ausblenden und übermäßige Individualität im Keim ersticken, bevor diese unsere Welt eben komplizierter macht. Verrückt – komisch – abartig oder Schlimmeres, »Ist das jetzt ein Junge oder ein Mädchen?« In solche Schubladen wurde ich in meiner Kindheit und Jugend gesteckt. Ich hatte jedoch meine eigene Schublade schon sehr früh für mich ausgemacht, die Tatsache, dass sich zwischen meinen Beinen etwas befand, was da nicht sein sollte, änderte nichts daran, dass ich ein Mädchen war. Das sagten mir mein Kopf, mein Herz und meine Gedanken. Es war ein langer Kampf für mich, dass auch andere Menschen mich als das anerkennen, was ich bin und mich nicht in Frage stellen. Kurz vor meinem Abitur hatte ich es endlich geschafft, den meisten Menschen in meinem Umfeld von meinen Gedanken, Gefühlen und eben auch von meinem wirklichen Geschlecht zu erzählen. Und natürlich war es den meisten immer klar gewesen, denn ich war eben ein typisches Mädchen. Warum aber wurde mir dann nicht schon viel früher ein Ausweg angeboten, warum haben so viele versucht, mich in eine Rolle oder in eine Schublade zu drücken, die augenscheinlich nicht die richtige war? Weil ich gegen eine scheinbare Ordnung verstoSYM 1/2018

ßen habe, oder weil viele sich durch mich bedroht gefühlt haben. Ja, ein transsexuelles Kind kann die Welt der Menschen um sich herum sehr durcheinander bringen. Alle Eltern haben Wünsche und Träume von der Zukunft des eigenen Kindes, die durch einen Satz wie »Ich bin schon immer ein Mädchen und kein Junge gewesen«, mehr als nur etwas durcheinander gebracht haben. Nach einigen Jahren habe ich begonnen, die Grenzen meiner »neuen« Schublade zu hinterfragen: Wer bestimmt, wie wir sein sollen? Ich habe mich nicht mehr in eine Schublade geflüchtet, um das Musterbeispiel einer »Frau« für mich und andere darzustellen, sondern mich selbst und mein Leben auf den Prüfstand gestellt. Wie bin ich? Was möchte ich eigentlich? Welche Eigenschaften gehören zu mir, welche nicht? Am Ende war ich freier und selbstbestimmter als es die meisten Menschen jemals sein werden. Mir ist klar geworden, dass ich niemals in eine Schublade passen werde. Durch die Irrwege des Schicksals entwickelte sich aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft und dann eine Liebe. Die Tatsache, dass es eine andere Frau war, machte mir am Anfang zu schaffen. Der Spruch eines guten Bekannten: »Wir verlieben uns in Menschen, und nur das ist es, was zählt«, ist mir noch heute in bester Erinnerung. Also verließ ich auch die Schublade »heterosexuell«, um mich nach einer kurzen Reise durch andere Schubladen wie »bisexuell« und »pansexuell« am Ende in der Schublade »lesbisch« wieder Zuhause zu fühlen. Wir müssen endlich wieder lernen weiter zu denken… Die Schubladen in unseren Köpfen ausleeren, die Gedanken und Gefühle aus diesen engen und kleinen Kästen befreien. Die Welt und den Menschen in der ganzen Vielfalt annehmen, begreifen und akzeptieren. Dass wir die Summe aller Teile nicht erfassen können, dass jeder Mensch einzigartig und zugleich vielfältig ist, niemand in eine Kategorie oder eine Schublade passt.

Isabelle Melcher ist Psychotherapeutin an der »Beratungsstelle TTI – Beratung zu Transsexualität, Transgender und Intersexualität« in Ulm, die am 9. Mai 2016 eröffnet wurde. Seit fünf Jahren ist sie Mitglied im Sprechendenrat des »Netzwerks LSBTTIQ – BadenWürttemberg«. Ferner leitet sie seit vielen Jahren in einem kleinen Team von vier Menschen die Selbsthilfegruppe des »Freundeskreis Trans Ulm« und seit zweieinhalb Jahren auch die Jugendgruppe »TeenGender« in Ulm. Das Beratungsangebot richtet sich an transsexuelle, transgender oder intersexuelle Menschen mit einem Beratungswunsch sowie deren Angehörige, Partner_innen und Eltern. Aber auch an alle Menschen, die Fragen rund um geschlechtliche Identität oder Intersexualität haben. Beratungstermine erfolgen nach Vereinbarung und können per E-Mail unter: beratung-tti@ netzwerk-lsbttiq.net oder telefonisch – jeden Mittwoch zwischen 9:00 und 11:00 Uhr – vereinbart werden. Freitags von 16:00 bis 18:00 Uhr bietet die Beratungsstelle die Möglichkeit einer freien Sprechstunde.

Impulsreferat von Isabelle Melcher (gekürzt) bei der Tagung »Flüchten um anzukommen. Perspektiven lesbischer Frauen und transidenter Lesben«, 15.-17. Dezember 2017 in Bad Boll, s.a. S. 8-10, 14, 16-17

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Uganda

Uganda: Gewalt gegen Lesben Resty Nsubuga im Dezember 2017 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

Schule abschließen. Ich wollte Sozialarbeiterin werden, um Frauen zu helfen, die in ähnlich schwierigen Situationen leben. Die Organisation hat die Studiengebühren bezahlt und ich habe dafür nebenbei bei ihnen gearbeitet. In den Gottesdiensten wurde immer gegen Homosexualität gewettert. Ich wollte die Schwierigkeiten ertragen – bis ich einen Platz finden würde, an dem sich mein Traum, in Freiheit zu leben, erfüllt. Doch das auszuhalten war sehr schwierig. Irgendwann habe ich mich geoutet – und musste meinen Arbeitsplatz verlassen. Farug, NGO in Uganda Farug wurde 2003 gegründet – sie ist die älteste Nichtregierungsorganisation für Lesben in Uganda. Von ursprünglich 150 Organisationen für Schwule und Lesben gibt es nur noch zwei – die Schutzräume für Homosexuelle schwinden. Farug unterstützt Lesben, biqueere Frauen und Frauen, die sich mit HIV-infiziert haben. Viele Lesben sind HIV positiv – durch Sexarbeit und Vergewaltigungen. Farug organisiert Fahrten zu Gesundheitszentren, verteilt Medikamente, informiert über Geschlechtskrankheiten, macht HIV-Tests und hilft bei Hepatitis-Erkrankungen. Farug hat ein Handbuch zu HIV und Tuberkulose veröffentlicht, aber auch Informationsmaterial zu Themen wie Menschenrechte und den Aufbau von Netzwerken. Die NGO bietet Kurse zum Empowerment an und veranstaltet Kunstprogramme.

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Resty Nsubuga stammt aus Uganda und lebt seit 2015 als Flüchtling in Deutschland. Als Lesbe musste sie ihre Heimat verlassen. Bei der Tagung »Flüchten um anzukommen. Perspektiven lesbischer Frauen und transidenter Lesben«, 15.-17. Dezember hat Resty ihre Geschichte erzählt. Wir veröffentlichen einen Auszug. Als ich in der Schule mit einer Freundin entdeckt wurde, bin ich von der katholischen Schule geflogen. Mein Stiefvater war sehr aufgebracht. Ich musste mich öffentlich entschuldigen. Meine Identität hat sich dadurch aber nicht verändert. Die einzige, die mich damals unterstützte, war meine Tante. Mein Vater wollte mich »heilen« und hat einen Freund beauftragt, mich zu vergewaltigen. Das ist im Haus meiner Eltern passiert – dort, wo eigentlich mein Zuhause sein sollte. In afrikanischen Familien darf man über Vergewaltigungen nicht sprechen. Ich blieb mit meinem Schmerz und der Schwangerschaft allein. Ich habe einen Jungen zur Welt gebracht. Von meiner Familie wurde ich ausgestoßen. Als meine Tante an HIV starb, wurde alles noch härter. Und als mein Sohn fünf Jahre alt war, wurde er mir weggenommen, weil ich als angeblich geistig Kranke nicht in der Lage sei, ein Kind aufzuziehen. Ich weiß nicht, warum ich trotz allem stärker wurde. Über eine Freundin kam ich zu einer christlichen Organisation und konnte meine

Die Medien in Uganda verbreiten, dass Lesben verrückt sind, krank. Eine Lüge, die täglich verbreitet wird. Es wird immer schlimmer – eine furchtbare Atmosphäre für Lesben. Als ich Biggy kennenlernte, haben wir zusammengelebt, bis wir von der Polizei überfallen wurden. Sie haben alles durchsucht, uns verhaftet und in verschiedene Zellen gesperrt. Über Farug, eine Hilfsorganisation, wurde ich freigelassen. Ich musste mich aber alle drei Wochen bei der Polizei melden. Unsere Wohnung haben wir verloren. Schließlich beschlossen wir zu fliehen, doch auf der Flucht wurden wir voneinander getrennt. Im Oktober 2015 kam ich nach Hamburg in ein Notaufnahme-Camp aus Zelten gemeinsam mit 3000 anderen Menschen. Die meisten von ihnen waren Syrer und sprachen Arabisch. Ich war schwarz und sprach Englisch. Es war surreal. Ich war eine Person mit einer Nummer, drei T-Shirts, einer Bluejeans und zwei Jacken. Als ich nach München kam, wurde es besser – ich hatte wieder Kontakt zu Biggy und fand Letra, eine Lesbenberatungsstelle: Ich war an einen Platz gekommen, an dem man mich verstand, wo ich willkommen war. Sie hatten dort die gleiche Art zu denken wie ich – nur dass ich aus Afrika kam. Der Schmerz, Lesbe zu sein, ist auf der ganzen Welt gleich. Das Wichtigste ist, dass man zu sich selbst findet und sich seinen Weg erkämpft. SYM 1/2018


Ost-Türkei

Ost-Türkei: Gewalt gegen Frauen Von 8.-10. Dezember fand in Bad Boll die Tagung »Umbrüche in Kurdistan« statt. Zozan Özgökce, Vorsitzende des verbotenen Frauenvereins Van referierte über »Die Gewaltsituation in der Türkei«. Wir veröffentlichen einen Auszug. VAKAD (Van Frauenverein) wurde 2004 von sieben Frauen gegründet. Wir expandierten schnell und gründeten in drei Nachbarprovinzen mit den dortigen Frauen vergleichbare Organisationen. VAKAD arbeitet vor allem gegen Gewalt gegen Frauen, und ist im Dachverband der türkischen Frauenbewegung aktiv. Am 22. November 2016 wurde unser eingetragener Verein als einer von 375 durch Regierungserlass Nr. 677, im Rahmen des anhaltenden Ausnahmezustandes, geschlossen. Der Staat beschuldigt uns, eine Gefahr für die nationale Sicherheit zu sein. Die Regierung schloss unser Kevenli Frauen- und Kinderzentrum (s. Bild). Die Kinder hatten gerade Vorschule. Sie nahmen unsere Materialien, unser Geld mit – selbst die Daten über die Frauen, die wir gesammelt hatten. Gegen diese Aktionen kämpfen wir seitdem. Davor unterhielten wir Beratungszentren, Frauenhäuser und Zentren für Frauen und Kinder. Wir boten medizinische, psychologische, ökonomische Beratung und Hilfe in Rechtsfragen an. Pro Jahr kamen 250 Frauen in akuter Not zu uns – Flüchtlinge, Asylsuchende und Türkinnen. Wir organisierten auch Konferenzen und Seminare in der ­Provinz Van, aber auch Aktivitäten in Dorfmoscheen. VAKAD ist in der Region sehr bekannt. Wir haben auch nach dem großen Erdbeben Hilfe geleistet. Wir organisierten Kampagnen, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Wir haben ein Monitoring System für Frauen, die ermordet wurden und dokumentieren Diskriminierungen. Wir verteidigen die Frauenrechte. Unterstützt wurden wir durch die Förderprogramme der EU und des Global Fund for Women. Mit dem Verbot wurden diese Hilfen eingestellt. Auf Proteste der EU warten wir Frauen von Van bisher vergeblich. SYM 1/2018

Besuch im Kevenli Kinder- und Frauenzentrum in Van im Mai 2015. Erste Reihe: Hauke Marczinkowski aus Karlsruhe links unten mit Zozan Özgökce, Vorsitzende VAKAD.

Wie in vielen anderen Städten der Ost-Türkei ist Gewalt gegen Frauen auch in Van ein großes Problem und eine große Herausforderung. Frauen, die hier leben, haben politische, ökonomische und kulturelle Probleme, die durch Migration, Armut, Arbeitslosigkeit und zusätzlich durch die »kurdische Frage« verstärkt werden. Sowohl die Regierung als auch die Gesellschaft kümmern sich nur selten um ihre Nöte und Bedürfnisse. Obwohl sie die Hälfte der Einwohner des Landes ausmachen und nach dem Gesetz gleichberechtigt sind, werden demokratische und zivile Rechte der Frauen verletzt. Sie haben nur begrenzte Möglichkeiten, sich selbst zu stärken. Da es de facto keine Meinungs- und Organisationsfreiheit gibt, können sie in ihrer Region nur sehr erschwert Selbsthilfegruppen oder lokale NGOs bilden. Dennoch wächst die Anzahl der autonomen Beratungsund Trainingszentren von nichtstaatlichen Frauengruppen. Ein Ergebnis der mehr als dreißigjährigen, politischen Krise ist, dass ein Großteil der Bevölkerung in Osten und Südosten der Türkei unter dramatischer Armut, Arbeitslosigkeit und jeder Art von Gewalt leidet. In diesem sozialen und politischen Klima sind Frauen viel verwundbarer gegenüber struktureller Gewalt und haben einen hohen Bedarf an Unterstützung.

Chronologie 2004 Gründung von VAKAD als unabhängige NGO in Van. 31.1.2013 Anklage von VAKAD unter dem Vorwurf der Terrorunterstützung; Freispruch. 22.11.2016 Verbot des Vereins per Regierungserlass Nr. 677. Betroffen sind 375 Vereine. Danach Plünderung der versiegelten Büroräume von VAKAD durch Unbekannte. Gezielte Zerstörung von Frauenliteratur, der Dokumentationen und Bildern. Februar 2017 Verhaftung von Zozan Özgökce für eine Nacht ohne Begründung. August 2017 Z. Özgökce wird angeklagt wegen Terrorunterstützung; Freispruch. 26.12. 2017 Zozan Özgökce: Anklage wegen Präsidentenbeleidigung zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. 8.1.2018 Der türkische Staat pfändet privaten PKW von Zozan Özgökce. Zum Kampf des türkischen Staats gegen die Zivilgesellschaft siehe Kaleidoskop S.11.

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Bundesverdienstkreuz

Engagiert und pointie Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am 30. April 2018 Am Montag, den 30. April 2018, wird Prof. em. Monika Barz in Reutlingen das Bundesverdienstkreuz verliehen. Ausgezeichnet wird sie für ihr langjähriges lesbenpolitisches Engagement und die Zivilcourage, mit der sie seit den 1980er Jahren offen für die Rechte lesbischer Frauen in Kirche und Gesellschaft eintritt. Diese Auszeichnung ist zugleich Anerkennung und Wertschätzung ihrer haupt- und ehrenamtlichen Arbeit. Von Dr. Kerstin Soederblom Sie war nicht nur Mitbegründerin des Frauenhauses in Tübingen und des Notrufs für vergewaltigte Frauen in Nienburg/Weser. Sie war auch mitverantwortlich für die Gründung der Lesbentagung an der Evangelischen Akademie Bad Boll: Monika Barz engagiert sich seit vielen Jahren erfolgreich für Frauen- und Lesbenprojekte. Gemeinsam mit Dr. Herta Leistner und Ute Wild hat sie zwischen 1985 und 1996 die Tagungen geleitet, die für religiös und spirituell interessierte Lesben im Umfeld Kirche ein Segen waren. Denn dem Leitungsteam gelang etwas Einzigartiges im deutschsprachigen Raum: Sie haben einen sicheren Ort geschaffen, an dem Frauen über den Zusammenhang von Religion, (Kirchen-) Politik und verschiedene Lebensformen intensiv diskutieren und sich austauschen konnten und können. Die Tagungen haben lesbische Frauen gestärkt und ermutigt, in ihren privaten und beruflichen Zusammenhängen offener zu leben und sich für Gleichberechtigung im kirchlichen Umfeld einzusetzen. Im Kontext der Lesbentagungen sind außerdem zahlreiche Lesbennetzwerke entstanden, die bis heute aktiv sind. So zum Beispiel das »Maria und Martha Netzwerk« für lesbische Frauen in kirchlichen Berufen und das ökumenische Netzwerk »Lesben und Kirche« (LuK). Und auch das Netzwerk »Wirt16

schaftsweiber«, ein Netzwerk für lesbische Frauen in Führungspositionen, ist in Bad Boll gegründet worden. Auch das spirituelle und lesbenpolitische Engagement auf den Evangelischen und Katholischen Kirchentagen wird seit vielen Jahren auf den Lesbentagungen mit koordiniert und geplant. Dadurch haben es zahlreiche lesbische Frauen im Umfeld Kirche geschafft, sich von homo- und transfeindlichen Vorurteilen und Rollenzuweisungen zu befreien und zu Expertinnen ihrer eigenen spirituellen, theologischen und kirchenpolitischen Vorstellungen und Aktivitäten zu werden. Die Lesbentagungen sind bis heute ein erfolgreicher Programmbestandteil der Evangelischen Akademie Bad Boll. Auch Monika Barz nimmt als Teilnehmerin weiterhin an diesen Tagungen teil. Auf der letzten Lesbentagung mit dem Titel »Flüchten um anzukommen« im Dezember 2017 ist sie mit Sekt, Laudatio und einem Rückblick auf ihre Arbeit bereits für die Auswahl für das Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Was Monika Barz selbst über die Lesbentagungen in Bad Boll sagt: »Sie sind das zentrale Projekt in meiner Biographie. Dort kam für mich alles zusammen, was mir wichtig war: Politisches Handeln in aller Öffentlichkeit und gleichzeitiges Eintauchen in der Geborgenheit eines lesbisch-feministischen Kontinuums. Ich liebte die Zusammenarbeit mit Herta Leistner. Wir ergänzten uns in einer Weise, die für mich einmalig war. Seit meinem Rückzug aus der Tagungsleitung im Jahr 1996 nehme ich mit Begeisterung wahr, wie Traditionen aufgegriffen, verändert und neue Impulse gesetzt werden. Ich bin schlichtweg unheimlich stolz, durch diese Tagungsarbeit die kirchliche Lesbenbewegung mit auf den Weg gebracht zu haben und Strukturen gelegt zu haben, die so erfolgreich weiterbestehen.« (aus: Söderblom, Monika Barz. Eine Pionierin lesbisch-feministischer Bildungs- und Sozialarbeit, 13.04.2016). SYM 1/2018


Bundesverdienstkreuz

ert: Monika Barz Monika Barz hatte von 1993 bis 2017 die Professur für Soziale Arbeit im Bereich Frauenund Geschlechterfragen an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg inne. Sie war dort als offen lesbisch lebende und feministisch aktive Wissenschaftlerin ein Vorbild für viele Studierende, die im kirchlich-diakonischen Raum auf der Suche nach alternativen Gesellschaftsbildern, Geschlechterrollen und vielfältigen Formen von Partnerschaft und Zusammenleben waren. Seit 2012 engagiert sich Monika Barz im »Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg«, einem Zusammenschluss von ca. 100 Organisationen und Gruppen. Alle Mitglieder engagieren sich für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bi-, Transsexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ) und schließen dafür Bündnisse mit anderen politischen und gesellschaftlichen Partnern. Barz ist sehr stolz auf diese Arbeit in Baden Württemberg. Sie bezeichnet das Netzwerk als »Juwel«, das politisch eine erfolgreiche Arbeit macht und in dem sie selbst gerne weiter politisch aktiv sein möchte. So wünschen ihr viele Weggefährtinnen und Weggefährten alles Gute für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und vor allem: dass sie sich noch viele Jahre mit ihrer Leidenschaft und Herzenswärme für die rechtliche und politische Gleichstellung von LSBTTIQ einsetzen wird. Zum Weiterlesen: Kerstin Söderblom, Tagungsbericht zur Lesbentagung »Flüchten, um anzukommen« (19.12.2017), in: http://kerstin-soederblom. de/fluechten-um-anzukommen/ Kerstin Söderblom, Monika Barz. Eine Pionierin lesbisch-feministischer Bildungs- und Sozialarbeit (13.04.2016), in: www.evangelisch.de/blogs/kreuzqueer/133304/13-04-2016

Monika Barz zu den Lesbentagungen (gekürzt): »Am Anfang unserer Tagungsarbeit stand die kritische Auseinandersetzung mit der Bibel. Was sagt die Bibel zur Sexualität, was zur Homosexualität? Wir luden eine Theologin, Wissenschaftlerin und Expertin des Alten Testamentes ein (Bernadette Brooten). Sie half uns zu verstehen, was hinter einzelnen Wörtern der Bibel steht und wie wir die überlieferten Texte in den historischen Kontext stellen müssen. Mit gestärktem Selbstbewusstsein und der Gewissheit, dass wir Gottes Ebenbild sind … gingen wir weiter auf unserem kollektiven Lern- und Emanzipationsweg. Wir beschäftigten uns damit, wie sich religiöse Vorstellungen in der Menschheitsgeschichte entwickelt haben und experimentierten mit neuen Formen des Feierns. Einige Jahre später beschäftigten wir uns mit einer feministischen Theologie der Freundschaft, stellten kritische Fragen an die Segnungspraxis und vertieften uns in eine christliche Sexualethik auf dem Hintergrund exegetischer und historischer Befunde. Nach und nach erweiterte sich unser theologisches Interesse in Richtung liturgischer und spiritueller Themen. … Wir wurden neugierig auf lesbische Frauen anderen Glaubens. Wir stellten uns den Fragen nach unserem Umgang mit Tod und Neubeginn und entwickelten Rituale, die uns als heilsame Begleiterinnen uns Verfügung stehen. …« (aus: geträumt – gewagt – gelebt. Bad Boller Anfänge der kirchlichen Lesbenbewegung 1985-2005, edition akademie, Band 15, 2005, S. 20 ff.)

Prof. Dr. Kerstin Söderblom, Pfarrerin und Studienleiterin im Ev. Studienwerk in Villigst. Bloggerin bei Kreuz & Queer auf evangelisch.de. Seit 1987 bei den Lesbentagungen in Bad Boll, seit 2013 Mitglied der Projektleitung Zentrum Regenbogen des Deutschen Evangelischen Kirchentags.

Bilder von der Lesbentagung im Dezember 2017. Unten: Monika Barz mit der Theologin Irene Löffler

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Männlichkeit

Das Leben in Containern – ohne Familie und Arbeit – macht manche junge Flüchtlinge aggressiv. Dazuhin kommt die Unsicherheit, ob sie abgeschoben werden.

Kulturalisierung marginalisierter Männlichkeiten

Unterschiede und Parallelen in den aktuellen Diskussionen zu (sexualisierter) Gewalt Von Dr. Tina Spies »Mehr Gewaltkriminalität durch mehr Zuwanderer« titelten Anfang dieses Jahres fast alle großen Zeitungen und Nachrichtenportale. Sie bezogen sich dabei auf ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur »Entwicklung der Gewalt in Deutschland«. Diesem Gutachten zufolge sind zwischen 2007 und 2014 die polizeilich registrierten Gewalttaten in Niedersachsen kontinuierlich (um 21,9 Prozent) zurückgegangen. Für die Jahre 2014 und 2015 verzeichne die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) jedoch eine Zunahme der Gewaltkriminalität um 10,4 Prozent. Die Analyse zeige dabei, dass dieser Anstieg zu 92,1 Prozent Flüchtlingen« zuzurechnen sei. 18

Die Erklärungsansätze des Gutachtens für diesen Anstieg sind vielfältig: Neben Alter, Geschlecht und der gestiegenen Gesamtzahl von geflüchteten Menschen in Niedersachsen wird z.B. auch das Anzeigeverhalten der Opfer berücksichtigt. Denn – dies zeigten bereits frühere Studien des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) – Täter, die rein äußerlich oder durch das Sprechen einer nicht verständlichen Sprache »fremd« erscheinen, werden deutlich häufiger angezeigt und tauchen damit auch häufiger in der Statistik auf. Darüber hinaus wird der Herkunftskontext als Erklärungsansatz herangezogen. Denn überproportional häufig (im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil) tauchten geflüchtete Menschen aus Algerien, Tunesien und Marokko in der PKS auf, was die Autoren – neben dem

Verweis auf Alter und Geschlecht – auf den Aufenthaltsstatus der jungen Männer zurückführen. Sie hätten bald nach ihrer Ankunft erfahren, dass sie hier unerwünscht sind und in ihre Heimat zurückkehren müssen. Enttäuschung und Frustration könnten dann zu aggressivem Handeln führen. In den Medien wurden diese Erklärungsansätze fast überall zitiert. Dies ist insofern interessant und wichtig, als sie zwei Jahre zuvor in der medialen Berichterstattung nach den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten keine besondere Aufmerksamkeit erhielten. Die sexuellen Übergriffe wurden damals mit der angeblichen »Kultur« der arabischen und nordafrikanischen Männer erklärt. Ihre »Hypermaskulinität« und »VergewaltigungsbeSYM 1/2018


Männlichkeit

reitschaft« wurde als Import aus der »Fremde« konstruiert und ihre Abschiebung entsprechend gefordert. Dadurch wurde signalisiert, dass von »den Anderen« generell eine Gefahr ausgeht, vor der »das Eigene« zu schützen sei. Das Alter und Geschlecht der Täter sowie ihr ungesicherter Aufenthaltsstatus und die damit verbundenen prekären Lebensbedingungen wurden nicht reflektiert. Allerdings greift das aktuelle Gutachten bei der Suche nach weiteren Erklärungsansätzen ebenfalls auf die »Kultur der Anderen« zurück. So ist auch hier von einer »Machokultur« die Rede, die als »Gewalt erheblich fördernder Belastungsfaktor« gilt. Gleichzeitig wird – zumindest indirekt – auch Religion als Erklärungsnarrativ genutzt. Denn die »Flüchtlinge« stammten »überwiegend aus muslimischen Ländern« und »junge männliche Zuwanderer aus solchen Kulturen« hätten »sogenannte gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen in weit höherem Maß verinnerlicht […] als gleichaltrige Deutsche oder in Deutschland geborene Jugendliche«. Es lässt sich also auch hier (wieder) eine Kulturalisierung von Gewalt beobachten: Die »Kultur der Anderen« – und hier vor allem derjenigen, die aus muslimischen Ländern kommen – wird für das Gewalthandeln verantwortlich gemacht. Auch in früheren Studien des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) wurde bereits so argumentiert. Allerdings wurde das Thema dort auch schon einmal wesentlich kontroverser diskutiert (z.B. in Veröffentlichungen zur Schülerbefragung 2000). Dabei wurde deutlich, dass sich das Bildungsniveau, der sozioökonomische Status der Eltern sowie die erlittene Elterngewalt in der Kindheit direkt auf die aktive Gewaltdelinquenz der Jugendlichen auswirkt. Würden diese Variablen kontrolliert, so sei der »Faktor Ethnizität nicht mehr signifikant«. Darüber hinaus – so stellten die Autor_innen damals fest – hänge die Zustimmung zu gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen weniger mit einem »ethnisch spezifischen kulturellen Faktor zusammen« als mit Orientierungen, die »in Kontexten von sozialer Benachteiligung und Marginalisierung entstehen«. Im aktuellen Diskurs scheinen solche Erklärungsansätze – wie sie z.B. auch innerhalb der SYM 1/2018

Kritische Männlichkeitsforschung Alternative Ansätze zur Erklärung von Gewaltdelinquenz werden u.a. in der kritischen Männlichkeitsforschung diskutiert. Hierbei wird – im Anschluss an die australische Soziologin Raewyn Connell – davon ausgegangen, dass jede Gesellschaft ein hegemoniales Männlichkeitsmuster ausbildet, dem alle anderen Formen von Männlichkeit untergeordnet sind. Dieses Männlichkeitsideal wird derzeit vor allem von Weißen Männern in Managementpositionen oder auch im Showbusiness verkörpert. Doch auch marginalisierte Männer, die am Rande der Gesellschaft stehen, orientieren sich an diesem Ideal. Zum Teil bleibt ihnen dabei aber keine andere Ressource als sich mithilfe von körperlicher und krimineller Gewalt dem Standard hegemonialer Männlichkeit anzunähern. Der Soziologe und Kriminologe Joachim Kersten spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Kompensationsdynamik: Mithilfe von Eigentumsdelikten, Gewalttaten und sexuellen Übergriffen wird versucht, die eigene Männlichkeit zu verteidigen.

kritischen Männlichkeitsforschung seit langem formuliert werden (siehe Infokasten) – keinen Platz zu haben. Denn obwohl über den (ungesicherten) Aufenthaltsstatus der jungen Männer gesprochen wird, wird dieser nicht mit der marginalisierten Position der Geflüchteten in Verbindung gebracht. Gleichzeitig wird die »Machokultur« als Import aus der »Fremde« konstruiert und nur »das Aufwachsen in Deutschland« könne einen »kulturellen Lernprozess« ermöglichen. Wie rassistisch dieser Diskurs ist, wird besonders deutlich bei einem Vergleich mit der derzeitigen Diskussion unter dem Hashtag #metoo. Auch hier geht es – wie »nach Köln« – um sexuelle Gewalt. Doch im Unterschied zu »Köln« wird im Zusammenhang mit #metoo nicht darüber diskutiert, ob sich die sexuelle Gewalt möglicherweise mit »unserer Kultur« erklären lässt. Was das Gewalthandeln der weißen, mächtigen Männer im Showbusiness mit dem hegemonialen Bild von Männlichkeit westlicher Gesellschaften zu tun hat, wird nicht hinterfragt. Zwar wächst derzeit ein Bewusstsein dafür, wie verbreitet sexuelle Gewalt in »unserer« Gesellschaft ist, gleichzeitig werden die Übergriffe aber auch als »Ausrutscher« bagatellisiert. Es wird – wie unlängst in einem offenen Brief in der französischen Zeitung Le Monde – die »Freiheit, jemandem lästig zu werden« verteidigt und vor einer »Hexenjagd« gewarnt. Doch genau dies ist es, was arabisch und nordafrikanisch markierte Männer »nach Köln« erlebt haben. Sie wurden unter Generalverdacht gestellt und hatten vermehrt mit Aggression und Ausgrenzung seitens der Mehrheitsgesellschaft zu kämpfen. Dies wiederum sind jedoch – auch das zeigten frühere Studien des KFN – letztlich Faktoren, die vermehrt eigenes Gewalthandeln fördern. Die Pauschalisierungen im aktuellen Gutachten des BMFSFJ sind insofern nicht nur ernüchternd, sondern auch gefährlich. Die vielfältigen und miteinander verflochtenen Ursachen für Gewalt lassen sich so nicht bekämpfen. Dr. Tina Spies leitet den Lehrbereich Sozialstrukturanalyse in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Sie war Referentin bei der Tagung »Jugendstrafrecht ist Jungenstrafrecht«, vom 23.-25. Februar 2018. 19


Was kommt?

Was kommt?

Tagungen vom 5. März bis 30. Juli 2018 Gesellschaft, Politik, Staat Resilienztraining. Psychische Widerstandskraft und Stärke entwickeln 7. bis 9. März 2018, Bad Boll Persönlichen Stress zu reduzieren und ein Leben im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen zu führen, ist eine große Herausforderung unserer Zeit. Woran liegt es, dass einige Menschen schwierige Lebenssituationen mühelos meistern und andere nicht? Im Seminar mit der Psychologin und Theologin Brigitte Schäfer beschäftigen wir uns mit Faktoren, die Menschen seelisch widerstandsfähig machen und üben Strategien zum Stressmanagement ein. Dabei stützen wir uns auf die Erkenntnisse der Stressund Resilienzforschung und verknüpfen diese mit Hilfe von Übungen mit den Alltagserfahrungen der Teilnehmenden. Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 25 Fundraising für Hochschulen. Spenden, Sponsoring und Stiftungen in der Praxis 12. bis 14. März 2018, Bad Boll Viele Hochschulen verfügen über Fundraising-Referate oder Stabsstellen und weisen gute Erfolge bei der Gewinnung privater Förderung auf – durch Einzelpersonen, Unternehmen oder Stiftungen. Das Deutschlandstipendium ist dabei oft ein wichtiges Standbein. Nun geht es darum, Fundraising auf höhere Stufen zu heben und Mittel mit nachhaltigen Auswirkungen auf die Hochschulentwicklung einzuwerben: Systematisches Großspenden-Fundraising, Stiftungsaufbau, Testamentspenden und Nutzen einer Vielfalt von FundraisingInstrumenten. Unsere Fachtagung bietet Ihnen einen Überblick über beste Fundraising-Praxis in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s. S. 25 20

Wo die Erinnerung kommt – eine Reise nach Auschwitz-Birkenau Im Gedenken an die Deportation von Sinti und Roma aus Baden und Württemberg 1943 19. bis 23. März 2018, Centrum Dialogu Am 15. März 1943 ging der erste Transport von Sinti aus Baden und Württemberg nach Auschwitz-Birkenau ins sogenannte »Zigeunerlager«. 456 Menschen waren es, die in jenem Monat dort ankamen. Nur wenige haben überlebt. Die Reise möchte den Weg im Gedenken nachgehen, die Orte des Schreckens kennenlernen und so dazu beitragen, dass der Völkermord an den Sinti und Roma nicht vergessen wird. Wir reisen mit einem Bus von Stuttgart nach Oświęcim/Auschwitz, sind untergebracht im Centrum Dialogu und werden auf der Rückreise noch einen Tag in Wrocław/Breslau verbringen. Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst Infos: Conny Matscheko, s. S. 25 Eine Renaissance des Nationalismus im Land der aufgehenden Sonne? Aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen in Japan und Ostasien 3. bis 5. April 2018, Bad Boll

Nationalisten haben nicht nur in Europa oder Amerika Zulauf. Auch in Japan sind zunehmend Töne eines neuen Nationalismus zu hören. Die politische Rechte und Akteure der spirituellen Elite sehen ihre Chance, ein neues »Japan first« zu propagieren. Dies geschieht auf dem

Hintergrund der aktuell mehr als brisanten politischen Situation im ostasiatischen und pazifischen Raum, wo China und Nordkorea, aber auch die USA mit regelmäßigen Machtdemonstrationen ihre Nachbarn beunruhigen. Was bedeutet diese Renaissance des Nationalismus in Japan und Ostasien für die innen- und außenpolitische Entwicklung? Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst Infos: Conny Matscheko, s. S. 25 Entwicklungspolitische Landeskonferenz 2018. WELT:BÜRGER gefragt! 7. April 2018, Landesmesse Stuttgart Unter dem Motto »Welt:Bürger gefragt!« organisiert die Landesregierung BadenWürttemberg seit 2012 einen Bürgerbeteiligungsprozess, in dem neue entwicklungspolitische Leitlinien für das Land Baden-Württemberg erarbeitet wurden. Die Akademie Bad Boll moderiert diesen Prozess. Einmal jährlich berät die Entwicklungspolitische Landeskonferenz über die Umsetzung dieser Leitlinien. Die Ergebnisse fließen in die Entwicklungspolitik der Landesregierung ein. Beteiligen Sie sich an dem Dialogprozess! Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Nicole Simnacher, s. S. 25 Nach der Werkstatt: Wie gestalte ich meinen Ruhestand? Fortbildung für Menschen, die aus einer Werkstatt (WfbM) in den Ruhestand gehen 16. bis 18. April 2018, Bad Boll Die Arbeit in der Werkstatt bestimmt noch die Tage, doch der Ruhestand ist schon in Sicht. Das Eintreten in den Ruhestand wird das Leben verändern. Auch für Ihre Angehörigen und Freund_innen wird dies eine Veränderung bedeuten. Der Abschied vom Gewohnten kann auch eine Chance sein, Neues zu entdecken. Es ist gut, sich im Voraus auf die neue Lebenssituation vorzubereiten. Möglicherweise finden Sie jetzt schon Ideen für Ihren Ruhestand. Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 25 Bad Boller Hebammentage 2018 Hinweis: Diese Tagung ist ausgebucht! 20. bis 22. April 2018, Bad Boll SYM 1/2018


Was kommt?

Achtsamkeit in Bewegung Selbstfürsorge und Stressbewältigung im Alltag 4. bis 6. Mai 2018, Bad Boll Achtsamkeitsbasierte Methoden werden zunehmend zur Förderung der Selbstfürsorge wie z.B. der Stressbewältigung oder der Burnout-Prophylaxe eingesetzt. Im Seminar lernen Sie eine verhaltensorientierte Achtsamkeitsarbeit kennen. Sensory Awareness schafft durch Bewegung, Sinneswahrnehmung und Kontakt die Grundvoraussetzung zu Präsenz und Gelassenheit im beruflichen wie persönlichen Alltag. Wenn wir uns mit Interesse und Unvoreingenommenheit dem zuwenden, was das Leben mit sich bringt, ermöglicht schon dieses »SichEinlassen« eine Gelöstheit, auf deren Grundlage Lösungen gedeihen können. Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 25 Demokraten fallen nicht vom Himmel Förderung von Demokratiefähigkeit bei Kindern und Jugendlichen 13. bis 15. Juni 2018, Bad Boll Demokratie setzt voraus, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich mit ihr identifiziert. Hier setzt die politische Bildung an; sie vermittelt das dafür notwendige Wissen. Oftmals bleibt sie allerdings auf das Faktenwissen beschränkt und vernachlässigt die mindestens ebenso wichtigen sozialen Kompetenzen. Kinder und Jugendliche sollten zur Wahrnehmung ihrer Bürger_innenrolle in der Demokratie befähigt werden. Was brauchen Kinder und Jugendliche, um Demokratie »aushalten« und leben zu können? Welche Kompetenzen sind hierfür notwendig? Wie können diese Kompetenzen in der frühkindlichen, der außerschulischen und schulischen Bildung gezielt vermittelt werden? Tagungsleitung: Tanja Urban Infos: Heidi Weiser, s. S. 25 Tagungen ab Mitte Juni in Kurzform Zusammenwachsen in einer pluralen Gesellschaft. Impulse – Konzepte – Vernetzung 20. bis 21. Juni 2018, Bad Boll SYM 1/2018

Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Nicole Simnacher, s. S. 25 Wir sind der neue Werkstattrat! Fortbildungsreihe, Teil 1 für Werkstatträt_innen und Vertrauenspersonen der Diakonie 9. bis 11. Juli 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 25 Motivierende Gesprächsführung nach Miller/Rollnick. Das Beste aus 30 Jahren Praxiserfahrung 18. bis 20. Juli 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 25 Macrons Philosophie. Was will der neue Präsident? Pierre-Olivier Monteil im Dialog mit Felix Heidenreich 13. Mai 2018, Villa Domnik, Nürtingen, (www.domnick.de), 17:00-20:00 Uhr Wie hat der Philosoph Paul Ricœur (1913-2005) den politischen Werdegang des vor einem Jahr gewählten französischen Präsidenten beeinflusst? Welche Chancen für Europa und eine Verständigung im gesellschaftlichen Diskurs stecken darin? Beim Vortrag von Pierre-Olivier Monteil aus Paris und im anschließenden Gespräch mit Felix Heidenreich aus Stuttgart soll diesen Fragen nachgegangen werden. Pierre-Olivier Monteil ist als Forscher am Fonds Ricœur ein ausgewiesener Kenner des evangelischen Philosophen und zugleich als Wirtschaftsethiker und Unternehmensberater tätig. Er gehört dem Kreis der Konvivialisten an. Monteil ist Doktor der Philosophie und der Theologie und Politikwissenschaftler. Dr. Felix Heidenreich ist derzeit Gastprofessor an der Hochschule SciencePolitiques in Paris und Inhaber der »Chaire Alfred Grosser«, ansonsten an der Uni Stuttgart tätig. Simultanübersetzung ist verfügbar. Kosten: 15,00 € Anmeldung ist erforderlich: www.evakademie-boll.de/tagung/200218.html Tagungsleitung: Albrecht Knoch Infos: Petra Randecker, s.S. 25

Kultur, Bildung, Religion Wir bewegen was! 17. Baden-Württembergischer StreitSchlichterKongress 14. bis 16. März 2018, Bad Boll Streitschlichtergruppen haben schon vieles an den Schulen in Baden-Württemberg bewegt. Sie sind eingeladen, sich beim jährlichen Kongress über Ziel und Methoden der Streitschlichtung zu informieren, in Vorträgen und Kleingruppen sich eine eigene Meinung zu bilden, von anderen Gruppen Anregungen zu bekommen, um ihr eigenes Konzept weiter zu entwickeln. Wir bieten Impulse, Workshops, Interaktion, Spiel und jede Menge Motivation, damit Sie das soziale Gefüge in Schule und Gemeinwesen mitgestalten. Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Nicole Simnacher, s. S. 25 Megatrends in der Gesellschaft und in der Pflege. Was Digitalisierung für die Pflege bedeuten kann 19. bis 20. März 2018, Bad Boll Schon der steigende Bedarf an Pflege ist an sich ein Megatrend, der unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen stellen wird. Können neue technische Systeme eine Lösung des Problems sein? Erfüllt sich das Versprechen, dass durch Technik und digitale Unterstützung das Leben einfacher und der Pflegealltag leichter wird? Welche Chancen und Risiken sich für alle Beteiligten in neuen Unterstützungssystemen ergeben, soll bei dieser Tagung diskutiert werden. Tagungsleitung: Dr. Dietmar Merz Infos: Romona Böld, s. S. 25 Trau, schau, wem! Vertrauen – riskante Ressource. Tagung für Menschen im Ruhestand 22. bis 24. März 2018, Bad Boll Vertrauen ist eine ebenso sensible wie notwendige Grundlage menschlichen Zusammenlebens. Diese Ressource scheint gegenwärtig im Schwinden begriffen. Kirchen und Gewerkschaften, Politik und Medien registrieren einen tiefgreifenden Glaubwürdigkeitsverlust. 21


Was kommt?

Fake news und allgemeine Bedrohungsängste tragen verstärkt zu dieser Entwicklung bei. Die ›Ruhestandstagung‹ fragt in diesem Jahr nach Quellen und Gefährdungen des Vertrauens in Kirche und Gesellschaft wie in persönlichen Beziehungen. Jürgen Wertheimer von literaturwissenschaftlicher und Reiner Strunk von theologischer Seite werden dazu inhaltliche Impulse setzen. Tagungsleitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Gehring Infos: Doris Korn, s. S. 25 Jenseits des Raubbaus – Samen der Hoffnung? Unternehmensverantwortung und Naturressourcen in Lateinamerika 13. bis 14. April 2018, Bad Boll

Religionen spielen eine wichtige Rolle bei der Transformation von Strukturen. Mit dieser Tagung wollen wir über ihren Beitrag bei der Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen diskutieren. Religionen haben meist einen holistischen Blick auf die Beziehung von Mensch und Umwelt. Wie können sie zudem die internationale Zusammenarbeit stärken, Ungerechtigkeitsstrukturen positiv verändern und ihre »Option für die Armen« – etwa in dem Ansatz der Befreiungstheologie – geltend machen? Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 25 Einander begegnen – Seelsorge und Demenz 16. bis 18. April 2018, Bad Boll Die Symptome der demenziellen Erkrankung verunsichern Menschen zutiefst. Bewohner und Bewohnerinnen im Heim können sich das, was sie für ihr Wohlbefinden brauchen, 22

im Fortschreiten der Krankheit immer weniger selbst erfüllen. Wie begegnen Seelsorgende Menschen, die danach fragen: Wer bin ich jetzt noch? Prof. Ralph Kunz ordnet in seinem Beitrag die Demenz in gesellschaftliche Phänomene der Selbstfindung ein und fragt nach dem theologischen Beitrag. Melanie Kunz wird Begegnungsmöglichkeiten aufzeigen und uns dabei unterstützen, ungewöhnliche Momente in der Seelsorge wertschätzend zu lernen. Tagungsleitung: Dr. Dietmar Merz Infos: Romona Böld, s. S. 25

um eine politisch-kulturelle Dimension zu ergänzen. Die zentrale Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, ist neu zu bedenken. Dies sind die Themen der Begegnungstagung mit dem »Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg« und der orthodoxen Akademie Kreta, anlässlich deren 50-jährigen Bestehens. Tagungsleitung: Mauricio Salazar Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 25

Gelassen und energievoll Lehrer_in sein 10. bis 13. Mai 2018, Bad Boll Um den Alltag als Lehrer_in mit seinen Anforderungen entspannt zu bestehen, hilft es, aus einer gelassenen Grundhaltung heraus zu handeln. Wir arbeiten daran, eigene, verborgene Potenziale zu entdecken, um die Dinge so zu tun, dass sie uns leicht von der Hand gehen. Dies unterstützt uns dabei, uns als Teamplayer im Klassenzimmer und im Kollegium einzubringen und gleichzeitig den Beitrag Anderer wahrzunehmen und wertzuschätzen. Gemeinsam erforschen wir dies mit Methoden des Zürcher Ressourcen Modells (ZRM®), Körperarbeit und Kooperationsübungen. Tagungsleitung: Claudia Schmengler, Dr. Irmgard Ehlers Infos: Erika Beckert, s. S. 25

Wie viele Studienabbrecher will sich unsere Gesellschaft leisten? Studienabbruch als bildungspolitische Herausforderung 15. Juni 2018, Hospitalhof Stuttgart Tagungsleitung: Claudia Schmengler Infos: Erika Beckert, s. S. 25

Ausstellung Africana Skulpturales aus Stahl und Holz von Eugen Schütz 13. Mai 2018, Bad Boll Siehe S. 7 Nachhaltig leben. Die Rolle von Religion und Kultur bei der Umsetzung der Agenda 2030 13. bis 17. Juni 2018, Bad Boll Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit den Zielen »Gerechtigkeit und Schöpfung« ist eine globale Herausforderung. Es geht darum, ein Leben in Würde für alle in den planetarischen Grenzen zu ermöglichen. Die Trias der Nachhaltigkeit (ökonomische, soziale, ökologische Nachhaltigkeit) ist

Tagungen ab Mitte Juni in Kurzform

»Ich bin sicher in der Unsicherheit« Meditatives Tanzen für Frauen 13. bis 15. Juli 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Claudia Schmengler Infos: Erika Beckert, s. S. 25 Ferienwoche kreativ 2018 … Das Ändern leben! 29. Juli bis 4. August 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Nicole Simnacher, s. S. 25

Wirtschaft, Globalisierung, Nachhaltigkeit Mut zur Transparenz IV Korruptionsbekämpfung in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit bekommt System 5. bis 7. März 2018, Bad Boll Seit 2009 arbeiten verschiedene Missions- und Entwicklungswerke auf Initiative von Transparency Deutschland zusammen mit der Evangelischen Akademie Bad Boll an konkreten Maßnahmen gegen Korruption. Dazu gehören die Sensibilisierung der Mitarbeitenden, Kriterien bei der Partnerauswahl, PräSYM 1/2018


Was kommt?

vention und risikobasiertes Controlling sowie Transparenz. Mit dieser IV. Fachtagung wird ein innovatives Gesamtkonzept für Korruptionsbekämpfung vorgestellt und gemeinsam weiterentwickelt. Die Teilnehmenden verpflichten sich zu Vertraulichkeit. Erfahrungsaustausch in einem geschützten Raum und gemeinsame Reflexion von Lösungsansätzen stehen im Mittelpunkt. Tagungsleitung: Prof. Dr. Georg Lämmlin Infos: Angie Hinz-Merkle, s. S. 25 Der menschliche Faktor in der Organisation 4.0 – Reihe: Aufbruch in eine neue Führungskultur 22. bis 23. März 2018, Bad Boll

Ihr Ziel: Menschen für den Erfolg Ihres Unternehmens begeistern! Die Tagung bietet im Austausch mit FührungsExpert_innen eine Plattform für die vertiefte Beschäftigung mit Chancen und Herausforderungen von Führung in der »Organisation 4.0«, dem durch Digitalisierung, Demokratisierung und Flexibilisierung geprägten Unternehmen. Die Frage, wie – auch in theologischer Perspektive – der »menschliche Faktor« verstanden und in der Organisation 4.0 Raum bekommen kann, wird von Expert_innen aus der Organisations- und Führungstheorie und der Unternehmenspraxis beantwortet. Tagungsleitung: Prof. Dr. Georg Lämmlin, Karl-Ulrich Gscheidle, Reiner Straub, Herausgeber personalmagazin, Dr. Benjamin Diehl, Susanne MeyderNolte Infos: Angie Hinz-Merkle, s. S. 25

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Wege im Wald Touristik, Freizeit, Naturschutz und Forstwirtschaft im Dialog 22. bis 23. März 2018, Bad Boll Der Wald ist nicht nur ein wichtiger Natur- und Wirtschaftsraum, sondern er bietet uns einen Raum für Erholung und Freizeitgestaltung. Doch beim Thema »Wald und Erholung« treffen unterschiedliche Interessen aufeinander. Diese Tagung bringt die Nutzungsgruppen im Wald miteinander ins Gespräch, diskutiert die Vermeidung von Konflikten bei der Planung und dem Erhalt von Wegen und erarbeitet Ansätze für ein kooperatives Miteinander im Wald. Tagungsleitung: Ruben Joos, Carmen Ketterl Infos: Romona Böld, s. S. 25 »Wer inne hält, erhält innen Halt« (Laotse) – Tage des Innehaltens – ein Retreat für Führungskräfte 26. bis 29. März 2018, Bad Boll Pausieren, Rast machen, eine Ruhepause einlegen, Körper, Seele und Geist einen Resonanzraum geben. Sich besinnen und anregen lassen durch Gruppengespräche, Einzelcoaching, kleine Vorträge, Körperübungen und Zeit im Grünen. Begleitet werden Sie von zwei erfahrenen Coaches. Das Ziel ist, gestärkt und erfrischt mit innerem Halt seinen Weg gehen zu können. Tagungsleitung: Susanne Meyder-Nolte, Dr. Benjamin Diehl Infos: Marion Heller, s. S. 25 Gemeinsam RENNen Erfahrungen und Perspektiven lokaler Nachhaltigkeitsinitiativen 21. bis 22. April 2018, Bad Boll Nach dem Erdgipfel von Rio 1992 sind viele kommunale Nachhaltigkeitsinitiativen entstanden: Zunächst waren dies Lokale Agenda 21-Prozesse, inzwischen kamen Initiativen wie Transition Towns, Cittaslow, Fairtrade-Towns und andere hinzu. Unter dem Motto »Blick zurück nach vorn« wollen wir die Erfahrungen der Pioniere diskutieren und Perspektiven für unsere weitere Arbeit entwickeln, die durch die Agenda 2030 und das Pariser Abkommen neu herausge-

fordert wird. Die neu eingerichteten »Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien – RENN« unterstützen diese Prozesse. Tagungsleitung: Carmen Ketterl Infos: Franziska Antel, s. S. 25 Zukunftsfähige Mobilität in BadenWürttemberg Fachtagung und BUND – Landesdelegiertenversammlung 27. bis 29. April 2018, Bad Boll Die Mobilitätspolitik steht vor dem Scheideweg. Denn gegenwärtig ist der Verkehrssektor in Baden-Württemberg alles andere als nachhaltig. Ob CO2-Emissionen, Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickstoffdioxid, Verkehrslärm oder Flächenverbrauch – überall stößt der Verkehr an seine ökologischen und sozialen Grenzen. Wie aber lässt sich ein Wandel zur Nachhaltigkeit einleiten, der gleichzeitig die Bedeutung der Automobilwirtschaft für Wohlstand und Arbeitsplätze berücksichtigt? Tagungsleitung: Ruben Joos, Dr. Brigitte Dahlbender BUND-Landesvorsitzende Infos: Romona Böld, s. S. 25 Tolle Mensa – Mehrwert für die Schulgemeinschaft 3. Mai 2018, Bad Boll Durch den Ausbau der Ganztagsschule wird die Mensa zum wichtigen Bindeglied zwischen Lernziel und Erholung. Eine gut etablierte und in das pädagogische Konzept der Schule eingebundene Mensa ist nicht nur für den Lernerfolg, sondern auch für das Schulklima und die Außenwirkung der Schule eine wichtige Stellschraube. Denn die Mensa bietet viel mehr, als einen Ort der Essensaufnahme. Sie dient als zentraler Treffpunkt, fördert Alltagskompetenzen und stärkt die Gemeinschaft. Beim Fachtag werden in Vorträgen und durch Praxisbeispiele gezeigt, wie die Mensa eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung und das Renommee einer Schule haben kann. Tagungsleitung: Karin Uhlmann Infos: Mona Keim, s. S. 25

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Was kommt?

Finanzregeln für das Management einer Verschuldungskrise 4. bis 5. Mai 2018, Bad Boll In mehreren Ländern deutet das Schuldenwachstum auf eine potenzielle Insolvenzkrise hin. Durch die Erfahrungen aus den letzten Krisen haben internationale Organisationen Vorschläge und Instrumente entwickelt, die ein Insolvenzverfahren für Staaten ermöglichen und eine »Ansteckungsgefahr« vermeiden sollen. Doch wie wirksam sind diese Instrumente? Sind wir auf eine neue Schuldenkrise vorbereitet? Die Tagung analysiert das Krisenpotenzial ebenso wie die Normen und Institutionen, die die Folgen einer solchen Krise bekämpfen können. Tagungsleitung: Prof. Dr. Andrés Musacchio Infos: Doris Korn, s. S. 25 Gesellschaft 4.0 – Digitalisierung, Verantwortung, Nachhaltigkeit Die Zukunft der protestantischen Ethik in der digitalen Gesellschaft 15. Mai 2018, Hospitalhof Stuttgart Wie gelingt es, ein neues Fundament protestantischer Ethik für die digitale Gesellschaft aufzubauen, wenn weder die geordnete Arbeitswelt des Berufslebens noch der komplementäre Himmel des ewigen Lebens tragfähige Bezugssysteme bilden können? Zum Auftakt der Reihe »Gesellschaft 4.0 – Digitalisierung, Verantwortung, Nachhaltigkeit« wird Prof. Dr. Birger Priddat (Universität Witten/Herdecke – Wirtschaftsfakultät, Institut für institutionellen Wandel) mit seiner profunden Kenntnis von Ökonomie und Theologie Ressourcen der protestantischen Ethik für Leben und Arbeiten in der digitalen Gesellschaft erkunden. Tagungsleitung: Prof. Dr. Georg Lämmlin Infos: Angie Hinz-Merkle, s. S. 25 Gesellschaft 4.0 – Digitalisierung, Verantwortung, Nachhaltigkeit Wie wird Digitalisierung nachhaltig? 5. Juni 2018, Hospitalhof Stuttgart Um die Megathemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu verknüpfen, 24

bedarf es einer auf ökologische und gesellschaftliche Wertschöpfung ausgerichteten Betrachtung des digitalen Wandels. Die digitale Energiewende ermöglicht nicht nur Effizienzgewinne, sondern schafft auch die Basis für dezentrale regenerative Energieversorgung. Digitalisierung ermöglicht neben Prozessoptimierung auch eine transparente Steuerung und Kommunikation von Ressourcennutzung, Wertschöpfungsprozessen und Unternehmensverantwortung. Prof. Dr. Ortwin Renn (Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung, Potsdam) zeigt, wie Digitalisierung nachhaltig wird. Tagungsleitung: Prof. Dr. Georg Lämmlin Infos: Angie Hinz-Merkle, s. S. 25 Kongress Digitalisierung Digitalisierung für alle. Sozialer Zusammenhalt in einer digitalen Lebenswelt 5. bis 6. Juni 2018, Bad Boll

Durch die Digitalisierung verändert sich die Arbeits- und Lebenswelt in Städten und auf dem Lande. Das hat Konsequenzen für den einzelnen Menschen wie für das gesellschaftliche Zusammenleben. Wissenschaftler aus Universitäten und Forschungsinstituten berichten aus den Bereichen Demokratisierung der Arbeit, kommunale Sozialpolitik und innovative Stadtentwicklung, mit denen sie den Diskurs über künftige Entwicklungen vorantreiben. Expandierende Metropolregionen und ländlicher Raum werden dabei in den Blick genommen, ebenso Großunternehmen und SoloSelbstständige. Best-practice-Beispiele veranschaulichen die Themen. Tagungsleitung: Karin Uhlmann Infos: Mona Keim, s. S. 25

Fußball: Das Geschäft hinter dem Leder 15. bis 16. Juni 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Andrés Musacchio Infos: Doris Korn, s. S. 25 Die vernetzte Gesellschaft Chancen für Klimaschutz, Ressourceneffizienz, Teilhabe 16. bis 17. Juni 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Georg Lämmlin, Prof. Dr. Andrés Musacchio Infos: Angie Hinz-Merkle, s. S. 25 Vom Governance Kodex zur inspirierenden Führung Wohin entwickelt sich die diakonische Organisation? 21. bis 22. Juni 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Georg Lämmlin Infos: Angie Hinz-Merkle, s. S. 25 Mauern in internationalen Strukturen und in politischen Diskursen 22. bis 23. Juni 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Prof. Dr. Andrés Musacchio Infos: Doris Korn, s. S. 25 Mobilität wohin? – Zur Rolle des Verbrennungsmotors Auf dem Weg zu einer sauberen und klimaneutralen Mobilität 28. bis 29. Juni 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Ruben Joos, Carmen Ketterl, Romeo Edel, KDA Stuttgart Infos: Franziska Antel, s. S. 25 NABU-Sommerakademie Fortbildungsangebot für ehrenamtlich Engagierte im Naturschutz 30. Juni bis 1. Juli 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Carmen Ketterl Infos: Romona Böld, s. S. 25 Solidarität und Konkurrenz Erwerbslosentagung 2018 2. bis 4. Juli 2018, Bad Boll Tagungsleitung: Karl-Ulrich Gscheidle Infos: Petra Randecker, s. S. 25

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Rezept

Sekretariate: Kontakte Franziska Antel, Tel. 07164 79-342, franziska.antel@ev-akademie-boll.de Erika Beckert, Tel. 07164 79-211, erika.beckert@ev-akademie-boll.de Romona Böld, Tel. 07164 79-347, romona.boeld@ev-akademie-boll.de Eliane Bueno Dörfer, Tel. 0731 1538-571, eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de Marion Heller, Tel. 07164 79-225, marion.heller@ev-akademie-boll.de Susanne Heinzmann, Tel. 07164 79-217, susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de Angie Hinz-Merkle, Tel. 07164 79-269 angie.hinz-merkle@ev-akademie-boll.de Mona Keim, Tel. 07131 98233-11, mona.keim@ev-akademie-boll.de Silke Klostermann, Tel. 07164 79-206, silke.klostermann@ev-akademie-boll.de Doris Korn, Tel. 07164 79-307, doris.korn@ev-akademie-boll.de Conny Matscheko, Tel. 07164 79-232, conny.matscheko@ev-akademie-boll.de Petra Randecker, Tel. 07121 161771, petra.randecker@ev-akademie-boll.de Nicole Simnacher, Tel: 07164 79-229, nicole.simnacher@ev-akademie-boll.de Dorith Szillat-Poerschke, Tel. 0711 229363-261, dorith.szillat-poerschke@ev-akademie-boll.de Karin Walz, Tel. 07164 79-402, karin.walz@ev-akademie-boll.de Heidi Weinmann, Tel. 0711 351459-30, heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de Heidi Weiser, Tel. 07164 79-204, heidi.weiser@ev-akademie-boll.de Iris Wittmann-Grözinger, Tel. 0711 351459-34, iris.wittmann-groezinger@ev-akademie-boll.de

Schweinesteaks mit Bärlauch-Kruste Für vier Personen 4 Schweinerückensteaks in gewünschtem Gewicht 1 Bund Bärlauch 80 g Cornflakes 5 EL Öl 2 Eier 60 g Parmesan gerieben Salz, Pfeffer Die Schnitzel leicht plattieren, in einer Pfanne anbraten und dabei mit Salz und Pfeffer aus der Mühle würzen. In eine Auflaufform entsprechender Größe legen Cornflakes im Mixaufsatz der Küchenmaschine, sonst in einer geeigneten Tüte mit dem Wellholz, bröselig zerkleinern. Bärlauch waschen und trockenschleudern, leicht zerkleinern und mit dem Öl und 2 Eigelb in den Mixer geben, nebenher die 2 Eiweiß steifschlagen. In einer Schüssel Eiweiß und den Parmesan unter die homogene Masse heben. Sollte sie zu dünn sein evtl. mit Cornflakesbröseln nachdicken. Die Masse sollte streichfähig sein, dann auf die Steaks streichen. Gut glätten mit feuchtem Löffel, dann die Form in den Backofen schieben und 15 Minuten bei Ober+Unterhitze bei 175° leicht bräunen. Dazu passen Kartoffelgratin, Ofenkartoffeln oder Gemüsereis. Guten Appetit! Marianne Becker

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Aus der Akademie

Aus der Akademie Abschied von der Akademie Fragen an Irmgard Ehlers

Du arbeitest seit 1986 an der Akademie, wie hat sich Deine Arbeit in dieser Zeit entwickelt? Am Anfang lag mein Schwerpunkt bei der Arbeit mit den Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes, z.B. der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) und mit den Mitarbeitervertretungen von Diakonie und Landeskirche. Ich griff das Thema »Frauen im öffentlichen Dienst« auf – auch in der Gewerkschaftsarbeit. Bis dahin wurden frauenpolitische und feministische Themen in der Akademie von den damaligen Kolleginnen Dr. Herta Leistner und Heidemarie Langer adressiert in Verbindung mit feministischer Theologie und den Tagungen für lesbische Frauen im Umfeld Kirche. Du warst dann ja eine ganze Weile im Ausland. Wie kam es dazu? Mich hat immer interessiert, wie es sich in anderen Ländern lebt und arbeitet. 1994 kam ein großer Einschnitt – ich erhielt eine Einladung der US-Regierung für das renommierte »International Visitors' Program« mit dem Schwerpunkt »The Role of Women in U.S. Politics«.

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Vier Wochen konnte ich mit 24 Frauen aus 23 Ländern als Vertreterin der Evangelischen Akademie teilnehmen. Unter anderen trafen wir mit Hillary Clinton zusammen. Außerdem hatte mich 1994 die Akademie als EU-Wahlbeobachterin für die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika freigestellt, zusammen mit unserer Kollegin Brigitte Furche. Dahinter stand die langjährige Partnerschaft zwischen Akademie und Diakonia Council of Churches in Durban. Das war mein internationales Jahr. Es hat mich bestärkt, von Anfang 1997 bis Ende 1999 bei »Dienste in Übersee« einen Auslandseinsatz zu übernehmen. Ich rechne es der damaligen Direktion hoch an, dass ich ohne Einbuße drei Jahre im Ausland arbeiten konnte, zuerst in Fidschi, dann in den Philippinen. In den vergangenen Jahren lag Dein Schwerpunkt bei Demografie und Selbstmanagement. Ja, seit über zehn Jahren lag einer meiner Schwerpunkte bei Kommunalpolitik und öffentlicher Verwaltung. Dass wir den Arbeitsschwerpunkt Demografie in die Akademie bekommen haben, verdanke ich Frau Leinberger und Frau Winsauer vom Landratsamt Göppingen. Wir konzipierten damals zusammen den 1. großen Demografiefachtag für den Landkreis. Dabei wurde mir klar, dass das Thema für alle Kommunen wichtig wird. Dank der klugen Entscheidung unseres damaligen Direktors Joachim Beck, mich zur INQA-zertifizierten Demografie-Beraterin weiterbilden zu lassen, kam es zu diesem Arbeitsschwerpunkt »Demografische Entwicklung«, der auch eines meiner beruflichen Highlights darstellt. Zur zweiten Tagung meldeten sich über 300 Personen an, Platz hatten wir jedoch leider nur für 200 Teilnehmende. Dazu kamen die Tagungen zu Selbstmanagement und zu Fundraising. Das war ein sehr gutes Portfolio. Unsere Arbeit bemisst sich ja letztlich danach: Welchen Nutzen bieten wir den Teilnehmenden mit unseren Tagungsangeboten? Ich bin dankbar, dass unsere Gäste so zahlreich kamen und

unser Angebot für sich persönlich und/ oder ihren beruflichen oder ehrenamtlichen Alltag unterstützend fanden. In Deiner Zeit gab es in der Akademie ja viel Frauenpower: Frauenakademien, eine Frauenfachgruppe u.a. Unsere frühere Kollegin Marlies Cremer hatte damit schon in den 50-er und 60er Jahren begonnen. Sie führte aus den USA ganz neue Managementtrainings in der Akademie ein. Herta Leistner übernahm diesen Arbeitsbereich und erweiterte ihn um die Zielgruppe Frauen. Ihr verdanken wir die Feministische Theologie, die in Bad Boll ihr »Basislager« hatte und sich in ganz Deutschland weiter verbreitete. Herta Leistner und Heidemarie Langer waren ein starkes und kreatives Arbeitsteam. Daraus entwickelten sich dann auch die Tagungen für lesbische Frauen im Umfeld Kirche, zu denen sich in der Hoch-Zeit bis zu 350 Frauen anmeldeten. Herta Leistner und ihre externe Tagungskollegin Monika Barz wurden für diese innovative und mutige Tagungsarbeit mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Schließlich entstanden in der Akademie unsere Frauenfachgruppe und das Tagungsformat der Frauenakademien – das wurde eine starke Tradition. Eine, auf die wir auch heute noch stolz sein können. Doch ich beobachte, dass sie in unserem kollektiven Akademie-Gedächtnis im Moment nicht sehr präsent ist. Freust Du dich auf den Ruhestand? Ja, sehr. Ich bin seit Kurzem Mitglied im Verein »Generationen. Dialog. Zukunft. Netzwerk für demografiebewusste Entwicklung«, der stark im Bereich von kommunaler Demografie-Beratung sowie Moderation von Bürgerbeteiligungsprozessen aufgestellt ist. Die Kommune Salach wählte mich zur Quartierskoordinatorin in Verbindung mit dem Projekt »Quartier 2020« der Landesregierung. Darauf freue ich mich ganz besonders. Das ganze Interview, das Martina Waiblinger geführt hat, ist hier verfügbar: www.evakademie-boll.de/online-dokumente

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Abschied von der Akademie Charlotte Fiedler

mich die vielfältigen Ansätze. Wir haben sie einmal bei einem Klausurtag als die sechs »I« zusammengefasst: integrativ, interkulturell, intergenerativ, interreligiös, inklusiv und innovativ. Ich schaue mit dankbarem Herzen auf die Zeit zurück.«

Neu in der Akademie Dr. Anja Reichert-Schick Ab dem 1. April 2018 folgt Anja ReichertSchick als Studienleiterin Irmgard Ehlers nach und wird für den modifizierten Arbeitsschwerpunkt »Stadtentwicklung, Ländlicher Raum und Wohnungsbau« im Themenbereich »Gesellschaft, Politik, Staat« zuständig sein. Die gebürtige Saarlouiserin studierte Geographie und Politikwissenschaften an den Universitäten Saarbrücken und Trier. Ab 1998 Charlotte Fiedler war für knapp eineinhalb Jahre Studienleiterin im treffpunkt 50plus in Stuttgart. Aus privaten Gründen hat sie auf den 1. Februar gekündigt. Ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt war für sie das Sprachencafé, eine regelmäßige Veranstaltung, die in Kooperation mit der Volkshochschule Stuttgart stattfand. Charlotte Fiedler: »Hier treffen ältere Stuttgarter_innen auf Deutsch-Schüler_innen, um einfache Konversation zu üben und im Gespräch über den Alltag unsere Kultur kennen zu lernen. Es sitzen verschiedene Generationen, verschiedene Nationen, verschiedene Religionen in Frieden an einem Tisch. Wunderbar!« Ansonsten hat Charlotte Fiedler bei verschiedenen weiteren Angeboten des treffpunkt 50plus mitgearbeitet: bei Vernissagen, Exkursionen, zum Beispiel ins Lindenmuseum und zur Villa Reitzenstein. Ihr ganz eigenes Angebot waren LachSeminare und Vorträge zum Thema Humor. Charlotte Fiedler sagt über ihre Zeit am Rotebühlplatz: »Die 17 Monate im treffpunkt 50plus haben mir viele gute Begegnungen und Erfahrungen mit Menschen geschenkt, meinen Horizont erweitert und meine Faszination über das Leben bestärkt. Beeindruckt haben

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prozesse habilitierte sie sich 2014 und hat von 2013 bis 2016 die Professur für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Universität Trier vertreten. 2008/09 sowie 2016/17 war sie als Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald tätig. Sie führte verschiedene Projekte in den Bereichen ländliche Regionalentwicklung, demografischer Wandel, Siedlungs- und Wohnungsmarktentwicklung, (grenzüberschreitende) Raumordnung, Gentrifizierung sowie zukunftsfähige Entwicklung von Kommunen durch. In diesen Kontext reiht sich auch das jüngste Projekt zum Agrarstrukturwandel in den Neuen Bundesländern vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise, Bodenspekulation und der Präsenz außerlandwirtschaftlicher Investoren ein. Die Evangelische Akademie Bad Boll sieht Anja Reichert-Schick als einen Ort des Dialogs, an dem gesellschaftliche Transformationsprozesse im interdisziplinären Diskurs erörtert werden. Ihr Anliegen ist es, mit ihrer Tätigkeit an der Akademie »durch reflektierende Dialoge, die partizipative Suche nach Lösungen sowie praktikable Ergebnisse an der Gestaltung einer demokratischen, sozialen und zukunftsfähigen Gesellschaft mitwirken.«

Neu in der Akademie Petra Kümmel

war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Geographie der Universität Trier beschäftigt und bearbeitete zunächst Projekte in den Themenbereichen Kulturlandschaft und Tourismusentwicklung. 2004 wurde sie mit einer Schrift über Festungsbauten als kulturtouristisches Erbe promoviert. Von 2005 bis 2013 wandte sie sich als Postdoc der Entwicklung Ländlicher Räume im Kontext des demografischen Wandels zu. Mit einer Arbeit über Wüstungen und Siedlungsregressions-

Ab dem 1. Februar hat Studienleiterin Petra Kümmel als Nachfolgerin von Charlotte Fiedler im Treffpunkt 50plus ihre Arbeit aufgenommen. Als gelernte Krankenschwester hat Petra Kümmel einige Jahre im Krankenhaus gearbeitet, die Weiterbildung zur Lehrerin für Pflegeberufe absolviert und in der Schweiz in einer Pflegeschule gearbeitet. Wieder zurück in Stuttgart übernahm sie 1991 bis 2004 die Leitung der Diakoniestation in Plieningen/Birkach. Ab 1991 gab sie Seminare mit dem Schwerpunkt Kinaesthetics in der Pflege im Nebenberuf – von 2004 bis zuletzt in freiberuflicher Tätigkeit. Im Weiteren arbeitete Petra

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Publikation, Onlinedokumente

Publikation

Kümmel in verschiedenen Projekten mit: Um die Belange von pflegenden Angehörigen ging es im Bundesmodellprojekt »Pflegebegleitung«, wo sie von 2004 bis 2008 im Regionalbüro Süd mitwirkte. Als Fachberaterin war sie von 2014-2015 im Landesmodellprojekt »BesT« – »Bürgerengagement sichert Teilhabe in Baden Württemberg« tätig – hier ging es um bürgerschaftliches Engagement als Ausdruck von Solidarität und Mitwirkung im sozialen Bereich. Im gleichen Zeitraum koordinierte sie das Seniorennetzwerk im Neuffener Tal. 2016 bis 2017 absolvierte Petra Kümmel das Kontaktstudium »Angewandte Gerontologie« an der Hochschule Mannheim mit dem Abschluss – Gerontologin (FH). 2017 übernahm sie die Fachberatung der »Agentur Pflege Engagiert«, eine Einrichtung des Landesseniorenrates, um Initiativen in Auf- und Ausbau von Bürgerengagement in der Pflege zu unterstützen. Zu ihrer zukünftigen Aufgabe sagt Petra Kümmel: »Das Alter birgt spannende Lebensphasen, die Lernen und Engagement reicher machen. An dieser Aufgabe beteiligt zu sein, mit Geragogik und dem Ermöglichen von Entfaltung im Ehrenamt ist mir eine Herzensangelegenheit.«

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Neu: Flyer mit Akademiereisen und Ferienangeboten für das Jahr 2018 Lassen Sie sich von den 2018 geplanten Akademiereisen und Ferienangeboten inspirieren! Den Auftakt macht eine Akademiereise in das Centrum Dialogu in Ausschwitz-Birkenau im Gedenken an die Deportation von Sinti und Roma aus Baden und Württemberg 1943. Die Reise möchte auch an den Umgang mit diesem Völkermord in der Bundesrepublik nach 1945 erinnern. Ende März gibt es ein viertägiges Retreat für Führungskräfte nach Ostern. Unter dem Motto »Wer inne hält, erhält innen Halt« (Laotse) gibt es in diesem Intensivseminar Raum zur Selbstbesinnung, zur Entspannung und zum Coaching. Anfang Juni findet eine Akademiereise in den Libanon statt, die aber bereits ausgebucht ist. Die Ferienwoche kreativ (29.7.-4.8.2018) hat in diesem Jahr das Motto »... Das Ändern leben«. Wieder können Sie unter vielen Workshops eine Woche lang kreativ sein und das sommerliche Flair der Akademie genießen. Bei der Philosophischen Sommerakademie wird Anfang September Platons »Phaidon« gelesen und darüber diskutiert. Bei einer weiteren philosophischen Sommerakademie stehen die Aufbrüche der 68-Bewegung im Mittelpunkt, die in der Akademie zu einer sehr beachteten Tagung und dem mittlerweile historischen Treffen zwischen dem Philosophen Ernst Bloch und dem Studentenführer Rudi Dutschke geführt haben. Es geht um eine geschichtliche Rückbesinnung und um Fragen der Zukunftsgestaltung. Bei einer Akademiereise nach Wien, Banksa Bytsrica und Budapest geht es um Beobachtungen in Ländern, bei denen die Rechten an der Regierung beteiligt sind. Da wir auch in Deutschland wachsende rechtspopulistische Strömungen verzeichnen, stehen Analysen mit dortigen Expert_innen im Zentrum und die Frage, wie die Demokratie in

Deutschland gestärkt werden kann. Die interreligiöse Herbstakademie wird in diesem Jahr von Prof. Dr. Karl-Josef Kuschel zum Thema »Entfeindung! Die Geschichte von Joseph/Yussuf und seinen Brüdern in Bibel, Koran und Literatur« gestaltet. Der Koran nennt sie die »schönste« Erzählung und schon in der hebräischen Bibel findet sich kaum ein Erzählstück, in dem es dramatischer und anrührender zuginge als in der Josephsgeschichte. Thomas Mann hat sie zwischen 1933 und 1943 literarisch neu erzählt. Alle drei Perspektiven kommen bei der Tagung zur Sprache. Ein Angebot im Advent sind die Tage der Stille vom 3.-7. Dezember. Gönnen Sie sich eine Auszeit im Advent, legen Sie Altes ab, schöpfen Sie Kraft, sich neu auszurichten. Mit angeleiteten Zeiten der Stille, Meditation, Yoga, mit biblischen und literarischen Texten und der Möglichkeit zum Einzelgespräch. Bestellungen des Flyers bei Reinhard Becker, Tel. 07164 79-305, reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Onlinedokumente Zum Neujahrsempfang Neujahrsempfang der Evangelischen Akademie Bad Boll. Festvortrag des EKD-Ratsvorsitzenden Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm »ICH oder WIR? – Gemeinschaft in der modernen Gesellschaft Zur Lesbentagung Gerit Bopp, Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, Referat 25 »Gleichstellung«, Stuttgart: »Für Akzeptanz und gleiche Rechte – Baden-Württemberg 2017 ist bunter!« Ein Zwischenbericht zu gelungenen Maßnahmen und künftigen Zielen Zum Abschied von Irmgard Ehlers Die Langfassung des Interviews und alle Onlinedokumente sind verfügbar unter: www.ev-akademie-boll.de/ online-dokumente

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Verlosung

Unsere kostenfreie Angebote - das Akademie-Magazin SYM - der Newsletter - das Halbjahresprogramm - die Übersicht über Ferienangebote und Studienreisen Zu bestellen im Internet: www.ev-akademie-boll.de/bestellungen oder bei Reinhard Becker, Tel. 07164 79-305, reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Werden Sie Mitglied im Förderkreis der Akademie Bad Boll Maria Braig Nennen wir sie Eugenie Verlag 3.0 Zsolt Majsai, 2014 Dieser Roman beruht auf einer wahren Geschichte: Eine junge Frau aus dem Senegal flieht aus ihrer Heimat, weil ihre Liebe zu einer anderen Frau nicht geduldet wird und sie mit einem Mann zwangsverheiratet werden soll. Sie flieht nach Deutschland, wo sie Schutz und Hilfe erhofft und um Asyl bittet. Sie gerät in die Mühlen des Asylverfahrens: Anhörung, Unterbringung in einer Sammelunterkunft, Residenzpflicht, schlechte Lebensbedingungen aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes. Sie lernt andere Flüchtlingsschicksale kennen und durchlebt alle Facetten menschlicher Gefühle in einer Welt, die ihr zugleich Freiheit verspricht und Ausgrenzung vorlebt. Wir verlosen drei Bücher. Machen Sie mit und schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir sammeln bis 19. März. Dann entscheidet das Los und Sie werden benachrichtigt. Mails, Postkarten oder Briefe an: Redaktion SYM Akademieweg 11, 73087 Bad Boll martina.waiblinger@ev-akademie-boll.de

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Sie ermöglichen jungen und sozial weniger gut gestellten Interessenten die Teilnahme an Tagungen und unterstützen die Vergabe eines Akademiepreises. Wenn Sie eine bestimmte Tagung oder ein bestimmtes Projekt durch Ihre Spende unterstützen wollen, wenden Sie sich bitte an den Geschäftsführenden Direktor Prof. Dr. Jörg Hübner. Eine Spende ist i. S. d. § 10 b Einkommenssteuergesetz als Zuwendung zur Förderung kirchlicher Zwecke steuerlich abzugsfähig. Wir senden Ihnen eine Zuwendungsbestätigung, bitte geben Sie Ihre Anschrift bei der Überweisung an. Bitte überweisen Sie Ihre Spende an die Evangelische Akademie Bad Boll, IBAN: DE68 6105 0000 0000 0679 33, BIC: GOPSDE6GXXX, Kreissparkasse Göppingen

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 15. Jahrgang, Heft 1/2018 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Dr. Jörg Hübner) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion:  Martina Waiblinger Fotonachweise: Giacinto Carlucci: S. 4, 32; Fotolia/Bernd Jürgens: S. 25; Fotolia/magele-picture: S. 24; Fotolia/Photographee.eu: S. 23; Thomas Fritsch: S. 10; Ingrid Klein: S. 28; Dorothee Krämer: S. 9; Gustav Kuhweide: S. 17; Vincent Leifer: S. 27; Hauke Marczinkowski: S. 15; Mine von Olopa, el grafice de oriente : S. 22; picturealliance/ dpa/Gregor Fischer: S. 18; picture-alliance/dpa/ Wolfram Kastl: S. 8-9; P. Razzo/CIRIC/KNA: S. 1; Shutterstock/Justin Starr Photography: S. 12;

Kerstin Söderblom: S. 16-17; Christoph Strack: S. 30; Martina Waiblinger: S. 13, 14, 26, 27, 31; Wikimedia Commons -YasukuniShrineRain Commons: S. 20; Birte Zellentin: S. 5 Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach Konzeption & Layout: Werbeatelier Uli Waiblinger, 72070 Tübingen

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Kommentar

Das dritte Geschlecht - eine überfällige Entscheidung Gut 180 Seiten umfasst die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats mit dem knappen Titel »Intersexualität«. Und sie ist bereits auf ihren ersten Seiten sehr eindrücklich. »Aus dem Leben Betroffener« lautet der Titel. Ein »Fallbeispiel« berichtet. »Ich bin 1965 mit einem schweren Herzfehler und uneindeutigem Genitale geboren. Aufgrund des Herzfehlers wurde ich ein paar Tage nach meiner Geburt notgetauft, da die Mediziner davon ausgingen, dass ich nicht lange überleben würde…« Die gut dreiseitige, erschütternde Schilderung schließt mit den Worten »Meine Identität, meine Würde wurden mir genommen. Nun mache ich mich auf, um sie mir wieder zurückzuerobern.«

Christoph Strack ist Journalist bei Deutsche Welle, stv. Leiter Hauptstadtstudio. Der Beitrag wurde am 8. November 2017 bei Deutsche Welle gesendet.

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Nicht eindeutig Frau oder Mann zu sein, ist für die Betroffenen ein elementares Problem. Da spielt es gar keine Rolle, um wie viele Menschen es geht. Die Politik hätte längst schon handeln müssen, meint Christoph Strack, Deutsche Welle. Bereits 2010 und 2011 befasste sich der Ethikrat umfassend mit der Situation intersexueller Menschen und suchte – online wie bei einer umfassenden Veranstaltung – den Austausch mit Betroffenen. Diese Erarbeitung einer vertieften Stellungnahme erfolgte »im Auftrag der Bundesregierung«. Im Februar 2012 – also vor gut fünfeinhalb Jahren – wurde das Dokument veröffentlicht und der Bundesregierung zugeleitet. Begleitet von den üblichen Worten des Wohlwollens der Fachpolitiker. Nun, Ende 2017, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Und man muss lediglich zwei Kernsätze aus dem Papier des Ethikrats herausgreifen, um zu zeigen, dass Bundesregierungen seit 2012 hätten handeln können, ja müssen: »Der Ethikrat«, heißt es da, »ist der Auffassung, dass ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Gleichbehandlung vorliegt, wenn Menschen, die sich aufgrund ihrer körperlichen Konstitution weder dem Geschlecht ›weiblich‹ noch ›männlich‹ zuordnen können, rechtlich gezwungen werden, sich im Personenstandsregister einer dieser Kategorien zuzuordnen. Es sollte daher geregelt werden, dass von diesen Personen neben der Eintragung als ›weiblich‹ oder ›männlich‹ auch ›anderes‹ gewählt werden kann bzw. dass kein Eintrag erfolgen muss, bis die betroffene Person sich selbst entschieden hat.« Aussagen, die übrigens von den kirchlichen wie säkularen Ethikern im Gremium mitgetragen wurden. Bis heute erinnern sie die Schilderung des Leids der Betroffenen.

genießen fast weltweit Wertschätzung, wie ihre Reisen zu Fachgesprächen mit Kollegen oder auch die Besuche anderer hoher Gerichte in Karlsruhe zeigen. Nur – nach der so deutlichen Empfehlung des Ethikrats, der ja vor allem für die Politik arbeitet, hätte der Gesetzgeber längst entsprechende Konsequenzen ziehen können. Das konkrete Beispiel zeigt in aller Klarheit, welchen Stellenwert dieses Gremium mit seiner oft stillen, aber in die Tiefe gehenden Arbeit für die Politik, für Parlament und Regierung, hat. Insofern ist diese offensichtliche Nichtbeachtung mehr als beschämend. Dabei gilt die Notwendigkeit zur Unterscheidung: Die Intersexualität ist ein medizinisch klar umrissenes Phänomen. Dabei ist es in der Wahrnehmung der Würde der Betroffenen unerheblich, ob es sich um ein paar hundert oder zigtausend Fälle im Jahr handelt. Die Fall-Schilderung des Betroffenen zeigt das. Intersexualität zeigt sich klarer und ist anders zu bewerten als die Transsexualität, mit der – verkürzt gesagt – Männer gemeint sind, die in Frauenkörpern leben, und Frauen, die in Männerkörpern leben. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat nun gesprochen, und es ist gut, dass er so klar – mit sieben Stimmen gegen eine – geurteilt hat. Nun ist die Politik gehörig unter Druck und eilt dem Ethikrat und dem Gericht nach. Zu Beginn der parlamentarischen Arbeit der neuen Legislaturperiode (wann auch immer diese tatsächlich beginnt) ist der Gesetzgeber beauftragt, sich mal wieder einer ethischen Frage der menschlichen Existenz zu widmen. Das ist ein guter Auftrag.

Die obersten deutschen Richter greifen dies nun exakt auf. Das wirkt jetzt spektakulär und findet international Aufmerksamkeit. Das ist gut so. Aber diese Aufmerksamkeit überrascht nicht. Denn die Karlsruher Richter SYM 1/2018


Meditation

Raum nehmen

Von Carmen Riwuzumwami »Du stellst meine Füße auf weiten Raum«, so heißt es im 31. Psalm. Hier ist nicht der bestimmte Ort gemeint, auch nicht der umgrenzte Platz, sondern offenes weites Feld. Indem Gott meine Füße derart auf weiten Raum stellt, bewahrt er vor dem Zugriff der Feinde; bewahrt vor Gefangenschaft, vor Enge und vor dem, was Enge innerlich auslöst, nämlich Angst. Der weite Raum dagegen: das ist eine Metapher für Freiheit. Ich kann mich bewegen und zwar in alle Richtungen. Ich habe den Blick frei bis zum Horizont und kann ihm leibhaftig folgen, nach Lust und Laune. Freiheit ist erst einmal und ganz elementar Bewegungsfreiheit und dazu braucht es freien Raum. Um mich entdecken, erleben und annehmen zu können, brauche ich Lebensräume, Freiräume, Schutzräume, Spielräume, Klangräume und Zeiträume. Diese Freiheit ist mir von Gott eingeräumt. Ich kann diese Freiheit ausfüllen und mich darin erleben. So wie ich Freiheit, also Raum bekommen habe, so muss aber auch ich anderen Freiheit einräumen, das heißt ihnen Raum zum Leben, Lieben und Lachen gewähren. Rosa Luxemburg nennt es die Freiheit der Andersdenkenden. Nur wenn jemand meint, er oder sie könnte meinen Raum besitzen, das heißt definieren, was meinen Raum ausmacht, SYM 1/2017

wie ich zu leben und zu lieben habe, dann wird es um mich eng und mir wird die Luft zum Atmen genommen. Genau das aber macht das Denken so vieler Menschen aus: Raumbesitz als Voraussetzung und Garantie von Freiheit; meinen Raum ausdehnen, ja auch den der anderen definieren, eingreifen in fremde Lebens- und Gestaltungsräume aus unsinniger Angst, meinen Raum sonst zu verlieren. Besonders eng wird es, wenn Menschen meinen, sie könnten für andere festsetzen, wie dieser weite Raum auszusehen hat, auf den Gott jemandes Füße gestellt hat oder wie sie sich darin zu bewegen hat, wie sie zu leben und zu lieben hat. Müssen wir immer wieder meinen, Gott spielen zu sollen? Können wir nicht die Freiheit annehmen, unsere Räume zu gestalten und dabei die Freiräume der anderen zu respektieren! Raumgewährung ist Gottesgabe, nichts weniger. Und wir sind zu nicht weniger herausgefordert als diesen Raum zu füllen und gleichzeitig unserem Gegenüber ihren oder seinen Raum zu gewähren. So spielen wir nicht Gott, sondern entsprechen ihr! Aus einer Morgenandacht am 18.12.2004, veröffentlicht in: geträumt – gewagt – gelebt, Bad Boller Anfänge der kirchlichen Lesbenbewegung 19852005, Hrsg.: Monika Barz, Eva-Maria Garber, Carmen Rivuzumwami

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Abs. Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll – Postvertriebsstück 64670 – Entgelt bezahlt

Neujahrsempfang 2018 mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Dr. Heinrich Bedford-Strohm und dem Ensemble Hanke Brothers. Oben rechts: Akademie-Direktor Dr. Jörg Hübner und Stellvertreter Dr. Günter Renz. Siehe auch S. 4. Fotos: Giacinto Carlucci


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