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ISSN 1613-3714

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Einzelpreis € 3.-

Schwerpunktthema

Im Fokus: Indien – Pakistan – Äthiopien – Armenien und Roma Deutschland und Äthiopien Ursachen der religiösen Gewalt in Pakistan Armut und Diskriminierung. Wer ist die Henne, wer das Ei? Kastenwesen und deutsche Wirtschaft Armenien und deutsche Entwicklungszusammenarbeit Tagungsvorschau Sterben, Tod und Trauer in der Schule Männer - souverän im Stress? Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service

Im Fokus: Indien – Pakistan – Äthiopien – Armenien und Roma

Dezember

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2013


inhalt

aktuell . . .

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Dr. Günter Renz wird Stellvertretender Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll Rüdiger Noll ist neuer Bereichsleiter »Europa und Ökumene« beim Dachverband der Evangelischen Akademien in Deutschland Trauer um Klaus Heider

Was kommt . . .

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Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 9. Dezember 2013 bis 9. Mai 2014

Rückblende

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Rückblick auf vergangene Tagungen

Aus der Akademie Onlinedokumente

5 Publikationen 6 Rezensionen Verlosung

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Ausstellung

Impressum

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Meditation

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WunderKummer – Zeichnungen und Malerei von Käthe Schönle

Im Fokus: Indien – Pakistan – Äthiopien – Armenien und Roma Käthe Schönle: »watch out« aus der Serie »zinnober heights«, 2013 Bleistift, Ölkreide, Collage auf Papier, 40x30 cm

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Kaleidoskop Deutschland und Äthiopien. Von den Urweisheiten vorbiblischer Zeit bis zu deutschen Kopfsteinpflastern Ursachen religiöser Gewalt in Pakistan Armut und Diskriminierung. Wer ist die Henne, wer das Ei? Kastenwesen in Indien und deutsche Wirtschaft Armenien und deutsche Entwicklungszusammenarbeit

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Titelbild Rosenanbau im äthiopischen Hochland. Foto: WALA siehe auch Beitrag, S. 4

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editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, der Begriff »Globalisierung« ist seit den 1990er Jahren in aller Munde. In den späten 1960er Jahren stand er für eine internationale Bündelung des Widerstandes gegen spätkoloniale Wirtschaftsbeziehungen. Heute dagegen steht er für eine Vernetzung aller ökonomischen Beziehungen rund um den Globus. Dank des Internets können heute Arbeitsabläufe, Kommunikationswege und Finanzbeziehungen schnellsten aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden. Die voranschreitenden Globalisierungsprozesse schaffen eine neue Weite und in vielen Fällen auch ein Mehr an Freiheit. Zugleich sind die Schattenseiten dieser Transformationsprozesse unübersehbar. Auch in der Evangelischen Akademie Bad Boll ist diese veränderte Diskussionslage mit Händen zu greifen: Internationale Beziehungen, Arbeitsfelder und Diskurse kommen seit Jahrzehnten in den Tagungsprogrammen vor. Schon Christoph Blumhardt, einer der beiden geistigen Väter aus Bad Boll, hatte sich – angeregt durch seinen Schwiegersohn Richard Wilhelm, der als Missionar nach China ging – für eine Befreiung der kirchlichen Arbeit aus der eurozentrierten Missionstätigkeit eingesetzt. Die auf Weite zielende christliche Botschaft ist bei Christoph Blumhardt besonders gut greifbar. Heute, nach mehr als einem Jahrhundert, steht die europäische und globale Vernetzung zunehmend mehr im Blickwinkel des Tagungsprogramms. Darauf möchte die Ausgabe des »SYM« hinweisen, die Sie in Händen halten und zu deren Lektüre ich Sie sehr herzlich einlade. Schon die Personalnachricht auf Seite 2 ist in diesem Zusammenhang von Interesse: Der Dachverband der Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD) hat einen neuen Bereichsleiter, der die europäische Perspektive im Akademieprogramm vertiefen soll. Der ehemalige Studienleiter Albrecht Esche macht auf Seite 4 darauf aufmerksam, dass Blumhardt Thema im chinesischen Fernsehen war. Indien, Äthiopien, Armenien und Pakistan sind darüber hinaus Staaten, die immer wieder Thema von Tagungen sind. Die Berichte, Interviews und Analysen der Seiten 7 bis 15 zeigen, wie sehr die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung sofort auch kulturelle und religiöse Fragestellungen streift. Ökonomie ist eben nicht ohne Kultur, Wirtschaften nicht ohne einen religiösen Hintergrund verstehbar. Lernen Sie in den Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll diese globale Vernetzung kennen! Ich lade Sie herzlich ein, das neue Halbjahresprogramm in die Hand zu nehmen, auf die der zusammenfassende Bericht auf Seite 22 verweist. Wir freuen uns, wenn wir Sie in unserer Akademie als Tagungsteilnehmer wieder begrüßen dürfen!

Ihr Prof. Dr. Jörg Hübner, Geschäftsführender Direktor

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aktuell Dr. Günter Renz wird Stellvertretender Direktor – Neues Dreierteam an der Spitze der Evangelischen Akademie Bad Boll Am 1. November 2013 hat Dr. Günter Renz die neu geschaffene 50 Prozent-Stelle des Stellvertretenden Direktors der Evangelischen Akademie Bad Boll angetreten. Gemeinsam mit dem Geschäftsführenden Direktor Prof. Dr. Jörg Hübner und dem Geschäftsführer Achim Ganßloser gehört er damit der Direktion der Einrichtung an. Renz arbeitet seit 2004 als Studienleiter an der Akademie

Westfalen und arbeitete in den vergangenen 21 Jahren für die Konferenz Europäischer Kirchen in Genf und Brüssel, in den letzten elf Jahren als Direktor ihrer Kommission für Kirche und Gesellschaft. In dieser Funktion vertrat er die gemeinsame Stimme 125 europäischer Kirchen gegenüber den europäischen Institutionen in Brüssel und Straßburg. In seiner neuen Funktion wird er die europäische und ökumenische Arbeit der Evangelischen Akademien unterstützen, ausbauen und vernetzen sowie deren Engagement und Außenbeziehungen zu entsprechenden Themen stärken. Ein wichtiger Bestandteil seines Arbeitsbereichs ist die Kooperation und die Unterstützung des Europäischen Netzwerks kirchlicher Akademien, dem »Oikosnet Europe«.

Trauer um Klaus Heider

Die Investitur von Dr. Günter Renz als Stellvertretender Direktor wurde am 12. November im Rahmen einer Mitarbeitendenandacht mit Kooperationspartnern und Gästen aus der Landeskirche statt.

In einigen Räumen der Akademie ist der renommierte Künstler Klaus Heider präsent: Dominant im Vestibül der Villa (Ich denke – Atlantis – ist gefunden), sprechend im Kaminzimmer (ES IST – WAHR – GLAUBEN – SIE MIR) und anregend beim Kaffeeautomat im Café Heuss (PREGO). Weitere Originale sind in fünf Gästezimmern zu sehen. Der Künstler starb am 28. Oktober im Alter von 77 Jahren. Er lebte in Bad Boll und war der Akademie sehr zugetan. Davon zeugen nicht nur die von ihm gestifteten Werke, sondern auch sein Engagement bei der Präsentation des

in Bad Boll. Im Bereich Politik, Recht, Gemeinwohl war er für die Themen Gesundheitspolitik, Medizin- und Bioethik zuständig. Vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Mai 2013 hatte der 58-jährige Pfarrer zudem bereits die kommissarische Leitung der Akademie inne. Ab November wird Renz sich auf die administrativen Aufgaben konzentrieren. Dazu wird u.a. der Treffpunkt 50plus in Stuttgart gehören. Seine Stelle als Studienleiter im Bereich Medizinethik wird neu besetzt werden.

Rüdiger Noll ist neuer Bereichsleiter »Europa und Ökumene« beim Dachverband der Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD) Seit 1. Oktober ist Rüdiger Noll neuer »Bereichsleiter für Europa und Ökumene / Executive Secretary for Europe and Ecumenical Affairs« beim Dachverband der Evangelischen Akademien in Deutschland. Rüdiger Noll ist Pfarrer der Evangelischen Kirche von

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Gläsernen Restaurants auf dem Kirchentag wie bei der Aufmachung des Akademie-Kochbuchs (1999). Auch zeigt sich seine künstlerische Handschrift im Raum-Design von Blumhardts Literatursalon. Nachdem diese literarische Gedenkstätte 2005 eröffnet war, drängte er sehr auf die Anschaffung eines großen, roten Teppichs, der nun dem kleinen Museum eine salonhafte Aura verleiht. Dass der ehemalige Studienleiter und Pfr. i.R. Albrecht Esche auf Wunsch der Angehörigen die Beerdigung gehalten hat, unterstreicht einmal mehr die Verbundenheit mit der Akademie. Sie hat Klaus Heider viel zu verdanken.

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rückblende Reporter im Vorgarten Von Roman Deininger, Süddeutsche Zeitung vom 21.10.2013 Früher blieben Verbrechensopfer meist sich selbst überlassen, heute werden sie vor Kameras gezerrt. Was ist schlimmer? Auf einer Tagung in Bad Boll diskutierten Betroffene mit Journalisten. Irgendwann, mitten im großen Ratschlag der Juristen und der Journalisten, der Psychologen und der Pädagogen, zitiert jemand Dieter Hildebrandt, den Kabarettisten. Zwei Tage in zwei Sätzen: Nach jedem Verbrechen, hat Hildebrandt mal gesagt, werde der Täter den Gerichten übergeben – und das Opfer den Medien. Man wisse nicht, was die schlimmere Strafe ist. Draußen legt sich mit dem Herbstlaub eine wohlige Stille auf die Schwäbische Alb. Drinnen in der Evangelischen Akademie Bad Boll, bei der Tagung »Opfer und Medien«, ist es an diesem Wochenende mit der Stille vorbei. Ein Fernsehjournalist sagt, er könne sich kaum vorstellen, dass Kamerateams auf der Jagd nach Bildern in Vorgärten eindringen. Birgit S. sagt: »Da muss ich Ihnen widersprechen.« Die Tochter des Ehepaars S. war 15 Jahre alt, als sie an der AlbertvilleRealschule erschossen wurde, eine von 15 Toten des Amoklaufs von Winnenden. An jenem Tag, dem 11. März 2009, wurden die Eltern der Opfer in einer Turnhalle betreut. Vor der Tür, sagt Birgit S., lauerten die Fotografen: »Dass die die Halle nicht gestürmt haben, war ein Wunder.« Danach die Kameras daheim im Vorgarten, die Reporter, die den 79 Jahre alten Großvater nachts aus dem Bett klingelten. Als die Familie später ihre Tochter zu Grabe trug, hielten alle Schirme in der Hand. Nicht gegen den Regen, es regnete ja gar nicht. Sondern gegen die Fotografen. Früher ließ die Gesellschaft Verbrechensopfer oft allein im Dunkeln. Jetzt gibt es ein neues Problem: zu viel Licht. Die Tat, das ist die erste Erniedrigung. Und die Berichterstattung über die Tat ist für viele Opfer die zweite. In Bad Boll diskutieren die SYM 4/2013

Betroffenen mit Journalisten, wie man das ändern kann. Da ist viel guter Wille. Aber auch die Erkenntnis, dass selbst der nicht immer reicht, um Missverständnisse zu vermeiden. Das geht schon bei dem Begriff los: Opfer. Zu passiv, zu absolut, sagt die Berliner Hörfunk-Journalistin Beate Hinrichs. Die Menschen würden damit »auf den Opferstatus festgelegt«. Viele würden den Begriff »Verletzte« bevorzugen. Zu schwach, finden den dagegen Hinrichs Kollegen, und Birgit S. auch: »Bei einem Verletzten denkt man doch an jemand, der einen Verband am Fuß hat.« Später werden sogar die einfachen Dinge kompliziert: Wenn in einer Meldung über einen Amoklauf von »Opfern« die Rede sei, erklärt ein junger Journalist freundlich, verstünden die Leser darunter die Getöteten. Die Hinterbliebenen müsse man in solch einem Text also die »Angehörigen der Opfer« nennen. Juri M., der auch seine Tochter verloren hat in Winnenden, ist empört: »Bin ich etwa kein Opfer?« Natürlich sei er das, sagt der Journalist, es gehe ihm doch nur um sprachliche Klarheit. Aber da ist alles schon hoffnungslos verschwommen. Eine Zeugenbegleiterin fragt dann noch, warum man statt »Vergewaltigungsopfer« nicht einfach »eine Frau, die sexuelle Gewalt erlebt hat« schreibe. Das Gute ist: Jeder kann sich endlich mal den Frust von der Seele reden. Zum Beispiel Opferbetreuer über Journalisten, die um elf Uhr eine Anfrage am Anrufbeantworter hinterließen und beim Rückruf um 16 Uhr sagten, jetzt habe sich die Sache schon erledigt. Und die Journalisten können dann darlegen, wie streng so ein Redaktionsschluss ist. Die kleinen Dinge sind ziemlich groß in der Debatte, handwerkliche Fragen. Klar, wörtliche Zitate geben fast alle Journalisten vor Veröffentlichung an die Opfer zur Kontrolle. Aber die kompletten Artikel? Nein, sagt Florian Güßgen, Deutschland-Ressortleiter des Magazins Stern, da müsse man unabhängig bleiben. Er bitte um Verständnis dafür, dass sich die Presse bei aller Em-

pathie nicht zum Interessensvertreter der Opfer machen könne: »Wir arbeiten nicht gemeinsam an einem Artikel. Wir schreiben einen Artikel über sie.« Im Grundsätzlichen finden dafür alle zusammen: Dass Mitleid und ein vage definiertes öffentliches Interesse immer noch zu oft Vorwände sind, um das Leid eines Menschen auszubreiten. Dass die Rolle des Opfers sich nicht darin erschöpfen darf, »zur Verfügung zu stehen« – den Medien, aber auch dem Gericht. Auch für die Justiz, sagen Juristen, seien Opfer viel zu lange vor allem »Beweismittel« gewesen, die ihren Beitrag zur Verurteilung der Täter zu leisten hatten. Um den Rest kümmerte sich der Weiße Ring. Das hat sich gebessert, seit vor knapp dreißig Jahren das erste Opferschutzgesetz erlassen wurde. Bei vielen Gewalt- und Sexualverbrechen sitzen die Opfer heute als Nebenkläger mit im Gerichtssaal. Manche freilich neben »Opferanwälten«, die ihren Namen nicht verdienen. Die in erster Linie ihren Advokatenruhm oder Schadenersatzforderungen im Sinn haben. Der Anwalt Jens Rabe hat einige Winnenden-Opfer vertreten, sie sind voll des Lobes für ihn. Er sagt: »Ich rate immer, in der ersten Phase gar nicht mit den Medien zu reden.« Aber später könne das durchaus sinnvoll sein. Die Opfer wollen ihren Schmerz teilen, öffentlichen Druck für den Prozess aufbauen, politische Forderungen stellen, etwa nach schärferen Waffengesetzen. Aber wissen sie wirklich, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich in eine Talkshow setzen? Gibt es nicht einige, die ihr Recht auf Opferschutz aus dem Pressekodex – keine Namen, keine Bilder – allzu leichtfertig aufgeben? Als ihr erstes Zeitungsinterview erschien, erzählt Birgit S., »waren wir überrumpelt von unseren eigenen Worten«. Auf der Straße hatten sie das Gefühl, die Leute schauten sie komisch an. Im Ort unterstellten manche, sie seien »pressegeil« oder bekämen Geld für Interviews. Ein anderes Opfer sagt: »Da ist so eine Art Neid

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rückblende bei den Leuten. Wobei ich nicht verstehe: Worauf kann man denn da neidisch sein?« Je länger die Tagung dauert, desto mehr Verständnis wächst zwischen Opfern und Journalisten. Eine Kriminalpsychologin erzählt von der Familie des ermordeten Tobias, er war 13, als er starb. Sie zeigt zwei Fotos: eines von seinem Gesicht, ein zartes, fast intimes Bild; und eines von seinem Grabstein. Nach der Beerdigung druckten die Zeitungen das vom Grabstein, sie hielten es für unverfänglicher als das Porträt. Doch die Eltern waren aufgebracht. Die Psychologin sagt: »Das Grab war für sie das Allerheiligste, der letzte Ort, an dem sie mit ihrem Sohn allein sein konnten.« Vielleicht ist das eine der wertvollsten Einsichten von Bad Boll: Manchmal wollen Journalisten alles richtig machen und machen doch alles falsch.

Bad Boll im chinesischen Fernsehen Am 30. September war ein KameraTeam des chinesischen Staatsfernsehens auf Besuch in Bad Boll. Im Rahmen einer Sendereihe über den Kul-

Ein seltener Anblick: Ein chinesisches Filmteam auf dem Blumhardt-Friedhof

turaustausch zwischen Deutschland und China (und umgekehrt) wird auch Richard Wilhelm (1873-1930) gewürdigt, dessen Grab sich auf dem hiesigen Blumhardt-Friedhof befindet. Als junger Theologe ging er 1899 mit der Ostasienmission in die damalige deut-

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sche Kolonie Kiautschou. Sein Schwiegervater Christoph Blumhardt befreite ihn aus den Fesseln einer eurozentrierten Missionsarbeit und empfahl ihm, »zuerst den Chinesen ein Chinese zu werden«, denn »Christen brauchen sie gar nicht zu werden. Diesen Namen sollte man in fremden Ländern gar nicht aufkommen lassen. Wer den Willen Gottes tut, ist des Himmelreichs Kind, ob er von Konfuzius oder von Kirchenvätern abstammt.« So gründete Richard Wilhelm eine Schule in Tsingtau und bewährte sich als friedensstiftender Vermittler während des Boxeraufstands 1900. Er übersetzte poetische, philosophische und religiöse Texte ins Deutsche und gilt deshalb für das 20. Jahrhundert als der bedeutendste Vermittler zwischen chinesischer und europäischer Kultur und Geisteswelt. Die Fernsehleute zeigten sich beeindruckt, dass die Evangelische Akademie schon mehrere Tagungen zu Richard Wilhelm veranstaltet hat und sein Andenken in der literarischen Gedenkstätte »Blumhardts Literatursalon« pflegt. Albrecht Esche

Ätherisches Rosenöl aus Äthiopien Ralf Kunert, Leiter des Rohstoffeinkaufs bei WALA, war Referent der Tagung »Äthiopien und Deutschland«, die am 26. und 27. Oktober in Bad Boll stattfand (s. a. S. 8 f.). Dort berichtete er über eine wirtschaftliche Kooperation am Beispiel der Herstellung von Rosenöl in Äthiopien, das von WALA für ihre Kosmetik-Serie und für Arzneimittel genutzt wird. Auch das Titelbild dieser Ausgabe stammt aus diesem Projekt. Ralf Kunert hat für SYM kurz die wichtigsten Informationen zu diesem Projekt zusammengefasst: »Auch in Äthiopien kennt man vor allem die Schnittrosen, die in Spezialkulturen angebaut und frisch exportiert werden. Die für die WALA Heilmittel GmbH aus Bad Boll angebauten Rosen werden allerdings nicht wegen ihrer Schönheit, sondern wegen ihres Duftes kultiviert. Das aus

Im äthiopischen Hochland werden Damascena Rosen für WALA angebaut und weiter verarbeitet. Das gewonnene Rosenöl dient zur Parfümierung der Dr. Hauschka-Kosmetik.

ihnen gewonnene ätherische Rosenöl dient zur Parfümierung von Dr. Hauschka-Kosmetik und als Wirkstoff in WALA-Arzneimitteln. Vor acht Jahren begann als kleiner Versuch mit 200 Pflanzen, was heute im Rahmen eines vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit geförderten Public-Private-Partnership-Projekts bei einem lokalen Partner bereits 50 Menschen ein gutes Auskommen gibt: Der Anbau von Damascena Rosen bei Debre Berhan im äthiopischen Hochland. Im Gegensatz zu den Schnittrosen werden diese nicht nur angebaut, sondern auch vor Ort zu kostbarem ätherischem Öl weiterverarbeitet. Dabei wurde von Anfang an darauf geachtet, dass das Wissen über den Anbau auch an die Experten vor Ort übertragen bzw. gemeinsam erarbeitet wurde. Denn das Rosenwissen des WALA-Experten Hans Supenkämper konnte aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen nicht einfach 1:1 übertragen werden, sondern musste in Zusammenarbeit mit den lokalen Experten auf die dortigen Gegebenheiten adaptiert werden. Anders bei der Destille, die mit Unterstützung eines bulgarischen Experten vor Ort gefertigt wurde und die mittlerweile von den Mitarbeitern vor Ort betrieben wird. Das Projekt ist derzeit mit 15 ha angebauten Rosen noch sehr klein, allerdings soll es als fair trade und Demeter zertifizierter Betrieb auch ein Kristallisationspunkt für die weitere Entwicklung vor Ort dienen.«

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rückblende Jahreskonferenz 2013 der christlichen Akademien in Europa Im September trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter europäischer Akademien in der Evangelischen Akademie Liebfrauenberg im Elsass. Mehr als die Hälfte der 46 Mitglieder war vertreten und repräsentierte Akademien aus West- und Osteuropa, aus Skandinavien und Südeuropa. Allerdings war in diesem Jahr die Zahl der Teilnehmenden aus dem Süden gering. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten etwa in Griechenland, Zypern oder Spanien treffen auch die kirchlichen Einrichtungen hart. Oikosnet Europe verbindet seit seiner Gründung als »Europäischer Leiterkreis« im Oktober 1955 evangelische, katholische, anglikanische und orthodoxe Akademien und Laienbildungszentren, gewährleistet den Austausch von Erfahrungen und nicht zuletzt ermöglicht es heutzutage europaweite Kooperationen, mit denen wir EUund andere Zuschüsse für Projekte und Tagungen beantragen können. Persönliche Begegnungen, Arbeitsgespräche und Austausch von Materialien helfen dabei. Die Evangelische Akademie Bad Boll gehört zu den Gründungsmitgliedern, half beim Aufbau von neuen Akademien in anderen Ländern und pflegt zu diesen Einrichtungen bis heute besondere Beziehungen. Mit einer Vorkonferenz des Womens Network startete die Konferenz, die den Teilnehmenden die Möglichkeit gab, mehr über die französische Sozialpolitik, den Stand feministischer Theologie in Frankreich und die Sondersituation der Kirchen im Elsass zu erfahren, die durch ein Konkordat aus napoleonischer Zeit einen Sonderstatus in Frankreich hat. Anders als im restlichen Frankreich ist hier die Trennung von Kirche und Staat nicht so streng. Schwierig sind zum Beispiel notwendige Veränderungen von Pfarrstellen, die nicht vorgenommen werden können, weil sonst die Gefahr der Aufhebung des Konkordates droht. Interessant war u. a. die Diskussion über die Veränderungen im französi-

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schen Familienrecht, die die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und das Adoptionsrecht betreffen. Diese haben in den vergangenen Monaten zu zahlreichen Demonstrationen pro und contra geführt. Auch in den Kirchen ist die Meinung dazu gespalten. Die Jahreskonferenz befasste sich auch mit der Situation der Akademien weltweit, die in Oikosnet International zusammengeschlossen sind. Sie fühlt sich besonders verbunden mit den Christen im Nahen Osten, deren Situation immer bedrückender wird. Berührend war eine Botschaft des Direktors der Akademie in Aleppo, der seine Situation in der eingekesselten Stadt schilderte. Marielisa v. Thadden, Studienleiterin

Beginenstiftung – Lebenswohnräume für Frauen Am 7. Oktober fand in Bad Boll die Demografie-Fachtagung »Gesellschaft im Wandel – Wohnräume schaffen für alle Generationen« statt. Im Anschluss wurden drei Exkursionen zu generationenübergreifenden Wohnprojekten angeboten. Eine führte nach Tübingen zu dem Ende 2012 fertig gestellten Beginenhaus in der Maurerstraße. Es ist das zweite, mit Unterstützung der Beginenstiftung realisierte selbst organisierte Tübinger Frauenwohnprojekt. Es liegt am Rand

der Altstadt hinter einem kleinen Park mit Spielplatz – ruhig und dennoch zentral mit guten Einkaufsmöglichkeiten. Das weitgehend barrierefrei Haus wurde von der »Beginenhaus Maurerstraße gGmbH« gekauft, nahezu ganz entkernt und mit ökologischen Baustoffen wieder aufgebaut. Inzwischen sind die sieben Wohnungen mit 40-60 qm Wohnfläche von alleinstehenden Frauen bezogen. Dazuhin gibt es einen großen Gemeinschaftsraum mit Küche, ein Pflegebad mit kleinem Fitness-Bereich im Keller und einen kleinen Garten. Drei Appartements sind für ausländische Studentinnen reserviert zwei weitere sind für Gäste vorgesehen. Die Beginenstiftung wurde 2003 gegründet. Stiftungsgründerin ist Ingrid Gerth, die heute selbst in der Maurerstraße lebt. Laut Flyer ist die Beginenstiftung »eine Stiftung für gemeinschaftliches Wohnen allein lebender Frauen, die die Solidarität zwischen begüterten und weniger wohlhabenden Frauen fördert; auf Ewigkeit angelegt«, und ehrt den Namen der historischen Beginenbewegung. Mehr zur Beginenstiftung und zum Beginenhaus in der Maurerstraße ist auf der Website zu finden: www.beginenhaus.de. Dort findet man auch die vielfältigen Angebote für Beratung für ähnliche Projekte und Impulse »die Welt zu verändern«. Martina Waiblinger

Die Stadt Tübingen hat das Projekt des Beginenhauses in der Maurerstraße unterstützt. Auf den Fotos hat man einmal den Blick vom Spielplatz und einmal von innen mit Gästen der Bad Boller Tagung und Ingrid Gerth, Stiftungsgründerin und Bewohnerin des Hauses (rechts).

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kunst in der akademie

Käthe Schönle: WunderKummer – Zeichnungen und Malerei – Vernissage am 9. Februar 2014 Die seit der späten Renaissance entstandenen Wunderkammern sind uns bekannt als Sammlungen von oftmals kuriosen Objekten und Raritäten, wertvollen Artefakten und Kunstgegenständen, die die BetrachterInnen neugierig machen sollen auf Unbekanntes und ebenso das Wunderbare am Betrachten entdecken lassen. In diesem Zusammenhang irritiert der Ausstellungstitel »WunderKummer« zunächst, beinhaltet er neben dem »Wunderbaren« doch auch den Kummer, das Schmerzhafte und dennoch beschreibt er in seiner Mehrdeutigkeit treffend Käthe Schönles Arbeiten. Die in Wien lebende, aus Süddeutschland stammende Künstlerin setzt sich als Zeichnerin, aber auch als Malerin und Installationskünstlerin mit den Bedingungen der menschlichen Existenz auseinander – figurativ und experimentell. Sie beschreibt ihre Arbeit als Kommentar und Beobachtung des Daseins in seinen kleinen und großen Kümmernissen, Dramen und Bewegungen, aber auch als Auseinandersetzung mit der Schönheit im Detail, dem Ausleuchten und »ist ja gut wenns nimmer wehtut« aus der Entdecken von Serie »elements«, 2013, Bleistift, Farbstift, Ängsten, BegegCollage auf Papier, 29,7x21cm nungen und Verhaltensweisen. Die Vielschichtigkeit der poetisch-erzählerischen Szenarien reicht dabei von den prekären Schattenseiten

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bis zum fragilen Rand des Hoffens. Schönles Arbeiten vermitteln faszinierende Bilder von destruktiver Lust und eigenwilliger Schönheit. Denn die Künstlerin führt ihren Stift mit außerordentlicher Verve. Was zuweilen wie ein Sekunden-Handstreich aussieht, folgt einer traumwandlerisch sicheren Komposition. Die Gliedmaßen ihrer ProtagonistInnen – und es sind immer Figuren im Handlungsbezug – scheinen auf dem Papier zu zerschellen, und als seien es Gliederpuppen, fügen sie sich dann doch zu einem kunstvollen Ganzen wieder zusammen. In diesen anziehenden wie herausfordernden Szenarien zieht die Künstlerin förmlich und buchstäblich die Fäden – lineare Strukturen verknüpfen, was ursprünglich zusammengehört, und vielfach spiegelverkehrte Notate kommentieren die Arbeiten. Sosehr es um exzentrische Situationen geht, die nah am Abgrund inszeniert sind, rebelliert die Künstlerin doch zugleich gegen den vermeintlich ausweglosen Sog. So gibt es immer wieder unverzagte Augenblicke der Zuversicht: fast frohsinnig, verspielt im anatomischen Derangement, unprätentiös und mit einer souveränen Linienführung. In Schönles »WunderKummer« begegnen wir uns selbst und den anderen in einer Welt voller Individuen, die doch immer voneinander abhängen und aufeinander eingehen, agieren und reagieren müssen. Ihr Blick ist unpathetisch und schonungslos und doch von einer tröstlichen Hoffnung, die uns erkennen, aber nicht verzweifeln lassen soll. Käthe Schönle – www.schoenle.org Käthe Schönle, geb. 1976 in Riedlingen, lebt und arbeitet in Wien. Studium an der Kunsthochschule Kassel. Seit 2004 Ausstellungen im In - und Ausland, Ankäufe öffentlicher und privater Sammlungen. Schönle erhielt bisher mehrere Arbeitsstipendien, sowie den Kunstpreis der Stadt Kassel. Vernissage, Sonntag, 9. Februar 2014, 11 Uhr Café Heuss, Leitung: Susanne Wolf Information und Anmeldung zum Mittagessen: Brigitte Engert, Tel. 07164 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Dauer der Ausstellung: 9. Februar bis 27. April 2014 Laufende Ausstellung: Dreidimensionale Raumzeichnungen von Brigitte Schwacke, bis 19. Januar 2014

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kaleidoskop

Indien - Äthiopien - Armenien - Pakistan Schlechte Zeiten und indische Kühe Wer ohne Sünde lebt, wird als Kuh wiedergeboren, glauben viele Hindus. Für sie ist die Kuh ein heiliges Tier, das alle Wünsche erfüllt. Doch immer mehr Angehörige der jungen und gebildeten Schichten wünschen sich ein saftiges Rindersteak auf dem Teller. Die Auseinandersetzun-

Jura, Volkswirtschaft und Geschichte in Tübingen, Cambridge und Frankfurt am Main, wo er auch promovierte. Durch die Revolution in Äthiopien im Jahr 1974 wurden seine Berufspläne vereitelt, er blieb in Deutschland und arbeitete zunächst als Journalist, später als Unternehmensberater. Der Autor schrieb viele Bücher über die Geschichte, Kultur und Politik Äthiopiens. Als Kenner seiner Wahlheimat Deutschland nahm er aber auch die ungeschriebenen Regeln des hiesigen Zusammenlebens in den Blick – und wurde dafür 2004 mit dem Adelbert-vonChamisso-Preis ausgezeichnet. (Quelle: Robert Bosch Stiftung, dtv Verlag)

Aus jenem Holze geschnitzt

gen sind inzwischen so heftig geworden, dass es Tote und Verletzte gab. Die größte Oppositionspartei fordert, die Gesetze gegen das Schlachten von Kühen zu verschärfen. Und viele Hausbesitzer weigern sich, Wohnungen an Menschen zu vermieten, die Rindfleisch essen. Doch der Appetit auf Rindfleisch wächst und mit ihm die illegale Jagd auf heilige Kühe. 2012 produzierte Indien 3,6 Millionen Tonnen Rindfleisch. Davon wurden 1,6 Millionen Tonnen – oft als Büffelfleisch deklariert – exportiert. Damit ist das Land der heiligen Kühe zum größten Rindfleischexporteur der Welt geworden. (Quellen: faz net, 10.8.2013; Süddeutsche Zeitung, 17.10.2013)

Der beste Kenner Deutschlands kommt aus Äthiopien

Asfa-Wossen Asserate 2010 bei der Tagung »Altes Land und neuer Aufbruch. Äthiopien zwischen Überbevölkerung und großem Sprung nach vorn.« SYM 4/2013

Ist der Handkuss peinlich? Stirbt das Kompliment aus? Gibt es heute noch Damen und Herren oder ausschließlich Männer und Frauen? Solche und viele andere Fragen über Deutschland erörterte Asfa-Wossen Asserate, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, 2004 in seinem Buch »Manieren« mit viel Witz und Charme. Er studierte

Sie tönt tief und gilt als Nationalinstrument Armeniens. Peter Gabriel machte die Kurzoboe aus Aprikosenholz mit seinem Soundtrack zu »Die letzte Versuchung Christi« und dem Album »Us« weltweit bekannt. Auch Sting und Andreas Vollenweider setzten die Duduk mit ihrem über zehn Zentimeter langen Doppelrohrblatt erfolgreich für ihre Kompositionen ein. Damit stehen sie in einer langen Tradition: Bereits vor 5000 Jahren spielte man in Mesopotamien ein ähnliches Instrument. Seit acht Jahren steht die Duduk nun auf der Liste der UNESCO für Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit. (Quelle: www.armenian-duduk-music.com)

Animationsserie erhitzt Gemüter in Pakistan Die TV-Serie »Burka Avenger« (»Die Burka-Rächerin«) sorgt derzeit in Pakistan für Diskussion. Die Animationsserie läuft sonntags im größten Sender des muslimischen Staats. Die Heldin heißt Jiya und ist Lehrerin an einer Mädchenschule. Doch wenn sie in ihre schwarze Burka schlüpft, kämpft sie gegen Taliban und korrupte Politiker.

Während die fundamentalistische Jamaat-e-Islami Partei das Outfit der Hauptfigur als Beleidigung für ihre Religion empfindet, weist Erfinder Aaron Haroon Rashid die Kritik zurück. Die Entscheidung für die Burka als SuperheldenKostüm beziehe sich auf die kulturelle Herkunft der Hauptperson – mit Religion habe es absolut nichts zu tun. (Quelle: dpa, 6.8.2013)

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äthiopien und deutschland

Deutschland und Äthiopien Von den Urweisheiten vorbiblischer Zeit bis zu deutschen Kopfsteinpflastern Von Wolbert G.C. Smidt, Mekelle University, Tigray Äthiopien, das vom deutschen Alltag sehr fern zu sein scheint, ist doch vielen Deutschen bekannt. Ältere kennen es meist als Abessinien und erinnern sich an Kaiser Haile Selassie I, der nach dem Zweiten Weltkrieg als erster Staatschef Deutschland 1954 einen Staatsbesuch abstattete und damit dessen internationale Isolation beendete. Jüngere Generationen denken eher an die Hungersnöte, die viele deutsche NGOs auf den Plan gerufen haben, und an manche Kriegsnachrichten. Die deutsch-äthiopischen Beziehungen haben viele Kapitel. Einige davon sind bereits an anderen Stellen erzählt worden, andere noch überhaupt nicht. Ein geradezu unerschöpfliches Thema. Welches Thema und welche Periode der modernen Geschichte Deutschlands man auch antippt – immer lassen sich dahinter auch Beziehungen zu Äthiopien entdecken. Warum ist das so? Eine Antwort fällt nicht leicht. In wenigen Worten kann man sagen, dass Äthiopien – vor allem das christliche Hochland – kulturell immer gerade noch nah genug schien, um darin viele Traditionen, Träume, Projekte Europas wiederzuentdecken (wenn auch immer in anderer Farbe), und doch gleichzeitig so fern war, um wie eine radikal andere Gegenwelt zu wirken, ein exotisches Faszinosum. Wahrscheinlich war es diese Mischung aus emotionaler und kultureller Nähe und Ferne, die eine enorme Wirkung auf europäische Besucher hatte. Äthiopien gehört auch zu Dr. Wolbert G.C. Smidt ist ein deutscher Hochschullehrer und Buchautor. Er lehrt derzeit Geschichte und Kulturwissenschaften an der Mekelle University, Äthiopien.

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den wenigen nicht-europäischen Ländern, die regelmäßig Gesandtschaften nach Europa schickten, um Bündnisse zwischen den christlichen Königen der Welt zu schmieden und sich regelmäßig um die Einwanderung europäischer Handwerker bemühten. Zunächst gab es diese Beziehungen vor allem zu den Königreichen in Spanien, Portugal und italienischen Gebieten, doch bereits im 17. Jahrhundert gab es auch direkte Beziehungen zu den Deutschen. Das kam so: Im 16. Jahrhundert wurde Äthiopien für die Gelehrten der Reformation interessant. Wenig war bekannt, doch man wusste, dass dort eine alte semitische Sprache gesprochen wurde, und dass das Land zu den ältesten christlichen Gebieten der Welt gehörte. Ein Deutscher ließ im 16. Jahrhundert ein äthiopisches Ge’ez-Manuskript drucken, Orientalisten beschäftigten sich neben Hebräisch und Arabisch auch mit Ge’ez. Dahinter stand der Traum, mit Ge’ez eine alte biblische Sprache gefunden zu haben, nämlich das Chaldäische. Es bestand auch die Vermutung, dass sich im Chaldäischen die Weisheiten der biblischen Vorväter erhalten haben könnten. In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Beschäftigung mit Äthiopien wissenschaftlich: 1652 ermöglichte der Fürst von SachsenGotha-Altenburg dem äthiopischen Gelehrten Abba Gorgoryos einen Aufenthalt in seinem Schloss Friedenstein, wo dieser mit dem jungen Gelehrten Hiob Ludolf zusammenarbeitete. Daraus entstanden wichtige Werke zu Ethnographie, Geschichte und den Sprachen der Region, die von erstaunlicher Präzision sind und die die Äthiopistik als Forschungsfach begründeten. Danach kamen Äthiopier immer wieder nach Deutschland – als Missionsschüler (seit 1866), Studenten (seit 1877), Reisende, Mitarbeiter von deutschen Gelehrten, als

1652 lud der Fürst von Gotha-Altenburg den äthiopischen Gelehrten Abba Gorgoryos auf sein Schloss Friedenstein ein.

Universitätslehrer (seit 1907), Diplomaten und Exilanten und immer häufiger als Kaufleute. Äthiopien hat über die Zeiten hinweg das Interesse verschiedener Gruppen im deutschsprachigen Raum geweckt – von Philologen, Sprach- und Kulturforschern (ab dem 16. Jahrhundert), pietistischen Missionaren (ab den 1830er Jahren), Handwerkern, deutschen Auswanderern und Flüchtlingen (ab den 1840er Jahren), von jüdischen Flüchtlingen bis hin zu untergetauchten Nazi-Kriegsverbrechern nach dem Zweiten Weltkrieg, Diplomaten (ab 1862), Geographen und Archäologen, frühen deutschen Fachkräften der Entwicklungsarbeit (schon ab etwa 1906), Politikberatern (ab ca. 1908), Künstlern und Schriftstellern (darunter Karl May mit einer wilden und unglaubwürdigen Abenteuergeschichte aus dem Emirat Harar), Journalisten aller politischer Strömungen und schließlich auch von deutschen Nichtregierungsorganisationen und der offiziellen deutschen Politik. Äthiopien steht heute an erster Stelle der afrikanischen Länder in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Schon seit den 1840er Jahren wurden deutsche Handwerker an den Höfen SYM 4/2013


deutschland und äthiopien nordäthiopischer Fürsten zum Kirchen- und Palastbau eingestellt, später als Straßenbauer, Waffenkonstrukteure, Landwirtschaftsreformer u.a. Zu dieser Tradition gehörte auch die protestantische Handwerkermission, die ab 1855 an dem Hof des Königs der Könige Tewodros II. tätig war: Deutsche Handwerker sollten dem König dienen und religiöse Reformen predigen. Die äthiopischen und eritreischen protestantischen Kirchen gehen letztlich darauf zurück. Eine Besonderheit besteht darin, dass junge äthiopische Schüler bereits seit 1866 nach Deutschland kamen und dort zu Missionaren ausgebildet wurden. Sie trugen die Mission fort, als die letzten deutschen Missionare 1882 das Land verlassen mussten. Zur selben Mission gehörte seit den 1840er Jahren die Oromo-Mission: Der Traum deutscher Missionare war, das ganze Land »Ormania« protestantisch zu machen. Einige Oromo wurden zur Ausbildung nach Deutschland gebracht. Einer von ihnen, von den Deutschen Christian Ludwig Paulus Rufo genannt, begann mit der Bibelübersetzung in Oromo mit der Folge, dass heute viele Millionen Oromo Protestanten sind.

die von Abgrenzung und rassistischen Parolen geprägt war (bis zur italienischen Kapitulation 1941). Die zweite Periode ist weniger interessant, da sie mehr den Erwartungen entspricht: In Addis Abeba wurde eine NSDAP-Ortsgruppe gegründet, die strikt auf Trennung von den Äthiopiern achtete und enge Beziehungen zu Mussolinis faschistischer Verwaltung pflegte. Die Periode davor stand dagegen in der alten Tradition deutscher Sympathien für Äthiopien: Es ist überliefert, dass in der esoterischen SA-Ideologie Äthiopien als Hort einer alten Kultur eine Rolle spielte; der Begründer der Orgesch, einer Vororganisation der SA, war einst selbst Berater des Kaisers Menilek II. gewesen. Besonders überraschend ist eine Episode, in der ein Sondergesandter des äthiopischen Kaisers an Hitler einen großen Erfolg erzielte. Sein Ziel war, deutsche Waffenhilfe zu erhalten, als Mussolinis Armeen bereits an Äthiopiens Grenzen aufmarschierten. Hitler gewährte die Gelder und es gelang, Waffen über Djibouti zu schmuggeln. Eine

Rufo (Bild Mitte) war einst ein Oromo Sklave. Er kam nach Korntal in Deutschland und hat die Bibel in Oromo übersetzt.

Ein eigenartiges Kapitel sind die deutsch-äthiopischen Beziehungen in der Nazi-Zeit. Sie sollen hier nicht fehlen, gerade weil sie so gerne vergessen werden. Erforscht sind sie noch nicht, scheinen aber viel überraschendes Material zu bieten. Es gibt dabei zwei Perioden: Eine erste, in der eine ausgeprägte Sympathie von NaziDeutschland für den alten äthiopischen Staat die offizielle Politik prägte; eine zweite, nach der erfolgreichen Eroberung durch Mussolini 1936,

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besondere Pointe ist die Chuzpe, die dahinter steckt: Der Sondergesandte wurde Hitler als Sohn einer äthiopischen Prinzessin und eines »deutschen Kulturbringers« vorgestellt. Tatsächlich war er der Sohn eines jüdischen Flüchtlings aus dem Krakauer Judenviertel, der in Äthiopien als Waffenkonstrukteur arbeitete. Das illustriert, was die Äthiopier aus den Nazi-Sympathien machten: Sie wurden geschickt und gezielt genutzt. Deutsch-äthiopische Beziehungen sind heute noch komplexer und reicher als früher: Es gibt wesentlich

Bundespräsident Joachim Gauck auf einem viertägigen Staatsbesuch in Äthiopien im März 2013 – hier bei der Teilnahme an einer Zeremonie mit Priestern in Lalibela.

mehr Migration in beide Richtungen und zahllose persönliche und offizielle Beziehungen zwischen verschiedensten Organisationen und den Staaten. Nur um wenige Beispiele zu nennen: Nach dem Krieg wurde der KaffeeExport Äthiopiens von einem deutschen »Kaffeeschmeck«, Graf von der Recke, aufgebaut; die Kunsthochschule wurde von Deutschen mitgeprägt, darunter dem bekannten Künstler Hansen-Bahia; die DDR baute die Medizin-Hochschule in Gonder auf; in der Hungersnot der 1980er Jahre wurde besonders »Menschen für Menschen« bekannt, deren Gründer Böhm oder »Mister Karl« jetzt Ehrenbürger Äthiopiens ist; die GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) war zuletzt sehr erfolgreich mit der Schaffung der – unter Äthiopiern sehr populären – Kopfsteinpflaster; der äthiopische Exilant Asfa-Wossen Asserate, ein Verwandter des Kaiserhauses, wurde in Deutschland berühmt mit seinem Bestseller »Manieren«; und in den letzten Jahren bekamen mehrere äthiopische Universitäten und Institute deutsche Präsidenten und Direktoren, die die zahlreichen neuen Universitäten Äthiopiens auf internationales Niveau bringen sollen. Zuletzt war Bundespräsident Gauck in diesem Jahr bei einem Staatsbesuch. Es wird also immer mehr erzählte und unerzählte Geschichten geben. Dr. Wolbert Smidt war Referent der Tagung »Äthiopien und Deutschland. Historische und aktuelle Perspektiven«, 26.-27.10.2013, s.a. Rückseite

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pakistan

Ursachen der religiösen Gewalt in Pakistan Nach einem Selbstmordanschlag auf eine Kirche in Lahore am 23. September 2013 zünden die Menschen Kerzen an.

Von Dorith Altenburg Am 21. September 2013 erschütterten zwei Selbstmordattentate die Stadt Peschawar, mindestens 75 Menschen starben, über 100 wurden verletzt. Es war der bisher schwerste Anschlag gegen Christen in der Geschichte Pakistans. Die religiös motivierte Gewalt erreicht damit einen neuen, traurigen Höhepunkt. Aber wie konnte es überhaupt soweit kommen? Mohammed Ali Jinnah, Pakistans erster Präsident und Gründungsvater, war ein überzeugter Säkularist. Nach der Unabhängigkeit 1947 strebte er einen modernen, pluralistischen Staat an. Die pakistanischen Muslime sind mehrheitlich Sufisten und gehören damit einer überaus toleranten Auslegung des Islams an. Zwar ist die pakistanische Gesellschaft in den Dorith Altenburg ist Politikwissenschaftlerin und Ethnologin und arbeitet als freie Referentin in der politischen Erwachsenenbildung. Sie ist Referentin bei der Tagung »Flucht und Religion«, 17.-18. Januar in Bad Boll, bei der Pakistan im Fokus steht. S. a. S. 16

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letzten Jahren konservativer geworden, einen politischen, fundamentalistischen Islam lehnt die Mehrheit aber weiterhin ab. Es gibt in Pakistan auch keinen historisch begründeten Konflikt zwischen den Religionen, auf den die Gewalt zurückzuführen wäre. Wie also sind die jüngsten Entwicklungen zu erklären? Zunächst ist festzuhalten, dass Pakistan nicht von einem, sondern von mehreren Konflikten erschüttert wird. Die bedeutendsten sind: • der Kampf amerikanischer und pakistanischer Einheiten gegen alQaida Kämpfer und die afghanischen Taliban, • der Kampf der pakistanischen Taliban gegen den pakistanischen Staat, • separatistische Bestrebungen in Belutschistan und der nordwestlichen Grenzprovinz aufgrund der wirtschaftlichen Vernachlässigung beider Provinzen, • vom Punjab ausgehende soziale Aufstände landloser Bauern gegen die feudalen Großgrundbesitzer • soziale Unruhen im Sindh zwischen alteingesessenen Sindhis und indisch-stämmigen Immigranten.

Die Mehrzahl dieser Konflikte hat keine religiöse Ursache. Trotzdem erwecken sie den Anschein, es würde sich um einen religiösen Konflikt handeln. Beispielsweise im Punjab: die landlosen Bauern sind mehrheitlich Sunniten, die Feudalherren mehrheitlich Schiiten. In den Medien erscheint dann die Meldung erneuter sunnitisch-schiitischer Ausschreitungen, die eigentlich dahinter liegenden gesellschaftlichen Konflikte werden nicht offen gelegt. Gleichzeitig rücken die Konfliktparteien die Religion künstlich in den Mittelpunkt, um weitere Unterstützer zu mobilisieren. Dies entwickelt eine Eigendynamik, bei der letztlich Täter und Opfer der Gewalt keiner der beiden eigentlichen Konfliktparteien mehr angehören. Darüber hinaus gibt es in Pakistan auch rein religiös motivierte Gewalt gegen Minderheiten, sowie zwischen Sunniten und den Schiiten. Dabei geht es zum einen um den Erhalt der Deutungshoheit über die »richtige« Auslegung des Islams und damit den Zugang zu Macht, zum anderen um Abgrenzung und damit um die Absicherung der eigenen Identität. Dass die Religion in Pakistan zu einem politischen Faktor werden konnte und junge Männer im Namen des Glaubens zu Gewalt greifen, ist insbesondere auf die Islamisierung unter General Zia ul-Haq seit 1977 zurückzuführen. Ziel war, die Absicherung der neu installierten Militärdiktatur sowie den Zusammenhalt des noch jungen Staates zu stärken. Während die beiden ersten Präsidenten Pakistans als Staatsgründer mit einer natürlichen Autorität ausgestattet waren, fehlte es den nachfolgenden Regierungen an einer Legitimation ihrer Herrschaft. Mithilfe einer Islamisierung der Gesellschaft sollte dieses Manko ausgeglichen werden. Die bei der Islamisierung geförderten muslimischen Parteien genießen tra-

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pakistan ditionell in der Bevölkerung wenig Unterstützung, bei freien Wahlen erhalten sie keinen signifikanten Stimmenanteil. Die größte Gefahr drohte den Militärs von Seiten säkularer, weltlicher Parteien. Diese wurden durch die Islamisierung der Gesellschaft an den Rand gedrängt. Darüber hinaus fehlt es dem pakistanischen Staat an einer gemeinsamen Identität. Die Mehrheit der Bevölkerung definiert sich nicht primär als Pakistaner, sondern als Angehörige ihrer jeweiligen Ethnie. Die Loyalität eines pakistanischen Paschtunen beispielsweise gehört eher einem afghanischen Paschtunen als einem pakistanischen Punjabi. Genau genommen ist Pakistan also ein Nationalstaat ohne Staatsvolk! Seit der Abspaltung Bangladeshs von Restpakistan ist ein weiteres Auseinanderbrechen der Nation die größte Sorge sämtlicher pakistanischer Regierungen. Ohne eine gemeinsame Identität, ohne ein Volk, das sich auch als solches sieht, fühlt und verhält, kann die Integrität des pakistanischen Staates aber nicht dauerhaft gewährleistet werden. Es musste also etwas gefunden werden, auf dem die pakistanische Identität basieren könnte. Da die pakistanische Bevölkerung aber keine gemeinsame Geschichte, keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsamen Traditionen aufweist, blieb der Islam als kleinster gemeinsamer Nenner. Aufgrund seiner Vielseitigkeit erwies sich aber auch der Islam als denkbar ungeeignet. Bei der Islamisierung musste sich letztlich auf einzelne Richtungen des Islams konzentriert werden, was von konkurrierenden Konfessionen und Rechtsschulen natürlich nicht klaglos hingenommen wurde. Damit war die Grundlage der heute zu beobachtenden religiösen Gewalt gelegt. Das beschriebene Identitätsproblem ist das Kerndilemma Pakistans. Alle anderen Probleme bauen mehr oder weniger stark darauf auf. Bisher funktioniert Identität in Pakistan hauptsächlich auf dem Prinzip der Abgrenzung. Paschtunen grenzen sich von

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Punjabis ab, Moslems von Christen, Schiiten von Sunniten, sunnitische Deobandis von sunnitischen Barelvis, die Mittelschicht von der Oberschicht, Landbesitzer von Landlosen, Männer von Frauen. Solange es nicht gelingt, dieses Prinzip der Abgrenzung zu

überwinden und an seine Stelle etwas Positives und Integrierendes zu setzen, wird der pakistanische Staat keine Ruhe finden und die religiös begründete Gewalt kein Ende nehmen. s. a. Buchtipps, S. 22

Zum Beispiel Shagufta, geb. 1980 in Khushab, Pakistan Ich war 9 Jahre alt, als meine Eltern mit ihren sieben Kindern aus unserer Heimatstadt geflohen sind. Das jüngste Kind war 1,5, das älteste 11 Jahre alt. In den 80er Jahren wurden die Ahmadis immer stärker verfolgt, ihre Moscheen wurden angezündet und mein Vater wurde einige Male verhaftet. Die Ahmadis durften ihre Gotteshäuser nicht Moscheen nennen und sich selbst nicht Muslime. Es wurde ihm gedroht – er müsse sich von den Ahmadis abwenden. Meine Mutter litt sehr unter der Situation – insbesondere nachdem zwei ihrer Kinder auf dem Schulweg fast entführt worden wären. Die Eltern entschieden sich, zu flüchten. Der Großvater wollte es nicht – war mein Vater doch sein einziger Sohn. Dennoch bezahlte er die Flucht für die ganze Familie. Er war ein reicher Mann mit Landbesitz. Eines Nachts fuhren wir mit einigen Koffern in einer Pferdekutsche in die nächste Stadt und von dort mit dem Zug nach Karatschi. Die Eltern fuhren getrennt, damit niemand bemerkt, dass wir auf der Flucht sind. In Karatschi lebten wir vier Monate – auf niederstem Niveau in einer Baracke. Meine Mutter bekam einen Nervenzusammenbruch. Wir hatten keine Schule, kein ordentliches Essen. Schließlich kam der Tag der Abreise: Wir flogen nach Frankfurt. In Deutschland waren wir eine Woche in Karlsruhe, dann wurden wir mit einem großen Bus nach Tübingen gebracht. Es war unglaublich, so große Straßen, so viele Autos, alles war so sauber. Und alle waren so nett zu uns. Daran erinnere ich mich. Wir hatten großes Glück und bekamen eine VierZimmer-Wohnung. Es war eine große Erleichterung für uns. Wir konnten wieder frei beten. Das Azan haben wir drei Mal am Tag gemeinsam gebetet. Die Mutter war wie ausgewechselt. So sieht die Freiheit aus. Viele haben uns geholfen. Bald lernten wir die Ahmadyya-Gemeinde in Reutlingen kennen. Das alles hat uns sehr geholfen, Fuß zu fassen und heimisch zu werden. Meine Eltern haben alles getan, dass wir Kinder alle einen guten Schulabschluss und den Führerschein machen, dass wir studieren. Ich bin ihnen dafür sehr dankbar. Und alle haben es geschafft, der Älteste ist Herzchirurg, einer ist Ingenieur, ich bin Sozialpädagogin. Ich habe mich als einziges Kind nicht an die Regeln meiner Eltern gehalten. Es kam zum Bruch, als ich einen Sunniten aus Tansania heiratete und ein Kind bekam. Der Vater war als Familienoberhaupt gekränkt. Erst als der Leiter der Gemeinde ihm schrieb, dass die Gemeinde damit kein Problem habe und ich nicht ausgeschlossen würde, haben sie ihre Position überdacht. Der Bruch ist überwunden und ich bin sehr glücklich darüber. Martina Waiblinger Ahmadiyya-Gemeinschaft Die in den 1880er Jahren von Mirza Ghulam Ahmad gegründete islamische Gemeinschaft Ahmadiyya wurde 1974 per Fatwa zur Irrlehre erklärt und ihre Anhänger zu Nicht-Muslimen und Apostaten. Ab 26. April 1984 wurde den Ahmadiyya in Pakistan verboten, ihre Gotteshäuser Moscheen zu nennen und den islamischen Gebetsruf und die Begrüßungsformel Salam zu benutzen u.v.a.. Bis heute werden die Ahmadiyya in Pakistan und vielen anderen islamischen Ländern verfolgt. Bei einem Anschlag auf zwei Ahmadiyya-Moscheen in Lahore wurden 2010 86 Ahmadis getötet.

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deutsche und roma

Armut und Diskriminierung Wer ist die Henne, wer das Ei?

Von Norbert Mappes-Niediek Roma stinken: Das ist in Osteuropa eine gängige Beleidigung, die schon kleinen Kindern den Schulbesuch zur Hölle machen kann. Wer gelernt hat, Minderheiten die fällige menschliche Wertschätzung zu erweisen, wird sich darüber empören. Die Geschichte hat aber auch eine andere Seite. »Wir kriegen hier in unseren Hütten die Kleider nicht trocken«, sagt Elena, eine allein erziehende Mutter, die mit ihren vier Kindern in einer verfallenen Hütte am Stadtrand von Cluj in Rumänien lebt. »Waschen können wir sie am Brunnen, aber trocknen können wir sie nicht.« Und, fügt sie hinzu, »wenn ich den Kindern feuchte Sachen anziehe, dann werden sie krank.« Roma sind – nicht nur in Osteuropa – zwei Übeln zugleich ausgesetzt: der Verachtung ihrer Mitmenschen und einer überkommenen Armut. Was gegen das eine Übel hilft, hilft nicht nur nicht gegen das andere, sondern befördert es zuweilen soDer Journalist Norbert Mappes-Niediek war Referent bei der Tagung »Flüchtlinge aus den südosteuropäischen Staaten« vom 13.-15. September; s.a. Buchtipps, S. 22

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Integrationsarbeit mit Romakindern im Arnold Fortuin Haus in Berlin Neukölln

gar. Wer die Roma gegen die Verachtung in Schutz nimmt, wird sagen: Geruch ist eine Sinneswahrnehmung, die man nicht messen kann. Also hört auf, über etwas zu reden, das ihr nicht belegen könnt! Woher wollt ihr wissen, dass Roma oft stehlen? – fragen die Gutwilligen. Keine Kriminalstatistik weist ethnische Gruppen gesondert aus! Roma – so wissen wir – sind nicht besser und nicht schlechter als andere, sie sind Menschen wie alle anderen auch. In diesem Satz, so richtig er ist, sind allerdings die Bedingungen ausgeklammert, unter denen in Rumänien, Bulgarien, in der Slowakei oder in Serbien die meisten Roma leben müssen. Wer seine Kleider nicht waschen kann, fängt tatsächlich irgendwann zu riechen an. Es ist der Geruch der Armut, nicht der Geruch der Roma. In allen Slums auf der Welt und um sie herum gibt es auch Kriminalität. Osteuropäische Roma-Quartiere machen da nur insofern eine Ausnahme, als die Gewaltkriminalität wegen der intakten Familienbindungen dort wesentlich geringer ist als in südafrikanischen Townships oder brasilianischen Favelas. Die rassistischen Hetzer hätten gern eine Roma-Kriminalstatistik zur Hand, um beweisen zu können, dass »die Zigeuner« viel häu-

figer stehlen als zum Beispiel »die Deutschen«. Die bekommen sie nicht, und das ist auch gut so. Aber dass »die Deutschen« für »die Roma« eine angemessene Vergleichsgruppe darstellen, zieht niemand in Zweifel. Roma sind ein »Volk«, eine ethnische Gruppe, aber sie sind nicht nur das. In der Realität und auch im Begriff, den wir und sie sich davon machen, sind sie zugleich eine soziale Gruppe, eine Schicht. In der Geschichte der vergangenen 250 Jahre waren beide Aspekte immer präsent, einmal war der eine stärker, dann wieder der andere. Die Aufklärer konnten und können mit wabernden Wesenheiten wie einem »Volk« wenig anfangen, betonten die Begabung jedes Menschen zur Vernunft und unterzogen die Zigeuner ungeachtet ihrer ethnischen Besonderheit einer strengen Volkserziehung. Die Romantiker dagegen betonten und betonen deren Andersartigkeit – den Volkscharakter. Manche Vertreter dieser Denkungsart loben den (übrigens steigenden) Analphabetismus von südosteuropäischen Roma folgerichtig als »schriftlose Kultur«. Was anders ist, denken sie, kann nicht schlecht sein. Wir leben, wenn es um Roma geht, in ganz Europa seit dem Einsetzen der Roma-Nationalbewegung vor über 40 Jahren in einer romantischen Phase. Wir begreifen Roma als Volk und wenden gegen ihre Misere alle Mittel der Volksgruppenpolitik an: Anerkennung als nationale Minderheit, Unterstützung von Selbstorganisation und Selbstvertretung, Ächtung von Diskriminierung. Dass Roma zugleich aber fast immer arm oder unmittelbar der Armut entkommen sind, bleibt dabei außer Acht. Minderheitenpolitik hilft nicht gegen Armut, sie kann sogar schaden. Wenn die Roma ein Volk sein wollen, liest man neuerdings in den Chaträumen, dann sollen sie ihre Verhältnisse gefälligst untereinander regeln. Niemand käme auf die Idee, die Hartz-IV-Empfänger eine Vertretung bestimmen und ihre Verhältnisse untereinander regeln zu lassen. Wenn Empowerment helfen soll, muss es wenigstens ein Ziel geben, das sich

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indien und deutschland mit Power erreichen lässt. Integration ist kein solches Ziel. Minderheitenvertreter eignen sich deshalb auch schlecht als Kämpfer gegen die Armut. Autonomie, wie manche in Südosteuropa sie verlangen, führt exakt in die falsche Richtung. Aber selbst wenn diese Protagonisten nur auf Gleichbehandlung insistieren und gegen Herabwürdigung zu Felde ziehen, werden sie immer versucht sein, die Armut und deren Folgen herunterzuspielen. Die »anderen Bilder«, die Geschichten von Roma, die so gar nicht dem Klischee entsprechen, sind deshalb ambivalent. Jane Simon (33) kommt aus einer analphabetischen Roma-Familie. Sie hat es geschafft, sich davon zu lösen, und sagt in einem Romafreundlichen Artikel der Bild-Zeitung: »Natürlich werfen die rumänischen Bettelbanden ein schlechtes Licht auf uns alle!« Die Erfolgreichen unter den Roma zeigen der Mehrheitsgesellschaft: Seht her, wir sind wie ihr! Gebildet, gepflegt, erfolgreich, begütert vielleicht, eloquent. Die Mehrheit nimmt das zu gern auf und gibt zurück: Es geht ja, wenn man sich genügend anstrengt. »Bildung ist der Schlüssel zur Lösung der Probleme«, lautet das politische Mantra dazu. Aber Armut frisst sogar Bildung auf. Eine Investition in Bildung muss man sich erst einmal leisten können. Wer nicht hoffen kann, für eine jahrzehntelange Schul- und Universitätskarriere mit einem guten Leben belohnt zu werden, der wird in Bildung auch nicht investieren. Wenn wir von den Roma nur als von einem Volk sprechen, ersparen wir es uns, von der Armut überhaupt zu reden. In Umfragen wird regelmäßig festgestellt, dass zwischen 20 und 30 Prozent der Deutschen keine Türken oder keine Afrikaner als Nachbarn haben wollen, aber um die 60 Prozent keine Roma. Wer eine Gruppe, die zu 90 Prozent aus Armen und Arbeitslosen besteht, mit einer verfassten, geschichteten Nation vergleicht, setzt sie einer unfairen und unsinnigen Konkurrenz aus. Am Ende werden die Leute sagen: Die Roma mögen ja ein Volk sein. Aber dann sind sie ein minderwertiges. SYM 4/2013

Kastenwesen und deutsche Wirtschaft Interview mit Ravinder Salooja

Computerarbeitsplätze in Bangalore

Von Martina Waiblinger Frage: Das Kastenwesen wurde in Indien 1949 abgeschafft. Welche Bedeutung hat es heute in der indischen Gesellschaft? Das Kastensystem wurde gar nicht abgeschafft – deshalb bestimmt es bis heute die indische Gesellschaft. Was mit der Verfassung abgeschafft wurde, war nur die Diskriminierung, die durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kaste begründet wurde. 1961 wurde ein Reservierungssystem eingeführt, durch das Angehörige der unteren Kasten gefördert werden. Allerdings wurde durch die Festlegung, welche Kasten benachteiligt sind, das Denken des Kastenwesens auch zementiert. In Indien kommen im Kastenwesen zwei gesellschaftliche Ordnungssysteme zusammen. Es gibt das Geburtsgruppensystem jati. Das ist das feingliedrige Kastensystem, das Indien wie ein Karopapier überzieht. Jeder Mensch, der hier als Inder geboren wird, ist einem dieser Karokästchen zugeordnet. Dieser Kaste bleibt er Zeit seines Lebens verhaftet. Traditionell hängt die Kaste mit der Berufsausübung zusammen. Nun gibt es heute Berufe, die es vor 2000 Jahren noch nicht gab, zum Beispiel Manager oder

Anwalt. Das kann jeder werden, und doch besteht weiterhin das traditionelle Denken und selbst ein Erfolgsanwalt in Delhi bleibt lebenslang z. B. ein »Schuster«. Ich erwähne den Schuster, weil das eine Kaste ist, die zu den Unberührbaren gehört. Kehrt dieser Mensch aus Delhi zurück in sein Dorf, gilt er dort weiterhin als Angehöriger der Schusterkaste und damit als »unberührbar«. Das andere System ist das bekannte, varna genannte viergliedrige System von Brahmanen, Kriegern, Händlern und Arbeitern. Varna bedeutet Farbe. Man kann sagen, dass es sich hier um eine religiöse Farbenlehre handelt. Die, die außerhalb des Systems stehen, werden avana, »farblos« genannt. Natürlich ist kein Mensch »unberührbar“ – jeden und jede kann man anfassen. Selber nennen sie sich »Dalit«, wörtlich »zerquetscht, zertreten«. Dass sie Ravinder Salooja ist Mitarbeiter im Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE), Heilbronn. Er bereitet mit Studienleiterin Karin Uhlmann die Tagung vor »Business in Indien – Herausforderungen für deutsche Unternehmen«, 20.-21.5.2014, Bad Boll

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indien und deutschland außerhalb des varna-Systems stehen, macht sie zu »Unberührbaren«. Aber sie gehören zum jati-System, und das zementiert ihren Platz in der Gesellschaft. Es heißt, dass die indische Wirtschaft seit ihrer Öffnung in den 90er Jahren große Fortschritte gemacht hat. Wodurch wurde dies erreicht? Das starke Wirtschaftswachstum kommt vor allem aus dem tertiären Bereich der Dienstleistungen. Ein problematisches Kennzeichen ist dabei aber, dass es sich z. B. im SoftwareBereich in der Mehrheit um SoftwareDienstleistungen handelt, nicht aber um eigene Programm-Entwicklungen. Firmen aus dem Westen schicken Daten nach Indien, die dort bearbeitet und dann zurückgeschickt werden. Eine andere Eigenheit ist das unheimlich große Potenzial an hochqualifizierten Arbeitskräften, was für westliche Firmen sehr interessant ist. Es gibt aber auch viele ungelernte Arbeitskräfte, die sehr billig beschäftigt werden können. Dies drückt die Lohnkosten enorm. Vielleicht ist das auch das Problem der indischen Entwicklung, dass das Wirtschaftswachstum keine qualifizierten Arbeitsplätze geschaffen hat. Das Ganze basiert in erster Linie auf dem informellen Sektor – ohne jegliche Absicherungen für die Arbeitskräfte. Frage: Wer profitiert in Indien von der wirtschaftlichen Entwicklung? Die wirtschaftliche Entwicklung seit den 90er Jahren hat sich letztlich auf ganz wenige Kreise beschränkt. Die »Wirtschaftswoche« hat am 17. November 2008 getitelt »Indien – die neue Supermacht« und geschrieben: »Die neue Mittelschicht – 350 Millionen Konsumenten«. Der Begriff Mittelschicht ist aber falsch. Es handelt sich nur um das obere Fünftel der Gesellschaft. Und von diesen oberen 20 Prozent ist es auch nur ein ganz kleiner Teil, bei dem dieses Wirtschaftswachstum wirklich angekommen ist. Ein Gesprächspartner in der DeutschIndischen Handelskammer in Neu Delhi sagte mir, dass nach seiner Anschauung die Infrastruktur an den Rändern der indischen Städte endet.

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Das Wirtschaftswachstum ist also eine städtische Sache, wo – ganz pauschal – die Eliten wohnen. Das ist sicher nicht für alle Teile des Landes richtig. Wer durch Tamil Nadu fährt und es mit vor zwanzig Jahren vergleicht, der findet zum Beispiel wunderbar ausgebaute Straßen. Allerdings sind diese auf die Wirtschaftszentren am Meer, also auf den Export ausgerichtet. Die unteren Dreifünftel der Gesellschaft haben dagegen nur einen sehr geringen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung. Nicht alle Menschen, die im informellen Sektor beschäftigt sind, haben von dieser Entwicklung profitiert. Ein Dalit erzählte mir, dass sich ihre wirtschaftliche Situation verbessert habe. Einst hätten sie aus Kuhdung die Körner herausgelesen, die noch essbar waren. Diese Praxis habe aufgehört. Anscheinend ist auch da ein ganz kleiner Anstieg da. Aber der ist nicht vergleichbar mit dem, was am oberen Ende der indischen Gesellschaft stattgefunden hat. Inwiefern müssen deutsche Firmen, die in Indien tätig werden wollen, über das Kastenwesen Bescheid wissen? Ich kenne eine deutsche Firma, die in Indien eine Niederlassung hat. Dieser Betrieb scheint mir ganz im Griff einer Kastengruppe zu sein, und Menschen aus anderen Kasten haben dort keine Chance. In der Firma gab es im Vorfeld keinerlei Überlegungen, wie man mit dem Faktum des Kastensystems umgehen sollte. Niemand überlegte sich, welche Herausforderungen auf die Firma zukommen könnten, wenn sie Menschen aus unterschiedlichen Kasten beschäftigen wollten. Dies ist aber eine Frage an die Ethik deutscher Unternehmer, ob sie nicht aus Gründen einer Corporate Social Responsibility anders mit dieser Frage umgehen wollen. Auf alle Fälle müssen deutsche Firmen, die in Indien arbeiten wollen, sich bewusst machen, wie stark die indische Gesellschaft und Wirtschaft bis heute vom Kastensystem geprägt sind. Und sie müssen für sich die Entscheidung treffen, wie sie mit den Gegebenheiten vor Ort verfahren wollen. s. a. S. 22, Buchtipps und S. 25, Meditation

Armenien und die Entwicklungszusa Von Simone Helmschrott, Studienleiterin Armenien und Entwicklungszusammenarbeit – das ist eine Kombination, die sich nicht allzu oft finden lässt. Denn Entwicklungszusammenarbeit ist klassischerweise doch bedeutsam in Afrika, wo Dürren, Naturkatastrophen, politische Krisen, Bürgerkriege, Fluchtbewegungen das Bild bestimmen. Entwicklung geschieht also, indem deutsche Organisationen dort zum Beispiel Brunnen bauen. Dieses Bild ist längst überholt, Zusammenarbeit geschieht partnerschaftlich überall auf der Welt. Und eben auch in Armenien. Eine Komponente aber wird erst seit kurzem neu bewertet und diskutiert, wenn es um die Beziehungen Deutschlands zu Ländern des globalen Südens geht: Das Potenzial der Migranten, die in

Armenien Amtssprache: Armenisch Hauptstadt: Jerewan Staatsform: Republik Regierungssystem semipräsidentielles System Staatsoberhaupt Präsident Sersch Sargsjan Regierungschef Premierminister Tigran Sargsjan 29.800 km2 3.264.500 (Juni 2011) Bevölkerungsdichte 107,4 Einwohner pro km2 Quelle: Wikipedia

Fläche Einwohnerzahl

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armenien und deutschland

deutsche mmenarbeit

Hayastan All Armenian Fund Deutschland. Denn in der aktuellen Berichterstattung wird oft vergessen, dass Armenier auch in Syrien als große Diasporagemeinschaft leben. Von Deutschland aus unterstützt der Hayastan All Armenian Fund daher auch diese Gemeinden und Familien, so gut Von li. n. re.: Dr. Dieter Heidtmann, Evangelische Akademie Bad Boll, Gilbert Moumdjian, Hayastan All Armenian Fund und Paulino Miguel vom Forum der Kulturen

Deutschland leben, wurde lange Zeit ignoriert. Ihre Funktion als »Brückenbauer« auszubauen, ihr Wissen anzuerkennen und einzubringen, gleichzeitig aber auch mehr Möglichkeiten ihrer Miteinbeziehung zu schaffen – das ist ein neues und zukunftsweisendes Thema der Entwicklungszusammenarbeit. Daher kamen am 24. Oktober zu der Abendveranstaltung »Migranten als Brückenbauer in der Entwicklungszusammenarbeit – Das Beispiel Armenien« im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart sehr unterschiedliche Anliegen zusammen. Es war auch noch kein direkter Programmpunkt der armenischen Kulturtage, die nach der Veranstaltung in der Stiftskirche eröffnet wurden. Es war auch keine reine entwicklungspolitische Diskussion, denn in seinem Grußwort zeigte Botschaftsrat Ashot Smbatyan das Gesamtbild armenischer Politik, Geschichte wie auch der Zukunft des zumeist eher unbekannten Landes auf. Der Abend war eine Verbindung all dieser Elemente. Das zeigen bereits unsere Kooperationspartner: Die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg, Engagement Global sowie das Forum der Kulturen waren die Mitveranstalter. Gemeinsam stellten wir die Frage, wie die Zusammenarbeit mit Migranten und Diasporagemeinden konkret aussehen kann. Ein sehr aktuelles und eindrückliches Beispiel gab Gilbert Moumdjian vom

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es angesichts der Bürgerkriegssituation möglich ist. Hier geschieht also eine klassische Zusammenarbeit über Spenden, die aufgrund der existierenden Netzwerke sehr punktgenau die Menschen erreichen. Auch so können Brücken gebaut werden. Doch Joy Alemazung von Engagement global, erinnerte an ein wichtiges Detail: Brücken bauen kann man nur mit zwei Pfeilern, die auf beiden Seiten stark genug sind. Die Brückenbauerfunktion von Migranten, oft beschworen, bleibt einseitig, wenn sie nicht auch vom Rest der Gesellschaft

getragen wird. Es geht also einerseits um die Wahrnehmung und Unterstützung migrantischen Engagements, doch mehr noch um ein Umdenken in der deutschen Gesellschaft. Denn die Selbstverständlichkeit des Zusammenlebens und des gemeinsamen Einsatzes sei noch nicht gegeben, so Alemazung. Dem konnte Paulino Miguel mit einem praktischen Beispiel zustimmen: Die Beschäftigung von Migranten in Entwicklungswerken sei oftmals gar nicht möglich, da diese Stellen nur deutschen Staatsbürgern offen stünden. Eine Einbeziehung der wichtigen Kenntnisse von Migranten, nicht zuletzt bezüglich Kultur und Sprache des entsprechenden Partnerlandes, würde also oft an dieser bürokratischen Hürde scheitern. Als Fazit lässt sich festhalten: Migranten können nur Brücken bauen, wenn Sie dabei auch gestützt werden und von zwei Pfeilern getragen werden. Die deutsche Gesellschaft ist ebenso gefordert. Simone Helmschrott ist Studienleiterin in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Sie hat die Tagung mit Dr. Dieter Heidtmann geleitet.

Armenische Gemeinde in Göppingen Der christliche Glaube hat in Armenien eine lange Geschichte: Der Überlieferung nach wurde er schon im ersten Jahrhundert durch die Apostel Thaddäus und Bartholomäus nach Armenien gebracht. Eine intensive Missionstätigkeit führte schließlich zur Bekehrung von König Tiridates III., der das Christentum im Jahre 301 zur Staatsreligion erklärte und Armenien so zum ersten christlichen Staat der Welt machte. Die Armenier haben in Baden-Württemberg eine mehr als 50-jährige Geschichte. Von den etwa 40.000 in Deutschland lebenden Armeniern, wohnen ca. 4000 Armenier in Baden Württemberg. 1991 wurde mit der Diözese der Armenischen Kirche in Deutschland zum ersten Mal in der Geschichte der Armenisch-Apostolischen Orthodoxen Kirche eine Diözese in Deutschland ins Leben gerufen. Was die Einrichtungen und Mitglieder angeht, ist die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg neben der Armenischen Gemeinde in Köln zur zweitgrößten armenischen Gemeinde in Deutschland geworden. Sie vertritt die Interessen der in Baden-Württemberg lebenden Armenier und kümmert sich sowohl um Integration als auch um Identitätsbewahrung, was auch die kulturellen Belange der Armenier im Raum Baden-Württemberg einschließt. Die Gemeinde, mit Sitz in Göppingen, wird geleitet von Pfarrer Dr. Diradur Sardaryan.

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was kommt ...

Was kommt? Tagungen vom 9. Dezember 2013 bis 7. Mai 2014

uns bewegen. Die Tänze münden in den Tanzgottesdienst am Sonntagmorgen. Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20

Vernetztes Europa im Übergang und Wandel. Arbeitsbeziehungen in Krisenzeiten 9.-11. Dezember 2013, Bad Boll Welche Herausforderungen stellen sich für die Arbeitsbeziehungen in der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa? Das EU-geförderte Projekt ›Linking Europe in Transition‹ bringt Sozialpartner und zivilgesellschaftliche Akteure aus europäischen Ländern in einem Expertennetzwerk zusammen. Innovative und erfolgreiche Ansätze zur Krisenbewältigung in europäischen Regionen werden vorgestellt und diskutiert. Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt Infos: Romona Böld, s. S. 20

Kirche und Politik. Ein Beitrag zum Themenjahr der Lutherdekade: Reformation und Politik 7.-10. Januar 2014, Bad Boll Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum nehmen wir das Themenjahr »Reformation und Politik« zum Anlass für Fragen: Was leistet die Reformation für das heutige Verständnis der Beziehung von Kirche und Politik? Was erwarten Politikerinnen und Politiker von der Kirche? Wo nimmt Kirche ihren Auftrag zur öffentlichen Wirksamkeit wahr und wo bleibt sie hinter den Erwartungen der Öffentlichkeit zurück? Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20

Vortagung Lesbische Frauen 12.-13. Dezember 2013, Bad Boll Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20

Bürgerbeteiligung moderieren Kollegiales Coaching für Absolventen einer DF-Fortbildung 8. Januar 2014, Bad Boll Wie gelingt es uns, verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung in den Kommunen zu fördern? Wie gestaltet sich der Prozess eines BürgerInnenrats vom Organisieren, Moderieren, bis hin zum Dokumentieren? Zeit für ein kollegiales Coaching (anhand DF) zur Entwicklung von Souveränität bei der Anwendung von Dynamic Facilitation. Zudem: Knowhow, Vernetzung und Inspiration. Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, s. S. 20

Arbeit ist das halbe Lesbenleben Wirtschaften unter lesbisch-feministischen Bedingungen 13.-15. Dezember 2013, Bad Boll Lesbengeld in Lesbenhand hieß es, als Lesbenprojekte entwickelt wurden. Warum gibt es kaum noch welche? Womit verdienen Lesben ihren Lebensunterhalt? Was tun sie für ihre Altersvorsorge? Wie lässt sich der Beziehungsreichtum von Lesbennetzwerken für ein Wirtschaften in sozialökologischer Verantwortung nutzen? Gerechte Löhne für gute Arbeit – wie kommen wir dahin? Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20 Staunen – Loslassen – Widerstehen Meditatives Tanzen für Frauen 3.-5. Januar 2014, Bad Boll Dorothee Sölle beschreibt in »Mystik und Widerstand« drei Stationen eines mystischen Wegs für heutige Reisende: Staunen – Loslassen – Widerstehen. Dieser Weg lässt sich auch im Tanz erfahren, geistliche und weltliche Musik von Bach bis heute wird

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Junge Menschen im Gefängnis Pädagogische und bildungspolitische Herausforderungen im Jugendstrafvollzug 9.-10. Januar 2014, Bad Boll Erfolgreiche Bildungsabschlüsse sind wesentlich für eine gelingende Rückkehr in die Gesellschaft und ein straffreies Leben. Den vielen jungen Menschen in baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten sollen durch weiterentwickelte Bildungsangebote neue Chancen eröffnet und die Bil-

dungsgerechtigkeit erhöht werden. Tagungsleitung: Marielisa von Thadden, K. Barwig, Akademie der Diözese Rottenburg, Prof. Dr. M. Hermann, KuMi BW Infos: Gabriele Barnhill, s. S. 20 Europa eine Seele geben Kamingespräch zu Europa 16. Januar 2014, Bad Boll Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Aber was bedeutet das? Für welche Werte steht Europa? Hat das europäische Projekt eine »Seele«, wie sie der frühere EU-Kommissionspräsident Jaques Delors einmal gefordert hat? Herzliche Einladung zum Meinungsaustausch. Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Dahl, s. S. 20 Flucht und Religion – das Beispiel Pakistan 17.-18. Januar 2014, Bad Boll Verfolgung aus religiösen Gründen spielt bei der Asylrechtsprechung und der Flüchtlingsarbeit immer wieder eine Rolle. Angesichts der politischen Weltlage ist religiöses Bekenntnis zunehmend Thema in Asylverhandlungen. Wir wollen uns mit dem Phänomen religiöser Verfolgung weltweit befassen und die aktuelle Rechtsprechung genauer kennenlernen. Als Beispiel wird Pakistan im Fokus stehen.

Dorith Altenburg, Referentin der Tagung, hat für diese Ausgabe von SYM vorab einen Beitrag zum Thema »Ursachen religiöser Gewalt in Pakistan« geschrieben. (s. S. 10)

Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 20 Sterben, Tod und Trauer in der Schule. Kann man Trauern lernen? Entwicklung einer Trauerkultur 21.-22. Januar 2014, Bad Boll Fachleute zeigen Ihnen mögliche Wege zu einer Trauerkultur in der Schule. SYM 4/2013


was kommt ... Trauer ist immer mit dabei im Leben: Der Hamster ist gestorben, die Klassenarbeit ging schlecht aus, Mutti ist verreist, der Mitschüler hat Krebs, die Sitznachbarin wurde überfahren, das Jahr geht zu Ende. Bitte schreiben Sie uns, wenn Sie eigene Beispiele berichten können! Diese nehmen wir in die Planung auf. Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20 Unternehmen und Menschenrechte Risikomanagement in der Rohstoffverwendung 23.-24. Januar 2014, Bad Boll Die Gewinnung von Rohstoffen und seltenen Bodenschätzen wird in vielen Ländern Afrikas immer noch von massiven Menschenrechtsverletzungen begleitet. Die Tagung untersucht, wie man Rohstoffe gewinnen und gleichzeitig Verstöße gegen das Menschenrecht verhindern kann. Außerdem steht im Fokus, wie Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten können. Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Dahl, s. S. 20 Gut – Besser – Zukunftsfähig – Wie geht's? 24.-26. Januar 2014, Bad Boll Ob wir zukunftsfähig leben, entscheidet sich zum Beispiel daran, wie wir uns ernähren, wie wir reisen und wie wir wohnen. Wie es aber zu einer politisch flankierten Veränderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise kommen könnte – dies stellt immer noch eine immense Herausforderung dar. Was muss von der Politik, was von der Zivilgesellschaft geleistet werden, um eine Entwicklung hin zur Nachhaltigkeit voranzubringen? Tagungsleitung: Prof. Dr. Jörg Hübner, Dagmar Bürkardt, Dr. Günter Renz Infos: Karin Nitsch, s. S. 20 Männer – souverän im Stress? Trends in der Männergesundheit 29.-30. Januar 2014, Bad Boll Männer haben eine um mehrere Jahre geringere Lebenserwartung als Frauen. Auf der Tagung wird der aktuelle Forschungsstand zur Männergesundheit dargestellt – vor allem im Hin-

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blick auf die Themen Stress und Arbeitswelt. Fragen der Prävention werden von der Jugendgesundheit bis zu einem aktiven Altern diskutiert. Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Brigitte Engert, s. S. 20 Abitur – und dann? Tagung für Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 11 bis 13 31. Januar - 2. Februar 2014, Bad Boll Eine Gelegenheit, mit Menschen aus mehr als 30 Berufen, Studien- und Berufsberatern sowie Vertretern von Freiwilligendiensten und Stiftungen in Kontakt zu treten und eigenen Fragen zur beruflichen Zukunft nachzugehen. Außerdem gibt es Talkrunden, Referate, Diskussionen und Theatersport. Tagungsleitung: Marielisa von Thadden Infos: Heidi Weiser, s. S. 20 Anwalt des Kindes - Block I Fort- und Weiterbildung zum Verfahrenspfleger 3.-7. Februar 2014, Bad Boll Kindern eine Stimme in Gerichtsverfahren zu geben, erfordert besondere Kenntnisse und Fähigkeiten. Diese vermittelt und stärkt die hochschulzertifizierte Fort- und Weiterbildung zum Verfahrensbeistand. Der Kurs orientiert sich an den Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche e. V. Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, s. S. 20 Herodes, König von Judäa. Römerfreund, »Kindermörder«, Baumeister 7.-9. Februar 2014, Bad Boll Der Tempel von Jerusalem, das Herodeion, Massada, Caesarea – um nur die berühmtesten Bauwerke zu nennen – machen Herodes zu einer der

Zur Vorbereitung der Tagung ist Ausgabe 4/2013 der Zeitschrift WUB, Welt und Umwelt der Bibel, zu empfehlen.

bekanntesten Personen in der Bibel. Er ist in die Geschichte aber auch als Kindermörder, Mörder seiner Söhne und vieler Untertanen eingegangen. Fachleute aus Israel, USA, Ungarn und Deutschland berichten über den aktuellen Stand der Forschungen zu Herodes. Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20 Vernissage Käthe Schönlein 9. Februar 2014, Bad Boll siehe Seite 6 Bis hierher – und wie weiter? Eine Zwischenbilanz zur Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg 12.-13. Februar 2014, Bad Boll Beteiligung ist zum roten Faden und zum Querschnittsthema in den badenwürttembergischen Ministerien, Kommunen und kommunalen Landesverbänden geworden. Die Tagung zieht eine Zwischenbilanz zur Bürgerbeteiligung. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Sigrid Schöttle, Hannes Wezel, Staatsministerium Baden-Württemberg Infos: Romoa Böld, s. S. 20 Auf dem Weg – Von Busan nach Württemberg. Impulse von der 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 15. Februar 2014, Bad Boll Vom 30.10. bis 8.11.2013 kamen in Busan (Korea) zur zehnten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen Vertreter der weltweiten Ökumene zusammen, darunter auch Vertreter Württembergs. An welchen Punkten kann unsere Landeskirche inspiriert werden vom »Geist von Busan«? Wie kann die Umsetzung neuer Ideen gestaltet werden? In thematischen Werkstätten wollen wir diesen Fragen nachgehen. Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 20 Einfühlsame Gesprächsführung für Menschen in helfenden Berufen Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Dr. Marshall Rosenberg 19.-21. Februar 2014, Bad Boll Bei der gewaltfreien Kommunikation geht es um die empathische Verbin-

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was kommt ... dung zwischen den Menschen. Sie ist eine schlichte und wirkungsvolle Kommunikationsweise, um mit unseren Mitmenschen in Verbindung zu treten. Sie fördert eine innere Haltung der gegenseitigen Wertschätzung und führt zu mehr Tiefe und Achtsamkeit. Wir trainieren erlebnisorientiert, gemeinschaftlich und praxisnah. Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Dr. Uwe Schirmer Infos: Erika Beckert, s. S. 20 Mehr Europa! Vernetzungstagung zur Zukunft Europas 21.-22. Februar 2014, Bad Boll »Wir sind zu unserem Glück vereint«, haben die europäischen Staaten anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der EU festgestellt. Tatsächlich ist die EU für den Erhalt unserer Freiheit, unseres Lebensstils, unseres Wohlstands wichtiger denn je. Trotzdem steckt Europa in einer tiefen Krise. Ziel dieser Tagung ist, Akteure aus unterschiedlichen europäischen Arbeitsfeldern zusammen zu bringen, um gemeinsam eine neue Begeisterung für Europa zu entfachen. Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann Infos: Sybille Dahl, s. S. 20 Jazz – wieso wissen die, wann sie dran sind? Ferienseminar Einführung für Neugierige 22. Februar 2014, Bad Boll Herbert Lindenberger, Jazzkritiker und Besitzer von 15000 Schallplatten und CDs, führt Sie ein in die Geheimnisse des Jazz: Rhythmen, Harmonien, Geschichte, Typen. Am Ende wissen Sie, warum die Musiker zusammenspielen können und woran sie hören, wann sie dran sind, auch wenn sie sich nicht kennen. Und Sie verstehen, warum Jazz immer eine kritische, politische und antirassistische Note hat. Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s. S. 20 Wasser:Welt:Konflikte. Wie können Rechte und Akteure gestärkt werden? 28. Februar bis 2. März 2014, Bad Boll Wasser ist mehr als ein Lebensmittel. In geopolitischen Auseinandersetzungen zeichnen sich immer mehr Was-

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serkrisen und -kriege ab, mit Folgen für verschiedene Akteure. Vor allem Kirchen sind hier als Konfliktlöser aktiv. Anhand einiger Fallbeispiele wollen wir gemeinsam mit Partnern aus dem Süden fragen, wie die zivilen Akteure in Konflikten gestärkt werden können. Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 20 Ändern ist leicht, bessern ist schwer! Die Reformation der Gesellschaft neu denken 7.-9. März 2014, Bad Boll Zur Demokratisierung der Gesellschaft hat die Reformation Wesentliches beigetragen. Gegenwärtig jedoch steht die Diskurskultur vor gewaltigen Herausforderungen. Wie zukunftsfähig ist die Demokratie heute noch? Wie können Einsichten überhaupt noch gesellschaftlich wirksam werden? Mit dieser zentralen Veranstaltung wird eine Tagungsreihe zum Reformationsjubiläum 2017 eröffnet. Tagungsleitung: Prof. Dr. Jörg Hübner Infos: Karin Nitsch, s. S. 20 Das Messie-Syndrom Seminar für Fachkräfte 11.-12. März 2014, Bad Boll Fachkräfte benötigen Wissen über Ursachen und Hintergründe des MessieSyndroms, um im Berufsalltag adäquat handeln zu können. Aus dem Verstehen heraus erwachsen Empathie, vertrauensvolle Beziehungen zu Betroffenen und die Kompetenz zu professionellem Tun. Es werden elementare Kenntnisse, entsprechendes Handwerkszeug sowie Möglichkeiten und Grenzen von Interventionen vermittelt. Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Veronika Schröter Infos: Erika Beckert, s. S. 20

Aufbruch ins Morgen – Weichen stellen. Abschied von der Erwerbsarbeit 12.-15. März 2014, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Beziehungen und Rollen. Den Abschied ernst zu nehmen und die Chancen der neuen Lebensphase in Beziehung, Freizeit und Engagement für andere zu erkennen, ist das Ziel des Seminars. Tagungsleitung: Sigi Clarenbach Infos: Heidi Weinmann, s. S. 20 Fundraising für Hochschulen Spenden, Sponsoring und Stiftungen in der Praxis 17.-19. März 2014, Bad Boll Seit Einführung des Deutschland-Stipendiums erkennen und nutzen immer mehr Hochschulen die Chancen einer Förderung durch private Geldgeber. Das Erfolgsrezept ist eine professionelle Vorgehensweise bei der Geldmittelbeschaffung und der kontinuierlichen Kontaktpflege mit den ehemaligen Studierenden (Alumni). Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr. Marita Haibach Infos: Romona Böld, s. S. 20 Schlüsselkompetenz fördern – Ausbildungsreife erlangen. Individuelle Förderung am Übergang Schule – Ausbildung 21.-22. März 2014, Bad Boll Jugendliche beim Lernen bis zum Schulabschluss und bei der Berufsorientierung zu begleiten, heißt auch, Sozialkompetenzen und Handlungsmuster zu fördern. Welche Anforderungen stellen Betriebe und Kammern heute? Wie passen Schüler und Ausbildungserfordernisse zusammen? Wie stärken wir sozial- und lernschwächere Jugendliche? Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, s. S. 20 Tierschutz und Nachhaltigkeit. Wie wir künftig von und mit Tieren leben 21.-23. März 2014, Bad Boll Global denken – mit dem einzelnen Lebewesen mitfühlen; beides schließt sich nicht aus, sondern bedingt sich

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was kommt ... zunehmend. Wer dem »verwandten Ganzen die Treue halten« möchte (Hans Jonas), der wird sich die Sensibilität für die einzelnen Lebewesen nicht nehmen lassen. Welche Strategien gilt es zu entwickeln, sowohl im Interesse des Tierschutzes als auch der Nachhaltigkeit? Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Gabriele Barnhill, s. S. 20 Respekt – Deine Stärke 13. Baden-Württembergischer Streitschlichter-Kongress 26.-28. März 2014, Bad Boll Streitschlichter-Programme sind an vielen Schulen erfolgreich etabliert. Streitschlichter wollen begleitet werden, suchen neue Impulse und Motivation. Der Kongress bietet die Möglichkeit, sich in Vorträgen und Workshops weiterzubilden, Erfahrungen auszutauschen und mit qualifizierten Mediatorinnen und Mediatoren intensiv in Gruppen zu arbeiten. Tagungsleitung: Marielisa von Thadden Infos: Heidi Weiser, s. S. 20 Lebensqualität trotz Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen. Informationen, Beratung, Vernetzung 29.-30. März 2014, Bad Boll Es ist eine große Aufgabe, Menschen mit Demenz ein qualitätvolles, würdevolles und kompetent unterstütztes Leben zu ermöglichen. Wie können Menschen mit Demenz betreut werden und dabei ihre Würde behalten? Betroffene und Angehörige sollen ermutigt werden, weiterhin am Leben teilzuhaben. Wir wollen die Kompetenz der Menschen, die Betroffene begleiten, erweitern und Entlastungsangebote aufzeigen. Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Sylvia Kern Infos: Erika Beckert, s. S. 20 Verantwortung für ein soziales Europa. Konsequenzen für politisches Handeln. Exkursion nach Straßburg 31. März bis 3. April 2014, St. Thomas, Straßburg/Elsass (Frankreich) Die Kirchen in Europa engagieren sich für ein sozial gerechtes und demokraSYM 4/2013

griffe erst möglich. Die Tagung bietet ein Forum, um sich gemeinsam mit den Ursachen und Folgen von Gewalt auseinanderzusetzen und Lösungen auf den Weg zu bringen. Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, s. S. 20

St. Thomas Kirche in Straßburg

tisches Miteinander aller europäischen Staaten. Wie geht es dabei unseren Nachbarn im Elsass? Ein Besuch im Europaparlament, Gespräche mit elsässischen Kirchenvertretern und Begegnungen von Gewerkschaft und Arbeitgebern werden das Thema Arbeitsmarkt und Sozialpolitik in einem europäischen Kontext beleuchten. Tagungsleitung: Karin Uhlmann, Karl-Ulrich Gscheidle, Thomas Löffler (KDA Baden), Siegfried Aulich (KDA Baden) Infos: Claudia Zimmermann, s. S. 20 Abschied von der Erwerbsarbeit. Aufbruch ins Morgen – Weichen stellen 2.-5. April 2014, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Den Abschied ernst zu nehmen und die Chancen der neuen Lebensphase in Beziehung, Freizeit und Engagement für andere zu erkennen, ist das Ziel des Seminars. Tagungsleitung: Ulrike Leipersberger, Volker Stücklen Infos: Heidi Weinmann, s. S. 20 NEIN zur Gewalt gegen Frauen und Männer mit Behinderung. Gemeinsam für eine inklusive Gesellschaft 2.-3. April 2014, Bad Boll Laut einer aktuellen Studie wird fast jede dritte Frau mit Behinderung Opfer von Gewalt. Von struktureller Gewalt sind auch Männer mit Behinderung betroffen. Die Strukturen in Einrichtungen machen solche Über-

Nachhaltig erfolgreich Neue Chancen im Textilmarkt 3.-4. April 2014, Bad Boll Immer mehr Kunden legen Wert auf öko-faire Textilien. Die Tagung nimmt die gesamte Lieferkette von Textilerzeugnissen in den Blick. Produzenten, Verarbeiter, Handel sowie Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen diskutieren Herausforderungen, erfolgreiche Konzepte und Marktchancen. Tagungsleitung: Martin Schwarz, Carmen Ketterl, Prof. Martin Müller, Universität Ulm Infos: Eliane Bueno Dörfer, s. S. 20 Africa reconstructed Von Stereotypen und Rassismen hin zu einer Gesellschaft der Teilhabe 4.-6. April 2014, Bad Boll In Integrationsdiskursen wird die besondere Situation von MitbürgerInnen mit afrikanischer Migrationsgeschichte zu wenig hinterfragt. Was macht das Besondere aus? Welche Afrikabilder hat die deutsche Mehrheitsgesellschaft, wo kann ein Umdenken beginnen? Vor allem, wenn Selbstorganisationen von Migranten z. B. in den Kommunen einbezogen werden, müssen Stereotype hinterfragt werden. Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s. S. 20 Mit Steuern steuern 4.-5. April 2014, Bad Boll Das Thema Steuern elektrisiert nicht nur in Wahlkampfzeiten. Was bedeutet die Entwicklung zum Schuldenstaat für die staatliche Handlungsfähigkeit mit Blick auf das Gemeinwohl? Wir wollen aktuelle steuerpolitische Baustellen überprüfen und unter dem Kriterium der Steuergerechtigkeit bewerten. Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Karl-Ulrich Gscheidle Infos: Romona Böld, s. S. 20

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was kommt

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Mediation: Die hohe Kunst der vermittelnden Kommunikation. Intensivseminar für kommunale Führungskräfte 8.-10. April 2014, Bad Boll Durch Vermittlung können gute Lösungen entstehen, denen die bisherigen Konfliktparteien zustimmen, weil wesentliche Interessen aller Beteiligten ernst genommen und transparent abgewogen werden. Am Beispiel Biosphärengebiet Schwäbische Alb lernen Sie vor Ort und im Seminar die Kunst der Mediation genau kennen. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s. rechts Wirtschaftliche Entwicklung und ökologische Nachhaltigkeit in Ostasien. Was können kirchliche Partnerschaften beitragen? 22.-24. April 2014, Bad Boll Nicht zuletzt seit Fukushima ist Ökologie auch in den Kirchen Ostasiens wieder ein aktuelles Thema. Welche Akteure gibt es, die wirtschaftliches Wachstum und Ökologie zusammen denken wollen? Was kann die Rolle der Kirchen dabei sein, und was können die internationalen Partnerschaften beitragen? Welche Impulse kann es gleichzeitig aus der ostasiatischen Spiritualität für Europa geben? Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s. rechts Selbstmanagement mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) ZRM Grundkurs 24.-26. April 2014, Bad Boll Das Zürcher Ressourcen Modell ist ein Ansatz des Selbstmanagements, der die Stärken des Einzelnen in den Blick nimmt. Es erschließt persönliche Entwicklungskräfte und erweitert den eigenen Handlungsspielraum auch in schwierigen Situationen. Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s. rechts Jordanien entdecken mit allen Sinnen. Wanderungen und Begegnungen mit Menschen und Kulturen 26. April - 7. Mai 2014, Akademiereise Erkunden Sie ein spannendes Land mit einer reichen Geschichte und fas-

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Sekretariate: Kontakte Gabriele Barnhill, Tel. 07164 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Reinhard Becker, Tel. 07164 79-305, Fax 79-5305 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Erika Beckert, Tel. 07164 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Die Jordanien-Akademiereise führt natürlich auch nach Petra – in die geheimnisvolle Stadt der Nabatäer.

zinierender Natur. Wir erwandern Petra, die geheimnisvolle Felsenstadt der Nabatäer, die faszinierende Wüstenlandschaft des Wadi Rum und Eichenwälder im Norden. Die Reise führt auch zu römischen und biblischen Orten, nach Amman und ans Tote Meer. Mit Einheimischen diskutieren wir über Politik, Religion und das Flüchtlingsproblem. Reiseleitung: Martina Waiblinger Infos: Reinhard Becker, s. rechts Der baskische Konflikt Neue Wege zur friedlichen Konfliktlösung 2.-3. Mai 2014, Bad Boll Der baskische Konflikt findet in den europäischen Medien kaum statt. Dabei zeichnet sich derzeit durch die Beteiligung der baskischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft eine Lösung ab. Die Tagung will das Wissen und das Verständnis für diesen Prozess vertiefen, aber auch fragen, ob die Erfolge im Bas-kenland als Vorbild für andere Kon-flikte gelten können. Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s. rechts

Romona Böld, Tel. 07164 79-232, Fax 79-5232 romona.boeld@ev-akademie-boll.de

Infos: Sybille Dahl, Tel. 07164 79-225, Fax 79-5225 sybille.dahl@ev-akademie-boll.de

Eliane Bueno Dörfer, Tel. 0731 1538-571, Fax 1538-572 eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de

Brigitte Engert, Tel. 07164 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

Marion Heller, Tel. 07164 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de

Susanne Heinzmann, Tel. 07164 79-217, Fax 79-5217 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Heidi Weinmann, Tel. 0711 351459-30, Fax 351459-55 heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de

Heidi Weiser, Tel. 07164 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de

Alle Veranstaltungen finden Sie hier: www.ev-akademie-boll.de/ programm/

Claudia Zimmermann, Tel. 07131 98233-14, Fax claudia.zimmermann@ ev-akademie-boll.de

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rezept – aus der akademie Rote Linsensuppe

Aus der Akademie

für 4 Personen

Abschied von Stefan Brückner

Zutatenliste / Einkaufsliste

»Ich kann loslassen« – Stefan Brückner verlässt nach sechs Jahren die Akademie und wird Pfarrer in Ravensburg.

100 g rote Linsen, gewaschen 150 g gehackte und pürierte Dosentomaten 1 Lauchzwiebel, fein geschnitten 2 EL Öl 1 Zwiebel, mittelgroß, gewürfelt 1/2 TL Garam Masala Ingwer, ca. zwei Zentimeter 0,5 l Gemüsebrühe 150 g Kokosmilch Salz Zwiebeln und Ingwer in Öl anbraten. Rote Linsen, Gewürze und Gemüsebrühe zugeben und 15 Minuten köcheln lassen. Tomaten unterziehen. Kokosmilch zugeben, abschmecken und aufkochen lassen. Lauchzwiebeln zur Deko überstreuen. Statt Garam masala kann auch Kreuzkümmel pur verwendet werden. Wer es scharf mag, kann 1-2 Chilischoten dazugeben. Guten Appetit! Ihre Marianne Becker

Garam masala ist eine Gewürzmischung von meist gemahlenen Gewürzen zur Zubereitung von Currys in der indischen Küche. Nahezu jede Familie hat ihr eigenes Rezept. Dazu gehören folgende Gewürze: Kreuzkümmel, Koriander, gemahlene Muskatblüte, schwarzer Pfeffer, Kardamomkapseln, Gewürznelken, Zimtstangen, Lorbeerblatt. Garam masala kann man in Asialäden kaufen oder selbst herstellen.

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Der neue Freund des 14-Jährigen war höflich, fast zu höflich. Während sich die Mutter über die guten Tischmanieren wunderte, fiel dem Vater die gepflegte Ausdrucksweise auf. »Wisst ihr nicht, dass der an der Schule für die NPD wirbt?« Die Frage des älteren Bruders löste einen Schock aus, dem viele Diskussionen folgten. Doch irgendwann machte der 14-Jährige dicht, kein normales Gespräch war mehr möglich. Er schien ins rechtsradikale Milieu abzudriften. Die Eltern wandten sich an Stefan Brückner. Der Studienleiter an der Akademie Bad Boll im Fachdienst »Akademie für Führung und Verantwortung« und im Pfarrseminar Haus Birkach bildet nicht nur Vikare in gesellschaftsdiakonischen Kursen aus. Als systemischer Coach moderiert er Beteiligungsprozesse in Gemeinden, hilft bei der Teamkonflikten in Firmen – und kooperiert seit drei Jahren mit dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Baden-Württemberg »kompetent vor Ort für Demokratie«. Er half der Familie wieder ins Gespräch zu kommen und beriet die dortige Schule. Über sechs Jahre lang war der Theologe und Sozialpädagoge ein kompetenter und sympathischer Ansprechpartner für Ratsuchende, Vikarinnen und Vikare, Kolleginnen und Kollegen. Ende des Jahres wechselt der erfolgreiche Coach, der seine Arbeit vor allem als »Werkzeug auf dem Weg in die Selbstständigkeit« begreift, in das Pfarramt nach Ravensburg. Das Pendeln zwischen Bad Boll und Birkach wird der 59-Jährige zwar nicht vermissen, die breite Ausrichtung seiner bisherigen Stelle aber schon.

Für seinen Nachfolger, der Tagungen im Bereich Gesundheitsethik an der Akademie anbieten und die Vikare im Haus Birkach ausbilden wird, wünscht er sich, dass er oder sie weiterhin Brücken zwischen beiden Institutionen bauen wird. Eine Aufgabe, die er selbst als sehr befruchtend und vor dem Hintergrund der Mittelkürzungen in der Pfarrausbildung als äußerst wichtig empfunden hat. Bevor sich der Vater von drei Kindern in der Kirchengemeinde RavensburgEschach unter anderem die Umsetzung eines Familienzentrums begleitet, wird er im Januar noch mit den ersten Vikaren den von ihm neu entwickelten Ausbildungszweig »Ergänzung und Vertiefung« mit dem Kurs »Kirche in der Welt« in die Zielgerade bringen. Anstelle von früheren »GDKProjekten« hospitieren die Vikarinnen und Vikare nun gegen Ende ihrer Ausbildungszeit zwei Monate lang zum Beispiel in Firmen, Ministerien, diakonischen Einrichtungen und bei Medien. Und was wurde aus dem 14-Jährigen? Nach einigen Gesprächen waren die Eltern davon überzeugt, dass ihr Sohn nicht mehr gefährdet sei. Stefan Brückner zögert. »Ich habe das etwas anders gesehen«, gibt er zu. »Aber ich kann loslassen.« Claudia Mocek

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publikationen

Publikationen

Kostenlos zu bestellen bei: Reinhard Becker, Tel. 07164 79-305, reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Neu: Halbjahresprogramm 1/2014

Buchtipps

Das neue Halbjahresprogramm der Akademie ist erschienen: Von Januar bis Juli 2014 lädt die Evangelische Akademie zu 71 öffentlichen Tagungen und Studienreisen ein. Auf den 51 Seiten des Programms erwartet die Leser ein breit gefächertes Angebot von Veranstaltungen für Berufsgruppen aus allen Bereichen: Kultur, Bildung, Soziales, Religion, Umwelt, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Auch Tagungen zur Förderung der Kreativität, der Leitungskompetenz und der Persönlichkeitsentwicklung werden angeboten. Thematisch steht bei einer Fülle von Tagungen die Herausforderung der Beteiligungsgesellschaft im Mittelpunkt. Dabei werden sich die Teilnehmer mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen beschäftigen: Wie gelingt es, verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung in den Kommunen zu fördern? Welche Modelle waren bisher schon in Baden-Württemberg erfolgreich? Wie kann es gelingen, Mitarbeitende in Unternehmen sinnvoll zu beteiligen? Können Menschen europäische Integrationsprozesse mitgestalten? Wie können im Kampf um sauberes Wasser die verschiedenen Akteure an den Entscheidungsprozessen eingebunden werden? Mit ihrem Veranstaltungsangebot leistet die Evangelische Akademie auch einen wichtigen Beitrag zum Themenjahr »Politik und Reformation«. Die Reformation hat in der Frühen Neuzeit Wesentliches zur Demokratisierung beigetragen. Gegenwärtig jedoch steht die Diskurskultur vor gewaltigen Herausforderungen. Wie zukunftsfähig ist die Demokratie heute noch? Wie können Einsichten überhaupt noch gesellschaftlich wirksam werden? Mit der Tagung »Ändern ist leicht, bessern ist schwer!« wird eine Tagungsreihe zum Reformationsjubiläum 2017 eröffnet.

Norbert Mappes-Niediek: Arme Roma, böse Zigeuner – Was an den Vorurteilen über die Zuwanderer stimmt C.H. Links Verlag, 2012 »Was wir als ›Roma‹ wahrnehmen, ist oft das Abbild der Bedingungen von Armut«. So hat es Norbert MappesNiediek in seinem Vortrag bei der Tagung »Flüchtlinge aus den Südosteuropäischen Staaten. Es ist Zeit für Gerechtigkeit!« (13.-15.September) formuliert. Und so findet es sich auch in seinem Buch »Arme Roma, böse Zigeuner« wieder. Das Phänomen der Zuwanderung, wie es sich in Deutschland und Europa beobachten lässt, sei als Armutsmigration zu beschreiben, die man aber nicht unterbinden sollte. Viele vermeintliche Fakten, die in ganz Europa kolportiert werden, seien schlicht nicht belegbar. Projekte, so das Fazit von Mappes-Niediek, seien nicht die Lösung, erst recht nicht durch dezidierte »Romaprojekte«. Denn Fragen der Gesundheitspolitik, der Armutsbekämpfung und der Sozialpolitik in den Herkunftsländern sind keine RomaFragen. Und auch der Einsatz für Roma in Europa als Teil einer Minderheitenpolitik, die von Diskriminierung als Ursache der Probleme ausgeht, sei nicht zielführend. Denn nicht ihre Kultur sei das Problem, so der Autor. Stattdessen würde damit eine »gypsy industry« betrieben, die zahllose NGOs und Kleinstprojekte betreibe, an die Ursache aber kaum rühre und auch keine tiefgreifende Änderung bewirke. »Arm sind die Roma in Wirklichkeit aus exakt demselben Grund, aus dem auch viele Nicht-Roma in Ost- und Südosteuropa arm sind: Es fehlt an bezahlter Arbeit« (S. 8). Damit stößt Mappes-Niediek ins Zentrum der Debatte in Deutschland: Ist die Diskriminierung von Roma in Südosteuropa Ausdruck eines tiefliegenden Antiziganismus, der ebenso in

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den Zielländer ihrer Migration, Frankreich ebenso wie Deutschland, tief verwurzelt ist? Oder ist ihre Lage tatsächlich ein rein soziales Phänomen, das sich auch in ihrer Arbeitsmigration nach Deutschland ausdrückt? Der Journalist (u. a. der Standard, Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung) und Berater des UNO-Sondergesandten für das ehemalige Jugoslawien (1994/1995) unterlegt seine Thesen mit vielen Anekdoten und Begegnungen. Ein Schwerpunkt liegt an seiner Kritik am Projektwesen: »Wenn sie von Roma nichts wüsste, würde die Europäische Union keine Roma-, sondern Sozialprogramme auflegen. Es gäbe keine ›Roma-Dekade‹, sondern ein Zehn-Jahres-Programm zur Bekämpfung der Armut. […] Wenn es die Kategorie der Roma nicht gäbe, würde nicht mehr darüber diskutiert, warum so viele Roma-Kinder in Sonderschulen gehen. Stattdessen würde man sich vielleicht fragen, warum es so etwas wie Sonderschulen überhaupt noch gibt«. (S. 193f.). Vermutlich gibt es keine monokausalen Erklärungen und auch keine einfachen Lösungen. Mappes-Niediek gibt mit seinen Thesen aber wichtige Anstöße. Simone Helmschrott, s. a. Beitrag S. 12

zu Indien (S. 13/14): - Sudhir Kakar, Katharina Kakar: Die Inder – Porträt einer Gesellschaft, dtv, 2013 - Der Bürger im Staat – Indien, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 2009 zu Pakistan (S. 10/11): - Jochen Hippler: »Das gefährlichste Land der Welt?«, KIWI paperback, 2008 - Jorge Scholze: »Der PakistanKomplex«, Pendo Verlag, 2008 - Christian Wagner: »Brennpunkt Pakistan«, Dietz Verlag, 2012

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buchtipps Bärbel Wartenberg-Potter: Anfängerin. Zeitgeschichten meines Lebens Gütersloher Verlagshaus, 2013 Zu ihrem 70. Geburtstag veröffentlichte Bischöfin i. R. Bärbel Wartenberg-Potter ihre Lebenserinnerungen. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit und Chronologie der Ereignisse zu erheben, geht es ihr um die Geschichten, die im Rückblick immer wieder auftauchen. Sie verknüpft sie kunstvoll wie Fäden in einer textilen Handarbeit. Vom Anfangen erzählt sie und wie sie Grenzen überwindet. Bärbel Wartenberg-Potter erinnert an ein Wort des Theologen Paul Tillich: »Die Grenze ist der eigentlich fruchtbare Ort der Erkenntnis.« Sie schreibt dazu: »Seit ich als Kind die Grenze überschritten habe, ist sie Teil meines Lebensverständnisses geworden. Ich bin über viele Grenzen gegangen in meinem Leben und habe ›fruchtbare Erkenntnisse‹ gesammelt, auch schmerzliche und im wahrsten Sinne ›grenzwertige‹.« »Was kommt hinter der Grenze? Was kann ich im Neuland anfangen?« – diese Fragen werden zu Leitfragen ihres Lebens. Sie ziehen sich durch, wenn sie von ihrer pfälzischen Herkunftsfamilie erzählt und von ihrem Kampf um das Leben der beiden Söhne und ihrer Trauer, als beide im frühen Kindesalter sterben. Neuland betritt sie als ökumenische Mitarbeiterin der »Aktion Missio« und als Direktorin der Frauenabteilung im Ökumenischen Rat der Kirchen, als Universitätspfarrerin und Dozentin auf Jamaika und zuletzt als Bischöfin von Holstein-Lübeck. Immer wieder steht sie vor der Herausforderung, mit einer Aufgabe oder einem Amt anzufangen und dabei herauszufinden, wie sie damit umgehen kann. So begegnet uns die Anfängerin als Grenzgängerin und neugierige Entdeckerin und nicht zuletzt als Anstifterin, die sich berühren lässt und sich einmischt, etwa in der Antiapartheidbewegung und in der Frauenbewegung, und dabei Freunde und Freundinnen fürs Leben gewinnt.

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Verlosung! Anlässlich Ihres 80. Geburtstags war Bärbel Wartenberg-Potter in der Evangelischen Akademie Bad Boll und hat aus ihrem neuen Buch gelesen, das Susanne Wolf, Studienleiterin, auf dieser Seite rezensiert.

Wer die Zeit selbst erlebt hat, wird entdecken, wie eigene Erinnerungen bei der Lektüre wach gerufen werden: Ja, so war das damals im Kampf gegen den Rassismus, in der Ökumene, in der kirchlichen Frauenbewegung und in den Anfängen der feministischen Theologie. Jüngeren eröffnet das Buch Einblicke in Ereignisse, in das Agieren wichtiger Personen und in Hintergründe der kirchlichen Zeitgeschichte, die noch in unserer Gegenwart nachwirken, aber selten so dicht und persönlich gefärbt geschildert werden – zumal viele Gedichte und liturgische Texte der Autorin sowie zahlreiche Fotos ihren Erzähltext bereichern. Ein schönes Geschenk, das uns Bärbel Wartenberg-Potter damit beschert! Susanne Wolf, Studienleiterin

Wir verlosen drei Exemplare der »lebensfrohen und ermutigenden Geschichte einer lebensstarken Theologin, die viele Jahre für den Ökumenischen Weltrat der Kirchen tätig war und sich zusammen mit ihrem Mann Philip Potter einen Namen als ebenso politische wie spirituell orientierte Befreiungstheologin gemacht hat« (aus den Verlagsinformationen). Machen Sie mit und schreiben Sie uns eine E-mail. Wir sammeln bis 18. Dezember. Dann entscheidet das Los und bis Weihnachten ist da Buch bei Ihnen!

Mails, Postkarten oder Briefe an: Redaktion SYM Akademieweg 11, 73087 Bad Boll martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de

Faszination Buddhismus Wolfgang Wagner, viele Jahre Studienleiter in Bad Boll, berichtet in diesem SYM zum vierten und letzten Mal von seinen Erfahrungen als Auslandspfarrer in Pattaya. Er schreibt darüber auch regelmäßig einen kurzweiligen Tagebuch-Blog. Dieser kann hier bestellt werden: wolfgangwagner.blog.de Die meisten Deutschen, die nach Pattaya kommen, suchen Sonne und Sex. Aber sie können nicht übersehen, dass Thailand ein buddhistisches Land ist. Überall findet man die klosterähnlichen Tempelanlagen, »wat« genannt, die durch Schulen und karitative Einrichtungen starken Einfluss ausüben. Oft betreiben die Mönche ein Krematorium und sind bei Beerdigungen auch der Fremden unentbehrlich. Will man sie in ihren gelben Roben allerdings auf der Straße sehen, muss man früh aufstehen. Dann sammeln sie die Spenden ein, die reichlich von der Bevölkerung gegeben werden. Mangels

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aus pattaya - teil 4 anderer kultureller Anziehungspunkte werden die wats von Touristen gerne besucht. Manche bieten sogar buddhistische Kurse, Meditationen und »Kloster auf Zeit« für Ausländer an. Der Buddhismus fasziniert viele Westler, die entweder vom Materialismus und / oder von mangelnder Spiritualität in den Kirchen enttäuscht sind. Man schätzt seine Friedensfähigkeit, die Abwesenheit von Dogmen und die kirchenlose, freie Organisation. Dabei übersieht man, dass zwischen Mönchen und Laien streng geschieden wird. Jene müssen sich strengen Regeln unterwerfen, die diese nicht zu beachten brauchen. Eine auf Deutsch übersetzte, weit verbreitete Schrift von Buddhadasa Bhikkhu wirbt gar für den Buddhismus mit der Parole »Keine Religion«. Die eigene Lehre (»Dhamma«) wird als Wissen ausgegeben, das jedem Glauben überlegen sei. Da wird unbekümmert das paulinische »Haben als hätte man nicht« mit der buddhistischen Forderung des »Nichtanhaftens« gleich gesetzt. Der Autor gilt als wichtigster Reformator thai-buddhistischen Denkens im letzten Jahrhundert. Er gehörte zu den wenigen, die das Gespräch mit christlichen Theologen suchten. Buddhismus als »Nicht-Religion« mag Intellektuelle faszinieren, trifft aber überhaupt nicht die thailändische Wirklichkeit, die in seltsamer Verbindung mit ungeheurer Modernisierung durch und durch religiös gefärbt ist. Wobei die strenge Theravada-Richtung im Alltag vermischt ist mit animistischen Elementen und sich auch mit chinesischen Einflüssen gut verträgt. So wird kein Haus gebaut, bei dem nicht eine Reinigungszeremonie die vertriebenen Geister besänftigen soll, die dann in ein kleines »Geisterhaus« umziehen, oftmals Puppenstuben ähnlich. Dort wird den Geistern täglich geopfert und Anbetung entgegengebracht. Sogar auf Pattayas »sündiger Meile« findet man eine solche Andachtsstätte, vor der die Barmädchen zu Beginn ihrer Arbeit niederknien. Wie sie das mit buddhistischer Moral vereinbaren,

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ist ihr Geheimnis. Vielen sind Amulette wichtig. Sie sollen den Träger beschützen, das Haus gegen böse Nachbarn verteidigen und im Auto vor Unfällen bewahren. Buddhistische Feiertage werden im ganzen Land gefeiert. Oft werden sie eingeleitet von einer staatlichen Zeremonie, die der König bzw. derzeit eher der Kronprinz durchführt. Was evangelische Theologen an den mittelalterlichen Ablasshandel erinnert, ist das ständige »merit making«, also das Bemühen um religiöse Verdienste, um ein besseres Karma zu erreichen. Die Klöster bekommen so nicht nur milde Gaben, sondern oft ganze Erbschaften. Niemand regt sich über ihren Reichtum auf. Man bekommt den Eindruck, es könne gar nicht genug goldene Buddhas geben. Nun gab es allerdings in jüngster Zeit einige Skandale um »Jetset-Mönche«, die weder Armut noch Zölibat beachtet hatten. In einer Umfrage 2012 wurde festgestellt, dass die buddhistischen Werte gewaltig gelitten haben. Eheliche Untreue gilt als modern, Lügen sind weit verbreitet, nicht einmal Tötungen werden geahndet. Chinnapat Bhumirat, Staatssekretär des Bildungswesens in Thailand, ist der Auffassung, dass in Klassenzimmern zu wenig über die Probleme der Moral unterrichtet wird. Es sollten daher mehr religiöse und spirituelle Führer eingeladen werden, die den Schülern das moralische Gewissen und Verständnis von Ethik vermitteln könnten.

listisch deutet. Da mischen auch die politischen Parteien mit. In den Händen der machthungrigen Eliten wird die Korruption auch der Mönchsgemeinschaft (»Sangha«) weitergehen. In der Bevölkerung scheint die Verehrung der Mönche ungebrochen. Von der hohen Achtung der Religion profitiere ich auch. Wenn ich im Krankenhaus einer Schwester erklären muss, welche Funktion ich habe und sie »pastor« oder »priest« nicht versteht, nenne ich mich »german buddha«. Dann gehen alle Türen auf.

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 10. Jahrgang 2013, Heft 4/2013 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Dr. Jörg Hübner) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotonachweis: Andrew Behesnilian: S. 14; Didier: S. 19; EAD: S. 2; epd-Bild, Verena Mörath: S. 12; Albrecht Esche: S. 2, 4; Helmschrott: S. 25; Claudia Mocek: S. 15; Nyirogongo – Fotolia.com: S. 7; picture alliance / dpa: S. 7, 9, 13, 16; privat: S. 11, 12, 13, 21; Wolbert Smidt: S. 8, 9; WALA: S. 4; Waiblinger: 2, 5, 8, 20; SYM erscheint vierteljährlich.

Vielleicht kann der neue Patriarch die Situation verbessern. Der jüngst verstorbene Somdet Phra Nyanasamvara war zwar hoch geachtet, aber doch seit vielen Jahren krank. Die oberste Weltbuddhismuskonferenz gab ihm letztes Jahr den Titel »Höchste Heiligkeit des Weltbuddhismus«. Die Kommentatorin der »Bangkok Post« ist allerdings skeptisch und spricht von einer »korrupten Gerontokratie«. Einem möglichen Kandidaten aus der »Dhammakaya-Bewegung« unterstellt sie, dass er das Nirvana zum himmlischen Platz verklärt und recht kapita-

Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach

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meditation

Die Arbeit aller Menschen ist gleichwertig Meditation zu 1 Kor 12,14: Denn auch der Leib ist nicht ein Leib, sondern viele Von Pfarrerin Pearly Walter Der Bibeltext 1. Korinther 12, 14-26 passt gut zum Thema der Tagung, die sich mit der Berufsausbildung von Benachteiligten befasst. Ich habe mich immer gefragt, was gelernte oder ungelernte Arbeiter und Arbeiterinnen denken, wenn sie gefragt werden: »Was machen Sie beruflich?« In Deutschland würde man vielleicht sofort eine Berufsbezeichnung nennen oder möglicherweise auch sagen, man sei arbeitslos. In Indien zögern dagegen manche, den ausgeübten Beruf zu nennen, da die meisten Berufe nur von bestimmten Kasten ausgeübt werden dürfen und damit nach Gesetzen der Reinheit beurteilt werden. Es ist eine Tatsache, dass Menschen, die als Bauern, Maurer, Zimmerleute, Friseure, Schuster, Wäscher, Dienstboten, Bauarbeiter, Müllmänner oder ähnliches arbeiten, auf der untersten Stufe des Kastensystems landen und ihre Arbeit als unrein gilt. Obwohl sie ihre Fachkenntnisse unter Beweis stellen und ihren Lebensunterhalt durch ihre qualifizierte Arbeit bestreiten – wenn auch nicht bei gerechtem Lohn – wird auf sie als unwerte Menschen herabgesehen. Diese unmenschliche Art der Diskriminierung beeinflusst das ganzheitliche Wachstum einer Gesellschaft bzw. einer Nation. Wenn Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther die unterschiedlichen Funktionen der Gläubigen in der Kirche beschreibt, vergleicht er sie mit einem physischen Körper. In Kapitel 12 lesen wir ab Vers 14, dass zwischen den Körperteilen ein Streit darüber entstanden ist, ob sie trotz ihres unterschiedlichen Aussehens und ihrer verschiedenen Funktionen zu dem selben Körper gehören. »Kann der Fuß sagen, er sei nicht die Hand und gehöre deshalb nicht zum Körper, oder

kann das Ohr sagen, es sei nicht das Auge und gehöre deshalb nicht zum Körper?« Der gleiche Kampf über die Frage der Zugehörigkeit findet im Kopf aller Arbeiter der diskriminierten Kasten in Indien statt. »Ich bin nur ein Zimmermann und bin es deshalb nicht wert, zu einer größeren Einheit zu gehören. Ich bin nur ein Schuster und gehöre nicht zur Gruppe der qualifizierten Facharbeiter.« Sind diese Menschen kein Teil der Gesellschaft? Nur weil Fuß, Hand, Auge oder Ohr sagen, sie seien nicht so wertvoll wie die anderen Teile des Körpers, bedeutet dies nicht, dass sie nicht doch zum Körper gehören. Aus diesem Grund sollten alle Teile des Körpers ihre Funktion und den Wert dieser Funktion kennen. Dies gilt in gleichem Maße für alle gelernten und ungelernten Arbeiter. Sie sollten den Wert und die Würde ihrer Arbeit erkennen und stolz darauf sein, dass sie gleichberechtigte Teile einer Nation sind. In Vers 21 lesen wir, dass kein Teil des Körpers einem anderen Teil seine Bedeutung absprechen solle. »Das Auge kann nicht zur Hand sagen ›Ich brauche dich nicht‹«. In diesem Sinne ist es ungerecht, wenn bestimmte

Berufe einer Kaste zugeordnet werden und nach dem Konzept der Reinheit beurteilt werden. Niemand darf anderen Menschen absprechen, dass ihre Arbeit einen Wert hat. Alle Arbeiter sollten ihre geleistete Arbeit stolz sein können. Jeder sollte einen Ausbildungsberuf frei und unabhängig von Kastenzugehörigkeit oder abqualifizierenden Wertesystemen wählen können. Das ungerechte Kastensystem in Indien ist eine große Herausforderung für das ganzheitliche Wachstum des Landes. Außerdem ist in Vers 23 zu lesen, dass die Körperteile besonders geachtet werden sollten, von denen wir eigentlich annehmen, sie seien weniger wert. So sollte auch die Berufsausbildung in Indien das Ansehen der weniger geachteten Berufe verbessern und damit zur Verbesserung und Emanzipierung der benachteiligten Berufsgruppen und Menschen beitragen. Zum Schluss lesen wir in Vers 26, dass alle Teile des Körpers leiden, sobald ein Teil leidet und dass alle Teile geachtet werden, sobald ein Körperteil geachtet wird. Möge uns Gott die Kraft und Unterstützung gewähren, dass wir uns um einander kümmern und (Mit) Menschen sowie deren Berufe achten. Übersetzung: Reinhard Becker Pearly Usha Walter ist ordinierte Pfarrerin der Südindischen Kirche. Sie promoviert derzeit im Fach Neues Testament an der Universität Hamburg mit einem Stipendium der Missionsakademie.


Abs. Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll - Postvertriebsstück 64670 - Entgelt bezahlt

Äthiopische Kaffeezeremonie in der Akademie Im Programm der Tagung »Äthiopien und Deutschland«, 26. bis 27. Oktober, stand für 21:00 Uhr »Äthiopischer Abend mit Qollo und Kaffeezeremonie«. Dass das Ganze im Café Heuss etwas anders aussieht als in einem traditionellen äthiopischen Dorf, kann man sich gut vorstellen. Mit Hilfe des Restaurants Africa, Göppingen, bekamen die Beteiligten aber einen starken Eindruck dieser alten Tradition. Zum Kaffee wurden Qollo, das ist geröstetes Getreide und Popcorn gereicht. Der Kaffee kommt zumindest biologisch aus Äthiopien und hat dort auch eine lange Tradition und hervorragende Sorten. Bei der Kaffeezeremonie sitzen alle am Boden um die Kaffeerösterin, die den Kaffee röstet. Danach geht der geröstete Kaffee für eine Riechprobe im Kreis herum – ein Ritual, das an unsere Weinproben erinnert. Dann wird der Kaffee von der Rösterin gemahlen, in einer speziellen Tonkanne, Jebenna genannt, mit Wasser aufgekocht und in kleine Tassen verteilt. In diese kommt zuerst reichlich Zucker (einst Zeichen von Reichtum) und sie werden bis zum Überlaufen gefüllt (Zeichen für Großzügigkeit). Jede und jeder muss mindestens zwei Tassen nehmen – so will es der Brauch. Auch, dass die Gäste danach aufbrechen. Für die Teilnehmer war es damit allerdings noch nicht zu Ende – die Zeremonie war nur der Auftakt für den Abendausklang im Café Heuss. Fotos: Dr. Regina Fein

Die Tonkanne, die in Äthiopien benutzt wird, heißt Jebenna, oben sieht man das geröstet Getreide und das Popkorn, das meist zur Kaffeezeremonie gereicht wird. Mit dem Bast wird das Feuer angefacht.


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